1886 / 28 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 01 Feb 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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Tanitätswesen und Quarantäüewesenu.

Niederlande.

Zufolge ciner im niéderbänditiüen Staats-Courant veröffentlibten

l bat der Königlich niederländische es Innern die unterm 9. des. M. erlaffene Verfügung E, nzeiger“ Nr. 14 vom 16. Januar 1886), durch welches der

rfügung vom 25. Januax:18 inister

en von Venedig für von Cholera - versewht erklärt worden ift, wieder aufgehoben.

Verlin, 1. Februar 1886.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gerähr.)

Bei der heute fort eseßten Hiehung der 4. 173. Königlich preu isher Klajssenlotterie fielen:

5 Gewinne von 15 000 F auf Nr. 5226: 9808. 11827. 15 657. 60 607. :

39 Gewinne von 3000 4 auf Nr. ‘1070. 6365. 7034. 7883. 10663. 14696. 22 808. 23309. ‘95025. 31 007. 31 231. 34506. 42804. 44677. 45359. 47475. 4931. 53 734. 51 979. 53851. 54579, 57300. 60991. 61312. 63 635... 69 932, T5446. T5971. T6842. 81 434. 84380. 84 826, 87370. 89552. 89642. 90881. 92041. 92571. 45 Gewinne Von 1500 « auf Nr. 8151. 12 140. 12 644. 13 606. 15184. 17864. 19867. 20598. 23739. 26 571. 27 T2. 28038. 29534. 30081. 32707. 33 796.7 35 059. 36 498. 37981. 44039. 45306. 45513. 48184. 49285. 50 526. -50 896. 50965. 51 730. 53126. 55718. 61 904. 63134. 66117. 69938. 70708. T1155. 75219, 76 099. 82178. 86588. 88640. 92078. 92586. 92 890. 94 465. 76 Gewinne von 550" A auf Nr. 1691. 2082. 2231. 4149. 5673. 6328. 7010. 8848. 9616. 12 420. 12641. 12844. 14798. 16 381: 17409. 18317. 21070. 23425. 24686. 297116. 27724. 29768. 34615. 35566. 36 063. 36477. 38622. 38652, 40339. 43907. 44761. 46 792. 46914. 47145. 50352. 51063. 51097. 52064. 52169. 56 683. 57210. 59131. 59465. 59 665. 60327. 60978. 62668. 64 595. 65337. 66808. 68433. 68925, 70002. 70396. 74088. T5884. 76446. 79874. 80218. 80898. 82512. 83079. 83396. 83991. 84455. 85017. 85127. 87368. 87 E 88 434. 88437. 90949. 91274. 91635. 93307. 94 606.

Inventar der Bau- und Kunst-Denkmäler in der Provinz Brandenburg.

Im Ausftrage des brandenburgishen Provinzial-Landtages bearbeitet

von M. Bergau. Berlin 188. Vossishe Buchhandlung

(Strikker). Gedruckt bei U. E. Sebald in Nürnberg. XXR. und 814 S. hoh Quart.

__ Die erste amtliche Anregung zur Aufstellung eines Inventars der Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg geschah durh Schinkel in einem an das Ministerium des Innern gerihtéten Schreiben der Ober-Bau-Deputation vom 17. August 1815. Die Ausführung dieses Gedankens blieb aber dem leßten Jahrzehnt vorbehalten, nahdem durch eine gleichartige Arbeit die alte Idee neue Nahrung empfangen hatke. _ Im Jahre 1870 erschien nämlich das durch den Oberpräsidenten von Möller veranlaßte, von W. Loß und H. von Dehn-Rot- fel ser bearbeitete, mit Unterstüßung des Kultusministeriums gedrudkte Verzeichniß der „Baudenkmäler im Regierungsbezirk Kassel“, welches cuf dem Nebentitel- als, Theil -eines „Inventarium der Baudenkmäler im Königreiche Preußen“ bezeichket ist. Ein Erlaß des Kultus- ministeriums. vom 11. Juli 1870 an den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg ersuchte denfelben, seine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, ob die Ausarbeitung und Veröffentlihung eines ähnlichen Inventares für die Provinz Brandènburg herbeigeführt werden könne. Jn der

olge trat der Oberpräsident von Jagow mit dem Vorstande des

Berliner Architektenvereins und mehreren Alterthumsfreunden in der Provinz Brandenburg in Verbindung, um den Plan des Werkes fest- zustellen, und ersuchte den Landesdirektor der Provinz Brandenburg vonLeveßow, die Angelegenheit im Provinzialaus\{uß zur Berathung zu bringen und bei dem Provinzial-Landtage die Bewilligung der er- forderlichen Geldmittel zu befürworten. Beide Körperschaften bewilligten mit großer Liberalität die nothwendigen Beiträge zur - Herstellung des Werkes, und- unter der energishen Förderung des Landesdirektors von Leveßow nahm die Arbeit einen \{nellen As Der Landrath von Quast stellte den ganzen, die

rovinz Brandenburg betreffenden Nachlaß seines Vaters, des Konservators der Kunstdenkmäler des preußishen Staates, Ferdinand

von Quast, an Abbildungen von Denkmälern zur Verfügung, und im November 1878 wurde der Verfasser, der Architekt und Kunstschrift- steller R. Bergau in Nürnberg, auf die Empfehlung des Berliner Architektenvereins mit der Ausarbeitung des Buches beauftragt.

