1886 / 70 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Mar 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Der Regierungskommissar,

Schmidt erwiderte. Geheime Ober-Justiz-Rath

) 1 daß die Verwaltung in eine nohmalige Prüfung dieser Frage bereits eingetreten sei.

„Der Justiz-Etat wurde darauf unverändert nah den Be- s{lüssen zweiter Lesung genehmigt.

Beim Etat des Ministeriums des merkte der Abg. Dirichlet, er habe den Eindruck, daß bei der Beseßung der Stellen der Strafanstalts-Direktoren und Straf- anstalts-Beamten nicht immer die nöthigen sahlihen Rü- fichten auf die Qualifikation der betreffenden Persönlichkeiten genommen würden, sondern daß man bisweilen, niht mit voller Absicht, aber instinktiv, von der Meinung ausgehe, daß diese Stellen besonders geeignet wären, Beamten aus den höheren Ständen, welche in anderen Carrièren auf

wierigkeiten seien, ein Unterkommen zu Bren. Der in die Strafanstalts - Direktorstelle zu Berlin berufene, jeyt verstorbene Hr. von Bennigsen- Förder hätte jedenfalls in seinem Vorleben den Be- weis dafür geliefert, daß er eine der Haupteigenschaften für ein so s{hwieriges, so verantwortungsvolles Amt, die der Selbst- beherrschung, nicht besessen habe. Einige Zeit darauf sei dann ein Mann hierher verseßt worden, und seine Verseßung sei eine Beförderung gewesen, der bei Gelegenheit einer Wahl- prüfung als Zeuge fungirt habe, und dessen Stellungnahme bei diejer Gelegenheit ihn auch niht besonders zu empfehlen geeignet gewesen sei. Ferner sei vor nit gar zu langer Zeit an einer Strafanstalt in den östlihen Provinzen ein Mann an- gestellt worden, der ursprünglih Militär gewesen fei, dann jeinen Abschied habe nehmen uzüssen, als Hauptmann ver- abschiedet worden sei, zunächst als Stationsvorsteher einer ganz kleinen Station einer nunmehr verstaatlichten Privatbahn ein Unterkommen gefunden habe und dort plößlih nah einer stattgehabten Kassenrevision seine Stellung habe verlassen müssen die betreffenden Summen seien nahher durch Verwandte gedeckt worden, und auf vieles Bitten habe die Direktion von der Einleitung der strafrechtlihen Verfolgung Abstand ge- nommen —,; nach einiger Zeit sei er in Berlin als Geschäfsts- agent aufgetreten, und vor Kurzem habe er als Zeuge in einem antisemitishen Prozeß fungirt, um Auskunft über ge- wisse Wuchergeschäfte zu geben. Bei dieser Gelegenheit habe man erfahren, daß er jeßt eine Stelle als Strafvollzugs- beamter einnehme. Redner habe von diesen ihm zur Kenntniß gekommenen Thatsachen dem Ober-Präsidenten der betreffenden Provinz privatim Kenntniß gegeben und von ihm erfahren, daß er dem Minister von denselben Mittheilung gemacht habe. Nach dem Vorgetragenen scheine ihm System in der Sache zu liegen, daß man weniger nach der sachlihen Qualifikation, als nah solchen persönlichen Rücksichten bei der Besetzung dieser Stellen verfahre. j

Der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Znnern von Puttkamer entgegnete:

Meine Herren, wenn der Herr Vorredner im Eingange seiner Ausführungen darauf hinwies, daß es sehr schwierig sei, die richtige Auswahl in Bezug auf die Anstellung im Strafanstaltsdienst zu treffen, so glaube ih diese seine Aeußerung noch dahin erweitern zu müssen, daß i es auch für schr {hwierig halte, das richtige Maß in der Kritik dieser Anstellungen einzuhalten. Jch werde mir erlauben, den Beweis dafür gleih an der Hand der Ausführungen des Herrn Vor- redners felbst zu führen, indem ih zunächst die drei Fälle, von denen er sprach, einer Erörterung unterziche.

Ein ungeeigneterer Moment, wie der gegenwärtige, konnte wohl von dem Herrn Vorredner niht gewählt werden, um einem ver- storbenen Beamten noch einen Stein in das Grab nachzuwerfen. Was demselben aus setner früheren Stellung auch zur Last zu legen fein mag, entzieht sich in diesem Augenblick gänzli der Kritik dieses Hauses. Ih kann nur das bekunden, daß der verstorbene Hr. von Bennigsen-Förder in der Stellung , die ih ihm nach voller Erwägung der Umstände hier anvertraut habe, Vorzüglihes geleistet hat, nach dem übercinstimmenden Zeugnisse seiner Vorgeseßten. Und wenn der Hr. Abg. Dirichlet noch besonders darauf hinwies, daß er gerade hier mit besonderer Schonung und Nücksicht vorgehe, so muß ich das Gegentheil behaup- ten. Er hätte, wenn er diese Aeußerung mit irgend cinem Schein von Recht thun wollte, mindestens ih auc vergewissern müssen, daß der verstorbene Hr. von Bennigsen-Förder der neuen Stellung sich nicht gewachsen gezeigt hätte. Ich konstatire hier das Gegentheil.

Was den zweiten von ihm hervorgehobenen Fall betrifft, fo kann ih nur sagen, daß der Beamte, um den es si hier handelt, auch sich in einer Lage befindet, die von dem Hrn, Abg. Dirichlet füglich hâtte berücsihtigt werden sollen. Dieser Beamte ist in Aus- übung seines Amtes in frevelhafter und brutaler Weise von einem entlassenen Gefangenen {wer verleßt worden. Er hat sih bei dieser Angelegenheit sowie bei allen sonstigen dienstlihen An- lâssen musterhaft benommen; er ist jeßt in Chren pensionirt.

Was den dritten Fall betrifft, in welchem nah der Meinung des Herrn Vorredners die erforderliche Borsiht bei der An- stellung eines Strafanstaltsbeamten vernahläffigt sein foll, 10 my id aud sagen, daß mid die Art, wie der Abg. Dirichlet dabei verfahren ift, doch einigermaßen in Erstaunen verseßt hat. Warum an den betreffenden

