1886 / 7 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Jan 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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Arrangement beigetretenen Gläubiger angefochten werden, wenn er dur positiv unwahre Vorspiegelungen oder durch absicht- liches Verschweigen der wahren Sachlage in den Jrrthum ver- seßt worden war, daß eine Bevorzugung anderer Gläubiger nicht stattfinden werde, während solche Bevorzugungen that- sächlih doch stattgefunden haben, und er dadurch zum Beitritt zum Arrangement bestimmt worden war.

Sigmaringen, 5. Jan. (Karlsr. Ztg.) Die Feier des DjährigenRNegierungs-JubiläumsSr. Majestät des Kaisers und Königs wurde hier in würdigster Weise

begangen. Früh Morgens sandten Böller ihre donnernden Grüße durchs Thal hin. Die ganze Stadt war reichlih beflaggt. Vormittags 9 bezw. 10 Uhr fanden in den Kirchen beider Konfessionen Gottesdienste statt. Abends 7 Uhr hatte sich eine zahlreihe Versammlung aus allen Ständen der Bevölkerung in dem geshmackvoll

dekorirten Saale des Hotel Schach zu einem Festbankett ein- gefunden, woselbst Gymnasial-Direktor Dr. Buschmann im Auftrage des Gemeinderathes eine trefflihe Ansprache hielt und der Liebe zum Kaiser. und zum Deutschen Vaterlande einen beredten Ausdruck gab. Musikvorträge der dortigen Kapelle, abwechselnd mit patriotischen Gesängen, hielten noch ferner die Festtheilnehmer bis zur späten Abendstunde in freudiger Stimmung beisammen.

Sachsen. Dresden, 7. Januar. (Dr. J.) Der Großherzog von Oldenburg ist heute früh nah Olden- burg zurügereist. Am 5., Abends, traf der Fürst Leo- pold von Hohenzollern von Berlin hier ein, stieg in der Königlichen Villa zu Strehlen ab und i} gestern Nachmittag nah Sigmaringen weiter gereist.

7. Januar. (Dr. J.) Beide Kammern nahmen heute ihre Arbeiten wieder auf. Die Zweite Kammer beschäf- tigte sich zunächst mit der allgemeinen Vorberathung mehrerer von Mitgliedern eingebrahter Anträge. Ein Antrag des Abg. von Oehlschlägel auf Beseitigung des 25 prozentigen Zu- shlages zu den Gerichtsgebühren für Grund- und Hypothekensahen wurde nach einiger Debatte, in welcher sich außer dem Abg. Georgi sämmtlihe der Kammer angehörige Redner im Sinne des gestellten Antrags aus- sprachen, Staats-Minister Dr. von Abeken hingegen darauf hinwies, daß diese Erleichterung bei der Geringsügigkeit der in Betracht kommenden Beträge dem Grundbesitz kaum fühlbar sein werde, daß die Einnahmen aus den Gebühren für nicht- streitige Rechtssachen in den leßten Fahren stetig herabgegangen seien, und bei den stets gestiegenen Kosten für die Nechts- pflege der Staat wohl berechtigt sei, von- den an einer guten Rechtspflege vorzugsweise Jnteressirten höhere Gebühren zu on der ersten Finanzdeputation überwiesen Derselbe

eschluß wurde gefaßt bezüglich eines Antrages des Vize- Präsidenten Dr. Pfeisser auf Erhöhung der in den Etat für Wegebau-Unterstüßungen an Kommunen und private

Grundbesißer eingestellten Summe von 180000 H auf 200000 M, nachdem der Geheime Rath von Einsiedel Namens der Staatsregierung das Ein-

verständniß der Leßteren mit dem Antrage erklärt und mehrere Redner einer noch weitergehenden Erhöhung der Wegebau- Unterstüßungen das Wort geredet hatten. Zum Schluß bewilligte die Kammer die im außerordentlichen Etat für bauliche Anlagen auf den N höfen zu Chemniß und Flöha sowie in den Eisenbahnwerkstätten zu Chemniß ge- forderten Summen.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 7. Fanuar. (W. T. B.) Der Landes-Ausschu § ist durch Kaiserlihe Ver- ordnung zum 18. d. M. einberufen worden.

Oesterreih-Ungarn. Wien, 6. Fanuar. Die Meldung

der „Bud. Corr. “, wonach die für gestern anberaumt gewesene emeinsame Minister-Konferenz niht stattgefunden

ätte, ist, wie die „Presse“ erfa hren hat, durhaus unrichtig. Es anden vielmehr gestern im Minister-Präsidium Berathungen statt. Minister-Präsident Tisza, welcher heute Vormittag von dem Kaiser in längerer Audienz empfangen wurde, kon- ferirte später mit dem Grafen Kalnoky, der Handels-Minister Graf Szechenyi und Staatssekretär Matlekovics mit

dem Sektionshef Szögyenyi. Mittags fand ein unga- rischer Ministerrath statt, dem auch die Minister Orczy und Bedekovics dveiwohnten. Von 1 bis 4 Uhr

war bei dem Grafen Taaffe eine gemeinsame Minister- konferenz, welcher die Minister Dunajewski, Pino, Tisza, Szapary und Szechenyi, ferner Sektionshef Baumgarten, Sektions-Rath Kalchberg, Staatssekretär Matlekovics und Ministerial-NRath Ludwigh beiwohnten. Es wurde die Frage der Revision des Zolltarifs, der Verzehrun gs®- steuer und des Bankprivilegiums verhandelt. Be- züglich der Tarifrevision wurde bis auf drei Posten, die in der Shwebe gelassen wurden, eine vollständige Einigung erzielt. Die * Erhöhung des Roheisenzolles wurde ungarischerseits während der ganzen Verhandlungen nicht beantragt, auch eine weitergehende Erhöhung der Getreide- zölle, als wie dieselbe in der leßten Zollnovelle proponirt ist, niht in Aussicht genommen. Bei dem Petroleum soll blos eine neue Klassifikation mit Beibehaltung der jeßi- gen Zollsäße durchgeführt werden. Die Durchführungs-Mo- dalitäten der definitiv vereinbarten Produktensteuer für P cker wurden bis auf einige weniger wichtige Details eben- alls vereinbart. Betreffs der Bo nkangelegenheit {webt nur noch eine Differenz formeller Natur. Morgen sollen die Konferenzen eventuell auch unter dem Vorsig des Grafen Kal- noky und in Anwesenheit der gemeinsamen Minister fortgeseßt und, wenn möglich, für jeßt beendigt werden. i:

Schweiz. Bern, 7. Januar. (Bund.) Das nunmeh nach den Beschlüssen der eidgenössishen Räthe definitiv festge- stellte Budget für das Jahr 1886 weist folgende Bilanz áduf: muthmaßlihe Einnahmen 57 639 000 Fr muthmaßliche Ausgaben 57 779 000 Fr.; somit beträgt das muthmaßliche Defizit 140 000 Fr.

