1886 / 121 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 May 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Ein Völkergewitter ohne Gleichen, dessen- Zeuge Ew. Majestät vor mchr als 80 Jahren gewesen sind, hat das alte Europa von Grund aus verändert. Auch das stille Schaffen der Kulturmähte und insbesondere die Kunst ist davon tief ershüttert worden.

Hatte sich bis ins voraufgehende Jahrhundert die künstlerische Ueberlieferung stetig vollzogen, so daß eine Generation der anderen das Palladium des mit der Natur versöhnten Ideals anvertrauen konnte, so erbob sich nunmehr Zwietracht unter seinen Priestern.

Es bleibt ewig denkwürdig, daß gerade Männer aus dem Norden es gewesen sind, welche in Wort und Sthrift, in Baufunst, Plastik, Malerei die Botschaft von Hellas ver- fündeten. s Winckelmann, ein Sohn der Mark, den Künstlern zugerufen, ward in dem Dänen Thorwaldsen, in dem Shleêwiger Carstens und in dem anderen edlen Sproß der Mark, in Schinkel, zur That: die Kunst der Griechen stand als Muster vor dem Geiste der Schaffenden. : /

Einc andere Schaar, aus deren Mitte Cornelius hervorragt, ruft die dcutsche Vorzeir zauberkräftig zurück und jirebt in den viei- gestaltigen Wandlungen der Romantik neuen Zielen zu. Dazwischen aber traten Künstler auf an ihrer Spiße der Berliner Altmeister Schadow welche, theils in geistiger Nahfolge Schlüters , theils in hingebender Beobachtung der Wirklichkeit den Anregungen unseres heimischen Bodens folgend, uns Nachkommen erziehen, in denen wir mehr und mehr von unseren eigenen Zügen wiederfinden. Es i

Wenn auch in anderen Formen, erfüllen diese Gegensäte die Geschichte der modernen deutschen Kunst. L

Den Widerstand aber \{lichtet damals wie heute in seiner Wakl der Fürst. Wohl wissend, was ein Jeder ihnen galt, haben Ew. Majestät erlauchte Vorfahren und Ew. Majestät Allerhöchst- selbst wie andere hochsinnige Häupter unseres Volkes den Genius, wie er si gab, gewähren lassen, ihm die Auf- gaben gestellt, an denen er sih prüfen und erproben, dem Vaterlande zu Ehr? und Zierde schaffen konnte. So erwuchs mann igfaltig, wie es deutsche Art ist, auch unsere Kunft. | : :

Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt in ihren Gebieten sith erweiternd, ewährt sie die Fülle der Erscheinungen, die wir in all ihrer Ver- \chiedcnartigkeit würdigen und genießen, gern hoffend, daß die mancherlei Gaben zuleßt in Einem Geiste der Wahr- heit, der Gesittung und der Vaterlandsliebe zu- sammenwachsen werden nach dem Vorbilde der Ge- \chidcke unserer deutsben Stämme, die unter Ew. Ma- jestät väterliher Leitung aus hadernden Brüdern ein einig Haus, eine starke Familie geworden sind, in der ein Jeglicher seine Stelle ausfüllt. i

Die Jubiläums-Ausstellung unserer Akademie bietet das reichste Bild künstlerischen Schaffens dar, welches je in Berlin geshaut wor- den. Nicht unsere heimishen Künstler allein und ihre deutschen Ge- nossen haben ihr Bestes dargebracht, althergebrahter Sitte gemäß ist au das Ausland gastlih eingeladen worden, und mit freudiger Be- reitwilligkeit sind die Künstler aus den Nachbarstaaten und aus wei- terer Ferne dem Rufe gefolgt. Ihnen Allen rufen wir ein aufrihtiges Willfommen zu!

Gleichzeitig aber sci Ihnen die Mahnung ans Herz gelegt, darüber zu wachen, daß unsere Kunst ihrer höchsten Bestimmung nicht untreu werde, der Menschheit, Hoh und Niedrig, Arm -und Reich, ein Quell jener Erbebung und Beseligung zu werden, welche zur Gottheit emporweist. Dann auch vermag sie erst den anderen Beruf zu erfüllen, der ihr gescßt ist, L aller Mannigfaltigkeit ihrer Aeußeryngen die Men chen und die Völker zu cinigen im Dienste des Idealen.

Zu den Erzeugnissen freishaffender Kunst, welhe unsere Aus- stellung vorführt, gesellt fich ein Bauwerk seltener Art, hervorgerufen dur die erfolgreiche Kulturthat des neu geeinten Deutschen Reiches ; auf klassishem Boden giebt dasselbe in arbäologischer Treue ein Bild jenes Zeuêtempels wieder, vor welchem dereinst die Spiele der Hellenen zu Olympia gefeiert wunden ‘eine röhmliche Leistung künstlerischer Begeisterung und Thatkraft.

Von feiner Zinne schaut der Siegverleiher herab auf den fried- lihen Wettkampf moderner Völker um den Lorbeer.

__ Mit Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät aber mögen die heimischen Künstler im Rückblick auf die Vorfahren das glückliche LVewußtfein theilen :

„Wohl dem, der seiner Ahnen gern gedenkt !“

Der Kronprinz hatte die gesperrt gedruckten Worte mit erhobener Stimme gesprohen. Nachdem Se. Kaiserliche Hoheit geendet, trat der Minister der “geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Goßler vor, um Sr. Kaiserlichen Majestät über die Jubiläums-Ausfstellung und deren Vorgeschihte Bericht zu erstatten.

