1906 / 60 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 10 Mar 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Dentscher Reichstag. 60. Sigung vom 8. März 1906, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Tagegorduung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reihshaushalts- etats für das Rechnungsjahr 1906. (Spezialetats: Reichspost- und Telegraphenverwaltung, Reichsdrukerei, RNeichs- eisenbahnen, Reichseisenbahnamt, Allgemeiner Pensiondsfonds, Reichsinvalidenfonds und Reichsschaßamt), ferner zweite Be- ratung des Entwurfs eines Gesezes, betreffend die Ent- lastung des Reichsinvalidenfonds, und erste event. Ee Beratung des Entwurfs eines fünften Nachtrags zum eichshaushaltsetat (188 700 Zugang zum Allerhöchsten R E Zu dem ersten Punkt der Tagesordnung, dem Etat der Reichspost- und Telegraphenverwaltung, sind von den Abgg. Kopsh und Müller-Sagan 4 Resolutionen eingebraht worden, deren Wortlaut in der vorgestrigen Nummer des Blattes mit- geteilt worden ift. Als erster Redner ergreift das Wort der Abg. H u g (Zentr.): Die Tätigkeit der Reichspostverwaltung, dieses Riesenapparates, verdient alle Anerkennung, und wir zollen sie ihr mit Freuden. Natürlich bleibt immer noch ein kleiner Rest uner- üllter Wünsche zurück, sowohl was die Verkehrörücksichten als auch was den Beamtenkörper angeht. So hat die Handelskammer meines Waßhlkreises Konstanz hinsihtlih der Paketbeförderung Wünsche genuners die ich dem Wohlwollen des Staatssekretärs empfehle. Jn ezug auf die definitive Anstellung der Beamten bestehen noch mehr- fach Ungleihheiten; manche gelangen erst nah aht-, andere nah zebn-, noch andere erst nach fünfzehnjähriger Tätigkeit zur endgültigen An- stellung. Hier wäre ebenfalls eine größere Gleihmäßigkeit erwünscht, die die {hroffsten Härten beseitigt. Auch das Dienstalters\stufensystem hat eine Anzahl Postdirektoren und Postinspektoren benachteiligt ; auch hier muß Abhilfe gesckaffen werden. Die Bahnpostschaffner scheinen überbürdet und für thre Leistungen, namentli für den Naht- dienst, niht genügend entschädigt zu sein. Der NRedner bringt noch eine Reihe ähnlicher Wünsche bezüglich der unteren Beamten- kategorien vor. j i ; Abg. Eickhoff (fr. Volksp.): Der Kollege Kopsch hat der Ver- waltung eine Anzahl von Vorschlägen unterbreitet, die fih inzwischen zu Resolutionen verdihtet haben, die ih dem Hause zur Annahme dringend empfehle. An die einzelnen Abgeordneten sind niemals aus dem Kreise der Postverwaltung so viele Zuschriften gelangt, wie in diesem Jahre ; diese Zuschriften und Beschwerden \prehen zum Teile hon einer direkten Notlage der Beamten. Es ist anzuerkennen, daß der Etat viele Besserungen enthält, so die Erhöhung des Wohnungs- geldzushufses für die Unterbeamten, diese können aber keineswegs alle Klagen verstummen machen. Die Besoldungéverbesserung muß und wird in absehbarer Zeit kommen. Vor allem müssen die berechtigten Wünsche der Postinspektoren und der “Oberpostpraktikanten erfüllt werden. Die Beförderungsverhältnisse der höheren Postbeamten haben sich gegen die Zeit der ahtziger Jahre niht unerheblich verschlechtert. Das Dienstalters\tufensystem hat hon seit mehr als einem Jahrzehnt empfindlihe Schädigungen der jüngeren Beamtenschaft herbeigeführt. Man kann es dieser Beamtenkategorie niht verargen, wenn sie immer wieder auf cine Verbesserung hinwirkt. Wir werden deshalb auch für die übrigen Refolutionen stimmen, die sihch auf die Beseitigung von Härten für die mittleren Beamten beziehen. Außerordentliche Ver- hältnisse erheischen auch außerordentlihe Maßnahmen, wie es bezüg- lih der Oberförster in Preußen ja geschehen ist. Ist der Staats- sekretär geneigt, in jedem Postbezirk eine Postinspektorenstelle in eine Postdirektorenstelle zu verwandeln? Man beklagt #ch in posta- lishen Kreisen über den mangelhaften Zusammenhang zwischen Be- zirken und Verwaltungen. Man wünscht, daß jeder höhere Beamte die Bedürfnisse des Betriebes kennen lernt. Es gibt Inspektoren, die gar nicht den Betrieb, die neuesten Erfindungen in der Fernsprechweise nicht praktish kennen lernen. Die! Sie pektoren sfollten erst Postdirektoren werden, ehe sie in die Inspektion eintreten, und dem Direktor sollte nicht das weitere Avancement beschränkt werden. Man sollte den bestehenden Dualismus beseitigen und zur Aufsiht Beamte heranziehen, die den Betrieb praktisch kennen gelernt haben. Mit der Jnspektion sollte man Postleiter beauftragen, die den Dienst genau kennen. Was die mittleren Beamten betrifft, so würde es sih empfehlen, die Besoldungs- reform fo durchzuführen, daß eine einheitlihe Gehalts\fala für alle mittleren Beamten eingeführt wird. Die Assistenten müßten ein Gramen für die Obersekunda ablegen. Die Unterbeamten sollten darüber aufgeklärt werden, welhe Dienstvorshriften über die gehobenen tellen bestehen. Wie es heißt, sollen die Geldbriefträger nicht in die gehobenen Stellen gelangen. Bei den verschiedenen Aemtern herrscht eine vershiedene Praxis über die Zuziehung der Unterbeamten zu niederen Diensten. Es wird berichtet, daß die Unterbeamten in Berlin nah einer Ver- fügung nur noch 63 Stunden wöchentlihen Dienst verrihten gegen 68 Stunden in der Vergangenheit. Tatsächhlih tun diese Beamten jeßt nur noch im Dur{schnitt 60 Stunden Dienst. Ih möchte wissen ob jene Verfügurg streng durhgeführt wird. Ist es richtig, da die Gratifikationen allgemein abge\chaft sind? Das würde bei der jeßigen Teuerung sehr auffallend sein. Die Stellungszulage sollte möglichst gerecht verteilt werden, und zwar tunlihst nach dem Dienst- alter, oder für die älteren Beamten pensionsfähig gemacht werden. Daß die Unterbeamten eine WohnungsgeldzusWußerhöhung um 509% erhalten follen, ist zu begrüßen. Der Zuschuß steht für die mittleren und höheren Beamten in keinem Verhältnis zu ihrem Aufwande. Ich möchte den Staatssekretär dringend biiten, auch dieser Frage feine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Beim Schahsekretär wird der Staatssekretär kaum auf Widerspru stoßen, zumal der Postetat wieder ein glänzendes Grgebnis aufzuweisen hat. Eine Herabsetzung der Portosäße für Drucksachen, Warenproben und Postkarten ist mögli, ohne die Einnahmen zu vermindern. Vielleicht wird auf dem nächsten Weltpostko"ngreß eine allgemeine Ermäßigung der inter- nationalen Portosäße vorgeshlagen. Den Resolutionen der Budget- kommission werden wir mit einer einzigen Ausnahme zuslimmen, die 8 im Interesse der ländlichen Bevölkerung für eine weitgehende Er- eihterung der Telephoneinrißtung und Telegraphenbenußung in den kleinen Ortschaften, eventuell unter gcrechterer Repartition der Kosten zwishen Stadt und Land empfiehlt. Dabei kommt der agrarische Pferdefuß doch zu deutlich zum Vorschein.

