Aeußerung: „Wenn er (V.) die ihm vorgezeigten Wechsel für senen S@hwiegersohn einlöse, so werde dieser wegen Wechsel: älshung „nicht bestraft werden, wenn er (V.) dagegen die Wechsel nicht einlöse, müßten sie vorgezeigt werden“. V. löste die Wechsel ein und veranlaßte sodann die Einleitung des Siea[versahrens gegen den Direktor H. wegen Erpressung. Die Strafkammer sprach ihn frei, und die vom Staatsanwalt eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht, Ill. Straf- senat, durch Urtheil vom 14. Januar d. F., verworfen. Jn der Begründung heißt es: „Der Begriff der Drohung erfor- dert objektiv die Ankündigung oder Jnaussichtstellung eines Uebels, dessen Verwirklihung irgendwie von der Macht oder dem Willen des Bedrohenden abhängt und dessen Eintritt der Bedrohte derartig zu fürchten hat, daß diese Befürchtung seine freie Willensbethätigung beeinflußt; subjektiv wird das Be- wußtsein des Drohenden von dieser Wirksamkeit seiner Kund- gebung auf den Willen des Bedrohten eee, Unwesentlich 1st die äußere Form der gebrauhten Redewendung und im konkreten Falle der Umstand, ob Angeklagter ausdrücklih an- kündigte, er werde oder wolle den V.'shen Schwieger- sohn wegen Wechselfälshung zur Verfolgung bringen, oder ob solche Ankündigung nur stillshweigend in den Worten enthalten, aber vom Angeklagten beabsihtigt war und vom Bedrohten in diesem Sinne verstanden werden mußte. Nun erklärt aber die Borinstanz eine derartige Willensrichtung des Angeklagten thatsählich für niht erwiesen, verneint s{lechthin, daß Angeklagter den Willen des V. durch die fest- estellte Aeußerung habe beugen wollen, geht vielmehr von der uffassung aus, daß, unabhängig von der Einwirkung des Angeklagten, nah der ganzen objektiven Sachlage V. bezw. dessen Schwiegersohn bereits mit der Eventualität einer Konstatirung der etwa vorgekommenen dungen bedroht war, daß Angeklagter dem V. ediglih diese bedrohlihe Situation mitgetheilt und ihm in der Wedhseleinlösun ein Mittel an die Hand gegeben at, das drohende Uebel abzuwenden, oder doh abzuschwächen. ächt also, weil Angeklagter dem V. irgendwie in Aussicht stellte er könne oder wolle die Frage der Wechselfälshung gerichtlih anhängig machen, hat sich leßterer Fpruagen gesehen, die Wechsel einzulösen, sondern weil V. in Folge der Mit- theilungen des Angeklagten glaubte, er könne dur Einlösung der Wechsel die sonst nah dem Laufe der Dinge unvermeid- liche Anhängigmachung der Sache abwenden, hat er sich zu der vom Angeklagten in Anregung gebrachten Maßregel entschlossen“.
Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Kaiserlicher Unter-Staatssekretär Dr. von Mayr und Fürstlich lippischer Kabinets-Minister Freiherr von Richthofen sind u ein- getroffen. Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Herzoglich jasen-meiningische Staats-Minister Freiherr von Giseke ist von hier wieder abgereist.
— S. M. Kreuzerkorvette*,„L uis e“, Kommandant Kor- vetten-Kapitän Graf von Haugwit, ist am 15. März cr. in Norfolk eingetroffen und beabsichtigt, am 24. dess. M. wieder in See zu gehen. :
S. M. Brigg „Mus quito“, Kommandant Korvetten- Kapitän Piraly, ist am 14. März cr. in Havanna eingetroffen und beabsichtigt, am 1. April cr. wieder in See zu gehen.
__ — Das „Marine-Ver.-Bl.“ veröffentlicht folgende} Nach- vichten über S sr eealgen (das Datum vorx dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nah dem Orte Abgang von dort). S. M. Kreuzer „Albatroß“ Tonga 2 1. 12./2. Matupy 27./3. (Poststation: Sydney.) M. S. |_ wBayexn“, 24./10. 85 Kiel. (Poststation : e ; M. S. _Dluder’-40./9. 85 Kiel. (Poststation: Kiel.) ._ M. Knbt. “Epclop“ F13./1. Paolo de Loando 18./1. (Poststation ‘Küttor;r S. M. S. „Elisabeth“ 27./2. St. Vincent [Kap 1./3. (Poststation : Plymouth.) S. M. S. „Friedrich 21./2. Suda-Bay [Kreta]. — Leyte Nachriht von dort 8./3. (Poststation: Suda-Bay.) S. M. Kreuzer „Habicht“ 20./12. 85 Kamerun. — Leßte Nachricht von dort 53./1. (Post- station: Kamerun.) S. M.S. „Hansa“ 27./1. Kiel. (Post- station: Kiel.) S. M. Knbt. „Hyäne“ 29./1. Port Louis [Mauritius]. (Poststation : Zanzibar.) S. M. Knbt. „ltis“ 20./12. 85 Canton 4./2. — 6./2. Hongkong. (Post- station: bis 25./3. Singapore, vom 26./3. ab Aden.) S. M. Aviso „Loreley““ 30./10. 85 Konstantinopel. — Leßte Nachricht von dort 6./3. (Poststation : Konstantinopel.) S. M. S. „Luise“ 22./2. Havanna 4./3. (Poststation: Norfolk [Virginia, Nord- Amerika].) S. M. Kreuzer „Möwe“. Leyte Nachricht aus Zanzibar 17./1. (Poststation: Zanzibar.) S. M. Brigg „Musquito“ 22./1. St. Thomas 11./2. — 12./2. St. Croix 15./2. — 19./2. Jamaica 2./3. (Poststation : Norfolk [Vir- ginia, Nord-Amerika].) S. . Panzerfhrzg. „Mücke“ 15./6. 85 Wilhelmshaven. (Poststation : Wilhelmshaven.) S. M. Kreuzer „Nautilus“ 23./12. 85 Shanghai 10./3. 14./3. Amoy. (Poststation: Hongkong.) S. M. Tender „Ulan“ 29./9. 85 Kiel. (Poststation: Kiel.) Schulgeshwader: S. M. Schiffe „Stein“, „Moltke“, „Sophie“, „Ariadne“ 11./3. Ply- mouth 21./3. (Poststation : Plymouth.) Kreuzergeshwader: S. M. Schiffe „Bismarck“, „Gneisenau“, „Olga“ 28/2. Sydney. (Poststation : Sydney.)
