1886 / 43 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Feb 1886 18:00:01 GMT) scan diff

, Um 9# Uhr versammelten sich in dem festliGen Raum die Mit- lieder des Comités, die Künstler und Kunsthandwerker, welche an fostbaren Werke mitgearbeitet haben, sowie einige andere geladene unkt 10 Ubr erschien das Kronprinzliche ade, Höchstwelches

am Portal der Akademie von dem Geheimen Regierungs-Rath Dr. Reuleaux, dem Hofrath Schröer und dem Fabrikanten Müller ehrfurcht8voll begrüßt wurde. Beim Eintritt in den Saal wurde der Kronprinzessin durch die Tochter des Geheimen Raths Reuleaux, Fr. Dr. Goldstein, ein \{önes Bouquet überreicht, während Frl. Schulz, die Tochter des Möbelfabrikanten, welcher den Srein gefertigt, den Höchsten Herrschaften die kostbar eingebundenen Kataloge einhändigke. Nachdem der Kronprinz in huldvollster Weise die Anwesenden begrüßt hatte und Höchstdemselben die Herren des Comités vorgestellt wörden waren, erbat \i j Wort zu einer Ansþprahe: Ew. Kaiserlihen und Königlichen Hoheiten, n lautete dieselbe, baben vor drei Jahren dem Verein für deutsches unstgewerbe die hohe Gnade gewährt, zu genehmigen, Höchstdenselben aus Anlaß der Silberhochzeit ein Geschenk zu Füßen legen zu dürfen, bestehend in einem Familienspielshrein Die Wahl war aus inneren und“äußeren Gründen getroffen worden. Es drängte zunächst, einen Ausdruck des Dankes zu finden, den das deutshe und besonders das Berliner Kunstgewerbe den Höchften Herrschaften zu zollen Ursache hat. Höchstsie haben das Berliner Kunstgewerbe neu geweckt und dur Protektion sowie eine von hohem Verständniß getragene Liebe zur Kunst *emporgehoben. Wir wollten zum andern auch durhch den amilienspiclshrein hinweisen auf das shönste und edelste Vorbild des amiliènlebens, welches das* hohe Paar uns darbietet. Aber auch äußere Gründe sprachen für die Wahl. Dieser Schrein ift äußerlich nicht sonderli prunkvoll, aber er enthält foviele Gegenstände in ih, daß - das Kunstgewerbe Berlins sih nah jeder Richtung hin daran bethätigen konnte. Es ist gethan worden, was jeder Einzelne nur zu thun vermochte. Bei der Kritik, welche wir zu erwarten haben, bitten wir um Nachsicht, noch mehr aber wegen der langen Dauer bis ‘zur Fertigstellung. Wir haben immer wieder um Aufschub bitten müssen, und manchmal haben wir uns gesagt: „Der Worte find genug ge- wechselt, laßt uns nun endlih Thaten sehen“, aber die Jahre sind vergangen unter \{chwerer, mühseliger Arbeit. Hoffentlich bewährt sich auch hier das Wort „Was lange währt, wird gut. i l

Mit berzlihen Worten dankte der Kronprinz und bezeichnete die Feier als cin Ereigniß, welches auch Seine Kinder und Kindeskinder mit -Freudé und höchster Anerkennung erfüllen werde.

Hr. Max Schulz öffnete nunmehr den bis - dahin geschlossenen Schtein,- und mit lebhaften Ausdrücken freudiger Ueberraschung nabmen die Kronprinzlichen- Herrschaften das Kunstwerk in Augen- schein. Unter Führung der Herren Reuleaux und Schröcr wurde so- dann ein Rundgang durch den Saal ängetreten, bei dem die Ver- fertiger der einzelnen Spiele Ihren. Kaiserlichen Hoheiten vorgestellt wurden. Um 11 Uhr \chied die Frawx Kronprinzessin, während der Kronprinz bis 12 Uhr verweilte. Beim Abschiede dankte Höchstder- (gie nochmals mit der Versicherung, daß das Geschenk noch späten

enerationen“cin Zeugniß von der Blüthe der Berliner Kunstindustrie geben werde. Unter Hochrufen der Versammlung verließ der Kron- prinz sodann den Saal.

Das in feiner Art einzig dastehende Meisterwerk der Tischlerei Und Holzbildhauerei, welches dem Berliner Kunstgewerbe zur höhsten Chre gereiht, bedurfte zu seiner Fertigstellung 24 jähriger angestrengter, ausdauernder Arbeit. Alle Theile sind durch Handarbeit ausgeführt, alle Schnitzwerke bis auf die klein- sen Einzelheiten aus einem Stück gefertigt. Der Entwurf des Srefns, dessen innere Eintheilung die völlige Ausnußung des Naums und die übersichtliche Aufstellung der Spiele ermöglicht, sowie die Ausführung desselben - sind ein Werk der Möbelfabrikanten Mar Schul u. Co., Alte Jakobstraße 130. - Im Ganzen haben an dem Kunstschrein über 80 selbständige Kunstgewerbtteibende mit- gewirkt : 20 Zeichenkünstler, Bildhauer und Architekten, 20 Metall- Industrielle, 10 _ Holzarbeiter, 8. Edelshmiede, 8 Graveure und Ciseleure, 8 Stoffarbeiter, 8 Lederarbeiter «nd Buchbinder sowie 4 Buchdruckereien, Die- Spielsammlung umfaßt 10 Karten- und 20 andere Spiele (König Drosselbart, hinesisches Legespiel, Zwirbelbrett, Belagerungsspiel, Wappenspiel, Lotto, Glotke und Hammer, Domino, ee, Pochbrett, Tivolispiel, Schnurrkreiselspiel,. Puffspiel,

insiedlerspiel, Puff-, Dam- und Mühlespiel, Viershach, Schach, Dambrett, Roulette, Tafelkrocket). Außerdem gehören zu dem Schrank noch der oben erwähnte kostbare Teppich nach altpersishen Motiven, ein Spielbuch, ein Inhaltsverzeihniß und eine Adresse, zu jedem Kartenspiel Leuchter, Kartenpresse und Marken, Alles in kunstvollster Ausstattung.

Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen.

Aus dem Jahrbuch der Königlih preußishen Kunstsammlungen (erscheint vierteljährlich zum Preise von 30 4 für den Jahrgang im Verlage der G. Grote’shen Verlagshandlung zu Berlin).

I. Königliche Museen. 1. Juli bis 30. September 1885.

A. Gemälde-Galerie.

Neue Erwerbungen sind in dem Vierteljahr Juli—September nicht gemacht worden.

Vie in dem vorigen Quartalberiht verzeichneteu Erwerbungen aus rae Sammlung des Herzogs von Marlborough zu Blenheim, nämlich:

1) die sogenannte „Fornarina“ von Sebastiano del Piombo, 2) die „Andromeda“ von P. P. Nubens, 3) das „Bacchanal“ von P. P. Rubens, 4) „Bildniß eines jungen Mannes", von einem niederländischen E um 1520 bis 1540, vermuthlich von Joos van eve, find neuerdings in die Galerie selbs aufgenommen worden. Die Aufstellung der Gemälde von Rubens gab zugleich die Veranlassung, die Mehrzahl der eigenhändigen und hervorragenden Werke des Meisters, welche die Sammlung besitzt, in Einem Saal zu vereinigen.

Der Nachtrag zum „Beschreibenden Verzeichniß der Gemälde“ von 1883 ist in diesem Vierteljahr zum Druck gelangt und wird nächster Zeit ausgegeben werden. Auch ist mit der Drucklegung des Berzeichuisses der im Vorrath der Königlichen Museen befindlichen fowie der an Provinzial-Galerien abgegebenen Gemälde begonnen

worden. I. Meyer.

B. Sammlung der Skulpturen und Gipsabgüsse.

I. Antike Skulpturen.

Erworben wurden einige kleine Bruchstücke, welhe noch zu der Bronzefigur aus Kyzikos gehören (Katalog Nr. 3); ferner für die Gipsabtheilung aus Nom der Apollo Musagetes und die Thalia im Vatikan (Visconti Mus. Pio-Clem. 1, 15. 18), der Anakreonkopf im kapitoliniichen Museum („Arch. Ztg.“ 1884, Taf. 11, 2), Herakles und die Hirshkuh, ein kleines alterthümliches Relief in Privatbesit (Mayß- Duhn Nr. 3726), aus Paris die Aphrodite von Arles (Clarac 342, 1307), und endlich zwanzig kleinere Abgüsse, zumeist von Bronzen in Arolsen, die aus alten Beständen der Königlichen Formerei geliefert werden konnten. i :

Die „Beschreibung der pergamenischen Bildwerke“ wurde in neuer, und zwar der siebenten Auflage gedruckt. /

Die Abgüsse in der Olympia-Ausstellung wurden unter Leitung des Hrn. Dr. von Dechend gewaschen und zugleich bei einigen älteren Abgüssen der Sammlung, an denen nah der Reinigung tiefer liegende und fester haftende Schmußschihten zu Tage getreten waren, Versuche mit einem neuen Anstrih gemaht: doch nahm man

der Geheime Reg.-Rath Reuleaurx das-

en des wenig befriedigenden Erfolges von einem derartigen Ver- fahren wieder Abstand. ] Die Ausgrabungen in Pergamon mußten eine kurze Zeit lang

unterbrohen werden. i I. V. : Puéhstein.

II. Abtheilung der mittelalterlihen und Renaissance-Skulpturen.

Die Sammlung der Gipsabgüfse erhielt folgenden Zuwachs:

L E eines Sklaven, die Hände auf dem Rücken gefesselt, von Mitchelangelo, im Louvre : E

2) Büste des Giov. d'Alesso, von einem unbekannten Italiener aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts, im Louvre, Vüste Franz I. von Frankreich, im Louvre, ___ 4) aht Reliefs von Andrea Riccio, nah den im Louvre befind- lichen, vom Grabmal des della Torre in S. Fermo zu Verona ftam- menden Bronzetafeln,

5) die Reliefs des Schreyershen Grabmals, von Adam Kraft in St. Sebald zu Nürnberg,

6) eine Anzahl kleinerer dekorativer Skulpturen von Quellinus, im Stadthaus zu Amsterdam. F. V.: von Tschudi.

C. Münzkabinet.

Das Münzkabinet erwarb im verflossenen Vierteljahr 104 Stü, darunter eine goldene und 39 Silbermünzen. Eine Erwerbung von hervorragender Bedeutung ist eine Kupfermünze von Medaillongröße, unter Septimius Severus îin Acrasus Lydiae geprägt, deren Rük- seite cine Kopie des unter dem Namen des Farnesfischen Stieres bekannten Marmorwerkes zeigt. Die Münze war bisher nur in einem weit weniger gut erhaltenen Exemplar des Wiener Museums bekannt. Unter den übrigen antiken Münzen verdienen eine sehr seltene Silbermünze von Tyra, eine Reihe seltener kleinasiatischer Kupfermünzen und die nur in wenigen Exemplaren bekannte alexan- drinishe Münze des Palmyreners Vaballathus, als Kaiser im Auf- stand gegen Aurelian, Erwähnung. Unter den Mittelaltermünzen befinden sih der feltene Denar Rudolfs IIT. von Burgund (993— 1032), drei neu gefundene Denare von Wladislaw I. von Böhmen (Geschenk des Hrn. Dr. Berger) und ein Fund von 26 zum Theil noch unbekannten lausißishen Brakteaten aus dem Anfange des X11]. Jahrhunderts. Unter den neueren Münzen ist ein seltener Gold- A des Herzogs August von Braunschweig, Bischoss von Rate- urg, zu erwähnen.