Abg. von Gersdorff (dkons.): Auch wir bedauern, daß die Ne- gerung s durch die ablchnende Haltung des Reichstags hat abhalten afen, die Ostmarkenzulage für die Posibeamten vorzuschlagen. Steter Tropfen höhlt den Stein, und die Ostmarkenzulage würde nur eine gerechte und billige Ausgleihung zwischen den Beamten des Reichs und Preußens herbeiführen. Je länger der biéh-:rige Zustand anhält, um so tiefer wird die Mißstimmung in den betreffenden Kreisen sein. Der Abg. von Chlapowskti behauptete neulich, die Postverwaltung \chikaniere und drangsaliere die Polen in Posen. Er sprach von der Versegung der polnischen Beamten nah deutshen Gegenden. Diese Beamten müßten do wifsen, daß sie verseßt werden können. Sie haben toch niht das Recht erworben, bloß in den Gegenden zu bleiben, wo polnisch gesprochen wird. Es ist auch gut für die Beamten, wenn sie ch den Wind auch wo anders um ktie Nase wehen lassen. Was chadet es denn, wenn ein Beamter nah Leipzig kommt ? Die Anträge auf Aenderung der Ortsnamen gehen doch niht von der Postverwaltung aus, fondern von tem betreffenden Orte selbst. Jh verspreche mir freilich von einer derartigen Aenderung für das Deutschtum verdammt wenig. Wenn die Namen nicht gerade zungenbreherisch auszusprechen sind, und die Namen sich eingebürgert haben, so follte man je ruhig be- stehen lassen. Jn bezug auf die Ueberseßungsstellen bedauere ih

und drang 2 Milli

: an Porto ausgeben, so geht daraus hervor, daß ein leb- Haftes Bedürfnis für die Erleichterung des Postverkehrs Bi ihren egchöriges vorhanden ist. Die Verwaltung hat wohl weniger Be- denken wegen eines etwaigen Mißbrauhs der Portofretheit, sondern wegen eines Einnahimeausfalls. ir haben die Portofreiheit für Briefe nicht beantragt, weil nah den Erklärungen des Staats- sekretärs auf eine Erfüllung dieses Wunsches nicht zu rechnen ist. Die Resolution E o beschränkt \sich auf Portofreiheit für die R Hoffentlich stimmt die Postverwaltung wenigstens dieser olution zu.

[uti

Abg. Duffner (Zentr.): In dem Abkommen von 1871 wurde Baden zugestanden, daß die Badener bei Besetzung der höheren Post- stellen vorzu c berücsihtigt werden sollen. Jn Baden sind von 10 Postinspéktorstellen aber 7 mit Nicht - Badensern beseßt. Jm außerbadischen Reichspostgebiet ist au die Vermehrung der Postämter L Aale viel rascher vor sih gegangen als in Baden selbst. Alles dies läuft den Verträgen von 1871 zuwider. Auch hinsichtlich der Ancklennität sollten jfne Verträge doch so ausgelegt werden, daß die ane Beamten innerhalb Badens rangieren, während man sie jeßt tats G Le Dais des ganzen NReichspostgebietes rangieren läßt. Auch die Laufbahn der badischen Postdirektoren pflegt von derjenigen der sonstigen Postdirektoren \ich insoweit zu unterscheiden, als ihr Avancement ungünstiger is. Die mittlecen Beamten, die von der Landesregierung angestellt werden, haben Klage darüber erhoben, daß gewissen Kategorien dieser Klassen bei vorzeitiger Penfionierung eine Anzahl Dienstjahre nicht an- gerehnet werden. Die Refolution Patzig verlangt zuerst Anrechnung der Militärdienstzeit derart, daß gleiher Gesamtdienstzeit gleiche Besoldung gegenübersteht; wir meinen, dieser Punkt wird besser beim Militärpensionsge geregelt. Das zweite Verlangen dieser Resolution, das T C der unteren und mittleren Beamten der vollen Vergütung der Miete möglichst nahe zu bringen, zieht keine erkenn- baren Grenzen zwischen beiden; aber eine Besserung der bestehenden Zustände bleibt auch nach der Erhöhung der Zushüsse um 50 9% für die Unterbeamten dringend erforderlih. Den Postillonen ist noch immer keine genügende Ruhezeit gewährleistet; diese Beamtenklasse möchte ih dem Wohlwollen des Staatssekretärs ganz besonders empfehlen. Was die Materialbeshaffung durch die Poft betrifft, so sollte diese tunlihst von badishen Staatsangehörigen bezogen werden. Das besagen die Verträge, tatsählih aber wird diese Stipulation durchaus nicht inne- ehalten. Briefkästen, Schreibmaschinen, Fahrräder usw. usw. werden aus rankfurt, aus Hessen, aus Schmiedeberg, aus Neiße, aus Berlin und Schöneberg, nur nicht aus Baden bezogen. Dadurh wird das badische Kleinhandwerk und Gewerbe ges{ädigt. Wir haben in Baden eine hohentwickelte Industrie, unsere elektris{en Apparate können ih durchaus sehen lassen, aber unsere heimishe Industrie wird bei Ver- gebung dieser Arbeiten niht berücksihtigt. Es sollte doc eine kleine Ap, nit zu Lasten des badishen Industriellen oder abrikanten den Ausschlag geben, wenn er auch etn paar Pfennige teurer ist als der norddeutshe Konkurrent. Es ist beshämend, wenn die badische Bevölkerung sehen muß, daß die Aufträge für das badische Land über die Grenze weggegeben werden. Das ift kein Partikularismus; man wird uns das Recht zugestehen müssen, diese Tatsachen hier zur

Kenntnis der Deffentlihkeit zu bringen.

