Herren, Sie widersprechen. Jch bin in der Lage, mich auf das Zeugnis des Fürsten Bismarck zu berufen, und zwar in einer fehr inter- esanten Erklärung, in der die beiden Seiten der Angelegenheit, die uns bier beshäftigt, zusammengefaßt sind. Ih möchte mir erlauben, die Worte vorzutragen. Fürst Bismark sagte am 15. Januar 1872 bier im pvreußishen Abgeordnetenhause: „Jch bin weit entfernt, der Theorie anzubängen, die jede EntwiXklung des Bundesrats und unseres Reichsre{18 untergraben würde, taß in irgendeinem Falle die Abs stimmung eines Mitgliedes des Bundeërats, um juristische Gültigkeit für die Reichsgesczgebung zu haben, der Zustimmung eines Partikular- landtags bedürfen könnte.“ (Zurufe rehts.) — Ja, meine Herren, das ift ja ctwas anderes als das, was Sie sagen; aber ih polemisiere gegenwärtig gegen die Auffassung des Professors Laband, die der Abz. von Hepdebrand zu der seinigen mate. Herr von Heydebrand hat die Ausführungen des Professors Laband vorgelesen, wona dieser Staatsre{tslebrer in der Reichéverfassung kein Hindernis sieht, daß die Instruktion der Bundesratsbevollmäthtigten abhängig gemacht werden #önnte von einer Mitwirkung des Landtags. Ih habe Ihnen hier als Gegenzeugnis eine Aeußerung des Fürsten Bismarck vorgetragen, und au i {ließe mih ihr nah der Auffassung, die ich von der Neichèverfafsung babe, an.
Sie werden mir naher den Vonwurf machen, ih hätte mich formalistis@ an den Wortlaut des Antrages angeklammert (sehr rihtig! rets); gewiß, das is meine Absicht, weil ih es für meine Pflicht halte. Es ist meine Pflicht, einer staatsrechtlich so wihtigen Frage auf den Grund zu geben. Den Einigungëpunkten, die ich mit Ihnen, Herr von Hevdebrand, habe, wetde ih naher {on Ausdruck geben. Aber i kann hieraus nur den Schluß ziehen, daß der Antrag, fo wie er gefaßt if, einmal îin bezug auf die grundsäßlihe Vermeidung von Verfassung8änderungen, zweitens in bezug darauf, daß solche Ver- fassung8änderungen nur im Einvernehmen mit den Einzellandtagen vorgenommen werden können, für dic Königliie Staatsregierung un- annehmbar ist.
JIH komme nun zu dem dritten Punkt. Auch da muß ih mi an den Wortlaut kalten — um die Bedeutung klar zu stellen, meine Herren. Sie fordern die Königliche Staatsregierung auf, im Bundesrate dahin zu wirken, daß Eingriffe in die Verfassung der Einzelstaaten unterbleiben und, wenn sie vorgenommen werden, nur im Einvernehmen mit den Einzellandtagen vorgenommen werden. Also die Königlih preußishe Staatsregierung soll im Bundesrate wirken nit nur bezüglih der preußischen Verfassungs- nteressen, sondern sie soll auch darauf hinwirken, daß die gleichen Grundsäße befolgt werden gegenüber Bayern, gegenüber Sachsen usw. Meine Herren, Sie weisen damit der Königlichen Staatsregierung eine Aufgabe zu, die über ihre Kom- petenz hinausgeht. Daß Sie es in dem Sinne nit wollen, if mir ganz klar. Aber wenn ein solher Antrag vorliegt, so muß ih mich an seinen Wortlaut halten. Das kann nichts helfen.
Nun hat zum Schluß der Herr Abg. von Heydebrand gesagt, man fönne wohl die Frage aufwerfen, wenn man den Antrag in dem Sinne nehme, wie er von ihm dargelegt worden ist, inwieweit ein solcher Antrag überhaupt not- wendig wäre. Diese Frage möchte ih allerdings auch wwieder- bolen. Wenn Sie die Folgerung, die ih aus dem Wortlaut babe ziehen müssen, nicht wollen — und Sie wollen se nit, ih weiß es —, dann dürfen Sie auh niht den Antrag stellen; } dann müssen Sie ihn meiner Meinung nach so fassen, daß er den Sinn dessen, was Ste tatsählich wollen, auch richtig wiedergibt. Dann würde die ganze Diskussion über den Antrag eine sehr viel ver- einfahtere scin, und Sie würden mich — wirkli} nicht zu meinem Vergnügen — nicht gezwungen haben, gewissermaßen gegen
Windmühlen zu fechten. Tatsächlih haben Sie {hon das, was Sie wollen. Fürst verschiedensten pFassungen
Bismarck hat wiederholt in den erklärt, daß an der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit, welche in den einzelnen Bundesstaaten besteht, durch den Erlaß der Neichöverfassung nichts geändert ist, und daß jede Einzelregierung ihrem Landtage verantwortlih sei für die Vota, die sie im Bundesrat abgebe. Meine Herren, die Königliche Staatsregierung is jederzeit bereit, Ihnen über die Grundlagen ihrer Halkung zur Reichspolitik Rede und Antwoit zu stehen. Ja, sie ist au weiter bereit — und sie tut es au —, diejenige Fühlung mit JIhnen, mit dem Landtage, zu nehmen, welhe Sie wünschen, und welche Sie für} erforderli balten. Darin bin ih vollkommen mit dem Begründer des Antraçes einverstanden, und ih habe nur betonen müssen, daß die Ulme wandlung dieser Verantwortlichkeit in die Form, wie