Die eidgenössischen Zölle haben im verflossenen Jahre 21 063 279. 41 Fr. abgeworfen, oder 423 298. 18 Fr. weniger als im Jahre 1884. Dieser Ausfall ist namentlich der beträchtlihen Mindereinnahme im Dezember 1885 (600 673. 20 Fr.) zuzuschreiben. Gegenüber der budgetirten Summe (19815000Fr.) haben die Zölle 1885 1 248 279. 41 Fr. mehr abgeworfen. Für das Jahr 1886 sind die Zollein- nahmen auf 20 335 000 Fr. veranschlagt.

Großbritaunien und Frland. London, 6. Januar. (Allg. Corr.) Die Königin hat das Patronat der im

Mai in Süd-Kensington zu eröffnenden kolonialen und indishen Ausstellung übernommen.

Die „Times“ weist darauf hin, daß nach der Eröffnung des Parlaments die Adreßdebatte der Vunkt sei, auf den sich die Aufmerksamkeit aller praktischen Politiker rihte, da sie kaum ermangeln könne, zu zeigen, ob die liberale Partei unter Mr. Gladstone's Führershaft im Stande sein werde, sich auf der

asis einer irishen Politik zu einigen, oder nicht. Die „Times“ kann keine Aussicht auf eine folche Einigung er- blicken. Tag um Tag sammelten sich die Beweise, daß ih in jeder Gruppe der Opposition Männer befänden, und leitende Männer noch dazu, die nicht gewillt seien, den irishen Se- zessionisten ruinöse, Zugeständnisse zu machen, um die Konser- vativen aus dem Amte zu verdrängen.

Der Feldzug im Sudan ist zu Ende. General Stephenson hat auf höheren Befehl aus London die Ver- folgung der fliehenden Mahdisten eingestellt und, wie aus Abri unterm 5. d. gemeldet wird, 1st ein Theil der ersten Brigade bereits nah Koscheh zurückgekehrt. Heute wird die ganze Truppenmacht nah dem Norden dirigirt.

Die britische Armee hat, den neuesten Ausweisen zu- folge, eine Effektivstärke von circa 250 000 Mann, von denen 205 000 Mann unter den Fahnen stehen, nahezu 40 000 Mann der Reserve ersten Aufgebots und circa 7000 Mann der Re- serve zweiten Aufgebots angehören. Die Miliz ist, einschließlich ihrer Reserve, 144000 Mann und die Landwehr-Kavallerie circa 11 500 Mann stark. Die Königliche Marine zählt, einschließlich der Küstenwache, der Sec- Artillerie und -Fnfanterie, gegen 60000 Mann. Die Freiwilligen-Bataillone im FJn- lande umfassen 220 000 Mann; die indishe Sepoy-Armee hat jeßt eine Gesammtstärke von 150 000 Mann, und die canadische aktive Miliz zählt über 45000 Mann. Diesen Hülfsquellen reihen sich an: mehrereMiliz-Regimenter auf den Kanal-Fnseln sowieFrei-

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willigencorps in West-Fndien, am Kap, in Ceylon, Hongkong, |

Malta, Natal, Neusüdwales (einschließlich eines Corps regu- lärer Artillerie), Neuseeland, St. Helena, Singapore, Süd- Australien (einschließlich der permanenten Artillerie), Tasma- nien, Victoria, West-Australien und r7öndien.

Großbritanniens Staatseinkünfte vom 1. April bis 31. Dezember 1885 beirugen, einschlicßlich eines vorgetra- genen Saldos von 4993 207 Pfd. Sterl., 53205829 Pfd. Sterl. gegen 58 671 395 Pfd. Sterl. im entsprechenden Zeit- abschnitt des vorhergehenden Finanzjahres, das mit einem Saldo von 5 6532569 Pfd. Sterl. begann. Die Ausgaben in dem gleichen Zeitraum beliefen sih auf 64 852 481 Psd. Sterl. gegen 60037490 Pfd. Sterl. in den entsprechenden drei Quartalen des vorigen Finanzjahres. Das Guthaben des Schaßamts in den Banken von England und Jrland betrug am 31. Dezember 1 534 443 Pfd. Sterl.

Ueber die Zustände in Birma wird dem „Reuterschen Bureau“ aus Rangun, unterm 5. d., gemeldet, daß das Freibeuterwesen in Nieder-Birma noch immer beträchtliche Lebensfähigkeit zeige. Eine von dem Befehlshaber in Shwegyin eingegangene Depesche meldei, daß er dringend Verstärkungen brauche, da S800 Sha ns seine Streitkraft anzugreifen drohen. Fn Folge dessen wurden sofort 100 Mann Truppen mit einigen Ka- nonen in TFilmärschen zu seinem Beistande abgeschickt. Nach Berichten des Generals White, des Befehlshabers in Mandalay, vermehren sih die Freibeuter in großem Maßstabe. Sie seien nicht länger blos Marodeure, sondern folgten den Fahnen von Thronprätendenten. Fn Folge des von diesen Frei- beuterbanden in der Umgegend von Mandalay und felbst innerhalb der Hauptstadt ausgeübten systematishen Terro- rismus herrsche thatsählich ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit. Es ift demnach beschlossen worden, ausgedehnte und thätige Operationen zu beginnen, um die Macht der Rebellen zu brechen und der Bevölkerung einen Beweis von dem britischen Uebergewicht zu geben. Zu diesem Zwek sind drei Kolonnen von einer Gesammtstärke von 1200 Mana gegen die Nebellen entsandt wordeu. General Prenderga|t langte am 28. v. M. in Bhamo an. Der birmanische Truppen- befehlshaber Cesitai flüchtete bei der Annäherung dex britischen Truppen und übergab den Befehl dem Wun von Bhamo, der sih dem General Prendergast unterwarf.

Frankreich. Paris, 7. Januar. (W. T. B.) Der Präsident Grévy hat die Dekrete, betr. die Ernen- nung der neuen Minister, heute Abend 6 Uhr unter- zeichnei. Das Ministerium ist folgendermaßen zusammen- geseßt: de Freycinet, Präsidentschaft und Auswärtiges; Sarrien, Jnnerxes; Sadi Carnot, Finanzen; Goblet, Unter- richt; Boulanger, Krieg; Aube, Marine; Demole, Justiz; Baihaut, öffentlihe Arbeiten; Develle, Landwirth- schaft; Lockroy, Handel; Granet, Posten und Tele- graphen. Die Verwaltung der unter das Pro- tektorat Frankreichs gestellten Länder, wie Annam, Tongking, Madagaskar, Cambodscha, ist von den Ministerien der Macin2 und der Kolonien abgezweigt und wird künftig dem Ministerium des Auswärtigen uaterstehen. Der Conseils-Präsident wolltedie Drganisation dieser Pro- teftorate sih selber vorbehalten. Mit Rücksicht auf die Aus- debnung der die Arbeiterklassen interessirenden Fragen hat das Handels-Ministerium die Bezeichnung „Ministerium für Handel und Jndustrie“ angenoramen.