Der Minister spra : L

„Kaiserliche und Königlihe Majestät! Indem Ew. Majestät Allergnädigstem Befehle gemäß ih über die Jubiläums-Ausstellung und ihre Vorgeschichte Bericht erstatte, lenke ih dankbar den Blick vor Allem auf den denkwürdigen Erlaß vom 29. Juni v. Is. Ew. Majestät verliehen in demselben Allerhöchstihbrer Befriedigung Ausdruck über die Absicht, im Mai 1886 die 58. akademische Kunstausstellung

um Gedächtniß der vor 100 Jahren erfolgten Einführung öffentlicher Ausstellungen zu einer großen Jubiläums- Ausstellung auszugestalten. Nach dem von Ew. Majestät gebilligten Plan foll sie umfassen

einerseits Werke lcbender Künstlcr des In- und Auslandes aus den Gebieten der Malerei, Bildhauerei, Baukunst und der graphischen Künste, sowie hervorragende Erzeugnisse der dekorativen Kunst, welche unter dem Namen ihrer geistigen Urheber ausgestellt werden ; anderersêits Werke, welche einen Ueberblick über die vaterländische Kunstentwickelung dae den. Tagen des. Erlauchten Stifters der akademischen Ausftellungen, König Friedrihs des Großen, bis auf die Neuzeit darbieten. C

Unter huldvollster Uebernahme des Protektorats genehmigten Cw. Majestät gleichzeitig, daß Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen, dem Erlauchten Ehrenmitgliede der Gesammt- Akademie, das Ehren-Präsidium angetragen werden durfte.

So waren Inhalt und Form des Unternehmens sicher segen. Weit zurück reihen seine Anfänge. Sie wurzeln in dem Jahrzehnte lang gehegten Verlangen der Akademie, nach dem Vorgange der Schwelteranstalten in Wien und München, in ausgedehnten, der Würde der Kunst entsprehenden Räumen Rechenschaft abzulegen von ihrem Streben und Vollbringen. Fast ein halbes Jahrhundert lang hatte die Akademie ihre Ausstellungen beschränkt auf die durch Königliche Munificenz ihr überwiesenen Räume über dem Marstall. Mit ihr wanderten sie in das Afademiegeböude Unter den Linden; aber nah der reicheren Ausgestaltung der Lehreinrihtungen mußten vor einem

Jahrzehnt die Ausstellungen abermals weichen und ein gefährdetes eit in dem provisorishen Bau auf der Museumsinsel uchen

Als cine Exrlösung von dem Drucke des Unzulänglichen wurde es daher begrüßt, als vor zwei Jahren der Staat dieses, auf staatlihem Besitz errichtete Gebäude, in welchem unter dem Schuße Ihrer Majestät der Kaiserin ein den edelsten Zwecken der Menschheit dienen- des Unternehmen die BVlicke der gesammten civilisirten Welt auf sih gelenkt hatte, für Ausstellungszwecke erwarb. Ste Prüfungen und Versuche überwanden die Zweifel, ob diese Räume durch Um- und Anbauten sih anpassen ließen den erweiterten Zielen der Jubi- läums-Ausstellung, und der Staat, die Stadt Berlin und die Akademie verbanden ihre Kräfte zur würdigen Erfüllung der gestellten Aufgabe. Unter Benußung der auf dem Gebiete der Feuersfiberheit und Be- Ss gesammelten Erfahrungen is innerhalb eines Jahres cin Bauwerk entstanden, eigenartig und mannigfaltig in seiner Gestaltung und Gliederung, wohlgeeignet, für eine Rat Reihe von Jahren Fem: AOUOES nah einem größeren Auss\tellungsgebäude Rechnung zu tragen.

Der Ruf, welcher in alle Lande ersholl, fand den freudigsten Widerhall. Bereitwillig verzihteten die bildenden Künstler Oester- reichs auf die für dieses Jahr geplante internationale Ausstellung und wetteiferten mit der deutshen Kunstgenossenshaft unter Münchens

reichen Theilnahme der auêwärtigen Regierungen, wie Ew, Majestät Vertreter im Auslande baben die Künstler in_und außerhalb Deuts(- lants, in glänzender Gesammtrepräsentation Oesterreich und England, hervorragende Beweise ihres künstlerishen Vermögens hier vereinigt. Mehr als 2000 Aussteller sind durch weit über 3000 Werke vertreten. An Oelgemälden der Gegenwart allein zählen wir gegen 1600 von fast 1200 Künstlern, in Bildwerken gegen 300 von mehr als 209 Aus- stellern. Auch die Abtheilungen der graphischen Künste, der Architektur, der dekorativen Künste weisen reihe Betheiligung auf, und die histo- rishe Abtheilung umfaßt über 600 Werke von mehr -denn 200 Künstlern. : : j Anschließend an die akademishe Ausstellung bitten um Ew. Ma- jestät huldvollè Beachtung die aus privater Thatkraft hervorgegangenen Schöpfungen, bestimmt, die Bewunderung der Mitlebenden wach- zurufen für die großen, unter Ew. Majestät reihgesegneter Regierung durchgeführten Unternehmungen des Deutschen Reiches nah Olympia und des preußishen Staats nah Pergamon, und weiter zur An- \chauung zu bringen tie Errungenschaften Deutschlands im fremden Welttheil. Liebe zum Vaterland und Achtung vor den voraufgegangenen Ge- chlechtern strahlen Ew. Majestät entgegen in allen Räumen der Aus- elne Shren Ausgangspunkt nimmt sie von der leuchtenden Helden- estalt Friedrihs des Großen, und ihren Abschluß findet sie in dem Ausblick der Kuppel. Fest und sicher zieht Germania, umgeben von den Zeichen Kaiserliher Macht, gefolgt von einer freubigaujauchzenden Künstlerschaar, der Hauptstadt des Deutschen Reichs entgegen, und die aufwärts \{chwebende Kunst empfängt von dem Gott des Lichts und der Schönheit die Verheißung einer neuen Blüthe. :

Was des Künstlers Geist geahnt, möge es in reicher Fülle zur Wahrheit si gestalten! E : Allezeit unter den Hohenzollern ist die Kunst als eine Erzieherin des Volkes hoh in Ehren gehalten, und in rückblickender Würdigung des Geleisteten haben Ew. Majestät gern Anlaß genommen, an diesem Ruhmestage der Akademie eine Reihe von Auszeihnungen an deutsche Künstler zu verleihen, welde ich im Allerhöchsten Auftrage hiermit bekannt gebe“.