Vayern. München, 16. März. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten bewilligte heute das Pr0o- visorishe Steuergesey. Ein Antrag auf Abänderung der grn in Bezug auf die Zulassung einer Dis- kusfion bei Jnterpellationen wurde einstimmig angenommen. — Die Regierungsvorlage, betreffend den Zuschuß von 390 000 ( zu dem Bau einer Lokalbahn von Reichenhall nah Berchtesgaden, wurde Seitens der Rechten mit 74 gegen 71 Stimmen abgelehnt. Ein Antrag Sodens, die Regierung zu ersuchen, dem jeßigen Landtage einen Gesezentwurf , be- treffend die Herstellung der genannten Bahn dur den Staat, vorzulegen, wurde ‘mit 69 gegen 57 Stimmen angenommen.
Sachsen. Dresden, 16. März. (Dr. J.) Se. Majestät der König wird sich in Begleitung Jhrer Königlichen Friedr des Prinzen Georg und des Prinzen
Friedrich August zur Beglückwünschung Sr. Majestät des von Preußen, aus Anlaß Aller- höchstdessen bevorstehenden Geburtsfestes am Sonntag, dem 21. d. M., Vormittags 10 Uhr 17 Minuten, via Zossen nah Berlin begeben.
Die Erste Kammer erledigte die Kap. 42 bis 58 des Etats der Zuschüsse, Departement des Jnnern, durhweg nah den Beschlüssen der e Kammer und erklärte, gleichfalls nah dem Vorgange der leßtern, mit dem Jnhalte der König-
eutschen Kaisers, Königs
lihen Gesammt - Ministeriums an die Kammern ge- En Denkschriften, die Begründung eines Landes- versicherungs-Amts, die Erwerbung der bibliographischen Sammlung des Kommissions-Raths Klemm, den Fohlen- aufzucht - Verein betreffend, ihr Einverständniß. Eine längere Debatte knüpste sich an den Antrag des Vize- Präsidenten Dr. Pfeiffer über die Erhöhung der Staatsunter- stüßungen für den Wegebau der Gemeinden, von 180 000 auf 200 000. Hierbei beantragte von Schönberg-Modrig, die Königliche Staatsregierung wolle eine höhere Einstellung dieser Wegebau-Unterstüßung a die Zukunft in Erwägung ziehen. Dieser Antrag, sowie der weitere Antrag der Deputation, welcher eine anderweite Erwägung der für die Wegebau- Unterstüßungen maßgebenden Grundsäße empfiehlt, wurde an- genommen. E
Die Zweite Kammer bewilligte zunähst die das Medizinalwesen betreffenden Kap. 59 bis 62 des Staatshaus- halts-Etats den Vorschlägen der Finanzdeputation gemäß nah der Vorlage, mit der Maßgabe, daß zu einer mit der Staats- regierung vereinbarten veränderten Ausführung der geplanten Neubauten für die Thierarzneishule eine etwas erhöhte Summe ausgeseßt wurde. Ferner beschloß sie einstimmig auf Vorschlag der Deputation, die Regierung um Erwägung zu ersuhen, in welher Weise dem fühlbaren Mangel an Aerzten in gewissen Orten und Gegenden des Landes am geeignetsten abgeholfen werden könne.
Die Kaun1mer wendete sich sodann der Berathung des Kap. 111 des Staatshaushalts-Etats: Dotationen an die Shußtgemein- den, zu. Die Finanz-Deputation A. beantragte die Genehmi- gung der Vorlage, nachdem verschiedene Gegenvorschläge, die sie in Erwägung gezogen hatte, ihr s oder weniger bedenklih erschienen waren, egen der Abg. Kirbach Ablehnung des Kapitels bean- tragte, weil er es nicht für gerehtfertigt hielt, Steuerübershüsse anders als zu Steuererlassen zu verwenden. Jm Laufe der Debatte beantragte der Vize-Präsident Streit, die Dotation an die Gemeinden halb nach den Grundsteuereinheiten, halb nah der Bevölkerungsziffer zu vertheilen, andererseits wollte der Abg. Dr. Mehnert aus dem Wortlaute des Kapitels die Bezug- nahme darauf, daß es fich um Vertheilung der Hälfte der Grundsteuern handle, entfernen.
Vaden. Karlsruhe, 16. März. (W. T. B.) Der Erbgroßherzog fühlte sich nah einem gestern Mittag ein- getretenen und bis heute früh anhaltenden Schweiße und nach einer unruhigen, durch wiederholte, theilweise nervöse Be- schwerden gestörten Naht heute Morgen zwar s{chwahch und angegriffen, doch war derselbe zum ersten Mal seil Beginn der Krankheit fieberfrei.
Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 16. März. (Th.C.) Der Großherzog und die Frau Großherzo gin sind gestern Abend wohlbehalten in Bordighera eingetroffen, woselbst sie die Prinzessin Elisabeth in bestem Wohlsein fanden.
Braunschweig. Braunschweig, 16. März. (W. T. B.) Jm Landtage theilte der Staats-Minister Graf Görß- Wrisberg mit, daß in den nächsten Tagen die mit Preußen abgeschlossene Militärkonvention dem Hause vorgelegt werden würde und daß voraussihtlich Mitte der nächsten Woche der Schluß des Landtages erfolgen würde.
A
i M #3 Deskterreich-Ungar . Wien, 17. März. (W. T. B.) r Pandshréiben an den Minister- Präsidenten Grafen aaffe gerichtet, durch welches der Handels - Minister Pino von Friedenthal auf jein Ansuchen seines Amtes in Gnaden enthoben und die einstweilige Leitung des Handels-Ministeriums dem Sektions- e Pußwald übertragen wird. Ein zweites Hand- schreiben des Kaisers an den bisherigen Handels-Minister Pino von Friedenthal spricht demselben für seine dem Staate mit großem Eifer und patriotisher Hingebung geleisteten viel- jährigen und vorzüglichen Dienste die volle Anerkennung aus. Pest, 16. März. (W. T. B.) Das Abgeordneten- haus hat den Regierungsentwurf über die Gerichts- verfassungsreform als Grundlage für die Spezialdebatte mit 207 gegen 141 Stimmen angenommen. Alle anderweitig eingebrahten Anträge wurden abgelehnt.