sie der Wo:tlaut des Antrages will, mir niht akzeptabel ers{eint. JI@ darf den Worten des Fürsten Bismarck, die ih vorhin zitiert Habe, und in denen er es ablehnt, daß die Instruktion der Bundesratsbevollmächligten jemals in irgendeinem Fall an die Zustimmung der Einzellandtage geknüpft werden könnte, noh das binzuscen, was vnmittelbar darauf folgt. Die Verbindung, in der Fürst Bismark die beiden Grundsäye einander gegenübergestellt hat, ist schr interessant. Er fährt also fort: „Aber das ist außer Zweifel, daß jede Regierung sehr wobl daran tut, sch in der Lage zu balten, daß sie ibrer eigenen Landesvertretung mit Erfolg Rechenschaft abs geben kann über die Politik, die sie am Reiche befolgt.“ Au Finfst Vismarck bat also diesen Unterschied in einem Saß gemaht. Er kat gesagt : die Mitwirkung ter Landtage ift unmögli, aber die einzels staatlichen Regierungen haben \sich so zu halten, daß kfie vor ihren Landtagen bestehen können. (Witerspruch rechts und Zuruf rets: Das ist selbsiverständlih !)) Ja, meine Herren, es ist felbstverständ- lih. Wenn Sie nur das Selbstverständlihe wollen, warum stellen Sie denn cinen Antrag, der das ausdrückt, was Sie nicht wollen? Das is die Frage, die ih an Ste rihte. Sie wollen das hat der Herr Abg. von Heydebrand gesagt, dur Jhren Antrag der Staatsregierung das Gewissen \{ärfen — so darf ih 8 auffassen (fehr rihtig! rechts) —, daß sie diese Fühluno, die fie nah den Worten, die ih mitgeteilt habe, mit tem Landtage nehmen foll, în \{ärferer Weise nimmt, als sie es bither tut. (Sehr richtig! recht8.) Das if der Sinn dessen, was Sie wollen. Ja, meine Herren, es werden zwischen den einzelnen Lanttagen und den Einzelregierungen immer vershicdenartige Auf- fassungen darüber bestehen, was dem Reiche und den Einzelstaaten frommt. Diese verschiedenartigen Auffaffungen baben bereits in ter Vergangenheit beftanden. Die Verhandlungen des Jahres 1869, also zu einer Zeit, wo der damalige Eraf Bismark Reichskanzler war,
drüben im Herrenhause find ein Zeithen für die verschiedenartigen *
Auffassungen in der Vergangenheit. Sn der Zukunft wird das auch nicht auébleiben. Aber ih glaube, es ist eine Verkennung, wenn Sie annebmen, daß eine einzelstaatlihe Regierung \ih jemals in ihrer Haltung im Bundesrat vollkommen loslôsen könnte, auch wenn sie es wollte — aber sie will es nicht —, von den Kräften, die im Staats- leben wirksam sind. Jch bitte um die Erlaubnis, auch in dieser Be- ziehung einige Worte des Fürsten Bismarck mitzuteilen, weil fie so charakteristish und arf gefaßt sind, daß der Gedanke in keiner anderen Form wiedergegeben werden kann. Am 19. April 1871 hat der Fürst im Deutschen Reichstage folgendes gesagt — er {ließt an einen Verglei der früheren bundestäglichen Einrichtung mit den Einrichtungen des Reis an —: „So leiht wiegen die Stimmen im Bundesrat nicht ; da stimmt nicht der Freiherrr von Friesen, sondern das Königreih Sachsen stimmt durch ihn; nah seiner Jusstruktion gibt er ein Votum ab, was sorgfältig destilliert ist aus all den Kräften, die zum öffentlichen Leben in Sachsen mitwirken; in dem Votum is die Diagonale aller der Kräfte enthalten, die in Sachsen tätig sind, um das Staatéwesen zu bilden; es ist das Votum der sächsishen Krone, modifiziert dur die Einflüsse der sächsischen Landes- vertretung, vor welcher das säcsishe Ministerium für die Vota, welche es im Bundesrat abgeben läßt, verantwortlih ist." (Zurufe rets.) — Ja, ih glaube, damit is do der Auffassung des Fürsten Bismarck ein klarer Ausdruck gegeben, daß — er hat doch nicht speziell auf sächsische Verhältnisse exemplifizieren wollen, sondern das allgemein ge- faßt — die Haltung der einzelstaatlichen Regierungen im Bundesrat sich bestimmt nach der Gesamtkeit der Kräfte, welche im Einzelstaate wirksam sind. So foll es sein, und so muß es sein, und ich bitte Sie, überzeugt zu sein, daß die Königliche Staatsregierung von diesen Grundsäßen, wie sie uns Fürst Bismark vorgezeihnet hat, entshlossen ist auszugehen und weiter dana zu verfahren.
Wir fühlen, wenn ih das wiederholen darf, unsere Verantwortung namentli dann, wenn es sih darum handelt, in unsere preußische Verfassung einzugreifen, außerordentlich \{arf, aber die preußischen Staatsminister können ih in dieser Gesamthaltung niht von ihren Beziehungen und Verbindungen zum Reiche loslösen. (Zurufe rechts.) Sie können nichts anderes tun — au das sind Worte des Fürsten Bismarck —, als nicht bloß kurbrandenburgishe oder Königlich preußische, sondern auch Kaiserli deutshe Reichépolitik zu treiben. (Sehr richtig !) Und dabei foll es nach dem Willen der Königlichen Staatsregierung au fernerhin bleiben. (Bravo !)