Staatssekretär des Neichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat nah zwei Richtungen der Reichspostverwaltung Vorwürfe gemacht, als ob sie die Inter- essen des badishen Landes nicht in der gehörigen Weise wahre. Ih muß gegen diesen Vorwurf Einspcuch erheben. Was zunächst die Personalverhältnisse anbetrifft, so ist bei der Auswahl des oberen Personals niemals die Landsmannschaft, sondern die Quali- fikation entscheidend gewesen. Wenn der Herr Vorredner auf die Vergangenheit zurückgeht, dann wird er wahrnehmen, daß lange Zeit nicht nur beide Oberpostdirektionen in Baden, sondern auß noch eine dritte Oberposidirektionsstelle auf preußishem Gebiet, nämlich in Koblenz, von Badenern, leßtee von dem Oberpostdirektor Schwerd, beseßt waren. Wenn gegenwärtig weniger hohe Beamte aus Baten zur Verfügung stehen, so ist das nicht zu verwundern, sondern lediglih eine Folge der Ver- hältnisse; denn die Herren wollen nicht vergessen, daß in den ersten Jahren nach der Uebernahme der badishen Postverwaltung sehr wenige Beamte aus dieser das zweite Examen abgelegt haben. Nach den Notizen, die mir vorliegen, hat im Jahre 1882 der ersie Badener, der jeßige Oberpostdirektor in Konstanz die Prüfung abgelegt und im Jahre 1884 der zweite Badener, das ist der Geheimrat Oster, der dem NReichspostamt angehört. Also das wollen die Herren immer gütigst in Betracht ziehen. Es wäre ja sehr traurig, meine Herren, wenn wir uns darum kümmerten, welhem Teile des Deutshen Reichs und welcher Religion der betreffende Beamte angehört. Glauben Ste denn, das würde möglih sein, chne daß wir von allen Seiten angeklagt würden? Nein, einen so engherzigen Standpunkt nehmen wir nicht ein.

Dann ist angeführt worden, in Baden würden weniger Verkehrs- ämter I. Klasse eingerihtet, als im übrigen NReichspost- und Telegraphengebiet, und es sind da auch Zahlen genannt worden. Ich muß auch nach dieser Nichtung hin sagen, daß mit voller Gerechtigkeit vorgegangen wird, und daß die Scaffung von Post- und Telegraphen- ämtern nur nach dem Bedüfnis erfolgt. Es ist aber hier zu berüsihtigen, ob in einem Lande viele große Städte find, in denen starkes Verkehccleben pulsiert, oder ob, wie im badishen Lande, viele Pläße sind, die einen mittleren Umfang haben. Im badishen Lande sind deshalb verhältnismäßig mehr Postämter 11. und Ill. Klasse als in anderen Teilen des Deutschen Reichs. Die Vermehrung der Poft- und Telegraphenämter I. Klasse hat in Baden 49 °/ nicht 10,5 9/9 betragen und im übrigen Reichspost- und Telegraphengebiet 42,9. Also wegen dieses geringfügen Unterschiedes können Sie uns doch unmöglich Vorwürfe machen. Jh möchte wirklich bitten, daß die Herren den Eindruck mit nah Hause nehmen, daß wir streng nach der Gerechtigkeit verfahren, ledigli geleitet voa dec notwendigen Nück- iht auf das wirklize Verkehrs- und Dienstbedürfnis.

Die beste Unterstüßung finden wir darin, daß, wte dex Herr Vorredner ja auch angeführt hat, der Vertreter der Großherzoglich badiscken Regierung, Herr Minister von Marschall, im badischen Land- tage auf gleihartige Angriffe erklärt hat, daß die Neichspost- und -Telegraphenve1waltung vollständig loyal verfahre. Nun, meine Herren, wenn der Herr Vertreter von Badea das sagt, wie können Sie uns dann hier angreifen . und uns vorwerfen, wir verführen ledigli nach Gutdünken! Das ist doch nit der Fall!

Dann katte der Kerr Vorredner angeführt, wir erfüllten die Konvention insofern niht, als wir die in Baden erforderlichen Materialien und Gegenstände zum großen Teile von außerhalb be- zôgen. Nun ist es ja ganz selbstverständlih, daß wir bei unserem großen Betrieb Wert darauf legen und legen müssen, gewisse Gegen- stände einheitlich zu haben. Das trifft z. B. zu bei den

auch, daß sie eingerihtet worden sind. Ih wünsche, daß fie beseitigt werden. Vielleit is die Zeit dazu hon gekommen. L e els ist

es unridtig, os die Postverwaltung die Polen systematisch \cikaniert rt. . Shweidckhardt (d. Volksp.): Wenn die Soldaten jährli

Postsendungen. Diese Beutel werden im Riefengebirge gefertigt, und jeder Posibeamte sieht gleichß an der Form und an der Fabrikmarke, ob das ein richtiger Postbeutel und kein untergeshobener ist. Die Briefkasten werden aus FIfselburg und Neusalz nach bestimmten Mustern bezogen. Im übrigen legt die Neichspostverwaltung stets Wert darauf, alles tunlihst im Orte zu beziehen, und ih persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß es immer das. beste Verhältnis gibt, wenn au die Beamten an dem Orte, an dem sie leben, ihre Bedürfnisse beziehen. Diesen Grundsay befolgen wir auch bei allen unseren Bauten und bei dem Bezug der Ma- terialien. Nach einem mir vorliegenden Berichte der Oberpostdirektion in Karlsruhe is an der Angabe über den großen Bedarf an Seife, die wir aus Hemelingen bezogen haben sollen, nur wahr, daß das Telegraphenamt Karlsruhe mit 15 Kilogramm Seife aus Hemelingen einen Versuch gemacht hat, um festzustellen, ob diese Seife sih besser eignet, bei den Telegraphenarbeitern Bleivergiftungen zu verhindern. Im übrigen ist für diese Zwecke allgemein die Ver- wendung von Seife angeordnet, die von einem Fabrikanten in Frei- burg im Breisgau geliefert wird. Gewöhnliche Waschseife und Seife zum Sceuern wird am Orte selbst gekauft. Jh sehe nun wirkli nit ein, wie Sie uns einen Vorwurf daraus machen können, daß wir diese 15 Kilogramm Seife (große Heiterkeit) aus Hemelingen be- zogen haben, um zu sehen, ob diese Seife besser ist und das Personal besser vor Vergiftung {ütßt.

Die Briefträgertaschen und Rucksäke für Landbriefträger werden ¿war aus Offenbah und Berlin, also aus fremden Quellen bezogen; die Lieferung exfolgt auf Grund allgemeinen Vertrages. Dagegen werden die aus leihtem Stoff hergestellten Ergänzungstaschen für Briefträger und die in einzelnen Aemtern eingeführten Handtaschen für Briefträger sämtlich in Bretten und Karlsruhe gekauft.