Nach dem Gutachten des Architektenvereins. sollte dem Mittel- alter vorwiegend Berücksichtigung zugewendet und im Zusammenhange mit den Bauten auch den Werken der Kleinkunst besondere Beachtung geschenkt, die Inventarisirung der Denkmäler selbst in Bezug auf Zahl wie auf Darstellung îin Wort und Bild in möglichster Voll- ständigkeit zur Ausführung gebraht werden. Demgemäß besteht das Inventar aus einer kurzen kritischen Beschreibung aller in der Provinz Brandenburg vorhandenen Denkmäler der Baukunst, Bildhaucrkunst, Malerei und der verschiedenen Kunstgewerbe, von der ältesten Zeit (prähistorishe Funde eingeschlossen) bis auf unsere Tage;, soweit solhe in kunst- und ate a Beziehung von

erth sind, gleichviel ob sie sih in öffentlihem oder Privatbesitz be- den. Die Aufzählung knüpft \ich an die Orte, denen diese Gegenstände angehören. Die Folge. der Orte (etwa 500) ist alphabetish, Für jeden einzelnen derselben umfaßt die Inventari- sation den Nachweis der vorhandenen älteren Gesammtansihhten, Be- {chreibung des Wappens, der Siegel und der daselbst - geprägten Münzen; Notizen über Funde vorhistorischer und römischer Alter- thümer (heidnisher Grabstätten u. #. w.) nebst Nachweisung der Fund- berichte; eine übersihtlihe Aufzählung der vorhandenen Baudenkmäler, uerst der Befestigungsbauten, dann der Kirchen, Kapellen und Klöster, Brner der Rathhäuser, Zunfthäuser und Kaufhallen, Brunnen, Brücken und sonstigen öffentlichen Bauwerke, zuleßt der Schlösser und der be- merkenswerthesten Privatwohnhäuser. Bei jedem Gebäude werden auch die in demselben befindlihen Kunstwerke und Geräthe aller Art und in Kirchen gemalte Fenster, Altäre, Kelche, Monstranzen, Kanzeln, Taufskeine, Orgeln, “Glocken, Gemälde, Möbel, Leuchter, gewebte Stoffe, Grabmäler, Bücher mit Miniaturen u. \. w., kurz beschrieben und erläutert, aufgeführt. i Entscheidend war dem Herausgeber für die Aufnahme in das Inventar der Kunstwerth eines Denkmals; der geshihtlihe oder kulturgeschihtliche Gesichtspunkt ist erst in zweiter Linie maßgebend gewesen. Deshalb sind auch bei der Abbildung die Gegenstände der verschiedenen Kunstgewerbe vorzugsweise berücksichtigt.

__So viel über den Plan und die Anordnung des Buches. Jm Einzelnen bemerken wir. Die „Provinz“ Brandenburg ist bei dieser Inventarisation buchstäblih aufzufassen: Die Denkmäler der jetzt zur Provinz Sachsen gehörenden Altmark und der Stadt Berlin find daher ausgeschlossen worden. Die letzteren haben, foweit sie rein architektonisch sind, bekanntlich in dem vom Berliner Architektenverein

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funden. Eine Inventarisation in dem Sinne und in der Ausdehnung wie die in Rede steh bleibt für den Stadtkreis Berlin noch zu erwarten, und es wäre sehr zu iniRen, daß sie bald folgen möchte, da fast: für alle peeußilWen Provinzen deraxtige Denkmalverzeichnifse,

Theil in vorzi iher®* bildliher Ausstattung, {hon existiren oder

seit IJahreu im inen obegriffen sind; die Provinz Sachsen hat ereits den- elften Kreis in Angriff genommen, Auch. das Königreich Sachsen únd das Großherzogthum Hessen schreiten erfreulih mit ihrer Inveutarisirung fort. S E

Der Inventarisation «selbst (682 Seiten) is cine Territorial- geshichte (50 Seiten) und eine Kunstgeschichte “der Provinz (80 Seiten) vorangeschickt, dke erste von Richard Schillmann, die leßtere vom Herausgebex, verfaßt, beide für die Benußer des Werkes orientirend und instruktiv. Die Kunstgeschlhte umfaßt die Kapitel: Vorhistorisches, Baumaterial, kirchliche Gebäude, Dekoration - der Kirchen, Ausstattung der Kirchen, Rathhäuser, Wohnhäuser, innere Dekoration und Aus- sattung der Wohnhäuser, Wehrbauten, Rolande, Ehrendenkmälex, und

ietet eine systematisch geordnete Uebersicht über die inventarisirten Kunstdenlmäler. Größere Artikel sind folgenden Ortschaften gewidmet: Angermünde, Arnswalde, Babelsberg, Beeskow, Bernau, Brandenburg, Buch, o I Bborin, Eberswalde, Frankfurt, Freienwalde, ür steawaite, Klein?Gülienicke, Gransee, Guben, Havelberg, «Jüterbog, Königsberg, Köpenick, Kottbus, Landéberg, Lehnin, Lenzen, Luckau, Mittenwalde, Müncheberg, Perleberg, Potsdam, “Prenzlau, Rathenow, Rheinsberg, Ruppin, Sansfouci, Schwedt, Schwiebus, Sorau, Spandau, Tegel, Templin, Teupiß, Tremmen, Wusterhausen, Zehdenick. - Zinna. Reich, und“ musterhaft i der Artikel „Brandenburg“. Er umfaßt 100 Seiten Text “und 55 Illustrationen und wurde von dem Oberpfarrer E. Wernicke in Loburg, geliefert. Königsberg hat 12. Seiten und 13 Jllufkrationen, Potsdam 30 Seiten, Hrenau 15 Seiten und 13 Illustrationen; Rathènow enthält die chöne von Glume in Sandstein gearbeitete, 1738 errichtete stehende Statue des Großen Kurfürsten; das Pledestal derselben ist dem der Berliner Reiterstatue üachgebildet. Spandau hat 11 Seiten Tert und 10 Zllustrationen. Den Freunden des preußishea Königshguses wird viel Interessantes geboten: was tnan sonst mit Mühe zusammen- zubringen trachtete, findet sich hier vereint knüpfen sich doch an die Bau- und Kunstdenkmälæ der Mark vorzugsweise die Erinne- rungen an die Königlichen Personen, welche dieses* oder jenes Schloß zum Sih ihrer Arbeit und Erholung erwählt hatten, Die. Stätten, an welchen der große König die glücklihste# Jahre verlebte, find mit besonderer Sorgsalt behandelt: das freundliche Schloß zu Rheinéberg nebst der Ansicht des G Studirzimmers und des Ein- ganges zum Park, die eigenhändige Federskizze des. Plans von Sans- jouci wird man mit Dank begrüßen. Sansfouci und seine Kunst- \hâße sind auf 34 Seiten besprochen.