Eine Depesche des Generals de Courcy meldet: Aufständische hätten Ende Dezember das katholische Missionsgebäude in dem Gebirge von Nghan-Annam erstört. Ein französischer Missionar und gegen 500 Christen faien getodtet worden. Eine Truppen- Abtheilung unter dem Oberbefehl Chaumonts hätte die Aufscändischen verfolgt und ihnen Waffen und Munition abgenommen.

8. Januar. (W. T. B.) Die Mehrzahl der hiesigen Zeitungen nimmt das neue Kabinet, da dasselbe als ein Kabinet der Versöhnung anzusehen sei, günstig auf. Es heißt: Constans werde zum General-Gouverneur von Algier ernannt werden.

Amerika. Washington, 5. Fanuar. (Allg. Corr.) Heuïe trat der Kongreß wieder zusammen. Das Reprä- fsentantenhaus empfing von seinen Mitgliedern eine unge- heuere Anzahl von neuen Geseßoorlagen. Der Sprecher, Mr. Carlisle, hat seine Liste der Ausschüsse fertig gestellt. Mr. Bland is zum Vorsißenden des Ausschusses für das Münzwesen ernanut worden, aber, wie man sagt, opponirt die Mehrzahl der Aussc{ußmitglieder der Politik fort-

esezter Prägung von Silberdollars. Mr. Morrison aus Allinois ist zum Vorsitzenden des Ausschusses über Wege und

ittel gewählt worden, Mr. Nandall aus Pennsylvanien zum Vorsitzenden desjenigen übec Geldbewilligungen, Mr. Hewitt

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aus New-York über Marine-Angelegenheiten, und Mr. Belmont aus New-York über auswärtige Angelegenheiten.

7. Januar. (W. T. B.) Der Präsident Cleve- land hat dem Senat Schriftstücke vorgelegt über die Schritie, welhe von der amerikanishen Regierung gethan wurden, um die Ansichten der auswärtigen Regierun- gen über die Feststellung eines internationalen Werth- verhältnisses zwishen Gold und Silber zu erfahren.

Afrika. Egypten. Kairo, 7. Januar. (W. T. B.) Die Konferenzen des Khedive mit Drummond Wolff und Mukhtar Pascha über die sudanesishe Frage wer- den gemäß der Konvention demnächst beginnen. Wie es heißt, wünscht der Khedive die Konvention durchgeführt zu sehen. Mukhtar Pascha äußerte sih heute anläßlich einer vorläufigen Besprehung zu Gunsten einer Vermehrung der egyptischen Armee auf 16 000 Mann, wodurch die egyptishe Regierung in den Stand geseßt würde, selbst die Grenze des Sudan zu vertheidigen. Wolff macht seinerseits geltend, daß das Budget für die hierzu erforderlichen Ausgaben nicht ausreichen würde.

Zeitungsstimmen.

___ Die „Deutsche Volkswirthschaftliche spondenz“ schreibt zur wirthschaftlichen Situation : Es ist ein abgenutztes Manöver, wenn die „National-Zeitung berichtet, daß „die Einfuhr nah Deutschland zunimmt, die Ausfubr dagegen in Quantität und Werth E und daraufhin eine fulminante Anklage gegen das System der s{hüßenden Zölle formulirt. Was war dekn der Zweck der Jnaugurirung der nationalen Wirthschaftspolitik anderes, als der Schutz der deutshen Industrie und ihrer Entwickelung ? Ist diese Entwickelung vielleiht ausgeblieben? Wir haben noch kürzlich auf den Bericht des britischen Geschäftsträgers in Dresden verwiesen, in welchem die „National-Zeitung“ lesen kann, wie das Ausland von der Entwickelung der deutschen Industrie denkt. Die wirthschaftliche Lage ift nicht befriedigend; gewiß nicht. Aber sind denn die Schußtzzölle \{chuld, oder, wie die „National-Zeitung sagt, „die Ausbildung des Protektionismus, icelhe zu den besonders

Corre-

\harf charakterisirenden Merkmalen des Jahres 1885 gehört 2“ Wir glauben doch kaum, daß die Redaktion der „National-

Zeitung“ ch zu der Behauptung bekennen will, daß die wirthschafstliche Situation besser wäre, wenn man im Jahre 1879 nicht mit den Lehren der manchesterlihen Wirthschaftspolitik gebrochen hätte. Als dieser Bruch damals erfolgt war, besserte si die wirthschaftlihe Lage in ganz bemerkenswerther Weise, worin man den Beweis zu erblicken hat, daz es in der That die frei- händlerishen Bahnen waren, auf welhen man damals zu so un- günstigen Verhältnissen gelangt ist. Wären aber an der Ungunst der gegenwärtigen Verhältnisse die Schutzzölle schuld, so müßten doch in dem Land des Freihandels par excellence Spuren von dem zu entdecken scin, was die „National-Zeitung“ die Wohlthaten des Freihandels nennen würde. In Wahrheit sind jedoch die Verhältnisse in England noch weit \ch{chlechter als bei uns. Die „National-Zeitung“ giebt wies zu und gewährt dem folgenden Bild von dem abnehmenden Verkehr Englands Aufnahme in dic umfangreihen Spalten ihres Jahres- berichts : C O

führte cin führte aus

1884 1883 1882 1884 18853 18892 Millionen Pfund Sterling Neberhaupt . 389,9 4260 4118 92329 239,8 241,5 Davon aus y resy. nach: Deutschland . 29/6 27,9 25,8 30,7 31,8 30,5 Sud. 4 386 390 96,3 29,4 99,8 Britische Be- E O 98,7 99,4 80,8 83,9 84,8

/ Dée Abnahme des Absatzes englisher Waaren in den englischen Besißungen ist insbesondere symptomatish. In den ersten 11 Monaten ves Ia zres vuifsaßte Englands

| Import Erport

188? 1884 1883 1882 1885 1884 1883 1882 Millionen Pfd. Sterl.

3497 356,7 391,6 3764 197,7 215,0 220,8 923,3

Die „National-Zeitung“ bemerkt dazu:

„Großbritannien, das im Verlaufe von Jahrhunderten, unbehe!ligt im Besiße des Monovols des überseeischen Verkehrs, groß geworden urd zu einer Kapitalmacht erstarkt ist, welche bislang im Kampf um den Vorrang auf dem Weltmarkt und gegen die Konkurrenz anderer Sraaten als unbesiegbar galt, sieht sich nunmehr von allen Seiten bedrängt und zum Theil aus feiner Stellung geschoben“.