Geschenke erhielt die Sammlung von den Herren Dr. Berger, Dr. Dressel, Bangüier Hahlow und Professor Dr. Mommsen. Am 1. Oftober ift Hr. Dr. Menadier als Direktorial-Assistent angestellt worden; seit dem 15. Juli ist Hr. Dr. Dressel als Hülfsbeamter thätig. von Sallet.

D. Kupferstichkabinet.

Dem Königlichen Kupferstihkabinet ging eine Reihe äußerst werthvoller Geschenke zu, welche die Sammlung nah mehc als einer Richtung erfreulich ergänzen.

Durch Hrn. Geheimen Kommerzien-Rath Veith tn Berlin erhielt das Kabinet cine Anzahl seltener altdeutsher Kupferstihe und Holz- schnitte, unter denen als besonders hervorragend zu nennen sind:

Veit Stoß: Die Auferweckung des Lazarus. B. 1.

Meister L X LCZ: Der Einzug Christi in Jerusalem.

Albert Glockenton : Der Tod der Maria (B. 12) und cine An- zahl anderer Stiche desselben Meisters.

Barthel Beham: Das tanzende Bauernpaar. Paf. 72.

Beham, H. S. : Die Musikanten. B. 190. K.

_ Meister, „H. K.“ (Hans von Kulmbach): Johannes der Evange- list auf Patmos. B. 1.

Scäuffelein, H.: Die hl. Familie. B. 13.

Ein ebenfalls in dieser Schenkung enthaltener Sammelband® mit 81 fehr fein ausgeführten Landschafts|kizzen und Städteansichten von Wenzel Hollar ist niht nur in künstlerischer Beziehung wichtig, son- dern auch in historisch topographischer Hinsicht außerordentlich: interes- sant. Eine Menge rheinischer und bayerischer Städte und Orte, Köln, Bonn, Straßburg, Passau, Wien, Ansichten der Donau 2c. sind darin dargestellt. Bisher besaß das Kupferstichkabinet nur wenige Zeichnun- gen dieses Künstlers, der nun hier so glänzend vertreten erscheint.

Durch Hrn. Banquier Julius Guttentag in Berlin erhielt das Kupferstichkabinet zunähst eine Sammlung von siebenundzwanzig Handzeihnungen von Rembrandt und sechszehn Zeichnungen der Schule des Meisters überwiesen. Diese Sammlung von seltenem Reichthum wurde von dem Wiener Kunsthändler Alexander Posonyi im Laufe vieler Jahre zusammengebracht.

ierdurch is gegenwärtig in unserer Handzeihnungssammlung Rembrandt in ungewöhnlicher Vortrefflihkeit und nah allen Seiten seiner Kunst hin vertreten.

Die in der Schenkung enthaltenen Zeihnungen von zweifelloser Echtheit sind:

_Rembrandt van Rijn: Das Opfer Kains und Abels. Flüchtig E Federzeihnung. 196 : 292, Sammlung Mariette, Beur- nonville.

Derselbe. Der Traum Josephs. Federzeihnung. 145 : 188. Sammlung Andreof}sy, Beurnonville, Gigoux.

Derselbe. Engel erscheinen dem FMlafenden Jacob. Federzeich- nung. 200:198. Sammlung S. de Festetics 1850. F. D. Böhm, Gavet. i

Derselbe. Judith mit ihrer Magd, im Begriff, in das Zelt des Holofernes zu treten. (?) Federzeihnung. 161: 169. Sammlung

Pulszky, von Nath. _ Derselbe. Die Frau des Tobias mit der Ziege. Breite A

C 147 : 185. Sammlung E. -F., Pulszky, von Rath, osonyi.

Derselbe. Studie zu der Mittelgruppe im fog. Hundertgulden- blatt. (Christus heilt den Kranken.) Leicht braun lavirte Feder- zeichnung. 144: 185, Sammlung Durand, Th. Rousseau.

Derselbe. Christus und die Jünger am ODelberg. e lavirte Federzeihnung. 178 : 242. Sammlung Lawrence, Ésdaile, Desperet, Galichon.

Derselbe. Die Kreuzabnahme. Federzeihnung. 195 : 293.

Derselbe. Der Abschied des verlorenen Sohnes. Federzeihnung. 192 : 274. Sammlung Pulszky, von Rath.

Derselbe. Die Grablegung Christi. Federzeihnung. 124 : 149. Sammlung E. Durand.

Derselbe. Der barmherzige Samariter. Federzeichnung. 164 : 195. Sammlung Gavet, Pulszky, von Rath, Engert.

Derselbe. Pyramus und Thisbe. Federzeichnung. 110 : 186. Sammlung S. W. A. Zoort, Dreux.

Derselbe. Pyramus von Thisbe beweint, bei einem Brunnen. Federzeihnung. 164 : 192. Pulszky, von Rath.

Derselbe. Thisbe tödtet \ich bei der Leiche des Pyramus. Ge- tushte Federzeihnung, oben gerundet. 267 : 196. Sammlung Böhm, Gsell, G. von Nath, Puls;ky.

Derselbe. Ein orientalischer Fürst, Audienz ertheilend. (Joseph (?) empfängt seine Brüder.) Federzeihnung. 186 : 179, Sammlung Koller, G. von Rath, Pulszky.

Derselbe. Ein auf einen Stab gestüßter Orientale. Federzeich- nung. 159: 82. Sammlung Eszterhazy, Pulszky, von Rath.

Derselbe. Ein Orientale im Turban mit zwei anderen. Männer- gestalten. Breite Federzeihnung. 168: 143. Sammlung G. P., Böhm.

Derselbe. Cin Orientale. Rückseite: Ein Neiterzug vor einem Stadtthor. Federzeihnung. 110: 75. “Sammlung * Reynolds, Lawrence, Esdaile. ck

i, Derselbe. Drei Juden im Gespräch bei einander stehend. Feder- Lind auf japan. Papier. 120: 86. Sammlung v. d. Schafft, ebih.