Die auf die Denkmäler bezüglichen historish-topographis{hen, von ers{öpfenden Literaturangaben begleiteten Einleitungen, welche chrono- logisch die baulichen Daten verzeihnen und der Inventarisirung Jedes einzelnen Ortes voraufgeschickt sind, verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Die Abbildungen sind Zinkotypien. Maßgebend für die Auswahl der Zllustrationen war die Ansicht, daß ste im All- gemeinen auf diejenigen Gegenstände von ganz besonderem Interesse zu beschränken seien, welche entweder noch gar nicht oder nicht ge- nügend publizirt worden sind, und auf folhe Fälle, in welchen ein Verständniß des Textes ohne bildlihe Erläuterung nicht wohl möglich ift. Aber wir vermissen doch ungern die Abbildung von zwei für die Kunst und die Geschihte der Provinz sehr bedeutenden Bauwerken: des ursprünglihen Schlütershen Baues des Charlottenburger Se (1695—1699), als der ersten größeren Arbeit" des Meisters, welhe ih nur in ciner Titelvignette von Begers Thesaurus Brandenburgensis, Band 111, findet, und die Abbildung einer perspektivishen Ansicht des alten kurfürstlihen Schlosses zu Potsdam, welche ebenso felten ift. Wir hätten überhaupt die Entwickelungsstadien der Schlösser zu Potsdam und Charlottenburg, auf welche die preußischen Herrscher so viel Liebe und Aufmerksamkeit gewendet haben, gern durh Grundriß und Fagçade veranschauliht gesehen. Die Klosterruine Chorin, welche noch heute von der einstigen Majestät des Baues zeugt, in welchem sieben Markgrafen begraben fein sollen, hätte eine größere Zeichnung und Reproduktion des interessanten Details verdient. Troß der gedachten Beschränkung ist der illustrative Theil des Werkes reichhaltig genug. In 303 in den Text gedruckten, meist in großem Maßstabe gehaltenen Zinkotypien und auf 11 Tafeln (zum Theil Färben- und Lichtdruck) werden Uns Prospekte und Architekturen (Grundrisse, Details und Dekorationen) von kirchlichen und Profanbauten, Kirchengeräthe und Meßgewänder, Cpitaphient, Haus- und Wirthschastsgeräthe, San Ne prähistorishe Funde u. st. w. u. \. w. vorgeführt. _ Dieser vorliegende erste und grundlegende Inventarisirungsversuch liefert den Beweis, daß die Mark Brandenburg, entgegen der bis jeßt allgemein verbreiteten Annahme, noch sehr reich an Denkmälern von künstlerishem, historischem und auch pekuniärem Werthe ist, würdig der Erhaltung und eines besonderen Schußes. Der Hauptzwed des Buches ist, die Kenntniß von diesen Kunstschäßen allgemein zu verbreiten und damit die Erhaltung ‘der Denkmäler für uns und unsere Nachkommen zu fördern. Wir sind überzeugt, daß jeder Leser, selbst der kritishe und verwöhnte, dem Buche seine volle Anerkennung nicht versagen wird. Berücksihtigt man, daß der Verfasser das ganze auf 734 Quadratmeilen und in 3366 Ortschaften zerstreute Material in dem kurzen Zeitraum von fünf Jahren zum Theil erft selbst gesammelt, dann gesichtet und verarbeitet hat, so werden auch etlihe Irrthümer und Lücken eine sehr milde Beurtheilung erfahren müssen.

Der Ladenpreis des Buches ist auf 20 #4 festgeseßt. Er \teht weder zu den Kosten der Ausarbeitung und Herstellung, noch zu dem, was durch das Werk geboten wird, im Verhältniß.

__ Der Verband Stolze’scher Stenographenvereine feiert sein diesjähriges Maskenfest am Sönnabend, den 6. d. M., in der Berliner Ressource, Kommandantenstraße 57,

Deutsches Theater. Für das Trauerspiel „Die Lorelei“, von L'Arronge, hat Hr. Philipp Scharwenka zu einzelnen Scenen die Musik komponirt. Die Vorstellung von „Nathan der Weise“ be- ehrten Se. Kaiserlihe Hoheit der Kronprinz und Se. Königliche E e Prinz Wilhelm am Sonntag zum dritten Mal’ mit Ihrer Segenwart.

Das Wallner-Theater wurde am Sonnabend unter der neuen Direktion ‘des Hrn W. Hasemann eröffnet. Ein Lustspiel in 4 Akten „Sammt und Seide“ von Oskar Blumenthal war zur Er- öffnung ausgewählt worden und alle Welt fah nach den oen und niht ganz ungere{tfertigten Erfolgen, welche die léßten Stücke dieses Autors im Deutschen Theater 401 haben, der Aufführung dieses Lustspiels mit hochgespannten Erwartungen entgegen. Der Erfolg dieser Première entsprah “leider diesen Erwartungen nicht. Beifall und Mißstimmung durhwogten den Zuschauerraum in schnellem und buntem Wechsel während des ganzen Abends. Es hat ad hier wieder gezeigt, daß der Verfasser auf dem Boden des Lustspiels {wer festen Fud zu fassen vermag, da ihm zwar der beißende Spott, welcher die Schäden der modernen Gesellshaft treffend geißelt, zu Gebote steht, aber der gemüthvolle Humor, welcher zu den dunkeln Schatten die helle, erwärmende Lichtseite bilden follte, in hohem Grade mangelt. Der Dichter hat in feinem Lustspiel die alten und immer jungen Thor- heiten der Menschen, die Pubsucht und die Jägd nah dem Golde in abshreckender Form vorführen wollen, und die Hauptfiguren, welche dieses Thema illustriren, die Modedame, welhe nur an Sammet und Seide denkt, der Banquier mit seinen niedrigen Neigungen, und be- sonders die bereits modesühtige Schülerin sind richtig ge- zeichnete Typen, und man wird die feine Beobachtungsgabe Blumenthals auch diesmal unbedingt anerkennen müssen, obwohl er in der gewohnten, oft geistreihen Weise in der Novität nur Charaktere erscheinen läßt, welhe uns ausnahmslos wenig sympathisch berühren, und welche theilweise geradezu abstoßend wirken.

