1906 / 242 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Oct 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Afrika-Linie in ANNXNa Und Aa der Ande B ur Cen: bahnverkehrsordnung und die Ergänzung der Nummern XXXVa und XXXVe daselbst den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Ueber einen Antrag, betreffend die nachträgliche Genehmigung der Ueberweisung von Arbeitspläßen bei der zoologishen Station in Rovigno, wurde Beschluß gefaßt. Zu- gestimmt wurde den Anträgen der zuständigen Ausschüsse, be- treffend die Zulassung von Holzlagern in Heilbronn sowie den Veredelungsverkehr mit essigsaurem Kalk zur Herstellung von Aceton usw. und von Essigsäure usw., mit Oelen und L zur Herstellung von Maschinenschmiermitteln und mit nopfunterteilen. Ebenso fanden die Ausschußanträge, be- treffend den Zollverwaltungskostenetat für Luxemburg und die Salzsteuerverwaltungskostenetats für Sachsen-Meiningen und I Braunschweig, Zustimmung. Ferner wurden Aenderungen er Sazungen der Mecklenburgishen Hypotheken- und Wechsel- bank in Schwerin und des Kaiser Friedrih-Krankenhausver- eins in San Nemo genehmigt. Endlich wurde über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt.

Dem Regierungsasscssor von Graevenißgt, bisher Hilfs- arbeiter im Königlichen Finanzministerium ist die kommissarische

Verwaltung des Landratëamts im Kreise Westprignißt, Regierungsbezirk Potsdam, übertragen worden. Laut Meldung des „.W. T. Bit S.M.S. „LUGs“

gestern in Kiukiang eingetroffen und beabsichtigt, morgen nah Hankau in See zu gehen. : S M:S. „Falke“ ist. am 9, Oktober in Talkahuano

eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Im Wahlreformauss\chu ß j Abgeordnetenhauses sprah sich gestern bei Fortsczung der Beratung der Wahlkreiseinteilung Böhmens der Minister des Jnnern Freiherr von Bienerth gegen die An- träge Pergelts aus, nach denen bei nationaler Abgrenzung über Gemeinden hinaus auf Ortschaften oder Ortsanteile herabgegangen und in Prag, Pilsen und Budweis national getrennte Wahlkörper gebildet werden sollen. Der Minister betonte dabei, laut Bericht des „W. T. B.“, daß besondere nationale Wahl- körper für die Reichsratswahlen nur dort go werden sollen, wo bereits, wie in Mähren, solche Einrichtungen für die Landtagswahlen bestehen. j der Wahlreformausshuß sämtliche, sowohl die deutscher-, als auch die tschehisherseits, zur Wahlkreiseinteilung Böhmens gestellten prinzipiellen Anträge, darunter den Antrag auf

Hamburg, die Aenderung der Nummern |

Nach längerer Debatte lehnte ;

Die Geistlihkeit der Diözese Córdoba hat an den Justizminister einen Widerruf gerichtet, dessen Jnhalt sih mit dem des Bischofs von Tuy det.

Türkei.

Seit dem Ueberfall der griehishen Banden auf Smilowo sind, nah einer Meldung des „Wiener Telegraphen-Korrespon- denzbureaus“, durch bulgarische und grie chische Banden weitere Mordtaten in Baraschan im Bezirk Monastir, bei Pisseder, an der Grenze zwishen Kastoria und Florina, und 1n Guilesh im Bezirk Monastir verübt worden. Das jüngste Resultat der sonnigen türkishen Reherchen ist die Ge- fangennahme von 18 Mitgliedern des griehishen Komitees in Biklishta im Sandshak Korytsza und die Entdeckung einer regelrehten Uniformwerkstätte und von Depots für griechische Banden in Monastir. :

Die einberufenen drei Redifdivisionen 2. Klasse in Uesküb, Serres und Drama im Bereich des 3. Armeekorps haben Ent- lassungsbefehl erhalten. Der gleihe Befehl wird an die Division Kirkylissa des 2. Korps in Adrianopel ergehen, und somit werden alle 64 Bataillone D obi ee Die gemeldete Einberufung der Division Samsun hat si nicht bestätigt; es war nur eine von Zeit zu Zeit übliche Anfrage, wann die Division mobil sein könnte.

Die Pforte behauptet, daß die erste Untersuchung über den gemeldeten Massenmord in Vranja Kaza Melnik erwiesen habe, daß diese Mordtaten niht durch Soldaten, sondern durch eine terroristishe bulgarishe Bande verübt worden seien. Da vorgestern in dieser Angelegenheit durch die Botschafter der Ententemächte Vorstellungen bei der Pforte erhoben worden sind, so ist durch die Pforte eine strenge Untersuchung unter Heranziehung fremder Gendarmerieoffiziere angeordnet worden.

Dänemark.

Das Folkething hat gestern die von der linken Reform- partei beantragte Antwort auf die Thronrede mit 63 Stimmen bei 44 Stimmenthaltungen angenommen. Jn der Antwort wird, nah einer Meldung des „W. T. B.“, der

des österreihischen ! Regierung bei Durchführung der in der Thronrede genannten

Reformen die Unterstüßung des Folketings zugesichert.

Asien.

Der japanische Prinz Fuschimi is in Erwiderung der Besuche, die chinesishe Prinzen in Japan gemacht haben, gestern in Peking zum Besuche des Hofes eingetroffen. Nach dem Reutershen Bureau is es das erste Mal, daß ein japanisher Prinz den chinesishen Hof besucht.

Afrika. Der deutshe Giitdie Dr. Rosen ist, „W. T. B.“ zu-

folge, am 6. d. Mez vom Sultan zur Ueber- reihung der Geschenke Kaiser Wilhelms unter

großem Gepränge in Privataudienz empfangen worden.

Schaffung nationaler Wahlkörper in Prag, Budweis und ' Pilsen, ab und verwarf ebenfalls den Antrag Kramar, den | | anlassung der Regierung eine Botschaft an das Parla-

Wahlbezirk Budweis den deutschen Wahlbezirken einzufügen.

Hierauf erlezigte der Ausshuß die Wahlkreiseinteilung für die | überwiegend deutshen Wahlbezirke im wesentlihen nah dem | ; Waren, die auf englischen Schiffen mit weißer Besaßung , nach Australien verschifft werden, eine Vorzugsbehandlung

Antrag der deutschen Parteien Böhmens. Der heute dem ungarischen Abgeordnetenhaus

vorgelegte Voranschlag des Staatshaushaltes seht, |

„W. T. B.“ zufolge, die ordentlichen Ausgaben ‘auf

11347 Millionen Kroñen an, 48 Millionen mehr als im Vor- |

jahre; die außerordentlihen Ausgaben und Jnvestitionen |

betrágen 127,2 Millionen Kronen, gegen das Vorjahr weniger 76,4 Millionen. Die ordentlichen Einnahmen belaufen sich auf 11805 Millionen, das ist gegen das Vorjahr mehr 55 Millionen; die außerordentlihen Einnahmen be-

an das Reprâäsentantenhaus zurückverwiesen.

