1886 / 90 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Apr 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Abschiedsbewilligungen. Imaktiven Heere. Berlin, 3, April. v. Rantzau, Rittm. u. Vorstand des Festungsgefängn. in Wesel, als Major mit Pension und feinèr bisherigen Uniform der Abschied bewilligt. 8. April. Hoffmann, ofiberzogk. bad. Hauptm. a. D., während des Feldzuges 1870 beim 1. Landw. Gren. Bat. als Hauptmann a. D. in den Verband der preußis{chen Armee

aufgenouuaen. Kaiserliche Marine.

Ernennungen, Beförderungen, Verseßungen 2. Ber- lin, 6. April. Schering, Kapitän zur See, von der Stellung als Vorstand des Hydrographishen Amts ver Admiralität entbunden. asen, Contre-Admiral, zum Vorstand des Hydrographischen mts der Admiralität ernannt. Frhr. v. Erhardt, Corv. Kapitän, zum Commandeur der 3. Matrosen-Art. Abtheil. ernannt. Oelsner, Unter-Lt. zur Sée, ein vom 21. November 1884 datirtes Patent seiner Charge, unter Rangirung unmittelbar hinter dem Unter-Lt. zur See Riedel, verliehen. Frhr. v. Schleiniß, Vize-Admiral a, D,, von der Stellung als ständiger Beisißer des Kaiserlichen Ober-See- amts entbunden. Herbig, Kapitän zur See a. D., zum ständigen Beisitzer des Kaiserlichen Ober-Seecamts ernannt.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 14. April. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen heute die Vorträge des Reichs- kanzlers Fürsten von Bismarck und des Wirklichen Geheimen Raths von Wilmowski entgegen.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin empfing in der vorigen Woche einige hervorragende Mitglieder des hier tagenden Chirurgen-Kongresses.

Heute empfingen Beide Majestäten die Herzogin von Bedford sowie die Gemahlin des großbritannishen Bot- schafters, Lady Ermyntrude Malet.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nahm im Laufe des gestrigen Vormittags militärishe Meldungen entgegen und empfing um 1 Uhr eine Deputation der Nazareth-Gemeinde.

Heute Morgen i} felgendes Bulletin ausgegeben worden :

«Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reichs uud von Preußen ist heute unter leichten Fiebererscheinungen und mäßigem Katarrh an den Masern erkrankt.

Dr. Wegner.“

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, sowie der Ausschuß desselben für Zoll- und Sicuerwesen hielten heute Sißungen.

Zur Vorfeier des heute stattfindenden 50jährigen Jubiläums des Fustiz-Ministers Dr. Friedberg fand gestern Vormittag im Ministerialgebäude eine Gesammtsißzung der vortragenden Räthe statt. Als der Jubilar in den deko- rirten Sißungssaal trat, erhoben sih sämmilihe Näthe, der Unter - Staatssekretär Nebe - Pflugstädt hielt cine feierliche Ansprache zur Beglückwünschung des Chefs und überreichte Seitens der Räthe des Justiz-Ministeriums, der Bureau- und ‘Unterbeamten ein kostbares Album. Jn tiefbewegten Worten beantwortete der Jubilar die Ansprahe. Dem Album is eine Adresse beigefügt, die der Geheime Ober - Justiz - Rath Pr. Starke mit künstlerisch wvoll- endeten Randgeihnungen und Agquarellmalereien, welche sich auf die Lebensgeschihte des Jubilars beziehen, aus- gestattet hat. Mit dem Album wurden auch sämmtliche Por- träts der jeßigen Beamten des Justiz-Ministeriums überreicht. Dem Minister sind gegen hundert Glückwunschschreiben und Adressen, zumeist in kostbarer, kunstvoller Ausstattung, zu- gegangen. Die Universitäten Tübingen, Berlin und Greifs- wald haben dem Jubilar den Ehrendoktor-Titel verliehen.

Die Schlußberichte über die gestrigenSißzungen des Landtages befinden sih in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (15) Sißung des Herren- hauses, welche der Präsident, Herzog von Natibor, um 11/4 Uhr mit geschäftlichen Mittheilungen eröffnete und welcher am Ministertische mehrere Kommissarien beiwohnten, erstattete zunächst Herr Bredt Bericht über den Geseßentwurf, be- treffend die Erweiterung und V ervollständigung des Staatseisenbahnneßzes und die Betheiligung des Staatés bei mehreren Privat- Eisenbahnunter- nehmungen.

Der Berichterstatter befürwortete den Antrag der Kom- mission:

Das Herrenhaus wolle beschließen :

1) dem vorgenannten Gesetzentwurf in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu geben ; 2) die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen dur die Beschlußfassung zu 1 für erledigt zu erklären.

Herr Bachmann bat, dem Ausbau einiger in Bromberg auslaufender Linien größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dieser Ausbau liege nicht blos im Jnteresse einer Vervollkommnung der Verkehrsverbindungen, sondern werde auch den Germant- sirungsbestrebungèn in Posen wesentlih Vorschub leisten.

Ministerial-Direktor Schneider verwies auf die in der Kommission abgegebene Erklärung des Ministers, daß nicht alle Wünsche auf einmal befriedigt werden könnten, daß aber die Negierung gewissenhaft alle Wünsche prüfen und nah dem vorhandenen Bedürfniß berücksihtigen werde. (Schluß des Blattes.)

Fn der heutigen (63) Sizung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Staats: Minister von Boetticher und der Finanz-Minister Pr. von Scholz nebst Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident mit, daß vom Herrenhause der Gesehentwurf, betreffend die Abänderung der kirchen- politishen Gesetze, eingegangen sei.

Das Haus trat hierauf in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand die erste Berathung des Geseßentwurfs, be- treffend die Gewährung eines Betrages von 90000000 M im Voraus zu den Kosten der ©-- stellung eines Nord-Ostsee-Kanals von Seen Preußens, war.