Abg. Dr. Rewoldt (frkons.): Der Herr Minister meinte, dieser Antrag hâtte den Sinn gehabt, der Regierung das Gewissen zu shärfen. Im übrigen hat der Herr Minister die Tendenzen der Antragsteller nicht (0 erkannt, wie diese sie beabsihtigten. Im An- trag ist lediglih die dem Landtag zustehende NEISa enthalten, daß der konservative Charakter, der die Grenzen der Rechte des Reiches und der Einzelstaaten bestimmt, erhalten bleibt. Die Interessen Preußens follen gewahrt werden, die aber im Deutschen Reiche weiter gehen als die Grenzen Preußens. Der Minister kat den Sinn des Antrages darin verkannt, daß etwa im Bundesrat Einwirkungen dur B er- folgen sollen. Die vom Minister zitierten Aeußerungen iEmardcks treffen die Sache gar nicht, wohl aber hat Bismarck wiederholt betont, daß die Einzellandtage darüber zu wachen haben, daß keine Bestrebungen im Reilbstage zur Geltung kommen dürfen, die in die Redte der Einzelstaaten eingreifen wollen. Der Minister hat selbst hervorgehoben, daß die Frage eine sehr ernste ist und hier besprochen werden muß. Wir können den Reichstag nicht zwingen, zu entscheiden, was zu seiner Kompetenz gehört oder nit, aber wir können ent- \{hciden, ob ein Besluß des Reichôtags în die Ee der Einzelstaaten eingreift. Reichörecht geht allerdings vor Landes- recht, aber nur innerhalb des Rahmens der Reichsverfassung. Verfassungsgeseze haben besonderen Charakter. Art. 1 der Reichs- verfassung sagt, daß das L aus den Bundesstaaten besteht. Der Minister hat anerkanat, daß Zweifel über die Grenzen der Reichs-
kfompetenz berechtigt snd. Man kann doch niht von Reichs n
Verfassung der Bundesstaaten hinwegseßen! Preußen vermöge seiner Verfassung. Wohin die nit zentcalistishen Bestrebungen im Reichstage führen, ist rit so {wer zu verkennen, dabin, von Reichs wegen das Wablrecht der Einzelstaaten zu ändern, an Stelle des indirekten das direkte Wahlrecht zu seßen. Wir haben es also tatsächli.h mit ciner äußerst ernsten Frage zu tun. Es ist der erste Sqhritt einer einseitigen DurhbreWung der Verfassung der Einzel- staaten. Man will die Bundesstaaten weich maden, die Gesetzgebung in dea Einzellandtagen bestimmen, zuleßt auch den König aushalten. Wenn aber Reichsreht vor Landeêërecht gebt, so hat doch die Reihs- gesezgebung Halt zu machen vor der Verfassung der Bundesstaaten, weil cin Bundesstaat nicht ohne selbständige Verfaffung bestehen kann. Es bandelt si nicht darum, daß wir uns mit den Bundesrats- mitgliedern ins Einvernehmen seßen; wir haben damit nihts zu tun, wir müssen im Bundetrat abstimmen, aber wir haben es mit der preußishen Regierung zu tun. In die Prärogative der Krone greift der Antrag nicht ein; nur soll die Regierung, wenn sie meint, daß ein Eingriff in die preußishe Verfafsun , vorliegt, fh ins Ein- vernehmen mit dem Landtag fetzen. Drtîe Regierung hat nicht cinseitig über die Verfassung zu entscheiden. Das ‘ist der Sinn des leyten Teiles des Antrages. Und wenn dann die Reihs- gesegebung einen Eingriff in die preußishe Verfassung mat, dann würde zunähft von der preußtshen Regierung eine Aenderung der preußischen Verfassung vorzuschlagen sein. Lehnt dann der preußische Landtag die Verfassungsänderun ab, so muß die Regierung daraus ihrerseits die Konsequenzen ziehen. Jedenfalls darf die Regierung nicht eirseitig einea Cingriff in dîe Verfassung zulassen, ohne daß die Volksvertretung gefragt wird. Diese Auffassung ift allerdings in dem Antrage nicht enthalten, der Antrag spriht nur den Wuns aus, daß die Regierung Eingriffe in die preußis{he Verfassung vermeiden oder, wenn es geschieht, ith mit dem Land- tag ins Vinvernehmen seßen mötte. L Ly
Abg. Herold (Zentr.): Die Ausführungen der Vorredner, besonders des Herrn von Heydebrand und der Lasa, haben uns vmpatbish berührt, denn meine Freunde haben stets den bundes8- A Charakter des Reiches hoh gehalten. Deshalb freuen wir uns, daß au von seiner Partei so großer Wert darauf gelegt wird, und Sie werden immer unsere Unterstüßung darin finden. Aber irgend eine Veranlofsung, jeßt diesen Antrag zu stellen, liegt in keiner Weise vor. s ift kein Eingriff in die verfassung8mäßigen Rechte cines Einzelstaates gesehen. Die Veranlaffung bot das Diätengeseßp im Reichstag. Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, daß in diesem Geseß ein Eingriff in die einzel- staatliden Verfassungen niht zu erbliden ift. Denn niemand wird do& wollen, daß die Diäten, nachdem sie im Reichstag cinmal bewilligt find, doppelt gezahlt werden. Wenn nun, um die Doppel- zablung zu vermeiden, cin Abzug an etner Stelle gemacht wird, fo ist das eine rein praktische Frage. An diese kleine Geldfrage sollte man pem Erörterungen niht knüpfen. Der ryan p ger un wird in
ih über die besteht nur abzuleugnenden
, ränkt. Wir können deshalb die Veranlaffung zu dem Antra t anerkennen. I meine vielmehr, daß die Ein- griffe in die Nehte der Einzelstaaten vielmehr ausgehen vom Reih8- tage selbst, von der linken Seite desselben, als von den verbündeten Regierungen. Wir haben uns immer dagegen zu wehren gehabt. Aber jüngst ist auch von der reten Seite ein Eingriff in die cinzelstaatlichen Rehte gemaht worden, indem der Abg. von Olden- burg wünjchte, daß das Reih cine Aenderung der Ver- faffung der Einzelstaaten verhindern solle. Wenn in dieser
Weise von rechts und links eine Erweiterung der RNeichskompetenz gewinsdt wird, könnte vielleicht ein folcher Antrag Eis sein. Ich hâtte es aber für rihtiger gehalten, wenn ein solche überhaupt nit gestellt würte. Da er vorliegt, müssen wir auch Stellung dazu nehmen. Wenn er den föderalistischen Charakter des Reiches betont, is er uns an sich sympathisch. Es ist das Richtige, wenn wir diesen Antrag an eine Kommission verweisen, um ihm eine I e Form zu geben. Ih beantraze, den Antrag an eine Kommission von 21 Mitgliedern zur Vorberatung zu verweisen.