Australien. Der Generalgouv:rneur des Bundesstaats hat auf Ver-

ment gerichtet, durch die dieses ersuht wird, in dem Zoll- geseße die Klausel zu streihen, durch die englischen

zugesichert wird? Das Repräsentantenhaus hat, wie gestern gemeldet, dem Ersuchen zugestimmt, der Senat hat sih aber, „W. T. B.“ zufolge, mit 17 gegen 5 Stimmen gegen die Streichung der Bestimmung erklärt und den Geseßentwurf Hierauf wurde

der Geseßentwurf von beiden Häusern in der ursprünglichen

tragen 81 4 Viillionen, geaen das Vorjahr weniger 835 Millionen.

Das Budget sieht einen Uebershuß von 45 000 Kronen voraus.

Großbritannien und Frland.

Die Abordnung, die sich nach S*. Petersburg b-geben wollte, um dem ehemaligen Präsidenten der Duma eine Adresse zu überreichen, hat gestern, „W.. T. B.“ zufolge, be- schlossen, das englisch - russishe Freundschaftskomitee in St. Petersburg zu ersuchen, von allen Kundgebungen ab- zusehen und die Adresse ohne besondere Förmlichkeit zu über- reichen.

Rußland.

Der Kongreß der Kadettenpartei ist, der „St. Peters- burger Telegraphenagentur“ zufolge, gestern geschlossen worden. Auf Grund der Meinungsverschiedenheiten, die während der Verhandlungen zu Tage traten, hatten sich drei Gruppen gebildet: eine Gruppe der Linken, aus 35 Mit- gliedern bestchend, die für die sofortige Durchführung des passiven Widerstandes eintrat; cine Gruppe des Zentrums, die mit 100 Mitgliedern die Mehrheit bildete und sowohl den passiven Widerstand als auch den Wiborger Aufruf als grundsäglih berechtigt anerkannte, die Durch- führung aber erst in einer fernen Zukunft für möglich hielt ; endlih eine Gruppe der Rechten, die den Wiborger Aufruf als cinen politishen Fehler bezeihnete und ihn auh nicht grundsäßlih anerkannte. Die Meinungsverschiedenheiten haben aber feinen Delegierten veranlaßt, aus der Kadetten- partei auszutreten.

Eine Versammlung der Marschälle und Deputterten des Moskauer Adels hat in einex Resolution einstimmig ihrem Unwillen darüber Aus- DrUd verlieben, D O an ben Guyana Der englishen Abordnung, die dem Verfasser des Wy-

borger Aufrufs eine Sympathiekundgebung überbringen sollte, auch Mitglieder des Moskauer Adels beteiligen wollten. Der beabsichtigte Empfang wäre eine politishe Demonstration gewesen, welche die alten Traditionen des Moskauer Adels verleßt und das Gefühl cines jeden beleidigt hätte, dem die Ehre des russischen Adels teuer sei. . :

Nach einer Depesche des „W. T. B.“ ist gestern in Lodz der Generalausstand ausgebrochen; die Fabriken, Läden und Schulen sind aéséblossen, die Zeitungen er- scheinen nicht.

Spanien.

BaA einer Erklärung des Marineministers soll der von seinem Departement in Anspruch genommene Kredit von 5 Millionen Pesetas ausschließlich zum Bau dreier Küsten- U und zum Ankauf eines Schulschiffes dienen. Leßterer soll, „W. T. B.“ zufolge, in Anbetracht seiner Dring-

lihkeit im Ausland vorgenommen werden.

Fassung angenommen, jedoch mit dem Vorbehalt, daß das Gesetz erst im August 1907 in Kraft treten soll.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Neue Aufgaben in der Bauordnungs- und Anstiedlungs|rage U-ter diesem Titel bat ver Deutshe Verein für Wohnungs- reform“ eine Swrift ersccecinen lassen (Verlag von Vandenhoeck u. Nuprecßt in Göttingen), in der eine Reihe von Fachl-uten, wie Privatdozent Dr. Ebeistadt (Berlin), MNegiecungétrat Engelhardt

: (Posen), Landebwohnungsinspektor Greßschel ( Varmstadt), Kieishaupt-

mann Dc. NRumpett (Dresden), NRegiezrungt baumeister (Tarnowitz), Geheimer Baurat Stübben (Berlin-Srunewald) und Or. von Mangeldt, der SeneralseTretär des genannten Vereins, wertvolle (Srfahrungen, Ueberzeugungen und Vorschläge zur Bau- und Boden- politik niedergelegt haben.

Die Schrift sucht zunächst nah den Urfachen der beute bereits zu spürenden Uebkersiedlung ter Industrie aus dea Grceßsiädten auf das Land. Es find *tesonders die hohen Bodenpreise, die geringe Möglichkeit, fi auszudehnen, zu nennen. Das leßtere ist vielen Fabriken aänilid) verwehrt, da ihnen von allen Seiten die städtische Mietkaserne nahegerückt ift und außerdem ihrer räumlihen Ent- wicklung, soweit es sich um lärmende odec irzerdwie der Nachbar-

" schaft lästige Betriede hantelt, au vielfa behördlicze Bestimmungen

entgegenstehen. Dazu kommen die hohen Löhne der Großstadt und die meist geringeren des flach?en Landes, wetl, wentgstens in vrelen Gegenden, in den ländlihen Bezirken die Kosten der Lebenshaltung geringer sind. Gleichzeitig mit der Ershwerung der industri-llen Entwicklung in der Großstadt sind für siz die Verhältnisse auf dem Lande günstiger geroorden. Da iît naientlih die fort sch:eit-nde Ausdehnung und Verdihtung des Eiseabahnneßzes und des Pofst- wesens zu nennen, weiter Telephon und Zutomobil, die Auf\chliezung neuer Nobstofflager und die Ta1sache, , daß auch tie moderne Landwirtschaft immer mehr dazu übergeht, ihre Erzeuznisse auf dem Lande industriell selbst zu verarbeiten. Aucp der Einfluß der Wasserstraßen auf die Dezentralisation der Industrie is bedeutend, und er wird sch um so mehr steigern, je notwendigzer es wid, unter dem starken Mitbew-rb die billigflen Frachten voil auszunuyen und sich also dort onzußedeln, wo dies am bequemsten zu erreichen ift. Unter dem Einfluß dieser ganzen Entwicklung werden sih voraus- sihtlih in Zukunft zaktlreiche heute noch stille Dörfer und Kleinstädte zu industriellen Mittelpunkten entwickeln. Daher betrachten die Ver- fasser jener Schrift als etne der wichtigïten und loßhnendsten Aufgaben die Lösung des Prcblems einer im Zusammenhang mit dieser Ent-

wicklurg zu verfolgenten Bau- und Bodenpolitik, die nach Möglich- |

keit alle die Fehlec vermeidet, die bisher bei dec Ansiedlung großec gewerblich tätizer Voiksmengen gemacht worden seien. In den Zukunftsbezirken unserer Industrie sind die Bodenpreise

noch verhältnismäßig niedrig, ost noch 1ein landwirtschaftlite. Auch

sonst stellen diese Bezirke in Beziehung auf die für fie zu erwartende starke Entwicklung ein Neuland dar, auf dem nicht, wie in unseren Städten so vielfah, mit den Hindernissen der einmal vorhandenen Bebauung und den Wido-rständen mächtiger Interessengruppen zu kämpfen ist. In diesen Bezirken können daher die berehtigten An-

sprüche auf Gesundheit, Weiträumigkeit, Sa en Piat, An\{luß

an die Natur, es können wirtschaftliche, soziale, ästhetishe. Gesichts-

Spiller |

punkte in einem viel größerem Maße verwkkliht werden, als dies in vielen unserer heutigen Massenansieolungen möglich ift.

Der Deutiche Verein für Wohnungsreform befürwortet zur Ers- füllung dieser Aufgaben in seiner neuesten Veröffentlihung b:\onders folgende Maßnahmen: Reform der Bauordnungen und Bebauungs- pläne, rehtzeitigir ausgedehnter Erwerb von Grundbesiß durch Ge- meinden, Kreis und Staat, eine zielbewußte Bodenpolitik dieser Körperschaften überbaupt, Erweiterung und Ergänzung der geseßlichen Grundlagen für ffädtishe und gewerblihe Ansiedlungen, Schaffung von Verkehrêmitteln, struerlihe Maßregeln, eine stärker auf die wirts \(aftlihe und soziale Seite des |tädtischen und gewerblichen Ansied- lung8wesens gerihtete Hohschulausbildung der künftigen Beamten, Architekten usw. Als das Notwendigste wird jedoch eine gründliche Reform der Bauordnungen und Bebauungspläne verlangt. Durch diese Neform sollen in den Zukunftsbezirken unserer Industrie wie überhaupt in fünftigen Ansiedlungsstätten gtößerer Volkämassen die Bodenpreise von vornherein niedrig gehalten werden. Gleich- zeitig soll durch sie die richtige Grundlage für eine den berechtigten veueren Ansprüchen in gesundheitliher, wirtshaftlicher, sozialer und künstlerischer Bezichung entsprehende Ortsanlage gelegt werden. Es wird auch verlangt, daß diese leßte Forderung bereits erfüllt ist, ehe durch die Anlegung von Eitenbahnen, elektrishen Bahnen und ähnlichen Berkehrsmitteln eine Belebung der betreffenden Oertlichkeiten und eine Steigerung der Bodenpreise herbeigeführt wird.

Zur Arbeiterbewegung.

In Oberschôneweide bei Berlin sind, der „Voss. Ztg." zu- folge, hon wieder neue Streitigkeiten ausgebrohen. In den Deutschen Stahlwerken haben sämtlihe Former die Arbeit niedergelegt, angeblih weil der Direktor Lohnabzüge vorgenommen hat.

Die „Kölnishe Zeitung“ meldet aus Aachen: Die Leitung der Hütte Note Erde weist die sih zur Arbeit meldenden Aus- ständigen nicht mehr zurück. Gestern sind vierzehn Mann, zumeist Maschinisten, angenommen worden. (Val. Nr. 240 d. Bl.)

Der Ausstand der Holzarbeiter in Höchst a. M. dauert, der „Frkf. Ztg.“ zufolge, fort. Wie sie erfährt, sollen si in den leßten Tagen die Arbeiter um Vermittlung an den Landrat und an den Gewerbeinspektor gewendet haben. Die Arbeitgeber baben jedoch in ihrer leßten Versammlung beschlossen, nur dann zu Verhandlungen mit den Streikenden bereit zu sein, wenn die Lohnkommission selbst die vereintzten Möbelfabrikanten um Unterhandlungen ersucht. Von diesem Beschlusse wurde der Landrat in Kenntnis geseßt, nahdem er mit dem Gewerbein!pektor vor einigen Tagen bei dem Vorsißenden is s der Möbelfabrikanten eine Vermittlung anzubahnen versuchte.

Zum neuen Tarifabkommen im Buchdruckergewerbe eilt die „Frl, Zta mit daß der Tarif in vollbesu@ten Mitgliederversammlungen der vier größten Städte Bayerns, München, Augsburg, Nürnberg und Würzburg, ohne große Opposition angenommen wurde und daß sich auch in den kleineren Städten kein Widerspruch erhob. Dagegen erklärte, wie ,W. T. B.“ meldet, eine gestern abend in Karlsruhe abge- haltene, von 400 Buchdruckergehilfen besuhte Mitzliederversammlung des Bezirksvereins Karlsruhe des Verbandes der deutscen Bue- druckd¿er nah längerer Debaite den Buchdruckertarif einstimmig für unannehmbar. Es haben in den leßten Tagen auch an verschiedenen anderen Orten, besonders Norddeutschlands, Vers sammlungen von Buchdruckergehilfen stattgefunden, die ihre Zu- stimmung ¿u dem neuen Tarifabkommen versagt haben, und zwar namentlich de8halb, weil nicht eine 15 prozentige Lohne: höhung und etne Verkürzung der täglihen Arbeitszeit um eiue halbe Stunde erzielt worden ist. Hierzu bemerkt die „Lpz. Ztg.“, daß die Tarifs abmahungen im Buchdruckgewerbe, die zwishea den Vertretern der Prinzipale und dem Verbande der Eehilfen getroffen wurden, bereits endgültig notariell festgelegt sind, also für beide Teile, die Prinzipale wie die Gehilfen, bindenden Charafter haben. Der Ver- trag unterliegt also nicht mehr der Beschlußfassung der einzelnen Tarifkreise, und Gehilfen, die den Vertrag nicht anerkennen, werden dadur einfah stellealos, da nur noch tariftreue Gehilfen beschäftigt werden dürfen. Die gegenwärtige Opposition in Gehilfenkreisen wird aljo feine allzu große Bedeutung besigen und das Werk der Er- neuecung der Tacifgemeinschaft {chwerlich in Fiage stellen können.

