1906 / 119 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 May 1906 18:00:01 GMT) scan diff

5? Preußischer Staats- und Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der § 40 i i is vornehmlih deshalb eingeführt worden, weil in der Kürze der der Eisenbahnverwaltung zur Verfügung stehenden Zeit es niht möglich sein wird, die beschlossene Ark der Stempelerhebung im ausländishen Verkehr überall zur Durhführung zu bringen. Aber auch für die Uebergangszeit: wird in dem inländischen Verkehr dem Publikum gegenüber der Stempel in einer Summe mit dem Fahrpreis berehnet und eingezogen werden. Ich kann daher die Anfrage des Herrn Abg. Westermann im bejahenden Sinne beant-

worten.

Abg. Herbert (Soz.): Der Abg. Graf Kaniß hat eine vorzüg- lie Rede gehalten gegen die Fahrkartensteuer, die im Lande verbreitet zu werden verdient, um ihn festzunageln. Leider hat er aber daraus nicht die nötigen Konsequenzen gezogen. Wir werden es tun und gegen diese verkehrs- und arbeiterfeindlihe Steuer stimmen.

Abg. Ga m p (Rp.): Die Befürchtungen, die im Osten besonders von der Handelskammer in Bromberg gehegt wurden, treffen jeßt nicht mehr in demselven Maße zu, nahdem die Maximalsäße für die zweite und dritte Klasse auf 2 M. festgeseßt sind, und nahdem wir von der Eisenbahnverwaltung die Zusicherung erhalten haben, daß von allen mittleren Städten des Ostens Durchgangsbillets nah allen Bestimmungsorten des Westens eingeführt werten sollen. Danach wird man“ in Zukunft mit direkten Billets von Bromberg nah der Schweiz, dem Rhein, Bayern usw. kommen können. Dann haben also diese Reiseaden nur einmal die Marximalsteuec zu entrihten. Die Interessenten im Osten, die sich über die Fahr- fartensteuer aufgeregt haben, haben wohl diese Verhandlungen im MNeichstage übersehen. Ihre Befürhtungen sind durh die gusage der Eisenbahnverwaltung im wesentlichen erledigt. Daß der Ertrag einer Steuer in einem angemessenen Verhältnis zu den Er- hebungskosten stehen soll, trifft bei dieser Steuer in hervorragen- dem Maße zu, denn keine Steuer wird so minimale Erhebungskosten verursachen, wie diese, und bei keiner Steuer könnten etwaige Nach- teile, die si herausstellen sollten, so leiht berüdcksihtigt werden, wie bei dieser. Bei einer Aenderung der Tabak- oder Biersteuer würden wieder erhebliche Interessen verleßt werden können, aber hier nicht. Wenn 8 ein Abstrômen von der zweiten in die dritte Klasse zeigen follte, önnen wir einfach eine Ermäßigung der Steuersäße eintreten lassen; wenn die Berliner Großbrauereien die angedrohte Preiserhöhung durchführen. sollten, so würde wohl die Mehrheit des Reichstages über eine weitere Erhöhung der Biersteuer ganz anders denken als heute. Wenn die Großbrauereien die Steuer auf die Konsumenten so abwälzen, wie es den Anschein hat, würden wohl auch die Abgg. Pachnicke und Eickhoff einer weiteren: Erhöhung der Biersteuer unter gleichzeitiger Herabseßung der Fahrkartensteuer zustimmen. Wir können uns vielleiht im nähsten Jahre darüber unterhalten, weil wir dann zuverlässigeres Material haben.

__ Abg. Schrader (fr. Vag.): Wenn der Abg. Gamp eine Er- höhung der Biersteuer in Aus cht stellt, um die Fahrkartensteuer zu ermäßigen, so hat er damit von vornherein die Fahrkartensteuer diskreditiert und festgestellt, N hier überhaupt nit rah einem Grundsaße, fondern nur nach dem Gesichtspunkt, daß wir Geld haben müssen, verfahren wird. Ich habe schon früher über die Ober- flählihkeit der Kommission gesprochen. pee fommt der Antrag wegen der Schülerkarten, das hâtte doch schon die Kommission oder mindestens hätten es die Vertreter der Eisenbahnverwaltung wissen müssen. Daëéselbe gilt von dem Antrag wegen der Kinder- farien. Die Berehnung des Stempels wird große Schwierig-

feiten verursachen, wir wissen heute noch nit, wie denn der inlän-

dishe Fah1kartenstempel erhoben werden soll. Der frühste Termin der Einführung wäre der 1. August. Sollen besondere Stempelkarten ausgegeben werden ? Das gehört einfah in das Geseß hinein, wie eine Steuer erhoben werden soll ; das kann feine Behörde bestimmen. Wird man also künftig zwei Billetts bekommen ? Es wimmelt hier bon Unklarheiten. Die Kontrolle wird keineswegs leiht sein, weil wir es mit so vielen kleinen Bahnen und Stationen zu tun haben. Die Konkurrenz der ausländischen Häfen wird befördert werden. Die Befürchtungen im Osten beweisen, daß die Steuer zum größten Teil von dem platten Lande getragen werden wird. Aus den kleinen Vor- orten werden ferner die Leute in die Stadt zurückziehen, weil die Differenz des billigeren Mietépreises durch die Fahrkartensteuer wieder ausgeglihen wird. So wird die Steuer am meisten den Mittelstand treffen. Es ist kein Wunter, daß si fast alle Handelskammern gegen die Fahrkartensteuer autgesprohen haben. Den Nationalliberalen hätte man do so viel Interesse für die Kreise zutrauen können, in denen sie ihre Hauptstüten besißen. Nah der nationalliberalen Presse haben die Parteifreunde der Nationalliberalen im Lande far kein Interesse für die Fahrkartensteuer. Alle diese Steuergesetze nd sachlich unrihtig mit Ausnahme der Erbschaftssteuer. Man hätte rationellere Steuern suben müssen. Eine wirkliche Finanz- reform ist nur möglih, wenn Neich und Einzelstaaten zusammen wirken. Direktor im Neichss{aÿamt h n: Wir haben angenommen, daß für die Schüler niht dasselbe Bedürfnis zur Erleichterung des Verkehrs vorhanden sei wie bei den Arbeitern. Man wird nicht behaupten. können, daß die Schüler durchweg zu den unbemittelten Klassen gehören. Wer 3 ä bezahlen kann, kann auh 3,10 6 bezahlen. Wenn die Herren aber meinen, daß die Schüler- farten frei zu lassen sind, so wird die Verwaltung dagegen einen Widerspruch nicht erheben. In welher Weise die Steuer zu erheben ist, ist Sache der Verwaltung, niht des Geseßes. Ich bin da ent- gegengefeßter Meinung wie der Vorredner. Für die Uebergangszeit werben wir uns damit abfinden müssen, daß der Stempel auf RNük- fahrkartén nur einmal erhoben wird. Was die Frage der Abrehnung mit dem Auslande betrifft, fo hätte ih einen Vorwurf von dem Vor- redner in dieser Beziehung am allerwenigsten erwartet. Eine Bevor- zugung des Auslandes findet nicht ftatt. bg. von Vollmar (L Eine Mehrheit, wie sie sch hier zusammengeschlossen hat, darf keine en (Sründe mehr hören, muß n die Ohren verstopfen, darf selbst die Zeitungen ihrer eigenen ihtungen nicht mehr lesen, weil möglicherweise etwas ihrer Absicht und ihrem Entshluß Entgegenstehendes darin enthalten fein könnte. Solche Kanitze, wie heute einer aufgetreten ist, der erft eine s{öne Rede gegen die Steuer hält und dann dafür stimmen zu ‘wollen erklärt, gibt es dutendweise in den Reihen dieser Mehrheit. Daß!! die neuen Steuern, die hier beshlossen werden, wieder