Abg. Traeger (fr. Volksp.): Wir hätten eine Kommissions- beratung niht für nöôtig gehalten. Der Antrag bat die Bedeutung einer überflüssigen Demonstration. Der Antrag hat aber au Un- tiefen, und der Abg. Rewoldt hat sich das Verdienst erworben, diese Uns tiefen klar zu erhellen. Ih habe im Reichstage Bedenken geäußert, daß ein solcher Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten in technishem Sinne gemacht wird, und habe diese Bedenken bis zuletzt festgehalten. Wir in Preußen können unsere Regierung nur auffordern, die preußishen Rechte wahrzunehmen. Aber es handelt ih hier um eine Rehts- und Kompitenzfrage. Es ift eine umstrittene Frage, ob, wenn auf Grund des Artikels 78 der Reichs verfassung diese geändert wird, damit implicite eine R änderung eines Einzzlstaates vorgenommen wird. Herr von Heyde- brand sagt, auch beim leisesten Zweifel müßte die Form der Ver- fassungs8änderung gewählt werden, aber er hat vergefsen, wie 1s beim Anstiedlungsgeseß gewesen ist. Wenn das Reich innerhalb seiner Kom- petenz eine Gejeßesänderung vornimmt, so greift es selbstverständlich damit in die cinzelstaatlihen Rechte ein. Allerdings soll niht ohne Not in die Verfassung der Einzelstaaten eingegriffen werden, und wenn es geschieht, muß es s{honend geschehen. enn man den Aus- führungen des Abg. Rewoldt folgte, würde der ganze Bestand des Reiches untergraben. Nun foll Preußen Obstruktion treiben, Preußen 4 niht mittun, solange nicht die Frage in Preußen selbst entschieden st. Das hieße einen sehr gefährlichßen Weg betreten. pRUyoA daf seine Uebermaht im Bundesrat nicht in drüdender eise geltend E, Wir \ind bereit, in der Kommission an dem Antrage mit- zuarbeiten, sollte aber eine Kommissionsberatung nicht beschlossen werden, so müßten wir den Antrag ablehnen.
Abg. Dr. Friedberg (nl): Jh kann dem niht bei stimmen, daß die Frage an und für \fich keine allzu große Be- deutung hat. Der Abg. Herold hat fsih nah der, Richtang seine Uufgabe etwas leiht gemaht, wenn er ledigli - von der Zweckmäßigkeitsfrage spricht, ob der Abgeordnete die Diäten im Reichstage oder im Landtage bekommt. Eine technische Frage ist die Frage allerdinas auch; aber es liegt doch eine formelle Ver- änderung unserer Verfassung vor, und da muß gefragt werden, ob es an si berehtigt war, und, wenn es berehtigt war, ob es in der rüdckji{htsvollen Form geschehen ist, die man der preußishen Volksvertretung gegenüber \{uldig ist. Wir stehen dem Antrag insoweit ivmwathiià gegenüber, als er wünscht, daß in unseren staatsrehtlihen Fragen möglihste Vorfiht walte; aber in formeller Beztehung muß ih doH manchen Ausführungen des Ministers beitreten. Die absolute Aufforderung, die der Antrag entkält, läßt #ich, wie der Minister zutreffend ausführte, in dieser Form gar nit stellen. In den modernen Verfassungen finden Sie immer zwei Punkte : einmal Bestimmungen über die Staatsgewalt und dann fol{e, welche B einigermaßen eins{hränken und ihr Grenzen ziehen, nämli die subjektiven Rechte der Untertanen. Speziell in der preußishen Verfassung haben wir einen Abschnitt über die Rechte der Preußen. Wenn wir nun im Reih Geseße machen, z. B. Justiz gesetze, so greift das in die Rechte der Preußen ein, das ist gar nicht zu vermeiden, und wenn Sie es verhindern wollten, würden Sie dem Reich eine unl ösbare Aufgabe stellen. Anders ist es mit den Rechten der Staatsgewalt, und damit haben wir es zu tun. Ein Organ der Staatsgewalt ist die Volksvertretung. In dieser Richtung muß man dem Antrag den Vorwurf maten, daß er niht genügend unterschieden bat und zu allgemein gehalten ist. Was das Einvernehmen mit dem Landtag betrifft, so kann ih dem Minister nicht beitreten, sondern glaube, des er etwas über das Ziel hinau8geschossen hat. Ob aber gerade in Preußen nach der ganzen Konstruktion staatére{htlih so verfahren werden könnte, ift cine besondere Frage. Der Minister meinte, durch die vorgängige Verftändigung mit den Einzel- staaten würde der Bundesrat von der F der Landes- regierungen abhängig gemacht werden. Gegen diese * uffafsuna muß ih mi wenden. Sd weiß nit, wie der Minister zu der Ueber- zeugung kommt, daß dadur ein Reich8organ seiner Kompetenz beraubt würde. Der Bundesrat is ein Organ der Reichsgeseßgebur g und Reichsverwaltunga, - das ist nit zu bestreiten ; aber daß wir ihn von außerbalb stehenden Instanzen abhängig matten, ift eine Verkennung der staatérehtlihen Konstruktion, denn der Bundesrat if erstens Organ der MeURLartedgeang und Reich8verwaltung und zweitens das Organ, in dem die Rechte der Einzelstaaten gegenüber dem Reiche um Ausdruck kommen. Der Minifter hat selbst den Ausspruch des Fürsten Bismarck zitiert, wona die Abftimmungen die Diagonale aller Kräfte der Einzelstaaten darstellten. Ob ein Einvernehmen vorher oder nahher dur eine Abstimmung in den Landtagen statt- findet, ist Sahe der einzelnen Landeêregierungen felbst. s ist nah Laband niht ausges{lossen, daß \{on vorher die Landes8regierung sh mit der Landesvertretung ins Einvernehmen set; aber aus anderen Gründen möhte ih dem zweiten Saß des Antrages nicht zustimmen, und das if die praktische Unmöaglithkeit. Es würde unmögli sein, immer den ganzen Apparat der einzelstaatlihen Zustimmung in Bewegung zu fehen. Darin fann ih dem Minister zustimmen, wenn er fi dagegen verwahrt, daß man der Regierung zumute, auch gegenüber anderen Bundes- staaten so zu verfahren. Ih weiß niht cinmal, ob der Bundesrat das kompetente Organ dafür wäre. Au hier sollte man jedenfalls der Regierung nicht eine Aufgabe zumuten, die zwar niht ihre Kom-
etenz überschreitet, aber von ihrem eigenen Ermessen abhängen muß. I mödhte glauben, daß der Antrag in eine Form gegossen ift, der wir nit zustimmen können. Deshalb find auch meine Freunde gencigt, dem Antrage Herold beizutreten und den Antrag în ciner Kommission von 21 Mitgliedern zu beraten. Der Antrag hat aber au eine politische Seite. Der Minister hat voll und ganz auf den Boden derjenigen Erklärung fih gestellt, die seinerzeit Fürst Bismarck gegeben hat, daß in den Abstimmungen im Bundeb- rat die Biaggnale aller einzelftaatlichen Kräfte zum Ausdruck Fomme. Der Minister sagt au, daß die Regierung immer fo ge- handelt habe; das ift aber nit immer der Fall gewe]en, vor allen Dingen auch niht in der Frage der Diäten. Da hat man es ver- miéden, mit uns ins Einvernehmen zu treten. Deshalb ift au der Antrag berehtigt und ein Kompelle für die Regierung. Aber der An- trag greift au über diese Frage hinaus. Er wendet h gegen ge- wise zentralistische Bestrebungen, die fich bemerkbar machen und von seiten des Bundesrats niht die nötige Abwehr gefunden haben. Im Reichstage mat fich die Tendenz geltend, alle die Materien an fh zu ziehen, in denen man einen günstigeren Boden im Reichêtage unter ¿ch fühlt. Diese Tendenz hat größeren arg n u mehr und mehr im trum angenommen. Das Zentrum hat früher einmal durhaus auf féderalistishem Standpunkt gestanden ; aber heute ift es anders ge- worden, wie zum Beispiel seine Stell zum Bergreht beweist. Herr von Heydebrand deutete den Antrag jo, daß solchen Tendenzen entgegengetreten werden mvß, und daz ift uns \ympathis. Ih hot, daß in der Kommission eine brauchbare Form für den Antrag gt- funden werden wird. Jedenfalls halte ich den Antrag an fit für geretfertigt, wenn au scine Form noch Bedenken hat.