Verliehen ist: A der Stern zum Königlichen Kronen-Orden zweiter Klasse: dem Vicekanzler der Friedensklasse des Ordens pour le mérite, Adolf Menzel, i S der Königliche Kronen-Orden zweiter Klasse: den Malern von Angeli, Jordan, von Lenbach, von Wolff Schrader, den Bildhauern Hähnel, Albert o /

der Rothe Adler-Orden dritter Klasse mit der Schleife : den Malern Hans Gude, Janssen, dem Architekten

Hcyden, : der Königliche Kronen-Orden dritter Klasse:

dem Maler Gent. Im Auftrage Sr. Majestät dés Kaisers und Königs erkläre ich nunmehr die Jubiläums-Ausftellung der Königlichen Akademie der Künste für eröffnet !“ O A Im Namen der Königlichen Akademie der Künste brachte jeßt der Präsident derselben, Professor Karl Becker, auf Se. Majestät den Kaiser und Lönig ein dreifachhes Hoch aus, in das alle Anwesenden mit freudiger Begeisterung einstimmten. Se. Kaiserliche Majestät hatten Sich erhoben und dankten durch huldvolles wiederholtes Verneigen; langsam und feierli \chwebten e Klänge der Hymne „Heil Dir im Siegerkranz“ durch die prächtigen

äume. ; Lautlose Stille lagerte sich über die Festversammlung, als Se. Kaiserliche Majestät, nachdem Allerhöchstdieselben dem Kronprinzen und dem Minister von Goßler durch einen Händedruck Ihren Dank zu erkennen gegeben hatten, mit weithin vernehinliher Stimme etwa Folgendes sprachen : „Avf einem anderen Boden, als wir es gewohnt sind, begehen wir heute die Erinnerung an den großen König, unter dessen Schuß vor hundert Jahren die erste der akademischen Kunst-Ausstellungen eröffnet worden ist. Auch hier tritt uns das hellleuhtende Bild des großen Königs entgegen, der mit offenem Auge und hellem Blick stets erkannt hat, was zum Wohle des Vaterlandes frommte. Alles, was wir Großes und Gutes heute in unserm Lande be- wundern, ist auf dem Fundament aufgebaut, das er gelegt hat; überall, wo er seine Hand anlegte, entstand cin Werk, das den Dank der Nachwelt verdient. Ich bin hocherfreut, daß diese Jubiläums-Aus- stellung dazu Gelegenheit bietet, den großen König auch auf diesem Gebiete zu erkennen und den Dank und die Schäßung auszusprechen, die er verdient vor aller Welt.

Ih fühle Mich geehrt, daß unter Meiner Regierung dieses großartige Werk geschaffen wurde, und dem Herrn der Heerschaaren gilt Mein Dank, daß es Mir vergönnt ist, an dem heutigen Tage in Jhrer Mitte zu sein, um dieses herrliche Werk des Friedens mit be- wundern zu können.“

Es folgte nunmehr ein Rundgang des Allerhöchsten Hofes dur die Ausstellung. Der von der Königlichen Hochshule für Musik vor- getragene Chor aus „Judas Makkabäus“ von Händel bildete den Beschluß der Feier.

Das Rennen zu Hoppegarten am gestrigen Sonntage begann mit: "e

I. Staatspreis IV. Klasse. 1500 4, Kgl. Hauptgestüt Gradits F.-H. „Carmoisin“ Erster ; Hrn, Rüppels F.-St. „Madonna“ Zweite; Hrn. Brands br. St. „Modestée“ Dritte, siegte ganz leicht mit ciner Länge. Werth 1210 4 dem Sieger, 300 M der Zweiten,

1I. Glocke-Preis. Grua ther Gestütspreis. 4000 4A Mr. G. Johnfons 5j. br. St Antoinettc" Erste; Hrn. D. Spiekermanns 4j. br. H. „Markobrunner“ Zweiter; Grf. Bernstoff-Gyldensteens 4j. br. H. „Triftig“ Dritter. Zuletzt sicher um cine Länge gewonnen. Werth 4900 /#. der Ersten, 900 „4 dem Zweiten.

III. Preis von Hoppegarten. Staatspreis 1800 46 Hrn. O. Dehlschlägers F.-H. „Thronfolger“ Erster; Mr. G. Johnfons br. Skt. „Ragout“ Zweite; Kgl. Hptgestzt Gradißs br. St. „Fiddel“ Dritte. Im Handgalopp mit vie Längen gewonnen. Werth 2280 M. dem Sieger, 480 M der Zweiten. eg Beet

IV. Wagehals-Handicap. Gradißer Gestütspreis 2000 #6 Mr. G. Johnsons br. H. „Ladewig“ und Hrn. Ulrihs br. H. „Archivar“ liefen todtes Nennen für den ersten Plaß, Hrn. Jägers br. H. „Puck“ Dritter. Werth 1600 4 Jedem der beiden Ersten.

v. Verkaufs-Rennen. Gradißer Gestütspreis 1500 Hrn. ODehlschlägers F.-H. „Freiherr“ Erster; Hrn. v. Wedemeyers \chw.-br. H. „Buintetto“ Zweiter; Mr. Solloway's F.-St. „Sce- R Dritte. Werth 2040 6 dem Sieger, welcher nit gefordert wurde. ¿

VI. Mai-Steeple-Chase. Gradißer Gestütspreis 1500 4 Hrn. v. Tepper Laski's F.-H. „Kyrill“ Erster; desselben br. H. „Tartaruga“ Zweiter; Graf Sierstorpffs . Westerwinkel“ fiel. Werth 1800 6 dem Ersten; 300 M dem Zweiten.

