1906 / 110 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 May 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 98, Sizung vom 9, Mai 1906, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.) -

Tagesordnung : Fortseßung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesehes, betreffend die Ordnung des Reichs- haushalts und die Tilgung der Neichs\huld, und war: „Aenderung des Reichsftempelgesetes und „Besteuerung

er Erbschaften“,

Ueber den Beginn der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d, Bl. berichtet worden.

Staatssekretär des Neichsshaßamts Freiherr von Stengel:

Ich wollte nur zu dem § 40 i i, der gemeinsam mit dem § 40 i zur Diskussion steht, einige Worte äußern. Meine Herren, wenn, wie wir annehmen, das Gesey demnächst zustande kommen wird, dann hoffen wir, daß es sih ermöglichen läßt, die Einführung des Fahr- kartenstempels im allgemeinen s{hon in kurzer Frift und vielleicht noch zum 1. Juli d. J. zu bewirken. (Hört, hört!) Wir werden wenigstens im Verwaltungswege uns alle Mühe geben, diesen Termin einzuhalten. Fraglich ist nur, ob auch Abmachungen, die mit ausländischen Eisen- bahnverwaltungen zu treffen sein werden über die Erhebung der Ab- gaben von den im Auslande abgegebenen Fahrkarten, die gemäß dem Geseye stattfinden soll, sich {hon fo zeitig herbeiführen lafsen, daß be- züglih dieser im Auslande ausgegebenen Fahrkarten jener Termin auch eingehalten werden kann. Für den Fall nun, daß bezüglich der im Auslande ausgegebenen Fahrkarten eine kurze Verzögerung un- vermeidlih sein sollte, würde es wohl am zweckmäßigsten sein, wenn der Bundesrat in der Lage wäre, für das Ausland einheitlich einen späteren Termin festzusetzen.

Ih möchte annehmen, daß bereits bei der Einbringung des Antrags § 40 ii die Absiht obwaltete, dem Bundesrat auch nah dieser Nichtung die Befugnis zu einer desfallsigen Anordnung zu er- teilen. Sollten jedoch hierüber in diesem hohen Hause etwa noch Zweifel obwalten, so möchte ih anheimgeben, seinerzeit bei der dritten Lesung der Gesegzesvorlage die Lücke auszufüllen und eine ausdrüdliche Vorschrift in dieser Nichtung in dem Gesetze vorzusehen.

Der § 40 ii wird darauf angenommen.

Das Haus ging dann zur Beratung des neuen Abschnitts der Stempelgeseynovelle, betreffend die „Erlaubniskarten für Kraftfahrzeuge“ über. Die Steuerkommission hat die Säße der Vorlage verschiedentlih abgeändert.

ür Krafträder war eine Stempelabgabe von 10 M, für Kraftwagen mit 1 oder 2 Sigpläßen von 100, mit mehr als 2 Sigpläßen von 150 # vorgesehen, außerdem von jeder Pferdekraft des Fahrzeuges oder dem Teile einer Pferdekraft, falls das Fahrzeug niht mehr als 4 E hat, 2, im übrigen 5 F vorgesehen. Die Abgabe ermäßigt sich um die Hälfte, wenn die Aus- stellung der Karte nur für einen Zeitraum bis höchstens 4 Monate beantragt wird. Erlaubniskarten für Kraft- fahrzeuge von im Auslande wohnenden Besizern zur Beförde- rung von Personen auf öffentlihen Wegen und Plägen bei vorübergehender Benußung des Kraftfahrzeuges im Jnland und zwar bei Benugzung:

1) während eines niht mehr als 30 Tage im Kalender- jahr betragenden Aufenthalts im Julande, für Krafträder 3 #6

D a. während eines niht mehr als 5 Tage im Kalender- jahr betragenden Aufenthalts im Jnlande für Kraftwagen mit 1 oder 2 En 10 Æ, für Kraftwagen mit mehr als 2 R Ee 15 M,

2) b. während eines 5 bis 30 Tage betragenden Aufenthalts im Jnlande für Kraftwagen mit 1 oder 2 Sigpläßen 30 M, für Kraftwagen mit mehr als 2 Ei 45 Æ Eine Be- Os von der Stempelabgabe findet statt: 1) hinsicht- lich derjenigen R Ie die zur ausschließlichen Benußung im Dienste des Reihs, eines Bundesstaats oder einer Gemeinde bestimmt sind; 2) hinsihtlich solcher Kraftfahrzeuge, die ausschließlich der gewerblichen Personen- beförderung dienen.

Die Kommission hat das Kriterium der Sigßplägte beseitigt und folgende Skala aufgestellt: Für Kraftwagen a. von nit mehr als 6 Pferdekräften 25 A, þ. von über 6, jedoh nicht mehr als 10 Pferdekräften 50 #, c. von über 10, jedo niht mehr als 25 Pferdekräften 100 4, d. von 35 Pferde- kräften 150 M Pen Grundbetrag foll für Kraftwagen hinzutreten von jeder Pferdekraft, falls das Fahrzeug niht mehr als 6 Pferdekräfte hat, 2 M, bei über 6 bis 10 Pferdekräften 3 H, bei über 10 bis 25 Pferde- fräften 5 M, im übrigen 10 A Die sonstigen Vorschriften der Vorlage sollén bestehen bleiben, doch is der Saß unter 2b von 30 bez. 45 auf einen Einheitssaß von 40 M zu- sammengezogen, und es soll die Befreiung niht für Automobile im Dienste der Gemeinden, sondern nur im Dienste von Be- hörden Plaß greifen.

Abg. Leonhart (fr. Volksp.) beantragt, auch die „zu Erwerb3- zwecken“ dienenden Automobile freizulafsen.

Von dem Abg. von Oertzen (Np.), der gleihzeitig über diesen Li der E referiert, ist beantragt, überall statt „Kalenderjahr“ zu jeyen „Jahr“.

Abg. Leonhart (fr. Volksp.): Es handelt #ch hier um eine aufblühende Industrie, die noch in ihren Anfängen steht. Die französische Ausfuhr an Automobilen is bedeutend. Die franzöfishe Automobilsteuer bringt aber nur 1,3 Mill. Mark ein, während die | deutschen Automobile nach den Vorschlägen der R 3 Mill. Mark einbringen sfollen. Dazu kommt no die Belastung, die der! deutshen Automobilindustrie durch das neue Haft- Ea orodt. Anzuetkennen ift ja, daß die Beschlüsse der Kommission eine Erleichterung bringen, indem sie die Automobile lediglih na den Pferdekräften besteuern will. Troßdem sind die vorgeshlagenen Sätze viel zu hoh. In abgelegenen Gegenden müssen Automobile zu 20 Pferde- kräften verwendet werden, und für fleine Gewerbetreibende ist die Steuer so hoh, wie ihre ganze Einkommensteuer. Darum habe ih beantragt, die Geschäftsautomobile frei zu lassen. Es kommen hier die kleinen Gewerbetreibenden und Kaufleute in Be- tracht. Im Interesse des Verkehrs können wir es nur freudig be- grüßen, daß diese Leute das Automobil in größerem Umfange benuzen. Dasselbe gilt au von den Aerzten, von denen mir 400 Zuschriiten zugegangen sind. Nach der Vorlage follen die Behörden, die Auto- mobile benutzen, freibleiben. Was is eine Behörde? Ein Kreis- tierarzt ist auch eine Behörde, ebenso ein Amtsvorfteher ; alle diese würden freibleiben, ein EGewerbetreibender ater nicht. Das wäre eine Ungerechtigkeit. Das Automobil if ein Verkehrs8- mittel, das vorauesihtlich eine große Zukunft hat, und ch6 wäre falsch, diese Industrie în ihrer Entwicklung aufzuhalten. Die Luxuéssteuer der reihen Leute \{chafft mehr Elend aus der Welt als alle wohltätigen Anftalten, außerdem ist zu beahten, daß in dieser Ind viele Arbeiter beschäftigt werden. :