auf die breiten Massen fallen, daß s niht von den Reichen !

und Besigenden getragen werden, ist hinreihead nachgewiesen. Daß die Personenfahrkartensteuer verkehrsfeindlih ist , As Lein vernünftiger Mensch leugnen können. Jede Erhöhung der Preise, ob direkt oder indirekt, muß naturgemäß verkehrserschwerend wirken. Géradezu unglaublich finde ih, daß ih Verkehrsminister unserer Einzelstaaten gefunden haben, die in dieser Beziehung nachgegeben haben, und ich muß außerordentlich bedauern, daß gerade auch der Verkehrsminister von Bayern so s\chnell umgefallen“ is und bei der ganzen Sache überhaupt eine besondere Rolle spielt. Dèn Regierungen, und auch der bei mir zu Hause, graut {on vor gar nichts mehr; is das Ding noch so ‘unheimlih, sie drücken ‘die Augen zu und s{hlucken es. Das ‘is besondërs be- dauerlih bei den süddeutshen Staaten. Diese tragen hbierbet haupt- sächlih die Kosten. Der ‘Abg. Spahn behaupfkelé, der vierte Teil der - Steuer werdè vom Auslande getragen werden. Jh würde diese Annahme eine kühne ‘nennen, wenn ich nit {on viel „Annahmen“ erlebt hätte, die gerade so kühn! waren. Die süddeutschen Staaten sind zu einem großen Teil in der besonders f{chle{chten Lage, daß der ausländishe Verkehr ihnen mit Leichtigkeit entgehen kann, und das sind keine bloßen „Annahmen“, Cl ats Tatsachen, und gerade Bayern wird {wer darunter zu leiden haben. Dur den Bau der Arlbergbähn ist ein großer Teil des früher durch Bayern gegangenen Veikehrs diesem Lante verloren gegangen. Es hat lange gedavert, bis eine Besserung eintrat; jahrelang ging der ganze Verkehr zwishen Paris

und Wien dur die Schwetz, ohne Bayern zu berühren. Und das wird wiederkommen. So viele seine Politik im Auslande niht erworben, daß man bloßem Gefallen für Deutschland noch die Steuer dazu bezahlt, wenn man auf dem s{önsten und bequemsten Wege um land herumfahren fann. Im bayerishen Landtage gab es in dieser Session eine Vorlage, welhe die Verlängerung der Tauernbahn durch Bayern beabsichtigt; es sind Aufwendungen zu machen, Millionen sind dazu bewilligt worden, und während wir so alles versuhen, den Verkehr auf unsere Linie zu ziehen, sind wir hier im Reichstag am Werk, etwas zu tun, was den Oesterreihern er- leihtern wird, die Passagiere von deutshem Boden fernzuhalten. Es is eine merkwürdige Finanzreform, die dahin führt, die Ordnung der einzelstaatlichen Finanzen noch mehr zu verwirren. Das Deutsch in dieser Vorlage ist nicht \{chlechter als in vielen anderen Gesetzen, und das Deutsch fann gar nit so {lecht sein wie das Gese selbst. Der Abg. Spahn hat selbst die kleine range Aenderung verworfen; die Beschlüsse zweiter Lesung sollen bleiben: sit ut est. Da ist es shwer, eiwas zu machen, mit solchen bösen Herren ist \chlecht Kirschen essen. Der Abg. Wester-

mann erklärte, die - Nationalliberalen blieben grund\äßlih bei diesen Beschlüssen stehen. Mir ist die Verbindung von Grund- aber in zweiter

A und nationalliberal etwas Merkœürdiges; Lesung haben doh drei Nationalliberale dagegen gestimmt. Wer von ihnen hat nun Grundsäße? In München hat der liberale Block, zu dem auch die Nationalliberalen gehören, einen Antrag ge- stellt, hier im Reichstage solle Bayern geg:n die Fahrkarten|teuer wirken. Aus alledem ergibt \sich nur, daß wir es auch hier wieder mit dem Nationalliberalismus mit doppeltem Boden zu tun haben. Der Abg. Westermann kündigte heute aber auch an, daß man eventuell, wenn die Steuern nicht reichten, weitere Steuern machen werde, zum Beispiel die Tabaksteuer. Es war sehr verdienstlih, daß er das so offen sagte. Denken Sie denn, wir stehen am Ende der neuen Steuerära ? Am Anfang stehen wir! Prakiish sind diese Geseße der reine Wahnsinn! Man wirft meiner Partei vor, sie sähe nur auf ihre Partetinteressen. G diese Annahme nicht richtig ist, beweist, daß wic gegen dies Geseh stimmen, denn es gibt keine Steuer, deren Lurhführung wir im Parteiinteresse wünschen könnten. Diese Fahrkartensteuer ist eine Erziehungs- und Aufklärungssteuer. Es ist eine Steuer, die jeden jeden Tag ärgert, weil man jeden Tag daran denkt, daß man sie später einmal bezahlen muß. Ein Stand wird ganz besonders getroffen, der durch seine Redegewandtheit großen Einfluß hat: die Handlungs- reisenden. Man kann dies verstehen, wie die reden werden, wenn die Geschichte ers einmal losgeht. Die Wirkung dieser Steuer wird eine folhe sein, daß alles, was Sie gegen uns Sozial- demokraten fonst unternehmen werden, vollständig aufgehoben wird dur die Wirkung dieses Geseßes. Deshalb möchte ih Ihnen an- heimgeben, sich die Sache denn doch noch einmal zu überlegen und fi zu fragen, ob das Risiko auch wirkli die Sache wert ist. Bleiben Sie aber dabei, so wird das deutsche Volk und Sie selbst an den Tag denken, an dem Sie das Geschß beschlossen haben.