__ Der „Verein Victoriahaus für Krankenpflege“ hat sich gestern unter Vorsig des Staats-Ministers Dr. Delbrück im Reichstagsgebäude als besonderer Verein konstituirt. Das Victoria- haus, das seit 1882 eine ungemein ge rede Wirksamkeit entfaltet, wurde bisher von dem „Verein für häusliche Gesundheitspflege“ geleitet. Es sollte ursprünglich A nur den Zweck haben, Me See für häusliche Pflege auszubilden. Seit 1884 ist das Haus aber auh im c der öffentlihen Krankenpflege thätig, indem ein Theil der Victoria\hwestern im Krankenhause am Friedrihshain und im Gynäko- logischen Institut Aufnahme gefunden und si dort vortrefflich bewährt

für das Haus eine besondere Organisation zu schaffen. Der neue Verein konstituirte sich mit einem Vermögen von 300 000 A In den Vorstand wurden u. A. Staats - Minister Delbrück, Generalarzt Mehlhausen, Professor Leyden, Dr. Goldammer, Stadtrath Eberty, Prediger Stechow, Frau Geheimräthin von Helmboth, Frau Minister Bronsart von Schellendorf, Frau Geheimräthin Schwabah und Frau von Krause gewählt.

Der unter dem Vorsiß des Sanitäts-Raths Dr. Habn stehende „Berliner Krippenverein“ bielt gestern im Deutshen Dom seine Jahresversammlung ab. Der Verein hat im abgelaufenen Jahre sich ruhig weiterentfalten können. In der in der Anklamerstraße Nr. 39 belegenen „Krippe“ haben 142 Kinder an 6975 Tagen Auf- nahme und Verpflegung gefunden. 54 der Kinder waren unter 5 Monate, 38 ¡wischen 5 Monate und 1 Iahr, 28 2 Jahre, 15 3 Jahre und 7 4 Jahre alt. Die stärkste Frequenz mit 764 Ver- pflegungstagen wies der September auf, am s{chwädchsten war die Krippe im Juli besucht (257 Verpflegungstage). Im Vorjahr betrug die Gesammtzahl der erpflegungs- tage 8703, 1728 mehr als im jeßigen Berichtsjahr. Der Gefund- heitszustand der Pfleglinge ließ nihts zu wünschen übrig; epidemische Krankheiten sind niht aufgetreten. Die baulihen und hygienischen Einrichtungen sind im leßten Jahre bedeutend verbessert worden, namentlich auch durch Ncucinrihtung der Ventilation. Die Finanz- lage des Vereins ist eine wohlgeordnete. Von den 245 Mitgliedern ingen 166 FÆ# an Beiträgen ein; eine vom Polizei- Präsidium genehmigte Sammlung brahte 2569 H; von den [tern der Pfleglinge wurden eingenommen (pro Tag 20 s) 1399 Æ; insgesammt betrugen die Einnahmen 6908 M. Die Ausgaben für die Krippe erreihten dagegen eine Höhe von 5191 M6: 2333 M fostete die Verpflegung, 990 H. wurden für Miethe, 82% für Gehälter, 547 M für Neubeschaffungen, 330 4 für M 82 4 für Beleuchtung verausgabt; 1548 H erforderte die Verwaltung (darunter allein 1039 6 für Botenlöhne.) Die Gesammt - ausgabe belief sich auf 6739 M, es blieb somit ein Bestand von 169 M Außerdem besißt der Verein 15 600 4 Vermögen.

Fast unmittelbar nahViktor vonScheffels Tode ist inHeidel- berg der Gedanke erwacht, ihm an den Ufern des Neckar, die seine Lieder verherrliht, ein Denkmal zu seßen. Ein dort gebildetes Comité wendet sih_ in einem Aufruf an Alle, die den durch Scheffels Poesie verklärten Zauber von Heidelbergs Naturshönheit empfunden, dic“ an des Dichters heiteren und ernsten Gesängen sih erquickt haben an das deutsche Volk, das Denkmal zu fördern. In Berlin liegt in der Kunsthandlung von Amsler und Ruthardt, Behrenstraße 29 A, eine Liste zur Zeichnung von Beiträgen aus.

Leipzig, 23, Mai. (W. T. B.) Heute fand hier die feier- e E O zu der deutshen Buchhändler- örse statt.

Lemberg, 24, Mai. (W. T. B.) Die Stadt Baligrod im Bezirk Lisko steht seit gestern Mittag in Flammen ; ebenso ist die Bezirks\stadt Nadworna, das zweite Mal seit zwei Wochen, in ver- gangener Nacht von einem größeren Brandunglück betroffen worden.

Rom, 22. Mai. (W. T. B.) In der Zeit von gestern Mittag bis heute Mittag sind an der Cholera in Brindisi 1 Person erfrankt, 1 gestorben, in Bari 6 erkrankt, 2 gestorben, in Venedig 10 erkrankt und 5 gestorben.

Catania, 22, Mai. (W. T. B) Heute Vormittag wurden in Paterno und Biancavilla neue Erderschütterungen verspürt. Die neu erschlossenen Krater befinden sich in dauernder Eruption. Die Ortschaften Nicolosi, Belpasso und Pe dara sind noch immer gefährdet. :

22. Mai, Abends. Ueber Biancavilla, Belpasso und Nicolosi geht gegenwärtig cin Sand- und Bimsteinregen nieder. Die n ssttrôme, welche leßtere beiden Orte bedrohen, fließen jeßt angsamer.

23, Mai. (W. T. B.) Die leßten Nachrichten vom Aetna lauten beruhigender. Die flüssige Lava aus den ersten Krater- Oeffnungen beginnt zu stocken; die Lava aus den ipäteren Krater- Oeffnungen ist noch flüssig, nimmt jedoch ab. Das unterirdische Getöse hat aufgehört.