Nun aber möchte ich Jhnen einmal die andere Seite der Me- daille vorführen. Nach den Ausführungen des Herrn Vorredners sieht es fo aus, als ob wir Baden benahteiligten. Jch habe {on ange- führt, daß das nit zutrifft, und der Herr Vorredner wird sich auch überzeugen, daß seine Angaben nit zutreffen.

Nun aber „Was der Herr Major mir s{chuldig ist!" Nach nicht- badischen Bezirken werden aus Baden geliefert :

1) Telegraphen - und Fernsprechkabel von den Süddeutschen Kabelwerken in Mannheim-Neckarau ; der Gesamtabsat bezifferte sich im Jahre 1901 auf 137357 #, ist aber auf 460 470 A für 1904 und auf 765 000 4 im laufenden Rechnungsjahre gestiegen.

2) Telegraphenftangen von Gernsbach (Murgtal) 1903 für 53 218 46, 1904 für 44912 Æ, 1905 für 44 982 M

3) Morserollèn von Weisenbahfabrik für jährlich 34 000 bis 35 000 M.

4) Kabelübersührungskasten von W. Axt in Mannheim für 4860 M. im Jaßre 1905. 5) Fernsprehapparate Deutschen Waffen- und 104 594 Æ im Jahre 1905. 6) Emaillierte Schilder aller Art von St. Georgen (Schwarzs wald).

7) Stühle und Hocker von Weinheim.

8) Sigerheitsgurte von J. Pleher in Bretten.

9) Nähmaschinen von Junker und Ruh in Karlêruhe.

10) Tonröhren zum Bau von Kabelkanälen für 41 850 A im Jahre 1904.

Dann Wachsdraht von C. Schacherer in Mannheim, Eisen- konstruktionen von Andreas König in Mannheim und so fort.

Ich kann Ihnen das nicht alles anführen. Die Herren werden aber do zu der Ueberzeugung kommen, daß diejenigen, die ihnen die betreffenden Mitteilungen gemacht haben, ein bißchen leihtsinnig vor- gegangen sind, daß fie nur den einen Punkt im Auge gehabt und für si frifiert, um das andere sich aber niht gekümmert haben.

Ich möchte nun gleih die Gelegenheit benußen, um dem Herrn Abg. Hug, der auch über die badishen Verhältnisse gesprochen hat, mitzuteilen, daß seine Angaben, betreffend die Nüßlichkeit des Baues von Häusern für Unterbeamte, ganz zutreffend sind. Gerade in dem Orte Singen, den er anführte, liegt ein Bedürfnis vor, und es wird ihn wahrscheinlich freuen, zu hören, daß für dieses Jahr be- reits der Bau eines Vierfamilienhauses in Singen und au eines folhen Hauses in Nadolfszell beabsihtigt wird. Die Bauten werden in diesem Jahre auêgeführt. ;

Ich möchte dann weiterhin anführen, daß er auch darin ret hat, daß für das Fahrpersonal des Bahnpostamts 28 die gewöhnliche Ver- gütunz an Fahrt- und Ueberlagergebühren nicht ganz ausreichend be- messen war, und daß im Laufe des Jahres 1905 eine Verbesserung dadur eingetreten ift, daß zu den normalmäßigen Gebühren Zuschüsse im Jahresbetrage von 2400 Æ bewilligt worden sind.

Wenn dann der Herr Abg. Hug aber anführt, daß das Reich immer nachfolgen müßte, wenn ein Einzelstaat die Gehälter des Personals ändert, fo kann ich ihm da doch niht recht geben. Er als Badener ist in der glücklihen Lage, anzuführen, daß in Baden die Beamten, welche niht Reichsbeamte sind, was den Wohnungsgeld- zushuß betrifft, etwas besser stehen. Jh habe mir kereits vorgestern gestattet, anzuführen, daß man doch immer Gehalt und Wohnungs- geldzushuß zusammenrehnen muß; denn wie die Verhältnisse jeßt ih gestaltet haben, kann’ man von dem Wohnungsgeldzuschuß nicht allein sprehen. Da sind, was die Assistenten anbetrifft, die Verhält- nisse in Baden nicht günstiger als im Reih. Aber selbst wenn das der Fall wäre, so stehen in anderen Teilen des Reichs jedenfalls die Beamten großenteils ungünstiger als im Reich. Wenn man den Grundsay aufftellt, das Reih müsse immer nach- folgen, so müßte es auch einmal nach unten nachfolgen, und das würde sehr s{chlimm werden. Wir haben im Neich im allgemeinen als Norm angenommen, daß das Gehalt für die Reichsbeamten si etwas nah den Verhältnissen in dem größten Staate, nah Preußen, zu rihten hat. Jh glaube, daß das Reichspostpersonal nach dieser Richtung -hin nicht s{lechter daran ist. Die Verbesserung der Ein- nahmen des Personals ist ja s\elbstverständlih eine Frage, die den Chef der Reihs-Post- und -Telegraphenverwaltung am meisten interessiert, und er kann sich ja darüber nur freuen, wenn auch aus diesem hohen Hause immer die guten Wünsche für die Verbesserung ausgesprohen werden. Nur möchte ih eines doch empfehlen, daß die Herren in ihrem Wohlwollen au ein bißcchen den Geldbeutel in Betracht ziehen. Solche Resolutionen find sehr leiht gefaßt und, hübsch gedruckt, hier vorgelegt; aber wie

für Munitionsfabriken in

ein Selbstanshlußamt von den Karlsruhe für

Briefkasten und bei ten Bulefbeuteln zur Verpackung von

stellt sih die Sache, wenn man einmal den Bleistift nimmt und die

Wirkung berechnet? Der Herr Abg. Eickhoff hat in der ihm eigenen freundlichen Weise gesagt, es müßte alles. gesehen, was von der linken Seite in den Drucksachen 271 bis 276 beantragt sei. Jch habe mir einmal die Sache berechnen lassen und gefunden, daß die Resolutionen, die so ganz harmlos aussehen, 32 Millionen kosten würden. Wenn ih nun dazu rechne, was von anderer Seite noch gewünsht wird, ein Stundenmaß festzusegen allgemein für das ganze Reich, für die Beamten von 48 Stunden, bei leichtem Dienst von 54 Stunden, für die Unterbeamten von 54 und 60 Stunden, so würde das allein wieder 31 Millionen kosten. Also zwei solche Wünshe machen 63 Miklionen aus. (Heiterkeit.)- Dazu fommt noch die Beamtenvermehrung, die in jedem Jahre eintritt und notwendigerweise eintreten muß, und die gewöhnli den größten Teil der Mehreinnahmen aus der Verkehrs\teigerung in Anspruch nimmt, also ungefähr 20 Millionen. Da bleibt sehr wenig übrig! Wenn die Herren das wollen, so möchte ih bitten : nehmen Sie darauf gleich bei Bemessung der Einnahmen des Reichs gütigst RNücksicht! (Heiterkeit.)