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G doch ‘zum Spiel herbeiläßt und während ‘bes ganzen Stücks patt, gert t Börsennachrichten und Sifbiconcie zu erbashen suge die ebenfalls heimlich Börfenspekulationen treibende junge Gattin welche, zur Deckung ihrer enshulden „ihrem Manne Geld enj wendet, Rehnungèn fäls{t“ W. #. w., tas sind keine (erheitern, Fi uren und Niemand glaubt zum Schluß an - ihr \{wärmeri tebesduett; vielmehr macht dasselbe bei dem mangelnden natürl Seelenadel ‘den Eindruck der Pre Die einzige Periönte keit von tieferem Interesse, der Büreauvorsteher Kappelmann der wirkliche Vertreter von Herz und Gemüth, wird wieder dadur beeinträchtigt, daß er offenbar“ an geistiger Beschränktheit laborir{ Der s\carse, zerseßende Spott, die Handlung durchzieht kommt, wie bemerkt, bei “dem angel He er gemüth- voller Gegensäße nicht* zu einer \ympathisGèn Wirkung, ob. gleich der Dialog unterhaltend und witig bleibt. “Dem W und der Satire „Blumenthals. galt der Béifall, welcher it zuweilen kräftig genug regte ünd Veranlassung gäb, den Verfasse nach dem dritten und vierten Akt vor die Rampe zu rufen. Dié Dar- stellung war eine im Allgemeinen tadellose und der Regie gebührt unbedingte Anerkennung. Ftl. Odilon, dje zurückßekehrte Naire ah die Rolle der 7, Hannáh“ mit frischer Natürlichkeit; ihr \land“ Fr] Meyer als Salondame Sub trefflich zur Seite. Unter den Herren gläñßzten die Hrrn. Guthery (Fama) und Blente Modist Timm) durch ihre-treffende und charakteristische Darstellung a Alexander (Flemming) fpielte feine wenig erquickliche Rolle mit [nständ und Empfitidung. Die Darsteller“ erfreuten \ich häufigen O TT Ee wurden nah jedem Akts{luúuß von dem Publikum itho ach gerufen.

Wie uns übrigens die Direktion heute ‘mittheilt, hat das Stüg bei der gestrigen ersten Wiederholung vor ausvérkäuftem Hause und geräumtem Orchester einen von keinem Mißlaut getrübten, so eine wendungslosen und vollen Grfolg ecxungen, wie er feit langer Zeit keiner Novität gegönnt gewesen ist. „Einige gewagte Einfälle, die be; der ersten Aufführung verstimmt Hatten, waren von dem Verfasser in einer Aenderungspröbe geschickt beseitigt worden, und nun blieb ‘die gute Laune der Zuschauer dem Stück bis zum letzten Worte treu Oft stürmte der Beifall mitten in die Scene; nach den Akts{lüssen mußte sich der Vorhang wieder. uid wieder heben und der Verfasser nicht“weniger als fünf Mal auf ‘der Bühne erscheinen. Das Theater leben bietet seltsame Konträste, aber einen Gegensaß, wie èér hier zwischen der ersten und zweiten Vorstellung eines Lustspiels stattge funden hat, ist kaum jemals beobachtet worden.“

Im Fliriedrich - Wilbelmstädtishen Theater is die erste Aufführung “der Strauß'shen Operette „Der Zigeunerbaron“ auf Freitag, den 5. Februar, angeseßt. Bis dahin wird „Rafacla® von Wolff gegeben. -

Belle - Alliance- Theater. Die gestrige Abschieds Vorstellung des Hrn. Direktor Lebrun gestaltete sich zu einem großartigen Triumph für den verdienten Künstler. Bei seinem ersten Ausftketen jubelnd empfangen und im Verlauf der Vorstellung bei jeder pássenden Gelegenheit mit Beifall übershüttet, wollkên am Schluß derselben die Hervorrufe kein Ende nehmen. Prahtvolle Kränze und S(leifen, mit entsprechenden Widmungén versehen, wurden dem Meister der Darstellungskunst in großer Anzahl gespendet. Tief gerührt spra Hr. Lebrun einige Worte des Abschieds, und der Vorhang senkte sih zum leßten Male.

_ Die Königliche Hochschule für Musik gab gestern in ihrer Aula vor einem eingeladenen Zuhörerkreise eine Matinée, in welcher ausschließlich Kompositionen von Hrn. Heinrich von Herzogenberg, dem Nachfolger im Lehramte Friedrich Kiels, zur Ausführung kamen. Dem genannten Künstler war bereits cin aus- gezcihneter Ruf vorausgegangen, der si theils auf eine große Zahl nee Werke, theils auf seine Thätigkeit als Stifter und Dirigent des Bach-Vereins zu Leipzig gründet: ein Nuf, der nah dem gestern Gehörten in vollem Maße berechtigt erscheint. Die beiden hervor- ragendsten Kompositionen bestanden in einem Trio für Violine, Viola und Violoncell von den Herren Prof. Joachim, Wirth und Lüdemann mit höchster Vollendung vorgetragen, und einem Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, mit gleicher Meisterschaft von den Herren Prof. Barth, Wiepreht, Pohl, Lehmann und Liebeskind ausgeführt. Das Trio beginnt mit einem originellen kurzrythmischen Motiv, zu dem ein zweites gesangreihes Thema einen wirksamen Gegen- saß bildet. Das ganze Werk bewegt sich in den Formen der älteren klassischen Meister, und die Klangschönheit steigert sich gegen den Schluß hin so wirksam, daß man ein volles Quartett zu hören glaubt. Das Quintett, das sih mehr dem Style Brahms” anreiht, ist von höchst imponirender Wirkung: Rythmisches Leben und sichere Beherrshung der gewählten Instrumente zeigend, ist es, von einigen Längen abgesehen, eins der bedeutendsten Werke neuerer Kammermusik. Die Variationen für zwei Klaviere erwarben sich gleich den beiden genannten Werken ungetheilte Anerkennung von Seiten der Zuhörer. Die in kanoniscer Form gehaltene Variation, und der darauf folgende Schlußsaß bilden den Glanzpunkt des Werkes, dem die Ausführung durch die Hrrn. Professor Barth und von Petersen sehr zu Statten kam. Unter den deutshen Volksliedern für gemischten Chor, in denen poetische Empfindung mit feiner und lebendiger Behandlung des vier- stimmigen Satzes zu erkennen war, wurden „St. Nepomuk“, „Lieblich hat sich gesellet“ und das launige Lied „Birnbaum“ mit be fonderem Beifall aufgenommen. Frau Schulßen von Asten trug mit \chönem Stimmklang und feinsinniger Auffassung 5 Lieder vor, welche zeigten, wie auch auf diesem Gebiet der Komponist höchst Anerken nungswerthes leistet. Das reizende Wiegenlied hatte die Sängerin die besondere Gefälligkeit, zu wiederholen. Die Leitung des Concerts hatte Hr. Prof. Joachim übernommen, während diejenige des Chors sich in den sihern Händen des Hrn. Professors Schultze befand.