Derselbe. Ein knieender Mann im Gebet.

169 : 179,

ederzei ; Theil flüchtig getuscht. Federzeichnung, zum

Derfelbe. Ein in einen Mantel gehüllter Mann, von hinten Dabei ein Kopf in Turban. Kreidezeihnung. 123: 71. Samm- lung euloity, von Rath.

elbe. Eine Frau in reihem Gewande nah rets ewandt Federzeihnung. 138 : 94. Sammlung John Thane, Csdaile erselbe. Knabe sich die Schuhe lösend. Auf der Rülseite ein änder a Bi aue enne 123 : 75. Sammlung Böhm ulszky, von Rath. s

Derselbe. Sigende alte Frau, in einem Buche lesend. Braun [avirte Yeverzeihnting, 120 : 73. Sammlung Pulszky, von Rath,

Derselbe. Landschaft mit Kanal und Brücke. Federzeihnung auf rots getöntem Papier. 75 : 168. Sammlung van den Willigen,

e

ih.

Derselbe. Landschaft mit zwei Hütten unter Bäumen. Flüchti L s lavirte Federzeihnung 196 : 310. Sanmlung Put von Rath.

Derselbe. Bettlerin, einen Mann um Almosen bittend. Feder, ¡eihnung, oben gerundet. 110: 87. Sammlung Böhm.

Weiterhin empfing das Kabinet durch Hrn. Guttentag sechs alt: italienishe Kupferstihe des sog. Meisters von 1515, die bisher bei uns fehlten, und zwar:

Herkules tödtet den Nefsus. B. 1. Mars, von Amor gefesselt. B. 6. Das Opfer an den Gott Pan. B. 7. Die Mutter. B. 15. Trophäe. B. 21.

___ LTrophâäe. Paff. 41. ¿

Gndlih noch ein Eremplar des äußerst seltenen Buches: Apo. ealypsis Jhesu Christi Impressa (Venetiis) per Alex. Pag(ano) . 1516, Fol., mit den Kopien von Zoan Andrea, nah den Holzschnitten der Dürerschen Apokalypse. Lippmann.

(Shluß folgt.)

Die beute Mittag an dem Haufe Sophienstraße 12 feierli ent- hüllte Gedenktafel zu Ghren des Schulvorstehers Dr.Marggraff besteht bei 60 cm Breite und 1 m Höhe aus rothem Granit, welcher nur roh mit kräftiger Aderung bearbeitet ist, und trägt in einer Ver- tiefung in glatt geshliffener Umrahmung das Bronze-Reliefbild Marggraffs. Unter diesem Reliefbild befinden ih auf glatt geschlife- nem Grunde die Worte: „Dr. Franz Eberhard Marggraff, geb. d, 22. 12. 1787, gest. hier d. 25. 12. 1879.“ Das Reliefbild ift von dem Professor Sußmann-Hellborn modellirt, die Tafel von dem Re- gierungs-Baumeister Gause entworfen. Der Bronzeguß ist von Koch und Bein, die Stkeinmetarbeit von den Gebrüdern Zeitler hergestellt.

London, 17. Februar. (W. T. B.) Die fozialistischen Führer Burns, Hyndman, Champion und Williams erschienen heute Vormittag vor dem ea in Bowstreet unter der Anschuldigung, am 8. d. M. auf Trafalgar Square auf- rührerishe Reden gehalten zu haben, durch welche eine Menschen- menge zum Aufruhr und zum Straßenraub aufgereizt wurde. Die Angeschuldigten beantragten die Vertagung der Verhandlung, weil fie noch niht zur Vertheidigung vor- bereitet seien. Der Gerichtshof lehnte indeß die Vertagung ab, und der Staatsanwalt beantragte: die Angeschuldigten wegen der oben“ erwähnten Anklagepunkte vor die Assisen zu verweisen. Die weitere Verhandlung wurde \{chließlich auf acht Tage vertagt und die Angeklagten gegen Kaution aus der Haft ent- lassen. Berichterstatter der „Times“ legten im Laufe der Verhand- lung Zeugniß ab über die von den Angeklagten gehaltenen aufrühreri- \chen Reden. :

Der Bürgermeister von Birmingham hat in einer Proklamation Ansammlungen in den Straßen nah Eintritt der Dunkelheit untersagt.

Kischineff, 17. Februar. (W. T. B.) In dem Prozeß egen die jüdishe Näuberbande, welhe einen katholishen Priester in Bielty beraubt und der Polizei bewaffneten Widerstand geleistet hatte, verurtheilte das Kriegsgericht drei der Angeklagten zum Tode und drei zu je fünfzehnjähriger Zwangsarbeit.

Im Belle-Alliance-Theater finden nur noch wenige Vor- stellungen von der „Schönen Helena“ statt. Anfangs nächster Woche wird „Parijer Leben“, welhes durch seine lustige Hane und prickelnde Musik in dem Offenbah-Cyklus des Friedrich-Wilhelm- städtischen Theaters den größten Erfolg errungen hat, zur Aufführung kommen. Zu den von früher bewährten Kräften treten als neue hinzu: Frl. Helene Meinhardt als Metella und Hr. Carl Swoboda als Maître cordonnier.