Preußisher Staats- und Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Der Herx Vorredner hat zunähst vom süd- deutshen Standpunkte aus der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß durch die in Rede stehende Steuer der Verkehr nach Frankreich bezw. Oesterreih abgeleitet werden könnte. Nun, meine Herren, hat aber sowohl Frankrei wie Oesterreih einen derartigen Stempel (hêrt! hört! und sehr richtig!), und zwar beträgt der Stempel in Oesterreich nicht weniger als 12 9%, ift also erheblih höher als der, den wir ein- zuführen bes{lofsen haken. (Hört! hört!)

Meine Herren, um diese tatsählihèn Momente richtig zu stellen, hatte ich aber nicht das Wort genommen, ih halte es eben für meine Pflicht, hier das Wort zu ergreifen, weil der Herr Vorredner einen niht anwesenden Minister, den bayerischen Herrn Vezrkehtêsminister, hier in \charfer Weise angegriffen hat. Er hat gesagt, daß der bayerisGhe Verkehrsminister umgefallen ist ; ich weiß nicht, ob das der Fall ift. (Heiterkeit und Zurufe links.) Ich bitte, meine Herren, zuzuhören! Wenn er wirklih zuerst Bedenken gehabt hat und hat diese Bedenken zurück- treten lafsen, so ist es ihm gegangen wie vielen von uns, weil wir alle die Aufgakte, die Zukunft des Reichs zu sichern, für wichtiger halten als einzelne persönlihe Bedenken. (Sehr richtig!) Allerdings die Herren von der äußersten Linken, die der Verantwortung für des Reiches Zukunft enthoben find, können billig Kritik üben. (Sehr gut! Widerspruch links.) Ganz anders stellt \sich die Sache für die Mehrheitsparteien des Reichstags und für die verbündeten Regierungen, die sich nicht auf die bloße Negation versteifen können, sondern auf ihrem Gewissen die Verantwortung tragen (oho! und Lachen links sehr gut! und lebhafter Beifall rechts und bei den Nationalliberalen in der Mitte), das Reich endlich wieder auf eine feste finanzielle Basis zu stellen und damit dem Reih wirtschastlich und politisch das Ansehen in der Welt zu verschaffen; das absolut nötig i. (Sehr gut! und lebhafter Beifall. Lachen und Zurufe bei den Soztal- demokraten.)

Meine Herren, Ihre Kritik wird uns in keiner Weise beeinflussen. Wir haben alle ih glaube, das sagen zu können von den Par- teien wie von einem großen Teile der einzelstaatlihen Vertreter sehr erheblihe Bedenken gegen das eine oder andere Projekt gehabt. Daraus made ich gar fein Hehl, und das ist selbstverständlich bei so ver- \chiedenartigen Materien, wie fie hier in diesen Vorlagen behandelt worden sind. Aber für uns war maßgebend als Motiv: die salus publica geht den einzelnen Bedenken vor. Darnach haben wir ver- fahren und werden wir verfahren. (Lebhaster Beifall. Lachen und Zurufe links.)

Abg. Dr: Wol ff (wirts{. Bag): Ih möchte dagegen Ver- wahrung einlegen, daß denjenigen, die jeßt gegen die Fahrkartensteuer stimmen, die Sorge um die Wohlfahrt ‘des Reiches nicht auch am Herzen läge. ir erklären uns gegen die Steuer, gerade aus Sorge um die Zukunft. Süddeutschland ist damit beschäftigt, eine Tarifreform herbei- zuführen, und diese wird dur die Steuer erschwert. Die Fahrkarten- steuer it eine Belästigung und Verteuerung des Verkehrs, die uns nur Schaden bringen kann. Die Eisenbahnen werden eine Schmälerung threr Einnahme exfahren, die Württémberg nicht èrtragen kann. Was Oesterreich und Frankrei anketrifft, so ist es etwas anderes, ob ein Fahrkarten- stempel in einem Lande {hon besteht, oder ob er erft eingeführt wird.

Abg. Haußmann (d. Voltsp.): Wir werden gegen diese Steuer stimmen. Die Mehrheitsparteien befinden sich “in einer sehr wenig angenehmen Lage; es ist ihnen ‘allen ‘nicht wobl. Wer i|ff denn eigentlich für diese verfeblte Steuer verant- wortlih? Die Regierung lehnt die Verantwortung ab, sie hat nur, unt“den Verkehr niht zu hemmen, einen mäßigen Firstempel ein- führen“ wollen und daraus eine Cinnahme von 12 Millionen vor- eshlagen, die Mehr eitóparteien aber haben cinfach in dem unbe- timmten Gefühl, daß itgend etwas Cen werden muß, aus ‘den 12 Millionen 50 Millionen gemacht, das heißt nahezu 1 A auf den Kopf der Boner óder 5 H für das S enrBoe, Sie wollen also 50 Millionen aus dem deutsWen Verkehr heraus- ziehen. Was gibt Ihnen die innere Autorität dazu? Die! Re- gierung hat in der Kommission zuerst gesagt, diese Steuer hindere den Verkehr. Zwar wind jeßt nicht mehr direkt das Kilometer

zu Grunde gelégt,“ aber indem die Steuer auf den Preis gelegt it, belastet fie ebenso das Kilometer. Der Gf n lit Mien ie

Deutsch- |

Freunde hat sich Deutschland dur aus |' ja an den Tabak herangehen.

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Steuer und sagt nur: Na in Gottes Namen! Der Abg. Wéstos; mann salviert sein Gewissen: Wenn es nachher nichts ift, ren E Das ist die Beruhigung der Tabak. interessenten, die man gerade hat beruhigen wollen! Auch der Abg, Gamp erklärt ähnlich, das Bier anzugreifen, wenn es hier nicht eht. Einer nah dem andern erklärt, die Regierung könne ja andere Boe: lagen machen, wenn ihr dicse nicht paßten; so wird die Ver, antwortung wieder auf die Regierung abgewälzt. Der Regierun ist diefe Steuer in ter Sigaiision förmlich aufgedrängt worden Cin Mitglied der Kommission erklärte, das Auftreten der Regierung gegen die Erhöhung der Fahrkartensteuer über die Regierungsvorlage hinaus hat fkeinen guten Eindruck gemaÿt. Man hat der Regierung einfa gesagt, wollt Ihr Geld haben, könnt Ihr es nur auf die Art bekommen. Man hat darauf hingewirkt, daß die Regierung mit ihren jagen Gründen gegen diese Steuer zurüchielt, man hat die Negierung eingeschüchtert, sie bekäme

die Finanzreform ohne diese Fahrkartensteuer nicht. Die Zügel der Regierung s{chleifen, die Regierung hat die Zügel nit mehr in der Hand. Das Zentrum und die Konservativen