Am Sonnabend hat im Saale der Sing-Akademie das Concert des Klaviervirtuosen Hrn. Arthur Friedheim statt gesunden. Der geschäßte Künstler ist ein Talent ersten Ranges in Bezug auf tehnisches Können. Mit unfehlbarer Sicherheit über- windet er die größten Schwierigkeiten und in durchsichtigster Weise dringt jede Figur selbst im schnellsten Tempo zum Ohr des Hörers. Hierdurch allein {hon verstand er es, die von ihm gewählten Sachen für das Publikum interessant zu machen. Leider unterstüßte der Blüthnèr he Concertflügel dur" seinen harten Ton den Künstler nicht in seinen Intentionen nah dek Seite des musikalishen Feingefühls hin, so daß ein ficeres Urtheil über die entsprechende Fähigkeit des Hrn. Friedheim nit zu fällen ist. Es kamen zum Vortrage: Beethoven, 33 Veränderungen über cinen Walzer von Diabelli, op. 120; Chopin, Sonate 0p, (H-moll), dann zwei Legenden von Liszt und endlih Variationen über den Marsch aus der Oper „Die Puritaner“ von Bellini in den Kompositionen von Liszt, Thalberg, Pixis, Herz, Czerny und Chopin. Das zahlreih erschienene Publikum zeichnete Hrn. Friedheim dur lebhaften Beifall aus.

Die Antispiritisten Mr. Hom es und Mad. Fey finden nit nur allabendlih in ihren öffentlihen Séancen im Kr olls\chen Cta/ blissement vielen Besuh und Beifall, sondern sind auch in Pri vatzirkeln Ne esuht. Da dieselben noch mehreren Einladunge! Folge. gegeben haben, so hat das Berliner Publikum Gelegenhef dieses virtuose Künstlerpaar noch öfter bewundern zu können. V! Vorstellungen sind um eine Woche verlängert worden.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S ch olz). Druck: W. Elsner.

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage). (153)

Berlin:

¡raub d Buche: ¿Berlin und seine Váuten“ (mit 609 Holz- chnitten und 8 Kupfer- und Kartenbeilagen;, 1877) ihre Stelle ge-

Der Rechtsanwalt, welcher das Börsenspiel streng verurtheilt, aber

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.

Berlin, Moutag, den 1. Februar

1886.

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Nichtamtliches.

reußen. Berlin, 1. Februar. {Fm weiteren Verlauf der R (37.) Sigung des Reichstages hob bei Be- rathung des Antrages wegen Einführung des Be- fähigungsnachweises der Abg. Dr. Baumbach hervor, daß au die gegenwärtige Geseggebung für einzelne Erwerbszweige den Befähigungsnachweis erforderlih mache. Es lasse si sogar darüber reden, ob derselbe niht auch auf das Bauhandwerk auszudehnen fei. Aber der Antrag Ackermann wolle die Aus- nahme zur Regel machen. Es heiße, daß die Mehrzahl der Handwerker mit dem Vorgehen der Herren Ackermann und Genossen sympathisire. Aber dagegen spreche der nur mas Besuh der großen Handwerker- und FJnnungstage in Köln und Berlin. Die Vorgänge, die sih jeßt „in Oesterreih ab- spielten, sollten von einer Nachahmung der dortigen Gewerbe- geseygebung abschrecken, wie fie der Antrag Ackermann ent- halte. Die Abgrenzungen der einzelnen Gewerbe hätten dort zur Folge gehabt, daß ein Zimmerer angeklagt worden sei, weil er cinen Sarg angefertigt ; ein Steinmeß, weillex die Buchstaben einer Grabschrift vergoldet u. #\. w. Mit Bestimmungen, wie sie der Antrag Ackermaun enthalte, ershwere man nur intelli- genten jungen Leuten den Eintritt in das Handwerk. Wenn man wirklih für dasselbe etwas thun wolle, so solle man für eine Hebung des Lehrlingswesens durch eine Begünstigung der Fortbildungsschulen sorgen. Jn dieser Beziehung lägen ernstliche Beschwerden gegen die Handwerksmeister vor. Die Klagen über den Niedergang der Leistungen des Handwerks" seien nicht begründet auch nah dem Urtheil kompetenter Autoritäten, wie des Direktors des Nürnberger Gewerbemuseums, von Stäge- mann. Auch die Leistungen der Kunsttishler, der BUch- binder u. \. w. in Berlin zeugten niht von einem Niedergang der Leistungsfähigkeit des Handwerks. Einer gesunden Ge: werbepolitik, welhe auf die Stärkung der individuellen Kraft und Leistungsfähigkeit des Handwerkers hinauslaufe, werde auch die liberale Seite des Hauses zustimmen, aber niemals Bestrebungen, die wahrhaft antediluvianisch seien. i

Der Abg. Biehl bezeichnete es als einen Fortschritt, daß endlih allgemein ein Nothstand des Handwerks anerkannt werde. Die Leistungen der Kunsttischlerei, der Buchbinderei u. \. w. bewiesen nihts gegen denselben. Man folle einmal in die Keller gehen, wo die Handwerker wohnten, und dann werde man die richtige Auffassung von dem Handwerk bekommen. Der Niedergang desselben datire seit der Einführung der \hrankenlosen Gewerbefreiheit. Auch die politischen Gesinnungs- genossen des Abg. Baumbach hielten eine Einschränkung der- selben für nöthig; man erkläre die Einfühvung des Besähigungsnachweises für das Bauhandwerk für dis- futirbar. Das Jnstitut eines Reichs-Fnnungsamtes halte er für nußlos. Man könne dasselbe jeßt schon haben, wenn man über die Thür des Arbeitszimmers des Naths, welcher das Dezernat für Gewerbesachen habe, schreibe: Reichs- Jnnungsamt. Den Kredit der "Reichsbank au den Hand- werkern zugänglih zu machen, wäre eine {höne Sache; aber dieselbe werde niht im Stande sein, den kleinen Bedürfnissen des Handweris Rehnung zu tragen. Gegen die Verleihung der Rechte juristisher Personen an die JFnnungsverbände sei nichts einzuwenden; aber die Hauptsache würde doch bleiben eine grüudliche Revision der Gewerbeordnung. F. 100e der- selben habe, wie Klagen aus Preußen ergeben , eine schr un- gleihmäßiae Auslegung erfahren.