_Schweiz. Bern, 16. März. (B.) Nach einer vor- läufigen Zusammenstellung wird die Verwaltungs rechnung der Eidgenossenschaft vom Jahre 1885 mit einem Ueberschuß der Einnahmen von circa 2 Millionen Franken abschließen. Davon wird voraussichtlich wieder, wie letztes Jahr, eine Million zur weiteren Anhäufung des Jnvalidenfonds und dec Rest zu Amortisationen verwendet werden. — Gestern Nach- mittag ist in Luzern die Kommission des Ständeraths zur Vorberathung des Bundesgeseßes, betreffend das Verbot der Doppelbesteuerung, zusammengetreten (Präsident Hr. Alt- wegg). An den Verhandlungen der Kommission betheiligt sich auch der Chef des eidgenössischen Justiz- und Polizei- Departements Hr. Ruchonnet.
Großbritannien und Jrlanud. _London, 15, März. (Allg. Corr.) Der „Standard“ veröffentlicht einige Haupt- punkte des ministeriellen irishen Programms, ohne die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit derselben zu über- nehmen. Danach verfügt Gladstone's Plan die Herstellung einer geseßgebenden Körperschaft, die in Dublin tagen, und aus nur einer Kammer bestehen soll. Er verkörpert das Prinzip einer Minderheitsvertretung im irischen Parlament und bestimmt, daß die hierauf bezüglichen Punkte des Planes ohne Genehmigung des Reichsparlaments niht abgeändert werden können. Jrland soll fernerhin Mitglieder ins Reichsparlament senden niht im Verhältniß zu seiner Bevölkerung, sondern seiner Beiträge zu den Reichseinkünften. Die Beiträge werden auf 3 Millionen Pfd. Sterl. veranschlagt, so daß die irishen Vertreter in Westminster etwa 30 Mitglieder zählen würden u. \. w.
Die „Times“ schreibt: „Am Sonnabend wurde cin Kabinetsrath von ungewöhnlicher Dauer abgehalten, und es darf zuversichtlich id d werden, daß Mr. Gladstone's Kol- legen sih jeßt endlih im Besitz der Umrisse des irischen Planes ihres Chefs befinden. Es dürfte bezweifelt werden, ob jener Theil seines Planes, welcher ein Parlament in Dublin gründen will, schon ein ausreihend vorgerücktes Stadium erreicht hat, um in etwas mehr als Umrissen zur B gung darzeboten zu werden; aber soweit der Plan die Expropriirung der Land- besißer betrifft, so glaubt man, daß er sih in einem vor- gerüdten Stadium befindet. — Der Nothschrei der Armen
Der, Kaiser hat, ein
lichen Dekrete über die Ang des Kunstgewerbeschul- gebäudes in Leipzig, sowie mit den, dur Erlasse des König-
fonds geht auf die Neige; bis jeyt sind im Ganzen 69 700 Pfd. Sterl. eingegangen, die bis auf 2800 Pfd. Sterl. verausgabt sind, ohne daß viel Gutes mit dem Gelde gethan worden wäre, da die Erlangung von Unterstüßung mit Schwie- rigkeiten verknüpft war, daß Viele den Muth verloren und nah dem ersten Versuh keinen zweiten mehr machten. Der DEOagos wird wahrscheinlich in Kurzem einen neuen Auf- ruf an das Publikum um weitere milde Gaben für die Arbeits- losen erlassen.
— 16. März. (W. T. B.) Der Präsident des Local-Government-Board, Chamberlain, und der Staatssekretär für Schottland, Trevelyan, haben dem Pre- mier Gladstone ihre Porteseuilles zur Verfügung gestellt, welcher dieselben jedoch noch niht angenommen hat.
— 16. März, Abends. (W. T. B.) Jm Unterhause theilte der Unter-Staatssekretär der Kolonien, Os- borne Morgan, mit, die Regierung habe Abschrift der Ver- träge zwischen Deutschland und Transvaal und Portugal und Transvaal erhalten und dieselben gebilligt. Der alte Vertrag Portugals mit Transvaal vom Jahre 1876 sei mit Genehmigung Englands außer Kraft geseßzt. Ein Vertrag zwischen Frankreih und Transvaal liege jeßt der französischen Kammer vor. Ein Vertrag zwischen der Schweiz und Transvaal sei zwar {on abgeschlossen, doch sei der Text derselben noch nicht eingegangen. Die nieder- ländishe Regierung und Transvaal unterhandelten wegen eines Vertrags, doh sei der Regierung noch keine offizielle Mittheilung des Resultats zugegangen. — Der Sitzung wohnten Trevelyan und Chamberlain auf der Ministerbank bei. Die Entlassungsgesuche derselben sollen dur eine Mittheilung Gladstone's im leßten Ministerrath veranlaßt sein, nah welcher die Verwaltung der Fonds für die Expropriation der irischen Grundeigenthümer dem irischen Parlament anvertraut werden sollte. Gladstone hat auf die Schreiben Chamberlains und Trevelyans, in welchen sie ihre Entlassung nachsuchen, in ver- söhnliher Weise geantwortet und sie ersucht, eine definitive Entschließung noch einige Tage zu verschieben, da er auf eine Beilegung der Differenzen hoffe.
— 17. März, früh. (W. T. B.) Die „Times“ bestätigt, daß Chamberlain und Trevelyan ihre Demission gegeben hätten, von Gladstone aber ersuht worden seien, ihren des- faBigei Entschluß nochmals in Erwägung zu ziehen. Es ver- autet, Gladstone wolle seinen Plan zur Lösung der irischen Frage umarbeiten, um die Bedenken Chamberlains und Trevelyans zu beseitigen.
