Der Abg. von Köller bemerkte: Auf feine Distinktionen zwischen Lüge und Uzuwahrheit wolle er sich nit einlassen. Er könne einen Unterschied zwischen beiden Begriffen nicht zu- geben. Er bestreite dem Wähler niht das Recht zu Wahl- protesten, aber er bestreite, daß derselbe irgend ein Recht darauf habe, Lügen niederzuschreiben und an den Reichstag zu s{hicken. Er (Redner) wolle von Lügen nichts wissen, und wenn er ihnen entgegenirete, so thue er nur seine Pflicht und Schuldigkeit. :
Der Abg. von Heereman meinte, daß die Thätigkeit in der Wahlprüfungskommission eine gewisse Reizbarkeit gegen die Wahlproteste begreiflih erscheinen lasse; aber die Be- merkungen des Abg. von Köller seien doch nicht ganz zutreffend gewefen. Der Ab... von Köller habe auch ganz verge}jen, daß solche Wahlproteste auf allen Seiten vorkämen. Er erinnere die Herren an die Wahlproteste, die bezüglih der Berliner Wahlen eingegangen seien, und zwar von einer Partéi, die dem Abg. von Köller und seinen Freunden sehr nahe stände. Was diese Proteste enthalten hätten, sei noch viel {Glimmer gewesen als die vorliegenden Behauptungen.
Die Debatte wurde geschlossen.
Der Referent Abg. Spahn wies die Behauptung des Abg. von Köller als unbegründet zurück, daß auf die Beschlüsse der Wahlprüfungskommission Parteikoalitionen von Einfluß gewesen. Wenn der Abg. von Köller so viel Beschwerden gegen diese Kommission habe, so begreise er (Nedner) nit, weshalb derselbe aus derselben nicht schon längst ausgetreten sei.
Persönlih erwiderte der Abg. von Köller, daß es ihm fein Vergnügen mache, in der Wahlprüfungskommission zu siven. Wenn er troßdem ausharre, so geschehe das, damit wenigstens Einer von seinen Freunden danach sehe, daß nicht in derselben alles Recht mit Füßen getreten werde.
Der Vize-Präsident von Franckenstein rief den Abgeord- neten wegen dieser Bemerkung zur Ordnung.
s Die Wahl des Abg. von Wurmb wurde für gültig erflärt.
Die Wahl des Abg. von Puttkamer (Plauth) im Wahl- kreise Elbing-Marienburg beantragte die Wahlprüfungskom- mission zu beanstanden und über die behaupteten Wahlbeein- flussungen Beweis zu erheben.
Der Abg. Rickert bemerkte: Es handele sich in diesem Falle um eine offizielle Regierungskandidatur, wie man sie bisher in Deutschland nicht gekannt habe. Als in einer öffentlichen Wahlversammlung der Landrath von Elbing, Dr. Dippe, ge- [regi worden sei, wer ihm denn den Auftrag ertheilt habe, ih in die Wahlagitation zu mischen, habe derselbe dem FJnter- pellanten zugerufen: „Sr. Majestät Allerhöchster Erlaß vom Januar 1882“, Damit habe man einen amtlihen Beweis dafür, daß der Landrath mit seiner ganzen amtlichen Autorität sich in das politishe Wahlgeschäfst direkt einzumischen sih verpflichtet geglaubt habe; so kraß sei die Thatsache der amtlichen, gesezwidrigen Wahlbeeinflussung noch nie erwiesen worden. Jm Abgeordnetenhause habe der Minister von Puttkamer bis jeßt noch keine Antwort ertheilt, so oft er au auf diesen Fall hingewiesen worden sei; ob der Land- rath refktifizirt worden sei, wisse man nicht. Vielleicht habe der Umstand, daß der Gewählte ein sehr naher Angehöriger, ein Bruder des Ministers des Jnnern sei, eine Antwort verhindert. Juteressant sei die Sache dadurch, daß der Landrath es fich zur Aufgabe gemacht habe, einen konservativen Gegen- kfandidaten zu beseitigen. Der Landrath sei offiziell für Hrn. von Puttkamer eingetreten, habe ihn offiziell in die Wähler- versammlungen begleitet, ihn empfohlen und die ganze nun beginnende großartige Agitation geleitet, wie sie die „Alt- prevßische Zeitung“, ein streng konservatives Organ, aus- führlih schildere. (Redner zitirte die betreffenden Ausführungen des genannten Blattes.) Er sei der Meinung, daß die Wahl unbedingt zu fkassiren sei, wenn auch nur ein Theil der Protestbehauptungen sich bewahrheite.
Der Abg. von Köller erklärte, seine Partei sei gerade entgegengeseßter Hoffnung und erwarte die spätere Gültigkeits- erklärung der Wahl, weil sich die Thatsachen wieder einmal anders verhielten als die Protestbehauptungen. Das Vor- handensein einer offiziellen Regierungskandidatur sei durch nichts erwiesen. Die von dem Abg. Rickert und der von ihm citirten Zeitung gegebene Darstellung der Ver- hältnisse sei ungemein stark übertrieben. Nicht in einer dfffentlihen Wählerversammlung, sondern in einer Ver- sammlung des konservativen Vereins seien jene Worte des Landraths Dr. Dippe gefallen. Der Hr. Wernich sei nicht als Kandidat aufgestellt gewesen, sondern er habe sich selbst in Aussicht genommen gehabt. Die Aeußerung des Landraths habe er (Nedner) nicht gethan. Er halte sie für eine unvorsichtige. Hr. Dippe hätte si{ch nur auf sein Recht als Staatsbürger und als Wähler zu berufen brauhen. Wenn aber ein Land- rath einmal unvorsichhtig sei und von seiner Stellung einen niht ganz zeitgemäßen Gebrauh mache, dann hriten an diesen einzelnen Fall doch niht jo unbegründete, weittragende Konsequenzen geknüpft werden. Auch er (Redner) nehme für sich in Anspruch, jedem Ein- gese}ssenen seines Kreises seinen guten Rath, wenn jener ihn hören wolle, zu ertheilen, konservativ zu wählen, um ihn vor seinem Unglüd zu schüßen. Die Verwunderung des Abg. Rickert darüber, daß der Minister niht geantwortet habe, zeuge doch von einer Verkennung des parlamentarischen Wesens. Man könne im Abgeordnetenhause den Minister fragen, fo viel man wolle, aber man könne doh nicht verlangen, daß er auf jede Frage antworte. Die Kombination, daß der Minister den Landrath nicht rektifizire, weil es sich um seinen Bruder handele, sei wohl kaum sehr geshmackvoll. Wie könne man übrigens behaupten, daß die Darstellung der „Altyreußischen Zeitung“, die dem unterlegenen Kandidaten gehöre, objektiv und glaubwürdig sei? Sollte der Abg. Wernich vielleicht geneigt sein, jet der Partei des Abg. Rickert beizutreten ?