Der Abg. Dr. Windthorst wies auf die Wichtigkeit dieses Kanalbaues für die Armee und die Flotte hin. Troßdem werde er dem Geseß nur zustimmen können, wenn auch das binnenländishe Kanalprojekt, insbesondere der Rhein-Ems- Kanal zur Ausführung gelange. Die rheinishe Montan-

industrie bedürfe einer besseren Verbindung nah den Nordsee- fen. Er {lage deshalb vor, den Geseßentwurf an die analkommission zu verweisen oder wenigstens die zweite

Lesung desselben G lange hinauszuschieben, bis diese Kom-

mission ihre Arbeiten beendet habe. S

Der Abg. Hansen trat für die Vorlage ein, die lang- gehegten Wünschen der Holsteiner entgegenkomme. :

Der Abg. Dr. Seelig meinte, daß man ledigli zu prüfen haben werde, ob das preußische Jnteresse bei dieser Vorlage in genügender Weise gewahrt sei. Er {lage deshalb vor, dieselbe an die Budgetkommission zu verweisen. :

Der Staats-Minister von Boetticher erklärie, daß nach seiner Auffassung dieser Standpunkt der allein richtige sei. Die Prüfung der militärishen Bedeutung des Kanalprojekts fei Sache des Reichstages gewesen. Dasselbe werde sih für die Landwirthschaft entschieden von Vortheil erweisen, auch komme für Preußen in Betracht, daß durch die Ausführung desselben die Kosten für die Verbesserung des Eider-Kanals er- spart würden. Die Vorlage dürfe niht unter kleinlihen Ge- sichtspunkten beurtheilt werden. Wenn Preußen sih nicht zu einer so hohen Beisteuer bereit erklärt hätte, würde das Pro- jeït chon im Bundesrath gescheitert sein. , ,

Der Abg. Graf Baudissin wies auf die Vortheile hin, welche der Nord-Ostsee-Kanal für die Landwirthschaft haben werde.

Der Abg. Dr. Natorp erklärte gleihfalls, daß er nur, wenn der Ems-Kanal zur Ausführung gelange, für die Vor- lage stimmen könne. |

Der Abg. Dr. Hänel meinte, daß ein Zusammenhang jenes Kanalprojekts mit dieser Vorlage für ihn nicht verständ- lich sei. Er bitte die Vorlage anzunehmen. :

Auf Antrag des Abg. Dr. Windthorst wurde die Vorlage an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Das Haus erledigte sodann noch eine Reihe von Pe- titionen und erklärte die Wahlen der Abgg. Freiherr von Grote, Kleine und von Steinau-Steinrück für gültig.

Schluß 123/4 Uhr. Nächste Sizung Donnerstag 11 Uhr.

Die wegen öffentlicher Beleidigung gemäß 8. 200 des Strafgeseßbuchs erfolgende öffentlihe Bekanntmachung der Vexurtheltüng auf Kosten des Schuldigen hat nah einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 2. Februar d. F., einen pönalen Charakter, und diese Strafe darf nur gegen Denjenigen ausgesprochen werden, welcher eine Beleidigung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften begangen hat, dagegen darf sie niht wegen des in §8. 21 des Preßgeseßes vorgesehenen Fahrlässigkeitsdelikts verfügt werden.

Ein Schmiedemeister, welher die Anfertigung und Veräußerung von Schmiedewaaren in größerem Umfang mit 20 bis 30 Arbeitern und einem Jahresumsay bis auf 18 000 M betvieben hatte, stellte seine Zahlungen ein und wurde, weil er Handelsbücher nicht geführt und auch die den Kaufleuten vorgeschriebenen Vilanzen niht gezogen hatte, wegen einfahen Bankerutts aus §8. 210 Nr. 2 und 3 der Neichs-Konkursordnung angeklagt. Der Angeklagte machte zu seiner Vertheidigung geltend, daß er niht Kaufmann, son- dern Handwerker gewesen, daß er bei seinem Gewerbe- betrieb keine maschinellen Vorrichtungen benußt habe, daß in jedem Falle von vorn herein sein Gewerbebetrieb über den Umfang des Handwerks hinaus nicht beabsichtigt ge- wesen sei, und daß ex fih in einem entshuldbaren Jrrthum über die Natur dès Betriebs als eines kaufmännischen be- funden habe. Die Strafkaminer verurtheilte den Angeklagten, und die von ihm eingelegte Revision wurde vom Rei chs- geriht, IV, Strafsenat, dur Urtheil vom 19. Februar d. J., verworfen, indem der höchste Gerichtshof begründend ausführte: „Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses hat der Angeklagte die Anfertigung von Schmiedewaaren betrieben. Er hat also Waaren angekauft oder auf andere Weise angeschafft, um sie nach einer Bearbei- tung oder Verarbeitung wieder zu veräußern. Er war daher nach Art. 271 Z. 1 und 4 H.-G.-B. als Kaufmann anzusehen. Der erste Richter nimmt weiter an, daß sein Gewerbebetrieb ein „Fabrikationsbetrieb“ gewesen fei. Er schließt dieses aus der Anzahl der vom Angeklagten be- schäftigten Arbeiter und aus dem Betrage des jährlihen Um- saßes. Auf Grund dieser Umstände wird angenommen, daß der Angeklagte geseßlich zur Buchführung verpflichtet gewesen sei. Ein Rechtsirrthum ijt in diesen Ausführungen nicht er- sichtlich; insbesondere konnte der erste Richter unbedenklich aus der Zahl der beschäftigten Arbeiter und dem Betrage des Um-

