1886 / 106 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 May 1886 18:00:01 GMT) scan diff

3) 20. Mai, 4 Uhr Nm. Rathhaus zu Lauwe, Provinz West- gadern. Bau eines Kommunalweges. Voranschlag 127 499 Fr.

äheres auf dem Gemeinde-Sekr-iariat von Lauwe.

4) Nächstens. Börse zu Brüssel. Bau eines Ankunftëbahnhefes mit Annexen zu Station Vrüfsel-Nord (Seite der rue de Brabant). azoranschlag 355 488 Fr. Vorläufige Kaution 9000 Fr. Näheres beim Ingenieur en chef, Direktor Goffin, rue Latérale Nr. 2, zu Brüfsel und beim Architekten Laurey8, boulevard äu Nord Nr. 9,

zu Brüffel. Sanitätswesen und Quarantänewesen.

Portugal.

Durch eine unterm 26. April 1886 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die füdlihen Häfen Spaniens am Atlantishen Ocean (,R.-A.“ Nr. 75 vom 27. März 1886), sowie dec Hafen von Gibraltar (,„,N. A.* Nr. 294 vom 15. Dezember 1885) für e von Cholera erklärt worden.

Tunis.

Durch ministerielle Verfügung vom 23. April 1886 ist für Pro- venienzen aus Brindisi und Umgegend eine fünftägige, für Provenienzen aus Sardinien eine 24\stündige medizinat-polizeilihe Beobachtung, für Provenienzen aus dem übrigen Jtalien dagegen cine dreitägige Be- sichtigung der bezeihneten Art vorgeschrieben worden. (Vgl. „R.-A.“ Nr. 103 vom 1. Mai 1886.)

Berlin, 5. Mai 1886.

Dem A ndenken des General-Feldmarschall s Jacob Keith. (Schluß.)

Der König bewahrte Keith bis zum eigenen Ende hohe Achtung. Er fagt in der „Histoirs de mon temps“: „Der Graf von Münnich, welcher aus sächsishem in den Dienst Peters I. übertrat, stand an der Spiße der russishen Armee; das war der Prinz Cugen der Mos- kowiter, er hatte die Tugenden und die Fehler der großen Generale . …_. Lacy (der Vater des österreichischen Generals), Keith, Löwendal und andere tüchtige Fe!èherren bildeten sich in seiner Schule“, und in der „Histoire de la guerre de sept ans“ beißt es: „Der König machte eine gute Erwerbung, indem er aus Rußland den Marschall Keith in seine Dienste zog. Das war ein Mann, sanft im Umgange, reih an Tugenden und Sitten, von Kenntnissen für seinen Beruf und bei der höchsten Feinheit im Benehmen von einer heroischen Tapferkeit am Tage der Schlacht“. Hochinteressant sind die Urtheile über Keith, welhe Catt aus dem Munde des Königs in den „Memoiren“ berichtet: „Der Marschall ist ein bewundernswürdiger Mann“, rühmt der Monarch einmal; „er vereinigt in sich die Vor- theile der Kaltblütigkeit, eines großen Genics und langjähriger Er- fahrung, sein Muth ift erprobt. Niemals unsicher, niemals unent- [chlossen, hat er nur den cinen Fehler, daß er unsere Sprache nicht versteht, und das bringt manhmal Unklarheit in die Befehle, welche er ertheilt. Für den Krieg, die Politik und für die Wissenschaften ist er geboren, und ich kann mi seiner mit Vortheil in allen möôg- lihen Fällen bedienen... . In der Unterhaltung ist der Marschall schr witzig und angenehm und übertrifft hierin bei Weitem alle Anderen: mit der cernstesten Miene von der Welt erzählt er die drolligsten Geschichten bei schneidiger Schlag- fertigkeit. Eines Tages sagte man an meiner Tafel, daß das Pferd des Generals Apraxin in der Schlacht bei Jägerndorf verwundet worden sei. „Ja“, fiel der Marschall ein, „mit den Sporen !“ Unwittelbar nah der Schlacht bei Hochkirch klagt der König: „Mein theurer Marschall Keith ist nicht mehr! Das ist cin \{chwerer Verlust für die Gesellshaft und für die Armee!“ Dann fügt er hinzu: „Er vereinigte mit seinen Talenten einen entschiedenen Heldentnuthz; diefer Heldenmuth is in seiner Familie erblih!“ 2wei Tage später fommt er wieder auf ihn zu sprehen: „Er hatte einen weiten Blick, und was er sah, das war unter allen Umständen rihtig! er war mir mit dem größten Eifer und mit einer beispiellofen Uneigen- nüßigkeit ergeben! Wie foll ih jemals diesen Verlust erseßen!“ Der Prinz Heinrih rühmt von Keith auf dem zu Rheinsberg errichteten Obelisken: „Mit der größten Biederkeit vereinigte er die ausgebreitetsten Kenntnisse“, und die vier Worte, welche Lord Marschall an Maupertuis nach Basel schrieb, der ausführlihe Nachrichten über den Todten zum Zwecke eines akademischen Cloge erbeten hatte, lauten: „Probus vixit, fortis obiit.“