Weiterhin wurde gestern ih glaube, von dem Herrn Abg. Lattmann die Frage an die Verwaltung gerihtet, wie sich di? Beschäftigung der Frauen im leßten Jahre bewährt habe. Ich möd te mich dahin ausdrücken: was den Postdienst, insbesondere den Bahn- hofs- und Nachtdienst anlangt, so ist man auch in diesem Jahre zu der Ueberzeugung gekommen, daß weibliche Beamte für diesen Dienst nicht geeignet find, da sie den Anstrengungen niht gewachsen sind, Dagegen eignen sie sih für den Telephondienst vermöge ihrer höheren Stimmlage und ihrer im ganzen ruhigeren Auffassung bei leichten Differenzen (Heiterkeit) vielleiht besser. Aber auch na dieser Richtung hin haben wir doch die Erfahrung gemacht, daß das weib- lihe Geshlecht niht lange Diensishichtea hintereinander aushalten Tann, sodaß es notwendig ist, kurze Dienstshichten, also mehrmalige Beschäftigung am Tage eintreten zu lassen, um die nötige Elastizität bei Wahrnehmung des Dienstes zu erzielen. Ferner hat es sich als wünschenswert herausgestellt, au ein bißhen Abwechslung in die Be- \{äftigung zu bringen, und zwar dadurch, daß man die Frauen nicht bloß im Telephondienst, sondern au im Telegraphendienst beschäftigt. D3s ist das Resultat der Erfahrungen aus dem leßten Jahre. Ich glaube, der Herr Vorredner hat die Frage wegen des leßten Jahres an uns gerichtet, weil über die vorhergehende Zeit bereits in der Kommission seinerzeit Auskunft gegeben und auch gedruckt worden ist.

Was dann die Aufbesserung der Gehälter betrifft, für die der Herr Abg. Eickhoff eintrat, so habe ich ja {hon gestern erklärt, daß {ch einer Aufbesserung der Gehälter der Oberprakiikanten freund- li gegenüberstehe und mit Nachdruck danah strebe, das zu er- reichen.

R die Unterstützungen haben wir uns hier {on vielfach unterhalten. Es war ja gerade im vorigen Jahre, daß ih das hohe Haus bat, in eine andere Verteilung der Unterstüßungsmittel zu willigen, und zwar dahin, daß entgegen dem früheren Verfahren, wonach für Vergütungen aus Anlaß besonderer Leistungen und für Unterstüßungen die gleichen Beträge in den Etat eingeseßt wurden, der Titel „Unterstützungen“ vergrößert würde, um dadurch bei wirkliGer Not und wirklihem Bedürfnis mehr Mittel zur Verfügung zu haben. Nun ist es vollsiändig richtig, daß die Au zahlung von Unterstützungen ohne Gesuche usw., „die früher bei einzelnen Oberpostdirektionen stattfand, gewöhnlich im November, wenn es sch um die Beschaffung von Heizmaterial handelt, auf- gehoben worden ist, und zwar, nachdem hier in einer Konferenz mit sämtlihen Herren Oberpostdirektoren festgesteli worden ift, daß folhe Verteilung zu bestimmten Zeiträumen gewöhnlich Anlaß gibt zu Klagen über niht richtige Verteilung. Ih möchte Sie alle in die Kommission hineinsezen zur Verteilung folcher Mittel. Sie mögen von den besten Absichten beseelt sein, Sie würden auch die Erfahrung machen, daß, wenn Sie den Schaden «besehen, Sie wohl alles verteilt. haben, aber daß jeder, der nichts bekommen hat, shreit: warum hat jener - etwas bekommen? (Sehr richtig !) Mit diesem Faktor müssen wir doch rechnen. Wenn wir nicht fo viel Geld geben, daß jeder etwas bekommt dann ist es aber nicht eine Unterstüßung sondern eine Zulage —, dann werden wir stets in die üble Lage kommen, daß jemand sagt: ih habe nihts bekommen, warum haben andere etwas bekommen? Das is ungerecht! Wir geben uns die erdenklihste Mühe, und ih kann die Herren Kollegen in der Provinz nur dafür loben, daß sie unpartetisch vorgehen; aber volle Anerkznnung werden sie niht erlangen, und das kann hierbei niemand erlangen.

Was sonst die Wünsche anlangt, die einzelne Abgeordnete und au der Herr Abg. Eickhoff geäußert haben über Avancements- verhältnisse usw. und die Auswahl des Personals, so glaube ih, meine Herren, solange der Post- und Telegraphendienst noch fo funktioniert und so wahrgenommen wird, daß das Publikum zufrieden ist, muß man doch der Verwaltung das Zeugnis ausstellen, daß sie nit gerade die ungeeignetsten Kräfte an die betreffende Stelle seßt, und damit, glaube ih, sollte auch das hohe Haus zufrieden sein. Denn das können Sie doch unmöglich verlangen, daß Sie mir nun vor- \hreiben, wem ih dieses oder jenes Postamt geben soll, oder wen ih zum Postrat ernennen foll. Das geht doch nit an! (Heiterkeit.) Und wenn ih Ste fragen wollte: Halten Sie diefen oder jenen für geeignet, so müssen Sie doch antworten: Ih weiß es nicht. (Heiterkeit.)

Soll ich etwa das gésamte Beamtenpersonal zusammenrufen und fragen: Ist der oder jener geeignet? Da finden sich fo und so viel versGiedene Meinungen, und dann würde es viellei@t dahin kommen, daß Sie keinen Generalpostmeister mehr b-kommen, überbaupt nie- manden mehr füc die höheren Stellen, fontern jeder will sie für fich selbst haben. (Heiterkeit.) Ich glaube, das müssen Sie doh der Ver- waltung überlassen, und solange sie noch einigermaßen funktioniert, müssen Sie si damit bescheiden, daß sie die geeignetsten auswählt.