sabes schließen, daß der Gewerbebetrieb über den Umfang des Handwerks hinausgegangen sei und daher annehmen, daß der Art. 10 des H.-G.-B. keine Anwendung finde. Es ist nicht richtig, daß es für die Frage, ob in Fällen der fraglihen Art ein Gewerbebetrieb über den Umfang des Handwerks hinaus- gehe, der Umstand, ob maschinelle Vorrichtungen benußt seien, entscheidend sei. Darauf, daß der Augeklagte selbst seinen Be- trieb für einen kaufmännischen gehalten hat, kommt es nicht an. Ein Jrrthum in diejer Beziehung würde kein thatsäch- licher sein, sondern den Fnhalt des Strafgeseßes und die rect- lichen Vorausseßungen für die Anwendbarkeit desselben be- treffen. Ein solcher Jrrthum kann mithin den Angeklagten nicht straflos machen. Bezüglich der Pflicht zur Buchführung ist es unerheblih, ob der Angeklagte von vornherein den Be- trieb seines Gewerbes über den Umfang des Handwerks hinaus beabsichtigt oder ob der Betrieb erst später eine solche Aus- dehnung erlangt hat.“

Nah der im RNeichs-Eisenbahnamt aufgestellten, in der Zweiten Beilage veröffentlihten Nachweisung der auf deutschen Eisenbahnen ausschließlich Bayerns im Monat Februar d. F. beim Eisenbahnbetriebe (mit Ausf\{luß der Werkstätten) vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen u verzeichnen : 10 Entgleisungen und 1 Zusammenstoß auf ter Bahn, 25 3 PNO und 15 Busammenstöße in Stationen und 132 sonstige Unfälle (Ueberfahren von Fuhr- werken, Feuer im Zuge, Kesselexplosionen und andere Betriebs- ereignisse, sofern bei lezteren Personen getödtet oder verletzt wor- den sind). Bei diesen Unfällen sind im Ganzen, und zwar größtentheils durch eigenes Verschulden, 142 Personen ver- unglüdt, sowie 48 Eisenbahnfahrzeuge erheblich und 122 uner- heblih beschädigt. Es wurden von den 14 595 383 überhaupt beförderten Reisenden 1 getödtet, 7 verleßt (hiervon ent- fallen die Tödtung auf die Hessische Ludwigs-Eisenbahn, drei bezw. zwei Verleßungen auf die Bahnstrecken im Verwaltu: 1gs- bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion Bromberg bezw. auf die Badischen Nen und je eine Verleßung as die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion Berlin und äuf die Stargard-Küstriner Eisenbahn), von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst beim

eigentlichen CEisenbahnbetriebe 23 getödtet und 82 verleßt und bej verleßt, von seite 4 verleßt; von Steuer- 2c. Beamten 1

mden Personen (einschließlich der niht im en Bahnbeamten und uen 6 P 5 getödtet und

verleßt; von Dienst befindli 11 verleßt; sowie bei Selbstmordversuchen 6 Personen getödtet und 2 verlegt. Von den sämmtlichen Verunglückungen mit Ausschluß der Selbstmorde entfallen auf: A. Staats: bahnen und unter Staatsverwaltung stehende Bahnen (bei zusammen 2881887 km Betriebslänge und 637 744797 geförderten Achskilometern) 126 e, darunter die größte Anzahl auf die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirk der Königlihen Eisenbahn - Direktionen Breslau (18) , Berlin (13) und Köln rectsrheinis{ (12); verhältnißmäßig, d. h. unter Berücksichtigung der geför: derten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Längen, sind jedoch auf der Main-Neckar-Eisenbahn, auf den Bahn: streden 1m Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisen- bahn - Direktion Altona und auf den Badischen Staats- cisenbahnen die meisten Verunglückungen vorgekommen. B. Größere Privatbahnen mit je über 150 kn Betriebslänge (bei zusammen 1648,21 km Betriebslänge und 16 296 181 geförderten Achskilometern) 4 Fälle, und zwar auf die Hessishe Ludwigs-Eisenbahn. C. Kleinere Privat- bahnen mit je unter 150 km Betriebslänge (bej zusammen 144751 km Betriebslänge und 7 945 351 geförder- ten Achskilometern) 4 Fälle, und zwar auf die Stargard- Küstriner Eisenbahn 3 Fälle und auf die Breslau-Warschauer Eisenbahn 1 Fall.

Der Regierungs-Rath Thomas ist von der General: Kommission in Brömberg als etatsmäßiges Mitglied an die General-Kommission zu Frankfurt a. O. verseßt worden.

Der bisherige kommissarishe Hülfsarbeiter bei dem Ober-Landeskulturgeriht, Regierungs-Rath Pelzer, ist der General-Kommission zu Hannover als etatsmäßiges Mitglied überwiesen worden.

Württemberg. Stuttgart, 13. April. (W. T. B.) Das hohe neuvermählte Paar, Prinz und Prinzessin Wilhelm hielten heute unter dem Jubel der Bevölkerung durch die prächtig geschmückten Straßen ihren Einzug in die Stadt. Auf dem Bahnhof waren Jhre Königlichen Hoheiten von den Mitgliedern des Königlichen Hauses, den Hofchargen, den Staats-Ministern, den Bürgerkollegien und der Geistlich- keit empfangen und begrüßt worden.

Baden. Karlsruhe, 12. April. (Karlsr. Ztg.) Ueber das Befinden des Erbgroßherzogs is heute nah: stehendes Bulletin erschienen:

Mit der Schwellung und Schmerzhaftigkeit des Kniegelenkes bielt die höhere Körvertemperatur gestern den Tag über an. Die Nacht verlief \{lafreich, doch is auch heute Morgen bei Fortdauer der erwähnten Gelenk-Affektion noch eine geringe Temperatursteigerung vorhanden, Die Athmung fortdauernd frei. Dr. Tenner.