Frankreih. Paris, 15. März. (Köln. Ztg.) Der Senat nahm heute den Antrag auf Ernennung eines Unter- suhungsaus\chusses über den Alkoholverbrauch in Frankrei an und trat sodann in die zweite Berathung über die Einrichtung des Elementarunterrichts ein.
Die gestern morgen in Decazeville bekannt gewordenen Erörterungen über die Jnterpellation Camelinats haben die Gemüther noch mehr erhißt, und man macht alle möglichen Anstrengungen, um die noch arbeitenden Bergleute ebenfalls zur Arbeitseinstellung zu bestimmen. Fünf neue Hetapostel sind in Decazeville eingetroffen und haben \ich sofort mit dem Deputirten Basly und der Abordnung der Strikenden in Verbindung geseßt. — Die Schwierigkeiten in den Verhand- lungen über die Erneuerung des Schiffahrt3vertrags mit Jtalien häufen sih. Jtalien hält seine Forderungen im ganzen Umfang aufrecht und droht sogar mit Kündigung des Handelsvertrags von 1881. 7
— 16. März. (W. T. B.) Jn der Deputirten - kammer wurde heute das Budget vorgelegt. Soubeyran erklärte, er wünsche die Regierung über die Abänderungen der im Budget spezifizirten Steuern zu interpelliren. Der Tag für die Berathung der Jnterpellation wird später festgeseßt werden. Der Finanz-Minister erklärte, daß das Budget keine Steuer auf die Rente auferlege und daß das Ministerium keine derartige Steuer zulassen würde. — Den Abendblättern zufolge würde der Finanz-Minister die Kammer ersuchen, die Vorlage über die Emission der neuen Anleihe vor Ostern zu berathen.
Nach hier eingegangenen Nachrichten aus Hanoi find die zwischen den französishen und cinesishen Kommissaren be- züglich der Feststellu ng der Grenze entstandenen Shwie- rigkeiten beigelegt. Die chinesische Regierung hat ihren Agenten Unrecht gegeben und ist der französishen Ansicht bei- getreten; die Grenzabsteckungsarbeiten sollten gestern wieder aufgenommen werden. Aus Tientsin wird gemeldet : Li-Hung-Chang wird sih morgen nah Peking begeben, wo er etwa einen Monat verbleiben wird. Wie es heißt, haben sich Li-Hung-Chang und Cogordan wegen des Handels- vertrags nunmehr verständigt. i — 17. März. (W. T. B.) Ungeachtet des aus Sofia ergangenen Dementis wird versichert, daß von dem Fürsten Alexander in leßter Stunde erhobene Ansprüche die Rati- fikation der türkish-bulgarischen Uebereinkunft ver- zögern.
Türkei. Konstantinopel, 16. März. (W. T. B.) Der bulgarische Minister des Auswärtigen, Tsanoff, kehrt nah Sofia zurück.
Serbien. Belgrad, 17. März. (W. T. B.) Das Ministerium hat beschlossen, nah dem Austausch der Ratifikationsurkunden über den Friedensvertrag mit Bulgarien die Grenze gegen Bulo tien sofort frei für den Handelsverkehr zu eröffnen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 16. März. (W. T. V.) Ein heute veröffentlihter Kaiserlicher Ukas genehmigt die Expropriation von privaten unbeweglichem Eigenthum zum Zweck der Errichtung von orthodoxen ird Friedhöfen, Pfarrhäusern, baltishen Provinzen und
Bethäusern und Schulen in den € } ordnet die Ausführung derselben nah einem beigegebenen besonderen Reglement an, wona unter Anderem mit Wohnhäusern, Oekonomiegebäuden und Gärten beseßte Grundstücke, welche keinen Bestandtheil einer bäuerlichen Arrende oder zinspflihtigen Landes bilden, der Expropriation nicht unterliegen. Das Gleiche soll bei den niht von Bauern arrendirten Wohn- und Oekonomiegebäudeu
der Fall sein, falls die Arrendatoren dieselben nicht freiwillig abtreten. ;
Afrika. Egypten.
Kairo, 16. März. (W. T. Auf den von Drummond j fytar P
Wolff an Mukhtar Pa
B.) | a gerichteten Vorschlag bezüglih der Besezung Wan Halfas durch egyptische Truppen erwiderte Mukhtar
dauert noch immer fort. Der Mansion House-Unterstüßungs-
Pascha, daß die egyptishe Armee gegenwärtig niht im Stande
sei, die Grenze gegen die Aufständischen zu s{üten.
Ein Telegramm des „Reutershen Bureaus“ meldet: Zwischen dem Bankhause Rothschild und der egyp- tishen Regierung sind Verhandlungen eingeleitet worden behufs Konvertirung der Daïra- und Domänen- Anleihen in eine 5 prozentige Rente. Die englische Regierung
verwendet sich bei den Mächten für die Zustimmung zur Konvertirung.
Zeitungs8stimmen.