Der Harmonium-Virtuose, Musikdirektor V. J. Hl aváé, Leiter der Concerte in Pawlowsk bei St. Petersburg, gab gestern im Saal des Architektenhauses einConcert, inwelchem er Werkeklassischer und moderner Komponisten zu Gehör brachte. Ein Lied mit Veränderungen von Joh. Mich. Bach (16483—94) machte den Anfang; der Concert- gebèr verlieh hierbei jeder Variation eine besondere Klangfarbe dur die Abwechselung mit den aus 30 Registern bestehenden Zügen seines ausgezeichneten Instruments. Bei dem Adagio der Sonate pathétique von Beethoven that der Spieler indessen des Guten hierin zu viel, während die Flötenregister in der Dur-Stelle des Andantes der Pastoralsonate, das überhaupt zweckmäßiger arrangirt war, reizend klangen. Mit großem Beifall wurde die Toccata und Fuge für Orgel von Gottlieb Muffat, ehemaligem Hoforganisten zu Wien, aufgenommen. Der- artige Tonstücke eignen sih vorzugsweise zum Vortrag auf dem Harmonium. Die Ouverture zu „Tell“ dagegen war keine glücdliche Wahl, da die bei fast allen Harmoniums stumpfen und kurzen Baß- tône, fowie die durch das Arrangement zertheilten Flötenpassagen den Eindruck s{chwächten. Das sich stets in den höheren Tonlagen bewegende Vorspiel aus „Lohengrin“ ershien vorzugsweise zur Trand- \fription für dieses Instrument geeignet. Der hohe Grad technischer Fertigkeit und die zumeist sehr einsihtsvolle Jnstrumentirungsweise ver- haften dem Künstler lebhafte und wohlverdiente Beifallsbezeugungen. Das Harmonium stammt aus der Fabrik des Kaiserlichen Hof- Instrumentenmachers Schiedmayer zu Stuttgart. Außer den vielen Registerzügen, die der Klangfarbe verschiedener Orchester-Instrumente entsprechen, besißt s zwei Manuale und vier Knieregister zur Pro- longation einzelner Töne. Das An- und Abschwellen der Töne is von fehr \{chöner, oft ergreifender Wirkung. Das Instrument gehört zu den vorzüglichsten seiner Art. Die Sopranistin Frl. Else Jordan unterstüßte das Concert duch den Vortrag einer Arie von Bizet und zweier Lieder von Bendel und Meyer-Ölbersleben. Sie ist im Besiß einer klaren und sehr ausgiebigen Stimme, der es nur noch an einer höheren künstlerischen Ausbildung fehlt.

_Im Saale der Sing-Akademie giebt die Pianistin p Luisa Cognetti unter Mitwirkung der Sängerin Frl. Olga Sillem morgen Abend ein Concert, auf dessen reihem Programm sih Nummern von Beethoven, R. Schumann, F. S. Bach, F Schubert, Fr. Chopin, Fr. Liszt u. A. befinden.

Redacteur: Riedel. Verlag der Grpedition (S{ch olz).

Vier Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

Druck: W. Elsner.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger. und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 43.

Berlin, Donnerstag, den 18. Februar

1886.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 18. Februar. Jn der gestrigen (48.) Sigung des Reichstages irat das Haus in die erfte und eventuell zweite Berathung des Antrages

asenclever auf Gewährung von Reisekosten und diiten an die Mitglieder des Reichstages ein.

Der Abg. Hasenclever erklärte, die Sozialdemokraten tten diesen früher von der deutshfreifinnigen Partei wieder- olt eingebrahten Antrag diesmal dem Hause vorlegen zu