Que B CLanbtag wid an non Donnerstag durh den Großherzog geschlossen werden. Die Erste Kammer hat in der leßten Woche u. A. die Gründung einer Landeskreditkasse zu empfehlen beschlossen, nachdem diese Frage schon vor zwei Jahren auf der Tagesordnung gestanden und dem jeßigen Landtag gegen 150 Bittschriften von länd- lichen Vereinen u. st. w. um Schaffung eines solchen Jnstituts zugekommen waren. Mehrere andere Gesezentwürfe, welche schon in der Zweiten Kammer behandelt worden, erhielten gleichfalls Genehmigung nah den Beschlüssen dieses Hauses. Bon wichtigeren Beschlüssen seien genannt die einstimmige Annahme der Vorlage über die Fleischsteuer, wodurch die bis- herige Besteuerung im Jnteresse der Meßger, der Konsumente! und der Landwirthe besser geregelt wird, die Zustimmung zur Fortführung der Wiesenthalbahn von Zell nah Todtnau, die An- nahme der Gesezentwürfe über die Wahl der Abgeordneten zur Kreisversammlung und die Aufbringung des Kreisaufwandes, wodurch die bezüglichen bisherigen Bestimmungen mit den ver- änderten Steuergeseben in Einklang gebracht werden, und über die Aufnahme der als Staatsdiener angestellten evangelischen Geistlichen in den Civildiener Wittwen-Fiskus. Diese sogenannten geistlichen Staatsdiener, welche auf dem Gebiet der Schule thätig sind, waren bisher auf die geistliche Wittwenfkasse an- gewiesen. Ferner wurden die Geseßentwürfe über die Ab- änderung des Handelskammergesetes, über die Ausübung und den Schuß der Fischerei wie über die Zwangserziehung jugend- licher Personen angenommen. Zwölf ultramontane Kammer- mitglieder haben gestern folgende Jnterpellation eingebracht: „Gedenktt die Großherzogliche Regierung die kirchenpolitische Geseßgebung des Landes nah dem Vorgang Preußens einer Revision zu unterziehen?“ Diese Anfrage hängt mit dem Beschluß der Partei zusammen, keine Anträge auf Nevision der Kirchengeseße zu stellen, so lange in Preußen noch nichts beschlossen ist, und wohl auch mit dem Beschluß der Petitions- fommission, über die Massenpetitionen um Zulassung von Ordensgeistlichen zur Ausübung der Seelsorge zur Tages- ordnung überzugehen. :

13. April. (W.T.B.) Das Staats-Ministerium hat der Kammer in einem Schreiben mitgetheilt, daß die Regierung nicht in der Lage sei, die eingebrachte kleritale Jntèrpellätion, betreffend eine Revision der kirchen politischen Geseße, nah dem Vorgange Preußens, zu Veantworten “Dit Petitions- K ommission empfiehlt dem Hause, auf die Berathung Des Berichts über die Ordensmissions-Petitionen nit mehr einzugehen.

15, April, Abends. (W. T. B.) DieKammer bescch;loß mit allen gegen die Stimtnen der Klerikalen über die Berathung, betreffend die O rdensmissions-Petitionen, zur Tages- ordnung überzugehen. Die Liberalen ftimmten geschlossen.

_ Waldeck. Arolsen, 10. April. (St.-A. f. W.) Gestern Abend nach 10 Uhr kam das neuvermählte württem- bergishe Prinzlihe Paar hier an, nachdem die Prin- zessin Pauline schon Nachmittags bei ihren Fürstlihen Groß- eltern eingetroffen war. Die Neuvermählten waren an der Landesgrenze von den Behörden empfangen worden, und mitten im Walde hatte das Waldecks{chè Forstpersonal in voller waidmännischer Ausrüstung eine Ovation dargebracht. Hier waren die Häuser beflaggt; die Bürger bildeten mit Fadckeln Spalier und gaben dem Wagen das Geleit nah dem hell er- leuhteten Residenzschloß. Mit einem begeisterten Hoch be- willkommnete das Volk die Herrschaften, welhe von dem Fürstlihen Paar am Portal aufs Herzlichste begrüßt wurden. Heute war Gratulationscour im Schlosse. Nachher machten Prinz und. Prinzessin Wilhelm in der Umgebung der Residenz elne Spazierfahrt. Für heute und morgen sind zahl- reiche Einladungen zu Hof ergangen.

Elsaß-Lothringen. Straßbur K 12. April. (Lds.-Ztg. f. Els.-Lothr.) Bezüglich der Kaiser-Man över ist nunmehr Nachstehendes festgeseßt: Sonnabend, 11. September: Große Parade bei Straßburg. Sonntag, 12. September: Ruhéetag. Montag, 13. September bis Sonnabend, 18. September: Corpsmanöver gegen einen marfirten Feind und 3 tägige eldmanöver der Divisionen gegen einander unter Ein- haltung zweier Ruhe- bezw. Marschtage in dem Gebiet zwischen ¿gb und Moder. Das Allerhöchste Hauptquartier wird während der gesammten Dauer der Uebungen nach Straßburg verlegt werden.

Oesterreich-Ungarn. Wicn, 13. April. (Wien. Abdp.) Im Abgeordnetenhause wurde gestern die Spezialdebatte über den Voranschlag des Justiz-Vinisteriums fort- gefeßt. Seitens der Regierung nahmen der Minister und Leiter des Justiz-Ministeriums, Px. Freiherr von Prazak, sowie der Ministerial-Rath Ritter von Pichs an der Diskussion Theil.

; Pest, 12. April. (Prag. Ztg.) Das Abgeordneten- haus erledigte heute die Spezialberathung des Gemeinde- geseßes;, die §8. 90 bis 108, betreffend das Disziplinar- verfahren, wurden mit Rücksicht auf den eingebrachten Geseßz- entwurf über die Disziplinarbehandlung der Beamten auf Antrag des Abg. Gyöcy, welchem sih der Minister-Präsident Tisza anschloß, bis nach der Erledigung des leßterwähnten Geseßes in der Schwebe belassen.