mögen die Verantwortung tragen können, am s{limmsten sind die Nationalliberalen daran, denn sie haben nicht die Beta 4E agrarischen Horizont zu haben; ihre Wählershaft is auf die Entwicklung des Verkehrs angewiesen, deshalb machen die National, liberalen mit dieser Steuer einen gefährlichen Schritt. Jn Süd, deutschland machen die Nationalliberalen diese Politik nicht mit; in Bayern sind sie dagegen aufgetreten, und im württembergischen Landiag hat heute eine Interpellation darüber stattgefunden: unsere Regierung hat erklärt, E fie von Anfang gegen diese Steuer gewesen sei, und die ationalliberalen in Württem- berg haben dies einstimmig gebilligt. Sobald die National, liberalen hier abs{chwenken, ist die Fahrkartensteuer gefallen, deshalb lastet auf den Nationalliberalen eine sehr große Verantwortung, Son Steuern vom grünen Tisch sind gefährlih, aber vom blauen Tisch einer Parlamentskommission sind ‘fie ncch viel gefährlicher. Man sollte die Ausgaben nit in so rashem Tempo steigern, damit nit unzweckmäßige Steuern eingeführt werden müssen. Die wesent- liste Rechtfertigung dieser Steuern liegt ja in der Verlegenheit, in der sich Regierung und Mehrheitéparteien befinden. Aus wirtschaft- lihen und verkehrstechnishen Gründen ist die ganze Fahrkarten- steuer verkehrt. Die deutschen Staatseisenbahnen haben ihre Tarifbildung auf ein gewisses System aufgebaut mit eirer yro- zentualen Steigerung von einer Klasse zur anderen. Ohne Verbindung mit diesem System machen Sie diese Steuer mit einem ganz anderen Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Klassen, insbesondere wird eine große Lüdke zwishen der IV. und IIT. Klasse gemaht. Es muß geradezu ein Abwandern nah den unteren Klassen, namentlich nach der vierten statlfinden. Jn Süd- deutshland wird, wenn die IV. Klasse eingeführt würde, ein außer- ordentliches Abfluten nah dieser Klasse stattfinden, und damit steht die ganze Steuer in der Luft, denn diese Klasse ist steuersrci. Die Steuer seßt geradezu eine Prämie auf das Abwandern in die unteren Klassen, Der Abg. Gamp vertritt den Grundsatz von Leistung und Gegenleistung und meint. die Leistungen der Eisenbahn würden dur den Preis nicht gedeckt, Wie kann man so oberflählih reden! Die IV. Klasse deckt {on heute ihre Kosten und Verzinsung vollkommen, ebenso die IIT, aber die I. Klasse ist der größte Luxus und Vezshwendung vom bahntechnischen Standpunkt aus. Sie können nicht verlangen, daß die III. Klasse der Mittelstand, die Kosten der bequemen Il. und I. Klasse no weiter deckt und die Leistungen ausgleiht für die, welche in der I. Klasse fahren. Wenn Leistung und Gegenleistung ein richtiger Anla ist, was leistet denn das Reich ? Die Einzelstaaten machen diese Leistung und haben Anspruch auf die Gegenlcistung, die Steuer koinmt aber dem Reich zu gute. (Abg. Gamp: Dann zahlen die Einzelstaaten weniger Matrikularbeiträge!) Der große Reiseverkehr ist durch die Marimalgrenze von 8 # geschüßt, das ist eine \chreiende Ungerechtigkeit, damit i der große Rundreiseverkehr privilegiert, und der wird nicht vom kleinen Mann’ benußt. Die Tarifrefom der Eisenbahnen hat ihre . Großzügigkeit ledigli darin, daß das Uebermaß von Fahrkarten abgeschafft wird, infolge dieser Steuer müssen aber 20 Millionen neuer Karten gedruckt werden. Die Nebenbahnen, die ihre Tarife nicht be- liebig ermäßigen können, werden die Ausfälle niht tragen können. Einzelne Gebietsteile, besonders Süddeutschland werden durch diefe Steuer {wer getroffen. Fast alle Bürger von Bromberg, die Ost- markenpolitik treiben und durchaus reichêtreu sind, haben gegen die Steuer protestiert. Der Finanzminister hat die Ausführungen des Abg. v. Vollmar, die diefer über die Schädigung Süddeutschlands ge- macht hat, niht witerlegt. Es ist mir s{chmerzlih, daß die bayerische Regierung sich gefügt, und sih auf ein Achselzuden beschränkt hat. Noch \chmerzliher aber war es mir, daß Bayern jeßt anfängt, vom Bundesratstishe dur einen preußishen Minister vectreten zu werden. Das Verhängnis hat sich vollzogen, seitdem Freiherr von Stengel im Bundesrat ist. Vor 8 Tagen hat der Reichstag freie e karten für die Abgeordneten beschlossen, und in fast demselben Augenblick beschließt der Reichstag cine solhe Fahrkartensteuer, die jene Befreiung mit einem Odium belastet! Der Jurist kann ja alles. Der Besteuerurg des Verkebrs sind seine natürlichen Grenzen gezogen; es werden durch eine solhe Steuer die Einnahmen der Einzelstaaten unterminiert. In kurzer Zeit wird die e Not des Reiches wiederkommen. Dieses Geseß s{lägt der erfa geradezu ins Gesicht ; denn die Verfassung s{chlägt vor, daß das Nei auf eine möglichste Verbilligung der Tarife hinwirken soll. Man hat auf das Bei!piel Frankreihs hingewiesen. Aber gerade die Fahrkarten- steuer, die höheren Tarife, haben die Verkehrsentwicklung ¿Frankreichs ehindert. Diese Steuer ist verkehrs4; und mittelstandsfeindlich. ie Mehrheit hat nur das formelle Ret; ob die Mehrheit im Sinne des Volkes handelt, hängt davon ab, ob das Volk sie wirkli haben will, und selbst ein Nationalliberaler wird ntcht behaupten, daß das Volk für diese Steuer ist. Es würde sich ein Sturm der Ent- rüstung gegen diese Steuer erheben, wenn die Steuer nicht im stillen so rasch hier unter Dach gebraht würde. Wir dürfen vor dem Auslande keine Dummheiten machen, und diese Steuer ist eine Dummheit.

Bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrat, Ministerialrat von Burkhard: Ich bin dem::preußischen Finanzminister sehr dank- bar, daß er den Angriff des Abg. von Vollmar gegen den bayerischen Minister partert hat. Der Abg. von Vollmar hat diesem einen Unifall vorgeworfen. Jn der Sahe selbst hat dié bayerishe Regierung thren Standpunkt vollständig verireten in der Kommission, wie Sie au im Bericht nachlesen können. Wenñ nun die bayerischen Vertreter mit dem bayerishen Verkehrsminister ' diefer Vorlage zustimmen“ wollen; so haben sie das, wie der ‘beteiligté’ Mivister in der bayerischen Ab- geordnétenkämtrier vor einigen Tagen erklärt hat, getan in demBe? wußlsein, daß sie damit ‘den“ größeren Zwecken dienen, weil die Ab- lehnung der Vorlage die ganze Finanzreform gefährden würde weil die bayerishe Regierung davon überzeugt ist, daß, wenn die Finanz- reform jeßt in diesem Moment lhatlera würde, wenn die Ge- fung der Neichsfinanzen nicht gelingen sollte, dadurch auch die

ayerischen Finanzen viel mehr getroffen würden, als durch die jeßt in Beratung gezogene Verkehrssteuer. Die bayerisGe Regierung hat desbalb dieser Vorlage zugestimmt, um die Finanzreform, die wir ja alle wünschen, nicht zu gelben, sondern zu ermöglichen.

. Werner (D. Rfp.): Der Abg. Haußmann hat uns heute eine fulminante Rede gehalten, nachdem er die ganze Session über nicht hier war. Vieles vori seinen Ausführungen [äßt ns unter- schreiben. Wir haben“ {on bei der ersten Lesung ausgeführt; e M Steuer unpopulärer sein kann als die Fahrkarten“ \ mit einer solchen niht befreunden. Jn der Kommission würde die Steuer mit Skiminengleichheit abgelehnt worden sein, ein idt einer der Gegner gefehlt hätte; die Mehrheit dafür war also eine sehr fragwürdige-

(Schluß in der Dritten Beilage.)

Auch der Abg. von Lee hat erklärt, er könne sih |

Dritte Beilage

zum Deutschen- Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

M 119.

(S(hluß aus der Zweiten Beilage.)

Fch kann au dem preußishen Finanzminister mit der Bezug- nahme auf Oesterreih niht recht geben. E3 mag ja stimmen mit

den 12 °/%, aber Desterreih hat den Zonentarif und wesentli mäßigere Fahrpreise. Sehr sachverständige Leute haben diese Steuer als ‘ein Attentat auf die Verkehrsentwicklung bezeihnet. 90 9% ;

fahren heute son in der III. Kiasse; diese, also der Mittelstand, werden die Kosten der neuen Einrichtung zu tragen haben, sie werden an- nähernd die ganzen 50 Millionen aufbringen müssen, die man von dieser Maßregel erwartet. Die 1V. Klasse is [hon heute ungemein überfüllt ; es wird alles hineingesteck, was irgendwie hineingesteckt werden fann; eine Abwanderung dahin ist kaum in großem Maßstabe möglich. Gegenüber dieser verkehrsfeindlichen Steuer berührt die jegt in dem Steuerbukett enthaltene Tantiemesteuer geradezu außerordentlich sympathisch, und der Kollege Nacken hat fd mit diefem Vorschlage ein ganz bedeutendes Verdienst erworben. och nie hat eine Steuer cine so imposante Mehrheit gefunden wie die Tantiemesteuer; mit 250 gegen 18 Stimmen is} sie in zweiter Lesung angenommen worden. Solche Steuern hätte man mehr ersinnen follen. Abg. Westermann (nl.): Ih habe ausgeführt, unsere grundsäß- lihe Stellung zur Finanzreform veranlasse uns, für die Fahrkarten- steuer zu slim#Men. Vas ist ganz etwas anderes, als der Abg. von Vollmar mir unterlegte. Ueberhaupt soll, wer im Glashause ißt, niht mit Steinen werfen ; mit solchen billigen Wigen, wie sie der Abg. von Vollmar über unsere Grundsäße gemacht hat, kommt man über diese Dinge nit hinweg; in der Tantiemesteuer war die Stellung der Sozial- demokraten in der Kommission eine ganz andere als nahher im Le Was i davon gesagt habe, daß man später event. auf die A zurückfommen müsse, habe ich nur für meine Person erklärt.

Abg. Spe ck (Zentr.): Auh uns macht diese Fahrkartensteuer feine besondere Freude, aber einer besonderen Entschuldigung dafür, daß wir für sie stimmen, glauben wir niht zu bedürfen. Nicht bloß vor unseren ländlihen Wählern, sondern vor allen unseren Wählern werden wir unsere Stellungnahme rechtfertigen. Die Schädigung des Durchgangéverkehrs durch Süddeutsbland möchte uns der Abg. von Vollmar nicht übel zum Vorwurf machen. Schon der Finanzminister hat erwähnt, daß die Ausländer, die über Oesterrei _reisen, event. aus der Scylla der deutschen in die Charybdis der österreihishen Fahrfkartensteuer geraten. München hat noch immer so viel Anziehungékraft für das Ausland besessen, daß die Fremden auch troß der Steuer dahin kommen werden. Es wird bei uns so gehen wie in Oesterreich, eine Abwanderung in die unteren Klassen wird \sih in den ersten Jahren vollziehen, aber bald wird wieder der Ausgleich eintreten, wie dort, wo die Passagiere allmäh- li wieder in die höheren Klassen aufstiegen. Auch die württem- bergishen Finanzen werden nicht anders als die bayerischen be- troffen werden ; lehnt der Abg. Dr. Wolff jeßt die Fahrkartensteuer ab, so werden die württembergishen Finanzen unzweifelhaft schärfer betroffen ; denn dann werden die mindestens 35 Millionen einfach auf die Matrikularbeiträge ges{chlagen. Ein demokratisher Volksvertreter, wie der Abg. Haußmann, bätte eine parlamentarische Institution wie unsere Kommissionen niht so herunterreißen follen. Meint er, wenn in der Kommission lauter Schwaben gesessen hätten, dann wäre ihr Produkt ein wertvolleres gewesen? Ist diese Steuer eine so \{hwere Schädigung des Verkehrs, dann hätte er mit seinen Freunden do bei der zweiten Lesung hier sein und gegen si: kämpfen müssen. Vielleicht hä1te er, wenn er bei der zweiten Lesung seine {chöne Rede

ehalten hâtte, damit eincn Erfolg gehabt. Bei der namentlichen Ab- timmung haben aber niht weniger als 4 von 6 feiner politischen Freunde gefehlt. Wir halten diese Steuer für eine Notwendigkeit zur Gesundung der Reichbfinanzen. S /