Wir wollen uns dazu die Frage erlauben: Woher kommt cs denn, daß England, das seither im Konkurrenzkampf als unbesiegbar galt, jetzt von allen Seiten bedrängt und zum Theil aus seiner Stel- lung geschoben ist ? In der Hauptsache doch daher, daß die ande- ren Staaten sich von dem Irrlicht des Cobden-Klubs und sciner Lohce, dic nur England zu Statten kam, abgewandt haben. Wären Deutschland und andere Staaten, von denen wir besonders die Ver- einigten Staaten nennen wollen, dem Freihandel treu geblieben, so sähe es jedenfalls besser mit der britishen Handelsbilanz aus; um fo r.ngünstizer würden aber die wirthschaftlichen Verhältnisse in Deutsch- sand ch gestaltet haben.

Während man darüber in dem konkurrirenden Ausland einig ift, die deutsche Zolpolitik der deutschen Industrie mächtig unter die Arme gegriffen hat, bleiben nur die deutschen Freihändler (v. h.: das, was von ihnen übrig geblieben ist) dabei, daß die s{hütßenden Zölle etwas Verwerfliches seien. Man kann jedoch versichert sein, daß sie sih nicht begnügen würden mit einer abfälligen Kritik, sondern daß "ie versuchen würden, eine freihändlerische Agitation in Gang zu bringen, wenn die Thatsachen ihnen dazu eine Grundlage böten. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Wenn heute in Deutschland, wie in der ganzen Welt, die wirthschaftlihen Zustände Anlaß zu Klagen geben, jo liegt dics daran, daß der Konsum nicht mit der rapide entwickelten Produktion Schritt gehalten hat. .

Wenn wir jedoh, an der Schwelle des neuen Jahres, Umschau halten über die wirthschaftlihe Situation aller Völker, so können wir in Deutschland mit der unsrigen noch immer zufrieden sein. Wir besitzen cine kräftig entwickelte leistungsfähige Industrie, die ihren Konkurrenten stetig Terrain abgewinnt, einen abundanten Kapitalbesitz und einen auf Ausdehnung bedachten Handel. Wessen es bedarf, das sind nur günstige politi)che Verhältnisse und Erweiterung des Absatz- gebietes für die Industrie, um bessere Zustände herbeizuführen.

Fn den „Berliner Politishen Nachrichten“ lesen wir:

Ueber vie 1irthschaftlihe Bedeutung eines eigenen Kolonialbesitzes suhht unsere „freisinnige“ Opposition, gestützt auf die Sandloch- resp. Nasenstübertheorie bekannter Parteigenossen, dem deutschen Volke die allerverkehrtesten Anschauungen beizubringen. Leider nimmt der am agitatorishen Gängelbande geleitete deutsche Arbeiter und Kleinbürger nur zu Vieles auf Treu und Glauben hin, was sich die gleichen Volkskreise anderer Länder nun und nimmer bieten lassen würden. Ein englisches Arbeiterpublikum z. B. würde jeden Volksredner einfach auslachen, der ihm weismachen wollte, die Kolonien Großbritanniens seien eine unnütze Last sür das Mutterland: denn er weiß, daß dieselben, und namentlich Indien, das Rückgrat des englishen Handels, der englischen Industrie, somit eine der vornehmsten Quellen feines eigenen Verdienstes find. Letßtere Thatsache geht ganz besonders deutlich aus der neuesten fstatistishen Uecber- sicht des englishen Eisengeschäfts im abgelaufenen Jahre hervor. Während der ersten elf Monate des Jahres 1885 kaufte Australien eng-

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{es Eiscn im Werthe von 3039 107 Pfd. Sterl., Indien für 010 Pfd., Kanada für 1130000 Pfd., Süd-Afrika für 904 525 Pfd. Sterl. Die Kundschaft dieser vier hauptsächlichsten Kolonialbezirke Englands repräsentirt also allein in der Eisenbranche einen Werth von nahezu 7 Millionen Pfd. Sterl. = 140 Millionen Mark. Dazu treten noch die Vereinigten Staaten mit einem Konsum im Werthe von 3 779 359 Pfund Sterling. Und diesen Ziffern ent- spriht dic Konsumfähigkeit der Kolonien für fast sämmtliche anderen enalischen Industrie- und Fabrikationsbranhen. Und ange- ichts solder Erfal,rungsthatsahen hat der „Deutschfreisinn“ nebst Anhängseln nur Hohn, Spott und Mißachtung für die Inaugurirung einer selbständigen Kolonialpolitik des Reichs.

Statistische Nachrichten.

Die Einfuhx vonGetreide, Hülsenfrüchten und Malz hat nah dem Novemberheft zur Statistik des Deutschen R eichs in der Zeit vom 1. Januar bis Ende November 1885 im Ver- gleich zu demselben Zeitraum des Vorjahres, ungeachtet der erbeblichen Steigerung dieser Einfuhr im erften Haibjahr 1885 vor dem Eintritt der höheren Zollsäte, im allgemeinen eine nit unerheblihe Abnahme erfahren. Es wurden nämli eingeführt (alles in D. C. = Doppel- Centnern zu 100 kg) an Weizen 5 549 867 (— 1170594), Roggen 7936 234 (— 1 341575), Hafer 2 060 049 (— 1 406 260), Buchweizen 152 399 (+ 44 928), Gerste 3 962 709 (+ 422 272), Malz 595 130 (4-17 436), Mais und \yrischem Dari, roher Hirse und Hülsenfrüchten zu- sammen 2339 981 (+ 20910), im ganzen demna 3 412 833 D. C. weniger als in dem fkorrespondirenden Zeitraum des Vorjahres. Auch die Einfuhr von Mühlenfabrikaten (Mehl, geschrotene oder ge- {älte Körner, Graupen, Gries, Grüße) ist gesunken, nämlich von 530 485 auf 258 697 D. C.; ebenso die. Einfuhr von Reis von 759 782 auf 728 087 D. C. Die Ausfuhr von Getreide, Hülsenfrüchten und Malz belief sh in dem gedachten Zeitraum nur auf 501 976 bezw. 77707 und 50837 D. C. gegen 909 982 bezw. 64579 und 86 038 D. C. im gleichen Zeitraum des Vorjahres, ist demnach nur bei Hülsenfrüchten gestiegen, im übrigen merklich zurückgegangen. Weniger war dies bei der Ausfuhr von Mühlenfabrikaten der Fall, die von 1214 670 auf 1202 946 D. C. gesunken ist.