Niederlande. Haag, 13. April. (W. T. B.) Das gesammte Kabinet hat seine Entlassung gegeben. Gutem Vernehmen nach erfolgt der Rücktritt wegen der Ab- stimmung der Kammer am9. d. M. über Verfassungs- veränderungen in Betreff des Unterrichts wesens, da zu befürchten sei, daß bei der von der Rechten in jener Sizung beobachteten Haltung die beantragte Revision der Verfassung scheitern werde. Eine Entscheidung des Königs ist noch mcht erfolgt.

Großzbritannien und Jrland. London, 13. April. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Oberhaufes theilte der Staatssekretär des Auswärtigen, Lord NRosebery, mit: obwohl Fürst Alexander von Bulgarien noch Einwände gegen die Bedingung aufrecht erhalte, die seine Ernennung zum General-Gouverneur von Ost-Rumelien nach fünf Jahren einer Erneuerung unterwirft, so habe derselbe doh dem Großvezier angezeigt, daß er, im Hinblick auf den einstimmigen Beschluß der Mächte, bereit sei, sich dem von ihren Vertretern unterzeichneten internationalen Akt zu fügen und sofort die bulgarischen Mitglieder für die verschiedenen in dem Abkommen einzeln angegebenen Kommissionen zu er- nennen.

Im Unterhause wurde die erste Berathung der irishen Verwaltungs bill fortgeseßt. Der Schaßkanzler Harcourt sprach sih abfällig über die von Trevelyan, Chamberlain und Hartington aufgestellten Gegen- projekte aus, deren Hauptfehler sei, daß Niemand sie accep- tiren könne. Es handle sih Jrland gegenüber entweder um den von der Regierung vorgelegten Plan oder um Zwangs- geseße. Dazu aber gehöre eine starke, einige und von einer überwältigenden Majorität im Unterhause unterstüzte Regie- rung; eine solche Regierung sei jedenfalls nicht in einem Koalitions-Ministerium zu finden.

Graf Elgin is zum Bauten - Minister ernannt worden.

14. April. (W. T. B) Im weiteren Verlauf der gestrigen Unterhaus-Sißung widerlegte der Premier Gladstone die Argumente der Gegner der Bill und erklärte, indem er auf seine Rede bei der Einbringung der Bill zurück- fam: er habe nicht gesagt, daß die Reichskontrole über die Zölle und Accife sowie die Ausschließung der irischen Vertreter von dem Neichsparlamente wesentlihe Prinzipien der Bill seien. gJnzwischen sei die Zulassung irisher Vertreter mit be- shränkten Befugnissen oder in verminderter Zahl angeregt worden ; die Regierung habe kein Recht, in dem gegenwärtigen Stadium der Bill der Erwägung dieser Fragen die Thür zu Ms Die Vill wurde {hließlich in erster Lesung ohne besondere Abstimmung angenommen und die zweite Lesung auf den 6. Mai festgeseßt.

Die „Times“ unterzieht die griehishe Frage einer Vesprehung und hält die Zeit für gekommen, um ein U[- timatum an Griechenland zu richten, worin dasselbe aufgefordert werde, seine Nüstungen innerhalb 14 Tagen ein- zustellen, widrigenfalls der Türkei freie Hand gelassen werden würde, der griechishen Drohungen si zu entledigen.

(Allg. Corr.) Aus Mandalay telegraphirt der Correspondent der „Times“ unterm 11. ds.:

Hmat - Gchi, der Alompra - Prätendent im Distrikt Moutshobo, hat eine ernste Niederlage crlitten.“ Am 9. ds, zer]prengte Kapitän Smyth vie aus 600 Mann bestehenden Außenposten des Prinzen etwa 32 Meilen nördlich von Moutshobo. Die Rebellen wurden mit {weren Verlusten über den Mu-Fluß getrieben. Alsdann wurde __das 2000 Mann starke Gros bei Kalbiystee angegriffen und zersprengt. Der

inz und einige seiner Anbänger flüchteten nördlih durch das dichte Vebüsh, Am 5. ds. besiegte Oberst Dicken die Streitkräfte des auderen Alompra-Prätendenten, des Kyounzain-Prinzen, bei Hleingdet, im Südosten von Mandalay. Dieselben zählten etwa 800 Mann. er Feind verlor 12 Mann an Todten.

Frankreih. Paris, 13. April. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizßung der Deputirtenkammer inter- pellirte Graf Mun (von der Rechten) die Negierung über die Vorgänge in Lacombe und beschuldigte die Behörden : die freie Neligionsübung angetastet und das Hausrecht verleßt zu haben. Die Bevölkerung habe das Recht gehabt, ihren

lauben zu vertheidigen, und der Direktor der Fabrik, Fischer, sei berechtigt gewesen, mit bewaffneter Hand Widerstand zu leisten (Beifall der Rechten, Proteste der Linken). Der Kultus-Minister Goblet erklärte: die Regierung sei voll- sländig befugt gewesen, die Kapelle, welche ohne staatliche Ge- nehmigung eröffnet worden sei, zu {hließen. Der Minister gab sodann auf Grund der amtlichen Berichte eine Darstellung der Vorgänge und fügte hinzu: es handle sich um einen vor- bedahten Aufruhr; die Haltung Fischers sei eine im hohen Grade herausfordernde gewesen. Die Behörden hätten völlig korrekt gehandelt. Der Pfarrer Guillot sei der Hauptschuldige und er Hauptanstister des Aufruhrs gewesen ; wahrscheinli dürfte erselbe jeßt. bereits verhaftet sein. Die übrigen Aufwiegler gäben ih für Konservative aus, predigten aber unter dem orwande der Freiheit den Bürgerkrieg (Beifall der Linken, Proteste der Rechten). Die Sißung wurde hierauf auf:

gehoben. Nach Wiederaufnahme derselben wurde das von der Nechten beantragte Tadelsvotum gegen die Regierung abgelehnt und mit 340 gegen 187 Stimmen eine Tages- ordnung angenommen, welche die Erklärung des Kultus- Ministers bezüglih des Rechts des Staates, die Kapelle zu schließen, billigt.