Fnnern be-

gestoßen

zt ha denn diefer Privatbrief Ober-Präsidenten? Warum hat denn der Abg. Dirichlet sih nicht einfach an mich gewendet? Ich bin in diesem Augenblick nicht in der Lage und lehne es ab, bei einem Fall, der bei meiner Instanz shwebt und erörtert wird, Rechenschaft zu geben. Soviel über die drei Spezialfälle, aus denen der Vorredner irrthümlich glaubt herleiten zu dürfen, daß bei der Besetzung der Stellen der Beamten in der Strafanstalts- verwaltung nicht nah richtigen Grundsäßen verfahren werde. Ich lehne das vollständig ab. Es thut mir leid, daß der betreffende De- zernent în dieser Sache nicht die Ehre hat, hiec gegenwärtig zu sein das ist au wieder eine Folge davon, daß man mit solchen Sachen in der dritten Berathung des Etats unvermuthet vor das Haus tritt —, um diese Vorwürfe zu widerlegen, ih thue cs meinerseits nur, soweit ih bei der allgemeinen Kenntniß dieses mir unterstellten Verwaltungs- ¿weiges dazu im Stande bin. Es ift richtig, daß in der Strafanstalts- verwaltung eine Anzahl von früheren Militärs die leitenden Stellen einnehmen, und zwar ist der bestehenden Praxis gemäß eine prozentuale Theilung zwischen Offizieren und Personen der militärishen Unter- flassen gemaht. Jch glaube nicht, daß man nah unseren vorliegenden Erfahrungen wird sagen können, daß mit diejem System irgend ein Nachtheil für die Strafanstalten verbunden ist. Jh gehe weiter, meine Herren, ih bin sogar davon überzeugt, daß es sowohl im Inter- esse der Strafanstaltsverwaltung, als auch dem eben fo sehr in Betracht zu zichenden Interesse der Armee und der Versor ung der ihr früher Angehörigen liegt, so zu verfahren, wie jetzt verfahren wird. Es be- ruht auf wohl erwogenen Allerhöchsten Vorschriften, und ih werde mir nit gefallen lassen, daß der Abg. Dirichlet auch nur mittelbar versucht, hier daran zu rütteln.

S0 kann nur sagen, daß es schr |chwierig ist, namentlih für frühere Offiziere, sih in derartige neue Stellungen hineinzufinden, und es ist nicht immer ?" vermeiden, daß, ich will nicht sagen, Miß- griffe begangen wervcn, aber doh die Erfahrung d später

erausftellt, daß der Betreffende, der sich um eine solche Anstellung im Strafanstaltsdienste beworben hat, seinerseits sich in einem Irrthum über die von ihm zur erfolgreichen Bekleidung einer ¿ellung in der Verwaltung der Strafanstalten zu fordernden Cigen- „aften befand; aber im Großen und Ganzen hat sih diese Einrichtung

j einem Tone, welcher allerdings für mich darauf {chließen ließ, daß

eine zwar strenge, aber auch gerechte Handhabung der Disziplin. Und ih bin nach wie vor der Meinung, daß es woblgethan ist, solche Ein- rihtungen zu treffen in Bezug auf die Vesepung der Beamtenstellen bei der Strafanstaltsverwaltung, wie sie jeßt bestehen, und ih kann nicht finden, daß der Abg. Dirihlet in irgend ciner Weise den Beweis dafür erbracht hat, daß hier ein falsches System oder ein grundsäßliher Irrthum oder im Einzelfalle eine unrichtige Handhabung der betreffenden Anstellungsvorschriften obwaltet.

Der Abg. Dirichlet meinte, der Minister habe die Frage auf ein ganz anderes Feld hinübergespielt. Redner habe nicht die leiseste Andeutung gemacht darüber, daß er etwa gegen die Verwendung von Militärs wäre. Der Minister habe sich in die Brust geworfen, diese Auffassung zurückzuweisen; er hätte ih seine Erregung sparen können. Redner halte seine Bemerkungen durchaus aufreht; er habe vom Vorleben der Betreffenden gesprohen, was O geschehe, sei für die von ihm aufgeworfene Frage gleichgültig.

Der Abg. v. NRauchhaupt bemerkte, der Abg. Dirichlet habe heute au keine Selbstbeherrshung bewiesen, sonst hätte er nicht in so unerhörter Weise außerhalb des Hauses stehende Personen angegriffen, die sich hier niht ver- theidigen könnten. Dem Abg. Dirichlet und seinen Freunden sei es niht genug, einen politishen Gegner aus dem Amt zu bringen, auch noch nach seinem Tode griffen sie ihn an! Warum denunzire man nit die angeblichen Strasthaten dem Staatsanwalt? Wenn man dies System weiter so betreibe, werde es Zeit, auf Nemedur dagegen zu denken, daß im Hause Angriffe auf außerhalb Stehende in dieser Art erfolgen könnten.

Der Abg. von Bismark (Flatow) gab Hrn. von Bennigsen- Förder, der au in seinem Gerichtsbezirk Strafanstalts-Direk- tor gewesen sei, das beste Zeugniß.

Der Abg. Dirichlet jagte, er habe das nicht entfernt ge- leugnet; das Vorleben des Genannten habe aber doch er- wiesen, daß er sih von seiner Hestigkeit habe hinreißen lassen, die Pflichten seines Amtes zu verlegen. Nicht Redner und seine Freunde hätten ihn aus seinem Amt entfernt, derselbe habe sich selbst daraus entfernt. «In Bezug auf die Angriffe gegen solhe, die sich hier nicht vertheidigen könnten, könne sich der Abg. von Rauch- haupt sein Pathos sparen; hätte er seine Rede gegen den Fürsten Bismarck oder den Minister von Goßler gerichtet, dann wäre sie am Plate gewesen. Auch was Pietät betreffe, sollte sih der Abg. von Rauchhaupt an seine Gesinnungs- genossen im Reichstage halten. An den Ober-Präsidenten habe Redner sih gewendet, weil ihm dies sachlih richtiger ge- schienen habe, es überdies lediglich in sein Ermessen gestellt sei, an wen er sich wenden wolle. Er hätte gebeten, bis zur dritten Lesung des Etats über den Stand der Sache näher informirt zu werden, es sei das aber niht geschehen.

Der Minister des Jnnern von Puttkamer erwiderte:

Meine Herren! Ich möchte hier doch zunächst konstatiren, daß wenn der Hr. Abg. Dirichlet auffallend findet, daß der betreffende Ober-Präsident ihm nicht über den Erfolg der von ibm unternom- menen Schritte geantwortet hat, ih es im Gegentheil sehr auffallend finden würde, wenn er ihm geantwortet bätte: denn das ist doch bis jeßt in der preußischen Staatsverwaltung uoch nicht Gebraud), daß Provinzialbeamte das Recht si zuschreiben, über Gegenstände des Ministerialressorts sich direkt mit einem Abgeordneten mit der Wirkung in Verbintung zu seten, daß daraus amtliche Konsequenzen gezogen werden. Wohin sollte das wohl führen ? Ich bin der ver- antwortliche Chef der in Nede stehenden Verwaltung, und wenn der Hr. Abg. Dirichlet mit der erklärten Absicht, demnächst die Dinge hier im Hause zur Sprache zu bringen, einen solchen Fall aufgreift, dann ich wiederhole es ist es der ganz natürlihe Wunsch meinerseits, daß er die Güte haben möchte, fich unmittelbar an mich zu wenden und "nicht den Umweg über die Provinzialbehörde zu machen. Ich lehne es dabei ausdrüctlih ab, bei diesem Falll im gegen- wärtigen Augenblick hier Rechenschaft zu geben, umsomehr als der Hr. Abg. Dirichlet doch wohl nicht etwa wird die Forderung auf- stellen können, daß, sowie einmal eine Mittheilung zemacht ist, die zu amtlichen Schritten führen kann, dann auch gleich, fo zu sagen, wie aus der Pistole geschossen, die Entscheidung herbeigeführt werden muß. Dazu gehören Erörterungen und Ermittelungen, und wenn der Hr. Abg. Dirichletsich auf den sehr rigorosen Staudpunkt stellt, den er zu Anfang ausgeführt hat, finde ih es erflärlich, daß er in diesem Falle viel weniger Rücksicht uimmt auf den betreffenden Beamten und auf die Ent- scheidung, von welcher desen Schicksal abhängt, und daß es ihm genehmer ist, allgemeine Besc{werden, die z. Z. doch noch bewcislos dastehen, zur Sprache zu bringen.