r Antrag
(S&luß in der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.
E aa
(Sé&luß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Malkew it (kons.): Ich babe den Eindruck, als könnten meine politishen Freunde mit der Aufnahme, die der Antrag im Hause gefunden hat, zufrieden sein. Wenn von verschiedenen Seiten Kritik geübt ist, so bandelte es sih mehr um die Form als um den Sinn des Antrages. Selbst vom Zentrum, das den Antrag am weitesten von si wies, ist Kommissionsberatung empfohlen worden. Jch darf daraus sch{ließen, daß auch das Zen unserer Anregung eintreten will. Was die Aeußerungen des Abg. von Oldenburg im Reichstage betrifft, fo kann ih namens der konservativen Reichstagsfraktion aus\prechen : wir haben den Grundfaßz, daß die Aeuße- rungen eines einzelnen Mitgliedes über verfafsungsrehtliche oder sonstige E für die Fraktion im ganzen niht als verbindlich gelten können.
der Diätenfrage z. B. hat fih die konservative Reichstagsfraktion genau der Tendenz des von uns vorgelegten Antrages entsprehend verhalten. Damit dürften die Aeußerungen, die gegen den Abg. von Oldenburg gerichtet waren, binfällig sein. Ich folge nicht einem Drange meines Herzens, sondern spreche im Namen aller meiner perttten Freunde, wenn ih sage, daß unsere persönlihe Wertshäßung des Abg. von Oldenburg in keiner Weise beeinflußt ist. Eine Kommisfionsberatung würden wir, so sehr fie von verschiedenen Seiten gewünsht wird, niht für notwendig erachten, vielmehr dankbar sein, wenn Sie heute cine entschiedene Stellung einnäbhmen, {hon weil der Landtag vielleicht geshlofsen würde, ehe ein Bes{luß zustande gekommen wäre.
Abg. Dr. Wagner (freikon}.): Nah den Ausführungen des Abg. Rewoldt wird es klar geworden fein, daß au eine erfafsung8- änderung in Preußen notwendig ist, die parallel mit derjenigen im Reiche bätte gehen können. Da das Gescß, nah welhem wir unsere Diäten empfangen, seit 30 Jahren besteht, und die Verbältnifse eine wesentlihe Aenderung erfabren haben, so bin ich der Meinung, daß SiA binsihtlich unserer Diäten eine zeitgemäße Neuregelung am
aße wäre.
Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (S@(lußwort): Ich bitte Sie, nicht erst eine Kommissionsberatung stattfinden zu laffen, jondeen den Antrag gleih beute anzunehmen. Nicht die Tendenz des
trages ist bemängelt worden, sondern es sind nur Einzelausstellungen emaht worden. Wenn der § 5 des MEIGEULLREIenes einen
ß der preußishen Verfassung ändert, ohne daß ein zwingender Grund vorhanden gewesen is, und wenn man dabei rüdcksichtslos verfährt, so wird man ih do gen müssen, daß darin eine Mißachtung der Verfassung auf seiten der Regierung liegt. Der Bundesrat bat vor den Verfassungen der Einzelstaaten Halt zu machen. Mun nicht verbeblen, daß die preußische Regierung nit das Maß von Takt an den Tag gelegt hat, das wir von ihr erwarten mußten. Wir haben den Antrag eingebracht, um der ere Regierung das Gewissen zu s{ärfen, damit
fe r die Folge besser aufpaßt. Der zweite Teil unseres ntrages läuft niht darauf hinaus, daß die preußishen Mitglieder des Bundesrats ihre Stimme nur abgeben sollen na Einvernehmen mit der Landesvertretung. Er verlangt nur, daß, wenn die Neichs- gesezgebung wichtige einzelstaatlihe Rechte, besonders das Grundgeseßz, berührt, die Regierung ibrer Verantwortung gegenüber der Landes- E gerecht wird, daß sie nahträglih diese verständigt. Der § 5 des Reichsdiätengesetzes ist der erste Schritt, um auf eine \hiefe Ebene zu gelangen. Darunter leidet auch das Zentrum, da dasselbe seine frühere Haltung vollständig geändert hat. Wir müssen dem Bundesrat eine starke Stütze gewähren gegenüber den zentralistischen Tendenzen ; wir müssen der preußishen Regierung den Rücken stärken, daß fie mit aller Energie gegen alle Eingriffe Widerstand leistet, damit die festen Fundamente des Staats nicht ershüttert werden. Damit schließt die Debaite.
Minister des Jnnern Dr. von Bethmann - Hollweg:
Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Freiherrn von Zedliß zwingen mich zu meinem Bedauern, nahdem die Be- spre&ung eigentlih {on geshlofsen war, noch um das Wort zu bitten.