Die „Kölnische Zeitung“ bringt einen Artikel, in welhem fie die Staatsausgaben für Kolonien in England und DeutsMant in Vergleich stellt und sagt :
Unser Reichstag hat für das laufende Jahr zu kolonialen Zwecken ganze dreimalhunderttausend Mark bewilligt — genau soviel, wie England allein den beiden Vorsißenden im Ober- und Unterhaus an Gehalt bezahlt. Und was hat das wieder für Kämpfe gekostet, wie widerwillig ist es geshehen! Wüßte man nicht längst, daß ein Theil unserer Volksvertreter stets gegen Geldbewilligungen eintritt . . ., so müßte man glauben, daß diese Herren nie über die Grenzen ihrer Wahl- bezirke, oder doch nie über Europa mit ihren Studien hinausgekommen seien. Denn von den Mühen und Kosten, die andere Staaten auf ihre Kolonien verwenden, haben Viele von ihnen augenscheinlich feine Ahnung. Sie könnten sonst, soweit sie nicht zu jenen steten Nein- fagern gehören, {werlich über die Forderungen der Reichsregierung auh nur ein Wort verlieren. . N : A
Die Engländer haben ungefähr um dieselbe Zeit, wo wir uns in Südwest-Afrika festseßten, weiter östlich das Betschuanaland ihrem Schutzgebiet einverleibt. Sie haben dazu etwa 4000 Soldaten unter Sir Charles Warren von England hingeschickt, was ihnen etwa eine Million Pfund Sterling gekostet haben foll, und daß sie dabei einen im besten Ruf der Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit stehenden Führec gewählt hatten, ergibt die eben eintreffende Nachricht, daß dem General Warren die grade jeßt als äußerst wichtig erkannte Oberleitung der Londoner Polizei übertragen worden 1. Bet- shuanaland ist ein Gebiet von etwa 185 000 englishen Quadrat- meilen, dünn bevölkert und in feiner Fruchtbarkeit unserm Angra Pequena-Gebiet ähnlih. Das englische Unterhaus hat sih am 1. ds. init einem ergänzenden Kredit für 1885 beschäftigt, in welhem auch eine Forderung der Regierung für Betschuanaland enthalten war. Anfangs sollte die Kapkolonie die Verwaltung des neu erworbenen Gebietes selbst in die Hand nehmen Aber der dortige Gouverneur, Sir Hercules Robinson, forderte, daß England 50 000 £ für 1885 zahle und daß es außerdem die Kosten für eine berittene Polizei bestreite, die unter der Kapregierung stehen sollte. England hatte anfänglich nur 30 000 £ für Betschuanaland ausgeworfen; das Unterhaus mußte sih aber doch endli entschließen, für die Ver- waltung von Betschuanaland, für die oberen Behörden, für eine Polizeimannschaft von 500 Mann, für Bauten, Telegraphen und dergl. die Summe auf 75000 L oder 15 Millionen Mark zu erhöhen. Anderthalb Millionen in einem Jahre für die Einrich- tungen in Betschuanaland, das zu besißen uad zu organisiren bei der Uebermenge kolonialen Besißes doh für England von sehr geringer Bedeutung sein dürfte. Und doch is es wohblbekanunt, daß England sein Geld niht auszugeben pflegt, außer wo cs darauf rechnet, es mit gutem Gewinne wieder zurückzubekommen. Als ob der englische Abgeordnete niht ebenso gut oder s{lecht als der unsere für den Säckel der Steuerzahler forgte! Aber er besißt cinen weitern, erfahrenern Blick dafür, was diesem Steuerzahler gut ist, Er weiß, daß Kolonien sich wieder bezahlen, wenn fie auch Anfangs etwas ln Er weiß z. B, daß die in der Nähe unseres Togo befind- lihe Handelskolonie Lagos längst keinen Schilling mehr vom Mutterlande fordert, fondern fich einen cigenen Kolonialschatz angelegt hat und dem Mutterlande durch feinen Handel Ge- winn bringt. General Warren hatte die Gehälter für einen Gouver- neur und fonstige Beamten in Betshuanaland auf 10 000 L (200 000 M) angeschlagen. Wir haben für das sogenannte „Südwest- afrikanishe Schußgebiet" für Beamtengehälter 21 000 4; wir geben für die Verwaltung unserer gesammten Kolonien budgetmäßig noch faum mehr aus, als die Hälfte von dem, was England — allein für seine Polizeimannschaft in Betschuanaland bezahlt ! Und dabei wollte Hr. Windthorst nicht das Geld bewilligen, um unserm Kaiserlichen Kommissar dort ein Haus zu shaffen. Wollten unsere Herren Nein- sager nur lernen, so fehlte es an Lehrmitteln auch auf diesem Ge- biete wahrlih nicht.
— Dem „Neichsboten“ wird aus Roseville in New- Jersey, 4. Februar 1886, geschrieben : 1 S
Seit zwei Tagen wüthet nun hier an der Küste von New-Jersey
ein furchtbarer Schneesturm, begleitet von sibirisher Kälte, und wie er hier wüthet, so wüthet er über den ganzen Osten, Norden und Westen der Vereinigten Staaten, nur mit dem Unterschiede, daß er im Norden und Westen stets viel {recklicher auftritt. Die Be- jammernswerthen, welche ihm zum Opfer gefallen sind, werden nah Tausenden zählen, und wie Viele mö- gen {hon in den vorhergehenden Eis - und Snee- stürmen_ umgekommen sein. Freilih werden wir im civili- sirten Osten über die wahre Zahl der Opfer durch die ge- wissenlosen Landspekulanten stets im Unklaren gehalten; in ihren Diensten stehen die westlichen Pressen, sie suchen die traurigen Nach- rihten nach Kräften zu unterdrücken und zu beshönigen, lediglih um die Einwanderung nah jenen nichts weniger als Glü und Reichthum verheißenden Regionen im Flusse zu erhalten und so ihr Land los zu werden, ale viel was dann aus den armen Opfern wird, die meistens noch außerdem s{chändlich geprellt und betrogen werden. Dennoch dringen Nachrichten über die Verwüstungen und Schreckensbilder zu uns na dem Disten und bleibt solchen, die hier scßhaft sind, ‘der wahre Sachverhalt nicht verborgen. Viele von diesen haben gleih mir im Westen ihr Glück versucht, sie haben die Verheerungen des Winters daselbst mit eigenen Augen angeschaut und darin gelitten, wie ich, um sich glücklih zu preisen, daß eine höhere Hand sie lebend wieder zurück- geführt hat. Aber immer und iünmer kommen neue Züge von Ein- wanderern an, um sofort nah dem Westen und Norden befördert zu werden, Kaum haben sie den Fuß auf das Land geseßt, so dringt man ihnen {hon die Eisenbahnkarten und Billete unter den \{önsten Vorspiegelungen auf, und im Verhältnisse zu den „kolossalen Ent- fernungen sind es wahre Spottpreise, die man für die leßteren fordert. Wie leiht lassen sih dadur die ahnungslosen Ankömmlinge bewegen, wie gern \chenken sie den unerhörten