Abg. von Vollmar (Soz.): Die „Kölnische Volkszeitung“, ein Hauptorgan der Zentrumêpartei, hat geschrieben, wir würden der ganzen Finanzreform keine Träne nahweinen , wenn die unglüdselige L kartensteuer von ter Bildfläche vershwände ; die Ablehnung der Fahr- kartensteuer würde der beste Anreiz zu einer besseren Steuer scin. Ih weiß, daß die bayerishen Wahlkeise des Zentrums ungefähr derselben Meinung sind. Der Abg. Westermann machte einen Unterschied, den ih nit verstanden habe, er soll gesagt haben, die grundsäßliche Stellung zur Reichsfinanzreform zwänge Engen, für die Fahrkarten- steuer zu stimmen, und wir, die Sozialdemokraten, hätten bei der Tantiemesteuer eine vershiedene Stellung eingenommen. Wer so etwas sagt, weiß offenbar nicht, was Grundsätze sind. Der Abg. Westermann sagte, er habe nur im eigenen Namen gesprcchen. Ja, jeßt möchten Sie am liebsten herautk:aßen, was Sie gesagt haben. Der preußische Finanzminister hat sih veranlaßt gesehen, für den bayerishen Ver- kehrsminister einzutreten und ihn gegen einen Angriff von mir zu verteidigen. Wenn es nötig sein wid, werde ih mich {hon mit unserem Verkehrsminister allein auseinanderseßen, dazu bedarf .es des preußischen Ministers niht. Der bayer Vertreter hat dann un- gefähr dasselbe gesagt wie der preußishe Minister und sich gegen meine Anguiffe gegen den bayerishen Verkehrsminister gewendet. ‘Er meinte, die bayerische Regierung hat ihren Standpunkt in der Kom- mission vertreten, jeßt nimmt fie nun einen anderen Standpunkt ein. Ih wüßte nicht, was das anders als ein Umfall sein sollte. Der biedere S{wab furt sich nit. Leider ist es Württemberg in Fraen aber niht gelungen, die bayerishe Regierung vor dem Umfall zu bewahren. : Bayerischer Bevollmächtigter zum Bundeërat, Ministerialrat von Burkhard: Einen folhen Vorwurf muß ih entschieden ablehuen. Es "ist decch etwas anderes wenn man in der Kommission seinen Standpunkt geltend macht, und wenn es ih jeßr um die Frage dreht, ob wir die ganze Ss cheitern lassen odcr sie zum endgültigen Abschluß bringen ollen. Das fommt in den Parlamenten ja häufig vor, keine Partei ausgenommen, daß man in der dritten Lesung eine andere Stellung einnimmt als vorher. Das kann absolut notwendig sein. Wenn die Regierung die Finanzreform scheitern ließe, dann möchte ih die Vorwütfe hören, die ihc tann mit Reht gemacht werden könnten! Woher nehmen wir dann das Geld? Wir blieben in derselben Misere, und die 35 bis 40 Millionen aus der Fahrkartensteuer müßten auf die Matrikular- beiträge geshlagen werden. Die Matrikularbeiträge belasten jeden- falls die süddeutshen Staaten mehr und empfindlicher als die Fahr- fartensteuer. Auf diesen höheren Zweck müssen wir ausshlaggebendes Gewicht legen, wir werden daher die Vorlage annehmen.

Abg. Haußmann (d. Volkep.): Der Vertreter der bayerischen Regierung hat uns einen Blick in dat Herz der Regierungsvertreter werfen lassen. Sie würden im Grunde gern diese Steuer ablehnen, wenn es sich jet um die Abstimmung über jede einzelne Steuer handelte und nicht um die Kollektivabstimmung über die ganze Reform. Es war interessant zu hören, daß die Vertreter der bayerishen Regterung in der Kommission ihre Bedenken gegén die Fahrkartensteuer, wenn auch nur ganz sanft geltend gemacht haben. Der Ab . Speck wandte sich dazegen, daß ih die Kommission niht hoh eingeshäßgt und ihre Autorität an- gezweifelt habe. enn aber Kommissionsmitglieder technishe Geseye machen ohne die technishen Kenntnisse, und die Negierung dagegen Widerspruch geltend macht, dann fehlt ihnen eben die Autorität. Wenn der Abg. Spahn meint, ein Viertel des Verkehrs sei Durch- gangsverkehr, jo ist das die größte Fehlshäßung, die je vorgekommen ist, denn ter Personenverkehr des Auslandes spielt bei uns nur eine

Berlin, Montag, den 21. Mai

ganz geringe Rolle. Während der zweiten Lesung war ih Referent über eine wihtige Vorlage im württembergischen Landtage und konnte dort nicht abkommen. Die Mehrheit hat nun einmal den Willen, die Sache durhzubringen, und wird sie durhbringen.

Abg. Spa h n (Zentr.) : Beim Durchgangsverkehr kommt es nicht auf die Zahl der Fahrkarten, sondern auf deren Preise und auf die Höhe der Klasse an, und dann macht der Durchgangsverkehr einen beträchtlichen Teil des Ganzen aus. Wenn die , Kölnishe Volkszeitung“ einen Artikel gegen die Fahrkartensteuer gebracht hat, so kann auc einmal ein Redakteur \chlafen. Die Redaktion der Volkszeitung hat auch Artikel für die Fahrkartensteuer aufgenommen. Es ist allerdings

! nit \chöôn, daß jener Artikel gegen die Steuer gerade an dem Tage

erschien, wo hier die entscheidende Abstimmung bevorstand. Ent- \cheidend s aber nur, daß kein Mitglied unserer Fraktion, auch nicht der Abg. Bachem, hinter jenem Artikel stand. So hoh ih die Presse bewerte, so macht sie doch nit die Parteipolitik. Diese wird von den Mitgliedern der n gemaht und niht von irgend einem Artikel eines Parteiblattes.

Abg. von Vollmar (Soz.): Ich bin unterrichtet genug, um zu wissen, daß man auf einen verstockten Sünder überhaupt keinen Eins fluß üben fann. Auch im Zentrum bestehen verschiedene Meinungen. Wenn die Vertreter der bayerischen Regierung ihre Bedenken in der Kommission nur ganz san gun haben, so ist es überhaupt be- dauerlich, daß die bayerishe Regierung in der Reichspolitik fo gern den sanften Deines spielt. Wenn die bayerishe Regierung die Ge- legenheit wahrnähme, die bayerischen Interessen entsGievener zu ver- treten, so würde das der Meinung weiter Kreise des bayerischen Volkes entsprechen. Eine Reihe von Mitgliedern der verbündeten Regierungen haben in der Kommission sehr energisch gegen die Fahrkartensteuer gesprochen. Gegen die Tantiemesteuer haben wir uns in der Kom- mission ursprünglich erklärt, weil wir die erforderlichen Beträge aus cs M leues zu nehmen hofften. In der Sache selbst ist gar ein Streit.