Der Abg. Rickert erklärte, er habe ïeineswegs die Mei- nung des Hauses präokkupiren wollen, habe auch den Bericht der „Altpreußischen Zeitung“ als besonders objektiv nicht be- zeichnet. Sehr schön sei es von dem Abg. von Köller nicht, seinen eigenen konservativen Partcigenossen Hrn. Wernih in ein so MOoO Licht zu stellen. Der Abg. von Köller werfe mit
usdrüdcken wie „Lügen“, „Frivolität“ und dergleichen so sehr um sich, daß er kaum noch seinerseits den Anspruch erheben könne, als objektiv zu gelten. Gegen die Behauptungen des Protestes habe derselbe Stichhalliges niht vorgebracht. Das Verhalten des Landraths Dr. Dippe sei nicht eine harmlose Unvorsichtigkeit, sondern eine Gesczwidrigkeit in \{roffster orm. Als bei Gelegenheit der Wahl in N im Jahre 878 ein Bürgermeister etwas nur entfernt Aehnliches gethän habe, habe der konservative Abg. von Schöning im Reichstage solches Beginnen als geset- und verfassungswidrig erklärt und
verurtheilt. Er hoffe, daß auch im Falle der Elbinger Wahl die überwiegende Mehrheit des Hauses diesen Standpunkt festhalten werde.
Unter Ablehnung einiger Amendements des Abg. Rickert, welche auf eine Ausdehnung der Beweiserhebung abzielten, wurden die Kommissionsanträge angenommen und die Be- anstandung der Wahl beschloffen. 7
Die Wahl des Abg. von Funcke, in Bezug auf welche noch nähere Erhebungen gefordert werden, wurde beanstandet. Die Wahlen der Abgg. Dr. Haarmann, Pr. Frege, von Malßahn-Güls und Lohren wurden für gültig erklärt.
_ Das Haus schritt nunmehr zur Gesammtabstimmung über den Gesezentwurf, betreffend die Unfallversiche- rung der land- und forstwirthshaftlihen Ar- beiter, welher gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten angenommen wurde. is as 5 Uhr vertagte sich das Haus auf Sonnabend 2 Ube
— Jm weiteren Verlauf der gestrigen (60.) Sißung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei Fortsegung der Verathung des Gesetzentwurfs, betreffen Heranziehung von Militärpersonen zu Abgaben für Gemeindezweckce, der Kriegs-Minister, General-Lieu- tenant Bronsart von Schellendor ff:
Meine Herren! Die sympathishe Aufnahme, welche dieser Geseßtz- entwurf in der überwiegenden Mehrheit des Hauses gefunden hat, überhebt mich hier cigentlih weiterer Ausführungen zur Befürwortung desselben. Jch kann nur meine volle Bercitwilligkeit erklären, bei den in Aussicht gestellten Verhandlungen der Kommission alle diejenigen Gesichtspunkte, die hier zur Sprache gebracht sind und vielleicht noch werden zur Sprache gebracht werden, in der entgegenfommendsten Weise in Berücksichtigung und Erwägung zu ziehen.
Ich halte mich aber doch für verpflihtet, demjenigen Herrn, welcher gegen den Geseßentwurf noch gesprochen hat — wenigstens habe ich ihn so verstehen müssen —
einige Worte zu erwidern. Der Hr. Abg. Dr. Langerhans hat zunächst die Kompetenzfrage wieder hier aufgeworfen, ob zur positiven Regelung dieser Frage das Reich oder die Partikularstaaten kompetent wären. Meine Herren, die Frage der Kommunalbesteuerung der Offiziere unterliegt einem militärishen Gesichtspunkte und unterliegt zweifellos auc einem kommunalen Gesichtspunkte. Das Reich ist kompetent auf dem Gebiete des Militärwesens, die Partikularstaaten find kom- petent auf dem Gebiete des Kommunalwesens. In Folge dessen ist dies hier eine Frage, welhe ebensowohl unter dem Standpunfte des Neichs als unter dem Standpunkte der Partikularstaaten zu be- trachten ist.
Das Reich hat seine Stellung bisher in der Weise genommen, daß es gesagt hat: aus Rücksichten des Militärwesens verbiete ih die Kommunalbesteuerung in gewissen Grenzen. Das Reich hat nie es unternommen — und das kann es auch nicht unternehmen —, die Kommunalbesteuerung der Offiziere, der Militärpersonen überhaupt positiv zu regeln; sondern es kann immer nur negativ thätig sein, indem es sagt: hier trete ich verbietend ein. Das ist das Gebiet des Reichs, sofern es eben militärische Interessen zu wür- digen und zu wahren hat. Von dem Moment aber, wo das Reich
die militärishen Interessen gewahrt glaubt, wenn es die Regelung der Kommunalsteuerverbältnisse der Militärpersonen in positiver Weise zuläßt, von dem Moment an, meine Herren, is auch ganz naturgemäß die Kompetenz der Partikularstaaten begründet — ganz abgesehen davon, daß es eine technishe Unmöglichkeit wäre, ein Kommunalsteuer- gese von Reichswegen zu konstruiren, welches positive Bestimmungen, die für das ganze Gebiet des Deutschen Reiches gelten können, enthält.
Nun hat der Herr Abgeordnete gemeint : daß in diesem Geseh nicht die volle Heranziehung zu den Kommunalsteuern Seitens dec Königlich preußischen Staatsregierung geboten wird, wäre doh eine eigenthümlihe Idee; der Staat zöge die Offiziere wie alle anderen Staatsangehörigen zur Steuer heran, únd die Kommunen sollten das nicht thun! Ja, meine Herren, da übersiecht doch der Herr Abgeordnete den großen Unterschied, der besteht in Bezug auf die Beziehung des Militärs zum Staat und zu den Kommunen. Verfassungsmäßig find wir weder Mitglieder, noch Diener der Kommune — also ist gar kein Grund dazu da, daß der Kommune die Freiheit gegeben wird, die Offiziere, das Militär überhaupt in derselben Weise heranzuziehen wie die Angehörigen der Kommune.
Der Herr Abgeordnete hat dann auch noch dafür ins Gefecht ge- führt Unterredungen mit Offizieren, und er sagt: die Herren, die er gesprohen hälte, hätten alle gemeint, es wäre ihnen selbst sehr unangenehm, daß fie nicht in vollem Maße heran- gezogen würden. Nun möchte ih bemerken, daß es sh hier in der vorliegenden Frage doch um ein \staatlihes Interesse handelt, und daß es in solchen Fragen auf die Wünsche des einzelnen Offiziers garnicht ankommt. Die Offiziere haben in diefer Beziehung nichts zu wünschen, wenigstens keine Wünsche öffentlich zu äußern, und wenn sie sh vertraulich an so fann ih es nur bedauern, daß dies öffentlih zur Sprache gebraht wird. Im Uebrigen, meine Herren, sind der Wohlthätigkeit keine Schranken geseßt. Demjenigen Offizier, der der Meinung it, er zahle zu wenig an die Kommune, ist cs gewiß nicht vershränkt: alle Kommunen haben milde Fonds und dergl., zu welchen beigesteuert werden kann. Auch jeßt \chon, meine Herren, weiß ih recht gut, niht nur aus der eigenen, fondern auch aus der Erfahrung anderer Offiziere, daß Offiziere freiwillig vielfach zu kommunalen Zwecken Beiträge leisten, namentlich foweit es sih um Armenunterstüßzungen und dergleichen handelt. Also in der Beziehung sind, wie ih gesagt habe, der Wohlthätigkeit keine Schranken gesetzt, und den Herren, die wirklih der Meinung sind, daß sie zu wenig zahlen, kann ih nur rathen, das, was sie glauben mehr entrihten zu müssen, in stiller Weise, wie man Gutes überhaupt nur in stiller Weise zu thun hat, zu bezahlen.
Nun sfagte der Herr Abgeordnete: Die Offiziere machen einen her- vorragenden Gebrauch in ausgiebigster Weise von allen kommunalen Einrichtungen, — ih habe mir die Worte ausdrücklich notirt; er hat hinterher allerdings diese Worte dahin eingeschränkt, daß er gesagt hat, fie mahten ihn wenigstens in derselben Weise, wie alle Angehö- rigen der Kommune, Das bestreite ih auf das Allerentschiedenste. Es giebt gewiß sehr viele kommunale Einrichtungen, von denen wir Gebrauch machen, dazu «hört z. B, das Trottoir, auf dem wir gehen, die Gas- beleuchtung der Straßen 2c. Aber, meine Herren, wenn Sie uns aus diesein Grunde zu den Steuern heranziehen wollen, dann müßten Sie jeden Fremden besteuern, die Kommune Berlin müßte, wie das im Reichstag auch einmal angeregt ist, die geseßgebenden Körperschaften besteuern. (Oh, oh! links.) Ja, meine Herren, man kann in den Konsequenzen unzweifelhaft ja sehr weit gehen.
Aber es ift eben nicht richtig, daß wir von allen Einrichtungen Gebrauch machen, z. B. dem ganzen großen Gebiet der Armenpflege fallen doch die Offiziere nicht zur Last. Es giebt noch eine Masse anderer Einrichtungen, z. B. Ihre großen Lazarethe u. dergl. Es mag ja in einzelnem Falle vorkommen, daß ein Offizier wegen Be- handlung durch einen Spezialarzt vielleiht auch einmal in ein kom- munales Lazareth geht ; ih glaube aber, daß er dann auch die vollen Kosten feiner Behandlung dort trägt. Sonst haben wir z. B. unsre eigenen Lazarethe, und so läßt sih auf diesem Gebiet noch manches sagen.
Alles, was hier also angeführt ist, um zu begründen, daß die Offiziere genau fo herangezogen werden sollten wie alle anderen An- gehörigen der Kommune — oder wie die Angehörigen der Kommune „andere“ ist kein rihtiger Ausdruck, wir sind ja nicht Angehörige der Kommune —, das würde meiner Meinung nah weit über die Grenzen der Billigkeit und des Bedürf nisses hinausgehen.
Der Abg. Dr. Hänel hielt das Reich für ebenso kompetent, diese Kommunalbesteuerung einheitlih zu regeln, wie es die
Kommunalbesteuerung seiner Beamten einheitlich geregelt habe Die Konservativen hätten au diesmal wieder \ih darauf he: s{hränkt, den Standpunkt der Deutschfreisinnigen anzugreifen: wenn Leßtere sich aber gegen diese Angriffe vertheidigten, dann vershwänden Erstere aus diesem Saal. Sj¿ hielten im Bewußtsein ihrer Majorität und Macht Monologe und kümmerten sich um die Gründe der Minorität nicht mag Veberhaupt sei Redner der Ton, der in die Debatten durg die Schuld der jeßigen Majorität eingerissen sei, ein Ton wie er treffend durch den neulichen Zwischenruf gegen einen Mann von europäischer Berühmtheit illustrirt worden sei, in seiner parlamentarishen Praxis seit 1867 nicht vorgekommen Die Ausführungen des Kriegs - Ministers hätten den Vorwurf nicht entkrästen können, daß dem priyi- legirten Stande der Offiziere durch die Vorlage, ohne daß irgend ein Staats- oder Dienstinteresse vorliege ein weiteres Privileg hinzugefügt werde. Der Abg. von Rauch: haupt sage, die Anschauungen der Deutschfreisinnigen würden im Volke nie Anklang finden. Nun, es handele ih hier um gewisse grundsäßliche Anschauungen ; seien diese falsch, dann würden eben die Vertheidiger derselben vershwinden ; seien sie rihtig, dann würden alle Drohungen des Abg. von Rau; haupt ohnmächtig sein. Was der Kriegs-Minister gesagt habe habe keinerlei Beweis- oder Ueberzeugungskraft besessen, sei vielmehr von Werth lediglich für Diejenigen gewesen, die durchaus Beifall klatshen wollten.
Der Kriegs-Minister, General -Lieutenant Bronjaxrt von Schellendorff erwiderte:
Der Hr. Dr. Hänel hat in unmittelbarem An\sch{Gluß an eine Kritik der Ausführungen, die ih gemacht hatte, gesprochen von allge- meinen Redewendungen, die blos darauf berechnet sind, daß dazu ge- kflatscht wird. Meine Herren, es wird ja, Gott sei Dank, hier über- haupt nit geklats{cht, und im Uebrigen geht meine Tendenz dabin: ich bin nicht gewohnt, Beifall für meine Aeußerungen zu erwarten und zu erhoffen; ih bin in meiner Erziehung nicht darauf groß gezogen, Reden zu halten auf derartige theatralische Effekte hin. Also ih muß das für mich vollständig ablehnen. N
_ Dann ist der Herr Abgeordnete nochmals auf das Verhalten der Offiziere zu sprehen gekommen. Meine Herren, ich glaube, in der ganzen Armec wird kein Zweifel darüber sein, daß das, was ih über die Pflichten der Offiziere sage, bedeutungsvo!ler ift als das, was der Hr. Abg. Dr. Hänel sagt.
Im Uebrigen mag der Hr. Abg. Dr. Hänel darüber sagen, was
er will, die Offiziere werden mich in ihrer überwiegenden Mehrheit verstehen und werden, wie ih hoffe, mindestens in Zukunft vorsichtig sein mit der Aeußerung etwaiger Privatmeinungen. Ich verschränke feinem Offizier die Privatmeinung ; aber ih verlange, wenn es ih um eine geseßlihe Maßregel handelt, um Sr. Majestät Regierungs- vorlagen, daß Offiziere in ihren Aeußerungen darüber vorsichtig simd und sich nicht hier als Zeugen aufführen lassen gegen eine Regierungs- vorlage Sr. Majestät. Die Offiziere haben nach keiner Seite hin Politik zu treiben. __ Dann hat der Herr Abgeordnete gemeint, meine sahlichen Aus- führungen wären nicht zutreffend, da vieles, was ich da für die Offiziere in Anspruch genommen hätte, in gleichem Maße auch für Beamte, die sih in ähnlichen Vermögensverhältnissen befänden u. \. w, zuträfe. Meine Herren, das gebe ih vollständig zu; ih habe damals nicht einen Vergleich zwischen Béfttäven und Beamten gezogen, fondern zwishen Offizieren und der Summe der Angehörigen der Kommune — denn davon hatte der Abg. Dr. Langerhans zunächst gesprochen. Im Uebrigen besteht trotdem noch ein Unterschied zwishen Offizieren und Beamten, und er besteht vor allen Dingen uicht blos geseßlich be:üglich der richterlichen Beamten, sondern auch thatsächlich bezüglich der politischen Beamten und den Offizieren in Bezug auf die Art und Weise, wie sie verseht werden. Ein Offizier wird nie vorher gefragt, ob es seinen Wünschen entsyriht, in die und die Garnison zu kommen; es kann vielleidht einmal cin Offizier ungefragt einen Wunsch äußern aus Privatver- hältnissen, hier und da hinzukommen. Aber auch das ist eine ver \{chwindende Ausnahme, während in Bezug auf die politishen Beamten mir wohl zugegeben werden wird, daß gerade für diese Kategorie von höheren Beamten recht bäufig die Wünsche der Herren berücksichtigt werden, daß fogar recht häufig unter der Hand gefragt wird, ob ihnen cine Verseßung in die und die Stadt angenehm wäre. Denn, wo wir so viele und verschiedene Höhen von Kommunalsteuern haben, da ist das allerdings ein Punkt, der doch dazu auffordert, die Verhältnisse der Offiziere mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. Im Uebrigen, meine Herren, wenn ein rechtlich bestehendes Privilegium ohne Ent- schädigung aufgehoben wird, dann liegt es auch in der Billigkeit, daz man da mit einer gewissen Schonung vorgeht, und niht, daß man nun sagt: hier wird Alles über einen Leisten geschlagen. L
Der Abg. Schreiber (Marburg) protestirte energisch gegen die vom Abg. Hänel gegen die Rechte erhobenen Vorwürfe bezüglih der Vershlehterung des Tones in der Debatte; die Rechte werde den Ton, den sie in die Diskussion eingeführt habe, auh vertreten. Wenn sich übrigens der Abg. Hänel darüber beshwere, daß die Konservativen während seiner Rede den Saal verlassen hätten, ohne sich um seine A zu bekümmern, jo hätte der Abgeordnete allen Grund, si mit iesem Vorwurf zuerst an seine eigenen A zu wenden, deren Reihen sih während dieser Rede außerordentli stark gelichtet hätten. /
Der Abg. Dr. Langerhans wollte nicht verstehen, warum der Kriegs-Minister so ungehalten sei. Auch er habe ja erklärt, dab man auf die Spezialberathung eingehen wolle, also im Großen und Ganzen das Gesey annehmen werde. Die Behauptung, daß hier ein Privileg ohne Entschädigung aufgehoben werde, sei nicht richtig; es trete dafür doch eine beträchtliche Erhöhung der Pension ein. Mit Rücksicht auf diese Erhöhung hätten sehr viele Offiziere mit ihrem Antrag auf Pensionirung bis jeßt gewartet.
Der Kriegs-Minister, General-Lieutenant Bronsart von Schellendorff entgegnete: e
Wenn der Hr. Abg. Langerhans die Kompetenzfrage ebenso au! faßt, wie ih sie vertreten habe, dann ist es gut, dann bin ich gewi der Leßte, der mit ihm darüber streiten will. ,
Ich habe mich aber dagegen zu wenden, daß er gesagt hat, i follte geäußert haben, ein Privilegium dürfte niht ohne Entschädi gung aufgegeben werden. Das habe ih gar nicht gesagt, sondern id) babe nur gesagt: wenn ein Privilegium ohne Entschädigung aufgehobet wird, fo sollte mit möglichster Schonung vorgegangen werden. Das ist doch ein gewaltiger Unterschied.
Nun meint der Herr Abgeordnete, es gebe für dieses aufgegeben Privilegium eine Entschädigung, und zwar die Erhöhung der Pension? säße. Ih muß abfolut bestreiten, daß das richtig ist. Wen thatsäahliG — wie ich anerkennen muß, denn der That sche stehen wir gegenüber — das Pensionsgeseß im Reichs* tage nur dadurch hat zur Verabschiedung gebraht werden könnel, daß auf dem Gebiete der kommunalen Besteuerung der Offiziere (1 Entgegenkommen gegenüber auch hon frühec vielfa geäußerke! Wünschen nunmehr gezeigt wird, so muß ich doch ganz bestimmt he» streiten, daß den nunmehr zu besteuernden Offizieren eine Entschädl- gung durch das Pensionsgeseß gewährt wird. Denn, meine Hertel dazu gehört doch vor allen Dingen, daß diese Offiziere wirklich ein mal pensionirt werden. Das kann man aber von den Einzelnen gar niht wissen: da köunen manche ohne Pension abgehet manche fönnen sterben u. \. w. ; also von einer Entschädigung U? mittelbar ist da gar feine Rede.
n Uebrigen muß doch auch bei dieser Frage festgehalten werden : m enn nun jeßt auf der anderen Seite den Vortheil ? wie wel “1 denn die Kommunen dazu, wenn das Reich jeßt mit einem fommen verabschiedeten Vssßzteren höhere Pensionen giebt, zu sagen : Male den wir nun in unsere Kassen mehr bekommen, als wir bis- dafür T aben ? Schon dieser Gedanke, meine Herren, ergiebt do her geha? daß die hier aneinander gehängten Dinge in logischem gan) L menhange miteinander durchaus nicht stechen. . : O Der Abg. von Huene machte darauf aufmerktsan, daß die
I {schfreisinnigen im vorigen Jahre die Konsumvereine nicht n Noth-Kommunalsteuergeseß aufgenommen hätten; wenn n
7e also heute wieder einmal das gleiche Neht für Alle be- e
jonten, 0 könne dieser Vorgang ihren Deduktionen nicht zur P.
ij ienen. j T L Stube L Vorlage wurde darauf einer befonderen Kommission 4 21 Mitgliedern überwiesen. 1 s M Ueber den 37. Bericht der Staatsschuldenkom- ¡sion referirte der Abg. Schreiber (Marburg) Namens der n agetkommission, welche beantragte, der Hauptverwaltung der Ztgatsshulden Decharge zu ertheilen. L t — Das Haus beschloß demgemäß, nachdem der Abg. Kieschke
quf das dringende Bedürfniß der Beschaffung anderweitiger
Wer Räumlichkeiten für die Staatsschulden-Verwaltung f newiesen und ber Finanz-Minister Pr. von Scholz dieses Bedürfniß auch seiner}eits anerkannt hatte. H,
Die Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungs- fammer pro 1884/85 wurden der Rehnungskommission ider ne Debatte erklärte das Haus den Bericht über die Verwendung des Erlöses für verkaufte Berliner Stadtbahnp arzellen dur Kenntnißnahme für erledigt.
Es folgte die zweite Berathung des Geseßentwurf}s über die Errichtung leßtwilliger Verfügungen im Bezirke des Ober-Landesgerihts zu Franfk-
a. M. . Sie Kommi7sion hatte den aus 20 Paragraphen bestehenden, sch an die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts an- lehnenden Entwurf im Wesentlichen unverändert angenommen. Fine Modifikation hatte nur H. 5 dadurch erfahren, daß die ommission die Vorschrift, daß das dem Gericht verschlossen oder offen zu übergebende Schriftstück von dem leßtwillig Ver- fügenden unterschrieben sein müsse, gestrichen hatte. Außerdeni war §. 19, welcher die in außergerihtliher „Form errichteten Testamente unberührt lassen will, wie folgt, erweitert worden :
„Zu den außergerichtlihen Testamenten sind die in Gemäßheit des Nafsauishen Geseßes vom 26. Juli 13854 S. 23 bezw. der Instruktion vom 2. Januar 1863 durch die zuständigen Orts- Bürgermeister aufgenommenen sogenannten Nothtestamente zu rechnen.“ S
Der Abg. Wißmann sprah der Kommission für ihr durch die Einfügung dieses Saßes in §. 19 bewiesenes Entgegen- fommen jeinen Dank aus und ersuchte das Haus, diesem Beschlusse der Kommission zuzustimmen.
Die im §. 5 von der Kommission vorgeschlagene Aenderung wurde auf Antrag der Abgg. Greiß und Korsh nach kurzer Debatte abgelehnt und die Vorlage wiederhergestellt. ;
Zu §. 17 wurde ein Antrag Lieber, der sih auf das Verfahren bei der Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente bezieht, nah kurzer Debatte, in welcher auch der Regierungs- fonmissar Geheime Justiz-Rath Künzel die Ablehnung befüir- wortete, verworfen und §. 17 und der Rest des Geseßes in der Kommissionsfassung angenommen.
Schluß 2 Uhr. Nächste Sißzung Montag 11 Uhr.
Centralblatt fürdas Deutsche Neich. Nr. 15. — Inhalt: Zoll- und Steuerwesen: Bestellung eines Stations-Controleurs. — Veränderungen in dem Stande oder den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen. — Handels- und Gewerbewesen: Bekanntmachung, _be- treffend die Ausfuhr der zur Kategorie der Rebe nicht gehörigen Plänzlinge, — Versicherungswesen: Bekanntmachung, betreffend die anderweite Bestimmung der Siße von Schiedsgerichten für den ge- sammten Betrieb der Meichs-Post- und Telegraphenverwaltung, fowie der preußischen Staatseisenbahn-Verwaltung. — Konsulatwesen : Cr- nennung. — Ermächtigung zur Vornahme von Givilstands-Akten. — Erequatur-Ertheilungen. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. N L
Justiz-Ministerial-Blatt. Nr. 15. — Inhalt : Erkenntniß des Reichsgerichts vom 17. Oktober 1885. Ï
Eisenbahn - Verordnungs- Blatt. Nr. 12. — Inhalt: Erlaÿe des Ministers der öffentlihen Arbeiten: vom 31. März 1886, betr. Verbot der ferneren Verwendung von Flußstahlsheiben- rädern und Schalengußrädern unter Bremswagen. Vom 2. April 1886, betr. Ausschließung von Bahnpolizeibeamten von der Aufnahme in die Schöffenurlisten. — Nachrichten.
Landtags - Angelegenheiten.