Ich habe aber deshalb blos das Wort ergriffen, um den Eindruck zu zerstören, als wenn ih, wie der Hr. Abg. Diriclet behauptet, die Diskussion auf ein ganz anderes Gebiet gebracht bätte. Er bat aller- dings angeknüpft an cinen Spezialfall, aber in einer Färbung, in

er die grundsäßliche Bevorzugung von militäris{en Anwärtern bei Anstellung in der Strasverwaltung einer abfälligen Kritik unterziehen wollte. Ich glaube, der größte Theil des Hauses hat denselben Ein- druck, und wenn der Hr. Abg. Dirichlet jeßt das ausdrücklich ¿zurlick- nimmt, fo ist mir das sehr lieb. Ich kann aber dann die Bemerkung nicht unterdrücken, daß es mir lieber gewesen wäre, hätte er diese ganze zwecklose Diskussion unterlassen. Der Abg. Dixichlet meinte, niht er nehme irgend etwas zurü, vielmehr hätte der Minister Veranlassung gehabt, von jeinen Ausführungen etwas zurückzunehmen. Die Jnforma- tionen habe er von früheren Kollegen des Beamten, der frühere Direktor der jeßt verstaatlihten Bahn habe sie ihm bestätigt. Es thue ihm leid, das Lob zerstören zu müssen, das der Minister dem Ober-Präsidenten gespendet habe: derselbe habe thm geantwortet, Redner habe sogar persönlich mit ihm darüber konferirt. Wenn der Abg. von Rauchhaupt seine (Redners) Glaubwürdigkeit etwa habe in Zweifel ziehen wollen, \o bitte er um Beweise. E Der Abg. Dr. Riert brachte einen Artikel der „Ostdeutschen Zeitung“ in Thorn zur Sprache, welche einen russischen Ukas mittheilt, wonach sämmtliche Deutsche in Polen ausgewiesen werden sollten. Er fragte den Minister, ob diese Nachricht auf Wahrheit beruhe. Der Minister des Junnern von Puttkamer erklärte: Meine Herren! In Bezug auf den Schluß der Anführungen des Herrn Vorredners möchte ih doch bemerken, daß es für mich nicht möglich ift, zu wissen, was die Kaiserlich russische Regierung etwa in den allerleßten Tagen beschlossen hat. Der Herr Vorredner wird felbst anerkennen, daß das außerhalb des Bereichs der Möglichkeit sür mich liegt. Nur so viel kann ich ihm fagen, daß bei den freund- schaftlichen Verhandlungen, in denen wir mit der Kaiserlich russischen Negierung in diefer ganzen Angelegenheit, die Uebernahme diesseits ausgewiesener russis{ch- polnischer Unterthanen betreffend, uns befunden baben und noh befinden, auch nicht die leiseste Andeutung einer folchen Absicht der Kaiserlich russischen Regierung zu Lage getreten ist, und daß ih nit den mindesten Zweifel daran habe, daß die ganze Nach- riht aus der Luft gegriffen ist, wie so viele folher Nachrichten. Der Etat des Ministeriums des JZnnern wurde bewilligt. Es folgte der Etat der landwirthschaftlichen Ver- waltung.

vorzüglih bewährt; denn der frühere Militär weiß die Disziplin zu handhaben, und vor allem ist in der Strafanstaltsverwaltung nöthig

Der Abg. Konrad brachte die Frage der

Wildschäden zur

geboten. Man brauche ein Wildschaden-Entschädigungsgeseg oder man müsse das Nadikalmittel ergreifen, das Wild für vogelfrei zu erklären, so daß es Jeder zu schießen berechtigt sei. Dann werde der Wildschaden von selbst schon aufhören Er bitte den Minister, seine Vorschläge in wohlwollende Ex: wägung zu nehmen.

__ Der Abg. Rickert wünschte eine Nevision des geseßes und fragte an, ob eine solche in nächster warten sei.

Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. Lucius entgegnete, die Revision des Fischereigeseßzes werde in nächster Zeit zu Ende geführt werden. Was die Klagen über Wildschaden betreffe, so sei bereits von Seiten der Ver- waltung nah Möglichkeit den Schäden entgegen getreten wor: den. Viele diefer Klagen seien aber unbegründet. Jn vielen Fällen seien Einzäunungen der Jagdreviere vorgenommen worden, die den Wildschaden fast ganz verhüteten. Ueberdies werde der diesjährige lange und harte Winter die Zahl der Thiere in einer Weise reduziren, daß man für die nächsten Zahre keine großen Klagen über Wildschaden zu befürchten haben werde.

_ Der Abg. Cremer wünschte, daß den Fischern mit Rüc- siht auf den strengen Winter während der Schonzeit Dispens ertheilt werde, anstatt wie bisher während dreier Tage, während dreier Nächte, da der Fischfang in der Nacht ergiebiger sei.

L Der Staats-Minister Dr. Lucius erklärte, daß in diesem Jahre von der Dispensationsbefugniß der Verwaltung der weitgehendste Gebrauh gemacht werden werde. :

Der Abg. von Gerlach beantragte, das Marimalgehalt der Meliorations - Bauinspektoren von 3600 s auf 4800 zu erhöhen. 6

Die Budgetkommission beantragte die Ablehnung des Antrags.

_ Der Abg. Graf Strachwitz lenkte die Aufmerksamkeit des Ministers auf die alljährlih wiederkehrenden Uebershwem- mungen in Oberschlesien und fragte an, in welcher Weise beabsichtigt sei, diese Kalamität zu beseitigen.

Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Dr, Lucius erwiderte:

Meine Herren! Die Frage der Regulirung der oberen Oder hat ja die hohen Häuser des Landtages wiederholt in den letzten Jahren beschäftigt ; diese Angelegenheit hat auch unausgeseßt die Auf- merksamkeit der Königlichen Staatsregierung beanspruht. Es ist au, wie der Herr Vorredner ausgeführt hat, bei Gelegenheit der Bewilligung der Notbstandsforderung ein nicht unbeträchtliher Betrag ausgeseßt worden für die Regulirung eines Theils des oberen Oder- laufs an der Einmündung der Olsa. Diese Melioration ist, \foweit ich überfchen fann, eine vollständig nüßliche und segensrcicche gewesen. Wenn die Versuche, au den weiteren Lauf der Oder zu reguliren bisher nicht von Erfolg gewesen sind, ‘fo liegt das doch wesentlich mit daran, daß Seitens der Adjazenten bisher die Bereitzillig- keit zu eigenen Leistungen leider fehr gering gewesen ift. Es ift ja bekannt, daß unser Etat für die Regulirung der nichts{iffbaren Theile von Strömen nur eine sehr unbeträchtlihe Summe ausfeßzt, Wir sind also auf diesem Gebiet lediglih darauf angewiesen, den Weg der Ge- nossenschaftsbildung zu versuchen, um Flußregulirungsyrojekte zw Stande zu bringen, und ich kann nur die Bereitwilligkeit der König- lichen Staatsregierung aussprechen, diesen Versuchen au weiter för- derlih zu sein, im Wege der Genossenschaftsbildung diese Negelung allmählich zur Ausführung zu bringen. Ich muß dabei allerdings auf die Mithülfe der dortigen Kreise renen, in ihren eigenen Leistungen ]o weit zu gehen, wie fie irgend in dem eigenen Interesse ihren Mit- teln nah gehen können.

Was den Antrag des Hrn. Abg. von Gerlach betrifft,

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3 Fischerei: Zeit zu er-

Forsten

i a8 de t so muß ih meinerseits vollkommen die Berechtigung desselben anerkennen. Es scheint mir unabweisbar, die Kon}equenz zu ziehen für die Meliorationstecniker aus den Gehaltserhöhungen, die für die Beamten der allgemeinen Bauverwaltung durch den leßten Etat cr- folgt sind. Diese Konsequenz ist um so weniger abzuweisen, als es ih hier um eine fehr kleine Anzahl von Technikern handelte, Wir haben blos 13 derartige Stellen, und zwar seten dieselben cine be- sondere technische Befähigung voraus, da ihr Wirkungskreis ein solcher ist, welcher weit über die Bedeutung einzelner Baukreise hinausgeht. Ich bin also durchaus der Meinung, daß es unabweisbar ist, au eine Gehaltserßöhung vorzunehmen für die Meliorationstecniker, entsprechend der, welche sür die anderen Baubcamten durch den leßten Etat aus- geseßt ift. Wenn diese Konsequenz für den jetzigen Etat noch nicht gezogen worden ist, fo lagen besondere Verhältnisse vor, die cine re{t- zeitige Verständigung darüber nit zuließen , ich gebe mich aber der sicheren Hoffnung hin, daß wenigstens im nächsten Etat diese Ungleich- beit eine Ausgleichung erfahren wird. :

___ Die Abgg. Knebel, Berger (Witten) und Mooren be- jürworteten gleichfalls den Antrag des Abg. von Gerlach.

Der Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch bat gleichfalls, dem Antrag von Gerlah zu entsprehen. Mit demselben ziehe man nur die Konsequenzen früherer Beschlüsse. Der Antrag let nur eine Forderung der ausgleihenden Gerechtigkeit.

Der Antrag von Gerlah wurde angenommen.

Beim Extraordinarium des Etats der landwirthschaftlichen Verwaltung bat der Abg. Dr. Frhr. von Schorlemer, den Fonds zur Förderung genossenschaftliher und fommunaler eslußregulirungen im nächsten Etat in das Ordinarium hinüber zu nehmen, da dieser Fonds doch dauernd nothwendig sei.

Der Abg. Schult (Lupiß) {loß \sich diesem Wunsche an und wünschte ferner eine Erhöhung dieses Fonds.

Der Abg. Knebel führte aus, daß durch eine Erhöhung Des Fonds die Abwehrmittel gegen die Ueberschwemmungen vermehrt würden und indirekt dadurch die Steuerkraft der Be- völkerung gehoben werden könne.

Der Abg. von Puttkamer (Plauth) rihtete an die Negierung die Anfrage, wie es mit derx Regulirung der Weichsel und Nogat stehe.

Der Staats-Minister Dr. Lucius erklärte:

Meine Herren! Die eben angeregte Frage ist ja in diesem hohen Hause wiederholt erörtert worden. Sie hat wefentlich auch mit darunter gelitten, daß immer cin Projekt durch das andere todt gemaht worden ist. Und gerade die Ausführungen, die der Abg. von Puttkamec zuleßt gegeben hat, rufen in mir die Besorgniß hervor, daß die Basis dexr Verständigung, die wir seit zwei Jahren gewonnen haben, und auf der wir fortgebaut haben und augenblicklih noch weiter fortbauen wollten, möglicherweise wiederum verschoben wird.

Wir haben das sogenannte große Projekt I, was die gänzliche Coupirung der Nogat aussprach, als in leßter Instanz verworfen und niht mehr existirend seit 2 Jahren behandelt, und ih muß dringend davon abmahnen, ‘daß man jeßt, wo alles Mögliche und Erreichbare sür die Negulirung dieses großen Stromgebictes vorbereitet ist, wie- derum das in Frage stellt durch Zurückkommen auf das alte verworfene Projekt. _Es.ist, nachdem das Projekt der gänzlichen Coupirung der Nogat aus den Verhandlungen ausgeschieden war, das zweite Projekt ausgearbeitet worden, dessen wesentlicher Theil in dem Durchstih der Nehrung be- steht, wodurch, wie man annimmt, einmal den Schiffahrtsinteressen, und dann auch den Vorfluthinteressen der betheiligten Landes- theile genü! wird, so daß wenigstens fünftig so große Kalamitäten wie sie zuleßt bci der leßten großen Uebershwemmung stattgefunden haben, vermieden werden dürften. Nachdem dieses Projekt aufgestellt war,

Sprache.