In Mannheim haben die Speditionskutscher sih, laut „Volkéstimme*, mit den streikenden beziebuncsweise auëgesperrten Hafenarbeitern (vgl. Nr. 238 d. Bl.) solidari!ch erklärt und ver- pflichten sich, Güter von den in Betracht kommenden Firmen nit eher zu fahren, bis die Forderungen der Stückgutarbeiter bewilligt sind.

Zn Budapest erklärten, wie ,W. T. B." meldet, die Bäcker- gehilfen gestern nahmittag ben Ausstand; 2500 Gehilfen ftellten sofo1t die Arbeit ein. Die kleinen Bäckermeister beschlossen, bei den Großbäckereien zu arbeiten; ferner wird die Hilfe der Militärbäckereien in Anspruch genommen, sodaß die Bevölkerung vor Biotmangel ges{üut ift (vgl. Nr. 238 d. Bl.).

Vie VeröffentliGßung der neuen Arbeitscrdnung der Webereis- besiger von Verviers und die Aufhebung der Auésperrung hat bis jeßt keineclei Ergebnis gebaht. Alle Fabriken bleiben, wie die „Frif. Zta.“ berichtet, geschlossen, und namentli die kleineren Webereibesiter beginnen unter der jezigen Lage zu leiden, besonders da die Ardet!terlosi keit in die Savonbestellungen für Frühjahrétstoffe fällt und nah 14 Tagen die Bestellungen für die Sommecwaren be- ginnen. Von 150 Faör!ken gehören etwa 100 den kleineren Betrieben an. Der Gemeinderat von Berviers arbeitet inzwischen lebhaft mit Hilfe des städtischen Lrbeitsaus[husses am Versöhnungswerk. Sechs Bertreter der Arbeiter und seck#s Vertreter dec Prinzipale sind er-

nannt, die über die Beschwerden und Wünsche beider Pacteien beraten werden. (Val. Nr. 235 d. Bl)

Aus Tanger wird der „Köln. Ztg." berichtet, die bei den Hafenarbeiten beschäftigten italienishen und deutschen Arbeiter seien èîn den Auéstand getreten, weil ihnen die geforderte Krankheits- und Unfaüversicherung nit gewährt worden sei.

Erziehungs- und Unterrichtswesen.

Frauen in der Waisenpflkege.

. Auf dm großen Gebiete der Kinderfürsorge beansprucht die Waisenpflege b-)ondere Liebe und Umsicht. G.1t es doch den Waisen- findern vor allem die Mutter zu erseßen also Persönlichkeiten zu finden, die auch für fremde Kinder ein warmes Herz, ein offenes Auge und eîne lieb:volle, ab r doch feste Hand haven. Für die christlie Mildtätigfeit ist die Waisenpflege von jeher ein gern beadckertes Feld gewesen. Man glaubte jedoch, die Aufsicht über die Waisenkinder und ih:e Pfleger b:}er in einer Anstalt als in der Familienpflege führen zu kônnen. Das von Auzust Hermann Francke 1695 îin Halle bezründete Waisenhaus galt mit Keht bis auf den heutigen Tag als eine Musterswöpfung für die gesch'ossene Waisenpflege; und obgleich noch heutzutage neue Schöpfungen dieser Art, ¿. B. die NReichs- waisenhäuser der „Reichsfechtschule“, Ansehen genießen und die Opsferwilligkeit wobitättg gesinntcr Menschen wachhalten, ist doch in neuerer Zeit, namentli seitens der staatlidzen und fommunalen Waisenpflege, mehr die Fanmilienerziehung îin den Vordergrund getreten. Für die Familienpflege spriht der große Hauptgrund, daß die Familie nun einmal der natürlihe Boden für die Erziehung ist und bleibt. Von der Familie aus macht sih cie Menge guter Eins flüsse geltend, die keine Nachahmung in Anstalten erseßen kann. Die nruen Fürsorgegesetze, insbesondere rte Bestimmungen des Bürgerlichen Geseybuhs, rach denen die Woaitsenpfl-ge „,Waisenräten“ übertragen ist, haben daher auf die Familtenpflege besonders Nücksiht genommen. Auch die meiste: deutshen Armenvertwvaltungen sprechen si aus sittlichen wie aus prafitihen Rücksichten für die Familienpflege (Außenpflege) aus. Wenn nun, wte {hon angedeutet, die Ermittlung g-eigneter Pflege- mütter ein Hauptpunkt der Waisenfürsorge ist, so muß es, ohne daß

| damit den männlihen „Waisenräten" in ihrer ebenso mannigfaltigen | wie verantwortungsvollen Aufgabe zu nahe getreten werden foll, in

Î Züchtigung mit dem

Verwunderung seßen, daß bisher im Waisenauf\ichts wesen die Mit- wirkung von Frauen nur weniz in Betracht gezogen worden ist.

Seit einigen Jahren haben vun cinige deutsche Staaten auh rauen als beaufsihtigende Waisenpflegerinnen herangezogen. Das Crgebnis dieser Maßnahme wird für Preußen iu einer Verfügung des Ministeriums des Innern (BMinisterialblatt für die innere Ver- waltu1g, 1906, S. 204) zum Ausdruck gebraht. Es heißt hier zum Schluß: „Die mit der Bestellung von Frauen zu Waisenpflege- rinnen gemachten Erfahrungen sind fo erfreulih, daß der gegen diese Maßnahme wobl mehr aus Vorurteil als aus sachlichen Gründen gerihtete Widerstand überwunden werden muß. Der hohe Wert des Waisenpflegerinnenamts wird in den Berichten sowohl der Justiz-, wie der Verwaltungsbehörden fast aller Provinzen bezeugt. Unter dem zutreffenden Hinweis darauf, daß Frauen es besser als Männer verstehen, die zur Pflege junger Kinder geeigneten Familien auszuwählen und Lebenshaltung und Erziehung der Kinder zu beauf- sichtigen, wird namentlih von einem der Herren Oberpräsidenten über die erfreuliGßen Wirkungen berihtet, die sih aus der ausgedehnten Anwendung dieses Instituts ergeben haben. In größeren Städten der betreffenden Provinz i jedem Stadtbezirk eine Maisenpflegerin zugeteilt, in kleineren Gemeinden unterziehen \ich Ehefrauen der Waisenräte der gleihen Aufgabe; derartige Maß- nahmen werden sich zu allgemeiner Verbreitung eignen. In Aner- fennung der Bewährung der Frauen als Waisenpflegerinnen hat der Herr Justizminister den Vormundschaftsrichtern empfohlen, Frauen häufizer als Vormünder zu bestellen“ In der Geschichte der Frauenbetätigung im. öffentlihen Leben wird die vorstehende Aner- kennung als ein wohlberdtenter Markstein ¿u betrachten sein.

