1906 / 64 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Mar 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntma Gung

Nah Vorschrift des Geseßes vom 10. April 1872 (Geseßsamml. S. 357) sind bekannt gemacht :

1) der Allerhöchste Erlaß vom 8. Januar 1906, betreffend die Veileißung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Kreis West-Sternberg für die von ihm zu bauende Kreischaussee von Bottschow bis zum Schnittpunkte der Landstraße Schmagoret— Klein- Kirshbaum und der Drossen-Zielenziger Kommunal(aussee, durh das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. O. Nr. 9 S. 39, aus- gegeben am 28. Februar 1906;

2) der Allerhöchste Erlaß vom 15. Januar 1906, durch welchen der Stadtgemeinde Frankfurt (Oder) das Recht verliehen worden ist, das zur Ausführung der geplanten Kanalisation der Stadt erforderliche Grundeigentum im Wege der Enteignung zu erwerben, durch das Amts- blatt der Königlichen Negierung zu Frankfurt a. O. Nr. 9 S. 43, augs- gegeben am 28. Februar 1906;

3) der Allerhöchste Erlaß vom 17. Januar 1903, betreffend die Anwendung der dem Chaufsseegelbtarife vom 29. Februar 1840 an- gehängten Bestimmungen wegen der Sha alien eteeten auf die von dem Marsfelder Gebirgékreise neu erbauten Chausseen 1) von Groß-Leinungen nah Hainrode, 2) von Ermskeben nah Endorf (Ver- bindungsstraße zwischen der Provinzialchaussee Ashersleben—Ballen stedt und dec Previn iraße Quenstedt—Erms[leben), 3) von Ermsleben nach der Gräflih Affseburgschen Chaussee in der Nichtung auf Meis- dorf, 4) von Lengefeld nah Groß-Leinungen, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Merseburg Nr. 8 S. 61, ausgegeben am 24. Februar 1906;

4) das am 22. Januar 1906 Allerh3ch# vollzogene Statut für die Drainagegenossenschaft zu Frankena im Kreise Luckau durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. O. Nr. 9 S. 39, ausgegeben am 28. Februar 1906;

5) der Allerhöchste Erlaß vom 5. Februar 1906, betreffend die Anwendung der dem Chaufseegeldtarife vom 29. Februar 1840 an- gehängfen Bestimmungen wegen der Chausseepolizeivergehen auf die vom Kreise Teltow neu erbauten Chausseen 1) von Kie bei Gröben bis zur Kreisgrenze, 2) von Klein-Beuthen bis zur Kreiéhaufssee Trebbin—Drewitz, 3) von der Mittenwaldz-Teupißer Chaussee bis zum Bahnhofe Töpchin, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potédam und der Stadt Berlin Nr. 9 S. 65, ausgegeben am 2. März 1906.

Nichkamlkliches.

Deutsches Reich. _Preufßeu. Berlin, 15. M ärz.

Der Bundesrat versammelte sih heute zu einer Plenar- sizung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Justiz- wesen und für Handel und Verkehr, der Ausshuß für Justiz- wesen sowie der Ausshuß für Handel und Verkehr Sißungen.

Der Hofstaatsdame Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin, Clara von Gersdorff, ist das Prädikat „Exzellenz“ Allerhöchst verliehen worden. :

Laut Meldung ‘des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Bremen“ am 12. März in St. Christopher (Kleine Antillen) eingetroffen und geht heute von dort nah San Pedro de'Macaris (Do- mini nile Nepublik auf Haïti) in See.

S. M. S. „Bussard“ ist vorgestern in Tanga einge- roen und geht am 26. März von dort nach Bagamoyo in See.

S. M. Kbt. „Luhs“ iffst gestern von Nagasaki nah Kobe in See gegangen.

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Stettin, 16. März. Der 383. Prv oinziallandtag von Pommern is gestern durh den Königlichen Landtags- fommissar, Obverpräsidenten Dr. Freiherrn von Malhyahn mit folgender Ansprache eröffnet worden :

Hochgeehrte Herren!

Indem ih den Pommerschen Provinziallandtag bei seinem Zu- sammentriit von neuem begrüße, liegt mir zunächst ob, den Vertretern der Provinz von einem Gnadenerweise Seiner Majestät des Kaisers und Königs Mitteilung zu mahen. Allerhö{s\tderselbe hat befohlen, daß dem auf der hiesigen Werft des Vulkan erbauten neuen Kriegs- schiffe der bis jeßt größesten Klasse der Name „Pommwern* beigelegt werde, und mich mit der Taufe des SHiffes beauftragt.

_ Auf meine über den Stapellauf und die Taufe erstattete Meldung haben Seine Majestät ein Antwortstelegramm erlassen, dessen Wort, en us verpflihtet halte, dem Provinziallandtage mitzuteilen. 58 lautet :

„Gurer Exzellenz Meldung über den glücklich vollzogenen

Stapellauf Meines Linienschiffes „Pommern“ hat Mih mit Freude erfüllt. Jch bin überzeugt, daß daz neue Shifff die alte Tradition pommerscher Treue hohhalten und zu des Vaterlandes Shuyz und Ehre jederzeit seine Pflicht tun wird. gez. Wilhelm.“ “An den glücklihen Ercignissen im Königlien Hause, der Ver- mählung zweier Prinzen und der Silbernen Hochzeitsfeier Fhrer Majestäten hat, wie ganz Deutschland, auch unsere Heimatsprovinz den fceutigsten Anteil genommen. Mir war es vergönnt, bei der Feier der Silberhochzeit die Vertretzx der Provinz an die Stufen des Thrones zu geleiten, wo der stellvertretende Vorsitzende des Landtages die Ehre hatte, Ihren Majestäten die Glückwunschadresse der Provinz zu überreihen. Diese enthielt zugleih die Mitteilung des vom Landtage im vorigen Jahre gefaßten Beschlusses, zum Andenken an diesen Tag eine Stiftung zu begründen, deren Erträge bestimmt sind, verkrüppelten Kindern der Provinz unentgeltlih Pflege, Ausbildung und, foweit mögli, Heilung zu verschaffen. J) kann nit unterlassen, namens dec Staatsregierung dem Landtage für diesen bocherzigen Beshluß zu danken und weiß mih mit Ihnen in dem Wunsche einig, daß Gottes Segen auf dieser Stiftung ruhen möge.