): ÆXn Berlin hat die Postbehörde gegen einen Ponbaftner geeita 2 Miefakcen eröffnet, das sih durch ganz besondere, geradezu unglaubliche Schikanen ausgezeinet hat. Mitten in einem der tagelang fortgeseßten Verhöre bra der Mann zu- fammen. Von Simulation konnte keine Rede fein ; der Mann wurde zuerst stundenlang in einem Nebenraum ohne jede Fürsorge gelassen. Erst Abends wurde seiner hwerkranken, bettlägerigen Frau gemeldet,

/ daß der Mann binnen kuzem in die Wohnung geschafft werden würde. Er ist bis heute unfähig, irgendwelhe Dienste zu tun. Die Frau hat von mir auf dringende Bitten eine Bescheinigung er- halten, daß ich ihren Mann überhaupt niht bis zum 29. Mai vorigen

Jahres, Ibst ni esehen oder gesprohen habe. Gestern ; dabe ih tr u Dia sehen; ich erhielt kestätigt, daß die

betreffende eidesstattlih2 Versicherung dem Oberpostdirektor vorgelegt worden ist, wobei die Frau wieder sehr wenig zuvorkommend behandelt und ihr darüber Vorstellungen gemacht worden sind, wie sie dazu ge- kommen sei, sich gerade an mich zu wenden. In dieser Weife die Unterbeamten zu behandeln, geht doh nit an. Was nügen die honigsüßen Worte, die wir hier zu hören bekommen, die bekunden, daß das Herz von Wohlwollen überfließt; aber da drinnen ift manches faul im Staate Dänemark, genannt Deutsches Reich. Frau Freitag teilte mir mit, daß sie ih brieflich an den Staats- sekretär gewendet habe, um eine persönlihe Aussprache über die An- gelegenheit ihres Mannes herbeizuführen; der Staatssekretär hat es aber niht über sich gewinnen können, Frau Freitag zu empfangen. Die Postunterbeamten haben auch in dieser Zeihnahts- und Neu- jahrszeit lebhafte Klagen über Ueberbürdung geführt ; sie nehmen an, daß eine allgemeine Bexfüguna vorlag, Hilfskräfte nicht oder nit in nennenswertem Umfange einzustellen. Es gibt doch keine geseßliche Befugnis, die Ueberstunden einfach ohne jede Vergütung von den Unter- beamten zu verlangen. In Plauen haben die Beamten und Unter- beamten 40 Ueberstunden geleistet; die Unterbeamten erhielten keine Gratifikation, sondern der dortige Postdirektor hat ihnen, man sollte es niht glauben, 20 Z für ein Schinkenbröthen angeboten. Angestellte haben sich häufig dafür bedankt, die noch nicht Angestellten baben es natürlih annehmen müssen, um nicht durch eine Weigerung es mit der vorgeseßten Behörde zu verderben. Vom Berliner Postamt 12 ist ein Oberpostschaffner Weber feit Neujahr dem Postamt Linden- und Riiterstraßenecke zu- geteilt; über diesen Mann, die rechte Hand des Vorstehers, wird leb- hafte Klage wegen der Schikane geführt, mit der er die Unterbeamten bedenkt; es haben {hon mehrere Beamte aus diesem Grunde um Verseßung gebeten. Die alten Klagen über die Postillone sind noch immer nit aus der Welt geschafft; sie drohen vielmehr zur See- shlange zu werden. Die enolih angeshafften Mäntel haben die Probe nicht bestanden. Die Dienstzeit ist noch immer nicht auf eine menshenwürdige Dauer reduziert; noch immer sind siebzehnstündige Dienstzeiten an der Tagesordnung. Beim Postamt 17 auf dem Sghlesischen Bahnhofe sollen Postillone 224 Stunden ohne nennens- werte Pause auf dem Wagen haben zubringen müssen. Leben und S der Postillone müssen besser geschüßt werden, als es bisher er Fall war. i E 5 Sba, Kaempf (fr. Vgg.): Es ist an der Zeit, au ein Wort über den Postverkehr zu sagen. Es ist bedauerlih, daß auf der Suche nah neuen Steuern sowohl von seiten der verbündeten Regierungen wie aus der Mitte des Hauses heraus Projekte gemacht worden find, die in direktem Widerspruh stehen mit dem Prinzip, daß man den Verkehr verbilligen müsse, um neuen Verkehr zu schaffen. Schon in der Reichsverfassung i\t dieser Gedanke zum Ausdru ck getommen. Jett scheint man niht mehr zu glauben, daß eine etmedaung des Berkehrs auch den Wohlstand der Bevölkerung hebt. Die Gifen ahn- tarifreform muß so gestaltet werden, daß keine wesentliche Verminde- rung der Einnabmen zu bef ürn La E tin geten erungen aben dann eine Stempelung der Gisenbahnfahrkarten beantragt, und in der u “e filometrishe Erhöhung der Fahrpreise will ih niht sprechen. Es hat aber erweckt, als s hieß, daß die Regierung und die Postanweisungen mit einer Steuer belegen wolle. Das käme auf eine glatte e böbung hinaus. Dasfelbe gilt von den Postkarten, ncch mehr aber, wenn im Ortsverkehr die augenblicklihen niedrigen Säße für Postkarten und Briefe erhöht werden sollen. Die ganze Tendenz, welche die Postverwaltung seit 50 Jahren verfolgt hat, is eine Verbilligung des Verkehrs, und dem Staatssekretär muß angst und bange