Kunft und Wissenschaft.

Ueber die Militärstrafen der Nömer bringen die „Neuen Jahrbücher für Heer und Marine“ in ihrem Septemberheft eine ein- gehende Darstellung von A. Müller, der das Nachstehende entnommen isstt: Die Strafrehtspflege im rôömishen Heere war außerordentlih hart und grausam. Der Soldat war der Willkür der Vorgeseßten völlig preisgegeben, da es fein Militärstrafgeseßbuh, auch nicht ein eigentlihes Prozeßverfahren, sondern höchstens ein Er- mittlungsverfahren gab. Der Feldherr hatte die richterliche Gewalt ohne Beschränkung; nur eine Zeitlang war ihm das Recht genommen, über 1ömishe Bürger die Todesstrafe zu verhängen. Auf Undesverrat stand der Tod, auf Fahnenflucht je nah der Schwere des ales Tod, Abhauen der rechten Hand, Durhschneiden der Knie- euge, Rangverlust und Strafvershickung. Schuldhaftes Verlassen des Postens zog ebenfalls Todesstrafe nach sch. Der Ueberläufer wurde gekreuzigt oder den wilden Tieren vorgeworfen. Feigheit wurde auf vershtedene Weise bestraft, unter anderem auch dur eine Art Spießrutenlaufen Wer ohne seine Schuld in Kriegs- gefangenschaft geriet, blieb \traflos, andernfalls wurde er als Ueber- läufer angesehen. Fälle von Selbstverstümmlung dur Abhauen des Daumens, die in späterer Zeit so häufig vorkamen, daß es in manchen Gegenden an tauglihen Rekruten mangelte, wurden mit den strengsten Leibes\strafen gebüßt; wenn der Vater die Schuld an der Ver- stümmlung seines Sohnes trug, fo verlor er Freiheit und Vermögen oder wurde vershickt. Auf Selbstmordversuch \tand Todesstrafe; in Fällen, die eine mildere Beurteilung zuließen, erfolgte Ver- seßung in einen anderen Truppenteil von gering-rem Ansehen oder shimpflihe Ausstoßung aus dem Heere. Widcrsetzlichkeit zog den Tod nah sih, Meutere: wurde in verschiedener Weije (durch Tod, Dezt- mierung usw.) geahndet. Hart wurden auch die Vergehen der Soldaten gegen die Person und das Eigentum ihrer Kameraden, mohten fie im Lager oder außerhalb geschehen sein, ge- straft; {hon geringfüzige Diebstähle kosteten das Leben. Von Strafen für Mißhandlungen der Soldaten durch ihre Vor- eseßten hôren witc nihts. Beschäftigung der Soldaten im rivatdienst der Dífiziere war streng verpönt: ein Legationslegat, der einige Gemeine mit seinen Freigelassenen auf die Jagd gechickt hatte, wurde auf Befehl des Kaisers Tiberius aus dem Heere ausgestoßen. Geschenke von den Soldaten für Bewilligung von Urlaub anzunehmen, war den Tribunen in der früheren Kaiserzeit L untersagt; in miflihen Zeiten war oft nicht einmal die Beurlaubung gestattet. Wer bei Lerübung von UnzuŸt oder bei Schwelgerei ertappt wurde, hatte shimpflihe Entlassung zu erwarten. Ungeziemendes Betragen in den Quartieren war gleihfalls straibar; \{chwelgerisches Treiben während des Urlaubs hatte Haft, unter Umständen auch Kusstoßung aus dem Heere zur Folge. Nicht minder harte Strafen waren auf ehrenrührige D (falshes Zeugnis, lügenhafte “An- gaben über bewiesene Tapferkeit, um eine Auszeichnung zu

} erlangen, mangelhafte Ebrerbietung gegen die Eltern) geseßt. Außer

den bereits genannten Strafarten gab cs noch manwherlei andere : l Stock, Vermögen sbußen, Ershwerung des Vienstes, Untersuhung#- und Vollstceckungshaft usw. Aber auch die größte Härte und Grausamkeit der Militärrehtspflege vermochte den fortshreitenden Verfall d r Manneszuht nicht aufzuhalten, und die \pâtece Sitten- und Zuchtlosigkeit im römischen Heere, sowohl bei Soldaten wie bei Offizieren, trug wesentli mit zum Untergange des

Reichs bei.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs maßregeln. Der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger

Getränke hielt in den ersten Tagen d. M. in Karlsruhe seine 23. Jahresversammlung ab. Unter den Vorträgen, die bet dieser

: Gelegenheit gehalten wurden, seien diejenigen des Baurats Dr. Fuchs-

Karlöruhe und des Dr. med. Stehr- Wiesbaden über Alkohol und olksernährung hervorgehoben... Die Redner führten u. a. aus,

5 daß ein Sechstel der lohnarbeiteaden Bevölkerung an Unterernährung

leide, woran der gewohnheitsmäßige Alkoholgenuß weser tlih mit {huld set. Der Aikohol könne ¡war eiweißsparend wirken, aber in praxi als Volks-

Ÿ nahrungsmittel niht empfohlen werden. Wenn au die Stoffwechsel- Y Untersuchungen noch keine genügende Klärung der Verhästnisse gebracht

hâtten, so hätten andererseits die Erperimeate über die \{ädlihe Ein-

i wirkung des Alfohols besonders auf das Nervensystem zu genügend ge-

herten Ergebnissen geführt. Ein „Nährmittel“, das gewohnheitsmäßig

} genossen {hon in kleinen Mengen gesundbeits{hädlich wirkt, könne

Jedenfalls nit als zum davernten Genuß passend bezjcihnet werden. Vesonders klar aber lic ge die wirtshaftlihe Schädigung durch den Alkohol-

j mißbrauh zutage: niht nur der direkte finanzielle Verlust, sondern

au die indirekte Einbuße durch Herabsezung der Leislungsfähigkeit.