Am 1. September 1885 belief sh der Beamten- und Arbeiterbestand der sächsishenStaatsbahnen und der unter Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen nah ciner amtlich vor- genommenen Zählung auf 25 184 Köpfe; davon waren 8632 fest- angestellte Beamte und 16552 gegen Tage- oder Wochenlohn be- \chäftigte Arbeiter. Dieser Personalbestand vertheilte sih auf die verschiedenen Dienstzweige wie folgt :

Es enifielen

auf Beamte Arbeiter dié Qa 324 264 den Stationsdienst ae oie Bahnunterhaltung . 2018 4194

1636 912

den Fahrdienst l 2 1287 938

den Maschinenbetricbsdienst

die Maschinen-Hauptverwaltu 158 2849 die Sckundärbahnen . 7 177

zusammen 8632 16552

Gegen das Vorjahr ist eine Zunahme von 784 Köpfen zu ver- cinen, und zwar von 148 Beamten = 1,7 9%/% und 636 Arbeitern oder 4,0 %%, sowohl in Folge des gesteigerten Verkehrs wie der Gr- öffnung von fünf neuen Linien. Das sächsische Staatsbahunet (ein- schließlich der untec Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen) hatte am genannten Tage eine Längc von 2320 km, so daß auf jeden Kilo- meter Bahnlänge 5,71 Beamte und 7,13 Arbeiter entfielen.

Dem einen stattlihen Band bildenden Bericht des Magistrats von Frankfurt a. M. an die Stadtverordneten über die Verwal - tung und den Stand der Gemeindéangelegenheiten am Schluß desEtatsjahre81883—85 ist Folgendes entnommen : DasStandes- amt verzeichnete 4129Geburten, 3145 Sterbefälle, 1340 Gheschließungen, 1400 Aufgebote, 29 Ehescheidungen. Rechneiamt. Die Anlehens- huld betrug am 31. März 1889: 837285 488,43 F. gegen 34 764 260,04 M. im Vorjahre. Die Einnahmen im Ordinarium betrugen insgesammt & 927 806,09 1, überstiegen den Voranschlag um 442796,68 ( Die Ausgaben mit 8 352755,47 4 blieben gegen den Voranschlag zurück um 132 253,94 46 Es ergab sich somit im Ordinarium ein in dem Extraordinarium zu verwendender Ueberschuß von 575 05062 ( Die Einnahmen im Extraordinarium er- gaben 4 214 933 J. (davon 2 970 244 M aus Anlchen). Die Ausgaben erforderten 4 789 984 4( An direkten Staatssteuern gingen in Frankfurt a M. ein: Grundsteuer 26 443 4, Gebäudesteuer 743 971 M, Gewerbesteuer 362 671 4, Klassensteuer 472 500 f, Einkommensteuer 1 630 746 Æ, zusammen 3 236 332,38 M. oder 20,81 M. pro Kopf der Bevölkerung. Die städtischen Steuern crtrugen: Zuschläge zur Staats-Klassensteuer 300036 1, zur Staats-Einkommensteuer 2 454 071 ((, Einkornmensteuer von juristishen Personen und Forensen 626 048 „(, Wohnungs- und Miethssteuer 1 089 915 46, Währschafts- geld 219 007 /((, sonstige Steuern 116 227 4, Summa der städtischen Stcuern 4 805 006,52 4. oder 30,99 {(. pro Kopf der Bevölkerung. Der Stadtwa!d ergab ?inen Netto-Ertrag von 124 724,65 4. Bau- beschcide wurden 634 ertheilt. Die städtische Wasserleitung mit einem Aulaç;ekapital von 11 692 499 4. hatte Einnahmen aus Wafsser- geld u. f. mw. 1040496 4, Betriebsunkosten 280 463 #, Ueberschuß der Finnah1mne 760 033 M, Durchschnittsverzinfsung des Anlagekapita!s somit 6,70 pCt. An den städtischen Kanal find angeschlossen 7144 Häuser mit 21 131 Wohnungen. Die Länge der städtischen Siele selbst ist 166 479 m. Das städtische Duellwasser-Rohrneßtz hat cine Gesammitlänge von 143 399 m, das Flußwasserrohrneß cine solche von 4434 m. Von der Strafenbau-Abthlg. wurden 31271 qm neuc Fahrbahnflächen, 20498 qm neue Lrottoirflächhen, 6073 qm CGhaussirungsflächen hergestelll und 83 840 qm Pflaster- und 81 710 qm (Thaustirungsflächen reparirt. Im Schlacht haus wurden geschlachtet 12537 Ochsen, 3711 Kühe, 41095 Schweine, 38 375 Kälber, 19 259 Hammel. Der neuerbaute Viehbof umfaßt 7 ha 1 a 60 qm und enthält neben Verwaltungs - und Börsfengebäude Stallraum für 900 Stück Großvich, 4100 Stück Kleinvieh. Der Großviehmarkt bietet Raum für 1000 Stück Großvieh. Auf den Viehhof wurden angetrieben 23 472 Ochsen, 16 724 Kühe, 47439 Schweine, 34 892 Kälber, 16 500 Hammel x. Ortskrankenkassen sind 10 gebildet, welche Anfangs Januar 1885 7140, Ende März 1885 bereits 9395 Mitglieder zählten und sich wohl bewähren. Die Berufs- feucrwehr bestand auë 1 Branddirektor und 77 Mann. Die frei- willige Feuerwehr lbestcht aus 290 Mann und wird ständig beim Sicherheitêdienst , wie bei größeren Bränden herangezogen. Die Theaterfeuerwehr bestcht aus 16 Mann. Das städtische Feuer- LTelegraphenkabel ist 47875 m lang und beförderte 34 139 De- peschen. Die Straßenreinigung erforderte 133 §74,590 4. Es wurden gereinigt insgesammt 1 365 239 am Straßenfläche. Das Per- fonal ist 140 Mann stark. Die Straßenbegießung erforderte 92741500 1 Wasser und kostete 37283 #.… Der |tädtishe Fuhr- park besteht aus 90 Pferden. Die städtischen Schulen wurden besucht von 17 073 Schülern. Die Einnahmen betrugen 856 900 M, die Ausgaben 1695 498 ((, somit städtischer Zuschuß 238597 M An den 27 städtischen Schulen unterrichteten 394 Lehrer und 75 Lehrerinnen. Die Armenverwaltung unterstützte 11 303 Perfonen und erforderte_ die Außenarmenpflege 308 715 #, die geschlossene Armenpflege 375535 e. Das städtishe Pfandhaus hat bei Be- rechnung von 12 % Zinsen auf 43 176 Gegenstände 553 706 M dar- geliehen und erforderte einen städtischen Zuschuß von 6657 « Dem Jahresberciht der Stadtverwaltung ist ein ausführlihes Tak ellen-

“_werf über die Sterbefälle zu Frankfurt a. M. in den Jahren

1872, 1876 und 1881 beigefügt.