Eine geseßliche Regelung dieser Frage sei dringend

ist ein Kostenanschlag gefertigt worden und derselbe im vorigen Jahre

mit einer ausführlichen Denkschrift an den Herrn Ober-Präsidenten gegangen, um die betheiligten Deichverbände sowohl wie die Ver- treter der Schiffahrtsinterefsen darüber zu hören, inwieweit sie für die Ausführung dieses Projektes sich interessiren, mit eigenen Leistungen betheiligen wollen. Diese Verhandlungen haben bis zur Stunde zu einem Ergebniß nit geführt, weil von Seiten der Interessenten bisher cine Bereitwilligkeit zu erheblicheren Leistungen niht hervorgetreten ist. Es haben alfo diese Verhandlungen vorläufig negativ geendet. Damit ist aber die weitere Fortführung der Sache zwar um einige Monate vertagt, aber keineswegs aufgegeben. B L

Es schweben jeßt Verhandlungen zwischen den betheiligten Ministerien, also dem Ministerium der öffentlilen Arbeiten, in erster Linie dem Finanz - Ministerium und dem landwirth- shaftlihen Ministerium, worin sich tie betheiligten Ressorts bestreben, eine Basis der Verständigung zu fuhen, um in die Lage zu kommen, den Interessenten eine bestimmte Proposition zu machen, wie weit die Staatsregierung glaubt in ihren Leistungen gehen zu können, und was sie von Seiten der Interessenten glaubt beanspruchen zu müssen. Ich glaube, daß es zweckmäßig ift, das Er- gebniß dieser Verhandlungen zunächst abzuwarten, ehe man weiter mit neuen Projekten in diefer ganzen Frage eintritt. e

Neben diefem allgemeinen Regulirungêprojekt was ja in jedem Fall, wenn es auh mit möglichster Beschleunigung betieben wird, zu Dea Ausführung Jahre bedarf ist neuerlih vorgeschlagen, um die von der Nogatübers{chwemmung bedrohte Niederung zu s{chützen, wieder ein Eiswehr einzurihten bei der Abzweigung des Nogatkanals. Diese Ausführung würde dem großen Flußregulirungsprojekt vorangehen fönnen und diesen unmittelbaren Gefahren in absehbarer Zeit vor- beugen können, da es von jenem ganz unabhängig is. i

Daß in diesem Jahre in höherem Maße wie in irgend cinem früheren die Befüthtung vorliegt, daß wir sc{were gefährliche Cis- gänge und Üebers&wemmungen zu gewärtigen haben, diese Befürch- tung wird an zuständiger Stelle getheilt. Ich kann hier mittheilen, daß sowohl von Seiten des Ministers für öffentliche Arbeiten wie au meinerseits die nöthigen Anordnungen ergangen sind, sih vorzu- bereiten auf alle möglichen Eventualitäten, um Gefahren nach Mög- lichfkeit vorzubeugen. t :

In Bezug auf die Weichsel sind wir ja durch die Erfahrungen der letzten Jahre bis zu dem Punkte wenigstens beruhigt, als sich die Arbeiten und Leistungsfähigkeit der Eisbrechdampfer im Großen und Ganzen bewährt haben, und wir hoffen, wenn sich niht ungewöhnlich ungünstige Kombinationen von Umständen, wie Eisstockung und kon- träre Winde, also elementare Mächte vereinigen, die keine menschliche Vorsicht überwinden kann, daß dann foweit möglich den dro henden Eventualitäten vorgebeugt wird.

Der Etat der landwirthschaftlihen Verwaltung wurde an- genommen, ebenso der Etat der Gestüts- und der Krieg s- verwaltung.

Zum Etat des Kultus-Ministeriums ergriff der Finanz-Minister Dr. von Scholz das Wort: /

Ich bitte um die Erlaubniß, bei diesem Titel einen kleinen Zwischenfall erledigen zu dürfen, der bei der zweiten Berathung an diesen Etatstitel geknüpft ist. Ich konnte damals leider den Ver- handlungen des hohen Hauses nicht beiwohnen, sonst hätte ich die Sache sofort zum Austrag gebracht. E : | :

Der Hr. Abg. Dirichlet hat nämlich bei zweiter Berathung im Anschluß an diesen Titel das Verhalten des Herrn Kultus-Ministers bekämpft und mein Verhalten mit dem des Herrn Kultus-Ministers in besondere Parallele gestellt. Nun würde mich dies natürlich nicht zu einer Entgegnung veranlassen, va ih es mir zur Ehre rechne, wenn mein Verhalten mit dem des Hrn, Kultus-Minister parallel geht, er hat sich aber dabei doch in einer Weise näher geäußert, daß ih nicht \{chweigen darf.

Cr sagt: : A

Ich will übrigens bemerken, meine Herren, daß diefe Art, aus den Akten des Ministerii zur Diskreditirung cines Beamten Mittheilungen zu machen, keineswegs absolut neu ift, es ist meines Wissens der zweite Fall, dem wir unter der zeitigen Negierung gegenüberstehen. Ich besinne mi, daß der Herr Kollege des Herrn Kultus-Ministers, der Herr Finanz-Minister ih weiß nicht mehr, war es hier oder im Reichstage, aber das thut nichts zur Sache cin Schriftstück verlesen hat, eine Motivirung einer Abstimmung seines früheren Ministerkollegen, unseres jetzigen Kollegen Hobrecht. . i ; E :

Er führte im Anschluß daran aus, wie es allerdings seltsam sei, daß er und seine Freunde die guten Traditionen des preußischen Beamtenthums gegen die beiden Minister vertreten müßten.

úIn den Zeitungen haben wir damals die Andeutung gefunden, es bezöge sih das auf die Abstimmung des Hrn. Ministers Hobrecht zum Taback-Monopol. Der wahre Sachverhalt kann nur der sein, daß ih das beziehen soll auf die Neichétagsverhandlung vom 9. Dezember 1882, wo zur Berathung stand die Frage der Einführung zweijähriger Etatsperioden, speziell die Frage: ob, wenn man im Reiche zu zwei- jährigen Budgets übergehen wollte, dann auch für Preußen es sich wirklich rechtfertigen lasse, namentlich finanz-tehnis den gleihen Schritt

zu thun. Es wurde von einigen Herren die Meinung vertreten, daß, wenn sih das für Preußen nicht mögli machen lasse, dies ein Argument sei. es auch beim Reiche nicht einzuführen, denn dann sei an eine wirkliche Fruktifizirung doch nicht zu denfen. Dieser Zusammenhang veranlaßte den preußischen Finanz-Minister, zu der Frage besonders Stellung zu nehmen und seine Argumente thunlichst ershöpfend vorzubringen. Nun hatte ih, wie ih glaube, ein günstiges sahliches Moment dafür geltend zu machen, wenn ih dem Reichstage die Ueberzeugung gewäh- ren könnte, daß das nicht blos eine Auffassung des damaligen Finanz- Ministers wäre, sondern wenn ich ihm aus den Akten des Finanz- Ministeriums beweisen könnte, daß drei Finanz-Minister hintereinander dieselbe sachliche Auffassung gehabt haben.