Schwindeleien Glauben. Mit Freuden wird es begrüßt von der deutschen Bevölkerung, daß die deutsche Einwanderung in den leßten Jahren im Abnehmen begriffen ist, O, wenn sie sih da drüben doch ganz belehren ließen und Niemand mehr herüber kommen wollte, mag das Heim, welches er im Vaterlande bewohnt, auch noch so bescheiden sein. , Die Zeiten find vorüber, wo man hier noch ein gutes Stück Land erhalten konnte. Das jeßt noch übrige Land ist entweder gänzlih werthlos und liegt, so zu sagen, am Ende der Welt, allen Einflüssen ciner wilden Natur au8gesett, oder es befindet sich in den Händen der Spekulanten, deren Agenten über die ganze alte, civilisirte Welt verbreitet sind. Glaubt den \{chönen Berichten ja nit, die sie euch frei und mit twunderbarer Bereitwilligkeit übermitteln. Sei gewarnt vor dem in hohem Maße über- völferten Osten, vor dem blutarmen, Fieber erzeugenden Süden, sei gewarnt vor den überall gepriesenen Zuïlunfts- staaten des Westens und Nordens der Union, denen voran Dakota steht, wo ih seinerzeit mein Brot gesuht habe. Man träumt da wohl von üppigen Prairieländercien und Goldfeldern, aber man läßt sih nichts ahnen von den furchtbaren, verheerenden, langen Wintern, denen jährlich Tausende und Abertausende zum Opfer fallen, einsam in den endlosen Schneefeldern, verlassen und vergessen, getäuscht in allen ihren Hoffnungen, und mit einem bitteren Gefühle im Herzen für das Adoptiv-Vaterland. i:
Marineverordnungsblatt. Nr. 5. Inhalt: Füh- rung der Kriegsflagge. — NReservedivisionen. — Werftdienstordnung. Militäranwärter. — Wehrordnung. — Uebungsmunition. — Aen- derungen an Bestimmungen im 2. Halbjahr 1885. — Amtskautionen. — Lebensversicherungsanstalt. — Personalveränderungen. — Benach- rihtigungen. : ; Eisenbahn - Verordnungs- Blatt. Nr. 8. — Inhalt : Allerhöchste Konzessions-Urkunde, betreffend den Bau- und Betrieb einer Eisenbahn von Zschipkau nach Finsterwalde dur die Zschipkau- Finsterwalder Eisenbahn - Gesellschaft. Vom 16. Dezember 1885. ee Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 10. März 1886, betreffend Funktionszulagen der Unter-Beamten für besondere Dienst- leistungen. — Nachrichten.
Reichstags - Angelegenheiten.
Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (Reichs- Gefetzbl. von 1883 S. 177), zugegangen : Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen 2c., ; 2 verordnen im Namen des Reichs, nah erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Neichstages, was folgt : Hinter §. 104g der Give ars wird eingeschaltet : Durch Beschluß des Bundesraths kann Innungsverbänden die (bigkeit beigelegt werden, unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Sigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. In folhem Falle haftet den Gläubigern für alle Verbind- lichkeiten des Innungsverbandes nur das Vermögen desselben. Der Beschluß des Bundesraths ist durch den Reichs-Anzeiger zu veröffentlihen. Auf diejenigen Innungsverbände, welchen die gedachte Fahigkeit beigelegt worden ist, finden die Bestimmungen der 88. 104 i bis 104 o Anwendung.
8, 104i.
Der Innungsverband wird bei gerichtlihen wie bei außer- gerihtlichen Verhandlungen durch seinen Vorstand vertreten. Die Befugniß zur Vertretung erstreckt sich auch auf diejenigen Geschäfte und Rechtshandlungen, für welche nah den Gesetzen eine Spezial- vollmacht erforderli ist. Durh das Statut kann einem Mitgliede oder mehreren Mitgliedera des Vorstandes die Vertretung des Innungsverbandes nah außen übertragen werden. i:
Zur Legitimation der Vertreter des Innungsverbandes genügt bei allen RNechtsgeschäften die Bescheinigung der höheren Verwaltungs- behörde, in deren Bezirk der Vorstand seinen Siß hat, _daß die bezeichneten Personen zur E Verbandes befugt sind.
Der JInnungsverband ist befugt, Einrichtungen zur Erfüllung der im S. 97 Nr. 2 bezeichneten Aufgaben, sowie Einrichtungen der im 8. 97a Nr. 1, 2, 4, 5 vorgesehenen Art gemeinsam für die ihm an- gehörenden Innungen zu treffen. Beschließt er die Herstellung von Einrichtungen der im §. 97a Nr. 4, 5 bezeichneten Art, so sind die dafür erforderlihen Bestimmungen in Nebenstatuten zusammenzufassen. Diese fowie Abänderungen derselben bedürfen der Genehmigung durch den Reichskanzler. e
Auf die von dem Innungsverbande errichteten Unterstützungs- kassen finden dieselben Vorschriften Anwendung, welche für gleichartige von einer Innung errichtete Kassen gelten. Sofern für solche Unter- stüßungsfassen Zwangsvollstreckungen vorzunehuten sind, haben die in den einzelnen Bundesstaaten für die Beitreibung von Gemeinde- abgaben zuständigen Behörden sih gegenseitig im unmittelbaren Ge- \chäftsverkehr Rehtshülfe zu dr
Der Innungsverband unterliegt, vorbehaltlih der Vorschrift des 8, 104 e, der Aufsicht der höheren Verwaltungsbehörde, in deren Be- zirke der Vorstand seinen Sitz hat. E x
Die Aufsichtsbehörde überwacht ‘die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften und kann dieselben dur Androhung, Festsetzung und Vollstrekung von Ordnungsstrafen gegen die Inhaber der Aemter des Verbandes erzwingen. «fe. “di
Sie entscheidet Streitigkeiten über die Aufnahme und Aus- shließung von Verbandsmitgliedern, über die Wahlen zu den Ver- bandLämtern sowie, unbeschadet der Rechte Dritter, über die Rechte und Pflichten der Inhaber derselben. E ,
Der Aufsichtsbehörde ist jährlich ein Rechnungsabs{chluß nebst Vermögens8ausweis vorzulegen.
. 104 m.
Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Innungsverbandes hat die Auflöfung des letzteren kraft Gesetzes zur Folge. Der Borstand des Innungsverbandes hat jedoh dio während des Konkursverfahrens dem Gemeinschuldner zustehenden Rechte wahr-
zunehmen. 8. 104 n,
Bei der statutmäßig beschlossenen Auflösung eines Innungs- verbandes wird die Abwikelung der Geschäfte, sofern die Verbands- vertretung nicht anderweitig beschließt, durch den Vorstand unter Aufsicht der im §. 1041 bezeichneten Behörde vollzogen. Genügt der Vorstand seiner Verpflichtung nicht, oder tritt die Auflösung auf Grund des §. 104g oder des §. 104m ein, fo erfolgt die Abwickelung der Geschäfte Sur, einen Beauftragten der Aufsichtsbehörde.
