1886 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 May 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Verstärkung der Disziplinargewalt der Bischöfe. Auch die Ausführungen des Abg. Dr. Gneist bewiesen nur, daß man die Disziplinargewalt der Bischöfe niht entbehren tönne, daß die auf diesem Gebiete gelockerten Zügel wieder _ngezogen werden müßten, und diefe Erfahrung werde au) die Bischöfe in Zukunft zurückhalten, unnöthige Konflikte heraufzubeshwören. Ebenso liege es unbedingt in der Organisation der Kirche, daß dem Geistlichen der Vorsig im Kirchenvorstand gegeben werde, und das Verbot des Spendens der Sterbesakramente und des Lesens stiller Messen aufrehtzuerhalten, fei den Kon- servativen hon seit langem recht s{chwer geworden; es sei an der Zeit, es aufzuheben. _Die Einreden der Gegner wurzelten ledigliÞh im Mißtrauen, theils gegen sih selbst, theils gegen die Kurie. Man zweifele einerseits an der Hoffnung, zu einem dauernden Frieden zu gelangen ; die in der Jacobini’shen Note an die Gewährung der Anzeigepflicht geknüpften Vorbehalte sollten diese Hoff- nung nicht aufkommen lassen, da von einem Geltenlassen der Staatseinsprüche in der Note nicht die Rede sei. Alle diese Bedenken der Gegner zeugten nur von Mißtrauen gegen fich selbsi. Die konservative Partei habe in kirchenpolitischen Dingen ein so gutes Gewissen, daß fie der zukünftigen Ent- wickelung in Ruhe entgegen gehen könne; hie wi)}e ganz g?- nau, wie weit die Grenze zwischen Kirche und Staat gesteckt werde, und sie habe niht das Mißtrauen gegen den leitenden Staatsmann, noch auc gegen die Dynaltie, daß Vorschläge gemacht werden würden, dic über diese Grenze hinausgingen; man vertraue, daß aus den ferneren Verhandlungen in Rom der Friede erwachsen werde. Aber auch das Entgegenkommen der Kurie rechtfertige in diesem Moment ein trauen nicht. Es lägen nit blos persönliche Versicherungen vor, sondern amtliche Noten der Kurie, welche Schritt für Schritt ein Ent- gegenkommen gegen die Wünsche des Staates auf dem Gebtete der Anzeigepflicht erwiesen; daraus \öpfe Redner das Ver- trauen, daß man in der That auch in Rom ent)\chlo})sen fei, den dauernden Frieden nunmehr zuführen. Wäre das niht der Fall, so wüßte er ia der That nicht, wie der leitende Staatsmann schon sofort nah den Beschlüssen des Herren- hauses und noch vor der ieses Hauses seine Bereitwilligkeit zum ene Vaters Revision erklärt haben follte._ Konservativen seien voll bereit, ihm auf diesem Wege zu folgen. Wenn die Zeitungsnachrihten wahr seien, wona der Papst Mitgliedern dieses Hauses den Frieden in Deutschland ans Herz gelegt und ausdrülih hervorgehoben habe, daß man in einem konfessio- nell gemischten Staat wie Preußen sih vertragen müsse: so sei das cin Wort der Toleranz von dieser Stelle, wie es gerade i nationalen Kreisen am ehesten Widerhall finden sollte; und im Vertrauen auf dieje Toleranz sei auch Redner in toleranter Weise für die Vorlage zu stimmen bereit. Man gebe nichts von den Rechten des Staates auf, man wolle nur den katholishen Mitbürgern den Frieden wiedergeben, den sie lange ersehnten, den Mitbürgern, die die Einheit des Reiches hätten erfämpfen helfen, und man hoffe, daß dieser Friede so einmilithig wie mögli erzielt werden möge. E Der Abg. Dr. von Cuny äußerte, die Nationalliberalen würden geschlossen gegen die Beschlüsse des Herrenhauses stimmen. Der Abg. von Nauchhaupt habe ihnen Mißtrauen gegen die Kurie zum Vorwurf gemacht; Redner erwidere: Ja, 1h habe Mißtrauen gegen die Kurie! Er persönlich sei vor drei Jahren an dieser selben Stelle in derselben Lage ge- wesen, Namens der Nationalliberalen die ablehnende Haltung zu den damaligen Mehrheitsbeshlüssen auszusprechen, ér habe damals dargelegt: „Wir würden wünschen, daß diese Vorlage cinen gänzlihen Abbruch in den Verhandlungen mit der Kurie bedeuten möchte, das wünschen wir, die wir diese. Verhand- lungen mit der Kurie von jeher mit dem größten Mißtraue! angesehen haben u. f. w.“ Hätten sich Uebelstände ergeben, sse, so sei diesen auf

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en Abhülfe geschaffen werden müsse, s 1 Wege der einseitigen ftaatlichen Gesetzgebung entgegen zu

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, ohne Uebernahme von Verpflichtungen gegen die Kurie;

sei es 1880 mit der ersten kirhenpolitishen Novelle ge- halteaworden, fürdie au ein großer Theil seiner Freunde gestimmt habe; und cr befenne fi troß der schweren Angrisse, die gerade jene Abstimmung von 1880 den Nationalliberalen zugezogen habe, noch jebt dazu. Daß diese Vorlage die Uebernahme von Verpflichtungen znüber der Kurie un Gefolge habe, be- dauere er aufs Tiefste: er hade Mißtrauen gegen die Kurie! Dieses Mißtrauen bhaëe neue Nahrung gefunden durch bie Noé des „Kurdinals Jacobini, die noG hiltér das zurüdgehe, was bei den at bereits als fesif

i nl üthrungen der 3 Und des Bischofs Kopp scien damals dahin die ständige Anzeigepflicht bewilligt sei; diese