Die neuen Wahlen haben die Zusammenseßung des Provinzial- Tlandtages nicht unerhecblich geändert. Wenn auch die Mehrzahl der früheren Mitglieder wiedergewählt ist, so tagt doch etwa der vierte Teil der hier Versawmelten zum ersten Male in Ihrer Mitte. Das feste Gefüge, welches der Ee Provinziallandtag im ersten Menschenalter seines Bestehens unter der bewährten Leitung seines bochverehrten bisherigen Vorsißenden gewonnen hat, gibt die Bürg- schaft, daß derselte auch künftig mit gleiher Treue, Sorgfalt und gleihem Fleiß wie bisher seinen Arbeiten obliegen wird.

Mit hberzliher Teilnahme gedenken wir eines langjährigen Mit- gliedes des Landtages, des Kammerherrn von Ziyßewiß, der vor wenigen Tagen von Mörderhand {were Verletzungen erlitten hat und deshalb Ihren Beratungen fern bleiben muß. Wir hoffen zu Gotti, daß die bisher in erfreuliher Weise verlaufende Genesung des hohverehrten Mannes andauern und er bald die volle Gesundheit wieder erlangen möge.

Der Landtag des vorigen Jahres beshloß, wie Jhnen bekannt,

am 30. und 31. Dezember 1904 an ten pommershen Küsten ent- standen sind, Mittel der Provinz, soweit nötig, zur Verfügung zu stellen. Es wi1d Sie interessieren, daß nah einec von mir veranlaßten Zusammenstellung der Verlust an Land, welchen dieser einzige Sturmfluttag unserer Heimatsprovinz gebraht hat, 229,5 ha, also über 900 Morgen betragen hat und die zur Heilung der Schäden nôtigen Geldaufwendungen sich auf über 1 800 000 M. belaufen.

Auf die Arbeiten, welche Sie in diesem Jahre erwarten, im einzelnen einzugehen, versage ich mir; fie sind denen gleichartig, welhe frühere Sißungen des Provinziallandtages beschäftigt haben.

Mit dem Wunsche, daß auch die3mal Jhre Beratungen und Be- \{lüfse zum Segen der Provinz auss{chlagen mögen, erkläre ich auf Befehl Seiner Majestät den 33. Provinziallandtag der Provinz Pommern für eröffnet.

Unter dem Vorsiß des Alterspräsidenten, Wirklichen Ge- heimen Rats von Rexin-Woedtke brachte die Versammlung zunächst ein Hoch aof Seine Majestät den Kaiser und König aus und wählte sodann den Wirklichen Geheimen Rat von Koeller-Cantreck zum Vorsißenden und den Geheimen Regierungsrat, Oberbürgermeister Haken -Stettin zum Stell- vertreter des Vorsißenden. Nah der Wahl der Schriftführer und Feststellung der anwesenden Mitglieder durch Namens- aufruf erfolgte die Bildung der Abteilungen, die Mitteilung des Vorsißenden über die vorliegenden Geschäftssahen und deren Verteilung an die Abteilungen.

De A 15. März. Seine Majestät der Kaiser ist ge tern abend mit dem Linienschiff „Kaiser Wilhelm T1.“ von Wilhelmshaven hier eingetroffen und unter dem Salut der Batterie hinter der Düne zu Anker gegangen.

Vayern.

Die Kammer der Neichsräte hat gestern, „W. T. B.* zu- folge, einstimmig das Geseg über die Erbauung der Hauptbahn Mühldorf—Freilassing im Anschluß an die Tauerntahn ange-

nommen. Sefsen.

Bei der Etatsberatung in der gestrigen Sißung der MGLOE Kammer gab bei dem Kapitel Hochschulen der inislerpräsident Braun nah dem Bericht des „W. T. B.“ folgende Erklärungen zu der Frage der konfessionellen Verbindungen ab:

Die Regierung steht mit dem Senat der Technischen Hochschule wie auch mit den Regierungen der Bundesftaaten, die Hochschulen unterhalten, auf dem Standpunkt, daß konfessionelle Verbindungen innerhalb der Studentenschaft unerwünsht find, daß es aber an jedem rechtliGen Grunde für die von gewisser Seite an- gestrebte Aufhebung der konfessionellen Verbindungen fehlt, und daß deshalb eine Vertretung der gesamten Studenten- schaft fkeinesfalls unter Auss{hluß einzelner oder ganzer Kreise, intbesondere der konfessionelen Verbindungen, denkbar und an der Technishen Hochschule in Darmstadt zulässig ist. Das Bestreben, die konfessionellen Verbindungen von der gesamten Vertretung der Studentenschaft auszuschließen, ist durch einen vor wenigen Tagen gefaßten Beschluß der S Seaten sat zunächst auf- gegeben worden, indem der unter Aus\{luß der konfessionellen Ver- bindungen gebildete provisorishe Aus\{chuß aufgelöst und der nach den Saßungen unserer Hochschule statthafte Ausshuß wieder hexgestellt ist, in dem au - die konfefsionellen Ber (ieg vertreten n Es fann deshalb konstatiert werden, daß zur Zeit ein Hochshulkoaflikt in unserem Lande nicht besteht.

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Oesterreich-Ungarn.

Jm österreihishen Abgeordnetenhause konstatierte der Ministerpräsident Freiher von Gautsch gestern in der fortgeseßten Beratung der Wahlreformvorlage, daß sämt- liche Redner die Notwendigkeit der Wahlreform anerkannt sowie prinzipiell dem Grundgedanken der Regierungsvorlage zu- gestimmt hätten, und führte nah dem Bericht des „W. T. B.“ fodann aus:

Er müsse dem Vorwurf entgegentreten, daß die konservativen Elemente durch die Wahlreform aus den Parlamenten verdrängt werden follten; es sei in der Wahlkreiseinteilung Vorsorge getroffen, daß dies niht gesheh2. Durch die vorgeshlagene Vertassunçs- änderung im Sinne der Ertlastung des Reichsrats würde der nationale Kampf statt einer Stätte deren viele haben, wo die Möglichkeit dec Vermittlung s{chwieriger wäre, als im MReichs- rat. Er müsse der Behauptung widersprehen, daß die Waßhl- reform im Interesse der sozialdemokratishen Partei cingebracht worden fei, er betone ausdrücklich, daß die Regierung keine Verbindung mit der fozialdemokratishen Partei unterhalte; wer ihn, den Ministerpräsidenien, kenne, wisse, daß cr dieser Partei völlig fern- stehe und daß deren Anschauungen von den seinen durch eine weite Kluft getrennt seien. Der Ministerpräsident trat ferner der Be- hauptung Dziedutzyckis bezüglich Verkürzung der Rechte der \lavischen Völker entgegen und erklärte, die Vorlage, welhe die Zahl der

Mandate erhöhe, könne tein \{chreiendes Unreht an den nichtdeutshen Völkern bedeuten. Er sehe keine Shwächung

Oesterreilhs durch diese Reform voraus, er sehe vielmehr Millionen, die bisher von Unmut erfüllt gewesen feien, enger an die Interessen des Vaterlandes geknüpft, er sehe das österreihishe Par- lament neugegründct auf das Fundament des gleizen Rehts und gerüstet gegen die Stürme der Zukunft und könne daher mit Beruhigung sazen: „Wer für das neue Wahlrecht stimmt, stimmt für Neutegründung unserer parlamentarishen Ein- richtungen.“ Bezüglih der vom Abg. Pergelt hervorgehobenen Verschiebungen des Kräfteverhältnisses zu Gunsten der Slaven erklärte der Ministerpräsident, diese Verschiebung entspreche nit beabsihtigter Bevorzugung ciner Nationalität, sie sei vielmehr die naturgemäße Folge der nationalen Abgrenzung, die für die Deutschen den wesentliten Vorteil habe, daß der ihnen in ter Wahlreform eingeräumte Del hand geseßlih für immer gegen alle politischen Eventualitäten gesichert bleibe. Uebrigens fei die inegieruns gern bereit, den berehtigten Wünschen der Deutschen, be- treffend die Mandatszuteilung, entgegenzukommen. Was die wiederholt betonte nationale Verständigung mit dea Tshechen betreffe, so bezeid- nete der Ministerpräsident dieses Werk als von so grundlegender Be- deutung für ganz Oesterreich, daß alle anderen Streitfragen in den Hintergrund treten müßten. Die Regierung werde selbstverständlich alles aufbieten, um die Erreichung dieses erhebenden Zi-les zu fördern. Der Ministerpräsident trat weiter den Befürchtungen entgegen, als ob die Bündnispolitik im neuen Hause weniger Sympathie begegnen könne als bisher, und erklärte, diese Politik wurzele so tief im Friedens- bedürfnis des Volkes und im gemeinsamen Interesse der verbünteten Nationen, daß fie einen Wandel der parlamentarishen Ver- hältnisse nit zu befürchten habe. Uebrigens werde künflig die Majorität stets gewiß nicht gegen die vertragsmäßige MNeichs- politik und gegen die Reichsinteressen sich kehren. Der Minister- präsident betonte sodann, daß die Negierung im Interesse der Ueber- windung der noch vorhandenen Schwierigkeiten den Parteien den Weg zum Kompromiß offen halte und eventuell selbst unter Berücksichtigung der Wünsche und Befürchtunzen der Parteien mit Vorschlägen hervor- treten werde, um allen Parteien die Mitwirkung an dem großen Reformwerk zu ermöglichen.

Nach unerhebliher Deb-(tte wurde die Sitzung geschlossen

zur Beseitigung der Schäden, welhe durch die Stürme und Fluten

Großbritannien ænd Jrlaud.

Jur Unterhause stand gestern ein von O'Grady (Arbeiter- partei) eingebrachter Beshlußantrag betreffend Einbringung cines Geseßes über A lterspensionen zur Erörterung.

Wie das „W. T. B.“ berichtet, erklärte der Schatkanzler Asquith, die Negierung stimme dem Antrage im Prinzip zu, be- halte sih aber volle Freiheit hinsihttih ter Zeit und der übrigen Einzelheiten vor. Die Negierung habe den dringenden Wunsch, daß alle Mittel zur Erreichung dessen, was der Antrag bezwecke, ergriffen würden. Die Hauplfrage set die der Kosien. Er glaube, daß in den öffentlihen Ausgaben große Abstrihe möglih feien. Die Ausgaben für Heer und Flotte könnten nur auf zwei Wegen verringert werden. Die Heeresausgaben könnten durch eine Herah- seßung der Zahl der stehenden Streitkräfte und die Flottenausgaben durch eine Beschränkung dcs Schiffsbauprogramms vermindert werden. Die Regierung, die bestrebt sei, im Verkehr mit den übrigen Völkern der Welt eine friedlihe und versöhnliche Fr zu befolgen, sei entschlossen, {nelle und wesentlihe Schritte nah beiden Richtungen zu tun. Alle fozialen Reformen hingen von der Verminderung der Auëgaben ab. Wenn aber Fortschritte in diesen Fragen gemacht werden follten, dann müsse auch hinsihtlih der relativen Dringlichkeit der verschiedenen Reformen ein Unterschied gemaht werden.

___ Nach weiterer Debatte wurde der Beschlußantrag O’Grady einstimmig angenommen.

Frankreich.

Jn dem gestern unter dem Vorsiß des Präsidenten Fallières stattgehabten Ministerrat teilte der Minister- präsident Sarrien die Regierungserklärung mit, die am Nachmittag in der Kammer und im Senat verlesen wurde. Die Erklärung wurde, „W. T. B.“ zufolge, einstimmig ge- nehmigt. Der Minister des Aeußern Bourgeois er- stattete darauf über die diplomatishe Lage auf der Konferenz von Algeciras Bericht, der Minister des Jnnern Clémenceau brachte eine Depesche des Präfekten des Departements Jle-et-Vilaine zur Kenntnis, derzufolge in der Gemeinde Janson, wo vor drei Tagen ohne Mitwirkung von Militär eine Kircheninventaraufnahme versucht wurde, 200 mit Knüppeln und Heugabeln bewaffnete Bauern eine Trainabteilung von 40 Mann, die unter dem Befehl eines Nittmeisters und eines Leutnants auf der Straße manóövrierten, mit Pflasterste inen und Ziegeln bewarfen. Der Rittmeister, der Leutnant und zehn Soldaten wurden verleßt. Der Regimentswagen wurde zertrümmert, die Abteilung mußte sich shleunigst zurückziehen. Der Justizminister ordnete eine strafrehtlihe Untersuhung an. Der Ministerrat nahm dann die neuesten Berichte aus Courrières zur Kenntnis. Der Präsident Fallières zeichnete 10 000 Fr. für die Opfer des Unglüdcks, jeder Minister 500 Fr.