Der Geheime Ober-Regierungs-Rath Lohmann bestritt, daß die preußische Negierung die ihr durh 8. 100e der Ge- werbeordnung übertragene Befugniß willkürlich oder ungleich: mäßig ausgeübt habe. Nur ein einziger Beschwerdefall fei zur Kenntniß der Centralstelle gelangt. i

Der Abg. Meyer (Jena) glaubte, daß das ewige Nütteln an der bestehenden Geseßgebung niht zum Segen des Hand- werks gereihe. Wenn die Entwicklung des Fnnungswesens bis jeyt so geringe Fortschritte gemacht habe, so sei das diesem Umstand zuzuschreiben. Die jeßige Gewerbefreiheit sei weder \hrankenlos, noch ein Produkt der liberalen Geseßgebung. Der Gewerbeordnung vom Jahre 1869 habe auch die Ma- jorität der konservativen Partei zugestimmt. Daß die Leistun- gen des Handwerks sich gesteigert hätten, sei eine Thatsache. Es sei demselben sogar gelungen, das französische Kunsthand- werk zu überflügeln. Gelange der Antrag Ackermann zur Annahme, so würden dem Handwerk neue Fesseln angelegt und der Kampf desselben gegen die Großindustrie ershwert werden. Der Antrag Graf Behr sei maßvoller, aber doch in seinem ersten Theile unannehmbar. Dagegen scheine die For- derung, Werkstätten, welche junge Leute niht als Lehrlinge una, unter das Fabrikgeseß zu stellen, einen gesunden Kern zu enthalten. : |

Der Abg. Hive sprah sich für den Antrag Adlermann aus. «Nur in der Jnnung sei die tehnische und sittlihe Aus- bildung des Handwerkers' möglith, die für eine gedeihliche Ent- wickelung des Handwerks selbst nöthig sei. Mit demn Rufe ¡„Zwangsinnung“ suche man die Gemüther zu verwirren. Aber das könne die Antragsteller umsoweniger von ihren Forderun- gen abbringen, als die Händwerker sich in ihrer großen Mehr- zahl auf unsere Seite gestellt hätten.

Der Abg. Grillenberger erklärte sih gegen den Antrag Ackermayn. Man wolle den Befähigungsnachweis einführen. Wer aber nehme zuvor die Prüsung der jeßt einzuseßenden Prüfungsmeister ab? Dieselbe werde nöthig sein, da der größere Theil derselben in der Zeit. des Pfuscherthums roß geworden sei, und gerade unter ihnen dürsten der Pfuscher niht wenige sein. Nur weil sich ein großer Theil der jeßigen Meister unsicher fühle, weil er besorgt sei vor einer intelligen- ten Konkurrenz, werde der Ruf nah Einführung des Befähi- gungsnachweises erhoben, der das Pfuscherthum nit besei- tigen sondern shüyen solle. Das Beispiel Oesterreichs zeige, wohin Bestimmungen führten, wie sie der An- trag Adermann bringen wolle. Dort ei derselbe Krieg unter den einzelnen Gewerbszweigen ausgebrochen. Der Antrag Lohren sei beachtenswerth; die sozialdemokratische Partei werde deshalb für Verweisung desselben an die MbetersäutgesegKommi sion stimmen. i

Der Abg. Dr. Papellier hob hervor, daß in Bayern der

größere Theil der Bevölkerung mit der jeßigen Gewerbegeset- gebung durchaus zufrieden sei. Er bitte deshalb, den Antrag Ackermann dbzulehnen, der geradezu zu einem Unglück für das Handwerk werden würde. Derselbe richte sich gegen den Schwachen, den Besißlosen. Schon existire der Kulturkampf man solle demselben nicht noch einen Handwerkerkampf hinzufügen. i :

Nachdem als Antragsteller die Abgg. von Kleift-Reßow und von RNeinbaben in einem Schlußwort èie Einwendungen gegen die von ihnen eingebrachten Anträge widerlegt En wurden. dieselben an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Um 6 Uhr vertagte sich das Haus auf Mittwoch 1 Uhr,

Jn der vorgestrigen (10.)Sizung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei Fortjezung der Berathung des Antrages der Abgg. Achenbah u. Gen., betreffend den Shuß- der deutsh-nationalen Fnteressen in den östlihen Provinzen, der Abg. von Tiedemann (La- bischin), der Abg. von Stablewski habe in der leßten Sißung von einer nackten Machtpolitik gesprochen, von einer Verlegung des Christenthums, der Freiheit, von einer erbarmungslosen Ausrottung, von nationalem Fanati3mus, er habe die Antrag- steller mit Nero und Nobespierre verglichen. Das seien die bekannten polnischen Shlagwörter, die man in jeder polnischen Zeitung lesen könne. Man sei ja gewohnt, von den Herren der polnischen Fraktion und von ihrer Presse immer wieder dieselben stereotypen Redewendungen zu hören. Es sei eine berehtigte Eigenthümlichkeit dieser merkwürdigen Nation, immer entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode ‘betrübt zu sein. Jedes Blatt ihrer Geschichte lehre, daß diese Nation niemals Maß zu halten verstanden habe. Was solle man darauf antworten? Solle er (Redner) den Mund etwa noch voller nehmen? Auf eine Erwiderung der Rede des Abg. von Stablewski könne er vollständig verzichten. Von der Nede des Abg. Windthorst habe er den Eindruck gehabt, daß derselbe mehr als je die dürftige Grundlage seiner Deduktionen durch möglichst gesteigerte Kraftausdrücke zu ver- deckden géesuht habe. Dev Abg. Windthorst wünsche, daß Preußen ihm ein richtiges Feld für seine Politik bieten solle, welche darauf hinauslaufe, die Machtstellung dieses Staates zu zerbröckeln. Nedner wolle nicht mit ihm über die Behauptung reten, daß es in dex preußishen Armee ebenso wenig wie im preußischen Civildienst für katholische Beamte kein höheres Avance- ment gäbe, daß die katholischen Offiziere alle an der Majorsecke scheiterten. Eine derartige Behauptung sei vollständig un- \chädlih; Jeder, der die preußishe Armee kenne, wisse, was er davon zu halten habé: es gebe im Leben Dinge, die kurze Beine hätien. Wenn der Abg. Windthorst sich nicht gescheut habe, das preußishe Regiment in der Provinz Posen in eine Linie mit der französishen Fremdherrschaft im Anfang dieses “Jahrhunderts zu stellen , so jei dies so ziemlich das Stärkste, was "in der “Verleugnung des ‘deutschen Nationalgefühls geleistet. werden könne. Ja wohl, der Abg. Windthorst habe das gesagt, er habe das Festhalten der polnishen Nation an ihren Bestrebungen ver-