„Mom msfen{(fr. Vgg.) : Aub meine politishen Freunde werden segen diese Steuer stimmen, da sie den Verkehr zu belast:n bestimmt st. Das Automobil is dazu geeignet, Zeit zu ersparen, was nit

nur für die großen, sondern au für die kleinen Gewerbe in Betracht fommt, Bisher 9 das Reich vermieden, einen beliebigen Gegen- stand herausz i und zu besteuern, was bisher den Einzelstaaten überlassen war. e Steuer hat keinen inneren Grund, sie ver-

ffößt auch gegen die assung. Dazu kommt noch, daß diese L noultie viele Arbeiter Eefbtiti dl, die sehr gut bezahlt werden. Es eine aufblühende Industrie in dieser Weise ein-

ist nicht richtig, în zugreifen. Ih bitt Sie, die Steuer abzulehnen. Staatssekretär des Reichsschaßamts Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Ich habe mich niht zum Worte gemeldet, um mih jeßt hier bei der zweiten Lesung, in der Spezialdiskussion über diesen Geseßentwurf, noch des eingehenderen in die Frage zu vertiefen, ob die Einführung einer Automobilsteuer überhaupt als gerechtfertigt erscheint oder nicht. Was mich veranlaßt hat, das Wort zu ergreifen, das war vorwiegend der Antrag des Herrn Abg. Or. Leonhart. Jch werde ja bet der Besprehung- dieses Antrages au Gelegenheit haben, mit cin paar Worten auf grundsäglihe Fragen mit einzugehen.

Meine Herren, wenn man nach dem Antrage des Herrn Abg. Dr. Leonhart und nah der Tendenz dieses Antrages alle Automobile freis lassen wollte, die der Besitzer des Automobils in Ausübung seines Berufes benußt, dann würden wir wohl \{chließlich dahin kommen, daß fast alle Automobile von der Automobilsteuer freizulassen wären. Es würden überhaupt nur noch wenig Automobile übrig bleiben, an die der Fiskus die Steuershraube anzuseßen die Möglichkeit hätte. Wollte man aber auch den Antrag Dr. Leonhart einshränken auf diejenigen Fälle, in denen das Automobil überwiegend zu Erwerbszwecken benußt wird, dann würde man die Quelle hafen für die allergrößten Schwierigkeiten in der Anwendung des Gesetzes; denn wer soll denn hier die Grenze ziehen, ob ein Automobil überwiegend oder nicht überwiegend zu Erwerbszwecken dient. Der Herr Abg. Dr. Leonhart hat dann auch hingewiesen auf den Fall, in dem ein Kreisarzt . s{ch ein Automobil hält, mit dem er unter Umständen seinen übrigen ärztlihen Kollegen Konkurrenz be- reiten könnte, Meine Herren, der Kreisarzt hält als Behörde kein Automobil. Das Automobil, das der Kreisarzt hält, befindet sich im Privatbesize und nicht im Besitze einer Behörde. Das ift wenigstens die Anschauung, von der man regierungsseitig in Ansehung des Ausdruckes „Behörde* hier ausgehen zu sollen glaubte. Meine Herren, dur die Vorlage der Kommission und in gewissem Sinne auch in der ursprünglihen Vorlage der verbündeten Regie- rungen ift s{chon auf die kleineren Automobile, die mit wenigen Pferdekräften betrieben werden, besonders Rüksiht genommen. Durch diefe Begünstigung der Automobile mit wenig Pferdekräften ift bereits dem Grundgedanken des Abg. Dr. Leonhart Rechnung getragen. Der Arzt und andere Gewerbetreibende brauen zu ihrem gewerb- lihen Bedarf kein Automobil, dessen Pferdekräfte über s\echs weit hinau2gehen. Der Geseßentwurf und der Kommissions- antrag wollen nur solche Automobile kräftig besteuern, die in der Hauptsache Sportzwecken und dem Luxus dienen, während gerade auf die Automobile, die überwiegend Erwerbszwecken dienen, {on in der Vorlage und im Kommissionsantrage s{honende Rücktsiht ge- nommen ist.

Nun ift auch hier wiederum das Argument ins Feld geführt worden, die Vorlage enthalte ein Ausnahmegesez gegen einen einzelnen Industriezweig;“ das ist nit der Fall. Wir wollen bier niht die Industrie besteuern, sondern diejenigen, die von dem Automobil ihrerseits Gebrauch machen, und in der Hauptsache die- jenigen, die von dem Automobil zu Sportzwecken und zu Luxus- zwecken Gebrauch machen. Davon ift also nicht die Rede, daß wir eine Gewerbesteuer auf einen besonderen Industriezweig einführen wollen.

Nun hat man auch eingewendet, es sei höchst bedenklich, diese Steuern einzuführen gegenüber einer Industrie, die erst im Aufblühen begriffen sei. Meine Herren, gerade deshalb baben wir den jeßigen Zeitpunkt gewählt, diese Industrieerzeugnisse mit der Automobilsteuer zu belegen; denn hätten wir jahrelang gewartet, bis diese Industrie zu höherer Blüte gelangt wäre, so würde gerade von der linken Seite des hohen Hauses uns wieder entgegengehalten werden, daß Hunderttaufende von Arbeitern brotlos würden. Diesem Einwand is eben die Spiße abgebrohen, wenn wir glei von Anfang an, wo der Induftriezweig \sich erst zu entwickeln beginnt, sein Erzeugnis zur Besteuerung heranziechen.

Nun ist \{ließlich vom Herrn Abg. Mommsen darauf hingewiesen worden, daß diefe Steuer, wenn sie überhaupt gerechtfertigt erscheine, doch den Einzelstaaten bleiben müsse, da sie ihrem Steuer- gebiete zugehöre. Meine Herren, ich glaube, die Geltendmahung dieses Cinwandes hâtte der Herr Vorredner" füglih den Vertretern der verbündeten Regierungen, dem Bundesrat, überlassen können; im Bundeërat war man aber einstimmig der Ansicht, daß nicht leiht eine Verkehrsabgabe sich so eigne zu einer Reichsfteuer, wie gerade die Automobilfteuer, denn es if ja auch \{lechterdings unmögli, in wirksamer Weise ein Gefährt mit der Geschwindigkeit eines Auto- mobils in allen Einzelstaaten, zumal in den kleineren, der Steuer zu unterwerfen.