Victoria-Theater. Zur Bequemlichkeit der Besucher der Subiläums-Kunstausstellung ist der Anfang des Ballets „Amor“, das h jeßt in 24 Stunden abspielt, von morgen, Dienstag, auf 74 Uhr Abends angeseßt und treten gleichzeitig folgende Sommerpreise ein Fremdenlogen 6 M, I. Rang 5 4, Parquet 4 X, 11. Nang-Balkon 3 M, II. Rang-Loge 2,50 M, 111. Rang-Balkon 2 46, 1IL. Rang-Loge 1,50 Æ, Gallerie 1 M

Im Re sidenz-Theater trat am Sonnabend die russische Tragödin Fr. Elisabeth Goreva als Adriênne Lecouvreur in dem gleihnamigen Drama auf. Es ist s{chwierig, über ein Gastspiel ein erslhöpfendes Urtheil abzugeben, welches, ‘in einem fo fremdartigen Idiom gegeben, uns nicht die scelishen Vorgänge. in den uns gewohnten Mutterlauten übermittelt sondern uns @haupt- \ählich auf die Beurtheilung der äußeren Darstellung be- \chränkt. Nur der Kenner der rufsishen Sprache vermag daher ganz die Schönheiten zu würdigen, welche im Vortrage Lagen; der mit jenem Idiom Unbekannte vermochte nur zu errathen, was die Künst- lerin sagte, und zwar aus ihrem Spiel, und diese Mühe wurde ihm erleichtert, da Fr. Goreva offenbar über ein reihes dramatisches Talent verfügt, welches den Gemüthsbewegungen und dem Wechsel der Empfindungen, an denen jene Rolle so rei ist, beredten Ausdruck giebt, sodaß der fremde Laut, unterstüßt von meisterhafter Mimik, seine Wirkung“ niht verfehlte. An Kraft der Leiden- schaft, an ershütternder Tragik i Spiel hält Fr. Goreva den Vergleih mit berühmten Darstellerinnen der Rolle sicher aus. Die Vorstellung gewann an Interesse durch die-eigenartige Auffassung, welche -die -russishe Künstlerin von der französischen D des Dramas hat, namentlich die Sterbescene dürfte in dieser Darstellung der Fr. Goreva eigenthümlich sein. Hier seï bemerkt, daß die allzu realistische Wiedergabe des Todes ciner Vergifteten etwas abstoßend wirkt, wenngleich der theatralishe Erfolg ein bedeutender ist; hier wäre eine ilderung der Affekte unscres Erachtens angebracht. Was die äußere Erscheinung der Dame “anbetrifft, so ist es vor Allem das scharf gezeichnete Gesicht mit den großen aus- drucksvollen Augen, welche besonders interessiren ; das beredte Spiel der leßteren namentlich war es in ‘der - vorgestrigen Vorstellung, welhes das Verständniß der Darstellung wesentlich erleichterte. Reicher Beifall lohnte die Gastin und bewies ihr, daß sie eine günstige Aufnahme bei dem Berliner Publikum gefunden hat. Von dem einheimischen Künstlerpersonal, -welhes am Sonnabend cine \chwierige Aufgabe zu erfüllen hatte, seien lobend hervorgehoben Hr. Pansa, Hr. Brandt und Frau Charlotte Frohn.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck; W. Elsner. Fünf Beilagen (einshließlih Börsen-Beilage), (7654)

sowie den Sommerfahrplan für den Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Hannover,

und das Verzeichnis: der gezogenen Pfandbriefe der

Berlin:

hat. Da das Victoriahaus damit aber den Zwecken des Vereins für häus-

Führung in der Förderung des Unternehmens. Unter der einfluß-

liche Gesundheitspflege entrükt ist, hat man es für angezeigt gehalten,

Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank.

; Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 121.

Berlin, Montag, den 24. Mai

1886.

Niehtamtliches.

Preußen. Berlin, 24. Mai. Jn der vorgestrigen (80.) Sigung des Hauses der Abgeordneten be- merkte bei Berathung des 8. 1 des Geseßentwurfs, be- treffend den Bau neuer Schiffahrts kanäle und die Verbesserung vorhandener Schiffahrts straßen ver Abg. Stephanus (Linden): in der Kommission habe sich flar herausgestellt, daß die beiden Kanalstrecken, für welche 70 Millionen Mark gefordert würden, erst dann Bedeutung ewinnen könnten, wenn für den Oder-Spree-Kanal auch eine egulirung der oberen Oder stattfinde, und wenn im Westen die Strecke Henrichenburg bis zum Rhein, bis Ruhr- ort, hinzugefügt werde. Jn dieser Anschauung sei er mit den Freunden der Regierungsvorlage in Uebereinstimmung. Das würde die Kosten auf 110 bis 112 Millionen Mark er- höhen. Die Regierung müsse daher von “der Ueberzeugung durhdrungen sein, daß Kanäle as O Verkehrsstraßen dem Lande nothwendig seien, und deshalb wünschte Redner sobald als möglih eine so segensreihe Einrihtung dem ganzen Lande. Er bedauere, daß die Staatsregierung niht in Konsequenz ihrer Erkenntniß dazu gelangt sei, ein Gesammtkanalneg vorzulegen. Der Haupt- egenstand der Vorlage, der Rhein-Emskanal, solle zur Ver- drängung der englischen Kohle dienen; unstreitig eine wichtige Aufgabe; aber viel“höher stehe die materielle Wohlfahrt des anzen Landes, die Aufhülfe der binnenländischen Landwirth- fat und Jndustrie mit den davon abhängigen, nah Mil- lionen zählenden Existenzen. Man leide unter der Un- leihheit der Preise in der ganzen Monarchie. Jm Osten fehlten. für die landwirthschaftlihen Produkte die Kon- sumenten; sie seien billig, die Jndustrieerzeugnisse dagegen theuer ; das Umgekehrte sei in den großen Jndustriecentren der Du Es fehlten die billigen ausgleichenden Verkehrswege. ufgabe eines großen Staates sei es, hier rechtzeitig ein- zugreifen, um die Jndustrie leistungs- und exportsähiger zu machen; das sei vielleicht noch wichtiger als die Ver- drängung von 2 Millionen Tons englischer Kohle. dur deutshe, deren Gewinnung 7000 Arbeiter E So lange einem großen Theile der deutshen Jndustrie die Kohle theurer zu stehen komme, als der ausländischen Konkurrenz, wie dies z. B. bezüglih Hollands bei den gegenwärtigen Ver- hältnissen der Fall sei, so lange kräftige man diese aus- ländishe Konkurrenz und schneide mit dem Export ins eigene Fleisch. Die Staatsregierung habe in ihren Denkschriften die Ausbildung eines großen deutschen Kanalunegzes mit kleineren Seitenstrecken vollkommen anerkannt; seitdem habe sie aber geshwenkt, und 1883 habe der Minister der öffentlichen Arbeiten gesagt: Um 112 Millionen Mark mit einem Male auszugeben, müßten wir warten, bis wir* erst wieder in die Fülle des Geldes kämen. Außerdem sei eine