Der Minister der geistlihen 2c. A legen etten hat an den Präsidenten des Herrenhauses" în Betreff der kirhen- politischen Geseßzesvorlage nachstehendes Schreiben nebst
Anlagen gerichtet : 1 k Berlin, den 8. April 1886. Eurer Durch{laucht beehre ih mich im Anschluß an meine Grklä- rung vom 5. d. Mis. eine Note des Kardinal-Staatssekretärs Jaco- bini vom 4, d. M. in deutscher Ueberseßung mit dem ganz ergebensten Ersuchen zu übersenden, dieselbe geneigtest zur Kenntniß der MViit- glieder des Herrenhauses bringen zu wollen. N _ Zum Verständniß der betreffenden Bezugnahme des Kardinals füge ih unter Nr. 2 aus einer früheren, von dem Königlichen Ge- sandten aus eigenem Antriebe angeregten und diesseits niht als amt- lih betrahteten, Korrespondenz die Antwort bei, welche der Kardinal- Sekretär dem Gesandten von Schlözer, auf_ dessen Crkundigung nah den Bedingungen, an welche der heilige Stuhl die Ausführung der Anzeigepflicht knüpfen werde, ertheilt hat. von Goßler. An den Präsidenten des Herrenhauses, Herzog von Ratibor Durchlaucht. Nr. 1. (Uebersetzung.) Aus den Kammern des Vatikans vom 4. April 13886. In der leßten Note vom 26. v. Mts. theilte der unterzeichnete Kardinal-Staats\ekretär Sr. Exzellenz dem preußischen Herrn Gesandten mit, daß, unmittelbar nahdem der gegenwärtige Gefsetzes- vorschlag mit den bekannten Veränderungen angenommen und ver- ündet sein würde, man die Bischöfe anweisen werde, der preußischen legierung die Namen derjenigen Geistlichen anzuzeigen, welche bestimmt sind, als Pfarrer die Seelsorge in den gegenares vakanten Parochien auszuüben. Man fügte noch hinzu, daß die Anzeige auh auf die ukunft, wo man Loffentlihh den religiösen Frieden erlangt haben wird, ausgedehnt werden könne. Diese Art des Verfahrens war dur) die Erwägung veranlaßt, daß, obwohl der vorliegende n Agra mit den leßten Amendements wesentliche Verbesserungen enthält, deren Wittigkeit man gern anerkennt, troßdem nicht würde behauptet werden
fönnen, daß der religiôse Friede überhaupt erreiht sei, fo lange noch andere Bestimmungen der vorhergehenden Gesezgebung zurückbleiben, deren in dem Gesetvorscblag nicht Erwähnung gethan ist. Deshalb bielt man daran fest, daß die Gestattung der Anzeige für die gegen- wärtig vakanten Pfarreien einen großen Schritt bezeihnet auf dem Wege des Entgegenkommens, und daß man mit fortschreitenden Ver- einbarungen den Boden vorbereitet für den vollen religiösen Frieden. Hierdurch wird die ständige Erlaubniß der Anzcige auf eine Stufe gestellt mit demjenigen Zustande vollständiger religiöser Ordnung, den der heilige Stuhl recht gern, fo bald als mögli, verwirklicht sehen würde.
Die Katholiken ihrerseits würden es auch nicht mit Befriedigung seben, wenn der heilige Stuhl eine dauernde Erlaubniß gäbe, bevor es ihnen vergönnt ist, sih eines definitiven Friedens zu erfreuen.
Es wird daher auf die Erwägungen gerechnet, welhe sich aus der Natur der Sace ergeben und in den früheren Urkunden des heiligen Stuhls ausgedrückt sind.
Man hat jedoch von verschiedenen Seiten und besonders dur die leßte Aeußerung Sr. Durchlaucht des Fürsteri von Bismark erfahren, daß der gegenwärtige Geseßesvorschlag mit den leßten Amendements \{chwerlich die parlamentarische Mehrheit zu seinen Gunsten erlangen würde, wenn der heilige Stuhl nicht zustimmte, die ständige Anzeige hon jetzt zu gestatten. : A j
Der heilige Vater, von dem Ernste dieser peinlichen Lage durch- drungen, würde, um die beiderseitigen Schwierigkeiten zu vermindern, der preußischen Regierung Ey
-
Die Verwirklichung dieses Vorf
jeßt an die ständige Anzeige gestatten würde.
Wenn jedo unter den Umständen die volle und unmittelbare Revision der Geseße in dem dargelegten Sinne niht ausgeführt werden könnte, so ist der unterzeichnete Kardinal-Staatssekretär er- mächtigt zur Kenntniß zu bringen, daß sobald der heilige Stuhl offiziell die Versicherung erhalten haben wird, daß man in nächster Zukunft eine solche Revision unternehmen wird, der heilige Vater alsbald die ständige Anzeige gewährt in dem Sinne der Antwort, welche bereits in der Note vom 26. März auf die von der preußischen Gesandtschaft in ihrem Schreiben von demselben Lage gestellte dritte
Frage ertheilt wurde.
Die preußische Regierung wird in diefen leßten Vorschlägen eine neue Bestätigung der unwandelbaren Sorge des heiligen Vaters für die Erreichung des religiösen Friedens erkennen, ebenso wie seine hohe Bemühung in der Beseitigung der Hindernisse und in der Prüfung
der Mittel, welche den Frieden {hafen können.
Hiernach hat der unterzeichnete Staatssekretär die Ehre, Ew. Hoch- geboren die Gefühle feiner außerordentlichen Hochachtung zu ver-
chern. i: E L, Card. Jacobini. An den Königlichen Geschäftsträger Herrn Grafen von Monts, Hochgeboren.
Nr. 2.
lagen, daß sie die gegenwärtige Gesetvorlage ergänze, indem sie die Revision derjenigen \rüheren, in dieser Vorlage niht erwähnten Bestimmungen hinzufüge, fo daß man der vollständigen Herstellung des religiösen Friedens sicher sein fönne. lages würde zur vollen Befrie- digung des heiligen Vaters gereichen und würde mit wahrer Freude von den Katholiken aufgenommen werden, so daß Se. Heiligkeit von
l
Was dann die dritte Frage anbetrifft, fo beabsichtigt der heilige Stuhl derselben Regierung freies Feld zu lafien, der Diözesanbehörde
gegenüber ihre Beweggründe für Ausschließung des vorgeschlagenen
Sndividuums geltend zu machen, fobald sie feine definitive Einsezun
în das betreffende Amt mit der öffentlichen Ordnung unverträglich hält wegen einer der Regierung bekannten und bestätigten" ernsten
Thatsache.
Dem Hause der Abgeordneten ist gestern der in Ausficht
gestellte Nachtrags-Etat zugegangen.
Nach demselben belaufen sih die einmaligen Ausgaben auf 9 774 500 M, die dauernden auf 963 600 M An dauernden
Ausgaben sind eingestellt :
Universitäten. Zur Ergänzung des Fonds Titel 16 für Studirende deutsher Herkunft zum Zweck späterer Verwendung derselben in den Provinzen Westpreußen und Posen, fowie im Regierungsbezirk Oppeln 100 000 4 Höhere Lehranstalten. Zur Ergänzung des Fonds Titel 8 für Schüler deutsher Herkunft auf höheren Lehranstalten in den Pro- vinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Dppeln 50000 M Zur Ergänzung des Fonds Titel 9 behufs besonderer Förderung des deutschen höheren Mädchenshulwesens in den Pro- vinzen Westpreußen und Posen, sowie im Re ierungsbezirk Oppeln 100 000 4. Glementar-Unterrihtswesen. Zur L erstärkung der Scul- aufsiht in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regie-
rungsbezirk Oppeln 200 000 M. Zur Ergänzung der Fonds Titel 27
und 28 bebufs besonderer Förderung des deutschen Volks\{chulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk
Oppeln 400 000 4 Zur Verstärkung des Fonds Titel 30 behufs be-
sonderer Förderung des deutschen Vo ksshulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Dppeln 50 000 A.