Die Erklärung des neuen Ministeriums, die der Ministerpräsident Sarrien in der Deputiertenkammer verlas, besagt nah einer Depesche des „W. T. B.“:

Das Kabinett ist sich der gegenwärtigen Schwierigkeiten und der O voll bewußt, die ihm das Vertrauen des Präsidenten der

epublik und seine Verantworilihkeit gegenüber dem Parlament und dem Lande auferlegen. Die Minister haben sich über ein gemeinsames Programm geeinigt, das allein diktiert ist durch die Sorge für die großen Interessen der Nation und durch den festen Wunsch, die Einigung der Republikaner herbeizuführen, um den Versuchen von Spaltungen entgegenzutreten, um Ruh- und A wtederherzustellen und um eine loyale Befragung der

ählershaft, die in wenigen Wochen bevorsteht erbet- zuführen. Die erfte Aufgabe des Parlaments ift die möglichst \chnelle Erledigung des Budgets und die Bewilligung der für den Gang der öffentlihen Dienste unentbehrlißen Mittel. Wir hoffen, daß Ste in diefer Hinsicht auf unseren Appell hören werden, denn niemand wird vor der öffentlihen Meinung die Verantwortlikeit dafür übernehmen wollen, die Bewilligung des Budgets auf die Gefahr hin verhindert zu haben, baß dadur selbst das Werk ter nächsten Legislaturperiode gefährdet werden könnte. Die Regierung ist entshlofsen, die seit der Gründung der Republik erre!chten Ercungenschaften auf dem Gebiete der Verweltlihung des Staats zu s{chüßen. Das Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat hat bei der Aus- führung der Bestimmung, betreffend die Inventaraufnahmen, einen ebenso unerwarteten, wie unberehtigten Widerstand gefunden. Unter uns ist kein einziger, der in irgend einer Weise die Freiheit des Glaubens und der Kulte antasten môhte. Das Geseß wird in dem- selben liberalen Geiste angewendet werden, in dem es vom Parlament beschlossen ist. Der Umstand, daß der Bericiterstatter über die Reform felbst Mitglied des Kabinetts ist, bietet die sichere Gewähr für unsere Absichten. Aber wir haben auch die Pflikt, im ganzen Umfange des Gebiets die Durchführung aller Gesetze ficherzustellen. Unter einer republikanishen Regierung ift das Geseß der höchste Ausdruck der nationalen Souveränität, es muß daher überall geachtet, es muß ihm überall Gehorsam geleistet werden. Die Regierung beabsihtigt, mit aller notwendigen Umsicht, aber au mit unbeugsamer Festigkeit die neuen geseßlihen Bestimmungen dur(- zuführen, deren Charakter einige Parteien der Opposition vergeblich in ihr Gegenteil zu verkehren gesucht haben. Wir sind über- zeugt, eal der gute Sinn des Volkes \{chnell über die falschen und interessierten Unterstellungen Gericht halten wird, mit Hilfe derer man den Geist und die Tragweite des Trennungsgesetßzes zu entstellen versuht. Die Negierung wird auf alle Fälle dem Ursprung und der Verantwortlichkeit dieser politishen Agitation nachforshen. Sie wird alle Mittel, welche die Gesetze ibr zur Verfügung stellen, gebrauchen, um ihr ein Ende zu mahen. Wir sind ents{chlcssen, den Beamten alle notwendigen Garantien gegen Willkür und Günstlingswesen zu geben. Wir vertrauen auf ihre Ergebenheit, uns dabei zu helfen, dur Achtung vor dem Geseß und der Disziplin den regelmäßigen Gang der öffentlihen Dienste siher zu stellen. Die Regierung wird keine an Soldaten gerichtete Herautforderungen dulden, die bezwecken, diese von ihren Pflichten gegen das VWVater- land und von dem Gehorsam gegen ihre Vorgeseßten ab- wendig zu machen. Sie wird von allen Offizieren . und Soldaten eine gleiße Achtung vor den militärischen Vorschriften und den republikanishen Gesegen verlangen. Das Heer weiß, welche leb- hafte Fürsorge das Parlament für dasselbe hegt. Wir werden nicht aufhören, die Stärke unserer nationalen Verteidigung dadur z1 ver- mehren, daß wir die Bande gegenseitigen Vertrauens, die die Armee und die Nation eng umfassen, noch enger gestalten. Es ist in dem jeßigen Augenblick, wo wir vor Sie getreten sind, unmögli, ein langes Programm- vor Ihnen zu entwickeln; Sie na aus der Art und Weise, wie die Regierung zusammengesetzt ist, ersehen, daß die Regierung den Interessen der Demokratie aufs liefsie ergeben ist. Auf finanziellem, wirls{haftlihen und sozialen Gebiete wird die Regierung bestrebt sein, alle Reformen, die ver- wirkliht werden können, auszuführen, und besonders wirb sie es #ch angelegen sein lassen, dem Senat die Frage der Arbeiteryer- sicherung zu unterbreiten. Die Regierung wird den Senat er- suchen, diese Frage mit all der Sorgfalt zu prüfen, die sie verdient. Nicht weniger wird die Regierung bestrebt sein, der ackerbautreibenden Bevölkerung, die in gewissen Gegenden so harten Prüfungen ausgeseßt ilt, zu Hilfe zu kommen. Bezüglich der \hmerzlihen Katastrophe von Courriòres haben wir die Pflicht, unparteiish ihre Ursachen zu suchen und festzu- stellen, wen die Verantwortlichkeit dafür trifft; wir müssen unsere Aufmerksamkeit {arf auf die Umstände lenken, unter denen die Arbeit vor sich geht, und auf die Mittel, durch welche die Wiederkehr

und die nächste Sizung auf heute anberaumt.

fo shrecklicher Unglücksfälle verhindert werden kann.