Der Sanftmuth, welche der König vor Keiths anderen Tugenden erwähnt, entsprah die Menschlichkeit und Schonung in seiner Krie«- führung. Im Jahre 1734 wußte er den grausamen Befehl des Fürsten Schachoffskoi, der in Volhynien das Oberkommando hatte, eine große Strecke des Landes rings im Umkreise mit 3000 Neitern zu verwüsten, nah fruchtlosen Gegenvorstellungen dadur rüctgängig zu machen, daß er nah einem Scheinversuch der Ausführung erklärte, bei fortgeseßter Verwüstung des Landes müßten die russischen Truppen Vungers sterben, was dann der Fürst allein zu verantworten haben würde. In Wilmanstrand {übte er, persönlich eingreifend, die webrlosen Einwohner vor der Wuth der A Soldateska und verpflanzte die geretteten nah Rußland. Auch seine Feinde er- kannten folche Tugenden an. Der Feldmarschall Browne sandte ihm im Winter nach der Schlacht bei Lobosiß ein Faß vortrefflichen Weines als Zeichen seiner Hochachtung. Vie russischen Soldaten nannten Keith „ihren Vater“. Aber der Feldmarschall Keith war bei aller Milde ein eiserner Mann, wo es sich um Gerechtigkeit handelte. Wie er, ein Feind der Lüge, in allen Lebenslagen frei- müthig und unerschrocken die Wahrheit sagte, so verfoht er das Rechte auch durch die That. Als einst ein Prinz von Hessen - Homburag, welher als General in russischen Diensten stand und durch Verrath den Feldmarschall Dolgorucki gestürzt hatte, Keith zumuthete, gleich- falls die Rolle des Angebers zu übernehmen, fertigte er ihn sarkastisch ab, und als der Prinz sih denno niht \ceute, den Fürsten in Keiths Gegenwart öffentlich zu verunglimpfen, sagte dieser: dem Prinzen mache der Name eines Angebers wenig Ehre, denn er sei der erste Prinz des Reichs, der solcherlei Geschäfte betreibe. Während seines Oberbefehls in dcr Ukraine, 1736, zwang er den Großfeldherrn von Polen, Potocki, welcher vertrauensbrühig den moldauischen Fürsten Kantemir den Türken ausliefern wollte, unter den härtesten Drohungen, Diesen frei zu geben. Durch eine „stolze und freie Ab- geschlossenheit und kraftvolles Beruhen auf sih selbst“ stach Keith von den anderen Generalen, denen oft Eifersuht und Ränke nicht fremd waren, vortheilha\i ab. Selbst Winterfeldt foll 1756 gegen Keith intriguirt haben. Bei dem Abzuge von Prag, im Jahre 1757, seßte sih Keith, nur um Winterfeldt, der den rechten Flügel führte und lebhaft angegriffen wurde, zu decken, obne Ordre und ohne Noth fo den feindlichen Kanonen aus, daß sein Adjutant Cocceji scherzend ausrief: „Verwünschtes Metier, Adjutant eines Generals zu sein, der sich en laffen will!! Der König rühmt Keiths Kenntnisse im „Metier“. In seinem Aufsaße über Karl XIT. beruft er sich wiederholt auf Keith, der ihm hier als um fo größere Autorität galt, als er 1736 das Schlacht- feld von Pultawe gesehen und ftudirt hatte. Der König führt einmal mit Nachdruck gegen Catt a1, daß, als er im Jahre 1757 den Feind bei Zittzu habe angreifen wollen und Keith um feine Meinung gefragt, diefer geantwortet habe: „Wenn Gw. Majestät den Ruhm des Prin:en Carl (von Lothringen) vermehren wollen, dann müssen Sie angreifen!“ was den König von scinein Entfchlusse ab- brachte. Keiths Gewand‘heit mate ihn zur Ausrichtung delikater Aufträge geshickt. Bei der Besezung von Dresden im Jahre 1756 war es Keith, der mit Würde und Höflichkeit die Königin über die aufregenden Vorgänge zu berußigen batte. Charakteriftisch “ist der Ausspruh Keiths: „Ich begann die Rechte zu studiren aber \tellen Sie mi, meine Herren, nur ein Paar Minuten der Mündung einer Kanone gegeüber: das macht augenblicklich den Mann fertig oder er stirbt ruhmvoll auf dem Schlachtfelde!“ Keiths Geistesgegen-

wart verließ ihn nie. Als die russischen Leibgarden 1742 in Wyborg eine Meuterei gegen alle Fremden, die im Heere dienten, angestiftet hatten, die Offiziere mißhandelten und wüthend tobten, sprang Keith mitten unter die Aufrührer, ergriff den nächsten Räâdelssührer und befahl, einen Popen zu rufen, damit der Mann beiten könne, denn er werde ihn sogleich erschießen lassen. Die Offiziere folgten seinem Beispiel, und der Aufruhr wurde unterdrückt. Keiths soldatischer Scharfblick stellt ihn Turenne zur Seite, mit welhem er auch den Adel der Gesinnung theilte. Während der Schlaht von Prag befand er si auf der anderen Seite der Moldau; von einer Anhöhe konnte er jedoch den Bewegungen der beiden Armeen folgen. Er erkannte sogleich, daß der Sieg dem Könige zugefallen war und sagte zu seinem Adjutanten Cocceji: „Sie ift gewonnen! sie ist gewonnen! kommen Sie zu Tishe!* Kaum war er bei der Tafel, als ihm der Tod S@werins gemeldet wurde. Er erhob \ich und blieb eine Stunde lang in seinem Zimmer einges{losfen. Dann sprah er zu feinem Adjutanten viel von dem Todten, zuleßt die denkwürdigen Worte: „Nachdem er sih mit unsterblichem Nubm bedeckt, starb er auf dem Bette der Ehre! Ein gleihes Glück ist mir nich{t beschieden!“ In felbstloser Ergebung für des Königs Dienst ertrug Keith trotz eines peinigenden asthmatischen Leidens, welhes ihm die Arstrengungen der russishen Campagnen zugezogen hatten, mit stoisher Nuhe die Beschwerden des Krieges. Seine Bescheidenheit ließ gegen die be- kannten Wallungen des Königs, von welchen auh die verdientcsten Generale niht verschont blieben, keinerlei Empfindlichkeit auffommen. Als einst der König Grund zum Tadel zu haben glaubte, antwortete Keith: „Jch wage, Ew. Majestät zu versichern, daß i nur Einen ezei kenne: Deroselben Ordres mit der größten Pünktlichkeit zu befolgen, und ih fühle mehr als jeder andere, wie sehr ih unrecht handeln würde, wollte ich Neuerungen in eine Armee einführen, welche nach Dero Plan zu regeln Ew. Majestät so viele Mühe angewendet hat!“ Bei \olcher Hingabe an den Monarchen war er ihm ein Freund im edelsten Sinne des Wortes. Nach der Katastrophe von Kolin weiß er den König durch den Hinweis auf seine Armee und deren Schöpfer wieder aufzurihten! „Jh weiß nicht, Sire,“ schreibt er, von Prag rücckwärts ziehend, aus Budin, 23. Juni 1757, „was ich am meisten loben soll, die gute Haltung des Generals (Ge- neral-Lieutenant Graf Schmettau) oder die UÜnerschr- Fenheit der Grenadiere Ew. Majestät“ und im Briefe vom 25. Juni sagt er: „Ew. Majestät hat noch eine \{höne Armee, sie hat Hülfsquellen in Dero Genie, welche die anderen nimmermehr haben, und wenn h sonst niemand drein mischt als die Oesterreicher, ih bin fein Prophet, aber ih stehe dafür, daß diese kleine Schlappe wieder ecin- gebracht werden wird.“ Sollten ih dennoch andere einmischen, fo könne man auf Zufälle rechnen und eine gewonnene Schlacht werde die Angelegenheiten wieder in das alte Geleis bringen.