Kunft, Wissenschaft und Literatur. _… Das Gerichtskassenwesen in Preußen. Systema- tishe Zusammenstellung aller das Kassenwesen bei den

| für die

preußishen Justizbehörden betreffenden geseßlichen und administrativen Vorschriften. it Erläuterungen von I. Wollenzien, Rendant der Königl. Gerichtskasse zu Pleschen. Berlin, 1885. Franz Siemenroth. 1. bis 3. Lieferung. Wollenziens Werk wird alle auf das Gerichtskassenwesen in | ea bezüglichen Be- stimmungen, soweit dieselben einerseits in den Landesgesetzen enthalten, andererseits in Instruktionen, Anweisungen und Verfügungen der Justiz- verwaltung oder anderer Verwaltungsbehörden zum Ausdruck gelangt sind, in ihrer heutigen Gestaltung und Geltung umfassen. Diese Bestim- mungen werden vollständig in ihrer amtlichen Tertfassung wiedergegeben und in 10 Gruppen systematish zusammengestellt werden. Diese zehn Gruppen bezw. Abtheilungen sind folgende: I. Kassenverwaltung, 1I. Fondsverwaltung, 111. Verwaltungszwangsverfahren, IV. Vertre- tung des Fiskus, V. Kanzleiwesen, VI. Revistonswesen, VII. Defekten-

| verfahren, V1II, Verwahrungswesen, IX. Kautionswesen, X. An-

hang. Die größeren und wichtigeren dieser Bestimmungs- akte, insbesondere die Kafseninstruktion, die Etatsinstruktion und die Verordnungen über das Verwaltungszwangsverfahren, find mit fort- laufenden erläuternden Anmerkungen und erklärenden Hinweisen auf Parallelstellen versehen; auch, soweit diese Bestimmungsakte auf ander- weite geseßlihe oder reglementarische Borschriften verweisen, die in Bezug genommenen Vorschriften theils in ihrer ursprünglichen Fassung, theils ihrem wesentlihen Inhalt nach in den Anmerkungen wieder- gegeben. Außerdem wird dem praktishen Bedürfniß durch Ein- rethung von zahlreihen Formularen und Einfügung von Beispielen

Rechnung getragen. Auf diese Weise dürfte mit Wosllen- ziens „Gerichtskassenwesen“ sowohl den Kassenbeamten und An- wärtern im Kassenfah ein den Dienst erleihterndes und die Belehrung förderndes nüßlihes Hilfsbuch, als auch den als Kafssenkuratoren fungirenden Michtern und anderen Vor-

standsbeamten zur bequemen Orientirung ein willkommenes Nach- \chlagebuch dargeboten werden. Das ganze Werk wird in 6 Lieferungen von gleihem Umfange und zum Preise von je 1,90 M ausgegeben. Die drei ersten Lieferungen, die soeben erschienen, ent- halten die I. Abtheilung, Kassenverwaltung (A. Kasseninstruktion vom 1. Dezember 1884, B. Anweisung vom 11. Dezember 1884, betreffend die Wiedereinziehung der Kosten, welche bei den von der Verwaltung des Innern ressortirenden Straf- und Gefängnißanstalten entstehen, C. Allgemeine Verfügung vom 23. März 1885, betreffend die für Rechnung der Justizoffizianten - Wittwenkasse durh die Gerichtskassen zu leistenden Zahlungen) vollständig und von der Ii. Abtheilung, Fonds- verwaltung, die ersten 2 Unterabtheilunç en (A. Allgemeine Verfügung, betresfend die Bezeichnung der Kapitel und Titel des Justizetats vom 9, Dezember 1884, nebst zugehörigem Verzeichniß; B. Instruktion für vie Verwaltung der Etatsfonds bei den Justizbehörden vom 3. März 1885).

—— Von der 4. verbesserten Auflage der von den Rechtsanwälten beim Kammergeriht, Geh. Justiz-Rath G. von Wilmowski und M. Levy (Verlag von Franz Vahlen , Berlin) mit Kommentar herausgegebenen Civilprozeßordnung und des Gertichts- verfassungs8geseßzes für das Deutsche Reich ift vor Kurzem die 6. (Schluß-) Lieferung (XV1 S. u. S. 1041—1328) erschienen. Dieselbe enthält von dem. 9. Buch der Civilprozeßordnung (Aufgebots- verfahren) Fortseßung und Schluß, sowie das 10. Buch (Schiets- richterlihes Verfahren). Nachdem somit die Civilprozeßorduung vom 30. Januar 1877 in thren 10 Büchern, von einem reichhaltigen Kom- mentar in den Anmerkungen zu den einzelnen Paragraphen begleitet, vollendet vorliegt, folgt nun in der vorliegenden 6. Lieferung das Gefeß, betreffend die Einführung der Civilprozeßorduung, vom 30. Januar 1877, gleich*alls mit ausführlihem Kommeuntar versehen ; auf das Einführungsge]eß sodann das Gerichtsverfassungsgesez vom 27. Januar 1877 mit seinen 16, ebenfalls erläuterten Titeln (Richter- amt, Gerichtsbarkeit, Amtsgerichte, Schöffengerichte, Landgerichte, Schwurgerichte, Kammern für die Handelsfachen, Ober-Landes- gerihte, Reichsgeriht, Staatsanwaltschaft, Gerichtsschreiber, Zu- stellungs- und Bollstreckungsbeamte, Rechtshülfe, Oeffentlichkeit und Sikßungspolizei, Gerichtssprache, Berathung und Abstimmung, Gerichts- ferien); endlih das Einführungsgeset zum Gerichtsverfassungsgeseß vom 27. Januar 1877. An diese verschiedener Abtheilungen \ch[licßt sich bierauf noch cin „Nachtrag“ zu den voraufcegangenen 10 Büchern der Civilprozeßordnung an. Den Schluß des trefflichen Werks endlich bildet cin sehr reihhaltiges und genaues Sachregister. Nachdem das Werk somit in der 4. Auflage zum Abschluß gelangt ift, bemerken wir nur noch, daß auch bei der Bearbeitung dieser 4. Auflage Geset- gebung, Literatur und Nechtsprechung nach Möglichkeit berücksichtigt und verwerthet sind, und daß, wie man fch unshwer überzeugt, das Werk von Neuem ciner sorgfältiger. Durhsih7 unterworfen und überall, wo es nöthig schien, die zur Bereicherung bessernde Hand angelegt worden ift zur Berichtigung von Irrthümern, zur Bereicherung des Kommentars mit ettiiDen Material, sowie zur Gewinnung weiterer theoretischer Erkenntniß der prezessualishen Rechtsinstitute nah ihrem dogmatischen Inhalt und ihrer ge\c{ichtlihen Entwickelung. Der Preis für das vollständige Werk, das in der 4. Auflage 84 Bogen umfaßt, beträgt geheftet 25 K, gebunden (in 2 Bänden) 39 .