lihen mit dem Festhalten der Deutschen zur Zeit der Feanbitichen Fremdherrshaft am Anfang dieses Jahrhunderts. Wer sich nicht scheue, eine solche Parallele zu ziehen, zeige, daß für ihn der ganze Ernst der Sache im Parteifanatismus verloren gehe. Dann könne es auch nicht Wunder nehmen, wenn sih der Abg. Windthorst zu der ungeheuerlichen Behauptung versteige, daß das Grolman-Flottwelsche Rezept, wie er es ge- nannt habe, die Veranlassung zu den polnischen Fnsurrektionen von 1846/48 gewesen sei. Der Abg. Windthorst habe neulich von seinen historishen Studien erzählt, auf die Provinz } Posen habe er dieselben wohl nicht ausgedehnt. Redner wolle auf die Geschichte der polnischen Nation etwas näher eingehen. Bei dieser Frage, die heute im Hause am dritten Tage be- handelt werde, handele es sich um einen alten Kampf, der hon tausend Jahre dauere, um die Herrschast zwischen Deut- chen und Polen in den Gebieten zwischen Elbe und Weichsel. Langsam seien die Polen bis an die Weichsel zurückgedrängt worden, das sei das Nefultat einer wiederholt und immer wieder von Neuem aufgenommenen deutschen Kolonisation ge- wesen. Es sei interessant, daß die besten Vorkämpfer für die deutshe Kolonisation die polnischen Könige gewesen seien, welche im 13. Jahrhundert an katholische Orden Grundstücke verliehen “nau mit der Verpflichtung, deutsche Ansiedler nach si zu ziehen. So seien in Posen deutsche Kolonien begründet worden, iure et more, nah deutshem Recht und Brauch; da- mals seien die deutschen Klöster in der Provinz entstanden. Damals sei es die katholische Kirche gewesen, welche die deutsche Kultur genOsten getragen und die Ansiedlung deutscher Landwirthe, deutscher Bauern gefördert habe. Die Ansiedelungen der Mal- teser, der T E Rel bes hätten alle denselben Zweck verfolgt. Im Jahre 1234 sei dem Erzbischof von Gnesen das Recht er- theilt worden, Ansiedlungen als Muster für andere zu gründen. Schon um das Jahr 1300 hätten die Cisterzienser Klöster mehr als 20. deutsche Ortschaften besessen ; - die: Dominikaner, die Benediktiner hätten gleihfalls deutsche Orden gegründet. Eine zweite Periode deutscher Kolonisationen in Polen sei die Zeit der Reformation gewesen. Redner freue fih immer, wenn er in der polnischen. Geschichte einem Lichtpunkt begegne. Ein solcher Lichtpunkt sei die Zeit der Reformation gewesen. Während in anderen Ländern die Konfessionen sich feindlich egenübergestanden, sih mit dem Schwerte bekämpft hätten, fabe damals in Polen vollständige Religionsfreiheit geherrs{t. Damals seien den Protestanten gleiche Rechte mit den Katho- liken eingeräumt worden. Unter Sigismund]. undSigismund 11. sei eine Menge protestantischer E die in Deutschland flüchtig geworden wären, nah Posen gezogen und habe si dort niedergelassen. Da, im Jahre 1570, habe die Einwanderung der Jesuiten stattgefunden, und mit dieser Einwanderung sei eine Zeit der Verfolgung und des Religionshasses eingetreten. Damals sei sogar ein polnishes Gesey erlassen worden, wel- hes die Ehen zwishen Protestanten und Katholiken für null und nichtig erklärt abe. Andere Zustände seien noch prägnanter

gewesen. Der Abg. Enneccerus habe gestern ein amtliches Sqriftstück der Bromberger Regierung verlesen, welches eine