Am 15. Oktober, kirh, ward auf Dauus Befehl die Leiche Keiths unter Abfeuerung von 12 Geschüßen und unter Infantericsalven auf dem Hochkircher Friedhofe zur Erde bestattet. Daun war der Bitte des Königs zuvor- gekommen. Der König ließ das Grab später öffnen und die Leiche uach Berlin überführen, wo sie am 3. Februar 1759 mit großer Feierlichkeit in der Garnisonkirce beigeseßt wurde. Unter den von Bernhard Rohde dem Ruhme preußischer Helden gewidmeten und derselben Kirche geschenkten allegorishen Gemälden findet ih auch eins, das Keiths Brustbild und Namen auf einer Urne zeigt, welche der Genius des Ruhmes mit Lorbeerzweigen kränzt. Ein \{chönes Brust- bild des Marschalls, welches Ant-#+ Pesne 1755 für dessen Freundin Eva Merthens auf Leinwand in Oel gemalt hatte, wollte diese nach Keiths Tode selbst dem Könige, der große Summen dafür bot, niht über- lassen; es befand sich noch im Jahre 1844 wohl erhalten im Besitze des Präsidenten Heuer in Potsdam. Ein Verwandter Keiths, Sir Robert Murray Keith, Gesandter am österreichischen Hofe, hat ihm 1776 nach Oesers Gntwurf ein Marmordenkmal errichten laffen, dessen latcinishe Inschrift Ernesti verfaßte; es steht in der Kirhe zu Hochkirh, soll aber der Renovation bedürftig fein. Der König beklagte Keiths Tod in der warm empfundenen Gpistel, welhe er im Dezember 1758 aus den Winterquartieren zu Breélau an Lord Marschall richtete. Schwermüthig hatte er am 18, November 1758 zu Catt geäußert: „Jh habe mir die Stelle zeigen lassen, wo Keith sein Leben verlor, und den Ort, wo man feine traurigen Reste geborgen hat; ih habe scinem Adjutanten Cocceji befohlen, sie nach Berlin zu cehrenvoller Bestattung überführen zu lassen. Sollte ih das Glück haben, diese Stadt wiederzuschen, jo werde ih dem würdigen Marschall ein Standbild widmen, welches auf dem Wilhelmsplaß aufgestellt werden soll! Erinnern Sie mich in Dresden, daß ich an Mylord Marschall \creibe. Welch ein Schlag muß das für ihn gewesen sein!“ Erst in seinem letzten Lebens- jahre verwirklihte der König die Absicht bezüglih des Monuments, indem er zu den drei Standbildern Schwerins, Winterfeldts und Seydlit’, welche den Wilhelmsplaßz bereits zierten, noch das von Keith gesellte. Es war von Tafssaert in Marmor ausgeführt, wie die anderen. Heute ist es durch eine, 1857 von Kiß gefertigte Kopie in Erz erscht, während das Original, den Unbilden der Witterung entzogen, sih im Vestibül des Direktionsgebäudes der Hauptkadetten- anstalt zu Lichterfelde befindet.

Keith hat eine Denkschrift über sein Leben hinterlassen, welche die Jahre 1714 bis 1734 umfaßt.

Nach dem Katalog zu der XIL, heute eröffneten Mastvieh- Ausstellung auf dem Central-Viehhof der Stadt Berlin veranstaltet von dem Landwirthschaftlichen Provinzialverein für die Mark Brandenburg und die Niedeclausiß und dem Klub der Land- wirthe zu Berlin sind für Abtheilung A (Rindvieh aller Rassen) 357 Stück, für Abtheilung B (Schafe aller Rassen) 118 Stü, für Abtheilung C (Schweine aller Rassen) 115 Stück angemeldet. Außer- dem sind zur Konkurrenz um Ertrapreise für Schweine in Loosen 4 bis 8 Monate alt um das höhste Gewicht nah Alterstagen (6 Wochen nach der Geburt zu melden) von 5 Züchtern 15 Thiere genannt. Die Zahl der Aussteller von Mast- thieren beträgt 144. Von den aus den deutschen Staaten, sowie aus den preußishen Provinzen angemeldeten 1133 Mast- thieren kommen 26 Stück Rindvieh (4 Aussteller) auf das Herzog- thum Braunschweig, 5 Schafe (1 Aussteller) auf das Fürstenthum Lippe, 8 Stück Rindvieh und 35 Schweine (13 Aussteller) auf das

“Großherzogthum Melenburg-Schwerin, 2 Stück Rindvieh, 4 Schafe

und 63 Schweine (11 Aussteller) auf das Großherzogthum Melen- burg-Streliß, 10 Schafe und 7 Schweine (3 Ausf\teller) auf das Königreich Sachsen, 97 Stück Rindvieh, 35 Schafe und 11 Schweine (36 Aussteller) auf die Provinz Brandenburg, 3 Stück Rindvieh und 2 Schafe (2 AusftelUler) auf die Provinz Hannover, 104 Stü Rind- vieh, 1 Schaf und 8 Schweine (53 Aussteller) auf die Provinz Pommern, 51 Stück Rindvieh (5 Aussteller) auf die Provinz Posen, 20 Stück Rindvieh, 22 Schafe und 9 Schweine (3 Aus- steller, auf die Provinz Westpreußen, 12 Stück Rindvieh und 26 Schafe (5 Aussteller) auf die Provinz Sachsen, 34 Stück Rindvich und 13 Schafe (7 Aussteller) auf die Provinz Sslesien und 4 Schweine (1 Aussteller) auf die Provinz Westfalen. Als Preise gelangen zur Vertheilung für bie besten Leistungen in Abthei- lung A (Rindvich): die goldene Nathusius-Medaille (Züchter-Ehrenpreis), 4 Preise der Stadt Berlin im Betrage von 2000 Æ und 75 Preise zusammen von 9020 4; in Abtheilung B (Schafe): die von Sr. Majestät dem Kaiser und König verliehene goldene Staats- medaille, 1 Preis der Stadt Berkin im Betrage von 500 4 und 29 Preije zusammen von 2675 #.; für Abtheilung C (Schweine) : eine silberne Zuckershale (Züchter-Ehrenpreis) des Klubs der Land- wirthe, 1 Preis der Stadt Berlin im Betrage von 500 (A und 47 Preise zusammen von 4720 4. Die 157 Geldpreise betragen 19 415 M, zu welchen der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten 11 000 „G aus Staatsmitteln bewilligt hat. Außerdem l'ommen noch zur Vertk eilung 7 Bronze-Statuetten (1 Shortorn-Sticr, 1 Shortorn- Kuh, 1 Rambouillet-Bok, 1 Orfordshiredown-Bok, 1 Merino-Schaf, 1 Yorkshire-Cber, 1 Berkshire- chwein), bewilligt vom Ministerium für Landwirtb\chaft, Domänen und orsten, 1 Bronze-Statuette (Normal-Mastschwein) von Hof-Schlähtermeister Bergmann-Berlin,

dem Sonntage nah der Schlaht von Hoch- :