M In den Arbetterhaushaltungen erweise sih die Unwictschaftlichkeit des

Nl viel zu hohen Alkoholverbrauhs als besonders verhängnisvoll. on dem noch wasenden Organismus sei der Alkohol unter allen T Uebrigens habe der Alkohol nit als gg jdre , sondern als „Genußmittel* seinen Siegeszug durch die E gehalten. Urlufst.efühle, ungenügende und wenig s{chmäck- Ge Nahrung vermöze er am besten erträglih zu machen. q ohalb gerade werce ein unverhältnis8mäß‘g ftarker Lohnteil vi seine Beschaffung verwendet. Mit \leigenden Löhnen i ¿ge auh der Alkoholgenuß, namentlich der Biergenuß zu eigen; geringer sei die Zahl der Fälle, in denen Lohnverminderung den pwohnheitstrunk verstärke. Die besißenden und gebildeten Kreise be dies Genußmittel am wenigsten. Aufklärungsarbcit, (Ufo an das Verantwortungsgefühlt, Unterriht der Jugend erbi

Umständen fernzuhalten.

holverbot), Errichtung . von Haushaltungs- und Koghshulen, [f ligung der Volksnahrungsmittel und höhere Besteuerung des e os seien geeignete Hilfsmittel zur Minderung des Trunkes ä Vebung der Volksernährurg. Ueber das Thema Alkohol

| ‘Dura O lonien sprah der Kaufmann J. K. Victor- Bremen.

Ï Ÿ unsere Forshungsreisen führte der Redner etwa aus anber viele Eingeborene erst thr Land kennen gelernt; der Innen- wuds wurde allmählih zu einem europäischen Handel. Mit ihm diet der Spirituosenhandel, dessen Gefahren man auch heute noch n a untershägt. Die geistig und körperlich prächtigen Eingeborenen sind

nem großen Teil am Trunke zu Grunde gegangen. Togo hatte den

kräftigstcn Volksstamm Afrikas er ist für uns fast verloren. Ses und Dienstyercihtungen, Vertragéabslüsse, ja Urteilsvollstreckungen werden durch Schnaps beglihen. Viele Häuptlinge sind Trinker und genießen keine Achtung mehr. Verständige Eingeborene halten die Branntweinseuche für verhängnisvoller als die Sklaverei. Jn Kamerun bestanden im leßten Jahre 8, in Togo 18 9/9 der Einfuhrartikel aus Alkoholika. Der Eingeborene muß wieder in den Mittelpunkt der Kolonial politik treten, erzogen, angelernt und vor dem Alkoholgenuß geschüßt werden. Die Mission handelt richtig, wenn sie Schnaps- handel und Schnapstrunk den Christen verbietet. Die Aufhebung der Einfuhrzölle bis zur Brüsseler Konferenz war von größtem Schaden. Noch jeßt beträgt der Zoll nur 60 Cent für den Liter in unseren Kolonien." Die Regierung sollte, führte der Redner weiter aus, {hon vom wirtschaftlihen Standpunkt us den Spirituosenzoll hoh hinauf seßen. Die Tozo-Kaufleute seien dafür neuerdings eingetreten, auch die Bremer Handelskammer, ebenso für Tariferhöhung für Schnap3 auf der Eisenbahn in Togo. Der Redner habe im Gegensaß zu anderen gute Handelsgeshäfte auch ohne Branntweinumsayß in Afrika gemah.: Leßterer sei also keine Notwendigkeit für den Kaufmann. Unermüdliche Aufklärungsarbeit müsse au hier helfen. Aber an erster Stelle sei die Reichöreaieruià wiederum auf die vorliegenden Vie und die Notwendigkeit threr Bekämpfung nahdrücklih hin- zuweisen.

Die Versammlung nahm folgende Resolution an: „Wir halten es für unbedingt erforderlih, 1) daß das Minimum des Ein- fohrzolls für Spirituosen in sämtlihen afrikanischen Kolonien in der Zone, in der nit das absolute Einfuhrverbot besteht, auf welches Artikel 91 der Generalakte von Brüssel hinweist, ausnahmslos 100 F. für den Hektoliter zu 334% mit einer Steigerung von 4 4 für jeden weiteren Alkoholgrad betrage, daß ferner für die nächste Konferenz ein S nbe las von 209 Fr. in Ausficht ge- nommen werde; 2) daß die Einführung von Spirituosen in die Gebiete im Innern, wo das Einfuhrverbot besteht, durch wirksame, strenge Maßnahmen verhindert werde. Die bevorstehende Herstellung von Verkehrswegen und Eisenbahnen in diesen Ländern stellt eine dringende Gefahr dahin dar, daß auch diese bisher ver|chonten Länder angesteckt werden. Um diese Gefahr abzuwenden, müssen die Bahnen ehalten werden, die Spirituosen zur selben Frahtrate zu efôrdern, wie der Trägerlohn jeßt kostet; 3) daß die Stationen oder Gemeindevorstände ermächtigt werden, ducch ein Gemeindestatut den Kleinhandel mit Spirituosen innerhalb ihrer Gebiete auszuschließen ; 4) E in den afrikanishen Kolonien die fernere Erteilung der Lizenzen zum Ausschank von Spirituosen nicht nur an eine Lizenzgebühr gebunden werde, sondern daß solche Lizenzen nur nah einer Prüfung der Bedürfnisfrage und nach dem Vorhandensein von Garantien gegen offenbare Mißbräuche erteilt werden; 5) daß die Ver- abreihung von Spirituosen an junge Leute beiderlei Geshlehts bis zu einem Alter von 18 (oder doch wenigstens von 16) Jahren verboten und mi! Strafe belegt werde.“

Aus dem in der Verwaltungsaus\{hufisizung erstatteten Ge\chäft s3- beriht ist zu entnehmen, daß der Verein feit der leßten Iahres- versammlung 12 neue Bezirksvereine in den verschiedensten Teilen des Reiches und eine Frauengruppe gewonnen hat. Er zählt zur Zeit 106 solcher Drtsgruppen mit mindestens 50 Mitgliedern; 25 weitere find im Entstehen. Die Mitgliederzahl hat scit dem Vorjahr um nahezu 2000 zugenommen; siz beträgt z. Z. rund 22000. Der Um- saß des Mäßigkeitêverlags des Vereins hat sich gewaltig gesteigert. Hervorzuheben is besonders die auf Anordnung des Staats. sekretäârs des Neichsmarineamts und des preußisdßen, \äcchs;schen und württembergischen Kriegsministeriums erfolgende Verteilung der Broschüre „Alkohol und Wehrkraft" an die Rekruten der Marine und des Landheeres im leßten Herbit und Frühjahr gelangten hiervon 330 000 Exemplare zur Verbreitung —, sowie die Verbreitung der verschiedenen Quenselshen Belehrungskarten (für Mütter, tür Arkeiter, für die \{ulentlassene Jugend u. \. f.), von denen seit 23 Iahrên über 24 Millionen aégelen wurden (von der „Mütter- karte“ allein 1 800 000 Stück). Der Verlag ist für die verschiedensten Bedürfnisse, für Soldaten und Offiziere, für das Eisenbahnwesen, für Industrielle und Arbeiter, für Kirhe und Schule, Magistrate und Polizeiverwaltungen, Versicherungsanstalten und Berufsgenossen- schaften u. |. f. mit geeigneten Schriften und Plafkaten ausgestattet.

j Die nächste Jahresversammlung soll in Königsberg oder Posen agen.