Hülfsbuch für ven Unterricht in dex branden- burgish-preußishen Geschichte für höhere Lehranstalten und Mittelsck{ulen, von Dr. K. Lohmeyer, Professor an der Universität zu Königsberg i. Pr., und A. Thomas, Oberlehrer am Realgymnasium zu Tilsit. Halle a. S. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1886. Preis 1 Bekanntlich sind zwar zahl- reiche, au vielfah aufgelegte Hülfsbücher für den Unterricht in der preußischen Geschichte bereits vorhanden ; gleihroohl ist vas vorliegende geschichtliche Lehrbuch keineswegs überflüstig, da in jenen sehr oft die Forschungen der leßten Jahrzehnte und ihre reihen Ergebnisse wenig oder gar nit berück‘ihtigt sind. Dies ist jedoch von den Verfassern der vorliegenden Schrift durhaus und überall ges{hehen, obwohl sie ih bei dieser Berücksichtigung des gegenwärtigen wissenschaftlichen Standpunkts mit Recht nur auf feststehende Resultate beshränkt und Alles, was sih noch in der Schwebe befindet oder nur auf Vermuthung beruht, bei Seite gelassen haben. Das vorliegende Buch ist zunächst Ober-Tertia höherer Unterrichtsanstalten berechnet, kann aber auch an Mädchenschulen, an Mittelschulen und im Privat- unterriht Verwendung finden. Was die Auswahl des Stoffes betrifft, so ist, in Unterschcidung von den meisten anderen Hülfs- büchern der preußisch-brandenburgishen Geschichte, im 1. Abschnitt die Geschichte des Ordenslandes Preußen mit besonderer Ausführlich- keit (auf 17 S., bis z. J. 1618) behandelt, weil, wie die Verfasser sagen, gerade dieser Theil der preußischen Geschichte in den Schul- büchern mit hervorragender Kritiklosigkeit behandelt zu werden pflege. Auf diesen Abschnitt folgt sodann (v. S 18—938) in 8 Abschnitten übersichtlih und klar die Geschichte bis zur Herstellung des Deutschen Reichs durch Kaiser Wilhelm am 18. Januar 1871. Dieser zusammen- hängenden geschichtlichen Darstellung sind ferner noch die wichtigsten Iahreszahlen aus der brandenburgis{chpreußischen Geschichte bis zum 10, Mai 1871, eine Uebersicht der äußeren Entwickelung des bran- denburgisch-preußishen Staatsgebiets bis auf die Gegenwart (1866), sowie 2 genealogishe Tabellen angefügt. : s

In demselben Verlage und für denselben Preis erschien soeben, gleihfalls von Professor Dr. Lok meyer und Oberlehrer Thomas verfaßt, cin „Hülfsbuch für den Unterricht in der Deutschen Geschichte bis zum westfälishen Frieden“ (85 S.). Dieses Buch bildet die Ergänzung des oben besprochenen Hülfsbuchs für die brandenburgish-preußishe Geschichte, so daß beide Bücher zusammen den für die Tertia höherer Lehranstalten vorgeschriebenen Stoff um- fassen und abschließen. Doch dürfte auch dieses Büchlein nit blos an den höheren Unterrichtisanstalten im engern Sinne des Worts, sondern au an Mädhenschulen, an Mittelshulen und beim Privat- unterricht Verwendung finden können. Auch bei dieser Arbeit sind die Verfasser bemüht gewesen, den streng wissenschaftlihen Standpunkt zu wahren. Die äußere Einrichtung entsyriht genau der des andern Buches. Am Schluß sind, außer der Inhaltsangabe der Deutschen Geschichte bis zum westfälishen Frieden 1648, die wichtigsten Jahres- zahlen aus der Deutschen Geschichte bis zum westfäl:\{chen Frieden und 5 genealogische Tabellen beigegeben.

_ _— eBerlin und Wien in den Jahren 1845—1852, poli- tishe Privatbriefe des damaligen Königlich sächsischen Legations-

Sekretärs Karl Friedrich Grafen Vitßzthum von Edckstädt, mit einem Vorwort von Dr. Karl Müller.“ (338 S. gr. 89,

Stuttgart, Verlag der F. G. Cotta’shen Buchhandlung, 1886, geb. 5 M, eleg. geb. 6 M). Die zahlreichen bier der Oeffentlichkeit über- gebenen Briefe sind in den Jahren 1845 bis Mitte 1847 in Berlin, dann bis April 1852 in Wien, wohin der Verfasser verseßt worden war, geschrieben, und sind, stets unter dem frishen Eindruck der Er- eignisse verfaßt, ein getreuer Spiegel der politischen Verhältnisse ibrer Zeit, insonderheit in der deutshen Frage, welcher Graf Vitthum ver- möge seiner amtlihen Stellung, dann aber auch aus persönlihem In- teresse mit besonderer Aufmerksamkeit folgte. Er hat in Berlin die Zeit des Vereinigten Landtags, in Wien die Märzrevolution mit ihren Nachwehen und Folgen, Oesterreihs Siege und fein Ringen um die