müssen geglaubt, obwohl sie selbst noch vor 4 bis 5 Fahren \{ der Abstimmung, da sie keine Aussicht verheißen habe, ent- alten hätten. Diesmal habe, nachdem die deutschfreisinnige artei auf ausdrücklihe Anfrage erklärt habe, daß sie gar nicht an einen Antrag denke, der preußische Fiskus angefangen. Anfangs habe er (Redner) allerdings geglaubt, die deutschsreisinnige Partei scheue sich wege der Diäten- prozesse aber durch die Rede des Abg. Traeger habe fie sich ja ebenso rüchaltlos zu einem fogenannten Diätensonds bekannt, wie die Sozialdemokraten. “Nur dieser Diätenfonds fei der Grund des heutigen Antrages. Jn der Form unterscheide er sich gar niht von dem früheren deutshfreisinnigen. Er sei ebenso durchweg vom Neich8tage angenommen, wie er durhweg vom Bundesrath abgelehnt worden sei. Die Diätenlosigkeit folle eine Korrektur des allgemeinen Wahlrechts sein. Dann hätte aber das lehtere gar keinen Sinn, denn die Heranziehung der untersten Klassen zur Wahl habe nur dann einen Einn, wenn auch die Vertretung derselben nah allen Rihtungen hin gesichert sei. Sei dies nicht der Fall, so fomme ihm dies vor, wie politische Heuchelei und Unmoralität. Der Hinweis auf England und Frankreih sei ohne alle Be- deutung, da die Wahlen dort mit den deutschen nicht ver- glihen werden könnten. FJndessen, das deutsche Parteiwachs- hum habe gezeigt, daß die Diätenlosigkeit auf die Wähler de Einfluß sei. Er würde aber die Frage gar niht zum ustrag bringen, wenn niht der Fiskus mit seinen Diäten- prozessen vaggegan en wäre. Diese sollten dazu berufen sein, die Korrektur des allgemeinen Stimmrechts wieder zu korrigiren. Venn das Reich Diäten verweigere, fo sage sih der Wähler, er müsse den Gewählten doch auch in die Lage verseßen, seine des Wählers) nteressen zu vertreten. Daß auch die Kon- M tiven früher, wenn auch in anderer Form, Diäten ge- zahlt hätten, stehe fest. Warum habe denn der Geheimrath Vagener sein Rittergut Dummerwiz von der Partei er- halten ? Aber die Sozialdemokraten seien ja im Einver- sändniß mit dem Bundesrath und dem Minister von Boetticher, welher die Eisenbahnfreikarten für die Abgeordneten unter- jihne. Art. 32 habe eben durchaus keine andere Wirkung, als daß von Reich3wegen keine Diäten gezahlt würden, ganz abgesehen davon, daß die Cisenbahnfreikarten den Charakter vn Almosen hätten, weil der Geber das Recht in Anspruch nehme, sie alle Zeit beshneiden zu können, und sie uh beshnitten habe. Auh die Geschworenen sorgten untereinander für s{hadlose Ausübung 1hrer Pflicht durch Bildung von Geschworenenvereinen. Einzelne Herrenhaus- mitglieder erhielten ja auch Diäten und seit 3 bis 4 Jahren Eisenbahnfreikarten. Damals sei das Gerücht gegangen, man gebe die Eisenbahnkarten, um die Herren geneigter zu nahen E das Staats-Eisenbahnsystem. Er glaube das ja niht, aber wenn man solche Gedanken den Sozialdemokraten unterlege, warum sollten sie dies nicht auch gegen die Mit- lieder des Herrenhauses thun dürfen? Bis vor zwei Jahren sie kein Mensch Anstoß an solchen Parteidiäten genommen, is plôglih der Reichskanzler nah einer Rede des Abg. von Ninnigerode, der gesagt habe, man verkaufe sich einer ga, venn man Diäten annehme, bemerkt habe, daß er (der Reichs- lanzler) in einem solchen Fall sich an den Staatsanwalt wen- den werde. Es scheine demselben dies nicht “geglückt zu sein, ind darum habe er durch den preußischen Fiskus die Diäten- prozesse anstrengen lassen, die wahrhaftig nicht geeignet seien, das Ansehen der Richter im Volksbewußtsein zu heben. n sieben dieser Prozesse sei der Fiskus bekanntlich in erster nsianz zurückgewiesen worden; da fahre E ehe -noch die Prozesse in die zweite Jnstanz gelangt seien, das so- genannte Kanzlerblatt dazwischen und gebe den Ober-Landes- sen förmlich eine Direktive, nah welcher sie urtheilen ollten. Allgemein habe man den Eindruck, daß diese Artikel nur einen Druck auf die Ober-Landesgerichte ausüben sollten. Einen ähnlichen Artikel, in dem es heiße: „Nun foll es uns mal wundern, wie jeßt die Gerichte entscheiden werden“, hätten bald darauf die „Berliner Politischen Nachrichten“ gebracht. ie bekannten Deduktionen nun, auf welche die beiden -bergerichte, die bis jeyt mit der Sache sih beschäf- ligt hätten, sich stüßgten, liefen nur auf eine weitece Veshränkung des Wahlrechts hinaus. Allein der große Auf- wand, den der Aufenthalt in Berlin verursahe, würde ganze Klassen der Bevölkerung vom passiven Wahlrecht ausschließen, ind nur Mitglieder der oberen Zehntausend würden noh Ab- {eordnete werden können, wenn die Annahme von Privaidiäten verboten werde. Er wolle nicht definitiv sagen, daß die Ober- andesgerichte si hätten beeinflussen lassen dur solche Aeuße- Ungen; aber man müsse erschrecken, daß in beiden Ober- LUndesgerichten, in Breslau und Naumburg, wenigstens der Mm der „Norddeutschen“ wiedergeklungen habe. Dies gerade ‘lhüttere das Vertrauen des Volks in die Gerichte, ein Ver- guten, welches {hon durch die traurigen Majestäts- eidigungs-Prozesse im Jahre 1878 stark ins Wanken tlommen sei. Der Richterstand stehe niht mehr so intakt - wie früher. Wenn die Abgeordneten nun keine Diäten ehr empfangen dürften, was wolle man denn sagen, venn das Volk vielleicht eine Bebel-Liebknecht-Hasenclever- preltde eiurihie? So klug wie die Polizei seien die Sozial- ‘mokraten auch noch; und dabei seien sie noch in der günsti- f Lage, die Angegriffenen zu sein, und zwar von der preu- isen Staatsgewalt und dem preußischen Fiskus, diesem idenkbaren Ding. Beleidige man die Sozialdemokraten, wid eien deren Mähler nux um so stolzer auf die E Sie

bse, Ile durh eine solche Presse angegrissen würden. Vrden wenn

denselben doppelt Dank wissen, und,

der Neichstag aufgelöst würde, so würden die Sozial- demokraten niht mit 24, «sondern, um den Wunsch des Reichskanzlers zu erfüllen , mit 36 Mann hierher kommen. Nun glaube man s\{ließlich sogar noch, durh die Klagen auf die Sozialdemokraten persönlich Eindruck aus- üben zu können, weil es nicht recht wäre, solche Parteidiäten zu empfangen; aber da seien sie um mit dem Abg. von Köller u reden viel zu abgebrüht dazu. Die Empfangnahme der Parteidiäten, der von den Arbeitern abgedarbten Groschen, sei die einer Ehrengabe, auf welche die gewählten Sozial- demokraten stolz seien. Sie wüßten, daß sie freiwillig gezahlt würden, denn die Arbeiter seien überzeugt, daß die Gewählten die Vertreter ihrer guten und gerehten Sache seien. Er bitte, den Antrag anzunehmen und dem erschütterten Rechtsgefühl im Lande eine Stüße zu geben.