1 Gips-Medaillon (gehörnter Merino-Bock) von Schäferei-Direktor Behmer, 47 filberne und 71 Bronze-Medaillen, sowie eine Anzahl polychromer Gipsstatuetten von Schafen und Schweinen. Als Annex der Mastvieh-Ausftellung sind 100 Zuchtböcke und 28 Zucbteber von 13 Auéstellern angemeldet. Die Zahl der Aussteller von Mäschinen, Geräthen und Produkten für die Landwirthschaft und das Schlächter- gewerbe beträgt 87. i :

Die Schau macht im Allgemeinen einen sehr vortheilbaften Eindruck. Das Verständniß für das Bedürfniß eines Markts, wie ihn Berlin bietet, wächst sihtlich von Fahr zu Jahr, und in Ver- bindung damit steigt auch der Zuchtwerth des hierher gebrachten Materials. Eine Erscheinung tritt diesmal aanz besonders hervor : immer mehr bildet sich die Berliner Mastvieh-Ausstellung als Markt heraus, und damit dürfte in der That den Intentionen der Ver- anstalter nur entsprohen sein. Was die einzelnen Abtheilungen anbetrifft, so ist die des Rindviehs ganz außerordentlich \chön. Die Unterabtheilung der Kälber überrascht durch ihre Reichhaltigkeit ganz befonders. Einzelne der jungen Thiere sind wahrhaft mustergiltig. In der Unterabtheilung der Ochsen führt Opit von Boberfeld Thiere vor, wie sie wohl selten auf einer Ausstellung bisher gesehen worden sind. Kenner waren besonders von den jungen Stieren entzükt. Auch von \{chweren Ochsen ist eine vorzüglihe Auswahl zur Stelle. Bullen sind an Zahl geringer vertreten, die Qualität entsprach aber voll der der frühe SJahre. Die Abtheilung der Schafe is dieëmal schwächer als früher. Einen erfreulichen Beweis hat die Ausstellung geliefert, den nämlich, daß die früheren Zweifel an der Mastfähigkeit der Merinos glänzend widerlegt ift. Meister-Sängerau führt in dieser Beziehung geradezu Leistungen ersten Ranges vor. Die Abtheilung „Schweine“ is auch in diesem Jahre wieder reicher geworden, und namentlich sind auc hier die jungen Thiere bevorzugt, während die Karrikaturen der 7 ersten Schauen vollständig fehlen. Aufsehen erregend sind die Erfolge der - neuen ütterungsmethode des Guts Hohenhausen, welches Eier, Syrup und süße Milch verfüttert, wodur der Beweis geliefert werden foll, daß auch unter den jeßigen \{lechten landwirthschaftlihen Verhältnissen der darnicderliegenden Milchkonjunktur auch süße Milh noch zu hohen Preisen verwerthet werden kann.

Stolze’ scher Stenogravhen-Verein. Hauptversamm- lung: Donnerstag, den 6. Mai, Abends 8 Uhr, im großen Saale des Restaurant Reimann, Unter den Linden 13 I. Tagesordnung : 1) Vortrag des Hrn. Gymnasiallehrer Dr. Dreinhöfer über die historishe Entwickelung des Stolze'shen Systems. 2) Vereins- angelegenheiten (Berathung der Statutenvorlage. Referent Hr. Deutschmann).

Brindifi, 4. Mai. (W. T. B.) Von gestern Mittag bis beute Mittag kamen hier zwei Cholera- Erkrankungen und cin Cholera-Todesfall vor, in Oftuni sechs Erkrankungen und zwei Todesfälle, in Latiano zwei Erkrankungen und ein Todesfall.

New-York, 4. Mai. (W. T. B) Der Strike der Ar- beiter der Missouri-Pacific-Eisenbahn ift beigelegt. Aus Chicags, vom gestrigen Tage, wird gemeldet, daß die \trikenden Arbeiter cine Fabrik angriffen und daß es zwischen der die Fabrik vertheidigenden Polizeimannschaft und den Strikenden zu einem Zusammenstoß kam, bei welhem 5 Arbeiter und 4 Poli- zisten durch Schußwunden verletzt wurden. i

Chicago, 4. Mai. (W. T. B) Ein Miliz-Bataillon hat Befehl erhalten, si bereit zu halten, nah Milwaukee abzu- gehen. Eine große Anzahl Theilnehmer an den gestern Abend in Chicago und Milwaukee stattgehabten Unruhen sind fremde Sozialisten.

Chicago, 4. Mai. (W. T. B.) Die strikenden Arbeiter griffen heute Nachmittag die Polizei mit Steinwürfen und Ge- wehrshüssen an; ein Polizeibeamter wurde getödtet; ein anderer tödtlich verwundet. Mehrere der Ruhestörer wurden niedergescho#}sen, mehrere andere verhaftet. Das Arsenal wird von der Miliz bewacht, um einem Angriff der Ruhestörer zu begegnen. Nach Milwaukee sind weitere Verstärkungen an Miliztruppen abgegangen.

95. Mai. (W. T B.) Gestern Abend kam es hier zu einem weiteren erbitterten Kampfe zwischen der Polizei und den Sozialisten, welhe sih in einer Stärke von etwa 15 000 Mann versammelt hatten. Der Aufforderung der Polizei an dieselben, sih zu zerstreuen, wurde uniht Folge geleistet. Cs wurden mehrere Dynamitbomben geworfen, wodurch fünf Polizei-Agenten getödtet und viele verwundet wurden. Durch die auf die Meuterer Seitens der Polizei abgegebenen Schüsse wurden gegen 50 getroffen, darunter mehrere tödtlich. |

In Krolls Theater fand gestern Abend die Eröffnung der Sommer-Oper mit Verdi's „Troubadour“ statt. Das Publi.