nachtheilige Verschiebung der wirthschaftlichen “Verhältnisse

Slesiens zu besorgen; es sei zu erwägen, ob nicht vord eine bessere Wasserverbindung zwischen Berlin und Schlesien herzustellen sei. „Jh denke aber so {loß er—, wir kön- nen das gleichzeitig bewirken, das eine thun und das andere niht art Redner bitte das Haus, dies heute zu befolgen. Die Befürchtung Derjenigen, welche bei aller Sympathie für den Binnenlandkanal diesem nicht zustimmten, weil die Regierung nach Ablehnung dieser Vorlage keine fernere bringenwürde, sei völ- lig grundlos; die Regierung erkenne Kanäle für nothwendig für das Land, sie würde also pflihtwidrig handeln, würde sie keine Vorlage mehr bringen. Die finanzielle Lage könne keinen Einwand abgeben, denn Kanalänlagen seien produktiver Natur, im Gegentheil müsse man gerade durch sie a die einheitliche Wasserstraße kommen. Aus diesen Gründen bedauere Redner den Mangel eines großen Planes, die Vorlegung eines Stück- werkes. Er bitte, den Entwurf abzulehnen, auch den Kom- missionsvorschlag, da auch dieser nicht voll erfülle, was dem Lande noth thue.

Der Abg. von Rauchhaupt erklärte Namens seiner pol

tischen Freunde, daß sie für den Oder-:Spree-Kanal geschlossen stimmen würden, daß sie das Plus, das in der Kommission zu der Regierungsvorlage hinzugekommen sei, ebenso einmüthig ablehnen, dagegen gegenüber dem Ems-Dortmunder Kanal e. Ansicht seien. Bei dem Oder-Spree-Projekte könne ie Summe zu keinen Bedenken gegenüber den Vortheilen Veranlassung geben. . Das, was die Kommission hinzu- efügt C sei ganz eigenthümlih zu Stande gekommen.

ie auf Kreistagen Einer dem Andern immer eine Chaussée zulege, bis das Chausseeneg fertig sei, so sei erst der ober- ]hlesishe Kanal bewilligt werden, um die Oberschlesier, dann der Rhein-Ems-Kanal, um die Rheinländer zu gewinnen, und als noch eine Stimme gefehlt habe, sei noh der mittelelbische Kanal zugelegt worden. Einer objektiven Prüfung gegenüber dürfte die Vorlage, wie sie jeßt aussehe, shwerlich ftidhalten. Was den oberschlesishen Kanal betreffe, so hoffe Redner, werde \sih die Staatsregierung in einer bindenden Form für die Ausführung &klären, damit die Herren aus Oberschlesien keine Bedenken mehr hätten. Er könne Namens derjenigen Konservativen, welhe für Ems-Dortmund stimmen würden, erklären, daß sie, sobald eine Vorlage für den oberschlesischen Kanal dem Hause zugehen werde, dieselbe im ZJnteresse Ober- \chlesiens bewilligen würden. Was den Rhein-Ems-Kanal be- treffe, so habe der Abg. Berger neulich schon angedeutet, daß die R d darin liege, daß die Richtung der Kanallinie niht feststehe. “Redner betrachte dieses Projekt als eine Art Kampfesmiitel gegenüber dem Umstande, daß Deutschland nicht die “ira l A habe. Was den mittel- deutschen Kanal betreffe, an dem Redner als mittelländischer Abgeordnete das meiste Juteresse práóg müßte, so stelle er sich nie auf den Boden, daß er, weil jeine Interessen niht bedacht seien, sih denen Anderer entgegenstelle. Man sei verpflichtet, die Gesammtinteressen der Nation ins Auge zu fassen; wenn diese etwas erheishten, so. folge er. Es i dies der einzig mögliche Standpunkt, wolle man sich nicht in einseitigem Partikularismus aufreiben. Darnach sei er überzeugt, daß eine Verbindung der Elbe -— er wolle einmal sagen über Wilhelmshaven mit der Ems nah dem Bau des Nord-Ostsee-