Abg. Lipinski (Soz.): Diese Ausführungen beweisen, auf eine wie abscbüssige Bahn sich_die Regierung begeben hat. Das Luxus- automobil wellte man treffen, und jeßt trifft man die Automobile, die zur Ausübung des Berufes dienen. Es handelt sich hier nur um den ersten Schritt. Wird der Einzelne getroffen, so wirkt das au auf die Industrie zurück. Die ganze Steuer hat nur den Zweck, als Dekoration für die mißliebigen indirekten Steuern zu dienen. JInner- halb der großen Masse von Steuern, die den Mafsenbedarf belasten, find die 35 Millionen, die die sogenannten stärkeren Schultern tragen follen, eine reine Lappalie. Beim Haftpflichtgeseß für die Automokile ist es auch mit der Belastung der stäikeren Schultern eine fehr fraglide Sache. Die neue Steuer muß natürlih die Industrie belasten, und der Arbeiter wird {ließli die Kosten zu tragen baben. Darum sind wir gegen diese Steuer. Aufsichtspersoaen, Geschäfts- reisende benußen das Automobil, und für sie ist die Steuer weiter nihts wie eine Gewerbesteuer. Wir werden den Antrag Leonhart unterstüßen, der diese Automcbile von der Steuer. befreien will. Der Abg. Herold hat behauptet, das Defizit im Reichshaushaltsetat sei nicht vershuldet durch die Flottenvorlage, sondern dur eine Reibe von Ausgaben, die zum großen Teil auch der Arbeiterschaft Deutsch- lands zugute kämen. Dieser Kühnbeit des Gedankens können wir nicht folgen. Entlastung des Reichsinvalidenfonds, Erhöhung der Atpalide Pfnsionen, der NouEoeranedang, Verstärkung der Friedens- präfenz, Verstärkung der Wehrkcaft zur See sind die Hauptposten, die dieses Defizit verursaht haben ; in dieser in der Vorlage felbst enthaltenen Aufiählung findet si nichts von Reichsaufwendungen für die deutsche Arteitershaft. Der Abg. Herold hat seine mehr als kühne E cLanplung wohl nur getan, um nach außen für seine Partei eine bestimmte Wirkung zu erzeugen.

Abg. Werner (d Reformp.): Es gibt keine bessere Luxussteuer als gerade die auf die Automobile; daß die Sozialdemokraten sie ab-

lehnen, muß wirklich wundernehmen. Ein ärmerer Mann wird si doch niemals ein Automobil erstehen können. Wer ein Kraft. fahrzeug bezahlen kann, dem fann es auch auf die Stempel, abgaben in feiner Weise ankommen. Wir denken auch mit dieser Stempelabgabe nit im geringsten daran, eine aufblühende Industrie tot zu maten; sie wird weiter blühen und dur die Besteuerung gar feinen Schaden erleiden, ebensowenig wie den Arbeitern in dieser Branche irgend ein Abbruch gesehen wird. Die Abstufung der Skala nah Pferdekräften ist ein weiterer Vorzug der Kommissionsvorshläge. Für den Antrag Leonhart einzutreten, sind wir nicht in der Lage, weil die Feststellung, ob das Automobil Ge- werbszwecken dient, zu chwierig, wenn nicht unmöglich ist; es würde dann unmögli sein, eine Automobilsteuer einzuführen. Wir be- grüßen es, daß wir diesmal bei der Bestimmung positiv mitwirken können. Wollen wir zu einer gesunden Finanzreform kommen, so müfsen wir auch diese Luxussteuer einführen.

bg. Dr. Be cker - Hessen (nl.): Wir treten den Kommissions- beshlüfsen unter Annahme des Antrages von Oerten -und unter Ab- lebnung des Antrages Leonhart bei. Wir freuen uns des großen Aufshwunges der Automobilindustrie, sind aber auch überzeugt, daß unfere Steuervorshläge diese Industrie nit im geringiten beein- trähtigen werden. Die shwarzen Vorausfagen der Linken, daß es zu Arbeiterentlafsungen aus diesem Anlaß kommen müsse, können uns nicht shrecken; wir sind ja an diese Redewendungen in diesen Tagen sehr stark gewöhnt worden! Träfe alles ein, was die Herren propbezeiten, so würden wir bald vor* einem Arbeitslosenhbeer in Deutschland stehen, wie es noch niht gesehen worden ist. Aus den Kommissions8vors{lägen geht doch hervor, daß die dem Verkehr dienenden Automobile von jeder Besteuerung frei bleiben sollen. Von dieser Steuer muß doch unbedingt gesagt werden, daß fie nur die leiftungs- Ie Schultern trifft; und gerade die sozialdemokratise Vertretung der Stadt Mülhausen im Elsaß hat auf die Automobile eine Steuer gelegt. Um die Fremdautomobile angemessener heranzuziehen, sind wir zu der Besteuerung nah Pferdekräften übergegangen. Den Antrag Leonbart müfsen wir ablehnen, denn durch die Art unserer Staffelung baben wir \{on den Besiyern kleinerer Geshäftsautomobile genügendes Ents- gegenkommen gezeigt. Eine genaue Unterscheidung wilden Luxus- und gewerblihen Automobilen ist im übrigen zu treffen unmögli. Die Interefsenten sind selbst-nicht in der Lage, bestimmte Untersheidungs- merkmale anzugeben. Der Kollege Leonhart bat in einer großen deutschen Aerztezeitung eine öffentlihe Aufforderung erlassen, auf Grund deren 400 Aerzte, die Automobile benußen, ihm beigepflichtet haben. Derjenige Arzt, der sih ein Automobil ans{haffen kann, bat bor jedêm anderen Arzt so viel voraus in seiner Praxis, daß die Stempélabgabe für ibn keine Rolle spielen kann. Bei der Zigarettensteuer verlangte man, eine bochentwickelte Industrie dürfe nicht belastet werden; hier verlangt man, die Anfänge einer Industrie follten von Belastungen freibleiben. Wann soll denn also eine Industrie belastet werden? (Lebhafte Zurufe links: Gar nit!) Ja, wir haben dcch aber die große Aufgabe der Sanierung der deutshen Finanzen; wir unserseits waren uns in der Kommission diejer Aufgabe von vornherein bewußt und baben danach zu bandeln uns verpflichtet gehalten. Aus diesem Grunde werden wir den Antrag Leonbart ablehnen.