Von dem Zeitpunkte der Auflösung ab bleiben die Verband8- mitglieder noch für diejenigen Zahlungen verhaftet, zu welchen sie statutarish für den Fall eigenen Ausscheidens aus den Verbands- verhältnissen verpflichtet sind. Das Recht, diese Beiträge auszuschrei- ben und einzuziehen, steht dem mit Abwickelung der Geschäfte Beauf- tragten zu.
8. 1040.
Im Falle der Auflösung des Innungs8verbandes muß sein Ver- mögen zuvörderst zur Berichtigung feiner Schulden und zur Erfüllung seiner sonstigen Verpflichtungen verwendet werden. War dasselbe bis- her ganz oder theilweise zur Fundirung von Unterrichtsanstalten oder zu anderen öffentlihen Zwecken bestimmt, fo darf der nah Berich- tigung der Schulden übrig bleibende Theil des Vermögens dieser Be- stimmung nicht entzogen werden; über seine fernere Verwendung wird von der im §. 104e. Absatz 1 bezeihneten Behörde Anordnung ge- troffen.
V edarf es zum Fortbestande der von dem JInnungsverbande er- rihteten Unterrichtsanstalten, Hülfskafsen oder fonstigen zu öffentlichen Zwecken bestimmten Einrichtungen als selbständiger Anstalten der Genehmigung des Landesherrn oder einer Behörde des Staates, in welchem die fernere Verwaltung der Anstalt stattfinden foll, fo hat die im vorstehenden Absatze bezeichnete Behörde diese Genehmigung herbeizuführen. ; 7
Das hiernach verbleibende Reinvermögen des Innungsverbandes wird, foweit die Verbandsvertretung niht anders beschließt, unter die Innungen, welche dem Verbande zur Zeit der Auflösung angehört haben, nach dem Verhältniß der von ihnen an den Verband in dem der Auflösung vorangegangenen Jahre geleisteten Beiträge vertheilt. Streitigkeiten hierüber werden von der im §. 1041 bezeihneten Stelle endgültig entschieden.
Begründung.
Im Verlauf der Ausführung des Gefeßes, betreffend die Ab- änderung der Gewerbeordnung vom 18. Juli 1881 (Reich8-Gefeßbl. S. 233), bat fih ter den Handwerkern mehr und mehr die Ueber- zeugung geltend gemacht, daß die Innungen eine entscheidende Bedeu- tung für die Hebung des Handwerkerstandes nur gewinnen können, wenn sie sih zu leistungsfähigen Innungsverbänden vereinig: J Die tiefgreifende Veränderung der technischen Produktionsbedin- gungen während der leßten Jahrzehnte hat cs im Verein mit der gegenwärtigen Au®bildung des Verkehrs, welche auch das Geschäft des
Mehrzahl bildenden der kleineren Städte mit ibrer geringen Mit- gliederzahl, immer s{chwieriger werden lafsen, für si allein ihren Mitgliedern diejenige Förderung in technisher und geshäftlicher Hinsicht zu gewähren, welche einen wesentlichen Zweck der gewerblichen Korporationen auêmacht. Dazu find Veranstaltungen und Einrichtungen erforderlih, welche zu ihrer zweckmäßigen Gestal- tung und erfolgreichen Wirksamkeit einer breiteren Grundlage bedür- fen, wie sie nur in den die Einzel-Innungen zusammenfassenden Jn- nungsverbänden gefunden werden kann. Demgemäß ist der Shwer- vunft der Handwerkerbewegung, welche von dem Geseße vom 18. Juli 1881 ihren Ausgang genommen hat, in die Errichtung von Innungs- verbänden gelegt worden. Die zahlreichen freien Vereinigungen, in welchen sih die Berufsgenofsen der einz-lnen Handwerke im Laufe des leßten Jahrzehnts zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Inter- esten zusammengefunden hatten, haben fast ohne Ausnahme ihre Umwandlung in Innungsverbände in die Wege geleitet und theilweise auf Grund der von zuständiger Stelle genehmigten Statuten bereits vollzogen. Abgesehen von einzelnen kleineren Verbänden mit überwiegend lokaler Bedeutung haben diese Neubildungen ihren Bezirk auf den ganzen Umfang des Reichs ausgedehnt und in allen Theilen desselben Fuß gefaßt. Die Zahl der ihnen angehörenden Innungen variirt je nah der Bedeutung und Ausbreitung der einzelnen Hand- werke. In den Verbänden der Perrückenmacher bezw. der Schornstein- feger sind nur 14 bezw. 25, in denjenigen der Shuhmacer und Bar- biere dagegen 200 Innungen und darüber vereinigt. Die Zahl der Verbandsgenofsen in den bereits konstituirten Innungsverbänden :
1) der deutshen Schneider,
Schuhmacher,
Barbiere und Friseure,
Tischler,
¿ Glaser,
z Schmiede,
x Perrückenmacher und Friseure, x íSalllet,
Ï Schornsteinfeger,
9) i; 3)
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Fleischer, Bäcker, Stellmacher, Bu(binder, Dachdecker, Y é Kürschner
ist augenblicklih auf etwa 80 000 zu \ch{äßen. S Die Verhandlungen wegen Umwandlung des biéherigen Bundes der deutschen Drechsler sind dem Abschluß nahe. / Der schnelle und umfassende Fortgang, welchen die Bewegung hiernach in verhältnißmäßig kurzer Zeit genommen hat, ift wesentlich von der bei den Betheiligten überall verbreiteten Annahme beeinflußt worden, daß die bisherigen freien Vereine durh den Uebergang in die vom Gesetz dargebotene Form der Innungsverbände eine selbständige rechtlihe Existenz neben und über den ihnen angehörenden Einzel- gliedern und damit die Möglichkeit gewinnen würden, die materiellen Interessen und höheren Aufgaben der gesammten in ihnen organisirten Gewerbsgenossenshaft in gewissen Grenzen unabhängig von jenen Einzelgliedern und ihren oft beschränkten Interessen zu pflegen und zu fördern. ; E