ie auswärtige Politik anlangt, so beabsichtigen wir A L den Fragen, die unsere Lage in Nordafrika berühren, die von unserèn Vorgängern befolgte Politik fortzuseßen, die noch fürzlih die Zustimmung des Parlaments gefunden Hat. Im vollen Bewußtsein der Rechte und der Lebensinterefsen, Die unsere Diplomatie zu wahren die Pflicht hat, sind wir überzeugt, daß die Ausübung diesex Rehte und die normale Entrwoicklung dieser Interessen gesichert werden können, ohne diejenigen irgend elner anderen Macht zu schädigen. Wie unsere Vorgänger, denen Gerechtigkeit wider- fahren zu lassen uns am Herzen liegt, baben wir die Hoffnung, daß die Aufrichtigkeit und die Würde dieser Haltung die nahe und endgültize Regelung der s{chwebenden Schwierigkeiten gestatten werden. Treu einem Bündnisse, dessen „wohltätige Wirkung Frankreih und Rußland in gleicher Weise erfahren haken, und treu den Freundschaften, deren Sicherheit und IBert wir ebenfalls haben ermessen können, hat Frankreih in ter Welt eine Stellung, die den Geist der Gerehtigkeit und des Friedens noch mehr festigt, mit dem es die verschiedenen, durch die Macht der Dinge der Nation gestellten Probleme ius Auçe faßt. Dieser Geift wird Fort- dauernd au ter unserige sein, und reshalb werden wir mit Ver- trauen eine Politik weiter befolgen, die in unseren Augen in gleicher Weise der Sache unseres Vaterlandes und der des Weltfrietens dient. Die öffentlihe Meinung hat bereits die Gesinnung gegenseitigen Ver- trauens und aufrihtiger Eintracht verstanden, welche die Republikaner, die hier vor Jhnen stehen, einander genähert hat. Wir find sicher, daß alle guten Börger sih unserem Gedanken anschließen und unserem Appell folgen werden. : /

Hierauf wurde die Regierung von Flandrin (Repu- blikaner) über die allgemeine Politik interpelliert. j

Jn der Begründung seiner Interpellation führte Flandrin aus, er hoffe, daß das Trennungsgesc mit Takt und KlugHeit angewendet werden würde, und wünsche die Ansicht der Negierung über die Fragen der Berufssyndikate, des allgemeinen Aus\tands, der Einkommen- steuer usw kennen zu lernen. Basly (Soz.) beantragte, eine Unter- suhung darüber anzustellen, wen die Verantwortung für di? Kata- trophe von Courriòres treffe. Dec Redner warf den Minen- gesellschaften Mißachtung dex die Arbeiter betreffenden Gefeße vor. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Ba rthou ersuchte den Vorredner, Einzelfälle anzuführen, und versprach, für Achtung vor dem Geseß zu sorzea. Der Ministerpräsident Sarrien erwiderte dem Des putierten Flandrin, die Regierung müsse der Berater und der Führer der republikanishen Mehrheit sein. Die Negierung werde jeden Widerstand gegen das Trennungsgeseß unterdrücken, müsse aber Richter über die dafür anzuwendenden Maßregeln bleiben. Be- züglich der Bildung von Syndikaten erklärte Sarrien, er sei der Ansicht, daß das Gesey von 1882 meist auf Beamte an- zuwenden sei, er werde indessen die Frage weiter prüfen. Was die allgemeinen Wahlen anlange, so versichere er, daß fie in loyaler Weise vor ih gehen wunden. Die Majorität werde fagen, ov fie Vertrauen zu dem neuen Ministerium Habe. Auf eine woeitere Frage des Deputierten Flandrin erwiderte der Ministerpräfident, daß er leinen Ungehorsam der Soldaten gegenüber ihren Vorgesetzten dulden werde.

Nach Austausch einiger weiterer Bemerkungen nahm das Haus mit 299 gegen 190 Stimmen eine Tagesordnung an, in welcher der Regierung das Vertrauen der Kammer ausge- sprohen wurde. Die Majorität umfaßt Sozialistisch-Radikale, Rein-Radikale und ehemalige Dissidenten, ferner 30 Sozialisten, 15 Republikaner der Linken, 2 unabhängige Republikaner und einen Nationalisten. Die Minderheit besteht aus der Rechten, den Nationalisten und den meisten gemäßigten Republikanern. Die Sigzung wurde darauf geschlossen. /

Im Senat verlas der Minister des Aeußern Bourgeois unter dem Beifall des Hauses die Erklärung der Regierung.

Der Minister des Jnnern Clémenceau wird nah und nah alle Präfekten nah Paris berufen, um ihnen Instruktionen bezüglih der Politik zu erteilen, welche die Regierung zu len beabsichtigt, und über die Haltung, welche die Präfekten einzunehmen haben werden, um die Durchführung des Trennungsgesetßes zu sichern. i

Wie das „W. T. B.“ aus Sainte Anne d’Auray meldet, hatten sih gestern, um die Jnventarauf nahme zu verhindern, mehrere tausend Landleute aus der Umgegend, von denen eine Anzahl sogar Waffen unter den NRöcken trug, der Bischof sowie die konservativen Deputierten und Senatoren

des Departements vor der dortigen Kirche versammelt. Der mit der Aufnahme des Jnventars beauftragte Beamte mußte Fn Saint-Maurice

sih unverrichteter Sache zurückziehen. ] ‘au M gestern auf den Maire und die Gemeindebediensteten,

als sie das Jnventar der Kirhe aufnehmen wollten, drei

Revolverschüsse abgefeuert; verleßt wurde niemand.

RußlanD.

Der Ministerrat hat nah ciner Meldung Petersburger Telegraphenagentur“ gestern

zu verfolgen, ferner den Minister

anzuordnen und R, Perfonen strafrechtli folgen, denen Untätigkeit bei der Unruhen zur Last fällt. Weiter wurde

Sicherun

listen, Bestehungen usw. verfolgt werden.

„Regierungsbote“ veröffentliht den Text eines G E , N abgeschlossenen

zwishen Rußland und Belgien

Schiedsvertrags. Spaniem.

Die gestern abgehaltene Kommissionssizung der Marokko- figte sich, „W. T. B.“ zufolge, wiederum mit der Polizeifrage, ohne daß die Verständigung über die

Konferenz beschä

Organisation in Casablanca gefördert werden konnte.