Abg. Lip ins ki (Soz.): Auch ih habe mit einem oe illeftee

gesprochen, er hat mir gesagt, daß er das Automobil für seinen Be- ruf nicht entbehren kann. Das gilt namentli von Landärzten. Sie wissen doch alle, wie {wer es sehr oft auf dem Land ift, einen viel- beschäftigten Arzt zu bekommen. Die Automobilsteuer wird verkehrs- feindlich wirken. Ih bitte Sie dringend, fie abzulehnen. __ Der Antrag Leonhart wird gegen die Stimmen der Frei- finnigen und Sozialdemokraten abgelehnt und der Kommissions- vorshlag mit dem Antrage von Oerßen angenommen. Die zu diesem Tarifabschnitt gehörigen Paragraphen des Ge- seßes (S8 40k bis 40t) werden ebenfalls in der Kommissions- fassung angenommen.

Den in der Vorlage Dee Quittungsstempel von 10 S hat die Kommission abgelehnt. Ohne Debatte wird er nebst dem dazu gehörigen Teile des Geseßes auch vom Hause verworfen.

__ Es folgt der von der Kommission dem Geseßentwurf neu eingefügte Abschnitt: E (Tantiemesteuer).

Der Beschluß der Kommission geht dahin, von der Ge- sammtsumme der Vergütungen (Gewinnanteile, Tantieme, Ge- hälter usw.), die den zur Ueberwachung der Geschäftsführung ciner Aktiengesellshaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Gesellschaft mit beschränkter Ha s bestellten Personen (Mitgliedern des Aufsichtsrats) seit der leßten Bilanzaufstellung gewährt worden find, 8 Proz. als Steuer zu erhcben. Befreit ind Aufstellungen, nach denen die Summe der sämtlichen an die Mitglieder des Auffichtsrats gemachten Vergütungen nicht mehr als 5000 A ausmacht. Uebexsteigt die Gesamtsumme 5000 Æ, so wird die Abgabe nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des 5000 # übersteigenden Betrages gedeckt werden fann. Werden Tagegelder im Betrage von mehr als 50 M für den Tag gezahlt, so ist der Mehrertrag als versteuer- bare Tantieme zu betrachten. Reisegelder, die den Ertrag der baren Auslagen übersteigen, werden ebenfalls als Tantieme betrachtet.

Referent ift der Abg. Nacken (Zentr.). j

Abg. Kaempf (fr. Volksp.): In dem Berit der Kommission ist wiederbolt die Rede davon gewesen, daß diese Vergütungs- oder Tan- tiemesteuer populär sei. Das ift ganz rihtig. Sie ift sehr populär bei allen denjenigen, die feine Tantieme beziehen, aber es mag sichtigt scin oder nicht, sie wirkt demagogis. Defto mehr sind wir verpflichtet, objektiv zu prüfen, ob fie berechtigt ist, und obglei ich felbst zu denjenigen geböre, die Tantiemen bezieben, werde ih objektiv prüfen. Eins bleitt immer bestehen, daß es fich hier um eine Steuer auf Einkommen handelt. Bewiesen wird dies durch das Formular, das der Steuerzabler der Einkommensteuerbehörde anzugeben hat. Nun ist immer der Standpunkt vertreten worden, daß die Ein- kommenfteuer, wie überhaupt die direkten Steuern, den Bundesstaaten zu überlaffen seien, und ängstlih darüber gewaht werden müsse, daß um Gotteswillen kein Eingriff in das direkte Besteuerungsrecht der Bundesstaaten geshebe. Jch teile diese Auffassung durchaus nicht, ih bin dec Meinung, daß eine Reichseinkommenstieuer sogar eine rotwendige Konsequenz der deutshen Ginbeit if und wenn sie p mihi würde, so würde die erfte gute Folge die sein, daß die Emzelstaaten gezwungen würden, die Besteuerung der deutschen Bevölkeruna endlih einmal auf cine einheitliche E zu stellen Diese Wirkung der Reichseinkommensteuer ift eine so groß, daß wir niht aufhören werden, auf ihre Einführung zu dringen. Das besagt aber niht, daß wir uns nun füc eine Reichs- einkommenfteuer auésprehen, die nur einen bestimmten Kreis von Personen und zwar nicht mit ihrem Gesamteinkommen erfaßt, sondern nur mit einem Teil, den man als mühelosen Gewinn bezeichnet. Das be- deutet, soweit es sich um mühevoll erworbenen Gewinn handelt, soll der Steuerertrag den Einzelstaaten zufallen, soweit er mühbelos ist, dem Reich. « Da eutsteht do die Frage, warum s\oll gerade dieser mühelose Ge- winn dem Reich die Steuer bringen, und warum, wenn man unter- sh:idet zwischen mübßelosem und mühevollem Gewinn, tut man dies nur hier? Ih frage zum Beispiel : Handelt es sich, wenn jemand seine Rittergüter verpohtet, riht um eiren ‘mühelosen Gewinn? Sind die sogenannten Liebesgaben niht au cin müheloser Gewinn? Oder wenn, wie i jegt in allen Zeitungen lese, die Güterpreije nameztlich im Osten eine gr Preiésteigerung erfahren, entweder durch die Ansi-dlúngskommisfion oder die Einführung der er- höhten lantwirtsäftlihen Zölle? Jst da ter Mehrgewinn oder mindestens do die Zinjen vielleidt ein mühevoller Gewinn? Oder wenn eine Zuerfabrik ihren Zucker aufspeihert und hei günstiger Konjunktur wieder verkauft? Jedenfalls müßte eine Unter-