Bayerisher Bevollmächtigter zum Bundesrat, Ministerialrat von Burkhard: Ich habe niht gesagt, daß die bayerische Regierung nur ganz sanft Stellung genommen habe, sondern, daß fie ihren Standpunkt gewahrt habe. Wir werten den bayerischen Standpunkt immer wahren, soweit wir es mit den bayerischen Inter- essen für vereinbar halten.

Damit schließt die Diskussion. Die Anträge Eickhoff und Beer- Hessen werden an-

! genommen.

Ueber den. Tarif für Personenfahrkarten im ganzen wird namentlich abgestimmt. Der Tarif wird mit 150 gegen 119 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen angenommen.

Die zu dem Personenfahrkartentarif gehörigen Paragraphen des Geseßes 40a bis 401i gelangen ohne Diskussion nah den Beschlüssen zweiter Lesung zur Annahme.

Es folgt die Tarifnummer: Erlaubnisfahrkarten für Kraftfahrzeuge E UIIR niveiter ela

Wieder werden die Beschlüsse zweiter Lesung ohne Debatte bestätigt; ebenso hinsihtlih der Stempelsteuer von 8 Proz. auf Vergütung für ÄAufsichtsräte (Tantiemesteuer).

s e folgt der Entwurf eines Reichs erbschaftssteuer - geseßes.

Die Beschlüsse zweiter Lesung zu den 88 1 bis 11 werden ohne Debatte auch in dritter Lesung angenommen.

Zu 12 (Betrag der Erbschastssteuer) erhalten die Abgg. Kanitz und Singer das Wort; beide sind im Saale nicht anwesend.

Abg. Bernstein (Soz.): Wir bedauern auf das lebhaftefte, daß unsere weitergehenden Anträge zur Erbschaftssteuer, aus denen v die Mittel für die Reichsfinanzreform zu gewinnen waren, niht durch-

edrungen sind. Wir stimmen gleihfalls für die Beschlüsse zweiter esung, weil wir in ihnen den Anfang zur Einführung direkter Neichs- steuern erblicken.

Eine weitere Diskussion findet nicht statt.

Auf Antrag des Abg. von Normann (dkons.) erfolgt he s 12 namentliche Abstimmung. i

Die Annahme erfolgt mit 205 : gegen 42 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen.

Abg. Schrader stellt fest, daß er aus Versehen einen Stimm- Kas mit „Nein“ abgegeben hat, während er mit „Ja“ stimmen wollte.

Zu 8 14, der für Stiftungen usw. eine Erbschafts- steuer von 5 Proz. festset, liegen zwet Anträge von national- liberaler Seite (Beumer u. Gen.) und von konservativer Seite (Dietrich u. Gen.) auf Streichung des Abs. 3 vor. Dieser Absatz bestimmt, daß die Erbschaftssteuer 5 Proz. betragen soll für Zuwendungen, die aus\chließlih kirhlihen, mildtätigen oder gemeinnüßzigen Zweckten innerhalb des Deutshen Reichs oder der deutshen Gebiete gewidmet sind, sofern die Ver- wendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist und die Zu- wendung nicht auf einzelne Familien oder bestimmte Familien beschränkt ist.

Abg. Beumer (nl.): Wir sind zu unserem Antrag veranlaßt durch eine ganze Anzahl von Eingaben wissenschaftlicher Institute, mildtätiger Stiftungen, gemeinnüßiger Vereine, Lungenheil- stätten usw., die uns durch Beibringung zahlreiden, ziffermäßigen Materials darüber belehrt haben, daß, wenn der Paragraph nicht fo

cândert würde, derartige mildtätigen, künstleris@;en und fulturellen wecken dienende Institute schr beeinträchtigt werden würden. Es it mershlih begreiflih, daß diejenigen, die für solhe guten Zwccke eine Stiftung machen wollen, nun niht noch eine verhältnismäßig große Summe für den Fiskus zahlen wollen.

Abg. Bernstein (Soz.): Dieser Antrag bedeutet au eine Be- günfligung der toten Hand, und es ist sehr interessant, daß gerade die Nationalliberalen dabei sind, wenn auch ihr Antrag in Begünstigungen für wohltätige und wissenschaftliche Stiftungen ein- gewielt is. Wenn man nur das leßtere en! hätte, so hätte man dafür eine andere Form finden können. ieser Antrag wird die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer vermindern, er steht mit dem modernen Geist in Widerspruch, und deshalb können wir unter keinen Umständen dafür stimmen.

Abg. Dr. Müller -Meiningen (fr. Volksp.) : Auch wir werdén egen den Antrag stimmen. Wir wären sehr gern bereit, dafür zu timmen, wenn es sich nur um künstlerishe oder wissenschaftliche Zwecke handelte. Tatsächlih aber soll die toe Hand privilegiert werden. Wenn es den Nationalliberalen nur darum zu tun gewesen wäre, gerade die fünstlerischen und wissenschaftlihen Zwecke zu protegieren, jo hâtten sie ihre Anträge bei § 14 einbringen sollen. Da fie das nicht getan haben, vielmehr die Bestrebungen auf Privilegierung der toten Hand unbegreifliherweise auch hier wieder unterstüyt haben, so werden wir gegen diesen Antrag stimmen.

h Burckhardt (wirts{ch. Vgg.): Wir sind den Antrag- stellern dankbar, daß sie hier eine Milderung eintreten lassen wollen,

wenn auch nit die volle Steuerfreiheit. Cs handelt sich hier nicht

19086.

sowohl um fkirhlihe, als um Missions- und ähnliche Anstalten, die e den Arbeitern zugute kommen. Wenn diese Anstalten bisher Lei Steuerfreiheit gehabt haben, so soll man sie jeßt nicht {!cchter ellen. Abg. Ber n s e i n (Soz.): Soweit Stiftungen in Frage kommen, bet denen Arbeiter in Betracht kommen, zehren die Verwaltungskosten die Einnabmen vielfah derart auf, daß diejenigen, die unterstüßt werden follen, überhaupt kaum etwas erhalten. Die Sorge für die Berbesserung des Loscs der Arbeiterklasse können Sie ruhig uns über-

lassen.

Absay 3 wird gegen die Stimmen der Linken, einiger Nationalliberalen und Reichsparteiler gestrihen und Z 14 mit dieser Modifikation angenommen.

D B LT (Vergünstigungen für landwirtschaftlihe Grund- stücke) stellt der :

Abg. von Gerla ch (fr. Vgg.) fest, daß der in zweiter Lesung von dem Abg. von Oerten angekündigte Antrag zu Gunsten des ge- werblichen Mittelstandes ausgeblieben ist.