Der Abg. von Kardorff meinte: Der Vorredner habe, abgesehen von der „Nor?deutshen Allgemeinen Zeitung“, nichts Neues zur Sache vorbringen können. Seine politischen Freunde und er meinten, daß die Diätenlosigkeit von Anfang an Seitens der Negierung beabsichtigt gewesen sei. Wie die Fortschrittspartei es aufgegeben habe, diesen Antrag zu wieder- holen, so glaube seine Partei, daß es in der That für die Würde und das Ansehen des Reichstags nicht nüßlih sei, wiederholt mit Anträgen zu kommen, deren Erfolglosigkeit vou vornherein vorherzusehen sei. Wenn der Abg. Hasen- clever sih bezüglih der Diäten so scharf gegen den Reichs- kanzler wende, jo sollte er seine Worte lieber gegen den Abg. von Stauffenberg richten, welher über Parteidiäten das Schärfste gesprochen habe, was überhaupt gesprochen werden könne. Die Reichspartei werde wie früber gegen den Antrag stimmen. ° ___ Der Abg. Meyer (Halle) äußerte: Den auf die frei- sinnige Partei bezüglihen Ausführungen des Antragstellers gegenüber könne er bestimmt erklären, daß der Standpunkt zur Diätenfrage heute derselbe sei wie früher. Die Deutsch- freisinnigen hielten unershütterlih an ihrer Ansicht von der Nothwendigkeit fest, daß die Reichsregierung die Reichs- institutionen in dieser Weise ergänze. Sie hielten sih aber niht für verpflichtet, in jedem Jahre den Antrag zu wiederholen. Jm vorigen Jahre hätten sie zur Ein- bringung einen bestimmten Anlaß gehabt ; erx sei gewissermaßen die Antwort auf die durch den Bundesrath angeordnete Abänderung bezüglich der Benußzung der Eisen E fahrtskarten gewesen. Heut zu Tage hätten sie keinen beson- deren Anlaß; im Gegentheil wünschten sie, daß die Diätenprozesse erst ablaufen und die Luft durh Entscheidung über dieselben gereinigt werden möchte. Dann werde sich Gelegenheit zu einer Kritik bieten, und man werde erwägen können, ob es recht sei, daß, wenn ‘ein als ehrenhafst bekannter Mann und Beamter sage, er beziehe keine Diäten, man ihn dennoch durch Zeugen der Unwahrheit zeihen wolle. Die Reichsverfassun jei niht unabänderlih für ewige Zeiten; sie sei der Ausbil- dung in diesem Punkte wohl fähig und werde auch später be- stimmt entsprehend geändert werden. Weil seine Partei dies wisse, so dränge sie nicht in diesem Augenblick auf Lösung dex Frage. Er habe nur die Vermuthung abwehren wollen, als habe sih in ihrer Stellung irgend etwas geändert.

Damit war die erste Berathung erledigt; in der Spezial- disfussion wurden die einzelnen N Lava des Gesetzes ohne Debatte angenommen. Gegen dasselbe stimmten die Konservativen, die Reichspartei und ein Theil der National- liberalen. Darnach soll Art. 32 der deutschen Reichsverfassung durch folgende Bestimmung erseßt werden:

_ yDie Mitglieder des Reichstages erhalten aus Reichsmitteln Reisekosten und Diäten nah Maßgabe des Geseßes. Ein Verzicht darauf ist unstatthaft“, : und für die Uebergangszeit, bis zum Erlaß dieses Gesetzes der Ce die Höhe der Reisekosten und Diäten festzusetzen erechtigt sein. Die Tagesordnung war hiermit erledigt. Um 2 Uhr vertagte sih das Haus auf Donnerstag 12 Uhr.

Jm weiteren Verlauf der gestrigen (21.) n des Hauses der Abgeordneten stand nachstehender Antrag des Abg. Dr. Kropatscheck, betreffend Gleichstellung der Lehrer an den nichtstaatlihen höheren Lehr- anstalten mit denen an Anstalten staatlichen Patronats, zur Verhandlung:

8. 1. Die Lehrer an den nichtstaatlihen höheren Lehranstalten werden hinsihtlich des Ranges und des Gehalts den Lehrern an den entsprehenden Anstalten \taatlihen Patronats gleichgestellt.

8. 2. ; Die gegen Bestimmungen über den Wohnungsgeldzushuß, über die Pensionirung, über die Zahlung der Beamtengehälter und über das Gnadenquartal, über die Fürsorge für Wittwen und Waisen finden auh auf die Lehrer an den nichtstaatlichen Lehr- anstalten finngemäße Anwendung.

8. 3.

In denjenigen Fällen, wo das Fortbestehen einer nihtstaatlihen höheren Lehranstalt im öffentlichen Interesse liegt, die eigenen Ein- nahmen der Anstalt und die Mittel der Schulunterhaltungspflich- tigen aber zur Erhaltung derselben nah Maßgabe der §8. 1 und 2 nachwei8bar nicht ausreichen, tritt eine Subvention aus staatlichen Fonds ein. i

8. 4. Alle sechs Jahre findet eine Neuregulirung der staatlichen Subventionen nach Maßgabe der im §8. 3 aufgeführten Grfor- dernisse statt. ¡

Subventionen, welche «t rechtlichen Verpflichtungen des Staates beruhen, werden durch dies Geseyß nicht berührt.

. 6, Verträge, welche diesem Gie zuwiderlaufen, sind nichtig.

Der Antragsteller wies arn hin, daß die Klagen der Lehrer an nichtstaatlihen höheren Lehranstalten über die Wei- gerung der Kommunen zur Zahlung des Wohnungsgeld- zuschusses das Abgeordnetenhaus fast alljährlich beschäftigt hätten. Es sei ja dankbar anzuerkennen, daß der Kultus- inister allen seinen Einfluß aufgeboten habe, um die Kom- munen zur Zahlung zu bewegen, aber nicht überall habe er Erfolg gehabt. Schon deshalb sei die geseßliche Regelung