Um dieses Argument zu verwerthen, habe ih in der Verhand- lung des Reichstages, also vom 9. Dezember 1882, ausgeführt: das ist niht etwa meine Anficht allein; seit 1879, wo die Frage der zweijährigen Etatsperioden überhaupt erst auf das Tapet gebracht worden ist, hat man im preußischen Finanz-Ministerium immer so edaht. Und’ weil ih ja besorgte, daß auf diese bloße Erklärung din das vielleicht angezweifelt werden würde, hatte ih eine An- zahl Aeußerungen, die die Protokolle des Staats-Ministeriums darüber an die Hand geben, mitgebraht und zur Verlesung gebracht. Es betrafen diese die erste Zustimmung, die ih für mich nußbar machen wollte, die Hr. Staats-Minister Hobrecht im Staats- Ministerium meiner Auffassung nah dahin abgegeben hatte, daß s finanz-tehnish in Preußen in der That auch ausführbar wäre. Ich fuhr dann fort: Cbenso hat mein unmittelbarer Amtsvorgänger, der Hr. Minister Bitter gedacht, und ebenso denke ih. Also drei FFinanz- Minister nah einander sagen in diefem Punkte daffelbe, obwohl sie doh in allen Punkten vielleiht niht auf demselben Standpunkt stehen.

Nun ist mir ja dabei zu meinem größten Schmerze klar geworden, daß im Augenblick der Verhandlung des Reichstages der Hr. Abg. Hobrecht Viele Sache als eine Verletzung auffaßte, die ih ihm zufügte. Ich habe deshalb wiederholt mi damals kemüht, das Sachverhältniß klar zu stellen. Denn mein Motiv bei der Mittheilung und ih glaube, das ist auch sehr durchsihtig war einzig und allein das, sachlich für mich außer meiner eigenen Ansicht auch die gleihe meiner Amtsvorgänger, troß ihrer politisch vielleicht verschiedenen Stellung, tes zu machen und in dem Sinne die Sache zu fördern. Und ich würde, wenn die Herren (links) einmal an derselben Stelle sich be- fänden, und sie wollten Widersprüche, die ihnen von der reten Seite begegnen, damit zurückweisen, daß sie sih auf meine Erklärungen in den Akten des Finanz-Ministeriums berufen, ihnen diese voll- kommen preisgeben, ich würde es ihnen sehr verdenken, wenn sie die Argumente, die sie aus meinen Erklärungen etwa für eine günstige Regelung benutzen könnten, nicht benußen wollten ; ich finde darin nihts, habe nichts darin gefunden und deshalb habe ich uicht Bedenken getragen, es so auszuführen.

den früheren Herrn Minister, den damaligen Herrn Akgceordneten zum Reichstage Hobrecht irgendwie verleten, diékreditiren zu wollen. Ich habe gegen diesen Herrn nichts anders als die hochactungsvollste und freundlicste Gesinaung; ih wüßte nicht, wie und wohec ih dazu kommen sollte, gegen diesen Herrn irgend eine Verleßung zu beab- sihtigen. Das hat mir absolut ferngelegen. Ih babe ibm das selbst erklärt; ih habe heute die Hoffnung, daß er selbst nicht mehr an e a animus injuriandi in irgend welcher Form bei mir irgendwie glaubt.

Das ist alfo das wahre Sachverbältniß. Nun aber bat der Hr. Abg. Dirichlet von dieser ganzen Gescbichte, wie seine Worte ja be- kunden, nur eine ganz dunkle, trübe Erinnerung. Er sagte:

Ich weiß nit mehr, war es hier oder im Reichstage, ich glaube,

es-war im Reichstage, aber das thut ja nihts zur Sache (!) Gr hat aus dem Köcher diescr ganz unbestimmten Erinnerung den Pfeil gegen mich abgeschossen, daß ih zur Diskreditirung eines Beamten Mittheilung aus den Akten gemaht bätte. Was ist also das Resumé dieser ganzen Sabe? Er hat nicht Mittheilung aus den Akten, sondern aus einer dunklen, falschen, irrigen Erinnerung Mittheilung gemacht, um mih zu diskreditiren. Und er hat den Splitter in meinem Auge gesehen über den Balken hinweg, der in seinem eigenen Auge liegt. Ich kann das niht unwidersprochen lassen, weil es wieder ein drastischer Belag ist für die Mittel, mit denen von der Seite (links) gekämpft wird. Ich kann es aber auch nament- lih deshalb nicht unwidersprohen lassen, weil mir sehr vicl daran liegt, diese Legende und diese üble Nachrede, als ob ih je die Absicht gehabt bätte, dem Hrn. Abg. Hobrecht irgend etwas ihm Unangeneh- mes, ihn Verletzendes zu sagen, nicht bestehen zu lassen.

Der Abg. Dirichlet bemerkte, er könnte mit viel mehr Necht als vorhin der Minister des Jnnern von cinem Ueberfall des Finanz-Ministers sprehen. Der Finanz-Minister habe den Sachverhalt, wie Redner ihn vorgetragen habe, durchaus be- stätigt. Db er sich auf den Reichstag oder Landtag beziehe, ändere an dem, was der Minister gethan habe, nicht das Mindeste. Sei es ein Wunder gewesen, daß ein Unbetheiligter davon denselben Eindruck empfangen habe, wi- der zunächst betheiligte frühere Minister von Hobrecht? Nedner verlas die betreffende Antwort des Abg. von Hobrecht auf jene Rede des Finanz-Ministers, worin derselbe es tadelt, daß man aus dem Zusammenhang gerissene einzelne Worte vorgelesen habe, die er in feiner amtlichen Stellung unter dem Schuße der Dis- kretion gebraucht habe. Nedner dankte dem Minister, daß er ihm Gelegenheit gegeben habe, die Sache klar zu legen.

Der Staats-Minister von Scholz entgegneie:

Meine Herren! Es ist ja \chwer, gegen cine solche Art der Debatte sich mit vollem Erfolg zu wenden: denn der Herr weicht eben jeden Augenblick aus; er spricht in demselben Augenbli seinen Dank aus, daß ih die Sache richtig dargestellt, und in demselben Augenblick {reit er: das ist wieder ein Versuch, die Sache anders darzustellen als sie ist. Was nun eigentlich seine Meinung ist, weiß man nicht; er argumentirt immer entgegengeseßt. Ich habe mich darauf beschränkt, als Sachdarstellung seine eigenen Worte zu ver- lesen, und habe gar nicht bebauptet, daß irgend ctwas anderes von ihm gesagt sei. Er macht sich irgend eine spanische Wand, um dahinter zu verschwinden mit irgend einer großen Aus- führung, die mit der Sache abfolut nihts zu thun hat. Dem Herrn Vorredner ift desha!b kein Vorwurf von mir gemacht, weil er gesagt hat: ich weiß niht, wo es gewesen ist; das ist ein ganz untergeordneter Nebenpunkt. Die Hauptsache ist, daß ih gesagt habe: er macht einem Minister den Vorwurf, derselbe theile aus den Akten gewisse Dinge zur Diskreditirung eines Beamten mit. Da sage ih ihm: er sieht in demselben Augenblick, wo er auf diesen Splitter in meinem Auge aufmerksam machen will, den Balken in seinem eigenen Auge nicht, daß er aus einer ganz dunklen, trüben Er- innerung zur Diskreditirung meiner Person auf einen solchen früheren Fall zurückgreift. Der Hr. Abg, Dirichlet, glaube ih, hat ferner absolut kein Recht, von der Möglichkeit zu sprechen, daß er sich über einen Ueberfall beklagen könne. Meine Herren, wenn der Hr. Abg. Dirichlet gestern oder bei der letzten Wahl erft in das Haus ein- getreten wäre, so würde ih es für entshuldbar erachten, wenn er nicht wüßte, daß Dinge, die bei der zweiten Berathung bei einem bestimm- ten Etatstitel verhandelt worden sind, in dritter Berathung an der- selben Stelle weiter verhandelt zu werden pflegen, wenn das Bes dürfniß zu einer weiteren Verhandlung vorliegt. Ich würde, wenn ich hier im Hause gewesen wäre, am 8. März dem Hrn. Abg. Dirichlet genau dasselbe wie heute erwidert haben; dann würde er auch wohl gesagt haben, er sei überfallen von mir! Daß ich das erst heute thue, entspricht durhaus den Gepflogenheiten dieses hohen Hauses, und es ist ein ganz verfehlter Versuch nah dieser Richtung hin, ih mit der Andeutung eines Ueberfalls decken zu wollen. :