Jn der gestrigen Sißung der Deputiertenkammer

rihtete der farlistishe Deputierte Mella an den Minister- Über ein

präsidenten eine Anfrage, betr. ein Gerücht spanish-englishes Einvern ehmen.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ erwiderte Moret, er sei für das Bestehen besten Einvernehmens mit Frankreich und England und werde die Interpellation beantworten, wenn er den Zeitpunkt

dazu für gekommen erachte.

Serbien.

Das neue, aus Jungradikalcn bestehende Kabinett ist olgendermaßen gebildet;

nach einer Depesche des „W. T. B.“

Präsidium und Krieg: General Gruitsh, Aeußeres: Oberst

Der St beschlossen, die lokalen Behörden auf die Notwendigkeit strenger Maßnahmen gegen die Aufforderungen zu G ewalttätigkeiten gegen die Juden, welhe die niedere Bevölkerung erregen, auf- merksam zu machen und alle Urheber solcher Aufforderungen

l des JFnnern zu er- mächtigen, eine Untersuhung der Vorgänge in : N N L Unterdrückung der beschlossen, die Termine für die Wahlen zum Reichsrat vor den Wahlen zur Reichsduma anzuseßen, jedoch darüber zu wachen, daß die Wähler nicht verhindert werden, an beiden Wahlen teilzunehmen. Der Justizminister mahte Vorschläge zur der Freiheit und Geseßmäßigkeit der Meichsrats- und Reichsdumawahlen. Danach sollen die verschiedenen, bei Wahlen vorkommenden Mißbräuche, wie Freiheitsberaubung der Wähler, Wahlbeeinflussung durch Drohungen und Gewalt, ferner Mfrufe zur Wahlenthaltung, Beseitigung der Wähler-

A ntonit\ch (bisher Kriegsminister und Leiter des Ministeriums des A elei, Oeffentliche Arbeiten: Todorowitsch, der zugleich auch die Leitung des Finanzministeriums übernimmt;

ie übrigen Minister behalten ihre alten Ressorts, also der biabériga Ministerpräsident Sto janowitsch das Kultus- ministerium, Pawitschewitsch Inneres, Petschitsh Justiz und Drasfkowitsch Handel, Ackerbau und Jndustrie.

Amerika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Buenos Aires ist lea neuc Liner gebildet worden: Inneres: Quirus Costa, Aeußeres: Montes de Aca, Justiz: Fedrico Pinedo, Finanzen: NorbertoPinera, Ackerbau: Ramos Mezia, Oeffentlihe Arbeiten: Miquel Tediu, Krieg: General Luis Campos, Marinc: Admiral Betbeder. Afrika. y 4

Wie der „Kölnishen Zeitung“ gemeldet wird, er- hien am 14. d. M. eine zahlreihe Abordnung der Kaids der umwohnenden Kabylen bei dem Gouverneur von Melilla, General Marina, um gegen die See- räuberei der Mar - Chica- Leute Einspruh zu erheben. Sie klagte jedoh nicht Mauren, sondern französische Abenteurer als Urheber dieser Seeräuberei an. Die Ab- ordnung versprah, den Prätendenten zu bitten, er e Delbrel und die übrigen Franzosen ausweisen, weil fie ständig den Frieden bedrohten.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Reichs- tags befindet sich in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen A, Sigzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichsshaßamts Freiherr von Stengel und der ftellvertretende Direktor der Kolonial- abteilung des Auswärtigen Amts Erbprinz zu Hohenlohe- Langenburg beiwohnten, wurde die zweite Beratung des dritten Nachtragsetats zum Reichshaushalt und zum Haushalt für die Schußgebiete für 1905 fort- ejeßt. gel V aibénrcanitas Geheimer Legationsrat Rose: Der von dem Abg. Erzberger behauptete Widerspruch zwischen den Aeußerungen des Landeshauptmanns Brandeis und meinen in der Kommission ab- gegebenen Erklärungen besteht nicht. Auch ih habe nur gesagt, daß, objektiv betrachtet, vom rein juristishen Standpunkt aller- dings eine Ueberschreitung [ener Befugnisse : vorgelegen habe, ih habe aber hinzugefügt, daß die Rechtsverhält- nisse auf den Marschallinseln fehr kompliziert lägen; die Kolonialabteilung sei überzeugt, daß er in gutem Glauben ge- handelt habe. Damit kann der Fall wohl verlassen werden. Zum Fall Koch habe ich zu erklären, daß Koch nach seiner Nückehr für tropen- dienstunfähig befunden und noch einige Zeit in der Kolonialabteilung b: \câftigt, dann aber seiner ursprünglichen Behörde, der Justiz, wieder überwiesen worden ist. Koh wurde zum etatsmäßigen Gerichtè]chreiber ernannt; er richtete darauf eine Eingabe an den Oberlandesgerichts- präsidenten, in der er angab, daß er im Kolonialdienst stehe. Die Sade ist dann aufgeklärt worden und der bezüglihen Zuschrift an den Oberlandesgerihtspräsidenten kann nicht der Vorwurf der Ver- \ch{leierung gemaht werden. Es ist etwas ganz anderes, Reihsbeamter oder Landesbeamter in einem Schatzgebiet zu sein; Koh war ein Sqhutgebietsbeamter, der wegen feiner Tropendien|tunfähigkeit ein- fach seiner ursprünglihen Behörde wieder überwiesen werden tonnte. Menn noch irgend ein Zweifel über den Sinn dieses Schreibens be- stehen fönnte, so wird dieser Zweifel behoben durch das Schreiben an den Justizminister, worin diesem ebenfalls von der Tropendienunfähigkeit Kochs Mitteilung gemaht wird. Das Rechtsverhältnis zwischen Koch und der Kolonialabteilung ist also völlig klargestellt. Die Anzeige von Kochs Wiederanstellung im Justizdienste bei der Verwaltung der deutsch- ostafrikfanishen Kolonialverwaltung ist leider unterlassen worden ; dadurch ift aber seine Lage nicht im geringsten vershlechtert worden. Im Fall Kannenberg hat uns der Abg. Erzberger vorgeworfen, daß wir cinen Beamten, der berehtigte Bedenken gegen einz von ibm ¿u erledigende Arbeit es betraf die Pensionierung des Kannenberg und die Berehnung der Pension geäußert hätte, disziylinarish verfolgt hätten. Dieser Vorwurf würde, wenn wahr, allerdings die Kolonialverwaltung s{hwer belasten. Der betreffende Beamte wollte aber tatsählih dem Hauptmann Kannenberg 1 Monat Pension mehr gewähren, als ihm zukam. Die Frage der Pensionsberechtigung hat er gar nicht bezweifelt. Ich lege die bezüglihe Berehnung usw. auf den Tish des Hauses nieder. Von einem Disziplinar- verfahren gegen den Beamten ist keine Rede gewesen. Erst wenige Monate später hat dieser, weil der Kalkulaturvorsteher ih über ihn beschwert hatte, selbst ersucht, gegen ihn das Disziplinar- verfahren einzuleiten, damit er sih von den „Verleumdungen" reinigen fönnne. Nur wegen dieser beleidigenden Aeußerungen ist später das Verfahren gegen ihn eingeleitet worden; es ruht nun beim Disziplinarhof in Leipzig. Den {weren Vorwurf, den der Abg. (Frzberger gegen die Fama Eu Lem hat, muß ich also jeglicher Begründung entbehrend bezeichnen.