Der Umstand, daß das Geseß vom 18. Juli 1881 nur den Innungen, niht aber auch den Innungsverbänden die Rechte juristi- scher Persönlichkeit gewährt hat, wird deshalb von den leßteren als ein ernstes Hemmniß in ihren Bestrebungen empfunden, und dies ift die Veranlassung dazu geworden, daß die Betheiligten sich unter Zurückstellung mannigfacher, auf die sofortige Entfaltung der Ver- bandsthätigfeit, namentlich auf materiellem Gebiete, gerichteter Pläne zunächst die Erlangung jener Rechte für die Verbände zur Aufgabe gemacht haben. E i
Die zu diesem Ende an die zuständigen Stellen gerichteten Pe- titionen lassen erkennen, daß die Handwerker hierin die nothwendige Vorausseßung derjenigen Aktionsfähigkeit der Innungsverbände sehen, von welcher ihnen der Erfolg des ganzen Innungswesens zum größten Theile abzuhängen \ceint. ; E
G8 ist anzuerkennen, daß die zur technischen und geschäftlichen Förderung des Kleingewerbes bestimmten Veranstaltungen in nach- haltiger Weise nur dann zweckmäßig eingerihtet und verwaltet wer- den können, wenn sie von den Innungsverbänden nicht nur angeregt, sondern von ihnen felbst begründet und von ihren Organen geleitet werden. Dies ift aber nur möglich, wenn die Verbände selbst Träger derartiger Einrichtungen sind, wozu sie der rechtlihen Persönlichkeit bedürfen. : . : :
Dies trifft vornehmlich zu bei der für die Entwickelung des Handwerks bedeutsamen Frage der Organisation des Fahschulwefens. Vielfache Erfahrungen haben zur Genüge gezeigt, daß es einer erheb- lichen qualitativen Steigerung der gegenwärtigen Leistungen des deutshen Handwerks bedarf, um feine Crzeugnisse im Inlande, wie auf dem Weltmarkte mit den Produkten anderer Nationen konkurrenz- fähig zu machen. Es wird daher vor vielem Anderen darzuf Bedacht zu nehmen fein, in Fahshulen möglichst weiten Kreisen der Hand- werker die Gelegenheit zur Vervollkommnung ihrer technischen Ge- \chicklichkeit, zur Durchbildung ihres Geshmackes und zur Erhöhung ihrer Geschäftstüchtigkeit zu gewähren. E S
Die Errichtung und Leitung folher Fahschulen wird im Hinblick auf ihre überwiegend praktischen Aufgaben und die über den Rahmen des lokalen Bedürfnisses hinausgehende Bedeutung derselben am zweckmäßigsten den Innungsverbänden überlassen werden, dabei aber dur) Subventionen aus öffentlihen Mitteln darauf Bedacht zu nehmen sein, die förderlihe Wirksamkeit derselben zu einer möglichst gesteigerten und allgemein verbreiteten werden zu lassen. Dies ist nur möglich, wenn den Regierungen als Be- gründern der Schulen niht lofe Vereinigungen, wie es die Innungs- verbände bei ihrer gegenwärtigen rechtlichen Lage nur sein können, fondern mit selbständiger Persönlichkeit ausgestattete und dadur in sich selbst fester gestaltete Verbände gegenüberstehen. Ein ähnliches Bedürfniß macht sih auf dem Gebicte der Hülfskassen für den Hand- werkerstand fühlbar. Der Beitritt zu derartigen Kassen ift für die breite Masse der fleinen Meister und der Gesellen bei ihrem fast aus- nahmslos geringen Kapitale und oft geringen Verdienste in der Regel das einzige Mittel, für Fälle der Noth Vorsorge zu treffen namentli sich und die Ihrigen gegen die materiellen Folgen von Krankheit, Alter, Todesfällen 2c. zu hüten, Die Errichtung und Erhaltung solcher Kassen in lebensfähiger Form kann bei den gesteigerten Ansprüchen, welche in der Gegenwart mit Recht an die Höhe und die Art ihrer Leistungen gestellt werden, von der Mehrzahl der einzelnen Inpungen niht mit Erfolg unternommen werden, fällt vielmehr als eine threr vorzüg- lichsten Aufgaben den Jnnungsverbänden zu, welche zu diesem Behufe aber der Fähigkeit, Rechtssubjekt des Kassenvermögens zu fein, nicht entbehren können. Z i z
Eine besondere Bedeutung wird ferner dem Umstande beizumcjsen sein, daß die Innungs8verbände in der Begründung der oben erwähnten Einrichtungen und in der Ansammlung eines eigenen Vermögens, wozu die Verleihung der juristi\chen Persönlichkeit ihnen die Mög- lichkeit gewährt, ein niht zu untershätendes Mittel zur Sicherung eines gleihmäßigen Fortbe|standes finden würden.
In den einzelnen Innungen, namentlich der kleineren Orte, ist die Erkenntniß von der Bedeutung cincs Zufsammenschlusses des Handwerkerstandes, wie er in den Innungsverbänden gewonnen ist, noch nicht fo weit entwickelt, wie in den intelligenteren Kreisen der Haudwerker, in deren Händen sich naturgemäß die Pflege und Leitung des Verbandswesens befindet. Jene sind daher noch wenig geneigt, denjenigen Anforderungen zu genügen und diejenigen Opfer zu bringen, welhe die Verbandsorgane in richtiger Erkenntniß der Bedingungen einer kräftigen Entwickelung des gesammten Handwerks für erforderlich erachten. Der daraus entstehenden Gefahr, daß bei jeder erhöhten Anforderung des Verbandes an die Einzel-Jnnungen manche der leßteren aus dem Ver- bande ausscheiden, wird am wirksamsten dadur vorgebeugt werden, daß in den vom Jnnungsverbande begründeten Einrichtungen und iu
kleinen Handwerkers von den Verhältnissen des großen Marktes ab-
hängig macht, für die einzelnen Innungen, namentlich für die die
dem von ihm angesammelten Vermögen ein materiellcs Band ge-