Titelrolle der Oper sang der Kaiserlich Königliche Hof-Opernsänger H Grißingcr. Der Sänger verfügt über eine in jeder Tonlage mäâchtic wohllautende und k{angvolle Stimme, aber nur über ein schr beschränkt darstellerishes Können. Naturgemäß warén denn auch die Stell(- in welchen die glänzenden äußeren Mittel des Künstlers völlig it Geltung kommen, wo also die markige Kraft und die Wucht 6; Klanges für den Mangel an Ausdrucksfähigkeit einig® maßen Ersaß leisteten, die durchschlagend wirksamen. Hr. Grigzinç ist ein noch junger Künstler, und man darf hoffen, daß er set schöônes Organ künftig noch besser verwenden lernen wird; vorläusi fehlt ihm zur Beherrshung desselben noch Mancherlei. Die Tox bildung muß edler werden und vor Allem fehlt dem Gesange zumét die Befcelung, dem Vortrage Feuer und Leidenschaft.

Brucks (Graf Luna) konnte mit Stimme das Publikum überraschen und gewinnen, aber au ihm fehlt es an Durchbildung des sfonoren Organs. Bei einer vor- nehmeren Behandlung seiner seltenen Stimmmittel und bei gründlicherêr- Beachtung des s\chauspielerishen Theils seiner Rolle würde auch dieser Sänger eine viel tiefere Wirkung auf die Hörer erzielen. Die shönste und in jeder Beziehung

Abends bot Fr. Baader als YAYzucena.

1 Leit Auch F seiner mächtigen und klangreichen

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M fum hatte sih troß der keineswegs günstigen Witterung recht zah: D 4 reich und in bester Stimmung zu dieser Première eingefunden. D C4

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lobenswerthe Leistung des F Die Künstlertnt®

welche als tüchtige Altistin vom vorigen Jahre her in gutem Ge- dächtniß steht, hat inzwischen ihre vortrefflihe Sangeskraft bewahrt,

ihr Spiel an Frishe und

ihre Vortragsweise vertieft, während Der zarte Wohllaut und die

Gewandtheit wesentlih gewonnen hat.

&ülle ihrer Stimme traten, gehoben und durchbleuchtet von dem lebendigen g

Ausdruck der Empfindungen, auf das Wirksamste hervor. Das Publikum

zeichnete die Künstlerin denn auch häufig in spontaner Weise durch lauten L |

Beifall aus. Die „Leonore“ wurde von de Rödiger gewandt und“ maßvoll gesungen. Auch diese Sängerin

und gefällige Stimme, welhe dur klares und sicheres Spiel ing ihrer Wirkung unterstüßt wird. Die Dame erscheint demnach ali

esißt eine helle, klangvolle*

eine in jeder Beziehung befriedigende Kraft, welche allen erlaubtes E Anforderungen gerecht wird, ohne doch dur glänzende CinzelleRuE 10

das Urtheil zu bestehen. Die kleineren Partien waren angemessen bef seßt und trugen dazu bei, ein hübshes Ensemble zu bilden, welchê{;- den warmen und woßlverdienten Beifall des Publikums fand. H Als dritte Opernvorstellung wird morgen Webers , reisch{ük“ geben. Der Kaiserlich Königliche Hof-Opernsänger Hr. Leo Grizinge

seßt am Freitag sein Gastspiel als Eleazar in der „Jüdin“ fort; di

Recha singt Fri. Möllering, die Prinzessin Fr. Carlotta Grossi.

Redacteur: Riedel. 24 Verlag der Expedition (S olz). Druck: W. Elsner!

Sieben Beilagen (eins{chließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

i Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 5. Mai

1886.

2 106. Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 5. Mai. Jun der gestrigen (65.) Sißung des Hauses der Abgeordneten bemerkte bei Berathung des Geseßentwurfs, betreffend Ahb- änderungen der kirhenpolitishen Geseße, der Abg. Dr. Gneist: er werde nicht als Parteiredner sprechen, sondern nach seiner rechtschaffenen Ueberzeugung, in dieser Situation, die vor Allem berechnet sei, den auch von nationalliberaler Seite angestrebten Frieden herbeizuführen. Seine politischen Freunde und die konservative Partei in ihrer großen Mehr- heit hätten bei den firchenpolitishen Geseßzesvorlagen in den Jahren 1872—75 die Staatsregierung unterstüßt, in der Ueberzeugung, daß Gesehe dieser Art nothwendig seien, um das Nebeneinanderbestehen zweier großer historisher Faktoren zu ermöglichen. Allerdings seien bei diesen Geseßesvorlagen zwischendurch einige Geseße erschienen, die als Kampfgesetze der Staatsregierung in dem ausgebrochenen Kampf zu dienen bestimmt gewesen seien. Die Meinungen über die Angemes}sen- heit solher Ausnahmemaßregeln würden iminer verschieden sein und auch die Meinungen der politishen Freunde des Redners hinsihtlih dieser Kampfgeseze seien vielfach getheilt gewesen. Damals habe auch Niemand geglaubt, etwas Voil- kfommenes zu Stande gebracht zu haben; wo sich Härten im Laufe der Zeit herausgestellt hätten, sei man stets bereit ge-