aa ba Dr. Arendt (Reichsp.): Zu der ruhigen Sachlichkeit, mit ter der stellvertretende Kolonialdirektor seinen Standpunkt vorgestern vortrug, kann ih ihm namens meiner Freunde nur unsere volle Än- erkennung auésprechen. Jnébesondere hat es mich gefreut daß er keinerlei Vertuschung liebt, die nicht nüßt, fondern nur schadet; ih glaube, auch die Freunde der Kolonialpolitik haben allen Anlaß, möglichste Klarheit zu wünschen. Die Beschaffung eines geschulten Kolonialbeamtenpersonals is eine der wihtigsten Verwaltungsfragen für unsere Schußgebiete. Es sind vielfach ungeeignete Elemente hinaus-

eshickt worden. Um befseres Personal zu gewinnen, muß man davon Abstaad nehmen, die Beamtenposten als karze Durchgangsstationen zu betrahten. Die Ausgaben für diefen Zweck werden sich sehr gut rentieren und die Kolonien finanziell heben, auch das beste Mittel sein, die militärishen Ausgaben zu vermindern. Die Frage der Kolonialprofessuren is im preußischen Abgeordnetenhause von mir an-

eregt worden, leider ist ein bezüglicher Antrag in zweiter Lesung des

tats abgelehnt worden, hoffentlih gelingt es, thn do noch durh- zubringen. Die Kolonialbeamtenschule sollte in den Stand geseßt werden, auch im Gebiet der Kolonien selbst Filialen zu errichten. Die BELLUn in unseren Kolonien, von der der Erbprinz zu Hohen- lobe sprach, ist zum Teil auch auf die Gegnershaft zurückzuführen, welche die Kolonialpolitik in Deutschland selbst gefunden hat; die Kolonialgegner sind also hieran nicht s{uld.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten begann in der heu- tigen (44.) Sizung,welcher der Finangmms Freiherr von Rheinbaben und der Minister des Jnnern Dr. von Bethmann- Hollweg beiwohnten, die dritte Beratung des

,

Staatshaushaltsetats für das Rehnungsjahr 1906.

Abg. Tee (fr. Vgg.) zur Geschäftsordnung : Cs ist errcicht, daß wir am 15. März die dritte Beratung des Etats beginnen: Bber dies ist erreiht durch eine Kürzung der Debatten, die sachlih nicht gerechtfertigt ist. Beim Eisenbahnetat wurde die Debatte über den Titel, der die Verhältnisse von 420 000 Eisenbahnangestellten berührt, ges{chlossen, obwohl der dafür in der Vereinbarung

alben Tag reduziert war. Dem Abg. Goldshmidt und mir wurde da- es das Wort ilen Ferner wurde beim Etat der Verwaltung des Innern zweimal die Debatte unmittelbar nah einer Rede des Ministers geshlossen, was gegen den alten parlamentarischen Brauch ist. Ih möchte jeßt dringend wünschen, daß für die Debatte über die Eisenbahnbeamten noch Spielraum zu etner fahlichen Erörterung gegeben wird. Die Nedner der Linken werden si dabei die Beschränkung auferlegen, die bei der dritten Beratung selbstver- ständlih ist. Das würde auß im JIrteresse unserer Vereinbarung liegen, die si bisher bewährt hat und die Erledigung des Etats bis zum planmäßigen Zeitpunkt, bis zum 17. März in Aussicht stellt, aker auf die Dauer nur aufrechterhalten werden kann, wenn berechtigte Beschwerden auh seitens der Melrheit des Hauses billige Nückficht nden. R L n Abg. von Pappenheim (kons.): Ih bin nit für jeden Schlußantrag verantwortlih, aber bei dem Eisenbahnbeamtentitel waren noch 20 Redner gemeldet, und allein ein Redner, ter nur für seine Person, nicht für die Fraïtion spra, hatte etwa */, Stunde gesprohen. Danach hätten wir für diese Dickussion roh mehrere Tage ebrauht. Ich halte die Verhältnisse der Eisenbahnbeamten für fehr beahtens8wert und der Diskussion würdig, aber es liegen 342 Petitionen von Eisenbahnb:amten vor, die später Gelegenheit zur Be- \prehung geben. Wichtig war vor allem die Fertigstellung des Etats. Die Mehrheiteparteien mußten deshalb darauf Bedacht nehmen, die Gegenstände zurücckzuscßen, zu deren Beratung noch später Gelegenheit ist und die auf die Gestalkung des Etats selbst keinen Einfluß haben. Die Debatte über die Beamtenverhältnisse betrifft ja nur Aenderungen für die Zukunft. Es war deshalb gut und weise von den Mehrheitéparteien, die Diskussion über die au uns am Herzen liegenden Verhältnisse der Beamten abzukürzen. L

Abg. Brômel: In unserem ursprünglihen Plan waren für desen Gegenstand 14 Tage vorgesehen; die Debatte wurde aber nach etwa drei Stunden ges{lossen. Es handelte sich dabei nicht nur um Beamte, sondern auch um die Eisenbahnarbeiter, von denen feine Petitionen vorliegen. Jch halte deshalb meinen Wunsch volllommen aufrecht.