“mach

Kanals eine Nothwendigkeit werden würde, wenn dieser leßtere seiner großen maritimen Bedeutung Genüge leisten folle, Auch von diesem Standpunkte aus könne er nicht so parti- fularistish sein, daß er um der Jnteressen der Provinz Sachsen willen, welhe durch ihre Flüsse doch recht glüdck!ih situirt sei, einen Einwand daraus - herleiten sollte, weil der mittelländishe Kanal nicht gleich mit aufgenommen werde. Die Provinz Hannover sollte nicht vergessen, daß sie flankirt werde in Zukunft von der Elbe und dem neuen Kanal im Westen. Es sei für den preußishen Staat unmöglich, nahdem er das Staatsbahnsystem inaugurirt habe, dieses dur ein Kanalneg ertraglos zu machen. Nur wo Massen- produktion, wie in den Montandistrikten Rheinlands, West- falens und Schlesiens, dazu nöthige, nur dort dürfe der Staat Kanäle anlegen. Durch den Dortmund-Ems-Kanal sei eine Gefährdung des Staatsbahnsystems nah den Worten des Ministers Maybach nicht zu besorgen. Die Kommissionsberathung habe bei einer Anzahl der politischen Freunde des Redners die Be- denken wesentlich gemildert, wenn nicht vollständig zurücgedrängt, welche sie na der finanziellen Seite, nah der Entwickelung des Staatseisenbahnsystems und in Rücksicht darauf gehabt hätten, daß eine Verschiebung der Verkehrsinteressen dadurch stattfinden möchte. Dieser Theil seiner Freunde werde also für den Dortmund-Ems-Kanal stimmen. Wenn sie die finanziellen Bedenken aus der Gesammtlage der Staatsfinanzen zurück- treten ließen, so geschehe dies, weil sie glaubten, niht unbe- gründete Hoffnung zu haben, daß im Reiche diejenigen Quellen würden eröffnet werden, welche dazu geeignet seien, das Defizit in Preußen und im Reiche verschwinden zu lassen. Redner glaube, daß es im Jnteresse aller Parteien liege, das Defizit aus der Welt zu schaffen. Eine Verständigung über den einzushlagenden Weg werde bei einigem guten Willen doch möglich sein, er wenigstens hoffe, daß im Reichstage auf dem von der Regierung Dre lagenen oder doch einem ähn- lichen Wege das Defizit werde beseitigt werden. Den Stand- unkt der bloßen Negation würden doch die Deutsch: reisinnigen niht aufrecht erhalten können. Bewillige man die Kanalporlage, so sei ein Grund mehr- vor- handen, die Reichseinnahmen zu vermehren, denn es werde ja dä- durch das preußische Defizit vergrößert ; die Freunde der Kanal- vorlage hätten also das dringendste nteresse, für die Ver- mehrung von Reichseinnahmen zu wirken. Das sei kein Handel, fondern einfache finanzpolitishe Erwägung. Die Eisenbahneinnahmen würden dadurh auch nicht geschädigt werden, denn es sei anen, daß gerade der Kanal die nöthige Mehrleistung, die sich ergeben werde, auch über- nehmen werde, so daß die Staätseinnahmen keine Einbuße erleiden würden, zumal man den Eisenbähnen auf die Daüer ‘den \i steigernde ammtverkehr nicht werde zumuthen können. Durs Eisenbahnträsporte=werde man nie erreichen, das Ruhrbecken dem Meere näher zu rücken und seine Produkte auf dem Welt- markte konkurrenzfähiger zu machen: Die Vertreter der öst- ichen Provinzen, deren Reihen wesentlich die Gegner der Ranalvorlage stellten, sollten nur ja niht glauben, daß sie auf

diese Weise ju Eisenbahntarifermäßigungen Félangen würden.

Der Ausfall, der, wenn allen Wünschen genügt werden sollte, für die Staatskasse eintreten und von den Steuer- zahlern zu decken wäre, würde 70 Millionen Mark betragen. Das sèi doch gar nicht denkbar. Nedner sei überzeugt, daß durch die Annahme der Vorlage die Gemein- samkeit der Juteressen, welche sih zwischen Landwirthschast und Jndustrie herangebildet habe, gefördert werden würde. Sollten die Herren kein Verständniß gen für die Nothlage der Landwirthschaft, dann M ie sih allerdings auch nicht wundern, wenn sie auf diejer Seite kein Gehör für ihre Noth und Klagen fänden, sie würden sich keine Freunde erwerben, welche nöthig seien, um die neue Wirthschaftspolitik voll zur Ausführung zu brinsën.

Hierauf bemerkte der Minister der öffentlihen Arbeiten,

Maybach: H Meine Herren! Je habe eigentlich nur wenige Bemerkungen zu

en. Zunächst möchte ih-voraus\hicken gewissen Andeutungen gegenüber, daß nit von mir allein, sondern au von noch stärkeren und mäch- tigeren Herren Kollegen der Gesetzentwurf hier eingebracht ist, der uns augenblicklich beschäftigt. Ich habe das um so mehr zu betonen, als ih um eine gewisse Nachsicht bitten muß, wenn ich heute in diesem Saale- noch, ich will sagen, in etwas gedämpfter Weise, mich: aus- drücke. Schieben Sie das auf das traurige Ereigniß, welches mich längere Zeit aus Jhrer Mitte entfernt hat, und dessen ersten tief- \{chmerzlichen Eindruck=zu überwinden ih noch niht vermochte.

ur Sache selbft ist “eigentlich nach alle dem, was gesagt worden, was Sie gedruckt vor si sehen, was früher in der Presse, in diesem hohen Hause, in dem anderen, in Vereinen u. st. w. gesprochen und er- örtert worden ist, eigentlih kaum noch etwas zu sagen. Jch glaube, die Sache, die uns beschäftigt, ist vollkommen \pruchreif, und es hieße r q das Meer tragen, wollte ih mit neuen Gründen noch für je eintreten.

Nach allen Seiten ist die Angelegenheit reiflich erwogen; prin- zipielle Gegner von Kanälen haben wir nirgendwo gefunden; ih darf, ohne auf die Generaldisfussion zurückzugreifen, auf diesen Punkt kaum eingehen; es ist auch niht nöthig. Dagegen if troß der vielen Wünsche, die fortwährend auch hier im Rie laut geworden sind nach Kanälen, jedesmal ein Widerspruch uns entgegengetreten, sobald es heißt: hic Rhodus, hie salta! Wir haben im Jahre 1882, wir haben im Jahre 1883, wir haben jeßt diese Vorlage nah reiflicher Erwägung Ihnen unterbreitet in derjenigen Vervollständigung, die wir wiederholt Ihnen angeindig! haben.