Türkei.

Der internationale Gesundheitsrat hat für die nach dem Mittelmeer bestimmten Herkünfte von Suez eine 48stündige Beobachtung nebst Desinfektion und die An- wendung des Reglements über die Vernichtung der Ratten und Mäuse auf Sciffen verfügt. Alle diese Maßnahmen haben in einem Lazarett der Türkei zu erfolgen. Die für Herkünfte von

Trapezunt angeordnete ärztlihe Untersuhung in Zw I wieder aufgehoben. (Vergl. „R.-Anz." vom 29. v. M., T ;

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Der gestrige zweite Gastspielabend Enrico Carusos halte troß der hohen Eintrittspreise ein überaus zablreihes Publikum in das Königliche Opernhaus gelockt. Man durfte in der Tat gespannt sein, wie der Sänger, den man hier bisher nur als Vertreter des bel canto fennen lernte, fich mit der dramatishen Rolle des Don Joss in Bizets „Carmen“ abfinden würde. Als Ergebnis darf unumwunden ausgesprohen werden: überrashend gut. &r vermied jedes virtuosenhafte Vordrängen seiner Person sowohl im Gesang, wie in der Darstellung, und gab sich nah einiger Zurückbaltung, die er sih in den erften beiden Akten auferlegte, ganz seiner Aufgabe hin. Er hat damit den Beweis erbraht, ven er bisher \Guldig geblieben war, daß er ih nicht damit begnügt, der \{chön kostümierte, {chön singende Tenor zu sein, fondern daß echtes Künstlerblut in seinen Adern fließt ; es sei ihm zudem hoh angerechnet, daß er nah dem brausenden Beifall, der nah der Romanze des zweiten Akts einseßte, nit sein Spiel unterbrah, um zu danken oder dem ungestümen Verlangen nah einer Wiederholung naGzugeben. Diese Nomanze, so \{ön se au von ihm gesungen wurde, bildete auch nit den Höhepunkt seiner Leistung, die erst mit dem Einsezen der Peripetie im Schicksal Don Josés au darstellerisch zu einer tragishen Größe emporwuchs, die man dem Gast ehrlih gesagt nach den bisherigen Proben seiner Kunst nicht zugetraut hätte. Und dazu blieb, bei aller Charakieristik des Ausdruck3, der Ton ohne Ueberanstrengung stets rund und s{öôn, niraends ein Verfallen in klanglofen Sprechgesang, nirgends ein Uebernehmen oder Schreien in den Augenblicken der Leidenschaft. So war denn am Stluß der Beifall gerechtfertigt, der ihn immer wieder vor die Rampe rief. Der Gast sang die Rolle im französishen Urtext, und Fräulein Destinn, die die Carmen geben sollte, hatte sch erboten, es ihm gleih- zutun. Leider hatte sie einer plöylich eingetretenen Unpäßlichkeit wegen absagen müssen. Fräulein Rothauser, die in leßter Stunde für sie eingesprungen war, sang zwar niht französisch, stellte aber eine temperamentvolle und s{auspielerisch recht glaubhafte, Carmen auf die Bühne. Ueberhaupt nahm die Aufführung unter der Leitung des Kapellmeisters Leo Blech einen hochbefriedigenden Ver- lauf. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin wohnten der Vorstellung von Anfang bis zu Ende bei und beteiligten Sich lebhaft an dem Herrn Caruso und den einheimishen Künstlern gespendeten Beifall.

Schillertheater O. (Wallnertheater.)

Die gestrige erste Aufführung des Dramas „Der Herrgotts- warter* von Heinrich Lilienfein im Schillertheater fand un- beanstandeten, aber aud niht gerade kräftigen Beifall. Alles in dieser Dorftragödie ist innerlich und äußerlich dunkel. Die \{chreckentvolle Handlung spielt si in einer {chwäbischen Bauernstube bei Abendlicht

und Mondschein ab; dunkel bleiben auH die Einblicke in die Seelen der Menschen, deren Geschicke der Verfasser verkettet; Untreue, Totshlag und Mord in Vergangenheit und Gegenwart {lingen ihre chwarzen Fäten ineinander. Der alte Niklatbauer, der „Gotteswarter“, der die Unchre seines Hauses einst tätlich rächte, wartet nah der Heimkehr aus dem Gefängnis geduldig, daß Gottes Gericht ihm klare Beweise von der Schuld seiner Frau liefere. Um dies Ziel zu erreichen, muß sich das Schicksal der Mutter in dem der Tochter wiederholen; nur sühnt die Tochter ihre Schuld mit eigener Hand. Der Zuschauer hat leider, nah der ganzen Anlage des Stückes, durchaus keinen stärkeren Beweis von der Sünde der Mutter gewonnen, als schon zu Anfang gegeben war; es bleibt eigentlih alles beim alten. Der Vers fasser hat vergeblich Greuel auf Greuel gehäuft und eine fkrafse Szene an die andere gerciht, um den Srundgedanken seine2 Stückes klar zu legen; dieser bricht nur einmal durch in einer Nede des „Gotteswarters“ : die Welt müsse aus den Fugen gehen, wenn Gottes Geriht nicht die Sünden aufdecke. Des Dichters dramatische Fähigkeiten haben sich als zu s{chwach erwiesen, um seiner Idee Bühnengestalt zu geben; die Handlung sept \hon unsicher und s{wankend ein und verwirrt \sich zusehents tin ihrem ferneren Verlaufe. Den dicterischen Gestalten fehlt außerdem jeglide Natürs lihfeit und Wahrscheinlichkeit, sodaß das Interesse, das anfangs dem Werk entgegengebracht wurde, nach und nah vollständig \{chwand. Deshalb konnte die Verwendung der {wäbischen Mundart, die auf der Bühne und im Publikum auf gleihe Schwierigkeiten stieß, nicht mehr die Wirkung des Dramas |chädigen. Die Darstellung gab sich redlihe Mühe, aus den vunglaubwürdigen Figuren Menschen zu bilden. Herr Pategg hatte seine Rolle als „Gottes- warter* gut angelegt, und Herr RNolan fand in der Partie des Knechts Peter warmherzige und schlichte Töne. Der entarteten Frau des „Gottes8warters* versuchte Fräulein Alsen vergeblih, mens{lihe Regungen abzugewinnen. Fräulein Rabitow bestrebte sich eifcig, der sündhaften Leidenschaftlihkeit Christinens entsprehenden Ausdruck zu geben; alle übrigen Mitwirkenden spielten, so gut sie es in ihren un- glüdlihen Rollen konnten. Der nah jedem Aufzuge einseßende Bei- L Nici den Verfasser, mit den Darstellern auf der Bühne zu erscheinen.