In der Generaldebatte erhält unter sehr großer Un-

ruhe des stark beseßten Hauses zuerst :

U A Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. konf.) das Wort. Er nimmt auf seine Ausführungen bei der zweiten Beratung des Eisenbahnetats Bezug und betont, daß nah den Absichten des Reichs- tags die Einnahmen aus den preußischen Eisenbahnen zu sehr in An- \pruch genommen werden follten. Würde die.Fahrkartensteuer eingeführt, fo würden dadurch, daß die Reisenden aus einer höheren Wagenklasse zumeist in eine niedrigere übergehen würden, die Cinnahmen Preußens wohl niht vermindert werden, es hätte aber dann von feinen Gin- nahmen an das Reich den erheblichen Betrag der Steuer abzuführen. Zwar würden ja alle anderen deutschen Staaten davon betroffen werden, Preußen hätte aber felbstversländlih den Löwenanteil zu tragen. Schon der Abg. Oeser habe mit Recht ausgeführt, daß der Landtag dur diesen {chwerwiegenden Eingriff in die Tarifhoheit Preußens vollständig rehtlos gemacht würde und gar nit mehr in der Lage sei, auf die Tarifbildung einen Einfluß auszuüben. Das Ab- geordnetenhaus sei verpflichtet, dem preußischen Finanzminister die An- regung dazu zu geben, im Bundesrat energisch Widerspruch gegen diese Absichten des Reichs zu erheben. Der Redner empfiehlt, nah einem anderen Modus für die Verteilung der Matrikularbeiträge auf die Einzelstaaten zu suchen, damit nicht die schwächeren Staaten zu stark belastet würden, und hält es für eine Pflicht des größten Gliedstaats, Preußens, die größte Last an Matrikularbeiträgen auf sih zu nehmen.

(Schluß des Blattes.)

Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesehes, betreffend Erweiterung des Stadt- kreises Thorn, nebst Anlage und Begründung zugegangen. Nach dem Geseßentwurf soll die 11731 Einwohner zählende Landgemeinde Mocker am 1. April d. J. unter Abtrennung von dem Landkreise Thorn der 31 928 Einwohner zählenden Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Thorn einverleibt werden.

Nr. 21 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraus- egeben im Miniiterium der öffentliten Arbeiten, vom 10. d. M., hat Raben Inhalt: Amtliches: Nunderlaß vom 24. Februar 1906, betr. Benachrichtigung der Geologischen Landesanstalt und Bergakademie bei geplanten Bohrungen und bei Funden an Versteinerungen. Dienst- nachrichten. Gutachten der Königlichen Akademie des Bauwesens über den Entwurf zu cinem Geschästsgebäude für die Königliche Eisen- bahndirektion in Frankfurt a. M. Nichtamtliches: Neuere Staais- hohbauten im Kreise Bensheim in Hessen. Die Einwirkung von Seen im Zuge eines Flußlaufs auf den Abflußvorgang. Deo infizierung und Sterilisierung von Abwässern. Vermischtes: Preis- aus\hreiben des Vereins deutsher Eisenbahnverwaltungen. Er- mittlung von Flähhenprofil usw.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die durch Gaserplosionen und elektrishe Entzündungen in Preußen hervorgerufenen Schäden 1899 bis 1903. Im Königlich preußishen StatistisWen Landesamt ift vor kurzem eine Auszählung beendet, die, interessante Aufschlüsse über die Sefahr der steigenden Verwendung von Gas und Eleîtrizität bietet. Es hat sih überraschenderweise herausgestellt, daß das Gas nicht, wie man von vornherein anzunehmen geneigt wäre, größere Schäden aks die Elcktrizität. verursacht. Im Jahrsünfte 1899 bis 1903 einschließlich anden in Preußen statt i ! PEEuB Gasexplosionen mit eixem

in Anzahl der Schaden von Fâlle M bon aroReren Siabien c o Q BOLY 715 375 L E As 119 587 « Landgemeinden und Gutsbezirken . 79 74 343 U sammen»: LI00 909 305.

Davon entfielen auf Azetylengas allein 29 Fälle mit einem Gesamt- {haden von 72 031 A Dagegen umfaßten im gleichen Zeitraum die Brände, die dur Elektrizität verursaht worden find, zwar Fur 478 erwiesene Fälle; der Schadenbetrag stieg aber auf 1470 016 t für Mobiliar, 887 636 #4 für Immobiliar, zusammen auf 2357 652 M Das ist mehr als das ZweiundeinbalbfaLe des Schadens, der dur Gasexplosionen verursaht wurde. Dazu kommen noch 168 Fälle, in denen Entzündung durch elektris@e Kurzchlüsse usw. gemutmaßt ist, mit einem Schadenbetrage von 2 308810 „G füc Immobiliar, 2 855 053 M für Mobiliar, zusammen von 5 163 363 j

Weitaus die meisten Fälle elektrisher Entzündungen, und zwar 328 von jenen 478 erwiesenen Fällen, sind durch Kurzschlüsse hervorgerufen worden ; der Schadenbetrag s\telite sich für fie auf 2 274 265 E Mutmaßlih dur Kurzs{luß entstanden sind 133 Brände mit einem Schadenbetrage von insgesamt 4 655 779 M; dur Leitungs8anlagen entstanden sind erwiesenermaßen 98 Brände mit einem Schaden von 77 595 M, gemutmaßt weiter 29 Brandfälle mit 504 952 of Schaden. Durch elektrische Bogenlampen sind hervorgerufen Brände utt allerdings nur geringfügtgen Schadenbekrägen (zusammen 1534 6), durch Glühbirnen 17 Brände mit 1367 M Schaden, durch Motoren, Akkumulatoren und Batterien je 1 Brand mit 140—200 „6 Schaden. Möglicherweise sind auch die meisten dieser Fâlle in die Zahl der dur Kurzschlüsse verursahten Brände einzureihen.

vorgesehene Zeitraum von 14 Tagen auf beinahe einen

ch diese Feststellung ist natürlich der Elektrizität keineswegs das O A LeN ebensowenig, wie daraus di: Ungefährlichkeit

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