Schilderung enthalten habe, wie cs zu Zeiten Friedrihs des Großen in Posen ausgeschen habe. Redner müsse das Bild noch vervollständigén, denn was er mittheilen wolle, sei so charatteristisch für die Entwickelung des polnischen Staates und für die heutigen Zustände, daß er näher darauf egen müsse. Kein Land, kein Staat der Welt biete ein so wunderbares Bei- spiel ungleihartiger Bevölkerung wie Polen. Man sehe da cine kleine Schaar von herrschenden Familien, während sich die ganze übrige Bevölkerung in der ärgsten Sklaverei befinde. Die BedrücCung des “politishen Bauernfständes durch den Adel reie bis in die älteste Zeit - hinein. Ein alter Chronist er- zähle, daß die Bauern cinmal zu Kasimir Ik. gegangen seien und über den“ Adel geklagt hätten. Der König habe ihnen zur Antwort gegeben: „Ja, lieber Bauersmann, ih vermag Dir nicht zu helfen, hilf Dir selbst.“ Aber die damaligen Zustände seien noch golden gegen die späteren gewesen. Der König sei s{hließlih nichts weiter mehr als. der primus inter pares und von den Adligen abhängig gewesen, deren einfahes Veto seine Be- schlüsse habe verhindern können: Jt der General-Konföderation von Warschau 1573 hätten die Adeligen durchgeseßt, . daß sie über ihre gesammten Ortschaften, ihre Eingesessenen auf ihrem Grund und Boden unbeschränktes Strafrecht erhielten. Eine Klage gegen den Adel sei vollkommen hoffnungslos gewesen, denn der Adlige habe freies Necht über Familie und Eigen- thum des Bauern gehabt. Dieser Zustand habe volle zwei- hundert Jahre gedauert; auch die Konstitution von 1791 sei der reine Hohn gewesen, wenn man bedenke, daß in derselben bestimmt worden sei, daß bei einer Klage eines Bauern gegen einen Adligen der Bauer für seine Behauptungen sechs Zeugen herbeischaffen müsse. Wenn man bedenke, daß der polnische Bauernstand sich volle zwei Fahrhunderte im Zustande voll: tommener Nechtslosigkeit befunden habe, fo erkläre sich voll- Éommen, daß dieser an fih arbeitsame und leistungsfähige polnishe Bauernstand allmählich zu kriechenden , scheuen Menschen heruntergesunken sei. Statt der Geseßlosigkeit und Willkür sei Gleichheit vor dem Gesey und Rechtsordnung und Rechtssicherheit eingeführt worden unter den preußischen Königen, namentlich unter Friedrih dem Großen. Die dortigen Zustände vor der Zeit der Annexion durh Preußen würden am besten gekennzeihnet durch das polnische Sprüchwort, das in deutscher Uebertragung lautet: Dem pol- nischen Bauern gehört nichts, als was er trinkt. Dieses pol: nishe Sprüchwort kennzeihne den ganzen FJamnter und das Elend zur Zeit, als Polen von Preußen annektirt worden sei. Die preußische Verwaltung habe es fih angelegen sein lässen, gerade den polnischen Bauernstand zu heben durch Einsezung einer tüchtigen Verwaltung und gerechten Justiz. Der pol- nische Bauer habe es auch 1846 nicht vergessen» was die preu- ßishe Verwaltung für thn gethan habe. Damals habe die polnische Agitation versucht, die Bauern zum - Abfall von Preußen zu verleiten, sie habe gesucht, ihnen vorzuspiegeln, daß sie unter polnischer Herrschaft besser stehen würden als unter preußischer. Leider hätten si» damals Manche von- den polnishen Bauern von den polnischen Agi- tatoren verleiten lassen, indessen könne Redner den Polen versichern, daß dieselben heuzutage ihrer polnischen Bauern 1fiht ganz mehr sicher seien, und er glaube, in den leßten Fahren hätten sich Negungen unter den polnishen Bauern geltend gemacht, die den Bestrebungen der Polen keineswegs günstig gewesen seien. Wenn man den polnischen Bauer von den Einflüssen des polnischen Adels und der Geistlichkeit erst frei gemacht haben werde, dann könne man überzeugt sein, daß der polnische Bauer der begeistertste Unterthan der preußischen Könige werden würde. Wenn man jeßt kolonisiren und deutsche Bauern in den östlihen Provinzen einführen wolle, wie es Friedrih der Große gethau habe, dann würde man allerdings die Zustände, wié sie dort seien, nicht unberücsichtigt lassen dürfen und anerkennen müssen daß cine wesentliche Besserung der ‘dortigen , Verhältnisse herbeigeführt werden müsse. Denn die Traditionen der alten Zeit hätten insofern noch nachgewirkt, als der polnishe Adel den überwiegenden Theil des Grundbesizes in Händen habe. Die Zahl dex kleinen Grundbesißer im Verhältniß zu der der Nittergutsbesißer fei ungemein gering. (Redner gab eine genaue statistishe Uebersiht über das Verhäll- niß des kleinen Grundbesißes „zu dem Großgrundbesiß in den polnischen Gebietstheilen.) Wenn man âlfo den Bauernstand in den polnischen Provinzen heben wolle, wenn man eine durchgreifende, erfolgreihe Kolonisation durchführen wolle, dann sei eine Aenderung des ganzen bisherigen Systems noth- wendig. - Nedner und seine Freunde begrüßten es, daß eine Vorlage in diéser Richtuhg von der Staatsregierung dêm Haufe zugehen werde. Es handele sich hier um einen alten Kampf, um die Herrschaft der Polen oder Deutshen. Er sage es ganz offen, es könne sih gar nicht darum handeln, di& Polen deutsh zu machen, das würde auh {wer möglih sein, aber man wolle sih nicht wieder verdrängen lassen von den Polen, man wolle deutshe Sitten und deutshe Kultur dort pflanzen untd pflegèn. Wenn in der großartigen Weise, wie es dem Hause angekündigt worden- sei, die deutshe Kolonisation ause genommen werden würde, dann glaube Redner, wenn er und seine Altersgenossen es nicht «mehr ‘erleben würden daß wenigstens ifns Kinder und Kindeskinder in den östlichen Provinzen eine Rehtsordnung und eine Rechtssicherheit finden würden, wie sie in allen übrigen deutshen Provinzen unter dem Szepter der Le bestehe.

Der Abg. Rickext erwiderte, der legte Appell des Vor- rednexs sei überflüssig gewesen. Darüber, daß die Deutschen sich durch die polnischen Staatsbürger niht aus den Grenzen verdrängen lassen dürften, sei kein Streit. Aber das Wunder- bare sei : Man weiche dem Kern der Sache, der zur Diskussion stehe, immer aus. Der Vertreter der Nationalliberalen habe bedauert, daß der Reichskanzler sich vom Reichstage zurüdl- iehen und sich in diesen friedliheren Räumen mehr nieder- laffen wolle, um „bessere Geschäfte zu machen“, wie der Reichskanzler gesagt habe; die deutsche Nation werde den fortwährenden Widerstand der jeßigen Reichstagsmajorität egen die Reichsregierung, zumal in dieser „nationalen“ Frage, Precken Es sei noch nicht lange her, daß von nationalliberaler Seite so gesprochen werde. Was sei denn national? Was

jeh.

E R FERE T L SERGS R