Griechenland. Athen, 13. April. (W. T. B) Die Deputirtenkammer genehmigte heute die von der Negierung vorgelegten Geseßentwür fe, darunter denjenigen, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 25 Millionen Drachmen.

Türkei. Konstantinopel, 13. April. (W. T. B.) Das neueste von der Pforte in Betreff der Entwaffnung Griechenlands an die Mächte gerichtete Nundschreiben hebt hervor, daß nunmehr, wo die bulgarische Ange- legenheit durch die Zustimmung des Fürsten Alexander zu dem Konferenzbeshluß erledigt sei, Mittel gesucht werden müßten, um dem Stande der Dinge an der griehishen Grenze ein Ende zu machen, da die kriegerise Haltung Griechenlands die Pforte nöthige, dauernd bedeutende Ausgaben zu machen, um die Armee auf dem Kriegsfuße zu erhalten.

Rumänien. Bukarest, 14. April. (W. T. B.) Zu dem der Kammer vorgelegten autonomen Zolltarif be- antragt die Kommission: für Nohstoffe und Konfektions- gegenstände, welche Rumänien nicht erzeugen kann, rein fiskalishe Einfuhrzölle; für Stoffe und Konfektionsgegenstände, welche Rumänien fabriziren kann, Einfuhrzölle, welche die rumänischen Produkte begünstigen, und für Stoffe, wobei Rumänien ein Fnteresse hat, sich dieselben zu möglichst billigen Preisen zu verschaffen, Befreiung von allen Zöllen.

Rufßïand und Polen. St. Petersburg, 14. April. (W. T. B.) Der Großfürst Michael Nikolajewitsch ist nebst Gemahlin gestern Abend nah Ai-todox in der Krim abgereist.

Amerika. New-York, 13. April. (W. T. B.) Außer dem bereits am 18. v. V. verhafteten Munizipalitäts-Mitalied Jaehne sind noch 11 andere Munizipalitäts-Mit- glieder, welche dieser Körperschaft im Jahre 1884 an- gehörten, unter der Anschuldigung verhaftet worden, von n Gründern der Broadway-Railway bestochen gewesen zu sein.

Zeitungsstimmen.

In den soeben erschienenen Jahresberichten der bayerischen Fabrikinspektoren findet die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ u. A. eine Bestätigung für die Nichtigkeit der deutschen Wirthschaftspolitik, die um so werthvoller sei, als dieselbe von vollständig unbetheiligter Seite ausgehe.

Der Fabrikinspektor für die Pfalz berichtet nämli, daß die Leinenzwirnerei, deren vollständiges Erlöschen durch Einstellung des leßten Betriebes iun Jahresbericht pro 1882 konstatirt werden mußte, in den leßten Monaten des verflossenen Jahres 1885 wieder aufzuleben begonnen hat, Dic seit einer Reihe von Jahren süll liegende größte Fabrik in diesem Industriezweige, in welcher früher mehrere Hundert Arbeiter beschäftigt worden sein sollen, ist von ciner Gesellschaft belgisher Spinnereibesißer zu einem verhältnißmäßig geringen Preise angekauft und wieder in Betrieb gescßt worden. Als Grund für diese neuerdings möglich gewordene Anfertigung von Leinenzwirn wurde die Erhöhung der deutschen Zollsätze angegeben.

Auch in einem anderen Zweige der Tertilindustrie ist der Neubau eines Etablissements entstanden, welches im Laufe des Frühlings oder Sommers des gegenwärtigen Jahres 1586 seinen Betrieb beginnen wird. Es ift dies eine Baumwollspinnerei für so feine Garnnummercn, wie sie bisher in Deutschland nicht gesponnen worden fein sollen. Die Entstehung dieser Fabrik wird gleiher Weise den veränderten Zollverhältnissen zugeschrieben, und der Begründer derselben ift eben- falls cin Ausländer, ein Schweizer.

So der genannte Fabrikinspektor.

Auch nah den Berichten der Fabrikinspektoren für die rechts- rheinischen Provinzen darf man annehmen, daß die bayerische Industrie im Allgemeinen im Jahre 1885 keinen Nückgang zu verzeichnen hat. Der Fabrikinspektor für Oberbayern x. bemerkt, daß bie neuen Unter- nehmungen, die im Jahre 1885 entstanden, an Bedeutung bei Weitem die aufgegebenen überragen, und daß er cine Verstärkung der Arbeits- fräfte in mehreren Fabrifen wahrgenommen habe, cine Verminderung nur in einzelnen. Der Fabrikinspektor für die drei fränkishen Me- gierungs8bezirke und die Oberpfalz hat im Jahre 1885 in seinem Bezirk 23 Fabriken neu entstanden vorgefunden und inspizirt, wogegen er nur drei Fabriken erwähnt, die ihrcn Betrieb einstellten.

Die „Leipziger Zeitung“ giebt unter der Ueber- schrift „Hat sih die Lage der gewerblichen Lohnarbeiter seit 1879 gebessert?“ folgenden statistishen Ausführungen Naum:

Die seit 1879 eingetretene Steigerung des Volkscinfommens hat sich bekanntli auf die einzelnen Einkommenquellen sebr verschieden vertheilt. Denn es f\tieg von 1879 bis 1884 in Sachsen das Ein- fommen aus:

Renten von . Lohn und Gehalt o 064001115 44TI42O M = 27,4%;

Handel und Ge- werbe von . . 350379804 „, 395 243087 Æ = 6,8 9/0, Grundbesitz von 218238971 „, 233249745 M = 6,99/0.