esen, Erleichterungen zu gewähren. Man habe cs gethan bei der Beseßung der Pfarrämter, bei der Beseitigung des Kulturexamens. Die Regierungsvorlage in ihrer ursprüng- lichen Geftalt sei für die Nationalliberalen annehmbar ge- wesen, aber gegen die Vorlage in der jeßigen Gestalt müßten diese ihren Widerstand aufrecht erhalten, niht aus Feind- seligkeit gegen die katholishe Kirche, sondern aus rein sahlihen Gründen. Die römishe Kirhe sei eine Universalkirche, die über 200 Millionen Katholiken herrsche in allen Theilen der Erde, umgeben von Ungläubigen und Frrgläubigen aller Art, und deshalb in ihrer ganzen inneren Organisation eingerichtet zum Kanipfe gegen die Frrgläubigen und Ungläubigen. Jn dieser Tendenz seien ihr ganzes Kirchenrecht, ihre Klöstereien und Kampforden entstanden. Die Unabänderlichkeit ihrer Dogmen, die Stetig- keit ihrer kirhlihen Einrichtungen und Traditionen sicherten ihr den Gehorsam aller Gläubigen. Dennoch habe sie ihre Klagen über Unterdrücckungen und Sklaverei der Kirche stets in derselben Weise erhoben, in der Zeit der Jnquisition ebenso laut und heftig wie heute. Erst nah schweren Kämpfen habe sich die Kirche zu einem tolerari posse gegenüber den anderen Kirchen entschlossen, aber niemals habe sie die Gleichberehtigung derselben anerkannt. Diesen allen andere! Kirchen feindlich gegen- überstehenden Standpunkt habe die römische Kirche besonders in der Frage der Eheschließung zur Geltung gebracht, in deren Auffassung sie von den Fdeen unserer Zeit vollständig abweiche. Ju den anderen, namentlich fkatholishen Staaten habe s\ich die römische Kirche au in gewissem Maße nationalisirt, und obwohl auch in diesen Staaten bestimmte Schranken gegen die Omnipotenz der Kirche errichtet seien, blieben die dortigen Kapläne und Pfarrer in erster Linie doch Franzosen, Spanier u. f. w. Deutschland sei eine solche einheitlihe nationale Ge- staltung versagt geblieben. Seit der Reformation sei das deutshe Volk nah der Zugehörigkeit zur Religion in zwei anfangs feindliche Völker getrennt worden. Aus dieser Zer- theilung der deutschen Nation fei für jedes der beiden Völker ein anderes Familienreht, ein anderes Erbsystem, eine andere Entwickelung des nationalen Lebens in Folge des Festhaltens der Kirche an ihren unveräußerlichen Nan entstanden. Unter dem starken Regiment der Könige von Preußen sei der Grund zur Aenderung dieser Verhältnisse gelegt worden. Was wäre aus dem Staat geworden, wenn die Versagung des Konnu- biums zwishen den beiden Theilen der Nation aufrecht erhalten worden wäre, wenn zwischen dem fkatholishen und dem cvangelishen Volk keine Ehe mehr möglih wäre, keine Familienban de irgend einer Art existirten, keine Gemeinschaft der Erziehung, des Unterrichts bestände, kurz eine völlige Spaltung in einem Volke entstanden wäre, in dem die geistige und religiöse Seite des Lebens am stärksten in der ganzen europäischen Welt entwidckelt sei! Und doch sei dies offen- kundig von einigen Kirchenmännern beider Theile proklamirt worden als das einzige Ziel der Kämpfe, die man heute führe : der Klerus sei noh heute dazu bereit. Man sage vielleicht zur Beruhigung, das habe heute in der Zeit des rohen Materialismus nicht viel zu sagen, Handel und Wandel würden die Bevölkerung schon zusammenhalten; aber die zahlreihen Petitionen im Reichstage zeigten an, daß man auch in Bezug auf Gewerbe, Handel und alle Beziehungen des Lebens in einen konfessio- nellen Zwiespalt kommen könne. Glaube man, daß das über- wunden sei ? Die Maulwurfsarbeit der Erhaltung der „unver- äußerlihen Rechte der Kirche“ könne au von Erfolg begleitet sein, wie die Auseinanderreißung von Holland und Belgien zeige. Jm ersten Fahrhundert nah dem westfsälishen Frieden, mit der heroischen Gestalt unseres Großen Kurfürsten an der Spitze, habe man den Grundjag der Toleranz der Einzelnen erkämpft, und das sei wahrhastig kein leichter Kampf gewesen, unter dem heftigen Widerspruch der Geistlichkeit und der Land- stände. Es sei dieser Kampf allerdings kein idealer Zug gewesen, sondern aus dem nationalen Jnteresse hervorgegangen, die Nation zusammenzuhalten. Aus diesen Bestrebungen sei das Recht des Staates circa sacra entstanden. ¿Friedrichs des Großen Bestreben fei dahin gegangen, beide Kirchen gleich- berechtigt zu machen. Es hätten \sich in Preußen eigenthüm- liche Nehtsnormen cntwidckelt. Während alle anderen Mon- archien ‘die einheitliche Entwielung der Nation mit der ein- heitlihen Entwicelung der Kirche in Uebereinstimmung zu bringen hätten, sei es hier Ausgabe der Regierung gewesen, die Angelegenheiten der beiden Kirchen gleihmäßig zu regeln. Der Monarch aber könne nit beiden Kirchen zuglei dienen, und doch sei die preußishe Monarchie gerade die Existenzbedingung für ein einheitlihes Deutsches Nei. Beide Kirchen hätten unveräußerliche Nehte, um so un- veräußerlicher aber seien die Rechte der Monarchie, die allein das Band bilden könne zwischen beiden Religionsgemein- schaften. Die höhere Stellung der deutschen Monarchie sei