Nun weiter, was hat denn Hr. Dirichlet zu seiner Vertheidigung vorgebraht? Nichts mehr als die Verlesung der Worte, die Hr. Hobrecht damals, als ich, nebenbei gesagt, den Reichstag bereits ver- lassen hatte, unter einer persönlichen Bemerkung allerdings dem Reichstage gegenüber gleich vorgetragen hat. Ist das “etwas Neues ? Ist das etwas, was den Hrn. Abg. Dirichlet entschuldigt? Nein, meine Herren, das habe ih ja selbst gesagt, zu meinem Schmerze hat sich Hr. Hobreht damals verleßt gefühlt, das habe ich in meiner Bemerkung ausdrücklih hervorgehoben. Die Verhandlungen mußten Sie eben, wenn Sie nicht wollten aus einer dunklen, trüben Er- innerung operiren, sondern wirklich orientirt dann mußten Sie die Verhandlungen weiter nachlesen ; die haben, am folgenden Tage fort- gesetzt, zu einer weiteren Auseinandersetzung in dieser Sache geführt, sie sind gar nit mit dem Tage, von welchem der Bericht Hrn. Di- rihlet eben vorliegt, erledigt. Ih behaupte also, das ist ja gar kein Beweis für ihn, daß er nun das ausführlich vor- gelesen hat, was ih selbst mitgetheilt habe, daß Hr. Ln zu meinem Bedauern si verleßt gefühlt hat; der Hr. Abg. Hobrecht hat überdies dana ausdrücklih hinzugefügt: wenn er meinen Mit- theilungen richtig gefolgt sei, so wären sie geeignet gewesen, den Cin- dru zu machen und dem wollte er entgegentreten. Ich habe alsbald gehofft, daß der Hr. Abg. Hobreht nah näherer Prüfung dieser Vor- gänge sehen würde, daß meine Mittheilungen eine solche Tendenz, zu seiner Diskreditirung vorgebracht zu sein, absolut nicht hatten, und das ist es ja, worauf allein es hier ankommt. Und wenn der Hr. Abg. Dirichlet vielleiht wieder es versteht, bei der Erwiderung, zu der ec si gemeldet, das thema probandum zu verschieben und über irgend etwas Anderes zu sprechen, so will ih gleich vorweg sagen: ih werde ihm darauf niht mehr antworten ; ih halte einfach aufrecht, was ih gesagt habe. e

Der Abg. von Rauchhaupt betonte, der Abg. Dirichlet habe versucht, eine doppelte Rolle zu spielen. Nachdem der-

es jeßt, einen früheren Beamten zu vertheidigen. Redner könne nur sagen, daß es ein Unglück sei, von dem Abg. Dirichlet vertheidigt zu werden; denn die betreffenden Personen kämen dabei immer am schlechtesten weg. Am 21. Februar 1882 habe sich der Abg. Dirichlet darüber beschwert, daß ein Hr. Ahrens als Kreisdeputirter nicht bestätigt sei wegen seiner liberalen Gesinnung. Es sei in Folge dessen eine Disziplinaruntersuhung eingeleitet worden, und die Folge sei gewesen, daß auch die Wahl dieses Hrn. Ahrens in den Kreisausshuß habe fkassirt werden müssen, weil demselben Begünstigung des Schmuggels nachge- wiesen worden sei. Am 6. Februar d. J. habe der Abg. Dirichlet Klage geführt, daß der frühere Zweite Bürgermeister von FJnstexburg nach seiner Wiederwahl die Bestätigung nicht erhalten habe, troßdem er seine Geschäfte früher ohne jede

selbe vorher einen Beamten diskreditirt habe, unternehme er

Der Abg. Dirichlet bemerkte, er wisse niht, in welchem Zusammenhang diese Bemerkungen mit dem Kultus-Etat ständen. Er müsse dies indessen dem Ermessen Derer anheim- geben, welche als Führer der Majorität für die Verhältnisse der Geschäfte verantwortlih seien. Was die 600 #. betreffe, so glaube er er fönne es im Augenblick nicht bestimmt erklären —, daß der Herr dieselben für eine ander- weite Thätigkeit bezogen habe, jedenfalls nicht für die Versehung des Postens eines Zweiten Bürgermeisters. Die Herren würden ja selbst begreifen, daß 600 M für einen derartigen Posten keine Entschädigung bilden fönnten. Was den Fall Ahrens betreffe, so erinnere er sich, daß er selbs um eine Disziplinaruntersuhung gebeten habe, und wenn das Resultat fo ausgefallen sei, daß die Wahl habe kassirt werden müssen, fo habe er nihts dagegen. Er habe nur gesagt, wenn der Herr nicht zum Kreisdeputirten geeignet sei, könne er auch nicht Kreisausshußmitglied sein. Er weise übrigens darauf hin, daß Hr. Ahrens jeßt mit großer Majorität in den Provinzial- Landtag gewählt worden jei. (Ruf rechts: „Troy des Schmuggels ?“) Man möge doch still sein, Alle profitirten ja vom Spiritus-Schmuggel nah Rußland. Die Hälfte der ostpreußischen und schlesishen Spiritusbrenner könnten gar nicht existiren ohne den Shmuggel.

Der Präsident von Köller bemerkte, der Abgeordnete wolle doch nicht sagen, daß der Schhmuggel von konservativen Ab- geordneten ausgeübt werde?