suhung bei jedem einzelnen steuerpflihtigen Deutshen vorgenommen werden, ob sein Einkommen auf einem mühevollen oder mühelofen winn beruht, und wenn ersteres der Fall ist, die Steuer den Bundeëstaaten, im leßteren Falle dem Reiche überwiesen werden. Aber 5as wollen Sie ja gar nicht. Ein solches Eindringen in die Verhält- nisse des einzelnen würde niht populär sein. Populär ist gerade gur die Besteuerung derjenigen Personen, die Tantiemen beziehen. Jch weiß aus eigener Crfahrung, wenn es au Aufsichtsratsmitglieder gibt, bei denen der Bezug der Tantieme mühelos ift, daß doch der größte Teil der Tantiemenbezieher eine sehr mühevolle Tätigkeit hat. Ih bin lange ¡t Direktor einer Bank gewesen, ih habe damals nie mehr Sorge und rbeit gehabt, als ich sie durch die Wahrnehmung von Aufsichtêrats- stellen habe. Die Verantwortung is} bei den Aufsichtsratsmitgliedern nicht weniger groß als bei dem Direktor der Gesellschaft. Son nah dem Wortlaut des Geseßes ist der Aufsichtsrat, wie dies als üblih bezeihnet wurde, gar nit in der Lage, seine Verantwort- lichkeit auf einen anderen zu übertragen. Wenn dur einen Revisor revidiert wird, so trägt er die Verantwortung und nicht der Bücher- revisor, aber die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder liegt ganz wo anders als in der formellen Revision. Sie liegt darin, daß sie die materielle Geschäftsführung zu überwachen haben. Auÿh das ist ein Jrrtum, daß nit eine täglihe Tätigkeit erforderlich sei. Jh kenne eine Anzahl bon Gesellschaften, wo eine täglihe Ueberwachung der Geschäftsführung stattfindet, wo ganze Kommissionen ernannt werden, am sie zu beaufsichtigen. Aber hier wird alles in einen Topf ge- worfen. Es würde absolut notwendig sein, bevor man diesen Schritt tut, noch einmal enquetenmäßig selgustSes, ob der Entwurf ange- bracht ist. Sie würden bei der Mehrzahl aller Gesellschaften dahin kommen, daß die Entlohnung des Aufssichtêrats eine durhaus gerecht- fertigte ist. Cs ist hon einmal in die Verantwortlichkeit und die Vergütung der Aufsichtsräte eingegriffen worden. Dem Genossen- schaftsgeseß ist ein Paragraph zugefügt, daß, wenn die Vergütung in einem Anteil am Gewinn besteht, fie erst dann in die Erscheinung treten darf, nahdem alle Reserven, alle Abschreibungen zurück- estellt und 4 9/9 Dividende zur Verteilung gelangt sind. Die olge dieser Bestimmung waren zahllose Statutenänderungen, în denen die Tantiemen erhöht, in denen den Aufsichtsrats- mitgliedern feste Bezüge zugesichert und in denen andere Be- stimmungen getroffen sind, die dem Aufsihtsrat Garantien boten. Der Zweck, den diese Gesezesbestimmung gehabt hat, ift durchaus ver- eitelt worden, und damit nit genug, es ist der Anreiz zu einer un- soliden Bilanzierung gegeben, denn cs lag nahe, möglichs| wenig Reserven und Abschreibungen zurückzustellen. Bei den Vorschlägen der Kommission ist die Gefahr vorhanden, daß fich äbhnlihes wiederholt. Jch glaube nicht, daß irgend welche unlauteren Machinationen vor- genommen werden, aber wo es möglich sein wird, wird natürlich bei den bereits bestehenden Gesellshaften durch eine Statutenänderung auf eine Erhöhung der Bezüge der Aufsichtsräte hingewirkt werden. Zur eit besteht eiîne Bewegung, die Säge der Tantiemen herabzuseßen. iese wind zum Stillstand kommen. Es wird nit eine Ver- s{ärfung des Verantwortlihkeitsgefühls bei den Aufsichtsrats- mitgliedern, sondern eine Verminderung die Folge sein, weil doch den Mitgliedern amtlich von seiten der hohen Obrigkeit pesgeinigt wird, daß ihre Tätigkeit eine mühelose sei, die niht auf einer Verant- wortlihkeit beruht. Sie werden eine ungerechte, dur nichts zu rechtfertigende Steuer eingeführt haben, ohne volkswirtshaftlih oder im Geiste der Aktiengesell|haft irgend etwas Gutes in die Wege ge- leitet zu haben. i

Abg. Dr. dekum (Soz.): Der Vorredner hat mit seinen Einwendungen gegen die Steuer unzweifelhaft recht. Der Kom- missionsberiht enthält so viele moralisierende Stellen, daß dagegen zu polemisieren {on ganz überflüssig ist. Da heißt es, daß die heutige Tantieme ein Unfug sei, daß Leistung und Segenleituog bet der Bemessung der Tantiemen niht im richtigen Verhältnis ständen. Das ist ganz rihtig, aber wenn Sie das Kriterium des mühelosen Gewinnes zu Grunde legen wollen, so ist doch unter der heutigen Eigentums8ordnung jedes Einkommen, das nicht reines Lohneinkommen ist, ein müheloser Gewinn. Jnsofern kann man dem Abg. Kaempf zustimmen. Er hat aker bin ugefügk, daß diese Steuer eine Steuer auf Einkommen sei. Aus diesem runde, weil fie eine Einkommen- steuer ist, weil sie einen Fortschritt gegen das bestehende Ein- kommensteuerwesen in sich sch{ließt, stimmen wir für die Steuer in der Hoffnung, daß der Appetit beim Essen kommen werde. Durch keinerleï Interpretations- und Deduktions- künste werden Sie beweisen können, daß der Gewinn aus einer Rente und cinem Grundstücke nicht mühelos wären. Es wird kein Halten auf dieser Bahn mehr sein ; je mehr sh heraus- stellt, daß es fih bei Jhren Sieuervorlagen um einen Versuch mit untauglihen Mitteln handelt, um \o näher werden Sie unserem Getanken der Reichseinkommen- und Vermögen®fteuer kommen. Hier wird ein Schritt getan, dem ih weitere ans{ließen werden.

Abg. Dr. Dahlem (Zentr.): Diese Steuer wurde nicht vor- \Wlagen, weil sie populär, sondern weil sie gereht is. Von dem ganzen

teuerbukett ist sie diejenige, die die steuerkräftigsten Schultern trifft. Der Abg. Kaempf meinte allerdings, diese Steuer wirke demagogi!ch. Wir können dies niht zugeben, Sie wirkt ja im gewissen Sinne als Doppelbesteuerung, aber sie if so niedrig, daß sie nicht {wer zu tragen sein würde. Einmal muß ja doch mit der Besteuerung des mübelosen Gewinnes begonnen werden; sollte in den nächsten Jahren ein größeres Loh kommen, dann sind wir gern bereit, weitere Steuern auf den mühbelosen Gewinn zu legen. Ich gebe zu, daß e Aufsichtéräte gibt, die reihlich und tüchtig arbeiten. Aber im großen und allgemeinen wird die Arbeit von zwei bis drei Den des Auf- fihtêrats geleistet, während die übrigen zu deren Beshluß Ja und Amen sagen. Wenn wirklich die Tantieme einen Gewinn darstellt, der in den allermeisten Faller die aufgewendete Arbeit ganz erheblich übersteigt, dann sehe ih nit ein, weshalb der Reichstag nicht zu- tsen und den Anfang machen foll. Meine Freunde stimmen der

teuer zu, sind auh mit der Art der Besteuerung einverstanden. Sie trifft die fteuerkiäftigsten Personen, und in den meisten Fällen eine niht zu große Arbeitsleistung.