werden, wenn er die Versuche sieht, das stolze Gebäude nieder- zureißen, das er selbst und seine Vorgänger aufgerichtet haben. Motiviert werden jene Erhöhungen für Patete E, daß die Kosten auf weite Entfernungen nicht gedeckt würden. Der Betrieb der Post kann aber nit in Teile zerlegt werden, sondern muß als Ganzes be- urteilt werden. Das ist eben der Fortschritt der legten 50 Jahre, daß eine VereinheitliGung und Verbilligung eingetreten ist. Preußen war früher für die Btiefe in kleine Zonen eingeteilt. , Es war eine Erlöôfung, als dieser alte Zopf endlih abgeschnitten und ein einheit- lier Tarif eingeführt wurde. Alles soll jet rückwärts revidiert werden. Das is ein Rückschritt gegen « die leßten 50 Jahre. Es \cheint auch, daß durch die hohen Zoll- mauern, die wir ringsum aufgebaut haben, der Weg nah außen verkürzt werden soll. Frankreich hat das Porto für den einfachen Brief von 15 auf 10 Cts. herabgeseßt. Das Britische Reich und fämtliche Kolonien haben jeßt das Porto eingefübrt. Nach dem vorliegenden Etat hat die Post- und T Die verwaltung einen Uebershuß von 62 Millionen Mark. Das ist weiter nihts als etne Verkehrsfleuer, wie die Hunderte von Millionen aus den Eisenbahnen. Ein Uebershuß von 62 Millionen kann keine Grundlage dafür bieten, die Portosäße zu erhöhen, sondern zu erwägen, inwieweit nah einzelnen Richtungen hin Portosäßge ermäßigt weiden fönnen. Diese Portoverbilligung würde allerdings vorübergehend, aber auch nur vorübergehend, eine Verminderung der Einnahme zur Folge haben. Séließlih würde die Cinnahme wteder wachsen, wie die Erhöhung des Briefgewichts von 15 auf 20 Gramm beweist. In Aegypten und Luxemburg is der Briefverkehr infolge der Er- mäßigung des Portos erheblich gestiegen. In England und seinen ‘Kolonien stieg nah der Einführung des Pennyport 2s der Briefverkehr um 1209/6. Unter diesen Umständen scheint es mit eine Aufgabe des Reichs zu sein, dur Portoherabseßzung dem Verkehr neue Bahnen zu eröffnen und nah wenigen Jahien die Einnahme wesentlich B er- höhen. Es wäre notwendig, den internationalen Verkehr zu ten dur Auêdehnung des internen Portos auf das Ausland. Die Kräfti- gung des internationalen Handels könnte wenigstens einigermaßen die Schäden gutmahen, die ihm die neuen Handelsverträge zugefügt haben. Hoffentlich wird auf dem nächsten Welikongreß in Nom diese Reform nicht nur angeregt, sondern auch auf das wärmste von unserer Postverwaltung unterstüßt werden. Die Verbilligung der internationalen Portosâgze mit 10 4 für den einfahen Brief und 5 H für Me Noiffarien würde nur eine Verminderurg der Einnahmen um 9 Millionen zur Folge haben. Da aber sofort hon im erften Jahre eine Erhöhung des Verkehrs von 40 bis 50 9/9 eintreten würde, so würde sih dem- entsprechend die Einnahmeverminderung ermäßigen und in den nächsten Fahren bei tem steigenden Verkehr eine Mehreinnahme zu erwarten sein. Bei der großen Zahl der Reichangehörigen im Auslande bâtte diese Verbilligung auch eine nalionale Bedeutung. Es wüde dadurh das Band zwischen dem Mutterlcnde und unseren Deutschen im Auslande enger geknüpft werden. Auf dem Wege der Erhebung würde auch eine allmählihe Verminderung der Transitgebühr zu erreihen sein. Der Staatssekretär würde gewiß nicht auf Widerspruch stoßen, wenn er auf dem nähsten Weltkongreß eine derartige Anregung gäbe. Die Handelskammern halten wenigstens eine solhe Reform für durdj- aus durchführbar. Das hier anzustrebende Ziel ist so groß wie das, welches der Vorgänger des jetzigen Staatesekretärs, Stephan, mit der Begründung des Weltpostvereins erreicht hat. bz. von Gerlach (fr. Vgg.): Auch mir isi eine große Zahl von Gehaltswünschen zugegangen. Ih möchte aber nicht oft Gesagtes wiederholen, Daß die Regierung die Ostmarkenzulage nicht wieder vorgeshlagen hat, war durchaus in dec Ordnung. Wir auf der Linken verwerfen sie grundsäßlich, Wurde doch die Sar age folien Orten versagt, die F zu Beamten haben! Auf die Beschwerde des polnischen Redners hat der Staatssekretär leider feine Antwort gegeben. Was der Abg. von Gersdorff gesagt hat, hat den Abg. von Chlapowski niht widerlegt. Die Postpraxis dient nur dazu, Märtyrer zu schaffen, aber nicht dem Deutschen Reich zu dienen. Die deut|che Sache stcht mir zu hoh, als daß ih wünschen könnte, daß fie mit folhen Mitteln gefördert würde. Nun noch ein Wort über die erwähnte Konferenz vor dem Geheimrat Frank. Der Vorstand des Postassistenverbandes wurde auf den 18. Januar vorgeladen, also 3 Tage vor dem gefa roten Sonntag. Dieser Sonntag \cheint also au auf die Postverwaltung