Abg. von ODeryen (Np.): Es wäre sehr wünschenswert, wenn man dieselbe Bestimmung, die für den ländlihen Grundbesitz ein- geführt werden foll, auch für gewerblihe Grundstücke eingeführt hätte ; aber die Schwierigkeit lag daran, daß man den Charakter der \tädti- {hen Grundstücke hinsichtlich des Unterschiedes ihrer Verwendung für gewerblihe Zwecke und ihres Ankaufes zu Zwecken der Grundstück8- \pekulation nicht festzustellen vermag. Der Abg. von Gerlach hätte ja selbst einen dahin zielenden Antrag einbringen können.

Abg. von Gerlach: Dem Wunsche des Vorredners war ja in der zweiten Lesung durch den Antrag Müller-Meiningen ent- \prochen. Hätte der Abg. von Oergzen ernsthaft dem gewerblichen Mittels stande helfen wollen, so wäre thm das niht {wer gefallen ; es scheint aber, daß die Steuermehrheit inzwishen ihr Veto ein- gelegt hat. : /

Abg. Wiemer (fr. Volkeþ.): Auh mit landwirtschaftlihen Grundsäßen wird zuweilen Spekulation getrieben. Deshalb war im & 17 das Wort „dauernd* hineingeschrieben worden; dasselbe sah unser Antrag vor. Den Konservativen ift nun eine bessere Fassung zu finden nit gelungen ; es bleibt bei dem platonischen Wohlwollen für den Mittelstand.

Abg. von Oertzen: Die Grenze von 20000 H war viel zu niedrig, und bei ftädtishen Grundstücken läßt sich nur sehr schwer feststellen, ob sie dauernd gewerblihen Zwecken dienen sollen.

8 17 wird unverändert angenommen, ebenso die übrigen

8 18 bis 66 nah den Beschlüssen zweiter Lesung. Die etitionen werden für erledigt erklärt.

Den Beschluß der Spegigtherating macht das sogenannte Mantelgeseß, der Geseßentwurf, ereien die Ordnung des Reichshaushalts und die Lhgong der Reichsschuld.

Abg. Graf von Kaniß (dkons.): Am Ende dieser mühsamen Arbeit, mit der wir die sogenannte Finanzreform beendigt haben, set ein Blick auf das finanzielle Ergebnis gestattet. s wird sh auf ungefähr 170 Mill. Mark belaufen; oder mit Hinzurechnung der 12 Millionen aus einer Erhöhung der Post- und Telegraphengebühren auf 182 Millionen. Rechne ih dazu noch die hoffentlih in nächster Session kommende Mühlenumsaßsteuer, so wird das Loch in unsecem Budget zwar etwas verringert, aber das Gleichgewicht zwischen Ein= nahmen und Ausgaben noch nicht hergestellt. Ih glaube, daß wir noch lange nicht am Ende der finanziellen Not stehen Da bedauere ich, daß die Ersaysteuern, die wir vorgeshlagen baben, und die recht eigentlih das D: fizit decken konnten, von der Kom- mission niht angenommen worden sind. In erster Linie die Ausfuhrzölle. Vom Reichsamt des Innern wurden hiergegen {were Bedenken erhoben, weil fi: im Auslande ungünstig aufgenommen werden und un- liebsame Gegenmaßregeln hervorrufen könnten. Das arakterisiert unsere Stellung dem Auslande gegenüber, wie sie am deutlichsten in den Verhandlungen mit Amerika zum Ausdruck kam. So kamen unsere Vorschläge leider zu Fall. Ich hoffe, daß in der nächsten Session

das Versäumte nachgeholt werden kann. Die Beratung über die Umsaßsteuer für Mühlen mußte vorgestern bet der Geschäftslage abgeseßt werden, ih hoffe troßdem, daß die Regierung der NResolution Folge leisten und uns ein Gesey darüber in der nädtsten Session vol gen wird. Die Ausfuhrzöle, die Mühlenumsaßst.uern und die

Mehreinnahme aus Post- und Telegraphengebühren wird das Gleichs gewicht in Einnahmen und Ausgaben annähernd herstellen. An Ein- elen fehlt es uns nit, es fehlt nur, daß sie erscklossen werden.

Abg. Patzig (nl.): Bei der Festseßung der Uebergang8abgabe für Bier wird man sich nicht bloß nah der Menge des Bieres, sondern auch nach der Qualität rihten müssen. Aber bis das Ges beimnis gelöst ist, in jedem Quantum Bier das darin enthaltene Quantum Malz festzustellen, wird man den höchsten Saß der Steuer der Bemessung der Uebergangëabgabe zu Grunde legen müfsen. Bei der Ueberganasabgabe müssen die Großbrauereien gegen den Uebergang des fremden Bieres ebenso geschüßt werden, wie die kleinen. Auch in Nord- deutshland gibt es viele Betriebe, die gutes, s{wercs Bier mit 30 pCt. Malz herstellen. Wir müssen diese Betriebe, sowohl die roßen wie die mittleren und kleinen, von der Saar bis in das sächsische Oberland, die den Konkurrenzkampf gegen die anderen Brau- steuergebiete zu führen haben, erhalten. Ic bitte deshalb, das Rialjo ne Bier -bei der Bemessung der Uebergangsabgabe zu Gruade zu egen. i

Die 88 1 und 2 werden angenommen.

Bei S 3, der die Bestimmung über die ungedeckten Matri- fularbeiträge enthält, bedauert der

Abg. Brunstermann (Np.), daß sih die Festlegung der Matrikularbeiträge nit habe ermöglichen lassen, und verweist auf die finanzielle Lage von Lippe, die eine solhe feste Begrenzung der Matrikularbeiträge dringend erfordere. Es sei wenigstens zu hoffen, daß wir in nicht zu ferner Zeit doch dazu kommen werden.

3 wird angenommen, ebenso 88 4 bis 7. a 8 wird in folgender neuen, von den Abgg. Büsing und Genossen beantragten Fassung angenommen: „Dieses Geseß tritt hinsichtlih der Besteuerung der Personenfahrkarten mit E August 1906, im übrigen mit dem 1. Juli 1906 in raft.“ Die Gesamtabstimmung über das Reichsfinanz- reformgeseß ist auf Antrag Bassermann eine namentliche. Sie ergibt die Annahme mit 149 gegen 95 Stimmen, 5 Mit- glieder enthalten sich der Abstimmung.

Es folgt die dritte Beratung der Novelle zum Flotten- ges ev vom 14. Zuni 1900. Die Vorlage sieht die Vermehrung des Schiffsbestandes um 6 große Kreuzer vor.

Ohne Debatte wird die Novelle definitiv mit großer Mehr- heit O t. ;

amit fst die Tagesordnung erledigt.

Schluß elt Uhr. Nächste Sißung Montag 1 Uhr. (Erste und zweite Lejung des O Handelsvertrages; zweite

Lesung der Militärpensionsgeseße