das alleinige Gegengewicht gegen die Omnipotenz der Kirche. Beide Kirchen könnten niht zusammen paktiren, der Staat müsse die Nechte der einen Kirche soweit beschränken, daß die Gewissensfreiheit der anderen möglich bleibe. Die eigene Freiheit müsse Jedermann soweit beshränken können, daß auch die Freiheit der Anderen bestehen könne. Auch dem bürger- lichen Rechte dürfe durch die Religionsübung kein Abbruch geschehen. Das Unabänderliche in dem Konflikt sei die Staats- hoheit. Das Uebergreifen in die innere Verwaltung der Kirche sei fehlerhaft gewesen, das habe man forrigirt. Es fei jedoch durhaus nothwendig, die Grenzen sowohl der beiden Kirchen, als auch der Kirchen und des Staates festzu- stellen. Noch zur Regierungszeit Friedrih Wilhelms 111. habe der Staat auf dem Gebiet der gemischten Ehen und der Schulaufsicht der Kirche gegenüber seine Autorität gelte::5 zu machen gefucht ; seine Verwaitungsmittel, auf die er angewiesen gewesen sei, hätten aber versagt. Von da ab datire die Periode des laisser aller, wo der Staat jede Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche zurückgewiesen habe. Dieser Periode hätten die Maigeseße ein Ende gemacht, in denen das landesherrliche Placet eine große Bedeutung erlangt und die Nechte der Kirche beschränkt habe. Man habe von Verwal- tungsmaßregeln abgesehen und durh Geseße die in Rede stehenden Angelegenheiten geregelt und damit doch gewiß bessere Garantien geboten, als wenn man sie der Entschei- dung des jedesmaligen Ministers unterworfen hätte. Was die Vorbildung der Geistlichen betreffe, so habe der Staat verhindern wollen, daß aus den Seminaren ein fanatishes Personal für die Kirche hervorgehe; dasselbe sollte in verföhn- liher Gesinnung und so erzogen werden, daß es auch ein- gedenk bleibe feiner staatsbürgerlihen Pflihten. Werde man dem Staate rathen, seine Offiziere und Unteroffiziere von Kindesbeinen an in der Abgeschiedenheit der Kasernen zu er: ziehen? Dev Verzicht auf solche Bestimmungen bedeute nihts Anderes, als den Verzicht auf die Regulirung der Grenzen zwischen den beiden Religionsgemeinschaften; man komme dann zurück auf die Zustände der fünfziger Jahre. Legitimiren müsse sih Jeder, der im Staate irgend eine Stellung haben wolle, wie fönne man es also als eine Konzession der Kirche betraten, wenn sie auf die Anzeigepflicht eingehe? Das Ein- spruchsrecht gebühre dem Staate! Diegegenwärtige Vorlage sei gar keine Negierungsvorlage; man solle fi niht in ihrer Annahme überstürzen, man würde sonst eine {were Verantwortung auf sich laden. Alle Konkordate und organischen Gesebße Deutschlands, welche in ruhiger sachverständiger Erwägung der verwickelten Kirchenverhältnisse mit rechtsverständigem Beirath erlassen seien, hätten sich erhalten bis heute. Alle im Friedens- taumel, alle in konstitutionellen Verlegenheiten, alle zur Er- reihung anderer politisher Zwecke beschlossenen Konkordate und Gesetze seien ausnahmslos bei Seite geseßt und wengefegt worden bei der nächsten Wendung im konstitutionellen Staat und hätten den Kirchenstreit nur verlängert und verbittert. Und noch mehr. Alle Uebergriffe in das - Staatsgebiet, welche die römische Kirche“ im Shwächezustande der Staaten glüdliG erreiht habe, seien bei der nähsten Reaktion nur erwidert worden durch Gemaltthätigkeiten und shwere Eingriffe in das kirhlihe Gebiet. Diese Erscheinung wiederhole fih in der europäischen Geschichte wie der Planeten- wechsel, wiederhole sich auch vor Aller Augen in den einkirch- lichen Staaten bis heute. Die heutige Lage mache eine orga- nische Gesamntrevision der kirchenpolitishen Gesetzgebung zu einem Postulat, welches alle Parteien niht anders als in vollem Ernst stellen könnten. Man möge das in Erwäaung ziehen bei dem Anirag auf ernstlihe Berathung in einer Kommission von 21 Mitgliedern.

Die Rednerliste wurde festgestellt. Zum Wort gegen die Vorlage waren 8 Redner angemeldet, für die Vorlage 25.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Rede, welche man soeben gehört habe, fordere sehr stark zu einer Erwiderung auf. Sie erinnere lebhaft an alle die Vorträge, welche man von dem Vorredner im Laufe der kirchenpolitishen Streitigkeiten gehört habe, und sie würde sih sehr viel besser ausgenommen haben, wenn sie 1873 gehalten worden wäre. Inzwischen widerstehe Redner dieser Versuhung. Es gebe eine Zeit zu reden und eine andere Zeit zu shweigen, und jeßt glaube er, daß die Zeit des Schweigens gekommen sei. Diese Bemerkung habe er für sih gemacht, und dafür sei kein Anderer verant- wortlih. Jm Namen aller seiner Fraktionsgenossen, die in voller Einmüthigkeit zusammenständen und zU- sammenbleiben würden, habe ex zu erklären, daß sie die ‘Vorlage, wie sie aus dem Herrenhause ge- kommen sei, einfach acceptirten. Dieselben hätten allerdings ihre Bedenken, aber sie ließen für jeßt die Sachen auf sich beruhen und nähmen an, was geschaffen worden sei, niht in Ueber- eilung, niht in Ueberstürzung, sondern nach sorgfältiger Ueber- legung der Regierung und vor Allem auch im Herrenhause. Die Centrumspartei werde deshalb ihrerseits auch keinerlei Amendements stellen. Sollten welche gestellt werden, so würde es sich finden, wie dieselve dazu Siellung zu nehmen habe. Sie werde sich der Diskussion enthalten, wenn sie nicht ganz besonders provozirt werde. Es könnte vielleiht, wenn auch nicht hier im Hause, geglaubt werden, daß die Rede des Vor- redners bereits solhe Provokationen enthielte. Dies sei auh in der That der Fall. Außerdem sei ein solches Maß von Unrichtigkeiten darin, daß es in der That lohnend gewesen wäre, sie hier vor der ganzen Welt noch einmal klar zu stellen. Aber es geschehe dies in Folge des Beschlusses der Freunde des Redners und seines eigenen nicht, weil Ales, was der Vorredner vorgetragen habe, im Laufe der früheren Verhand- lungen vollständig gewürdigt worden sei. Seine Partei werde auch auf die etwaigen Darlegungen über den Sinn der ein- zelnen Bestimmungen des Geseßes, die im Hause oder auch von der Ministerba1n® gemacht werden sollten, nicht antworten. Das Schweigen solle nicht bedeuten, daß {iz diese etwaigen JZyterpretationen bi"ige, auch nit, daß fie dieselben miß- billige. Sie s{hweige sih einfah darüber aus, weil sie die Bestimmungen deutlih genug finde und in den Vorverhand- lungen Material genug vorliege. Ebenso werde sie s{weigen, wenn etwa der Versuch gemacht werden sollte, über den Sinn