Nächst dem Menteneinkommen war es sonach das Einkommen aus Lohn und Gehalt, welches den stärksten Zuwachs erfahren hat.

Welchem der drei großen Erwerbsgruppen, ob der Landwirth- schaft, dem Handel oder der Industrie, diese Vermehrung des Lohn- cinkommens vorzugsweise zu Gute ging, wird sich auf Heller und Pfennig nur auf Grund einer diese Frage speziell behandelnden Ein- kommensstatiftik nahrechnen lassen, welhe zur Zeit noch fehlt. Allge- mein läßt sich indeß die Frage bereits auf Grund des bis jetzt publi- zirten Materials, und zwar mit aller Bestimmtheit, beantworten.

Sehen wir zunächst zu, wie sich das Einkommen aus „Gehalt und Lohn“ auf die einzelnen Steuerkreise vertheilt. Es stieg dasselbe im Steuerkreise

Zwickau von 116 410 780 auf 159 838 856 4 = 38,1 9%,

Leipzig , 98107147 , 121765589 „, = 24,1 %;

Dresden , 115896395 143563 193 289%,

Bauten 34236793 , 839546632 ; = 15,5 %.

Der bei weitem gewerbreihste Theil unseres Landes, der Steuer- kreis Zwickau, zeigt also die stärkste Zunahme des Lohneinkommens ; am geringsten ist diese Steigerung im Baugtzener Bezirk, der nicht nur absolut, sondern au verhältnißmäßig die geringste Zahl gewerb- licher Lohnarbeitec zählt, Will man weiter spezialisiren und aus dem gesammten Lohneinkommen, foweit thunlich, das aus Handel und Landwirthschaft herrührende ausscheiden, fo ftehen f?r diesen Zwet nur die Ziffern der Jahre 1880 und 1884 zu Gebote. Aus diesen ergiebt sich, daß in dieser Periode das Einkommen aus Lohn und Gehalt gestiegen ift in den Städten in den Dörfern « 183 568 072 in Stadt Chemniß „, 18047561 in Stadt L «09022874

111713 392 auf 142467515 A = 27/6 %,

von 196 297 873 auf 245 770465 M = %5,2 9/0, 218 943 805 ,

96 148 240 ,

43187082

Es sind nur wenige Zablen, die uns für diesen Zweck zur Ver- fügung standen, aber sie sind, wie wir glauben, charafteristisck. Denn erstens ergiebt sich, wenn man troß unserer industriell dursetten Landbevölfkerung das Lohneinkommen derselben doch noch vorzugêweise auf den Betrieb der Landwirthschaft zurückführen und das Lobn-

einkommen der Stadtbevölkerung ganz überwiegend als gewerbliches

betrachten darf, die ungleich böhere Steigerung, welche das Lohn- einkommen in Handel und Gewerbe gegenüber dem landwirtbschaft- lien Lohneinkommen erfahren hat; und zweitens zeigt die Gegen- überfstelung von Leipzig als Handelsstadt und Chemniß als Fabrik- stadt, daß die Steigerung des Lohneinkommens in der Industrie ganz bedeutend stärker gewesen is als selbst im Handel.

Wenn der geneigte Leser mit diesem Ergebnisse die Resultate unserer früheren Besprehungen der leßten Cinkommenabschätzung, namentli die in Nr. 50 und 56 berechnecten Ziffern, vergleichen will, wird er dicselben allenthalben übercinstimmend befinden. Die absoluten Einkommenziffern sowohl der Handelsstadt Leipzig als der ländlichen Distrikte in bester landwirths{chaftliher Pflege waren höher als die der industriellen, gebirgischen Distrikte; aber relativ zeigten die letzteren größere Fortschritte als die ersten. Daß diese Steigerung des in- dustriellen Einkommens vorzugsweise der lohnarbeitenden Bevölkerung zu Gute gekommen ist, beweist die obige Zerlegung des Gesammtein- tommens in feine vier Hauptguellen.

Gleichzeitig wird durch die vorstehenden Ziffern aber au be- wiesen, daß die Verschiebung der Einkommenverhältnisse zu Ungunsten des kleinen Mittelstandes, die wir in Nr. 18 und 72 fonstatirten, die Klasse der gewerblichen Lohnarbeiter uicht berührt. Allem Anschein nah ift es sonach der Handwerkerstand gewesen, der die Kosten der allgemeinen Einkommensteigerung getragen hat.

Dex „DUüNseldorfer Anzeiger Grei über „Die Noth der Landwirthschaft“ :

Oeute noch von der Noth der Landwirthschaft zu reden, ist eigent- lih ein recht undankbares Geschäft: dem Einen sagt man damit nichts Neues, die Anderen wollen sih nicht belehren lassen, wieder Andere glauben, mit den landwirthschaftlihen Zöllen fei für die Be- dürfnisse der Landwirthschaft genug geschehen, und Andere wieder meinen, die Aufgabe, diese Noth zu beseitigen, fei cine so große, daß man gar nicht weiß, wo man anfangen foll von denjenigen nit zu reden, welche der Anficht sind, der Landwirthschaft könne überhaupt nicht geholfen werden.