Medizinalwesen. Zwei gerichtliche Stadtphystiker in Berlin mit 1800 4,
3600 M.
Die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben
find folgende:
Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Zur Vervollständigung der Hafenanlagen in Geestemünde, 1. Rate 700 000 46 Zur Wieder- instandseßung der Oderbrücke bei Tschicherzig 67 000 46 Ministerium des Innern. Zur Bestreitung der im Etatsjahre 1886—87 noch zu erwartenden Kosten der Aufnahme einer Statistik der Armenpflege 7500 4. Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten. Zu Elementarschulbauten behufs befonderer Förde- rung des deutshen Volksshulwesens in den Provinzen Westpreußen
und Posen, sowie im Regierungs ezirk Dppeln 2 000 000 Den Erläuterungen entnehmen wir Folgendes:
Zur Stärkung der deutschen Bevölkerung in den östlichen Pro- vinzen und zur Abwehr der polnischen Propaganda ift die Förderung der deutschen Volks\hule geboten. Um für die deutsche Volksschule
in den genannten Bezirken Lehrer von besonderer Tüchtigkeit und be- t genommen,
währter deutsher Gesinnung zu gewinnen, ist in Ausfi
diesen Lehrern cine Verbesserung ihres Einkommens durch Gewährung von nit pensionsberechtigten Stellenzulagen im Durchschnittt von etwa 300 M jährlich zu Theil werden zu lassen. Eine gleiche Zulage sollen diejenigen deutschen Lehrer erhalten, welche in die
Provinzen Westpreußen und Posen, sowie in den Regierungsbezirk ppeln zum Ersatz für die aus diesen Bezirken zu entfernenden national unzuverlässigen Elemente des Lehrerstandes hineingezogen
werden sollen, cinem dahingehenden Rufe gern zu folgen, aber voraus- ichtlih nur dann bereit sein werden, wenn ihnen eine entsprehende
Verbesserung ihres Einkommens gewährt wird.
Da die Gemeinden im Allgemeinen {on jeßt bis an die äußerste
Grenze ihrer Leistungsfähigkeit mit Ab aben belastet find, so bedarf es zur Durchführung dieser Maßnahmen der Bereit tellung von
Mitteln aus Staatsfonds.
Auf dem Gebiete der Schulaufficht is dem Bedürfniß für eine engere Begrenzung der im Hauptamte verwalteten Kreis-Schulinspek- tionsbezirke zum Theil bereits durh den Staatshaushalts-Etat für 1. April 1886/87 Rechnung getragen. Indessen is eine weitere Ver- stärkung der Schulaufsicht in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie in dem Regierungsbezirk Oppeln einerseits dur die beabsih-
einen umfangreichen
echfel im Lehrerpersonal, welche Maßnahmen die Anforderung an die Arbeitskraft der Schulaufsihtsbeamten erheblich Rege ges e n-
niht zuverlässig is und
tigte Gründung neuer Schulsysteme und dur
seits dur die Thatsache geboten, daß in großer Thei gestellten Lehrer in nationaler Bezieh deshalb einer steten Aufsicht bedarf.
Eine wesentliche Stärkung und Förderung des deutshen Glements
darf davon erwartet werden, daß der deutschen Bevölkerung in den
aenannten Bezirken, welcher die Ungunst der dortigen Verhältnisse die Erziebung ihrer Kinder erschwert, für die weiblihe Jugend au in den fleineren Städten Geiegenbeit zu eiuer, dem Bildungsfstande der Eliern entsprechenden Erziehung geboten und für den Unterhalt der Söhne auf den höheren Lehranstalten im Bedarfsfalle eine Beihülfe gewährt wird, welche sich nicht nur für den Einzelnen, sondern dur die Heranbildung eines in diesen Bezirken heimischen deutschen Bürger- und Beamtenstandes für den gesammten Staat nußzbringend erweisen dürfte.
Nicht minder wichtig und von entscheidender Bedeutung für die
Kräftigung des deutschen Elements im Often ist cs, daß für den
Staats- und Kirchendienst, sowie für den ärztlihen Vezuf tüchtige deutsche Kräfte in ausêreihender Zahl gewonnen werden, welche sich in den betheiligten Bezirken möglichst dauernd heimisch machen. Zur Erreichung dieses Zieles ist ein Stipendienfonds von jährli 100 000 M für Studirende deutscher Herkunft beantragt, welche sich den vorbezeihneten Berufsarten in den Provinzen Westpreuizen und Posen oder im Regierungsbezirk Oppeln zuzuwenden beabsichtigen.
Die Ausbringung eincs Dispositionéfonds zur Förderung des
deutshen Volkëschulwesens, wie er mit 50000 #. jährlih in Antrag gebracht ist, empfiehlt sich durch die Erwägung, daß es mannigfache, im Etat niht besonders vorgesehene Ausgaben, z. B. für die Grün- dung deutscher Lehrer- und Schüler-Bibliotheken giebt, zu deren Be- streitung der Fonds Kapitel 121 Titel 30 zureihende Mittel nit gewährt.
Hand in Hand mit der Begründung neuer deutscher Volksfchulen
und der besseren Ausgestaltung der vorhandenen Schulen zu Gunsten der deutschen Bevölkerung wird die Befriedigung des baulichen Be- dürfnisses zu gehen haben, die nur unter erhebliher Betheiligung des Staates ausführbar ist. In Folge dessen ift bei den einmaligen und
außerordentlichen Ausgaben „zu Glementarschulbauten behufs befon- derer Förderung des deutshen Volks\{hulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Oppeln“, die Bewilligung cines Betrages von 2 000 000 4 in Antrag gebracht worden.
Statistische Nachrichten.
Dem Bericht über die Verwaltung und den Stand der Kreis-
Kommunal-Angelegenheiten des Kreises Beuthen für
die Zeit vom 1. April 1884 bis zum 31. März 1885 entnehmen wir betr. der Geschäfte des Kreis-Ausschusses vom 1. Dezember 1883 bis 31. Dezember 1884, daß die Zahl der Journal:-Nummern 4567, die der Sitzungen 36, der Termine mit mündlicher Verhandlung 21 be- trug. Die Zahl der neu eingegangenen streitigen Verwaltungssachen betrug mit den aus den Vorjahren als unerledigt übernommenen 177, davon bleiben 4 unerledigt. Verwaltungsstreitsachen gab es 33. Außer- dem sind an Beschwerden 2c. kollegialisch 531 Sachen erledigt.