Abg. Gothein (fr. Vgg.) mit lebhastem Oh! empfangen, dankt zurähst für den freundlichen Empfang. Es ist nicht richtig, daß die Tantiemefteuer eine populäre Steuer ist. Das ist wenigstens niht überall der Fall. Jch selbst bin an dieser Frage nur in ge- tingem Maße beteiligt, und ich möchte Sie versichern, daß es Tätig- keiten gibt, die viel müheloser sind als die Tätigkeit der Aufsichtsrats- mitglieder, z. B. das Einziehen von Mieten. Kennt denn der Vor- redner die Tätigkeit dec Aufsichtératsmitglieder aus eigener Er- fahrung? Aker auc er gibt zu, daß es Aufsichtsratsmitglieder gibt, die fleißig arbeiten. In der Steuer wird aber kein Unterschied ge- macht, ob die Steuer von den Arbeitern gezahlt werden soll, oder bon denen, die ke:ne Mühe haben. Man denkt au niht an die- jenigen, die nah ihrem Eintritt in eine Unternehmung ihr Vermögen verloren haben. Eine ganze Zahl solcher Fälle wird überhaupt niht bekannt. Jch habe niht gehört, daß man denen etwa eine

ergütung zahlen: will. Die ganze Tantieme is \{chließlich nichts anderes als eine Risikoprämie. Es ist häufig niht zu vermeiden in Unserem Geschäftsleben, daß mehrere Aufsichtsratésstellen in einer Hand vereinigt sind. Jch habe die Erfahrung gemacht, daß diese Leute die besten und U eeea Aufsichtsräte sind. Jh gebe ohne weiteres l, daß es gar nicht selten vorkommt, daß Leute in den Aufsichtörat gewählt werden, die niht das geringste vom Geschäft verstehen. Es werden Bergwerksunternehmer, Barone , Grafea, Herzöge, alte Crzellenzen bloß ihres Namens wegen gewählt, die niht das geringste bon den Sachen verstehen, damit fie ihren Einfluß mit ihren Namen, namentlißh an Regierungsstellen gelt-nd mahen. Das ist ein Un- fug. Das aber nicht die Negel. Der einzige Grund für Sie, diese Steuer einzuführen, is der: hier ist Geld zu holen, wic rehmen es von den Lebendigen, wenn wir es bon den Toten nit holen können; ob tas gerecht, ist gleichgültig. Es wird hier die Theorie des Teilens befolgt, die man so oft den ‘ozlaldemokraten vorwirft. Wer sagt denn, daß diese Steuer vor- Y gnd die starken Schultern trifft ? Es gibt Aufsichtsräte genug,

Ke paar Jahre ein paar tausend Mark erhallen. Der Abg. Büsing

sagte geftern, kein Mensch zahlt gern Steuern. Ich meine, kein an- ständiger Mensch wehrt ih gegen Steuern, die gerecht sind. Aber er wehrt sich allerdings dagegen, daß man aus dem Portemonnaie des einen dem anderen Geschenke maht. Das haben Sie ja klassish bei der Spiritussteuer durhgeseßt, das haben Sie bei dem Zolltarif gemacht. Das ist das, was man zu Unrecht dem heiligen Crispin in die Schuhe ge- {oben hat, der, wie ih zur Beruhigung des Zentrums sagen möchte, das Leder nicht gestohlen hat, um daraus den Armen Schuhe zu senken. Das Argument, daß die Großkapitalisten einen großen Vorteil von der Flottenvermehrung haben, trifft doch nicht von allen Unternehmungen zu. Die Eisenindustrie mag wobl einen Vorteil baben, aber nicht die Textilindustrie und die chemishe Industrie. Wenn wirkli ein solher Flottenenthusiasmus vorhanden ist, so fange man doch bei den Flottenenthusiasten an und verteuere ihre Beiträge um 50 9/6. Nein, diese Tantiemesteuer ist nur eine Einkommensteuer, und der Weg zur Reichseinkommensteuer ist damit geebnet. Hier gibt es kein Halken, es muß fortgeschritten werden. Mit unbedingter Natur- notwendigkeit werden die gut fundierten Einkommen zur Reichseinkommen- steuer Vetfiencit werden müssen. Aus diesem Grunde werden wir für diese ungerehte Steuer stimmen. Es scheint, daß Sie (rechts) überhaupt kein anderes Ideal mehr haben, als andere Steuern zahlen zu lasen, fonst „würden Sie fagen, das is ein idealer Standpuukt, den der Abg. Gothein eben vertreten hat.

Abg. Naa b (wirts{ch. Vgg.) : Troy der freudigen Stimmung, die uns beinahe alle in diesem Hause beherrsht, bätten wir einzelnes in dieser Tantiemesteuer anders gestaltet. Die gleihmäßige Bemessung der Steuer ohne Rücksiht auf die Höhe der Tantieme ist nicht gerade ein Ideal. Eine Staffelung wäre vorzuziehen gewesen, doch wird sich auf den heute vorliegenden Kommissionsantrag eine aroße Mehrheit vereinigen, und wir kommen deshalb auf jene Idee niht mehr zurü. Der Abg. Kaempf meint, die Steuer sei deswegen populär, weil die“ große Masse nicht zu zablen braucht. Das is ja dasfelbe Argument, das für die progrefsive Einkommensteuer \spriht. Der Abg. Kaempf meint ferner, es liege hier eine ungerechte Doppelbesteuerung vor ; wir sind entgegengeseßter Ansicht. Man muß doch einen Unterschied machen, ob ein Einkommen mühelos jemand in den Schoß fällt oder mühsam erworben werden mußte. Es stimmt, die Steuer ist eine Aus8nahmesteuer, aber Anfänge dazu existieren bereits in Württem- berg; diese Entwicklunz muß weiter ausgebaut werden. Auch nah Annahme dieser Steuer bleiben viele Leute im un- geschmälerten Genuß mübelos erworbener Einkünfte. Mag der Abg. Kaempf doch Amendements stellen, durch welche auch die Grundstücks- spekulanten herangezogen werden; wir werden gern dafür stimmen. Jedenfalls werden diese Tantiemen ohne erheblihe Berufsstörungen verdient, und sie belaufen sich in niht wenigen Fällen auf bis 100 000 Æ im Jahre. Vielfah handelt es si um Ehrengehälter, die man jemand gibt, der einen klangvollen Namen trägt. Eine freudige Ueberrashung baben uns die Sozialdemokraten durch ihre Zustimmung bereitet, denn noch in der Kommission haben sie die Tantiemesteuer aufs heftigste bekämpft. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Daß sie jeßt in einer gewissen Ver- legenheit sind, _ begreife ich ja durhaus. Ein solcher pro- arammwidriger Seitensprung der S rEen überrascht nicht. Haben ja früher die Herren gegen die Shaumweinsteuer gestimmt, weil der Champagner {on immer mehr Volksgetränk würde; sie haben die Börsensteuer verworfen, sie haben heute nachmittag gegen die Automobilsteuer gestimmt. Es soll ja allerdings vorkommen, daß au Sozialdemokraten Automobile benußen, hervorragende Sozial- demokraten follen fogar {on mit unverstandenen Prinzessinnen im Automobil gefahren sein. Wir freuen uns wirklich über jeden Sünder, der Buße tut, und über jeden unvernünftigen Menschen, der endlich zu Verstand kommt. (Zwischenruf des Abg. Hoffmann : Regen Sie mal bei mir an!) Bei Ihnen fange ih erst gar ni t an. Die Sozialdemokraten waren bis heute die modernen Schüyer des Großkapitals, während die Ferien nur noh die über- kommenen historishen Schüßer waren. Eine nicht minder große UVeberrashung hat uns der Abg. Gothein bereitet; als er {hon neun Zehntel seiner Rede gehalten hatte, mußte man glauben , er würde gegen stimmen; die besten Pferde werden ja aus dem Stall g um die Automobilsteuer zu bekämpfen: die bag, Kaempf und Gothein. Meine Erwartungen bezüglih der Firxigkeit, mit der die freisinnige Ea sh in das Hörigkeitsverhältnis zu den Sozialdemokraten zurücgefunden hat, sind heute noh übertroffen worden. Die Sozialdemokraten When ihnen vergeben, und die Freisinnigen werden ihnen wieder Wabhldienste leisten dürfen. Wir find Ihnen für diese Aufklärung aufrichtig dankbar. ;