Der Abg. Dirichlet verneinte dies. Herr Ahrens sei übrigens auch niht wegen persönlichen Betriebes von Schmuggel aus dem Kreisauss{huß ausgeschlossen worden, sondern wegen Beihülfe zum Shmuggel. Nach seiner (Redners) Ansicht sei es allerdings gleichgültig, ob er den Shmuggel unterstütze oder Waare liefere, damit sie ge)chmuggelt werde. Dem Finanz-Minister erwidere er, daß er nur behauptet habe, es seien bci der Be- rathung des Kultus-Etats Mittheilungen aus Akten gemacht worden, um Beamte zu diskreditiren; er habe nicht gesagt, vaß dies die Absicht des Ministers gewesen sei; aber glaube derselbe vielleiht, daß seine Mit- theilungen die Autorität und Ueberzeugungstreue des Abg. Hobrecht in ein glänzendes Licht gestellt hätten, wenn er diesem aus Aktenstücken nachzuw?eisen gesucht habe, daß derselbe sich mit sich selbst in Widerspruch seße? Jeder habe damals die Absicht des Ministers dahin verstanden, daß es nur geschehe, um den Abg. von Hodbrecht zu diskreditiren. (Minister von Scholz: „Unwahr!“)

Der Abg. Wolff wies darauf hin, der Abg. Dirichlet habe gemeint, daß Hrn. Ahrens nur die Begünstigung des Schmuggels nachgewiesen sei. Ein altes Sprichwort sage: Der Hehler sei s{hlimmer als der Stehler. Nedner liege es daran, diesen moralishen Standpunkt des Abg. Dirichlet klar zu stellen. Die Behauptung, daß die Rehte vom Schmuggel Profit ziehe, sei der Versuch einer Diskredi- tirung gewesen, der parlamentarish unqualifizirbar sei.

Der Abg. Dirichlet meinte, er selbst habe darauf hinge- wiesen, daß es moralisch gleihbedeutend sei, ob Jemand den Schmuggel unterstüße oder ob er sein ganzes Geschäft als Brenner darauf bajire, daß Produkte über die Grenze ge- s{chmuggelt würden. Er möchte der rechten Seite des Hauses noch den Rath geben, sih nicht zu sehr zu verbeißen in Bezug auf die Persönlichkeit des Hrn. Ahrens. Redner gegenüber hätte ein konservatives Mitglied des Reichstages bei der Be- rathung des Branntwein-Monopols \sich auf die Autorität dieses Herrn berufen.

Der Abg. von Rauchhaupt bemerkte, dem Abg. Dirichlet könne er nur sagen, daß die Konservativen keinen näheren

V

Umgang mit Shmugglern hätten. Fm Uebrigen verzichte er darauf, sich mit dem Abg. Dirichlet über Begriffe zu verstän- digen, über die Beider Anschauungen fo grundverschieden seien.

Der Abg. Möllmann kam auf den vom Abg. Stöcter bei Gelegenheit der zweiten Berathung dem Verfasser der „Briefe moderner Dunkelmänner“ gemachten Vorwurf zurück, es sei darin die ganze Orthodoxie schlecht gemacht. Dieser aus dem Kalender „Der Vetter aus Bremen“ entnommene Vorwurf treffe durchaus nicht zu, man möge die Güte haben, si selbst zu überzeugen.

Um 4 Uhr wurde die Fortseßung der Berathung auf Dienstag 11 Uhr vertagt.

Zeitung®2stimmen.

Aus den Festartikeln, mit denen die Zeitungen den heutigen Tag begrüßen, heben wir die folgenden Stellen hervor :

AN&ätroltal Ztg: |

Wohl darf der Kaijer, wenn er an diesem 22. März auf dem Gipfel des Berges den Weg überschaut, den er gemacht, sein Leben ein außerordentliches nennen, und in der Bescheidenheit, die ihn aus- zeichnet, in Allem die Fügung und Leitung der Vorsehung erkennen. Denn etwas Wunderbares ift in diesem Dasein, das in gleicher Weise Freunde wie Gegner mit Chrfurcht und Bewunderung ergreift. Der Höbe seiner Jahre entspricht die Größe seiner Erfolge. In steben Tagen, in sieben Monaten hat der Greis schneller als der jugendliche Napo- ‘leon große Kriege beendet. Als er den Thron bestieg, lag vor dem Dreiundsechzigjährigen menschliher Voraussicht nah nur eine kurze Spanne Zeit und Raum und er hat sie mit Thaten und Schöpfungen erfüllt, die, wie wir hoffen, die Jahrhunderte überdauern werden. Gewiß muß in diesem glorreichen Lebenswerk dem Glücke und der stillen Arbeit der Dinge und der Gedanken, der Willenékraft großer Menschen, dem Sehnfsuchtsdrang und dem Opfermuth unsercs Volkes ein entscheidendecs Gewicht zugesprochen werden; aber ebenso gewiß konnte nur ein Charafter, wie der Kaiser Wilhelms, diese Gunît des Geschickes fo wunderbar benußen und in dem Zusammenklang der Stim- mungen und der Umstände den Traum der Deutschen zur Wirklichkeit gestalten. Was ihn vor Allem zu der einzigen Rolle, die ihm in un- serer Geschichte zugefallen ift, befähigte, ist zugleich die edelste Tugend des Alters: die Mäßigung. Nicht einem stürmishen Jüngling konnte es gelingen, den gordischen Knoten deutscher Dinge mit dem Schwerte zu lösen. Denn mehr noch als zu siegen, galt es zu versöhnen. Erst die Fürsten und Stämme, die miteinander gehadert, und dann die feindliche, neidishe Welt, welche der neu emporgekommenen deutschen Macht bald Böses sann, bald Böses andichtete. Jn ruhiger Fassung und Würde, immer bereit, auflodernden Streit zu \{chlichten und großmüthig über die zornigen Aufwallungen An- derer hinwegzusehen, hat der Kaiser die Aufgabe, welbe noch \hwieriger war, als die auf den Schlachtfeldern gelöste: die deutschen Fürsten und Stämme einträchtig im Reiche zu einem Gan- zen zu verschmelzen, ohne ihre Staatsformen zu zerstören und ihre Eigenthümlichkeiten unsanft anzutasten, und Deutschland zum Schir- mer des Friedens in Europa zu erheben, glüccktlich vollendet. Ein- stimmig wird ihm diefer Ruhm, den auch die genialste Staatskunst ohne die Mäßigung und Gerechtigkeit seines Wesens, ohne die Milde und Majestät seines Auftretens nicht hätte gewinnen können, von der

ganzen Welt zugestanden. Be e i Siege, diese Seclbstvergessenhbeit

Entschädigung versehen hätte. Es sei nachgewiesen, daß der-

Dagegen hat mir das Motiv natürlich absolut fern gelegen, dabei

selb- aus der Kän:mereikasse 600 M bezogen habe.

Diese Bescheidenheit im l C rg 1 einer Macht, die nach dem zornigen Angstruf der Franzosen