Unter solchen Umständen ift es für die Landwirthschaft sehr \{wer, ih Gehör zu verschaffen und an das Ziel zu gelangen. Aber unsere Landwirthe haben, Gott sei Dank, eine zähe Natur, die sie nicht nur bei aller Noth über Wasser hält, sondern ihnen auch die nöthige Ausdauer giebt, immer und immer wieder ihre Stimme zu erheben, bis man sie hört. Dem Reichstage liegen in dieser Session 320 Pe- titionen von landwirthschaftlichen oder Bauernvereinen und außerdem eine Denkschrift von dem landwirthschaftlihen Centralverein für Slesfien vor, welche alle sammt und sonders die große Bedrängniß schildern, unter der das landwirthschaftlihe Erwerbsleben zu leiden hat. In ihren Wünschen und Zielen weichen sie vielfach von ein- ander ab, aber in der Darstellung der Verhältnisse und der Noth stimmen sie überein

Diese Petitionen haben in der Petitionskommission des MReichs- tages eine eingehende Erörterung gesunden, worüber jetzt ein Bericht erstattet worden ist. Auch Hier hat es niht an Stinumen gefehlt, welche sih auf das Ableugnen der Thatsachen legen und den Schaden nach Bogel-Strauß-Manier dadurch aus der Welt schaffen zu können meinen, daß sie ihre Augen dagegen vcrschließen. Die Mehrheit indeß glaubte, daß es sich empfehlen würde, zur Klarlegung der gegenwärtigen Lage des ländlihen Besitzes cine Enquete zu veranstalten, insbesondere über die Verhältnisse des ländlichen Besites im Allgemeinen, über die Belastung desselben mit Hypotheken, staatlichen, kommunalen, Genossen]cchafts- und anderen Lasten, und über die Rentabilität der landwirthschaftlihen Güter, Da es sih nur um eine Untersuchung der fraglichen Verhältnisse handeln foll, konnten {ließlich selbst die- jenigen diesem Antrage zustimmen, welhe im Voraus überzeugt find, daz sich bei der Untersuchung die Grundlosigkeit der Klagen heraus- stellen werde.

Ctwas Anderes und Besseres konnte die Kommission in dieser Sache wohl nicht beschließen, und damit wird wenigstens das errciht, daß die Frage der landwirthschaftlichen Noth zur Verhandlung in einer Plenarsißung des Reichstages kommen wird. Und das ist immer {hon Etwas. Ob eine Enquete von Reichswegen durchführbar oder überhaupt von praktischem Erfolg sein wird, ist cine andere Frage. Wir meinen, die verschiedenen Enqueten in den einzelnen Ländern, namentlih in Preußen, über Verschuldung und Belastung, die Beobachtungen, die Jeder, wenn er cin offenes Auge und Ohr hat, aus den verschiedensten Veranlassungen über den Nück- gang der Landwirthschaft machen kann, ftellen die Noth außer Zweifel und weisen zur Genüge darauf hin, daß die Zeit zum Handeln ge- fommen ift. Jedenfalls sollte man si dur eine Enquete nicht daran hindern lassen das zu thun, was schon jetzt allseitig als nothwendig erkannt ist: Entlastung von den drückenden kommunalen Abgaben. Hier hätte der Reichstag ih bereits durch Beschaffung dazu erkorder- liher Mittel ein großes Verdienst erwerben können. Was belfen die Betheuerungen von dem Interesse für die Landwirthschaft, wenn dasselbe nicht durch cine unzweideutige That bewiesen wird? Der Reichs- tag hat aber das auch nah anderen Richtungen hin für die Landwirth- schaft fehr nützliche Branntnein-Monopok abgelehnt, welches die Mittel zur Erleichterung eines Hauptdrucks des Grundbesitzes geboten haben würde. Aber freilich, was is gewissen Parteien die Noth der Land- wirthschaft? Viel wichtiger ist ihnen ein Parteisieg oder eine sog. Niederlage der Regierung! So lange aber parlamentarishe Kämpfe und Parteisiege als eine Hauptsache erachtet werden, kann die Land- wirthschaft darauf renen, daß sie das Nachschen haben und aus ihrer Noth gewiß vicht herauskommen wird. Unsere Landwirthe werden ihre Zähigkeit noch lange erproben müssen, \{ließlich aber damit auch erreichen können, was ihnen Noth thut, wenn sie ih nur die Erfahrungen mit dem gegenwärtigen Ncichstage zu Herzen nehmen und dafür sorgen, daß der zukünftige ein besseres Verständniß für ibr Noth hat.

Statistische Nachrichten.

Das Statistishe Amt der Stadt Breslau hat vor kurzem feine Monatsberichte für das Jahr ‘1585 veröffentlicht. Wir ent- nehmen dem, sich über alle Zweigc der städti “-n Verwaltung ver- breilenden Heft die nachstehenden Angaben übcr die im Etatsjabre 1884/5 in der städtischen Bezirk8-Armenpflege gestandenen Almofen- gencssen und Koslkinder. In den verschiedenen Kalend-rmonaten des Berichtsjahres war die Zahl der Kosikinder sowie ter Betrag des für sie aufgewendeten Kostgeldes recht versclicden; die Zahlen {wankten zwischen 648 Kivydern im Mai 1884 mit 4060 # Kostgeld und 327 Kindern im März 1885 mit 5068 4 Kostgeld. Durchschnittlich erhielten 732 Kostkinder 54497 Æ Pflegegelder. Die Durchschnitts zahl der Almosenempfänger belief sich auf 4212 Perfonen, die für sie aufgewendete Summe erreihte eine Höhe von 254651 4 Sowohl vie Zahl der Kostkinder und Almosenempfänger als auch der Betrag der sür sie aufgewendeten Mittel ist stetig gestiegen, wie folgende Zu- fammenstellungen ausweisen. Auf 1000 Einwohner entfielen

in den Jahren 1881/2 1882/3 1883/4 1884/5

Almosenempfänger . . . 13,6 14,0 14,1 14,3

A e M 24 292 25: die monatliche Unterstützung betrug (in Mark)

in den Jahren 1881/2 1882/3 1883/4 1884/5 für cinen Almosenempfänger 4,74 4,80 4,98 5,04 r a O 009 6,04 6,25 6,20.

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