Der Herr Abg. Freiherr von Zedliß hat im Eingang seiner Be- merkungen gesagt, die Königliche Staatsregierung habe der preußischen Verfaffung nit die genügende Achtung erwiesen. Das ist ein Vor- wurf von so s{werem Inhalt und von so s{werer Form, daß ih dagegen Verwahrung einlegen muß. Er ist mit nichts begründet worden. Ich erinnere daran, meine Herren, daß selbft der Herr Abg. von Hevdebrand bei seinen Eingangsworten gesagt hat, es sei überaus zweifelhaft, man könne darüber diskutieren, ob das Diätengeseß einen Eingriff in die preußishe Verfassung dar- ftele; er wolle sich aber . auf die Frage niht näber ein- laffen. Abg. Freiherrn von Zedliß zu diesem scharfen Vorwurf gegen die Staatsregierung Veranlaffung gibt, den er nit begründet hat, und den ih zurückweisen muß. Da ih das Wort habe, darf ih noch auf einige Ausführungen des Herrn Abg. Rewoldt zurückommen. Herr Rewoldt hat gesagt, das Reih habe Halt zu maten in seiner Gesehß- gebung vor der Verfassung der Einzelstaaten. Ih halte mih für verpflichtet, dieser Behauptung vom staatsrehtlihen Gesihtepunkt aus zu widersprecken. (Abg. Gyßling: Sehr rihtig!) Schon Herr Traeger bat auSgeführt, da5 dann das Reich aufgelöst sein würde. Der föôde- rative Charakter unserer Reihsverfafsung, den ih persönlih wünsche, und den i für notwendig halte, hat seine Faffung gefunden in der Verfafsungsurkunde des Deutshen Reichs, und innerhalb der Kom- petenz, welhe die Verfafsungsurkunde des Deutschen Reis dem Reiche für die Gescgebung zuweift, ist das Reih berechtigt, die Gesetzgebung auszuüben, auch wenn fie in die Verfassung der Einzelstaaten eingreifen sollte. Ich halte es für notwendig, dies gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Rewoldt ausdrüdlich zu konstatieren.
Herr Abg. Friedberg hat an meinen Ausführungen bemängelt, daß er gesagt hat, er begriffe nit, wie ich es habe bestreiten können, daß es mit der Reichsverfassung vereinbar sei, wenn der Bundesrat in seinen Funktionen an die Zustimmung der Einzellandtage geknüpft würde. Er hat niht das Wort „Zustimmung“ gebrauht, sondern ge- sagt, er fönnte nit begreifen, wie es der Reichsverfassung wider- sprehen sollte, daß der Bundesrat mit den Eirzellandtagen Fühlung nehme. Ih habe nicht behauptet, daß das der Neihsverfafsung wider- sprähe. Was ih behauptet habe, ist das: es widerspriht der Reichs- verfafsung, wenn der Bundesrat in seinen selbständigen Funktionen als gesezgebendes Organ rehtlich gebunden wird an“ die Zustimmung der Einzellandtage, Es widerspriht das der Reichsverfassung ‘um des- willen, weil die Rechte der Volksvertretung nach der Reichsverfafsung von dem Reichstage wahrzunehmen sind und die Rechte der
trum in eine gründlihe Erörterung |
Nur dieses Diätengeseß kann der einzige Grund sein, der dem ;
und freien Städten ruben, vom Bundesrat wahrzunehmen find, und es würde der Konstrultion des Reich3gedankens widersprehen, wenn innerbalb des Bundesrats die Rechte der Volkêvertretung zur Geltung XFämen, wobei es gleichgültig ift, daß die Volkévertretung, die dann im Bundesrat zur Geltung käme, ein anderes Substrat zur Grundlage hat, als die Volksvertretung des Reichstags; prinzipiell ist das gleich. Das ift das, was ih behauptet habe.
Zum Sc{hluß möchte id nochmais hervorheben, daß ich doch wohl nit Unrecht gehabt habe, mich an den Wortlaut des Antrags zu halten. Der Verlauf der Diskussion hat ergeben, was alles unter ibm verstanden werden kann. SInsonderheit die Ausführungen des Herrn Rewoldt haben dies gezeigt.
Wenn Sie den Antrag annehmen wollen, fo wird die Staats- regierung in ihrer Antwort auf den Bes{luß des Hauses sagen müssen, daß fie den Inhalt des Antrages, wie ihn seine Form dar- stellt, nit für akzeptabel erklärt. JInwieweit die Königlihe Staats» regierung mit der Begründung einverstanden ist, die der Herr Abg. von Heydebrand dem Antrag gegeben hat, babe ih mir bereits erlaubt, in meiner ersten Rede auszuführen.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Ich weiß niht, wie der Beschluß des hohen Hauses ausfallen wird, ob eine Kommissionsberatung beshlofsen werden soll oder ob beute eine Abstimmung über den Antrag selbst erfolgen wird, und nur mit Rücksicht darauf erlaube ich mir, den Ausführungen des Herrn Ministers des Innern einige Worte in rechtliher Hinsicht hinzuzufügen.
Ich glaube, die Staatsregierung kann niht anders handeln, als daß fie den Wortlaut des Antrages nimmt, wie er vorliegt, und daß die Stellungnahme dazu ih dana ergeben muß, und nicht nach dem, was beute von den einzelnen Herren Rednern zu seiner Erläuterung ausgeführt worden ist; denn die Meinungen und Ansichten der Herren waren doch immerhin einigermaßen geteilt. Jh glaube haupt\ächlich auf das eingehen zu müssen, was der Herr Abg. Dr. Rewoldt gesagt hat wegen der Zuständigkeit des Reichstags und des Bundesrats hin- sihtlih der Gesetzgebung. :
Ih möchte vorweg bemerken, daß Laband mit der Ansicht, wonah die Einzelstaaten ihre Bundesratsbevollmächtigten unter Hinzuziehung der Einzellandtage instruieren könnten, ziemlich vereinzelt unter den Nechtslehrern dasteht. Uebrigens bemerkt er selbst, dieser Stand- punkt sei nur ein theoretisher; praktisch durchführbar würde er \{werlich sein. Jn der Tat könnte der Fall eintreten, daß, wenn die Gesetzgebung der Einzelstaaten in dieser Weise gestaltet würde, die Stimmen der Bevollmächtigten im Bundesrat nicht zu zählen wären, weil eine genügende Instruktion niht zu beschaffen gewesen wäre. Jch kann auch dem nicht zustimmen, was der Herr Abgeordnete gesagt hat, daß die Reichsgesezgebung vor den Verfassungen der Einzelstaaten Halt machen müßte. Das entspriht nicht der Tradition ; denn wie bereits erwähnt, ist z. B. {hon im Jahre 1869 durch ein damals im Norddeutschen Bunde gegebenes Gesetz die preußische Ver- fa}sung geändert worden. Damals wurde das Bundesoberhandels- geriht errihtet urid dadurch die Bestimmung der preußischen Ver- fassung berührt, daß in Preußen nur ein Geriht8hof sein ‘soll, und daß die Urteile im Namen des Königs ergehen müssen.