der mitgetheilten Noten des Kardinal-Staatssekretärs Jacobini irgend etwas zu sagen und auch diese zu interpretiren. Sie ant- worte darauf nicht, weil sie jedenfalls eine Legitimation zu irgend welcher Fnterpretation nicht habe. Sie werde in keiner Weise irgend ein Wort sagen, was nah der einen oder der anderen Seite den Verhandlungen präjudiziren könnte, die offenbar über alle diese Dinge zwischen der Regierung und der Kurie beständen. Sie sei erfreut über die Lage, in der man sich jeut befinde, nicht weil sie nun glaube, so Außerordentliches erreiht zu haben, fondern weil sie der Ansicht sei, daß der vollgültige Beweis gegeben sei, daß es der Kurie und Redner betone es mit besonderer Befriedigung auch der Regierung und vor allen Dingen dem leitenden Staats- mann Ernst sei, die Sachen zu Ende zu bringen. Wenn der Vorredner gemeint habe, er müßte eine Kommissionsberathung beantragen, so werde man be- greifen, daß seine (Redners) Freunde und er nah seiner Ec- klärung einen Stoff für kommissarische Berathung nicht fänden. Wenn der Abg. Dr. Gneist glaube, daß Niemand die Trag- weite der Vorlage übersehen könne, so könne Redner ihm die Versicherung geben, daß keiner seiner Freunde über die volle Tragweite der Bestimmungen ununterrichtet sei, und man würde, wenn es Zeit dazu wäre, ganz bereit und geneigt sein, eine öffentliche oder private Vorlesung darüber zu halten. Darauf komme es aber niht an. Da man aber Niemandem einen gang auferlegen wolle, so müsse man es den Herren überlassen, ob sie cine Kommission durhsetzen wollten; die Zentrumspartei stimme nicht dafür, weil sie glaube, daß es gut und nüglih sei, diese nun so lange con schwebende Sache thunlichst rash zu Ende zu bringen, und weil man noch eine so große Zahl der allershwierigsten Aufgaben hier und im Reichstag zu lösen habe.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski dankte der Regierung für die Vorlage, erklärte aber im Namen seiner Freunde, daß sie gegen die Beschränkungen stimmen würden, welche bezüglich der Diözesen Gnesen-Posen und Kulm im Geseh enthalten eien. | Der Abg. von Rauchhaupt gab Namens seiner politischen erreunde die Erklärung ab, daß die Konservativen für die Be- schlüsse des Herrenhauses geschlossen stimmen und sih auch niht für Kommisstionsberathung, sondern für sofortige Be- rathung im Plenum entscheiden würden. Erleichtert würde ihnen ihre Stellung in diesem s{hwerwiegenden Augenblick durch die gründliche Arbeit des Herrenhauses und dessen mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß, durch das Eintreten des Reichskanzlers für diesen Beschluß und dessen Abstimmung für denselben wenn leßtere auch nur in seiner Eigenschaft als Mitglied des Herrenhauses erfolgt sei, so sei sie do gerade für die Mitglieder des Abgeordnetenhauses von ganz besonderem Werth und durch das im Laufe der Verhandlungen that- sählih wachsende Entgegenkommen der Kurie. Aber daneben bestimmten auch innere Gründe die Konservativen, geschlossen für die Vorlage einzutreten. Die konservative Partei habe seit Jahren die organische Revision der Maigeseßgebung ge- fordert, und alle Parteien in diesem Hause seien zu jeder Zeit darüber einig gewesen, daß in den Maigesezen Bestimmungen enthalten seien, die in das innerkirchliche Leben der katholischen Kirche eingriffen. Helfe nun die Vorlage, wie sie an das Haus gelangt sei, den Beschwerden der katholischen Mitbürger in gerehter Weise ab, oder gebe sie Rechte des Staates auf, die man nicht aufgeben dürfe? Leßteres sei nicht der Fall.

Der Abg. Dr. Gneist habe von Rechten des Staates gesprochen, die man im Fnteresse des Friedens beider Konfessionen aufrecht erhal- ten müsse; er felbst wünsche lebhaft die Beseitigung des bisherigen Zwiespalts; aber Redner frage: hätten die Maigeseze, deren Vater der Abg. Dr. Gneist doch wesentlih sei, diesen Zwie- spalt in Deutschland niht mehr als irgend etwas Anderes verschärft? Dennoch werde die soeben präzisirte Stellung den Maigeseßen gegenüber die Konservativen niht zu Konzessionen bestimmen, welche die Rechte, die der Staat haben müsse, irgendwie alteriren könnten. Auch die Mehrheit der Liberalen im Herrenhause habe die Vorlage in ihrer \chließlihen Ge- staltung an sich für acceptabel erflärt und sie nur aus Grün- den, die nicht in der Sache lägen, verworfen; wenn heute der Sprecher der nationalliberalen Partei einen entgegengeseßten Standpunkt entwickelt habe, dann habe er sich mit den Hauptführern seiner Partei im anderen Hause in wesent- lichen Widerspruch geseßt. Fn der Rede des Hrn. Miquel sei das, was Redner soeben behauptet habe, wiederholt ausdrück- lich betont. Die Liberalen im Herrenhause hätten fast sämmt- lih die beiden Hauptkonzessionen der Vorlage, betreffend die Vorbildung der Geistlihen und die Disziplinargewalt der Bi- shöfe, für absolut acceptabel gehalten. Hr. Miquel habe dabei vor Allem betont, welhen ungeheuren Werth man auf die Vorbildung der Geistlichen legen müsse; auch die Kon- servativen ständen unbedingt auf dem Standpunkte, daß die- jenigen Bestimmungen, die für die Vorbildung der Geistlichen unerläßlih erschienen, festgehalten werden müßten und zwar in der Form, wie sie aus dem Herrenhause gekommen feien. Die Vorbildung der Geistlichen könne nicht gleihgültig sein; der Einfluß der Geistlichen auf das staatliche Leben, auf die Er- ziehung der Jugend sei von eminenter Bedeutung. Judessen gäben die Bestimmungen der Vorlage über die Vorbildung dem Staate diejenigen Garantien, die er in dieser Beziehung brauche, zumal ja auch den Klerikalseminaren gegenüber das in Art. 23 der Verfassung festgelegte Aufsichtsreht des Staätes über sämmtlihe Unterrichlsanstalten zweifellos zu Recht bestehe. Allerdings werde der Erfolg wesentlih von derx Entscheidung der Frage abhängen, in welhem Sinne die Bischöfe die neu zu eröffnenden Seminare leiten würden ; aber aus dem Verhaltea des Bischofs Kopp, der es über sih ge- wonnen habe, auf das gefährliche Parquet des Parlauzents zu trete, und der in der Folge shwere und empfindliche Angriffe, auch in der klerikalen Pre, sih zugezogen habe, entnehme Redner das Vertrauen gegen den ganzen deutschen Episkopat, daß diese Bestimmungen über die Priesterseminare, loyal ausgeführt, ihren Zweck im FJnteresse des Friedens eristlten würden. Wie diese, acceptirten die Konservativen auch die Herrenhausbeshlüsse bezüglih der Beseitigung des A lichen Gerichtshofes und die daraus erfolgende wesentliche

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