Kommission wurde eine angeregt. Doch davon das größte Erstaunen den Postpaketverkehr

i Schatt eworfen zu haben. Es wurde sehr „mißfällig P Ra bee Verband seine Versammlung zu einer Zeit

diesseits der Grenze abgehalten habe, wo die russishe Bewegung Beunruhigung hervorrief. Wenn irgendwo eine Beunruhigung vor- banden war, fo war es höhstens bei einigen höheren Postbeamten. Um den 21. Sanuar herum {eint überhaupt eine große Nervosität in Kreisen geherr\ht zu haben, die man sonst gar nicht in diesem Verdacht hat. Die lächerlihen Vorbereitungen, die an vielen Stellen mit Nücksiht auf diesen Tag getroffen worden sind, beweisen ja, welche Angst damals in weiten Kreisen unserer Gesellschaft eherrsht hat, und so \cheint mir auch die Veranstaltung dieser Konferenz niht ohne Zusammenhang mit dieser Angst gestanden zu haben. Dieser Tage ist aber der Staatssekretär über das, was sein Vertreter da gesagi hat, hinausgegangen, indem er erflärte, er sei überhaupt gegen folhe Agitationsreisen. Bisher waren diese gestattet, jeßt werden sie als verboten bezeihnet; da liegt offenbar ein neuer Kurs vor. Der Versuch, neue Mitglieder zu gewinnen, is doch nicht strafbar. Der Staatssekretär will niht, daß die Massen in den Ver- band gezogen werden, aber es gehören dem Verbande \chon 26 000 Assistenten an, d. h. zwet Drittel aller überhaupt vorhandenen 39 000. Gleich bedauerlich scheint mir die Stellungnahme des Staatssekretärs zu dem Organ des Assistentenverbandes, der „Deutschen Postzeitung“. Er nimmt Anstoß daran, daß der Leitung der Verwaltung in den Artikeln dieser Zeitung vorgeworfen wird, sie hätte noch niht genug getan; wenn daneben die Verwaltung gelobt werde, fo sei das eben nicht ernst zu nehmen. Ih kann absolut nicht finden, daß das Lob eiwa ironish gemeint war. Es scheint vielmehr, daß dem Verband gegenüber überhaupt ein anderer Wind weht. Es muß doch auch jedem Postbeamten freistehen, dem Evangelishen Bunde anzugehören und für ihn tätig zu sein; die Postbeamten sind eben technische Beamte, und deswegen gebührt ihnen ein größeres Maß von politisher Bewegungsfreiheit als den politischen Beamten. Der Livpesche Erbfolgestreit hat auch in den Kreisen der Postbeamten seine Wellen geshlagen. Ein Beamter is wegen der Bekundung seiner Sympathien für den Biesterfelder gegen seinen Willen nah Erfurt versetzt worden, wovon er eine Menge persönlicher und wirt- schaftlicher Nachteile gehabt hat. Das Defektenverfahren wird noch beute zu rigoros gehandhabt, obwohl der Staatésekretär eine folhe Borhaltung {hon vor 2 Jahren mit Entrüstung zurückwtes. Aus neuester Zeit is ein sehr charakteristisher Fall derart bekannt geworden. Der Betreffende, ein Beamter namens Mertens, ist von der Anklage wegen Unterschlagung freigesprochen wocden ; das beschlagnahmte Erbteil des Mannes hat die Verwaltung aber nicht herausgegeben, sie hat es vielmehr veräußern [affen, weil sie den Mann nach wie vor für s{uldig hält. Der Mann hâtte auch nicht auf Herausgabe im Zivilwege klagen können, da ihm der Prozeß seinen leßten Pfennig gekostet hätte, wenn nicht der Assistentenverband dagewesen wäre. Kann es etwas NRigoroseres geben, als dieses Verhalten der Behörde? Die Postsekretärprüfung darf heute nur einmal wiederholt werden. Es besteht ein dringendes Bedürfnis, die Möglichkeit einer zweiten Wiederholung zu schaffen. Außerordentlich sympathisch hat mich eine Verfügung berührt, die ih auf die Handhabung des Disziplinarverfahrens bezieht und aus dem Jahre 1903 stammt, aber jet erst bekannt geworden ist. Es wird darin mögli geringe Anwendung der Strafmittel und um so mehr die persönlihe Einwirkung des Vorstehers empfohlen; es wird erklärt, daß die häufige Anwendung der Strafmittel deren Wirkun nur abschwähe. Das war ein gutes Wort. Leider ist diese na Metz gerichtete Verfügung bisher der Oeffentlichkeit nicht bekannt eworden, warum hat man sie nihcht ganz allgemein veröffentlicht“ ene Verfügung des Reichsvostamts follte zur Kenntnis jedes Post- beamten gebracht werden. Schließlih möchte ih den Staatssekretär fragen, ob er sh immer noch der Gründung eines allgemeinen deutshen Unterbeamtenverbandes widerseßt. Eine so große ver- antwortungsvolle Organisation liegt im Interesse der Verwaltung selbst. Der Staatssekretär will gewiß das Beste seiner Beamten. Aber dieses Wohlwollen allein genügt niht, die Beamten dürfen in ihrem Vereinigungsreht nit zu kurz kommen. i ina Abg. Stöcker (christl.-foz.) (schwer verständlich) : Die Ereignifse in Rußland haben uns gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn in der Beamtenschaft cin revolutionärer Geist herrscht. Nun glaube ih allerdings, daß bei unseren Postbeamten in überwiegender Weise dieser Geist ein gesunder ist. Jh kann nicht finden, daß bei den Unterbeamten ein \ozialdemokratisher Geist herrsht. Deshalb möchte ih den Staatssekretär bitten, auch zu den Unterbeamten mehr Ver- trauen zu haben. Disziplin muß ja sein. Es handelt sich bier doch auch um ein Betriebépersonal, und deshalb sollte man die Beamten #ich ruhig vereinigen lassen. Es könnten Ausschüsse gebildet werden, durch welche die Verwaltung die berechtigten Wünsche der Unter- beamten erfahren könnte. So {wer es sein mag, so ist es doch unabweislih, die Bezüge der Postbeamten, namentlih der Unter- beamten zu erhöhen. Die Wohnungen der kleinen Leute haben ih bis zu 309% und noch mehr verteuert. Dazu kommt die Ver- teuerung der übrigen Lebensbedürfnisse. Für folche Zwecke müssen wir die nôtigen Mittel haben. Wir sollten nicht bloß, wie die äußerste Linke, Wünsche vortragen, sondern auch dafür die Mittel bewilligen. Der Redner trägt dann noch einige Wünsche bezüglich der Stellung der höheren Beamten vor, aber mit so leiser Stimme, Laß sie auf der Journalistentribüne nicht vernehmbar werden. Er scheint fih der bezüglihen Resolution Paßig anzuschließen. Er bittet sodann, die Sonntagéruhe in der Postverwaltung noch weiter durhzuführen ; der Sonntagnahmittag müsse frei bleiben, das würde dazu beitragen, Zu- friedenheit unter den Postbeamten hervorzurufen. Die Verkürzung des Scalterdienstes würde sich sehr wohl durhführen lassen; ebenso auch die Entlastung vom Telephondienst am Sonntage. Eine besondere Berücksichtigung verdienten die Postschaffner und Landbriefs- träger und Telegraphenarbeiter.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Ih möhte auf einige der freundliten Wünsche sofort antworten-

Ras den Sonntagsdienst betrifft, so teile ih den Standpunkt des Herrn Vorredners dahin, daß der Sonntagnachmittag eigentli dienst- frei bleiben könnte; aber die Ansichten darüber sind fehr verschieden. Die meisten glauben, daß es zu {wer eingreifen würde, wenn man Sonntagnachmittag nicht mehr telegraphieren könnte. Aus dem Grunde findet Nahmittags noch Telegraphendienst statt. Der Herr Vorredner irrt sich insofern, als wir den Telegraphendtenst nur da haben forte fallen lassen, wo eine Eisenbahnstation am Orte besteht und durh deren Benußung Gelegenheit gegeben ist, zu telegraphieren. Wenn der allgemeine Wunsch dahin geht, am Sonntagnahmittag überhaupt auf den Telegraphendienft zu verzichten, so würden dessen Erfüllung große Bedenken meinerseits nicht entgegenstehen; ich bin gern bereit, diese Frage nohmals zu prüfen.

Dann ist dem Herrn Vorredner insofern ein Irrtum unterlaufen, als die Landbriefträger nit verpflichtet sind, Pakete bis zu 20 kg mit si zu tragen, fondern nur bis zu 10 kg. Aber in Wirklichkeit nehmen fie mehr Pakete mit, für deren schnelle Zustellung sie aber auch die Vergütung beziehen. Jedenfalls ist der Dienst der Land- briefträger derart geregelt, daß eine Ueberlastung nicht eintritt. Ich würde dankbar scin, wenn folhe Fälle, wie sie hier angeführt find, zur Kenntnis der Behörde kämen, um unterfuchen zu können, ob in den Anforderungen vielleiht in einem Falle zu weit gegangen ift.

Dann möchte ich dem Herrn Vorredner auf die Frage betreffs der Ausbildung und Verwendung der Beamten noh antworten. Ih habe kurz vorher dem Herrn Abg. Eickhoff, der dieselbe Frage an- \hnitt, hon erwidert, daß einzig und allein tie Verwaltung darüber entsheiden kann, wie die Beamten zu verwenden sind.

Der Herr Vorredner hat aus einem Blatt etwas vorgelesen und gesagt : Ee Blatt is für mich Evangelium ; was darin steht, s{heint