Abg. Na cken (Zentr.): Die Schlagworte „populär“ und „mühe- loser Gewinn“ sind von den Gégnern benußt worden, um diese Steuer zu ruinieren. Wir haben diese Steuer niht vorgeschlagen, weil, sondern obgleich fie populär ist. Auh der Vorwurf, die Steuer sei demagogisch, trifft uns nicht. Unter den Antragstellern befinden sich auch Aufsichtöräte, die die Dinge ganz genau kennen. Nicht. die Quittungen, sondern die Aufstellung über den Gesamtbetrag der Tantiemen sollen bestzuert werden. Hier handelt es sh niht darum, zu teilen, sondern dem Staate zu geben, was des Staates ift. Geschenke zu nehmen aus den Taschen der anderen, überlassen wir den Tantiemebeziehern, denn tat- sählich sind die Tantiemen Geschenke unter Lebenden. Die Auf- sihtsratêmitglieder gehören zum roßen Teil zu denen, die nah Weltpolitik, nah Kolonialpolitik s{hreien. Wir wollen einmal sehen, ob fie hier ihren Patriotismus auch betätigen wollen. Die Tendenz unseres Antrages is, die wirklich starken Schultern zu be- lasten, ob es sich um eine Einkommensteuer handelt oder nicht. Für die Einführung einer Reichseinkommensteuer fehlt es zur Zeit an einer genauen Basis. Sie wissen, daß die verbündeten Ne- gierungen fih dagegen wehren. Die Tantiemefteuer ist leiht zu tragen von denen, die sie trifft Die Tantiemen sind eine sehr bequeme Nebeneinnahme. Die Schaffenslust und das Streben wollen wir nicht besteuern, darum haben wir die Direktionen eben nicht be- steuert. Jch begrüße es, daß auch die Sozialdemokratcn für den An- trag stimmen wollen, und ih hätte nur gewünscht, daß die Frei- sinnige Volképartei diesem Beispiele gefolgt wäre. Das Risiko der Aufsichsräte ist {hon deshalb nicht so groß, weil die großen Banken usw. ihren Reservefonds erhöht haben. Wie kann von einer

roßen Arbeitslast die Rede sein, wenn die Aufsichtsräte 10 bis 30 ufsihtsratsstellen annehmen! Um eine Doppelsleuer handelt es sich bei der Tantieme nicht; bei den Aktionären ist es anders. Bei der Dividende handclt es sich um das Risiko aus dem eigenen Ver- mögen ; wir können sie also nicht zum Deriteus heranziehen für diese Steuer. Diese ist durhaus gerecht und billig.

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volköp.): Was wir von den Freunden der Tantiemesteuer gehört haben, kann uns in unserer ablehnenden Stellung nit wankend maden, zumal sie eigentliß weniger Argumente für als gegen die Steuer vorgebracht haben Ich be- dauere, daß die Mehrheit des Deutschen Reichstags bereit ist, diesen Schritt zu tun, den wir sahlich vollständig ungerechtfertigt halten. Dabei spielen agitatorische Rücksichten eine Nolle. Es besteht aller- dings eine Stimmung außerhalb des Hauses für diese Steuer. Jh beziehe keine Tantiemen, bin aber ter Meinung, daß sie nicht in Einklang zu bringen i] mit gesunden s\teuerpoliti- hen Grundsäßen. Derselben Meinung war ursprünglih die überwiegende Mehrheit der Kommission. Die Sozialdemokratie hat die Steuer zuerst abgelehnt. Allerdings ist der Be- {luß der esten Lesung etwas geändert worden, aber der Grund- edanke war derselbe geblieben, und deshalb war es auffallend, daß [chon in der zweiten Valuo die Stimmung in der Kommission ih nderte, und daß \ich eine solche Schwenkung auch bei den Soztal- demokraten vollzogen hat. Wir sind nicht in der Lage, dem Beispiel der Sozialdemokcaten zu folgen, die ih jeyt „im Ziczackkurs be- wegen. Wir würden unseren Traditionen und Ueberzeugungen wider- \sprelen, wenn wir ihrem Beispiel folgten. Daß agitatorishe Rük- dten hier mitwirken, ist hon zugestanden worden, Es ist nicht ge- jan! daß eine populäre Steuer eine gerechte ist. Popularitäts- ascherei ist ein \{lechter Ratgeber.

versammlung, die von dem Windhauch irgend einer Agitation bewegt

werden sollte. Gewiß find wir eine Partei, die eintritt für die volitishe Freiheit; aber vom Standpunkt des Rechts bekämpfen wir eine Sondersteuer, die mit dem gemeinen Recht nicht in Einklang steht. Man müßte vielmehr an die Aktiensteuer die bessernde Hand legen. Diese Reform wird dur diese Steuer gehzmmt. Diese Steuer ift eine Ausnahmesteuer, gelegt auf eine Art des sogenannten mühelosen Gewinns. Wo bleibt der wmühelose Gewinn aus Domherrnvyfründen ? Die Tantiemesteuer trifft einen kleinen Kreis von Gewerbetreibenden und ift do eigentlich nur eine vershleierte Einkommensteuer. Eine wirkliche allgemeine Reihseinkommensteuer würden wir mit Freuden begrüßen. Diese Reform würde aber mit der Tantiemesteuer nur ershwert werden. Ih muß daran erinnern, daß auch der Geh. Finanzrat Fuisting die Tantiemesteuer mit gutem Grunde bekämpft hat. Teilt die Regierung diese Anschauung nicht? Uns gebietet die politishe Ehrlichkeit, gegen die Tanliementtenes zu stimmen.

Staatssekretär des Reichsshaßamts Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Nachdem sieben Redner aus dem Hause schon zu dieser Frage gesprohzn haben, würde ih auch ohne die Aufforderung des Herrn Vorredners mir gestattet haben, namens der verbündeten Regierungen zu einer wenigstens kurzen Erklärung mir auch das Wort zu erbitten.