Staatsregi gegangen, daf : / | Note aber sei Prinzipientrage von gar keinem Werth, sie gewähre di egenwärtig vakanten Pfarreien mit dem Vorbehalte, daß, wenn die Revision nachher niht nach den Wünschen der Kurie ausfalle, keine weitere Benennung mehr folgen werde. Der Staat solle sich zu einer Revifion verpflichten, über deren Fnhalt man absolut im Unfklaren sei ; die Kurie verpflihte sich zu uihhts, selbst ihre einzige Scheinkonzession könne fie in jedem Moment wieder zurückziehen. “Der Kern der Anzeigepfliht, welche jetzt Lee [0 ebr t n Mittelpunkt gerückdt sei, liege in dem Rechte des Staates zu einem wirksamen Einspruch, der defiuitiv die Besezung der Stelle mit einer bestimmten Persönlichkeit verhindere. Wochen seien vergangen, ohne daß aus den Schritten der Kurie die Anerkennung solchen Rechts gefolgert werden könnte. Wie der Abg. von Rauchhaupt folhen Erfahrungen in den firchlihen Kämpfen gegenüber von cinem dauernden Frieden sprechen könne, verstehe Nedner nicht; man könne au nicht einmal den Weg zu einem vor: übergehenden Frieden erblicken, sonèern sehe in der Nicht- anerkennung eines wirksamen EinspruGsrechts den Keim zu euen Kämpfen. Und have nicht der Abg. Dr. Windthorst oftmals mit dantenswerther Offenheit nah dem Ende des Kulturkampss den Kampf 1m die Schule angekidigt? Das solle der Weg zum Frieden sein? Aus diesem Grunde könnten die Nationalliberalen für die Vorlage nicht stimmen. Schon der ursprüngliche Entwurf gebe wesentliche Positionen der bisherigen Gefe8gebung preis; aufs Peirlichste berührt hätten dann die Beschlüsse der Herrenha:skommission und des Pleaums, welche die Zahl der aufgegebenen Positionen no ver- mehrt hätten. Was Hrn. Miquels Standpunkt betreffe, so habe erx sih prinzipiell für das Festhalten der Einwirkung des Staates auf die Erziehung des Klerus ausgesprochen, und nicht aus taftishen, sondern aus sachlichen Gründen habe er gegen die Kommissionsbeschlüsse und die Anträge Kopp üm Plenum gestimmt. Es fei vorauszusehen, wenn auh jeßt in dem

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tung komme, entbrennen werde der Kampf von Neuem. _ Die Nationalliberalen hätten in dem bicherigen Kampfe zum Staate gestanden; wenn der Staat von Neuem im Kampfe der Kurie gegenüberstehe, so würden sie von Neuem zum Staate stehen. Dieselben würden geschlossen gegen die Herrenhausbeschlüsse stimmen. i S : Hierauf erklärte der Aisvent pes Staats-Ministeriums, i er Fürst von Bismard: j Nas ae De Ic will nur mit wenigen Worten einem Irrthum in Beziehung auf zwei verschiedene Seiten der Sache vorbeugen, der sich an eine Aeußevung des Herrn Vorredners knüpfen fönnte. Der Herr Vorredner hat einmal gesagt, daß durch die neueste Note des Kardinal-Staatssekretärs ih weiß das Vatum im Augenblick niht die gestern mitgetheilt worden ist, die Situation zum Nachtheil der Regierung hinter diejenige zurückgedrängt worden sei, welche zur Zeit der Verhandlung im Herrenhause bestanden habe. Damals habe die Note vom 4. v. M. die ständige Anzeige in Aus- siht gestellt, während die jeßige Note si nur auf die Anzeige in Bezug auf die jeßt vakanten Pfarrstellen beziehe. Leßteres ist ja ganz richtig, aber diese jüngste Note ist ja auch durchaus nicht der definitive Abschluß; es ist nicht diejenige Erklärung, die wir von der Kurie zu erwartcu haben nach der Zusage vom 4. April, die wir zu erwarten haben, nahdem das jeßt in Berathung befindliche Gesetz verabschiedet und promulgirt sein wird ; sondern es ist, (wenn man will, eize Abschlagszahlung, die von der Kurie geleistet ist in der Absicht, das gegenseitige Vertrauen zu stärken und das Mißtrauen, das bicx ja gegen Le ire Sra der Kurie ausgesprochen ift, abzuschwächen durch eine theilweise Erfüllung. E : i : aias kann ja ‘ritte daß ‘ebensowohl die volle Anzeigepflicht bâtte bewilligt werden - fönnenz; ja, wenn man in Nom volle Sicherheit gehabt hätte, daß in diesem Haufe die Beschlüsse des Herrenhauses angenommen werden würden; es wäre dann nicht zweifelhaft gewesen, daß die Regierung die Promulgation der Geseße geleistet haben würde, und daß dann diejenigen Bedingungen, an die der Papst die Bewilligung der vollen Anzeigepflicht geknüpft hat, erfüllt werden würden. Wenn die entgegenkommenden ) Zusage, aber nicht die

Kurie nuoch jetzt in diesem Augenblick einen Sqhritt, eine theilweise Erfüllung ihrer vollständige, für angezeigt gehalten hat, so denke ich mir, sie hat damit vielleicht auf eine möglichste Einstimmigkeit der Beschlüsse dieses aues hinwirken wollen ; sie hat vielleiht gehofft, daß nah einem Jolchen Beweise von bona fides auch die Freunde des Herrn Vorredners das Mißtrauen, von dem er si beseelt erklärt, würden fallen la}sen, etn Mißtrauen, das er gegen die Kurie ausgesprochen hat, das ih aber gegen Se. Heilig- keit den jckt regierenden Papst Leo X111. in keiner Weise theile. S Gegentheil, ih habe Vertrauen zu ihm, ohne daß 1) deshalb von dem Herrn Vorredner so weit divergirte, daß ih zu den Bestrebungen der rômischen Hierarchie immer und unter allen Umständen und in Bezug auf alle Personen Vertrauen gehabt hätte. Zu dem jeßt regierenden Papst aber habe ih Vertrauen. i E Ich will alfo hiermit dem Irrthum vorbeugen, als habe die Kurie in der jüngsten Note eine Crfüllung_der Zusage erblickt und erblicéen können, die am 4. April für den Fail gegeben worden ilt, daß dieses Gefelz promulgirt und außerdem von uns die YZu]age einer weiteren Revision ertheilt sein würde, die ja inzwischen ertheilt VOrde } j ; E Vorredner hat dann die zweite irrthümlihe Voraus- seßung ausgesprochen, daß die Autonomie der preußi}chen Geseggebung durch irgend ein zweiseitiges Geschäft hier beschränkt und beein- trähtigt worden wäre. Wir haben keine Vorlagen machen wollen, wenn wir hätten befürchten müssen, daß dar fte der Zwecf, uns dem Frieden näher zu bringen, von Hause aus nicht erreicht werden könnte, daß jener Zweck vielmehr in Folge des Widerspruchs der Kurie absolut abgejchuitten worden wäre. Vaher haben „wir ondirt, ob die Borlagen, die wir zu machen beabsichtigten, als ein EGatgegeufommen bei der Kurie aufgefaßt und einen dem Grieden günltigen CGindruc? dort machen würden, oder ob die Kurie sich wiederum verpflichtet balten - würde, gegen ein Gutgegenkommen, das nit alle ihre Wünsche unv Forderungen érfüllte, threrjetts Front „u machen. Daß wir uns alfo vergewisserten, it etne ganz natürliche dtplomati]ce Vorsicht. Außerdem ist es höchst erfreulich gewesen, daß sich daran ein Ideenaustausch getnüpft hat, der uns beidersetis die ileberzeugung unserer friedlichen Gefinnung und das Maß von Bertrauen verliehen hat, das durchaus nothwendig „ist, wenn wir zum Frieden kommen wollen. Denn, meine Herren, täuschen wir uns Uber die (alur dieses Friedens nicht. Das ist ja kein Frieden wie zwichen zwet sremdei Staaten, die mit einander Krieg geführt Haben und nachher bei dem Friedenéschluß nun die Grenze so und so feststellen; die liezt dann auf 1/2 Meter ganz genau fest, man wetß, wo fic liegt; tie gegenseitigen Verpflichtungen, Zahlungen, Räumungen, alles Del gleichen läßt sich gauz genau ausdrucen. Anders liegt die Sache, wenn man im Innern eines Landes, und namentli) bei uns in Deutschland, zwischen Staat und Kirche zu einein Friedens[chluß ge- langen will. Da können uns die gesetzlichen Formen, zu denen wix fommen, an sih blutiveuig helfen, sie liefern uur das „Srefäß, in welches die Stimmung und .das Maß von Vertrauen, das herr|cht, der gute Wille derjenigen, an denen die Ausführung liegt, nachec die Fuellung liefern; und diese Gefäße, die wir mit fircenpolitishen Gesetzen und deren Aenderung schaffen, ja die können gefüllt werden mit der Milch der frommen Denkungsarkt, wenn auf vetden Seien Wohlwollen, Wunsch nach Frieden und Vertrauen vorhanden ist; fie können aber auch mit gähßrend Drachengift sich füllen, ste mögea beschaffen sein, wie sie wollen, wenn böser Wille vorhanden ijt. Ver Friede, den wir erstreben, läßt nch) in bestimmte Paragraphen nicht fassen. Die todten Paragraphen allein helfen uns wenig, es gehört dazu, daß von beiden Seiten in der Ausführung der Bestimmunzen ein guter Wille vorhanden ist. E muß mchl nur vel dem cinen Papst und bei dem halben Vußead Bischöfen, nein, es muß bei Hunderten, j1 bei Tausenden von einzelnen Persönlichkeiten, die mitzuwirken haben bei der Erfüüung und Sr- baltung und täglichen Beobachtung dieses riedens, der gute Wille vorhanden sein; es muß das Vertrauen vorhanden sein und der Wuns), sich gegenseitig anzunähern, der Wunsch, cine Wiederhelung, cinen Rückfall in den Kampf nach Möglichkeit zu meiden. Wenn dieser Wunsch nicht vorhanden ift, helfen uns alle unsere Beschlüsse, alle Beseitigungen von Maigeseßen niht. Es wird Plaß genug bleiben, um dem Zorn der Parteikämpfe die nöthigen Sólach!felder zu liefern. (5s kann deshalb auch nit die Tendenz der neuen Borlage sein, um mit Sicherheit in ähnlicher Weise, wie der Frantfurter ¿Friede oder der Hubertéburger Friede, einen festen klaren Friedensschluß zu schaffen, der sih a priori als solcher ganz bestimmt verwerthen und über» sehen läßt. Täuschen wir uns darüber nicht, meine Herren : cs bleibt jeder Friedenss{luß cin modus vivendi, das heißt ein Versuch, mitcinander in Frieden ¿u leben. Geht man 1n diesen Versuch mit gutem Willen hinein, fo wird das friedliche Ein- leben mit jedein Tage leichter werden; gcht uan mit Zorn und Ér- innerung an vergangene Kämpfe hineia, dann werden dieje sehr bald wieder aufleben. Die Aufgabe der Negicrung ist deshalb nicht, Ihnen eine bestimmte Formel vorz"\{lagen, welche das Geheimniß der Grenzlinie zwischen Staat und Kirche in ihrem laufendjährigen Kampfe wm enthielte; sondern die Aufgabe ift, nach Möglichkeit die Stimmung der Gemüther loszulösen von dem Kampfe der Vergangenheit und das Vertrauen allerseits wieder zu erwecken, von deu, meiner Uever- zeugung nach, Se. Heiligkeit der Papst durch die jüngste Zujage der Leistung der Anzeigepflicht eine eklatante Probe gegeben hat. S Ich möchte den Vorredner bitten, doch dieje einmalige faktische Anzeige nicht zu unterschäßenz fie liefert den kiaren V daß die Kurie der Meinung ist, daß sie ohne Schädigung der Kirche die Anzeigepflicht überbaupt leisten kann; uud was sie einmal leisten kann, wird sie au obne Schädigung der Kirche immer und dauernd leisten können, Der Beweis ift hierinit geliefert, denn die römische

Kirche hat nit die Gewohnheit, einzelne Ausnahmen von den

und am anteren Tage wieder eine andere Theorie aufzustellen. Ich möchte also doh empfehlen, diesen Schritt nicht zu unterscäßen, fondern auch unsererseits zu thun, was wir können, um das Miß- trauen und den Kampfeszorn aus unseren cigenen Herzen los zu werden und auch dem Herzen der Gegner nach Möglichkeit den Stachel zu nehmen. Wer niht Minister ist, der kann \ich ja den Luxus er- lauben, eine cigene Parteiansiht öffentlih und amtlich zu verireten ; in ministerieller Stellung, in der eines leitenden Ministers bin ih nicht in der Möglichkeit, mich auf einen Parteistandpurkt dauernd zu stellen; ich kann vorübergehend den einen wie den andern zu accentuiren für das Vaterland für nüßlich halten, aber ih kann dauernd keiner Partei angehören ; sondern ich muß mich immer fragen: was ist in diesem Augenblick, rebus sic stantibus, der Gesammtheit des Vaterlandes nüßlich, zwcckmäßig, was fkann zu seinem Frommen dienen? und darnah werde tich meine Vorschläge machen müssen, unbeirrt durch die zum Theil bitteren und ungerechten Angriffe, denen ich selbs von Freunden ausgesetzt bin, aber noch unbeirrter dur diejenigen Angriffe, die meine und der Regierung Gegner in diesem Kampfe und in jedem Kampfe gegen mich in der Presse und Oeffentlichkeit ins Werk seten; diese Angriffe ver- stehe ich vollkommen. Die freisinnige Partei verliert ja mit dem Kulturkampf, um ihn kurz so zu bezeichnen, die 40 Points, dié sié in dex Partie dadur inimèer - vorhat gegén die Regierung, daß sie den Streit {hon vorfindet und sich nur auf Seiten der Gegner der Regierung zu stellen braucht. Wenn man im Reichstage dazu die intransigenten Elemente zählt, so hat ja jeder Gegner der Regierung, fo lange der konfessionelle Unfriecden dauert, einen folchen Vorsprung, wie ih ihn eben mit der ‘gabe einer gewissen Anzah! Points bei der Billard- oder Schach- partie bezeichnete. ;

Aifo, daß die Herren von der forts{rittlihen Presse in einen großen Zorn über die Möglichkeit gerathen, daß die Annehnmlichkeit des Kampfes gegen die Regierung ibuen genommen werden solle, _das begreife ich vollkommen. Sie sind ja ursprünglich mit die schärfsten Förderer, wenn nicht die Urheber des ganzen konfessionellen Streites gewesen, und nachdem sie ihn in recht helle Flammen angeblasen hatten, haben sie gefunden, daß fie eigentlich die preußishe Regierung doch noch mehr hassen wic den Papft, und haben sich dann auf die andere Seite gestellt und sind ihrem größeren Hasse gcfolgt.

Ich möchte die Herren, welche das Vorgehen der Regierung tadeln, bitten, doch ibrerseits dasjenige oder diejenigen Gesetze genau zu bezeichnen, deren Abschaffung wir beantragen, die Sie aber für den preußischen Staat absolut und dauernd für unentbeb,riih halten, dieselben au3zufondern und nachher zu sfsagen, vielleicht durch Amen- DeNGRS S o O n V O obne Das Tann dexr praulde GSlaal nit [ebel Auf dergleichen Amendements beabsichtige ih nicht einzugehen, fondern ehrlich ¿al Dee O E Den SUOUE d oe Be D T jet eingeschlagen haben, finden oder wenigstens doch ihm näber kommen, so daß er Wurzel schlagen und sih entwickeln kann. Wenn aber die Herren dann nachher die Ueberzeugung exhalten, daß in dem Zustande, der uach Annahme der NRegierungövörlage oder viel- mchr des Herrenhausbeschlusses eintreten wird, uns ein Geseß fehle, das zum Wohl, zur Ehre und zur Würde des preußischen Staates ganz unentbehrlich sei, ja, meine Herren, dann wird sich ja für die Wiederherstellung eincs \solhen Gesetzes ebensogut wiederum eine Ma- jorität finden, wie sie sich im Jahre 1873 für die Maigeseße überhaupt gefunden hat; wenn die Üeberzeugung nicht nur eine einzelne Marotte ist, werden die Herren, die das glauben, doch in keiner Session ruben, sondern die Wiederherstellung eines solchen Geseßcs ihrerseits anregen, und ist das wirtlich richtig, ift es die Wahrheit, die Sie vertreten, dann werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Mehrheit in diesem und dem anderen Hause dafür finden. Es ist ja dann die Möglichkeit, den Kulturkampf ganz von vorn anzufangen, nicht ausges{losien. Es kann von mir nit verlangt werden, daß ih ihn nochmals wieder durh- feHte; aber die Herren, die in unserer Vorlage irgend einen giftigen Stachel für den preußischen Staat finden, werden ihn auf diefe Weise immer wieder auszieben können.

G8 hat si eine, ich möchte fagen, komishe Zeitungspolemifk darüber erhoben, ob ich vor sechs Jahren einmal das Bild gebraucht hâtte: wir wollten die Waffen nur auf den Fectboden niederlegen, um sie jeden Tag wieder aufnehmen zu können. Nun, meine Herren, ich bestreite das na meinem inneren Gefühl und nach meinem Geschmack ; ic fann ja nit alle Worte im Gedächtuiß haben, die ih seit ses Jahren gesagt habe; aber, daß ih dieses Bild jemals gebraucht haben fann_ das bestreite ih. Was ein Fechtboden ist, ist mir von Göttingen her sehx genau bekannt, I{ch würde niemals auf den Ge- danken fominen, da polilisd:e Waffen niederzulegen. Dieses Bild habe ich nie gebraucht, es besteht für mich nit. Ebensowenig babe ich das Bild gebraucht von demselben Faden, der iun ciner anderen Nummer weiter- gesponnen wird. Ich bin nicht Spinner genug, um die Nichtigkeit dieses Bildes auch nur zu verstehen, Also auch das ist unwahr und mir untergelcgt, um nachher berumzunörgeln in einer ganz frivolen und, ih muß sagen, absolut lächerlihen Weise; wenn für folche, in gesellschaftlichen Kreisen gefallene Aeußerungen große Zeitungsblätter noch ihre Spalten bergeben, nun, fo etwas begreift fi, wenn es im Monat Juli oder August ist, aber jeßt ist es doch noch nit warm genug! Das hat nur den Zweck, die Zeit todtzuschlagen.

Ic mache diesen Versuch in dem von Sr. Majestät dem König getheilten und angeregten Vertrauen nit nur zu Sr. Heiligkeit dem Papst, sondern auch ¿zu unseren katholischen Landsleuten, daß fie ehrlich die Hand dazu bieten werden, auf dem Raume, welchen wir frei machen dem Schult, den die Maigeseße darauf gelassen haben denn Trümmer sind fie ja nur noch —, den Friedenstempel mit uns errichten, die Friedenseihe mit uns chrlih pflanzen, begießen und pflegen zu wollen. Ich meinerscits werde aufrichtig die Hand dazu bieten. Führt uns das nicht zum Ziel, so werden diejenigen, De M S O Cr S E Cie E forigeseßten und erneuten Kampfe finden, sobald sie eine parla- mentaris(e Mebrheit dazu aufbringen können, ja toto die in der Lage sein, eine ganz neue Auflage von Kirchengeseßen, Kampfgeseßen und Maigeseßcn zu machen; dann aber hoffe ih, daß sie eiwas politischer ind weniger juristisch ausfallen, wie die vorigen, die uur ein pretinm affectionis baben z cinen wirfsichen faftisWen Werth kann ih demjenigen, iwas wir hier aufgeben, von meinem Staudpunkte als Vertreter der preaßishen Fegierung uicht beilegen; deshalb würde ich dankbar sein, weni wir ohne zu große Polemik und au ohne Verweisung an die KFommission denn das ist immer eine Alimentation der Polemik die Vorlage, so wie sie uns vom Herrenhause einmal gekommen ift, gut oder {lech{Gt, als einen Versuch, von dem wir mit Gott eine Eutwictelung unseres inneren Friedens, der uns bisher sehlte, er- warten, als einen sollen Versuch accevtiren, und in gegenfeitigem Vertrauen diesen Boden geiroft betreten.

Der Abg. von Zedliß und Neukirch glaubte, cr könne die volle Bereitwilligkeit seiner politishen Freunde dazu erklären, die Friedenseihe mitpflanzen, sie begießen und entwiceln zu helfen. Es möge fraglih fein, ob ein Staat überhaupt jene große Aufgabe, die sich der preußische 1873 im nationalen ZFuteresse gestellt habe, zu lösen im Stande sei; die Thatsache werde Niemand bestreiten können, daß der preußische Staat dieser Aufgabe gewachsen gewesen sei. Die Möglichkeit der Lösung sei aber von dein Nomente an ausgeschlossen gewesen, als alle Faktoren niht mehr auf der energischen Durchführung jener Gesezgebung bestanden häiten, als fie angefangen habe, allmählich zu zerbrökeln und sih in Schutthaufen zu ver- wandeln. Daher sei es. durchaus riltig, wenn si der leitende Siaatsmann durch historische Vergleiche niht beirren lasse, fondern den nah seiner Auffassung dem Gesamntinter-sse des Staates dienlichsten Weg einslage und zwar umsomehr, als der leßte Schritt der Kurie dem Verhalten der Regierung den Charakier eines einseitigen Ent-

Kampfe zwischen Staat und Kirche ein anderer Ton zur Gel-

Regeln, die fie für unumstößlih hält, nach Belieben zu macen

aegenftommens nehme, da derselbe der Friedensbedürftigkeit

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der katholischen Kirche entsprungen sei. Redner glaube, daß

der gegenwärtige Moment durchaus zu dem ersten Versuche geeignet sei, zu friedlihen Beziehungen zwischen Staat und Die ganze Lage dränge, zu einem Ab-

Kirche zu kommen. schlusse zu gelangen. Er streife die Punkte nur, welche am Himmel der auswärtigen Politik gezeigt worden seien. fiven Bestrebungen der Sozialdemokratie, bedingten im Juter- esse der gesammten Nation, daß die Scheidewand beseitigt werde, welche die kfatholishen Mitbürger bisher verhindert habe, in Unbe- fangenheit sih an den allgemeinen Arbeiten zu betheiligen. Auch sei die Vorausseßung für einen Frieden zwischen Staat und Kirche dadurch gegeben, daß der gegenwärtige Leiter der katholischen Kirche von friedlihen Gesinnungen gegenüber Deutschland er- füllt sei. Gleichwohl verkenne Nedner nicht, daß eine Neihe von Bedenken sich gegen dieselbe erheben lasse. Eine kom- missarische Vorberathung würde er nicht für angezeigt halten, da das Hervortreten prinzipieller Gegensäße der Sache nicht förderlih sein würde. Dic formalen Bedenken nun gegen die Beschlüsse beständen namentlich darin, daß die Mitwirkung der Kurie und ihre Wünsche bei den Verhandlungen in einer sehr prononcirten Weise zu Tage getreten seien; aber er müsse anerkennen, daß die Regierung, wenn sie an eine Geseßgebung herantrete, welhe den Frieden herbeiführen solle, das Recht habe, sh zunächst mit der Kurie über die Wege zu benehmen, auf denen das Werk zu Stande kommen folle. Was nun vorliege, trage die Form des Gesetzes; wenn die Voraussetzungen zu demselben sich nicht erfüllen sollten, dann, habe der Herr Reichskanzler gesagt, wäre der preußishe Staat vollkommen in der Lage, die nöthigen Schußwehren wieder aufzurihten. Das dürfte aber doh wohl sehr schwierig sein. Ein anderes formales Bedenken entspringe dem Umstande, daß zwar der Ministerpräsident im Herrenhause als Mitglied desselben für die Beschlüsse desselden eingetreten sei, die Staatsregierung selbst aber sich ihre Beschlußfassung bis nuach endgültiger Stellungnahme der geseßgebenden Faktoren vorbehalten habe. Redner denke aber, dieses Bedenken werde nach den heutigen Wor- ten des Neichskanzlers beseitigt sein. Die mate- riellen Bedenken beträfen den religiösen Unterricht, die Erziehung der Geistlichen, die Disziplinargewalt über dieselben u. st. w. Der Abg. von Rauchhaupt sehe hier die Sache etwas allzu rosig an. Redner beforge, daß durch die Erziehung in Priesterseminaren, namentlich abcr in den Gymnasialkonvikten, die Gefahr gegeben sei, daß zwischen der Ausbildung der Geistlichen in denselben und der Ausbildung der übrigen Nation eine Art chinesischer Mauer aufgerichtet werde. So schwer die Bedenken aber au sein möchten, unter der Vorausfeßung eines modus vivendì, wenn auch nicht eines definitiven Friedens, würden wohl Alle über dieselben hinweg- sehen können. Darüber gingen die Ansichten seiner (Nedners) eFreunde auseinander, ob die Annahme der Beschlüsse des Herrenhauses den Frieden bedeute oder ob nicht viel- ehr in dén Reservaten, die noch nebenher - liefen, verderbliche Keime lägen. Einige theilten die Auffassung des Reichskanzlers, daß an der Friedfertigkeit der Kurie kein Zweifel bestehe, und daß auch über die Anzeigepflict sich ein Einvernehmen werde erzielen lassen, also auch über die noch in Aussicht stehende weitere Revision ; sie würden daher für die jegige Vorlage stimmen, im festen Vertraueit darauf, daß die übrigen Schritte im Sinne der Wiederherstellung des ¿Friedens zwischen Staat und Kirche erfolgen würden. Den Anderen und Redner theile diese Auffassung erscheine die Vorlage keineswegs die Gewähr dex Erlangung eines

modus vivendi zwischen Staat und Kirche zu enthalten. Sie meinten, daß die Unbestimmtheit der Forderung einer zu- künftigen Revision die Bürgschaft ausscließe; denn in ihr liege die Möglichkeit eines neuen Zwiespalts und noch ernsierer Kämpfe, als die bisherigen gewesen. Gerade, weil man das Vertrauen hege, daß sowohl Papst wie Regierung von ernster Friedensliebe erfüllt feien, ®sollte der gegenwärtige Moment erfaßt werden, um ein ab- shließendes Friedenswerk zu s{affen, damit niht, wenn die dunkele Forderung einer weiteren Revision bleibe, das ganze Friedenswerk in die Brüche gehe. Deshalb habe man ge- glaubt, nicht eher in nähere Verhandlungen eintreten zu sollen, als bis durch neue Vorlagen der Staatsregierung die Sicher- heit eines vollen Gelingens gegeben wäre. Deshalb meine man au durch ein zur Zeit ablehnendes Verhalten dem nteresse des Friedens besser zu dienen, weil man erkennen werde, wie großer Werth hier auf ein abschließendes Werk ge- legt werde. Von Friedensliebe seien also Alle erfüllt, und Nedner stehe niht an zu erklären, daß die freikonservative Partei die größte Genugthuung haben würde, wenn durch diz

Annahme der Beschlüsse das Friedenswerk gefördert würde. Der Abg. Seyffardt (Magdeburg) dankte dem Reichs- kanzler für sein Bestreben, der Stellung der nationalliberalen Partei in dieser Frage gerecht zu werden. Es sei ihm aber doch nit ganz gelungen. Derselbe habe aejagt, die National- liberalen Tönnten sih den Luxus einer eigenen Meinung ge- statten, er habe aber dabei vergessen, daß für Letztere die Auf- rechterhaltung des Parteistandpunktes kein Luxus, sondern cine Nothwendigkeit sei. Sie ständen heute auf denselben Standpunkte, wie vor einer Reihe von Jahren, auf vem Stand- punkte, den die Staatsregierung in den siebziger Jahren cin- genommen habe: daß der Staat einseitig vas Necht habs, die Grenze zwischen Staat und Kirche zu ordnen. Sie sciea aber, da fie praktische Politiker seien, praktish in die Verhand- lungen über die früheren Novellen mit eingetreten ; sie hätten gegen die zweite und dritte gestimmt, weil sie ge- meint hätten, daß sie unmöglich zum Frieden führen könnten. Wenn fie sih hier ebenso verhielten, fo sei dies nur dem zu- zuschreiben, daß sie meinten, es sei der modus vivendi zwischen Staat und Kirche wohl herbeizuwünschen, aber dur die Vorlage nicht zu erreichen. Es seien ja manche Vortheile für die katholische Kirche aus den Novellen hervorgegangen, Lir den Frieden hätten sie aber nihts genüßt, im Gegentheil, das katholische Volk sei in immer s{limmere Blindheit und Ver- kennung der Nothwendigkeit eines Zusammengehens mit der Nation hineingerathen, hineingeseßt worden. Für die Nationalliberalen liege die Frage so: Sind in dieser vierten Novelle die Vorausfezungen gegeben, daß uns mit ihc nicht dasselbe, wie mit den anderen passirt ? Diese Frage müßten lie verneinen. Die ganze Ent- scheidung spive sih dahin zu: Haben wir Vertrauen auf die ewalten, mit denen wir zu fkontrahiren uns gezwungen sehen oder niht? Wenn der Neichskanzler von der Deutsch- sreundlihkeit der Kurie spreche, so erwidere Neduer ihm: „Die Botschaft hör' ih wohl, allein mir fehlt der Glaube!“ Und

Aber die schweren Aufgaben im Reiche, vershärst durch die subver-

will immer nehmen, geben nichts“, und endlih: „Welcher Kluge fand im Vatikan nicht seinen Meister?“ Der Reichs- kanzler müsse anerkennen, daß die Nationalliberalen fest und stramm hielten. Derselbe dem Redner nicht verdenken, daß Letterer die vielhundertsährige Tradition der Kurie für eine höhere Autorität erachte, als die Fiktion von einem friedfertigen Papst und die Aussicht t - das Centrum und die „Germania“ auf solche Weise unshädlich zu machen. Es werde Redner troß der hohen Verehrung für den Reichskanzler unendlich {hwer, zu glauben, daß es durch Konzessionen auf kirhen- politischem Gebiete in absehbarer Zeit gelingen könnte, die JInteressenverbrüderung der sehr verehrten Kollegen vom Centrum zu lockern. Der große Staatsmann verkenne das au zerordentliche Stiegesbewußtsein, welches u. A. den Abg. Dr. Windthorst schon dahin geführt habe, zu sagen: wenn der kirchenpolitische Kampf beendet sei, werde der erneute frische Kampf um die Schule beginnen. Jn der ultramontanen Presse werde der Gedanke gepflegt, daß der preußische rocher de bronce doch nur ein shwaches Kunstprodukt sei gegen den Felsen Petri. Diesem Gedanken dürfe man keine Unterstüßung gewähren.

An Der Präsident des Staats-Ministeriums, Reichskanzler ¿xürst von Bismarck erwiderte:

Ich will zunächst bemerken, daß ih mit meiner Aeußerung über

den Luxus einer unabhängigen Meinung durchaus keine Kritif und scinen Tadel verbunden babe, sondern eher ven Auddruck einer Art von Neid über die Freiheit der Bewegung, die den Herren eigenthüm- lih ist, und auf die ih verzicten muß. Sodaun muß ih aber auc einige Anfichten des Herrn Verredners richtig stellen. A Er fragt mi, ob i denn wirklich Vertrauen habe zu den Mächten, mit denen wir kontrahiren. Wir baben keinen Bertrag ge- mat, wie ih {on vorhin bemerkte, ein Kontrahiren ift nicht vor- handen, und wie weit ich Vertrauen habe, habe ic vorber auch ge- sagt: ih babe Vertrauen zu den jeßt regierenden Papst. Daß wir, daß auch ich wie jeder andere Kluge an Klugheit ini Vatikan meinen Meister finde, bestreite ich hier gar nit; i strebe au gar nicht, mit dem Vatikan an Klugheit oder Schlauheit. zu wetteifern. Mein Biel ist nur, auf einem Gebicte meinen Meister nicht zu finden, auf dem der Fürsorge für *:5 Wok meines eigenen Baterlandes, und in diesem Sinne handle iw, in diesem Sinne mache ich den Versuch, den der Herr Vorredner als eine Il!usion cezeichnet. Nun, ih bin Illusionen sehr {wer zugänglich, ih mache mir auch hier feine unbedingte JUusion, indessen ih will die Hoffnungen nicht entmuthigen; auch wenn ih ganz frei von jeder Illusion wäre, so würde mich diese Freiheit do nicht von der Pflicht dispersiren, diesen Versuch, ob wir zum Frieden des Vaterlandes kornmen können, zu machen. Wenn er nicht gelingt, dann werden wir andere Enut- schließungen zu fassen haben ih babe das Bertrauen, cr werde gelingen.

Der Nachall des Kampses, der aus der Tonart des Herrn Vor- redners spra, ist mir vollständig erkflärlih und nit unsympathis{ ; ih Tönnte ihn theilen, wenn ich unicht Minister wäre, aber da ih Minister bin, muß ih meine Gefühle unterdrücken und mi ver allen Dingen, aber wenn mêöglich au meine Landéleute und Mitarbeiter loélöfen von dem Zusammenhange mit dem Kampfeszorn der Ver- gangenbeit ; ih möchte diese jeßige Situation frei machen von dem Einfluß der Erinnerung.

Die Illusion, daß wir bei dieser Gelegenheit nun die Grenze ¿willen Staat und Kirche genau und dauernd, juristisch kenntlihß) und verbindlich für Jedermann würden festlegen können, die tbeile ih nidt, wie ih schon in meinen ersten Worten äußerte, indem ih daran er- innerte, daß der Friedens\{chluß im Innern ein ganz anderer sei, wie der mit einer fremden Macht, wo man die Grenze festlege. Die Grenze zwischen Staat und Kircbe läßt si nit festlegén, weil beide Theile von Hause aus von verschiedenen Vcberzeugungen dabei aus- geben. Die Grenze, die der Staat für eine gerechte halt, ist notl- wendig und immer, nit nux im Christenthum, \ondern auc in beid- nischen Ländern au im jüdischen Staat, wo immer Priester und König wit einander gekämpft haben —, streitig gewescn und geblieben und wird es auch immer in der Theorie bleiben. Es bandelt nd nur darum. ob es uns nicht gelingen wird, das Gefühl, daß wir Aile Deutsche und Landsleute sind, böher und stärker in uns lebendig zu macben, als das Gefühl, daß wir verschiedenen Konfessionen an-

C TRA ron gehoren.

Der Abg. Nichter meinte, er habe umsoweniger Ver- anlassung, sich in bie Auseinandersezungen zwischen den Reichskanzler und den Mittelparteien einzumischen, als es doch s{ließlih heißen werde: Darum keine Feindschaft nicht. Die Haltung des Neichskanzlers werde immer fünstliher. Jm Herrenhauze habe er gesagt, weil er Mitglied dieser Körper- schaft sei und nit als Minister zu entscheiden habe, stimme er für die Vorlage, und soeben habe er gesagt, weil er Minister und nicht Nationalliberaler sei, trete er für die Vor- lage ein; wenn ex Nationalliberaler wäre, wüßte er nicht, was ex dann thun würde. Beide Aeußerungen {lösen sich vollsiändig aus. Heute habe sih der Reichskanzler gering- {äßig über Kommissionsberathungen ausgesprochen als eine Alimentation der Polemik, während ex es ber Majorität des Neichstages bei der Branntweinsteuer zum bittersten Vor- wurf gemacht habe, daß sie auf die Kommissionsberathung verzichtet oder jie abgekürzt habe. Dèr Reichskanzler habe heute die Frage aufgeworfen, wer ihn denn eigentlich zum Kultur- campfe verführt habe. Erft sei es Geheim-Nath Kräßig gewesen, dann die Polen und nun werde die freisinnige Vartei an- geführt. l

könne es

Darüber könne die freisinuige Partei sich trösten, ähnliche Vorwürfe seien auch denen nie erspart worden, die den Reichskanzler bei seiner Politik unterstüßt hätten. Die Freisinnigen hätten das Vertrauen bei der kirhenpoliti- schen Geseßgebung zu dem Reichskanzler schwer büßen müssen, und fie würden uie wieder in die Versuhung kommen, bei ciner ähnlichen Art der Gesetzgebung ihm zu folgen. Redner könne ja um so unbefangener sprechen, als ex seiner Zeit den Reichskanzler in dieser kirchenpolitishen Gesetzgebung nicht überall unterstüßt habe. Jm Herrenhause und heute habe der Reichskanzler bemerkt, daß die Fortschrittspartei ihn gezwungen habe, von dieser kirhenpolitischen Geseßgebung wieder abzu- gehen, weil sie in das Lager der Centrumspartei mit fliegenden Fahnen übergegangen sei und aus diesem Lager heraus den Staat feindlih beschieße. Der Neichskanzler irre sih da einigermaßen in Bezug auf die Daten und Jahreszahlen. Die Verhandlungen mit der Kurie hätten 1878 begonnen, und aus jener Zeit werde der Reichskanzler nihts nachweisen können, was die Freisinnigen zur Erschütterung der kirchen- politishen Gesecßgebung gethan hätten. Man fei da- mals vielmehr der Ansiht gewesen, daß die kirchen- politischen Verhandlungen wohl auch den Zweck haben möchten, in anderen Geseßesmaterie:1 „40 Points vorzube- lommen“, eine Unterstüßung der Centrunspartei zur“ Steuer: und Wirthschaftspolitik zu erlang:n. Und das sei ja keine Vordächtigung, denn nicht lange darauf sei ja in der bekannten Note des Fürsten Hohenlohe ausdrücklih ausgesprochen worden, daß den Neichskanzler auch in den Verhandlungeu mit dem Papsi andere Gedanken beschäftigten als nur kirchen- politische. Ju jener Note sei bekanutlih Klage darüber