dieser Sache nothwendig, außerdem aber auch hinsichtlich: der Gleichstellung in den Rang: und Pensionsverhältnissen der Lehrer, wie sie das Haus noch 1884 in einer Resolution befürwoutet habe. Der bisherige Zustand, daß Lehrer von gleicher Vorbildung in staatlihen Änstalten den vollen Wohnungsgeldzushuß, an fommunälen Anstalten einen geringeren oder gar feinen Wohnungsgeldzushuß bekämen, sei ganz unhaltbar. Sein Antrag komme berechtigten Wünschen der Lehrer nah. Weiter- gehende Forderungen, wie sie in ganz unqualifizirbarer Form das Akacorditétéibaas nur zu oft behelligten, seien unerfüllbar und schadeten den Antragstellern selbst. nihtstaatlihen Anstalten denjenigen an staatlihen An- stalten gleichständen, gehe daraus hervor, daß dieselben wählbar seien in die Stadtverordneten-Versammlungen und dienstlih nur den Provinzial-Schulkollegien unterständen. Die Kommunen hätten nur das Recht der Wahl, allerdings aber auch das der Ascension, bei dessen Ausübung si nur zu oft politische Erwägungen in den Vordergrund gedrängt hätten. Es sei nicht selten vorgekommen, daß Städte ihre Lehrer wegen konscrvativer Gesinnung nicht aufrücken ließen. Er, Redner, selbst sei in Brandenburg nicht aufgerückt, weil er angeblich die Primaner zu fkonservativer Gesinnung ver- führt haben würde. Er glaube allerdings niht, daß diese Primaner später in das freisinnige Lager übergegangen seien. Jedenfalls hätten die Kommunen, im Besiß des Wahlrechts, auch die Pfliht, ihre Lehrer in Bezug auf den Wohnungsgeldzuschuß so zu stellen, wie die Lehrer an staatlihen Schulen. Daß sie die Mittel dazu hätten, sei niht zu bestreiten. Viele Kommunen hätten au in dieser Beziehung sehr liberal für ihre Lehrer gesorgt. Sollten aber einige Kommunen diese Pflicht nicht erfüllen können und der Fortbestand der Anstalt im öffentlichen Jn- teresse liegen, so müsse eine staatlihe Subvention eintreten. Die Furcht, daß diese Bestimmung zu einer Verstaatlichung der kommunalen Schulen führen werde, könne er nicht theilen. vai seinen Geseßentwurf einer Kommission zu über- weisen.

Der Abg. v. d. Reck hatte gegen den Gesezentwurf ver- C0 Bedenken und sah in demselben einen unbe- re

Daß die Lehrer an

tigten Eingriff in die Freiheit der Kommunen. er Abg. von Haugwiytz hielt den Kropatscheckshen An- trag für eine einfahe Erfüllung der Pflicht der ausgleichen- den E

Der Abg. Bachem beantragte für den Entwurf kommissa- rische Vorberathung in der um sieben Mitglieder zu verstär- kenden Budgetkommission. Der Antrag sei in der vorliegenden

orm geeignet, die Selbstverwaltung der Gemeinden und die reiheit ihrer Entschließungen bedenklich zu alteriren.

Der Abg. Seyffardt (Magdeburg) wandte \sih gegen die Behauptung des Abg. von Haugwig, daß mit der Annahme des Antrages lediglich eine Pflicht ausgleichender Gerechtigkeit erfüllt werde. Wolle man überhaupt von ausgleihender Gerechtigkeit sprehen, so wäre zunächst der Staat an der Reihe, sich seiner Verpflichtungen zu erinnern, nachdem die Kommunen so viel für die Schulen gethan hätten. Aber wenn auh durch den Antrag die Kommunen noch mehr belastet würden, so könnten die Nationalliberalen doch seinem Grund- gedanken nur Beisall zollen. Zur Beseitigung der namentlih gegen die N des Antrages zu erhebenden Bedenken schlage er die Einsetzung einer besonderen Kommission von 21 Mit- gliedern vor.

Der Abg. Peters brachte dem Antrag ebenfalls seine volle Sympathie entgegen, hielt aber die Erzielung wirklich zufrieden- stellender Verhältnisse in der städtischen E mit dieser Regelung allein und ohne gleichzeitige Regelung der Ascensions- frage für unmöglih. Die ungünstige Lage vieler städtischen Gymnasien, namentlih in Schlesien, sei dem Schulgründungs- fieber der Kommunen in den siebziger Jahren zu verdanken. a seien zahlreihe Kommunen an der Grenze ihrer

eistungsfähigkeit für die von ihnen geschaffenen höheren Anstalten angelangt und zu weiteren Opfern unfähig. Jn allen solchen Fällen habe prinzipiell die Staatssubvention einzutreten. Es werde sich nunmehr fragen, ob die Regierung die Geneigtheit zur Zahlung dieser Subventionen an die noth- leidenden Kommunen besitze.

Der Abg. von Schenckendorff hielt die Cs einer besonderen Kommission für um so nothwendiger, als der An- trag in seiner Tragweite sih auch auf alle Nichtvollanstalten, auf die Progymnasien, die Real-Progymnasien, die Ober- Realschulen erstrecke, somit in die Materien, deren definitive E nur von einem E Unterrichtsgeseß erwartet werden könne, sehr üef eingreife.

Der Abg. Schmidt (Sagan) erklärte Namens der Frei- konservativen die volle Sympathie mit der den Lehrern an nichtstaatlihen Schulen zugedachten Verbesserung, machte aber namentlih gegen die nah dem Antrage der Regierung zu übertragende unbeschränkte facultas hinsihtlich des Weiter- bestehens der in Frage kommenden De E Anstalten Be- denken geltend. Zur Vorprüfung werde fih in erster Linie die Unterrichtskommission, eventuell eine besondere Kommission empfehlen. :

Der Abg. angerant bezweifelte, daß die Weigerun des Magistrats zu Brandenburg, den Oberlehrer Kropatsche ascendiren zu laffen, etwa schriftlich mit denjenigen Momenten “a Vgg worden sei, die der Abg. Kropatscheck hier angeführt habe. Prinzipiell sei die Errihtung und Unterhaltung höhe- réx Lehranstalten Sache des Staats. Wie aber die Sachen jeßt faktish lägen, nen man möglichst vermeiden, 2 geringere Leistungèn für die Lehrer \chließlich au eine Klasse sGledzterer Anstalten, oder, was dasselbe sei, eine Ershwerung der Gelegenheit zu guter Ausbildung zu schaffen. Deshalb sei der D des Entwurfs als ein guter anzuerkennen. Für die event. Subventionirung müßten aber ganz bestimmte Modalitäten aufgestellt werden, sonst werde lediglih eine weitere Belastung und sogar Schädi- gung der Kommunen ohne jedes Aequivalent das Ergebniß sein.

Der Gesegentwurf wurde darauf- mit großer ui einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Es folgten N en.

Die Wahlen der Abgg. Althaus (4. Kassel), Dr. Szuman