Die verbündeten Regierungen haben die hier stehende Steuer ihrerseits nicht in Vorschlag gebraht. Diese Tantiemesteuer, wenn man sie kurz \o bezeichnen will, ist von der Steuerkommission des Reihstags dem hohen Hause in Vorschlag gebraht worden. Meine Herren, die verbündeten Re- gierungen waren bisher noch niht in der Lage, sich über diesen Vor- \chlag \chlüssig zu machen. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte indessen niht bergen, daß gegenüber dem ersten Vorschlag, der in dieser Beziehung in der Kommission aufgetauchßt war, im Schoße der Regierungen niht unerheblihe Bedenken sih geltend machten. Aber im Laufe der weiteren Beratungen der Kommission und vielleiht auch unter der Einwirkung der Bedenken, die regierungs- seitig geltend gemacht worden sind, hat der Vorschlag später eine Gestaltung angenommen, die cinstweilen innerhalb der Kommission die Bedenken, die von Regierungsseite gehegt worden waren, mehr zurücktreten ließ. Es hat denn auch s{ließlich bei den Kommisstions- beratungen der Vorschlag eine Fassung erhalten, welche der Abgabe den Charakter einer indirekten Steuer aufprägt. (Lachen links.) Sie mögen darüber lachen, das ändert an der Tatsache nihts. Der Charakter einer direkten Steuer ist jedenfalls dem Vorschlage der Kommission, wie er Ihnen hier vorliegt, niht beizumessen. (Wider- spruch links.) Jh muß im Gegenteil anerkennen, daß es der Kom- mission mit Geschick gelungen ist (sehr gut!), eine Fassung zu finden, welche es vermeidet, ein Präzedens zu {hafen für die etwaige Ein- führung einer Reichseinkommensteuer. Sehen Sie sich doch den An- trag ihrer Kommission etwas genauer an, so werden Sie Ihr Lachen einstellen. (Widerspruch links.) Nach dem Antrage der Kommission ist der Träger dieser Steuer gegenüber dem Reihe niht der Tanttemenempfänger, sondern die Gesellschaft (sehr rihtig! rechts und Zurufe links), die Aktiengefellschaft bezw. die Gesellshaft m. b. H. (Wiederholte Zurufe links. Glocke des Präsidenten.) Die Gesell- {aft ist die Trägerin der Steuer, das Subjekt, von dem das Neich seinerseits die Steuer einzieht. Was \ch{ließlich aus der Steuer- belastung des weiteren wird, das geht das Reih als den Steuerberehtigten nichts an. (Heiterkeit links.) Jch wiederhole, darin, daß die. Steuer, die hier in Vorschlag gebraht ist, nicht direkt zur Erhebung gebracht werden foll von dem Empfänger der Tantieme, sondern von der Gesellschaft, daß sie also den Em- pfänger jedenfalls nur indirekt trifft, darin liegt ein großer Unter- schied gegenüber dem früheren Vorschlage.

Meine Herren, nach der Gestaltung, die die Steuer bei den Kommissionsberatungen angenommen hat, möchte ih aller- dings meinesteils, ohne den Beschlüssen des Bundesrats irgendwie vorgreifen zu wollen, doch geneigt sein anzunehmen, daß » auch die verbündeten Negierungen \{chließlich die Bedenken, die in der Kommission anfänglich gehegt wurden, gegenüber dem jeßt vorliegenden Kommissionsantrage werden zurücktreten lassen können. (Zurufe links.) Wenn aber die verbündeten Regierungen seinerzeit ihre Zustimmung zu diesem Vorschlage erteilen sollten bis zur dritten Lesung haben sie ja noch Zeit, sich die Sache zu überlegen —, dann möchte ih {on im voraus namens derselben hier von diefer Stelle aus auf das nahdrücklichste und eindringlihste Verwahrung da- gegen einlegen, daß aus einer solchen Zustimmung irgend welche weiteren Konsequenzen in Ansehung der Einführung direkter Reichs- steuern gezogen werden können. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Büsing (nl.): Theoretisch ift die vorgeshlagene Steutr wohl kaum zu rechtfertigen. Sie is eine Einkommensteuer, die be- {ränkt wird auf eine gewisse Kategorie. Mit demselben Rechte könnte man auf das Einkommen eines einzelnen Herrn eine Steuer legen. Der Begriff des mühelosen Gewinns ift sehr dehnbar. Ferner ist zweifellos die Tantiemesteuer eine Doppelsteuer. Das sind zweifellos theoretish begründete Einwendungen. Aber Theorie und Praxis sind zwei versciedene Dinge. Es ist in der Kommission niht einmal voll Viana, die Steuern aufnabrêacen, die die Negterung für notwendig gehalten hat. Wird nun diese Steuer abgelehnt, so entsteht eine weitere Lücke. Es ift, hon bei der ersten Lesung darauf hingewiesen worden, daß es ein nobile officium der befigenden Klassen ist, die Lasten zu tragen, die das Interesse des Reichs fordert. Darum werden wir für diefe Steuer stimmen.

Abg. Zimmermann (d. RNeformp.): Der Abg. Wiemer hält allerdings fest an den Traditionen seiner Partei; aber er wird wobl bald der leßte Mohikaner sein, der die Interessen des Börfen- kapitals bier vertritt. Es ist geradezu ein Vorzug, wenn die Mehr- heit des Reichstages in Harmonie steht mit der Meinung des Volkes, dann gibt es einen guten Klang. Andere Steuern stehen allerdings mit der Stimmung der Volksseele nicht im Einklang. Wir be- arüßen in dieser Steuer den Anfang einer gesunden Steuerpolitik. Da der Reichstag dasselbe Recht hat wie der Bundesrat, fo hat er auch das Recht, seinerseits Steuervorshläge zu mahen. Unter allen Steuern ijt keine so gerecht und so gesund wie die votliegende Tan» tiemesteuer, von der wir hoffen, daß sie der Anfang einer besseren Steuerpolitik sein wird.

Abg. Dr. dekum (Soz.): Die Rede des Abg. Raab bewegte sih vorwiegend auf \o Lim Niveau, daß ih darauf nicht einzu- Bi brauhe. Der Abg. Wiemer meinte, wir steuerten jeßt einen t

in Frage

ickzackurs. Nein, wir steuern direkt auf die Reichseinkomumen- euer zu. Wir haben ja schwere Bedenken gegen die Form dieses Geseyzeds, aber wir sind für dessen Prinzip. Wir haben uns dagegen ausgesprcchen in einem Stadium der Verhandlungen, als es noch denkbar war, die Erbschaftssteuer weiter auszubauen. Nachdem wir aber sehen, daß diese nicht erbeblih gegen die Kommission verbessert werden wid, müssen wir auch unsere Stellung zur Tantiemesteuer von neuem prüfen. Der Staatssekretär meinte freilid, es handele ch bier um elne indirekte Steuer. Das ist nicht richtig. Es bandelt

Der Reichstag ist keine Volks« |

ch hier zweifellos um eine direkte Steuer. Wenn der Staatssekretär uns beshwor, nicht die weiteren Konsequenzen aus diesem Schritt zu ziehen, so erinnert mich das an die junge Frau, der man fagte, sle