versGelt in Deutschland erlebt, alle Ereignisse tbeils aus eigener Beobachtung, theils aus Erkundigung an bester Quelle flar gestellt und darüber fortlaufend mit photographischer Genauigkeit an setne Mutter in den hier vorliegenden Briefen berihtet. Sie enthalten daher ein sehr werthvolles und zuverläfsiges geschihtliches Material, welches um so \chäßzbarer, als es niht nah politishen Nücksihten verarbeitet ist: die Briefe sind vielmehr die Ergüsse eines für fein Vaterland glühenden jugendlichen Herzens, welches in seinen Sorgen bei der hochverehrten und hocbgebildeten Mutter Trost, in seinen Hoffnungen bei ihr Stär- lung sucht, daher si immer offen und wahr ausfpriht. Graf Vit- thum, im Iahr 1845 als 25jähriger Mann in Berlin angestellt, zeigt in seinen Briefen eine für seine Jahre ungewöhnliche Reife des Ur- theils, die er seinem ernsten Charakter und seiner gediegenen klassischen Bildung zu verdanken hat, eine feine Beobachtungsgabe und eine nicht ungewöhnliche Darstellungskunst. Die Briefe sind daher {on an ih eine anziehende Lektüre, sie berühren {on dur das Vertrauen zwischen Mutter und Sohn, welches sich aus ihnen kundgiebt, woblthuend und fesseln durch den reihen Inhalt, der fh nit auf Politik allein bezieht, sondern Alles umfaßt, was auf den jungen Grafen Eindruk gemacht hat und die theilnehmende Muttec interessiren konnte: Religion, Kunst und Wissenschaft, Personalien, Feste, Theater u. #. w., au einzelne andere Briefe sind eingestreut. Aber ihr publiz!stischer Werth liegt in der Beleuchtung der großen politischen Fragen, über die hier neues Licht verbreitet wird. Der konservative und religiöse Graf Vitthum hatte in Berlin seine Hoffnungen für das deutsche Vaterland an Preußen geknüpft, in Wien hatte ihn aber der Zauber der Persönlichkeit des Kaisers und des Fürsten Felir zu Schwarzenberg fo 'ehr in Oesterreihs Kreise ge- bannt, daß er Ende 1850 fast bedauerte, daß Fürst Schwarzenberg mit Preußen Frieden geschlossen hatte, aber bei Preußen dachte der Graf niht an den preußischen Staat, sondern an“ eine kleine revolu- tionäre Partei, welche denselben nach seiner Ansicht zeitweilig be- herrschte. So schief der Verfasser von Wien aus auch die vpreu- ßishen Verhältnisse jener Zeit mitunter auffaßte er hielt es z. B, im Jahre 1850 für möglich, daß das Ausland die preußische Regierung gegen ihre eigene Landwehr {chüßen müsse! so interessant sind seine ausführlichen Mittheilungen über die damaligen An- und Absichten Oesterreichs, über die Stimmung im Kaiserstaat und über die dort maßgebenden Persönlichkeiten. Mit der ergreifenden Erzählung von dem Tode des Fursten von Schwarzenberg it April 1852 {ließen die Briefe, da Graf Vitthum in demselben Monat al3 Geschäfts- träger nach St. Petersburg gesendet wurde. Seine {hon im Jahre 1848 gefaßte und bis zum Schluß der Briefe festgehaltene Anficht, daß die deutshe Frage nur durch Kricq gelöst werden könnte, hat die spätere Geschichte bestätigt; aub sein Schmerzens\{hret tin einem Briefe vom 21. August 1850 „Was hilft dem Könige von Preußen die beste Armee, fo lange es ihm an cinem Staats8manne fehlt, die- selbe zur rechten Zeit und am rechten Orte zu gebrauchen !“ ist von der Vorsehung erhört worden, und der Jugendtraum des Verfassers, daß in T ein Gattin i be Ce E Mete rung stehen moe, der dié Save DeutsMlands zu de seinigen mahe und mit vollen Segeln vorangehz2, um für Preußen die erblitze deutshe Kaiserkrone zu erwerben“ (Brief vom 2, Auguf: 1848) is Wirklichkeit geworden ; darum wollen wir uns in der Gegenwart seiner patriotischen Gesinnung nur freuen und nicht mit ihm rechten, daß sie ihn zeitweise in das damals feind- liche Lager getrieben hat Iedenfalls hat er Dank für die Veröffent- lihung seiner ge\s{ichtlich werthvollen Briefe verdient. Das inter- efsante Buch hat dur ein im Oktober 1885 geschriebenes Fragment üver den Fürsten von Metternich, mit dem der Verfasser noch persön- li verkehrt hat, cine werthvolle Beigabe erhalten. Wer sich über die einzelnen der zahlreichen Persönlichkeiten unterrichten will, die dec Briefwechsel vorführt, findet in dem angehängten Namens8verzeichniß den crforderlihen Nachweis.

Iilustrirtes Lerikon der Verfälshungen und Verunreinigungen der Nahrungs- und Genußmittel, der Kolontälwaaren Und Manufäkte, der Droguen, Chemikalièn und Farbwaaren, gewerblichen und land- wirthschaftlichenProdukte,DokumenteundWerthzeichen. Mit Berüdtsichtigung des Geseßes vom 14. Mai 1879, betr. den Verkehr mit Nabrungémitteln, Genußmitteln und Gebrauchs- gegenständen, sowie aller Verordnungen und Vereinbarungen. Unter Mitwirkurg von Fachgelehrten und Sachverständigen heraus- dee n D O Omer i Berlags- buhhandlung von I Z. Weber, 1886. 3, Lieferung

V Nahrungs- und Genußmittel be-

Q ‘ipzig,

Da Verfälshungen der fanntlich gegenwärtig sehr Häufig vorkommen und die Prüfung der Waare in den meisten Fällen erheblihen Schwierigkeiten unter- liegt, fo soll das vorliegende, von berufenf:en Autoren verfaßte Werk hierzu ein weckmäßtges Hülfsmittel an die Hand geben. Dasselbe bringt nämlih eine Uebersih: über alle eins{lägigen Verhältnisse und giebt genau: Anleitung zur Untersuchung der Waaren, und zwar nicht nur für den auf diesem speziellen (Hebiete geübten Chemiker, fondern für Jeden, welcher mit chemis{en Arbeiten einigermaßen vertraut ift und den guten Willen besißt, fih nah den gegebenen An- leitungen forgfältig einzuarbeiten. Der Spvezialist findet eine Zu- sammenstellung und Besprechung aller bewährien Methoden, und dem Apotheker, dem Industriellen, dem Konsumenten wird genau angegeben, wie er Schritt für Schritt zu verfahren hat, um ein zuverlässiges Resultat zu gewinnen. Für die minder Geübten sind in den Artikeln Analyse, Reagentien, Mifroskop allgemeine Anleitungen gegeben worden. Das Buch beschränkt fich übrigens keineswegs auf Chemikalien, es sind alle wichtigeren Waaren, auch Baumaterialien, Edelsteine, Gespinnste und Gewebe, Düngerpräparcate 2c, vor Allem ausführlich aber die Nahrungs- und Genußtnittel, behandelt worden. Auch die Ver- fälshung von Handschriften, von Münzen u. #. w. wurde berück- nichtigt. Dieses höchst nütliche und praktishe Werk erscheint in 5 Lieferungen à 54. Die 3. Leferung, die soeben erschienen ist, rêict von „Getreide“ bis zu „Kunstbutter“. Von den daselbst behandelten Artikeln heben wir besonders hervor: Getreide, Gewebe, Gold, Handschriften, Hopfen, Kaffee, Kakao.

—— Die in Leipzig und Berlin am 9.

L l d. M. erscheinende Nr. 2219 der „Illustrirten Zeitung“

enthält folgende Ab-

| bildungen: Vom ferbisch-bulgarishen Kriegs\chauplag. 2 Abbildungen.

Nach Skizzen unseres Spezialzeihners R. von Ottenfeld. Rückzug der serbishen Kavalerie-Division von den Hvhen der Plotscha (wien Nisch und Pirot). Lager einer ferbishen Proviantkolonne auf den Höhen von Cervena-Rjeka bei Ak Palanka:. Jules Grévy, der wicdergewählte Präsident der franzöfischen Republik. Das neue herzogliche Bibliotheksgebäude zu Wolfenbüttel. Originalzeihnung von Robert Geißler. Zum 100jäbrigen Geburtstag des Komponisten Friedr. Scneider: Porträt desjelben. Die Menzelfeier der Kunst- akademiker in Berlin. Originalzeichnung von C. Koch. (Zweiseitig). Eine Hofjagd in der Göhrde. Originalzcihnung von Ludwig Beckmann. Dr. Johann Palisa. Grabmal deé Fürsten Leopold von Anhalt- Dessau und seiner Gemahlin Anna Licse in der Schloßkirche zu Dessau. Nach einer Zeichnung von L. Clericus. Medaille zur Feier des 70. Geburtstages Adolf Menzels. Die zusammengewa|sfenen Zwillinge Johann und Iakob Tocci. Polytechnishe Mittheilungen: