1886 / 113 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 13 May 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachungen auf Grund des Reichsgeseßes vom 21. Oktober 1878.

Auf Grund des §. 28 des Geseßes gegen die gemein-

gegaten Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober

878 (R.-G.-Bl. S. 351 ff.) wird mit Genehmigung des Bundes- raths angeordnet, was folgt:

n der Stadt Berlin, den Stadtkreisen Potsdam und rlottenburg, sowie den Kreisen Teltow, Niederbarnim und Osthavelland bedürfen Versammlungen, in welchen öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden sollen, der vor- gängi en schriftlihen Genehmigung der Orts-Polizeibehörde. ie Genehmigung if von dem Unternehmer mindestens acht- D Stunden vor dem Beginn der Versammlung nach- zusuchen. Auf Versammlungen zum Zwecke einer ausgeschriebenen Wahl zum Reichstage oder zur Landesvertretung erstreckt \ih diese Beschränkung nicht.

Die Anordnung tritt am dritten Tage nach ihrer Ver- kündigung in Kraft und gilt bis zum 30. September d. J. Berlin, den 11. Mai 1886. Königliches Staats-Ministerium. von Bismarc. von Puttkamer. Maybach.

Lucius. Friedberg. von Boetticher. von Goßler. von Scholz. Bronsart von Schhellendorff.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußea. Berlin, 13. Mai. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen heute Vormittag 10 Uhr Allerhöchstselbst die Besichtigung der kombinirten Garde- «Infanterie-Brigade auf dem Tempelhofer Exerzierplaß ab und empfingen alsdann den Kriegs-Minister, General-Lieutenant Bronsart von Schellendorff, und den Chef des Militärkabinets, General-Lieutenant von Albedyll, zum Vortrage.

FJhre Kaiserlihe und Königliche U die Kronprinzessin is, laut Meldung des „W. T. B.“ gestern Abend von London über Port Victoria und Vlissingen nach Homburg abgereist.

Der Bundesrath ¡owie die vereinigten Ausschüsse desselben für das Landheer und die Festungen und für H: :.el und Verkehr hielten heute Sitzungen.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Ans der Abgeordneten befindet sih in der Zweiten age.

n der heutigen (73.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher der Minister der öffentlichen Arbeiten, Maybah, und mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, ftand zunächst die zweite Berathung des Ges egt- entwurfs, betreffend den Beitrag des Staates zu den durch den Anschluß der Stadt Altona an das deutshe Zollgebiet veranlaßten Kosten, auf der Tagesordnung.

__ Der Referent der Budgetkommission, Abg. Kieschke, empfahl die unveränderte Annahme des Gesetzes.

Der Abg. Dr. Hänel erklärte seine Zustimmung zu der Vorlage. Hoffentlich würde dieselbe nur die finanzielle Grundlage bilden für weitere, von der Regierung zu ergreifende Maßregeln auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens und der Zoll- verwaltung.

___ Der Abg. von Benda wies darauf hin, daß die Vorlage

in der Kommisfion einstimmig genehmigt sei.

Die einzelnen Paragraphen des Geseßes wurden hierauf ohne weitere Debatte unverändert angenommen.

Es folgte die Berathung der Rechnungen der Kasse der ODber-Rehnungskammer für das Fahr vom L d M 0G K -

uf Antrag der Rechnungskommission wurde für die

Rechnungen Decharge ertheilt. h j Das Haus berieth sodann den dritten Bericht der Korz-

mission für das Gemeindewesen über die Petition der

Mitglieder des Gemeinderaths zu Vheinbroyl, betreffend

die Kosten für die außeroröentlichen polizeilichen

Maßregeln in Rheinbrohl im Februar 1882.

Namens der Kommission beantragte der Abg. Rintelen :

Die Petition Journal 11. Nr. 305 der Königlichen Staats-

regierung zur nochmaligen Erwägung zu überweisen, ob die Kosten der außerordentlichen polizeilihen Maßregeln der Gemeinde Rhein- brohl niht ganz oder theilweise erstattet werden könne.

K lag nachstehender Abänderungsantrag des Abg.

van Vleuten vor:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen :

Die Petition der Mitglieder des Gemeinderaths zu Rheinbrohl 1]. Nr. 305 der Königlichen Staatsregierung dahin zur Berücksichti ung zu überweisen, daß die Verfügung, dur welche der Gemeinde heinbrobl die Kosten der Heranziehung vo: Militär- und Gendarmeriekräften zum pre der Erzwingung von Glocken- geläute aufgebürdet sind, aufgehoben werde ;

j i eventuell :

Die gedachte Petition der Königlichen Staatsregierung dahin zur Berücksichtigung zu überweisen, daß dieselbe die Entscheidung ‘in Betreff der Kostentragung bis nah rechtskräftiger Entscheidung des über das Eigenthum an der Kirche. \{webenden Prozesses vertage.

Der Ab - Jordan beantragte Uebergang zur Tagesordnun ; sollte das Haus hierauf einzugehen nicht geneigt sein, jo S e Partei eventuell auch für den Kommi sionsantrag

__ Der Abg. von Lyncker trat für den Antrag der Kom-

ial at er Regierungskommissar, Geheime Ober-Regierungs- Rath von den Brinken, legte noch einmal den Sachverhalt ber Vorgänge in Rheinbrohl dar und bat, auf Grund derselben über die Petition zur agesordnung über Ugen. Bei Shluß des Blattes sprah der A g. Berger.

Se. Majestät der Kaiser und König besichtigten eut: Vormittag 10 Uhr auf dem Tempel fer Slb i kombinirte Garde- Jnfanterie-Brigade, bestehend aus dem 3. Garde - Regiment & F und dem Kaiser Franz Garde- Grenadier-Regiment Nr. 2. Morgen Mittag 12 Uhr werden Se. Majestät voraussihtlich die (kombinirte) 1. Garbde-

Infanterie-Brigade, gebildet aus dem 1. Garde-Regiment z. F., dem Garde-Jäger-Bataillon, dem Lehr-Jnfanterie-Bätaillon und der Unteroffizier-Schule Potsdam, auf dem Bornstedter Felde bei Potsdam besichtigen.

Der 14jährige Knabe W. war am 1. November 1881 als Bote und Depeschenträger sowie zu seiner Ausbildung im Telegraphen- und Bahnwesen in den Dienst des Königlichen Eisenbahn-Betriebsamts zu Essen gegen eine tägliche Ver- gütung getreten, und drei Wochen später fand er auf dem Bahnhofe Berge-Borbeck bei dem Ueberschreiten der Geleise des Nebenbahnhofs, als er im Begriff war, im Austrage seines Vorgeseßten, des Stations-Diätars E. aus der dem Stationsgebäude gegenüber liegenden und von diesem durch mehrere Schienenstränge getrennten Wohnung des T. in dem Beamtenhause das _ p stü zu holen, durch den Zusammenstoß von Eisenbahn- wagen seinen Tod Seine Eltern beanspruchten auf Grund des Reichshaftpflihtgesezes Ersaß des ihnen dur den Tod ihres Sohnes entzogenen Unterhaltes für den Fall ein- tretender Hülfsbedürftigkeit sowie Erstattung der Beerdigungs- kosten. Der Eisenbahnfiskus lehnte jede Haftpflicht ab, weil der Verunglückte entgegen einem allgemeinen und ihm gegen- über speziell wiederholten Verbot feiner Vorgeseßten das Geleise des TebA ete überschritten und demzufolge seinen Tod selbst vershuldet habe. Die erste ZFnstanz wies aus diesem Grunde die Klage der Eltern des Getödteten gegen den Fiskus ab, auf die Berufung

aber der Kläger verurtheilte das Ober-Landesgericht zu Hamm den Beklagten nach den Klage-Anträgen, indem es ausführte, daß dem allgemcinen Seitens der Bahnverwal- tung erlassenen Verbote der Benußung des Fußwegs über das Schienengeleise keine Bedeutung beizulegen sei, weil dasselbe unter den Augen des Stations-Vorstehers von Eisenbahn- beamten und Arbeitern sowie von Postbeamten und Privat- personen übertreten worden sei, und daß durch jene Vorgänge der junge W. leiht zu der Annahme habe verleitet werden können, es sei das spezielle Verbot, wie es in Wirkl*Ykeit auch der Fall gewesen, kein ernstlih gemeintes. Auf vie Re- vision des Fiskus hat das Reichsgericht, Il. Civilsenat, durch Urtheil vom 5. Februar d. J., unter Aufhebung des Berufungsurtheils das die Klage abweisende Urtheil der ersten FJnstanz wiederhergestellt, indem der Gerichtshof be- gründend ausführte: „Ohne Zweifel folgt zwar au? dem fest- gestellten Sachverhalt, daß dem Getödteten kein die aftpflicht ausshließendes Verschulden zur Last fallen würde, wenn er ein von der Bahnverwaltung blos allgemein erlassenes und ihm als solches mitgetheiltes Verbot der Benußzung des Fuß- weges übertreten hätte; denn es genügt niht der Erlaß einer derartigen Anordnung für sich allein, sondern es muß auh deren Durchführung hinzukommen, um die Hast- verbindlihkeit ber Eisenbahn für Unfälle, welche auf die Uebertretung jener Anordnung zurückzuführen sind, pu beseitigen. Anders gestaltet sich aber die Sache, obald die Bahnv-rwaltung einem Bediensteten gegen- über, sei es mit Rücksicht auf, dessen jugendliches Alter, sei es aus irgend einem anderen Grunde, ein spezielles Verbot des Ueberschreitens von Geleisen erläßt. Kann in einem solchen Falle daraus, daß das Fehde Be Verbot nicht auf- reht erhalten xourde; übÆhaupt nichk“ ohne Weiteres hergeleitet werden, daß ber Bedienstete® nun auF"das besondere Verbot unbeachtet lassén durfte, so ist die Unterstellung, daß lebteres im vorliegenden Falle nicht ernstlih gemeint gewesen sei, durch die Wiederholung desselben Seitens der beiden Vorgeseßten des Verunglückten ausgeschlossen.“ :

_— Der Kaiserliche Gesandte am Königlih dänischen Hof, Legations-Rath Stumm, ist von dem ihm Allerhö bewilligten Urlaube nah Kopenhagen zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschasl wieder übernommen.

Der General-Lieutenant von Nachtigal, Com- mandeur der 13. Division, ist nah Münster zurücfgekehrt.

S. M, Kanonenboot „Hyäne“, Kommandant Kor- vetten-Kapitän Langemak, ist am 12. Mai cr. in Zanzibar eingetroffen.

Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 12. Mai. (Th. C Der Landtag des Herzogthums ist auf den 17. d. M ie berufen worden. Nach der „Goth. Ztg.“ werden sih seine V-- rathungen „vorzugsweise auf die Anlage von 5 Sekundär- bahnen: Nessethal, Ballstädt—Herbsleben, Gotha—Döllstedt, Ohrdruff—Gräfenroda, Georgenthal—Tambach erstrecken.

Anhalt. Dessau, 12. Mai. Die Gese -SGammlun veröffentlicht das Geseg vom 8. April d. L fa S Finánz-Et at des Herzogthums Anhalt für das Jahr vom Ader O e, Der A N eigener Einnahme

[998 6 Und in eigener Ausgabe auf 9996 000 Reichswährung festgestellt. 5 H | E

Elsaß-Lothringen. M ülhausen, 12. Mai. (W. T. B Der Statthalter Fürst Hohenlohe ist u hier M getroffen und empfing im Rathhause die Behörden und Kor- porationen der Stadt. Derselbe hielt bei dieser Gelegenheit eine Ansprache, in welcher ex für die ihm erwiesene Auf- merksamkeit dankte und die Ueberzeugung aussprach, daß die hier versammelten Männer bei aller Verschiedenheit der Meinungen, bei aller Verschiedenheit der persönlichen Tradi- tionen und Erinnerungen doch Alle in Einew si zusammen- finden würden, nämlih in dem loyalen Bestreben, für die Wohlfahrt dieses {chönen Landes Sorge zu tragen.

Oesterreih-Ungaru. Wien, 11. Mai. (Wn Abd Das Herrenhaus des Reichsraths wird pes Went den 17. d. M., seine nächste Sizung abhalten. Tagesordnung befinden sich: die zweite Lesung der Konvention, betreffend die von den Großmächten zu übernehmende Garantie für die egyptische Anleihe von 9 Millionen fd. Sterl. : die zweite Lejung der Regierungsvorlage, betreffend die Eröffnung von Na tra sfrediten zum Voranschlage des Ministeriums des Fnnern sür das Jahr 1886; die Wahl von 15 Mitgliedern in die Kommission zur Vorberathung der Landsturmvorlage endlich Berichte über Petitionen. j

m Abgeordnetenhause wurde heute die Zu- weisung der auf den Ausgleih mit Ungarn bezüglichen Bor lagen, mit Ausnahme des Zolltarifs, an einen aus 45 Mitgliedern bestehenden Ausschuß beschlossen. Die weiteren Gegenstände der Tagesordnung riefen theilweise eine längere Debatte hervor, an welcher sich auch die Regierungsvertreter

betheiligten. Die nächste Si dés Donnerstag, den 13. d M. brs és Hauses findet am

12. Mai. (W. T. B.) Die „Polit. Corresp.“ meldet : Die Behörden von Salonichi verlangen von den öster- reihisch-ungarischen Unterthanen daselbst die Bezah- lung der von den Mächten nur bedingungsweise zugestandenen Patentsteuer, und zwar für mehrere verflossene Fahre, und verweigern denselben, falls die Steuerzahlung nicht geleistet wird, die Ausstellung von Pässen, sowie die Annahme geriht- licher Klagen. Der österreihishe Botschafter hat bei der Pforte gegen dieses unberehtigte Vorgehen Pro- test erhoben und fordert Abstellung.

Pest, 11. Mai. (Prag. Ztg.) Jm Abgeordneten- hause wurden heute bei der Spezialberathung der Land- sturmvorlage die vom Landésvertheidigungs - Minister acceptirten Amendements, betreffend die Verwendung aus- gebildeter Kräfte und die Einberufung nah den Altersklassen, angenommen. Gegenüber einem Antrage auf Vorlage eines Militär-Strafgeseßes nah bestimmten Grundsäßen er- klärte der Ministerpräsident Tisza: ein diesbezüglicher Entwurf befinde sih im Kriegs-Ministerium fertig, doch dauerten die Verhandlungen noch fort, weil die ungarische Regierung einige Abänderungen wünsche. Die Regierun;z könne si dies- bezüglich durh Vorschreibung der Grundprinzipien nicht die Hände binden und sih au nicht einen Termin vorschreiben lassen. Der Antrag wurde hierauf angenommen. Der Minister stimmte dem Antrage zu, daß die Kommandosprache diejenige der Landwehr sein solle. Zuwics stellte einen Antrag betreffs gleich- zeitiger Aufnahme der kroatishen Sprache. Thaly beantragte die ungarish-nationale Fahne. Der Minister erklärte: die Ausstattung des Landsturmes mit Fahnen sei gar nicht in Aussicht genommen. Hierauf wurde ein Ab- änderungsantrag des Ministers angenommen, wonach die sprachliten Verfügungen des Landwehrgeseßes übernommen werden sollen; desgleichen ward ein Ergänzungsantrag ange- nommen, nah welchem der Landsturm einen integrirenden Theil der Armee bilden soll.

Niederlande. Haag, 12. Mai. (W. T. B.) Der „Staatscourant“ veröffentlicht ein Königliches Dekret, betreffend die Auflösung der Zweiten Kammer. Der Schluß der Sigungen soll am 18. Mai, die Neuwahlen am 22. Juni, dieStihwahlen am 6. Juli und die Eröffnung der neuen Kammer am 14. Juli stattfinden.

Großbritannien und Jrland. London, 11. Mai. (Allg. Corr.) Die „Daily News“ schreiben: Der Mangel an Eintracht unter den liberalen Gegnern der Homerule-Vorlage, über den sich Mr. Gladstone in seinem jüngsten Manifest an die Wähler von Midlothian ver- breitete, hält an und vergrößert sih. Mr. Goschen erklärt sih für eine Reform der Lokalregierung in Jrland, welche die Jrlän- der niht wünschen. . . . Wenn die gegenwärtigen beklagens- werthen Zwistigkeiten in der liberalen Partei nicht beigelegt werden, fann es feinem Zweifel unterliegen, wer daraus Vortheil ziehen wird. Die Tories allein dürften in diesem Falle ge- winnen. Diejenigen, welche wirklich wünschen, die Möglichkeit der Homerule, die wir als unvermeidlich betrachten, zu ver- hüten, müssen auf alle Fälle bessere Mittel zur Erreichung ihres Zweckes ausfindig machen, als die Tories an das Staatsruder zu bringen. Namens der liberalen Partei von Ulster sind, den „Daily News“ zu- folge, dem Earl Spencer sowie dem Marquis von Hartington auf privatem Wege neuerdings weitere Mit- theilungen gemacht worden, welche dahingehen, daß, obwohl die Mitglieder der Partei die Herstellung eines irischen Parlaments in jeder Gestalt im Prinzip beanstanden, thre Bedenken gegen Gladstone's Plan ziemlich verschwinden würden, wenn der Premier es möglih machen könnte, darin Fürsorge sür eine von dem projektirten Central-Parlament in Dublin unabhängige Legislatur für Ulster zu treffen.

Obwohl der Lord-Oberstkämmerer, Earl of Ken- mare, seine Demission in die Hände Mr. Gladstone's gelegt hat, wird er auf Wunsch der Königin vorläufig fortfahren, seine Amtspflichten zu erfüllen.

Aus Aden wird vom 10. Mai gemeldet, daß Kapitän Harrison Smith von seiner Mission nah Ab ssinien dorthin zurüdckgekehrt und der Träger eines Schreibens des Königs ohann an die Königin Victoria ist.

Ottawa (Canada), 10. - Mai. (A. C) Gegen den Kapitän des amerikanischen Fisher-Schooners „David Adams“, welcher dieser Tage von den canadischen Behörden mit Beschlag belegt'wurde, soll wegen Ver- leßung der canadischen Zoll- und Fis »erei-Gesezze sowie wegen Uebertretung der Konvention von 1818 in den neuschottländischen Gerichtshöfen der Prozeß angestrengt wer- den, weil er im Hafen von Digby (Neuschottland) Fischköder gekauft hatte.

4 Frankreich. Fs, 12. Mai. (W. T. B.) Die „Jnternationale Konferenz zur Herbeiführung möglichst übereinstimmender ge)eßliher Bestimmungen über die unterseeishen Kabel in den verschiedenen Staaten ist heute hier zusammengetreten. Dieselbe wählte den Minister der Posten und Telegraphen, Granet, zum Vorsizenden und ernannte eine Kommission, bestehend aus den Delegirten Frankreichs, Englands, Belgiens, Spaniens und der Vereinig- ten Staaten, zux Prüfung der verschiedenen Geseße, welche wegen der Ausführung der Konvention vom 14. März 1884 erlassen worden find.

Griechenland. Athen, 12. Mai. (W. T. B.) Eine Meldung des „Reuterschen Bureaus“ besagt: Papamichalo- pulos hat heute Vormittag den Auftrag, ein neues Kabinet zu bilden, endgültig abgelehnt, weil er die Ansicht des Königs nicht theilte, welcher nur ein provisorisches Ministerium behufs Einberufung der Kammer wünschte. Der König hat nunmehr Valvis zu sich berufen.

Ein Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Die Bil- dung des neuen Kabinets durh Valvis ist nunmehr erfolgt ; dasselbe ist folgendermaßen zusammengeseßt: Valvis, Präsidium und Justiz, Luriotis Aeußer-cs, General Petmezas Krieg, Augerinos Finanzen, Kapilän Miaulis Marine, PapailiopuloJnneres, Professor Benizelo Kultus. Das Ministerium ist ohne aus- gesprochene politische Farbe und soll vor Allem die A brü stu ng durhführen.

Ein Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Die Be rufung der Kammer soll alsbald erfolgen und soll nah

deren Zusammentritt sofort mit der Abr ü werden. s stung vorgegangen

Amerika. Washington, 10. Mai. (Allg. Corr.) Das „Bureau Reuter“ meldet: Jm RNepräsentantenhause wurden zahlreihe Resolutionen eingebraht, welche

empseh:en, über die näheren U- #inde der Beschlagnahme

des amerikanishen Schoon..s „David Adams“ eine Untersuchung einzuleiten.

Mr. Stone, Kongreßmitgkied für Newburyport, Massachusetts, stellte den Antrag, die Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten möge die thatsäcblichen Verhältnisse N und solche ge- sezgeberische Vorschläge machen, welche geeignet wären, unter gebührender Rücksicht auf die Handelsinteressen, die Würde der Nation zu wahren. Eine andere Resolution be- antragte die schleunige Ergreifung wirksamer Maßregeln zur Remedur. Auch im Senat wurden Resolutionen zum Zweck der Einleitung einer Untersuhung über die Beschlagnahme des Schiffes beantragt. Senator Frye reichte eine Bill ein, welche die Rechte ausländisher Schiffe auf die amerikanischen Schiffe in den Häfen, wohin erstere gehören, gewährten, be- schränkt. Eine ähnliche Bill wurde von Mr. Dingley im Repräsentantenhaus eingebracht. : Ó l

New - York, 10. Mai. (A. C.) Die Wage tation hat sich im Allgemeinen gelegt, und es herrscht überall Ruhe, da die Strikenden ihre feindselige Haltung auf- egeben haben. Die Chikagoer Eisenbahnbediensteten nahmen heute ihre Thätigkeit auf. Jn Chikago befinden ch etwa 50 Anarchisten hinter Schloß und Riegel und sehen dem Prozeß für ihre jüngsten Verbrechen entgegen. Der Sozialismus ist dort nahezu ausgerottet. Jn Cincinnati brach gestern kein Aufruhr aus, da die Stadt zu gut bewacht wird. Die Sozialisten verzihten auf alle ihre Meetings. Der einzige gemeldete neue Strike ist der von 700 Zuschneidern in Philadelphia, die das Verlangen nah 8stündiger Arbeit bei 10 stündiger Bezahlung stellen, was ab- gelehnt wurde.

'Zeitungsftimmen.

Der „Düsseldorfer Anzeiger“ bringt unter der Ueberschrist „Die nordamerikanischen Vorgänge und der von Puttkamersche Erlaß“ folgenden Artikel: :

Es beruht fkeincêwegs auf einem zufälligen pusammen treffen, sondern auf dem hohen Maße von deutsch-obrigkeit- licher Wachsamkeit und Beobachtung, wenn die Schutvor- fehrungen unserer MRegierungsorgane gegen heimishe Sozial- demokratie in wunderbarer Promptheit aus den Vulkan- regionen der ausländisck,eà Arbeiterbewegung die beweiskräftigsten Be- stätigungen erfahren. So war es bei der Erneuerung unseres So- ¡ialistengesezes, und fo jet wieder bei der Cirkularverfügung des Ministers von Puttkamer gegen den sozialdemokratishen Mißbrauch der Koalitionsfreiheit. Im ersteren Falle waren es die revolutionären Ausartungen der Arbeiterbewegung in Belgien, und im zweiten Falle sind es die leider noch beweiskräftigeren Berichte vom sozialrevolutio- nären Kriegs\{hauplaß in Nord-Amerika, welhe nah einem bezeich- nenden Ausdru ciner freisinnigen Zeitung „wie auf Bestellung der preußischen Regierung zu Hülfe kommen.“ i

Selbstverständlich sind wir hon au? allgemein menschlichen Ge- sichtépur "ten weit davon entfernt, über diese „prompte Hülfe“ eine freudige SBenugthuung zu empfinden. Im Gegentheil, in die Gefühle unserer Anerkennung über die Wachsamkeit und obrigkeitliche Umsicht unserer Negierung mischen \sich Empfindungen ernstester Art; denn weder in Belgien noch in Amerika besißt die Sozialdemokratie auch nur annähernd die große Anhängerschaft und ausgebildete Organisation wie in Deutschland. : s O

Freilich behaupten unsere sozialdemokratischen Stimmführer, gerade die große Ausdehnung und Ausbildung ihrer Organisation sei das beste Schußmittel gegen den Ausbruch von Gewaltthätigkeiten. Diese Behauptung beruht aber auf dem allergefährlichsten Irrthum. Außerdem ist es mehr wie wahrscheinli, daß jene Behauptung nicht einmal aus ehrlicher Ueberzeugung fließt; wertqfecns steht sie mit zahlreichen, durhaus revolutionären Aussprüchen sozialdemokratischer Neichstagsabgeordneter im sc{reiendsten Widerspruch, wie eine kürzlich veröffentlichte „Blumenlese aus sozialdemokratishen Reden“ Hand- greiflich macht. Aber felbst angenommen, die jeßigen Führer unserer Sozialdemokratie seien grundsäßlihe Gegner jeder Gewaltthat: au diese Thatsache würde ketnen ausreihenden Schutz gegea cevolvtionäre Ausartungen der Arbeiterbewegung darbieten. In dieser Beziehung haben alle bisherigen Revolutionen fo untrüglihe Beweise geliefert, daß bei vernünftiger Betrachtung der Dinge keinerlei Täuschung mehr bestehen kann. Zum Uecberflusse aber liefern gerade unsere Tagc fort- während weitere derartige Beweise.

Den neuesten und schwerwiegendsten bieten augenblicklich die nordamerikanischen Vorgänge dar. In den Vereinigten Staaten be- stehen große Arbeiterorganisationen, welhe, wie z. B, die „Ritter der Arbeit“, in Wahrheit und Wirklichkeit grundfäßliche Gegner von Gewaltakten, ja sogar systematische Gegner von Arbeitseinstellungen sind, während unsere Sozialdemokratie nur sheinbar gegen Gewaltakte, aber offen für Arbeitseinstellungen ist. Trotz dieses friedlichen Charakters der „Rittc“ der Arbeit“ und troß der 600000 Mitglieder, er welche diese Genofsen- haft verfügt, hat sie sich doch nicht als einen hinlänglich starken Schutwall gegen die \{chlimmsten revolutionären Ausartungen er- wiesen. Es liegt in den vergifteten Klassengegensäten so viel Zünd- stoff, daß die brennende Lunte anarchistisher Lehren n geeigneten Augenblicke ohne die weitsichtigite Vorsorge und Bereitsäaft der staat- lihen Gewalten {nell große Brände verursachen kann. Behauptet der bekannte amerikanische Nationalökonom Henry George in einer Zu- chrift an die „Philadelphia-Presse“ doch geradezu, daß chon „jede Arbeitseinstellung ein Krieg, ein Bürgerkrieg sei.“ Aus diesem Grunde bemüht fich der Präsident Cleveland alle Arbeitseinstellungen durch Schiedsgerichte möglichst zu verhüten: eine Absicht, welche den Ausbruch der fit Monaten allgemein erwarteten Katastrophe that- sächlih nicht verhindert hat. Nunmehr fordert die Gesammtpresse Nord-Amerikas mit Ausnahme der sozialdemokratischen Zeitung \tür- misch und entschieden, daß sich die dortige Obrigkeit auf den Stand- punkt der polizeilihen Niederhaltung jeder Gewaltthätigkeit stellen soll! Hätte der von Puttkamershe Erlaß in Bezug auf seine bürger- liche Nothwendigkeit und staatsmännische Einsicht noch einer Bestäti- gung bedurft: die nordamerikanishen Vorgänge würden eine solche in der denkbar glänzendsten Weise licfcrn!

Die Münchener „Allgemeine Zeitung“ schreibt: Binnen kurzer Zeit werden die nach den Bestimmungen des Un- fallversicherung8geseßes zu wählenden »wei Mitglieder der Bernfs- genossenschaften, sowie zwei Arbeiter, in das Reichs-Versicherungs8amt eintreten Damit wird gewissermaßen der Abschluß der ersten Periode in der Wirksamkeit der Ünfallversicherung erreiht, und obwohl noch nicht das erste Jahr seit seinem Inkrafttreten abgelaufen ist, fo läßt sich doch schon jeßt miè ciner gewissen Befriedigung auf die gewonnenen Resultate blicken. Vergegenwärtigen muß man si dabei immer, daß die gesammte Gesetzgebung neu und ohne ein Beispiel in irgend cinem Staate früherer oder jetziger Zeit ist und deshalb die Befürchtung nabe lag, daß die Ausführung mancher Be- stimmungen sih höchst s{hwieria, wenn nicht zuweilen als unmöglich erweisen würde, Thatsächlih haben sich alle diese Befürchtungen als nicht begründet erwiesen, die Unfallversicherung konnte nah allen vom h egepe bestimmten Richtungen hin zur Ausführung kommen. Die hiebei zum Vorschein kommenden Schwierigkeiten konnten namentlich durch die unermüdliche Thätigkeit und die anerkennenswerth pen und klaren Instruktionen des MReichs-Versiherungsamts überwunden werden. ,. , Die Unfallversiherung hat nah zwei Seiten hin füßlbare Wirkung ausgeübt, Zunächst fühlbar war der Einfluß auf die Versicherten dur die prompten Zahlungen der Versicherung vom 1, Oftober 188 an, und das Gefühl der Sicherheit, welhes sich fett

diesem Tage unter den Betheiligten erkennen läßt, erfaßt immer weitere Kreise. Bedrückt fühlen sich dagegen namertlich solche, deren Unfälle sih wenige Tage vor dem Termine des Inkraft- tretens des Gesetzes ereigneten, und die Gesuche sind zahlreich, worin um rüdckwirkende Kraft der Entshädigung auf einige Tage nachgesucht wird; erklärliherweise kann solchen Gesuchen niht stattgegeben werden. Hervorzuheben ist, daß die Berufs- genofsenshaften allgemein bei allen Unfällen mit größter Glätte verfahren sind. Ein weiterer Gewinn wird dadurch erzielt, daß dur die Bildung der Berufsgenossenschaften eine Organisation der In- dustrie geschaffen ist, die auf andere Weise wohl nit zu erreichen ge- wesen wäre. Auf der anderen Seite übt die große, bahnbrechende deutshe Arbeitergesezgebung einen Einfluß auf alle civilisfirten Staaten aus. Von den verschiedensten Ländern kommen Anfragen und Gesuhe um Zusendung des betreffenden Materials, welchen Gesuchen natürlich von den amtlichen Stellen stets entsprohen wird.

Landtags - Angelegenheiten.

Dem Hause der Abgeordneten ist nahstehender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Beseitigung der \chwe- benden Schuld von 30 Millionen Mark, zugegangen :

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

8. 1. Zur Beseitigung der \{webenden Schuld des preußischen Staates von 30 Millionen Mark ift eine Anleihe durch Veräußerung cines entsprehenden Betrages von Schuldverschreibungen aufzu- nehmen. |

. S8. 2. Wann, durch welche Stelle und in welchen einzelnen Be- trägen, zu welchen Bedingungen der Kündigung, zu welchem Zinsfuß und zu welchen Coursen die Schuldverschreibungen zu verausgaben find, bestimmt der Finanz-Minifter.

Im Uebrigen kommen wegen der Verwaltung und Tilgung der Anleihe, sowie wegen der Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Geseßes vom 19. Dezember 1869 (Geseßz-Samml. S. 1197) zur An- wendung.

S8. 3, Die im §8. 2 des Gesetzes vom 31. März 1886, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts-Et:+8 für das Jahr vom 1. April 1886/87, (Geseß-Samml. S. 55) dem Finanz-Minister ertheilte Er- mächtigung, im Jahre vom 1. April 1886/87 verzinslihe Schatz- anweisungen bis auf Höhe von 30 000 000 4, welche vor dem 1. Ja- nuar 1888 verfallen müssen, wiederholt auszugeben, bleibt mit der N ngote bestehen, daß die Schatßzanweisungen zur vorübergehenden Verstärkung des Betriebéfonds der Generalstaatskasse ausgegeben werden können.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei- gedrucktem Königlichen Insiegel.

Motive.

Auf Grund des Gesetzes vom 28, September 1866, betreffend den außerordentlichen Geldbedarf der Militär- und Marineverwaltung und die Dotirung des Staatsschazes, (Gesetz-Samml. S. 607) waren im Jahre 1867 zur theilweisen Deckung der durch den Krieg ge; en Oesterreich und in Deutschland r-ranlaßten Ausgaben 10 Millionen Thaler in verzinslihen Schaßanweisungen ausgegeben worden, deren Umlaufszeit durch §. 3 des gedahten Gesetzes auf längstens Ein Jahr bestimmt war. Zur Einlösung derselben wurden auf Grund des Gesetzes vom 24. Februar 1868, betreffend die Feststellung des Staats- bausbalts-Etats für 1868. (Gesez-Samml. S. 93) in gleißem Be- trage neue Schatzanwcisungen, wiederum- längstens auf Ein Jahr lautend, ausgegeben. l

Ferner waren auf Grund des Gesetzes vom 3. März 1868, be- treffend die Verstärkung der Geldmittel ¡ur Abhülfe des in den Re- gierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen herrschenden Nothstandes (Gefetz-Samml. S. 174) in gleiher Weise Shaßanweisungen im Be- trage von 3 Millionen Thalern ausgefertigt.

Behufs Einlösung der hiernach im Jahre 1868 ausgefertigten Schatzanweisungen im Betrage von zusammen 13 Millionen Thalern wurde durch das Gesetz vom 1. Februar 1869, betreffend die Fest- stellung des Staatshauéhalts-Ctats für 1869, (*:-ß-Samml. S. 217) der Staatsregierung die Ermächtigung zur .. abe neuer Schaßz- anweisungen in gleihem Gesammtbetrage und unter gleichen Moda- litäten für das Jahr 1869 ertheilt. # B48 W

“In demselben Jahre wurde dem Landtage ein Gesetzentwurf vor- gelegt, nah welchem zur Einlösung der Schatßzanweifungen eine 43pro- zentige Staatsanleihe von 13 Millionen Thalern aufgenommen werden sollte. Der Gesetzentwurf gelangte jedoch nicht zur Annahme, und zwar im Wesentlichen wegen der für die beabsichtigte Maßnahme nicht günstigen demc" -n Verhältnisse des Geldmarktes, indem die 42pro- zentige Staatsanieihe damals einen Börsencours von nur 93% hatte (Stenographishe Berichte *-8 Hauses der Abgeordneten 1869/70 Band 2 S. 1331 ff.), ier wurde durch das Geseß vom 24 Dezember 1869, betreffenv o¿c Feststellung des Staatshaus- halts8-Etats für 1870, (Gesez-Samml. S. 1205) die Regierung er- mächtigt, im Jahre 1870 neue Schatzanweisungen im Betrage von 12 500 000 Thalern, welche vor dem Oktober 1871 verfallen follten, wiederholt, jedoch nur zur Deckung in Verkehr geseßter Schak- anweisungen, auszugeben. Zugleich bestimmte das gedachte Gesetz, daß die im Jahre 1869 eingegangenen und die im Jahre -1870 eingebenden Rückzahlungen auf die nach dem Geseßze vom 3. März 1868 zur Ab- hülfe des Nothstandes in Ostpreußen gewäbrten Darlehne, sowie die etatsmäßigen Ueberschüsse des Jahres 1870 zur theilweisen Einlösung der Schaßanweisungen zu verwendkn seien.

In Gemäßheit dieser Bestimmung, welche, soweit sie die Ver- wendung der gedachten Rückzahlungen betrifft, in den Gtat8geseßen für die folgenden Jahre, nämlich vom 29. Januar 1871 (Geseßz-Samml. S. 25), vom 17. März 1872 (Gesetz-Samml. S. 185) und vom

Mäârz 1873 (Geseßz-Sammk. S. 49) bei gleichzeitiger alinäblicher Ermäßigung des Betrages der neu auszugebenden Schaßanweisungen, entsprehend wiederholt wurde, und nah Maßgabe der Bestimmung in dem Etatsgesetze vom 26. Februar 1874 (Gesez-Samml. S. 27), wonach die im Jahre 1873 eingegangenen Rückzahlungen nur in- soweit zur theilweisen Einlösung der Schaßanweisungen verwendet werden follten, als erforderli fei, um den Gesammtbetrag der letz- teren bis auf die Summe von 10 Millionen Thalern zu reduziren, ift der diese Summe übersteigende Betrag der ausgegebenen Schatzanwei- fungen zur Einlösung gelangt. |

Im Uebrigen aber ift seit dem Jahre 1873 alljährlid durch das Etat8geseß die Stga?sr ierung ermächtigt worden, verzinsliche Schaßz- anweijungen bis aj Höbe von 10 Millionen Thalern oder 30 Millionen Mark wiederholt auszugeben.

In Höhe von 30 Millionen Mark besteht demna gegenwärtig eine \{webende Schuld der Staatskasse.

Eine fsolhe Schuld dauernd fortbestehen zu lassen, würde mit den Grundsäßen einer vorsihtigen Finanzpolitik nicht im Einklange stehen. Auf eine Begleichung der zu beschaffenden Summe von 30 Millionen Mark aus Ucebershüfsen des Staatshaushalts if für absehbare Zeit niht zu rechnen; dagegen ist für die Fundirung der Schuld der gegenwärtige Zeitpunkt günstig, da der Stand der Course erwarten läßt, daß die aufzunebmende Anleibe zum Zinsfuße von 32 %o wird begeben werden können. Die Bedenken, welche gegen diese Maßregel im Jahre 1869 geltend gemacht wurden, treffen sonach jeßt niht mehr zu, es empfiehlt sh vielmehr, die Be- seitigung der fraglichen s{chwebenden Schuld dur ihre Umwandlung in eine fundirte Anleihe jetzt herbeizuführen, zumal zu deren felbst nur zeitweiser Deckung die regelmäßigen Bestände der Generalstaatökasse längst unzureihend geworden sind. i: i

Der Betriebsfonds der Generalstaatäkasse beläuft si, wie in den Anlagen zum Staatshaushalts-Etat für 1886/87 Bd. 11 S, 18 angegeben is, auf denselben Betrag von 30 330 000 #, auf wel(hen er im Jahre 1868 nah Hinzufügung der Betriebsfonds der Kassen in den neuen Landestheilen gebraht war. Damals betrugen nad dem Staatöhaushalt&sEtat die Ausgaben im Ordina- rium 461022192 K, im Etxkraordinarium 18 249 000 K,

A ae t

zusammen 479 271 192 4 Nach dem dur das Geseß vom 31. März d. Is. (Gesez-Samml. S. 55) festgestellten Etat jür 1886/87 betragen dieselben: im Ordinarium 1262836 621 #, im Extraordinarium 36 637 691 M, zusammen 1 299 474 312 Æ, mitbin jeßt gegen 1868 mehr 820 203 120 Æ, oder jeßt circa 2719/0 des Betrages von 1868.

Schon dieser Vergleih läßt die Annahme begründet erscheinen, daß der seit 1868 niht erhöhte Betriebsfonds, welher nur nach dem damaligen Bedürfnifse bemessen war, zu einer geordneten Wirthschafté- führung nicht mehr ausreichen kann. Die Richtigkeit dieser Annabme ergiebt sich zur Evidenz aus Folgendem :

Die Generalftaatskafse gelangt im Laufe des Rechnungsjahres nit in den vollen baaren Besiß der sämmtlihen Einnahmen. Ein erheblicher Theil der Leßteren muß vielmehr von den Provinzial- und Spezialkassen zur Bestreitung der von ihnen zu leistenden Ausgaben zurücbehalten werden. Wenn au nur so viel zurückbehalten wird, als für tie nächste Zeit unumgänglich nöthig ift, erreihen die solcer- gestalt dauernd bei den Regierungshauptkassen zu reservirenden Be- stände dur{schnittlich monatlich doch den Betrag von über 16 Mil- lionen Mark.

Dazu kommt, daß das Guthaben der preußischen Staatskaffe bei der Reichsbank, welche die größeren Ein- und Auszahlungen der Provinzialkafsen vermittelt, dauernd auf einer gewissen Höbe erbalteu werden muß, wodurch ebenfalls ein nicht unerhebliher Theil der überhaupt vorhandenen Bestände der Generalstaatskafse festgelegt wird.

Dadurch ist der weitaus größte Theil des Betriebsfonds der Generalstaatskasse dieser selbst thatsächlich entzogen. E

Von nicht minderem Gewicht erscheint der Umstand, „daß regel- mania an den OQuartalsersten sehr erbheblihe Ausgaben zu leisten sind, während die dem betreffenden Quartal angehörigen Einnahmen zumeist erst im Laufe des letztern eingeben. Von diesen Ausgaben sind hber- vorzuheben :

1) Die nah dem Gesetze vom 6. Februar 1881 |((Gesez-Samml. S. 17) vierteljährlih im Voraus zu zahlenden Gehälter und Wokb- nungégeldzushüsse der Staatsbeamten, welhe abgesehen von den Besoldungen der Beamten bei denjenigen Staatsinstituten, für welche im Staatshaushaltungs-Etat nur Zuschüfse auëgebracht sind nah dein diesjährigen Etat (7 von rund 230 000 000 4) = 57 500 000 M betragen ;

2) die monatlich im Voraus erfolgende Zahlung:

a. der Civilvens * (1/12 von 20 000 000 M)

b. der Rente an «… Provinzialverbände für Zwecke der Selbstverwaltung nach Ausgabekapitel 43 Titel 6 des Etats (1/12 von 37 560 000 A4). = 3100000 ,

Ferner werden

3) von den Zinsen der Staatsschulden am 1. Juli jeden Jahres gegen 64 000 000 X Halbjahrs- zinsen fällig, während bis zu dem genannten Tage in der Hauptsache die Einnahmezuflüfse erst für das erste Vierteljahr des betreffenden Rehnungs- jahres zur Kasse gelangt sind. Der Betriebsfonds wird also belastct mit der Hälfte von 64 090 000 A4

4) Endlich ist zu berücksihtigen, daß die An- theile Preußens an dem Ertrage der Zölle, der Tabaksteuer und an der Reichsstempelabgabe, für das Etatsjahr 1886/87 veranlagt auf

T7 554 250 M

und 13 493 600 ,

zusammen auf 91 047 850 A,

vom Reiche in Quartalsraten in der Weise über-

wiesen werden, daß die Antheile für ein Viertel-

jahr erft im zweiten oder dritten Monat des fol-

genden Vierteljahrs zur Generalstaatékafse gelan-

gen. Es hat dies eine fortdauernde ÎInanspruch-

nahme des Betricbsfonds in Höbe von mindestens

von rund 91 099 000 M) zur Folge.

Schon hiernach ergiebt fih für gewisse Ter- mine cine Anforderung an die Baarmittel der Generalstaatsfafse in Höhe von S 117 000 000 A, welcher Betrag seine Deckung erft im Laufe des betreffenden Viertel- jahrs, resp. Monats durch die nach und nach auffommenden Ein- nahmen findet.

Dazu . kommt, daß die Betriebsverwaltungen des Staats, int- besondere dic Eisenbahnverwaltung, genötbigt sind, einen reilien Vorrath an den zum regelmäßigen Betriebe erforderliben Materialien stets bereit zu balten, ganz abgeseben davon, daß zur Befriedigung der niht in gleichmäßigen Zeitabschnitten bervortretenden außerordentlichen Geldbedürfnisse der Eisenbahnverwaltung nicht selten in kurzen Zwischenräumen fehr bobe Beiräge aus der Generalstaatskafse unver- züglich überwiesen werden müssen.

Es sint deshalb bisber nicht nur die am Finalabs{lufse zu Restauë- gaben reservirten Deckungêémittel, welhe am Ende des Recnungëjabrs 1884/85 64 488 000 Æ und im Durchschnitt der leßten fünf Jahre 63 204 800 Æ betragen baben, fowie die Bestände des in Folge des Gesetzes vom 22. April 1875, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für dic röômisck{-katboliswen Bisthümer und Geift- lichen, (Gesetz-Samml. S. 194) gebildeten Sammelcontos8 von rund 15 500 000 Æ zu den vorbezeichnecten Zahlungen vollauf in Anspru zu nebmen gewesen, sondern es baben auc die für die Bedürfniffe der Eisenbahnverwaltung bewilligten Kredite frübzeitiger und in böberen Beträgen flüssig gemaht werdcn müssen, als es beim Vorbandenfcin ausreichender Betriebsmittel erforderli gewesen wäre.

Diesen Uebelstand zu beseitigen und den Verlegenbeiten vorzu- beugen, welche der Generalstaatsfasse aus dem niedrigen Baarbeftande entstehen können, erse um so mchr geboten, als auf das Vor- bandensein anderweiter vorübergehend verfügbarer und ausreiender Mittel nicht unter allen Umständen gerechnet werden kann.

Ueber die Frage, um wel{Wen Betrag dièz Verstärkung des Be- tricbs8fonds zu erfolgen baben muß, läßt fi zwar ein absolut fichercs Urtheil na der Natur der Sache nit gewinnen. Es wird jedo angenommen werden können, daß eine Summe von 30 000 000 Æ vorcrft auêreichen wird, !=* «u einem befriedigenden Zustande binüber

1 600 000 ,

32 000000 ,

zu fübren.

Daß dicser Betrags nur schr mäßig_ ist, zcigt anch die Ver- gleihung mit den entspre{enden Verbältniffen des Reichs. Während die Ausgaben desselben nah dem durch das Gesetz vom 8. März d I. (Reichs-Geschblatt S. 29) festgesteUten Etat für 1886/87 im Ordi- narium und Erxtraord*rium zusammen genommen 696 615 509 betragen, belaufen fi oie festen Vetricbsfonds der Reicshauptkafe, der Legationskasse, der Militär-, der Poîst- und der Reicbsdruck&erci- verwaltung auf zusammen 39 210 000 Æ und ift außerdem dur dat vorgedachte Gesetz, wic {ou alljäbrlid seit 1883, die Ermächtigung ertheilt, zur vorübergebenden Verstärkung des ordentlichen Betricbs- fonds der Reichsbauptkasse nah Bedarf Schaßanweisungen bis zur Höhe von 70 Millionen Mark au8zugeben. :

In gleider Weise au dem Betricdäfonds der Gencral-Staats- kasse die nötbige Verstärkung zuzufübren, empfiehlt fi um de&willen, weil es sich bierbei nit um die Dockung cines dauernden, sondern cines intermittirenden und in feiner Höbe s{wroankenden Bedarfs bandelt, zu dessen Befriediaung f die Ausgabe von Schaßanweisungen als das geeignetste Miitei darbietet. ]

Der vorliegende Geseßentwurf \{lägt deshalb zuglei mit der Fundirung der bisberigen s{webenden Schuld, welche die im Einzelnen einer besonderen Begründung nit bedürfenden §Y. 1 und 2 anordnon, im §8 3 vor, die dur das diesiäbrize Etatögesck vom 31. März 1886 dem Füranz-Minister ertbeilte Ermächtigung zur Ausgabe ver» zinslider Schaßanweisungen îin Höbe von 30 000000 K mit der Maßgabe aufre&t zu erbalten, daß die Schaßanweisungen zur vorüber» gehenden Verstärkung des Betriebsfonds der Gencralstaatäkafe auszu» eben sind.

G Eine gleiche Ermächtigung zur Ausgabe von S@(aßtanweisungen für den vorbezei{neten Zweek wird au für künftige Jahre, und zwar durch die betreffenden Etatägesezentwürfe na&zusu@en sein

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