Also es is nicht ohne Vorgang, felbst wenn man annehmen wollte, daß in dem Falle, der jeßt zur Sprache gebracht ist, in der Tat eine Aenderung der preußishen Verfassung liegt.
Wenn ich nun den Wortlaut nehme, wie er ist, so möchte ih glauben, daß Bedenken \sih schon aus diesen Erwägungen ergeben müßten, indem eine Einwirkung auf die Verfassung der Einzelstaaten dur die Neichsgeseßgebung niht von vornherein ausgeschlossen ift.
Und noch größere Schwierigkeiten würde, wenn der Antrag, wie
er vorliegt, angenommen wird, sein zweiter Absatz bereiten, denn ih vermag niht einzusehen, in welher Weise das Einvernehmen der Einzellandtage, wie es nach dem Wortlaut gedacht ist, stattfinden könnte. Wie es der Abg. Dr. Rewoldt vorgeshlagen hat, glaube i, würde es nicht möglich sein. Erst eine Verfafsungsänderung im prevßishen Landtage zu beshließen und auf diese Weise einer bevor- stehenden Reich8gesezgebung die Wege zu ebnen, das, glaube ihr würde praktisch ganz unausführbar sein. Ueberhaupt würde die Her- stellung eines Einvernehmens mit dem Landtage vor der Stellung- nahme im Bundesrate häufig gar nicht möglich sein, und ih sehe nicht, welche Form gewählt werden könnte, um diesem ausgesprohenen Gedanken in jedem Falle gerecht zu werden. Daß Anregungen aus den Landtagen der Einzelstaaten mit Hinblick áuf die Gesetzgebung des Reichs erfolgen, is allbekannt, ich erinnere nur an die Erörterungen darüber, wie die Gesezgebung für die Nehts- pflege fich gestalten solle. Das if doch auch eine Geseßgebung, die im wesentlißhen vom Reiche ausgeht. Solche Anregungen werden von der Regierung stets bereilwilligst entgegengenommen, auf das forgfältigste erwogen und, soweit es möglich ist, berüdcksichtigt. Also, meine Herren, hiernach wird in vielfacher Hinsicht s{hon so verfahren, wie es das hohe Haus bei Annahme des vorliegenden Ans trages als seinen Wünschen etwa entsprehend feststellen will. Bet der jeßt gewählten Fassung dieses Antrages aber, glaube ih, würde Uns flarheit darüber bleiben, was mit ihm erreiht werden soll. Jch möchte deshalb, immer vorausgeseßt, daß die Angelegenheit nicht zu kommissarisher Beratung führt, zur Erwägung geben, ob dieser An- trag niht abzulehnen sein dürfte.
Die Debatte ist hierauf zum zweiten Male geschlossen.
F erlan bemerkt Abg. freier von Zedliß und Neu- kirch: Der Minister hat mich mißverstanden, wenn er gemeint hat, ich bätte meine Behauptung über die bekundete Na Een der Verfassung niht begründet. Jh habe die Gründe ausführli dargelegt.
Minister des Innern Dr. von Bethmann-Hollweg: Meine Herren! Ich möchte den Worten des Herrn Abgeordneten Freiherrn von Zedliy erwidern, daß die Königlich preußische Staats- regierung, wle aus den Erklärungen des Herrn Staatssekretärs des
1906.
Eingriff in die preußishe Verfafsung darstellt — eine Ansicht; die von einer ganzen Anzahl von Politikern auch auf der rechten Seite dieses hohen Hauses geteilt wird.
räsident von Kröcher: Die nohmals eröffnete Debatte ift geshlofsen.
Jn der Abstimmung wird der Antrag mit den, Stimmen der beiden konservativen Parteien mit geringer Mehrheit an- enommen. Das Zentrum und die Linke sind verhältnismäßig chwach beseßt.
Schluß 21/4 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch 10 Uhr. (Nechnungssachen, kleinere Vorlagen und Petitionen.)
Nr. 21 der „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 23. Mai hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitroeilige Maßregeln gegen Pest. — Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Leichenbeförderung. — Viehseuhen, — (Preußen.) Ausländisches R — Aerztlihe Meldekarten. — Uebertragbare Krankheiten. —
esinfektion von Flößen. — Gewerbeordnung. — Logisräume der Schiffsmannschaft. — Tierische Mane — (Reg.-Bez. Königs- berg.) Druse der Pferde. — (Neg.-Bez. Allenstein.) Desgl. — (Reg.-Bez- (Cf Leichenbeförderung. — (Reg.-Bez. Oppeln.) Schulkinder. — (Sach]en.) Seifen. — Schweineeinfubr. — Viehseuhen. — Schlacht- tiere. — Fleish. — (Hessen.) Geflügel. — Schlachtvieh. — Mecklenburg-Schwerin.) Tierishe Ansteckungsstoffe. — Schweine- eisch. — (Großherzogtum Sachsen.) Apotheken. — Mecklenburg- Strelißtz.) aile 2c. — (Anhalt.) S{hlachtvieh. — (Schwarzburg- Sondershausen.) Apotheker. — (Reuß j. L.) Bichseuchen. — Lübeck) Schweinefleis. (Hamburg.) Kreuzottern. — Süßstofftäfelhen. — (Oester- rei.) Landwirtschaftlihe Lehranstalt in Spalato. — Tierseuchen im Deutschen Reiche, 15. Mai. — Küstenfieber in British-Südafrika. — ewe ge Maßregeln gegen Tierseuchen. (Preuß. Reg.-Bez. Alleno tein, Bayer. Neg.-Bezirke Oberbayern, Mittelfranken; Mecklenburg- Schwerin.) — Verhandlungen von geseßgebenden Körperschaften, (Pren, Staatshaushaltsetat, 1906. — U Cirflie Wein-o ontrolle x. — Vermischtes. (Deutsches Reich.) Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle, 1904. — Stand der Bevölkerung, 1905, — (Preußen.) Genickstarre, März. — (Frankreich.) Alkoholdena- turierung 2c. — (Perfien.) Impfstoffgewinnungsanstalt. — Pest. — (Uruguay.) Bevölkerungsbewegung, 1904. — Geschenkliste. — Woentabelle über die Sterbefälle in deutshen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Aus- landes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt- und Landbezirken. — Witterung.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit.