er wolle noh ein Citat aus „Tasso“ hinzufügen: „Der Papst

in Fragen wie dec Beeren- und Pilzgeseßgebung und anderen ¿5xragen, sh auf die Seite der Gegner zu stéllen. Als der Neichskanzler selbst die erste Hand an diefe kirchenpolitische Geseßgebung durch die Novelle von 1886 gelegt “©azbe, habe die sreisinnige Partei diesen Einvruch in das System der Maigeseßgebung nicht unterstüßen wollen. Obgleich kein Freund derselben, habe Redner der Autorität der Geseßgebung gegen- über so lange nicht in eine Aenderung willigen wollen, als bis die Geseße zur Dur(hführung gelangt seien. Die No- velle von 1880 sei angenommen worden unter der Unterstüßung der nationalliberalen Partei. Der Theil der- selben, welcher später die liberale Vereinigung gebildet habe, habe dagegen gestimmt. Die Adgg. von Eynern und Cuny aber hätten den Ausschlag gegeben, denn das Gesetz sei mit 204 gegen 202 Stimmen angenommen worden. Damals, nicht heute, sei die cins{neidende Wendung in der Kirchen- politik eingetreten, und es handele si jeßt allerdings nur noch um die Aufräumung von Schutt und Trümniern. Erst nachdem die Novelle von 1880 Gefey geworden, hätten sich die Freisinnigen für völlig entbunden gehalten, dem Reichskanzler in den weiteren Phasen seiner tirchenpoli- tischen Gesetzgebung irgendwie zu folgen. So hätten fie den Anträgen der Centrumspartei und der Regierung theils zuge- smt, theils sie abgelehnt, je nahdem \ie sih mit ihren An- schauungen gedeckt hätten oder nit. Auch hier handele es stich einfach darum, wie stehe man inhaltlih zu den einzelnen Theilen der Vorlage. Die Bestimmungen über das Mefse- lesen und das Spenden ver Sakramente, das Verbot der Einmischung des Staates in die Bersagung der kirch- lichen Gnadenmittel bezögen fih auf interne Angelegenheiten der Kirche. Auf das Kulturexamen habe Nebner niemals einen fonderlihen Werth gelegt. Éin Dispens sei ohnehin {on zu- lässig gewesen und es sei gut, daß die diskretionäre Befugniß auch in diesem- Punkt beseitigt sei. Die Konvifkte würden wiederhergestellt, nicht aber die Knabenfeminare. Es habe edner gewundert, daß der Abg. Dr. Gneist auf die Unter- offiziershulen exemplifizirt habe. Dieses System gehe viel weiter. Uebrigens habe ja der Abg. Dr. Gneist im Reichstage seiner Zeit für diese Unterosfizierschulen ge- sunmmt. Was die Seminare betreffe, so handele es fich nur um die Wiedereröffnung der Anstalten, die geschlossen worden seien wegen des Streils . über das staatliche Aufsichtsrecßt. Dieses Aussichtsrecht des Staats über nichtstaatliche Lehr- ansialten gehe fo weit, nach des N-dners Meinung in vieler Veziehung zu weit, daß kein Bedürfniß vorhanden sein fönne, dancben noch irgend welche besonderen Bestimmungen zu treffen. Was weiter die Demeritenanstalten vctreffe, fo werde an der Bestimmung, daß Niemand gezwungen werden könne, in diese Anstalten zu gehen oder in denselben zu verbleiben, durch die Novelle nichts geändert. Dagegen werde Nedner aegen den Artikel stimmen, der den Pfarrer zum geborenen Borsitzenden des Kirchen-

Es sei nicht angezeigt, die ohnehin

erhoben worden, daß die-Centrumspartei es si beilommen lasse,

vorsiandes machen 1olle. hon einflußreihe Stellung des Geistlizen noch in wirth- schaftlicher Beziehunz zu verstärken, und er würde gern bereit jein, auch die analoge Bestimmung für die ev élishen Ge- meinden zu beseitigen. Jun der Frage über Aufhebung des firhlichen Gerichtshofes wolle ex der Spezialverathung nit vorgreifen. Jn cinem Punkte müsse ex dem Aba. von Rauchhaupt Recht geben. Der Standpunkt des Herrn Miquel im Herrenha: sci grundverschieden von dem, den die nationalliberale Partei hier einnehme, darin, daß erx die Anträge des Bischofs Kopp niht ablehne wegen ihres materieilen Jnhalts, sondern mit Nückficht auf Zie Lage der Verhandlungen über das Einvernehmen mit der Kurie. Die liberale Partei des Herrenhauses hahe für die Ablehnung der Vorlage aus der Thatsache geuonmen, daß die Anzeigepfliht nichGt genügend deklarirt l daß man nicht lar sehe, ob die fkatholishe Kirhe au im Falle eines Einsprucs alle Konsequenzen der Maigesebß- gebung iz Bezug auf den Einspruch acceptiren werde. Und weiter sei auf die Möglichkeit hingewiesen worden, daß der Papst die Erfüllung der Anzeige wieder ablehnen könne, wenn die Revision der kirchenpolitishen Geseßgebung nicht den Vor- ausfeßzungen entsprechen sollte, welche er a Ditselbe Énüpfe. Nedner habe von jeher auf diese Anzeigepflicht tetnen besonderen Werth gelegt. Er habe seiner Zeit gegen die Aufhebung des Art. 18 Verfassung ge- stimmt, weil er es für verkehrt daß der Staat sih einmishe in die Personalien Geistlichkeit, weil das zu Gehässigkeiten führe, ohne daß politi damit etwas erreiht werde. Jn der katholishen Kirche gerade kon- zentrire sich der ganze Einfluß in dem Bischof. Ja Bezug s selbstverständlich, daß

Die (Gründe

auf den Bischof aber sei es jeßt schon der Bischofsstuhl nicht beseßt werde ohne vorheriges Ein- vernehmen mit der Negierung. Vuch feine (Redners) Freunde hätten diese Auffassung der Anzeigepflicht gactheilt, als sie 1882/85 hier einen Antrag eingebracht hätten, der die Straf- bestimmungen wegen Nichterfüllung derx Anzeigepflicht beseitigen und die Erfüllung derselben nur sichern wollte durch die Zurücckhaltung der Privilegien und Zuwendungen des Staats an die betreffenden Geist- lien. Eine Anzeigepfliht in diesem Sinne sei praktisch durchführbar ohne jede Mitwirkung des Papstes. Die preußische Regierung habe jeßt die Verpflihtung übernommen, eine weitere Negelung der Maigeseße vorzunehnen. Als folh2 Anträge hier aus dem Hause gekommen seien, bade er gegen diefelben gestimmt, nicht weil er jede Nevifion ablehne, fon- dern weil cine solhe allgemeine Erklärung praktijch keine andere Bedeutung have, als daß sie den Herd bilde für neue Streitigkeiten. Wenn der Reichskanzler eine solche Verpflihting in einer Vorlage brächte, so würde er gegen diejelbe stimmen , auch el E dis staailiche Gescbgebung in keiner Weise binden wolle gegenüber einer auswärtigen Macht oder auch einer kirhlichen Person, wie es der Papst sei. Es sei ihm lieb, daß der Reichskanzler diese Erklärung schon jeßt abgegeben habe, bevor die Befchluß- fassung dieses Hauses erfolge. Dasselbe sei an die Erkiärung zu keiner Zeit gebunden. Er würde eine Geseßgebung, die vorgelegt werde in der Form eines Vertrags mit einer auswärtigen Macht in Fragen, wo es ih um eine Staatsausfsiht gegenüber den eigenen Stgatsbüzrgern handele, äblehneu, auch wenn sic ihm inhaltlih gesiele. Er würde auch gegen diefe Vorlage stimmen, wenn fie die Natur eines Konkordais !;ätte. Nu! habe der Reichskanzler im Herrenhause e"ärt, daß die Autonomie ¿es Staats au) bei dieser Vorlage volllomnen gewahrt sei, daß es der ipäteren Gescezgebung durchaus unbenomnmen bloide, andere Woge ein- zuschlagen. Derselbe habe die Verzandlungen mit der Kurie jo harakterisirt, daß es bei denselben darauf ankomme, die

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