Das Staatssteuer-Soll betrug resp. beträgt 1885/86: 511 272, 1834/85; 500 951, 1883/84: 485087, 1882/83: -459 409, 1881/82: 449 066, 1880/81 : 424 133. Die Zahl der einkonmensteuerpflihtigen Haushaltungen beträgt 716 gegen 688 und die der flassensteuerpflih- tigen Haushaltungen 26 222, darunter 22082 Censiten der I. und ¡T. Stufe, gegen 24 872 des Vorjahres. Der Steuererlaß beträgt 1885/86 bei der Einkommensteuer 4959 M, bei der Klassensteuer 105216 «A Die Provinzialabgaben sowie die Landarmenkoften haben ih gegen das Vorjahr ermäßigt. Es wurden gezahlt Provinzial- Abgaben 1884: 16 878,71 4, 1885: 16 202,43 M, mithin weniger 676,28 A. Landarmenkosten 1884 : 28 956,50 4, 1885 : 27 964,26 M, mithin weniger 992,24 46. j / :
Ueber die augenblickliche Bevölkerung8zahl des Kreises sei bemerkt, daß der Kreis nach den vorläufigen Feststellungen der am 1. Dezember 1885 erfolgten Volkszählung 131 916 und zwar 65 811 männliche und 66 105 weiblihe Einwohner, gegen 113 384 des Jahres 1880, mithin mehr 18 532 Einwohner oder 16,34%, gegen 12,05%/6 des Jahres 1880, hatte. G8 entfallen auf die Stadt Beuthen 26 478, Königshütte 32 019, auf 20 Landgemeinden 5E 162, auf 16 Gutsbezirke 17257 Einwohner: bei den Königlichen Standesämtern wurden beurkundet im Jahre 1884: Standesamt Beuthen 1250 Geburten, 258 Gheschließungen, 1011 Todes- fälle, beim Standesamt Königshütte 1493 Geburten, 282 Ehe- \chließungen, 1002 Todesfälle, bei 11 ländliljen Standesämtern 3312 Ge- burten, 604 Eheschließungen, 2524 Todesfälle, zufammen 6055 Ge- burten, 1144 Eheschlicßungen, 4537 Todesfälle; gegen das Vorjahr mehr 82 Geburten, 75 Eheschließungen und 154 Sterbefälle. Die in den leßten drei Jahren stattgehabten Vichzählungen ergaben 1883: 9649 Pferde, 3535 Stück Rindvieh; 1884: 2826 Pferde und 3888 Stü Rindvichz; 1885: 2941 Pferde und 3436 Stück Rindvieh.
Die Zahl der Amtsbezirke im Kreise beträgt augenblicklih 11.
Ueber die von den Gemeinden im Etatsjahr 1884/85 aufgebrahten Kommunalabgaben sei bemerkt, daß der Gesammtbetrag der direkten Ge- meindeabgaben in 20 Gemeinden 180942 4 betragen hat; hièrvon wurden aufgebraht durch Zuschläge zu der Klassen- und Einkommensteuer 138 823, zu der Gebäude- und Gewerbesteuer 42 119 4; die Ein- wohnerzahl betrug am 1. Dezember 1885 (vorläufiges Ergebniß) 56 162, mithin famen auf den Kopf an Gemeindeabgaben 3,22 M _
Die Kranken- und Unfallversicherung der Arbeiter is im Kreise Beuthen vollständig durgeführt. An Orts- und Betriebskajsen sind errihtet: in der Stadt Beuthen 2 Ortskrankenkafsen mit 2300 und 1 Betriebskrankenkasse mit 60 Mitgliedern, welhe der Aufsicht der Stadt Beuthen, ferner in der Stadt Königshütte 1 Ortskrankenkasse mit 1300 Mitgliedern, welche der Aufsicht des Magistrats der Stadt Königshütte, endli in den ländlichen Ortschaften des Kreifes 7 Drts- frankenkafsen mit 1860 und 14 Betriebskassen mit 7200 Mitgliedern, welche der Aufsiht des Vorsißenden des Kreisausschusses unterstellt sind. Hiernah find im Kreise Beuthen 10 Ortskrankenkassen und 15 Betriebskassen errichtet, welhen 12 720 Mitglieder angehören. Die Gemeindekrankenversicherung findet nirgends statt. Z
Der Geschäftsverkehr in den Kassen gestaltete sih folgendermaßen: In der Kreis-Kommunalkasse betrug die Cinnahme 163 839 M, die Ausgabe 135 870,73 4, mithin Bestand 27 968,27 #Æ
Die Kreis-Chaussee-Unterhaltungskasse weist eine Einnahme von 91 363,89 „#4 auf, eine Ausgabe von 21 363,89 M, balancirt also.
Die Kreis - Sparkasse ergab für das Jahr 1884/85 folgende Resultate:
Betrag der Einlagen am Schlusse des Vorjahres 2 703 270,85 M Zuwachs pro 1884/85 durch neue Cinlagen . 1080 712,10 , durh Zinszuschreibung 75 781,62
zusammcn 3 859 764,47 M
Ausgabe für zurückgenommene Einlagen Ae OGBO bleiben ult. März 188 . . 3117 007,17 4
Der Reservefonds erreichte die Höhe von 51 963,07 Æ
An Sparkassenbüchern waren vorhanden ultimo März 1885 zusammen 5630 Stück. Aus dem Vermögen der Kreis-Sparkasse waren ultimo März 1885 zinsbar angelegt zusammen 3 165 145,90 4 Die Zind- überschüsse pro 1884/85 betrugen 26 129,58 M4, die Verwaltungskosten 441626 M und die Inhaberpapiere hatten ultimo März 1885 einen Werth von 1 392 205,60 „6 Die Kreis-Sparkasse zahlte für Einlagen 31/4 und erhielt von den ausgeliehenen Kapitalien 3!/2, 4, 4!/2 und 5% Zinfen. L 4 l
Dec Vermögens- und Sculdenstand des Kreises weist auf: Aktiva: zusammen 207 730,80 4, Passiva: bleiben Schuïden ult. März 1884: 298 079,95 ; E
Der Etat der Kreiskommunalkasse für das Jahr 1885/86 {ließt in Einnahme und Ausgabe nit 127 800 4; an Kreisabgaben werden einslließlich sämmtliher auf den Kreis repartirter Provinziallaften 100 000 A erhoben, welche mit 18 °/ der Cinkommen- und Klasscn- steuer, sowie 9% der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer aus Klasse A T auf dem Lande zur Ausfchreibung gekommen sind.
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