Im Verfolg eines vom Reichstag am 31. Januar 1902 gefaßten Beschlusses ift auf Veranlaffung des Bundesrats das Kaiserliche Statistishe Amt beauftragt worden, festzustellen, welche Einrichtungen bezüglih der Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit bisher getroffen und welche Ergebnisse dadurch erzielt worden find. Cine demgemäß ausgearbeitete Denkschrift liegt nun- mehr vor. Sie gliedert sich in zwei Abschnitte. Den ersten Teil bildet die Darstellung der bestehenden Einrichtungen und Pläne zur Arbeitslosenversiherung im In- und Auslande sowie die kritische Würdigung ihrer Ergebnisse, den zweiten Teil die Vorführung der- gegenwärtigen Lage der organisfierten Arbeitsvermittlung im Deutschen Reich. Dem ersten Teil ist ein Anlagenband beigegeben, in den das: reie Material an Zahlen, Statuten, Geseßen, Verordnungen ver- wiesen ist, das in die laufende Darstellung niht aufgenommen werden: konnte. Ein alphabetishes Sachregister erleihtert den Ueberblick.
Für die Darstellung der Versicherungteinrihtungen if eine Gliederung des Materials nah Ländern gewählt worden. Auf diese Weise ift es ermöglicht, fich über den gegenwärtigen Stand der Frage in jedem einzelnen Lande rasch und zufammenhängend zu unterrichten. Die Darstellung umfaßt die vorhandenen Einrichtungen und bringt zur Ergänzung diejenigen Tatsachen und Gesichtspunkte * bei, welhe für eine Beurteilung dieser Einrichtungen in Betracht kommen. Da weitere Einrichtungen nur geplant, aber niht ins Leben sereten find, anderseits aber die Kenntnis der ausgearbeiteten Vors chläge zur Gewinnung eines vollständigen Bildes von dem gegen- wärtigen Stande der Arbeits!losenversiherung erforderliß erschien, wurde die Darstellung au auf die shwebenden Pläne und auf die in der Literatur gemachten Vorschläge erstreckt.
Nach einer einleitenden Darlegung der Ziele und Grundbegriffe der Arbeitslosenversiherung sind in der Denkfchrift die Einrichtungen des Auélandes (Gngland, Schweiz, Belgien, Frankrei, Ntederlande, Jtalien, Oesterreih-Ungarn, Dänemark, Schweden, Norwegen, Ver- einigte Staaten von Amerika) eingehend geschildert; die Vorführung der deutschen Einrichtungen und Vorschläge nimmt die zweite Hälfte des ersten Teiles ein. Die wesentlichsten Ergebnisse der Untersuhung sind aur Schlusse des ersten Teils kurz dahin zusammengefaßt, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit selbs nicht im Wege der Versicherung zu erfolgen hat, sondern teils dur vorbeugende Maßnahmen allgemeinen Charakters Sregeung der Produktion, allgemeine Wirtschaftspolitik, Hebung der Volksbildung, Regelung des Lehrlingswesens usw.), teils dur Vermittelung vorhandener Arbeit und durch Arbeitsbeshaffung (Notstandsarbeiten), während die Versicherung nur eine Sicherstellung egen die aus der Arbeitslosigkeit fih ergebenden wirtschaftlichen Daien zu bieten hat.
Die Darstellung ergibt, daß es sich bei der vorübergehenden Arbeitslosigkeit begrenzter REaenveilt in der Volkswirtschaft um eine wirtschaftliche Erscheinung handelt, der eine gewisse Regelmäßigkeit und Geseßmäßigkeit zukommt, die sowohl na dem Zeitpunkt wie nah der Dauer und dem Umfang auf Grund längerer Beobachtung als abshäßbar zu betrachten ist und unter diesem Gesichtspunkt an ih für eine Versicherung unter rein versiherungstehnishen Gesichtspunkten unüberwindlihe Schwierig» keiten wohl. niht bieten würde. Ferner zeigt fich, daß die Ge- fahr der Arbeitölosigkeit in den einzelnen Berufen sehr vers schieden ift, dementsprechend qus das Bedürfnis einer Sicherstellung pegen die Folgen der Arbeitslosigkeit nicht gleihmäßig in allen Berufen esteht, Die Schwierigkeiten einer Versicherung ergeden sich vor allen bei der Feststellung und Be nung des Begriffs der zur Unterstüßung berehtigenden Arbeitslosigkeit und dei der Kontrolle der Durhführung dieser Feststellung in der Praxis sowie bei Regelung der Frage einer Verpflichtung zur Annahme von Arbeit. |
ob und in welcher Weise öffent»
as die Frage betrifft lie Mittel für die Zweke der Arbeitslosenversierung bereits» estellt werden sollten, so würden bei allgemeiner obligatorischer
weitem Bais Berufskreise belastet
rbeitslosenversiherung in werden, für welhe die Gefahr der Arbeitslosigkeit überhaupt
Erefutive, die Rechte der Staatsverwaltung, die bei den deutschen Fürsten
Innern hervorgeht, nicht der Ansicht ist, daß das Diätengesey einen
nicht besteht oder sehr gering ist, während andererseits eine dem Risiko entsprechende Abstufung der Beiträge sehr s{chwierig ist.