Im Königlichen Opernhause singt Herr Caruso morgen, Sonnabend, als dritte und leßte Gastrolle den Nadames in G. Vertis Dper „Aïda“, deren übrige Hauptrollen durch die Damen Destinn (Aïda), Goeße (Amneris) sowie die Herren Hoffmann (Amonasro), Krafa und Mödlinger besetzt sind. Die musikalische Leitung des Werks liegt in den Händen des Kapellmeisters Blech.

Im Königlihen Schausptelhause wird morgen zum ersten Male das Lustspiel von Jon Lehmann: „Das Lied vom braven Mann“, in folgender Besetzung aufgeführt: Höfen, Verleger: Herr Patry; Dr. Karl Lichtner, Kritiker: Herr Matkowsky; Müffelmann, Nachtredakteur :

err Vollmer; Maximilian Pit-Larßen, Reporter : Herr Valentin ; Evi Sternau, Schriftstellerin: Fräulein von Mayburg; Gertraud Brauneck, Schauspielerin: Fräulein Arnstädt ; Heinz Heller, Schauspieler : Herr Boettcher; Frau Müller: Frau Schramm; Lenhen, ihre Toter: Fräulein Hoff; Cläre Düfong, Gesellschafterin Ge:truds: Frau Buye; August, Redaktionsdiener: Herr Eichholz; der Faktor: Herr Winter. Die Regie führt Herr Patry.

In der Melanchthonkirche (am Urban) veranstaltet der Organist Walter Fischer morgen, Sonnabend, Abends 8 Uhr, ein Konzert, bei dem die Kammersängerin Luise Geller-Wolter (Alt) und der Kirhenchor (Dirigent W. Fischer) mitwirken. Karten zu 1 Æ (Altarraum) und zu 50 - (Kirhen\chifff) find bei dem Küster Wedekind (Müllenhoffstraße 13), in der Musikalienhandlung von W. Sulzbach (Taubenstraße 15) und Abends am Eingang des Sottes- hauses zu haben. Der Reinericag dient kirchlichen Gemeindezwecken,

Der Allerhöchsten Anregung und Unterstüßung Seiner Majestät des Kaisers ist es, wie die „Nordd. Allg. Ztg.“ mitteilt, zu danken, wenn binnen kurzem eine neue Ausgabe der Kompositionen des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen erscheinen wird. Die hundertste Wiederkehr des Tages, an dem der Prinz bei Saalfeld fiel, ruft die Erinnerung wie an den Helden, so an den großen und eigenartigen Künstler wah. Nicht vielen ist es heutzutage bewußt, daß der Prinz einer ter glänzendsten Vertreter musikalisGen Talents im Hohenzollernhause war und was Meister wie Beethoven, Dusseckd, Spohr unumwunden anertannt haben als Komponist etne unmittelbare und bobe Be- deutung für die Musik besißt. Seine durhweg der Instrumentalmusik und zumeist der Kamm-rmusik gewidmeten Kompositionen, zwölf an der Zahl, atmen eine außerordentlih reie Individualität, in der fi ein aroß angelegter, ebenso kühn wie fein empfindender und gestaltender Dichtergeist voll Ursprünglichkeit und Unmittelbarkeit auéspriht. In der edlen Männlichkeit seines Adagics steht er Beethoven so nahe wie kein zweiter Musiker seiner Zeit. Den Höhepunkt seines Schaffens bildet wohl das Klavierquintett, das gestern als am Todes- tage des Prinzen im Konzertsaale des Königlichen Schauspielhauses gespielt wurde und als erstes Konzert der Kammermusikvereinigung der Königlichen Kapelle am 17. d. M. in der Singakademie zu Gehör gebraht werden wird. Daher wird die Veröffentlihung bder Gesamt- ausgabe nicht nur als ein Akt der Pietät und des Patriotismus erscheinen, sondern auch wegen ihres künstlerishen Wertes von dem musikalischen Teile unserer Beyölkerung mit warmer Freude begrüßt werden.

(Der Konzertbericht befindet sich in der Ersten Beilage.)

Mannigfaltiges. Berlin, den 12. Oktober 1906.

Die Stadtverordneten nahmen in ihrer gestrigen Sitzung den Bericht über die Magistratsvorlage entgegen, betreffend den Erwerb einec zur bebauungsplanmäßigen Anlegung des Nordufers erforderlichen Fläche. Die Vorlage wurde angenommen. Das Zentralkomitee der deutshen Vereine vom Roten Kreuz hat den Magistrat gebeten, feine fernere Hilfstätigkeit zu Gunsten der \üdwest- afrikanisch?en Erpeditionstruppen durch eine Zuwendung zu fördern. Der Magistrat beantragte, zu diesem Zweck 1090 4 zu beroilligen. Dec Antrag wurde ebenfalls angenommen. Von den Stadtvvy. Deutsch u. Gen. wurde ferner beantragt: Den Magistrat zu ersuchen, der Einsetzung einer besonderen Verwaltungsdeputation für die Hafen- und Speicher- angelegenheiten zuzuslimmen. Nach längerer Dekatte, an der sch auch der Oberbürgermeister Kirschner beteiligte, zoz der Stadtv. Deutsch seinen Antrag zurück. Es folgte nunmehr die Beratung über einen An- trag der Stadtvv. Arons u. Gen., betreffend Erhöhung der Löhne der städtishen Arbeiter und Bewilligung einer Teuerungszulage an diejenigen \tädtischen Arbeiter, die niht mehr als 2000 A Einkommen haben. In namentlicher Abstimmung wurde nah langer Debatte der Sag angenommen. Auf die öffenilihe folgte eine geheime

igung.

Der Staatsminister, Staatssekretär des Fnnern Dr. Graf von Posadowsky-Wehner hat seine Anwesenheit zu der Ein- weihung eines großen Genossenschaftsbaues zugesagt, den der Vaterländishe Bauverein in Pankow (Wollank- straße 75/80) nahe der Berliner Weichbildgrenze aufgeführt hat. Die zweckmäßigen Wohnungen enthalten ein, zwei und drei Zimmer, dazu Küche, Speisekammer, Bodenraum und Kellerraum, zum Teil auch Badestube und Mädchenkammer. Der Neubau, der 105 ab- ges{lossene Einzelwohnungen umfaßt, hat den Namen . Posadowsky- d erhalten. Bedingungen zum Beitritt versendet die Geschäfts- Slitse 18) Vaterländishen Bauvereins (Berlin N. 31, Streliger

raße 43).