Die Bedenken allgemeiner Natur, die uns entgegengetreten sind der Hr. Abg. von Rauchhaupt hat sie {hon erwähnt werden

eschöpft aus dem wirthschaftlihen und aus dem finanziellen Gebiete; e werden ge’chöpft aus Rücksichten auf unser Staatseisenbahnsystem. Meine Herren, ih glaube, diese Bedenken sind sammt und sonders als stihhaltig nicht zu betrachten. i

Will ih zunächst eingehen auf die Einwirkung, die ein Kanal auf die Eisenbahn hat, so habe ih vorauszuschicken: ‘hätten wir es als einen Fehler zu betrahten, daß wir die Wasserstraßen verbessern, reguliren neben den Eisenbahnen, nun, dann haben wir diesen Fehler schon seit Dezennien begangen. Wir haben Jahr für Jahr kolossale Summen gesteckt in die Regulirung der Oder, der Weichsel, der Elbe, der Weser, des Rheins und_ ihrer Nebenflüsse neben den Ausgaben für Eisenbahnen, seitdem wir Staatsbahnen haben. Wir habëen uns aber bei dieser Operation nie von dem Gedanken leiten lassen, daß die Eisen- bahnen die vielleicht hier und da in ihren Erträgen etwas geschädigt

Vorlage Ihnen bringen können.

gleich darauf hinweisen, daß der erste Theil

mit denen man sih so sih durchaus sel Ce rafter hat, einen selbständigen Nu (O nit präjudiz

Rheinland-Westfalen eine erwünschte Ausfu haben wir gerade diesen Kanal gebracht, von alli abgesehen, die sich noch daran knüpfen könnten.

Wir gehen können, wenn wir alle Vorarbeiten \{chon f die dazu erforderlich sind, und die eine mor L A

endlich dies Projekt uns sofort für die große, wichtige

werden würden ein Hemmniß sein dürften für die Entwickelung anderer nothwendiger Kommunikationswege. Nein, meine en, die Eisenbahnpolitik muß auf etwas höherem Standpunkte stehen ; sie muß begreifen, daß die Eisenbahnen, ebenso wie Wasserstraßen und Chausseen, nur Mittel sein sollen zur Hebung der Landeswohlfahrt, niht aber Selbstzweck ; und aus diesem Gesichtspunkte haben wir diese [ n. Es wird meine Aufgabe fein, Ihnen auseinanderzuseßen, weshalb die Gefahren, die man fonst bei Kanal- bauten für die Eisenbahnen befürchtet, gerade in diesem Falle nicht in folchem Maße zutreffen.

Es ist gefragt worden, ob wir auch Aussicht haben wenn die Kanäle sich entwideln, wie es gewünsht wird —, daß wir die finanzielle Aufgabe, die der Staats - Eisenbahnverwaltung ob- liegt, werden lösen können. Meine Herren, ih glaube das erft recht bei dem Kanal, der unter 1 aufgeführt ist. Jh bin der Meinung, daß er für die Staats-Eisenbahnverwaltung eine sehr wünschenswerthe Erleichterung bilden wird. Wir streben danach mit welhem Erfolge werden wir ja sehen —, die Produkte unserer großen Montanindustrie in Rheinland und Westfalen an die Küste zu

ringen; wir haben aber die Erfahrung machen müssen, daß wir das mittels der Eisenbahn nur können einmal, indem wir die vorhandenen

Anlagen noch in san bedeutender Weise ergänzen und erweitern, das Fahrmaterial verstärken, die Geleisezvexwehren, die Bahnhofsanlagen perorvnets, und was alles dazu gehört Wir haben uns auf der an- deren Seite gesagt, day man, wie man auch die Selbstkostenberech- nung anlegen will, doch umsomehr an der Grenze der finagziellen Leistungsfähigkeit angelangt fein wird, als uns gerade dort die Rükfracht in erheblihem Maße fehlt. erinnere mich noch-.recht sehr der Feil, wo man über die Selbstkosten der Eisenbahnen sehr sonderbare Berechnungen aufgestellt hat von technischer, sonst berufener Seite, wo von der einen Seite gesagt wurde: es ist unmöglich, zu dem ver- fassungsmäßigen Einpfennigstarif den Transport zu bewirken. Es ift uns das an Élaren Beispielen dargelegt worden, und von verschiedenen Seiten wurde das als rihtig anerkannt. Demgegenüber trat ein Anderer auf, der erklärte: dieser Pfennigtarif für Rohprodukte ist der reine Wucher, Ihr könnt mit der Pee auskommen. Beide Herren beanspruchten Autoritäten zu lein auf diesem Gebiete. Beide Berehnungen waren richtig, und unrihtig. Man hatte Durchschnitte genommen nah Verhältnissen, die zum Theil niht existiren oder künstlich konftruirt worden sind; man hatte sih niht an die ganz konkreten Verhältnisse gehalten, wie man es thun muß, wenn man eine sichere Berechnung aufstellen will. Aber mag man die Selbstkostenberehnung anlegen, wie man will, das ist unzweifelhaft, daß der Saß, der nothwendig werden würde, um mit Erfolg die Fabrikate und Produkte von Rheinland und Westfalen an die Küste und zum Export zu bringen nachhaltig —, daß dieser Satz nicht mehr das dedt, was wir durhaus verlangen müssen. Er würde niht mal die reinen Traktionskosten deken, wie man das nennt, ge- shweige denn einen Beitrag liefern zur Verzinsung und Amortisation, ja niht einmal zur eigentlichen Erneuerung. Es ist das das Ergebniß einer Berechnung, die von uns aufgemacht is, und die, wie ih glaube, sih bei näherer Prüfung als unanfechtbar heraus-. stellen wird, selbst wenn man berücksihtigt, daß im großen Ganzen durch die Terrainverhältnisse und klimatischen Verhältnisse, die hier in Betracht kommen, der Transport nach der Nordseeküste nicht unter zu Es Betriebsschwierigkeiten leidet. N

Wir wünschen einen Kanal zu bekommen, einmal, um das zu erreichen, was Hr. von Rauchhaupt. andeutete, einen unabhängigen Weg von Rheinland-Westfalen nach der Nordsee, und dann, um unseren Eisenbahnen die wünshenswerthe Entlastung zuzuführen. Es is ganz gewiß, und wir müssen uns darauf ein- rihten, daß auf die Dauer nicht alle Massenprodukte auf der Eisenbahn befördert werden können, nicht etwa aus technishen Rücksichten; tehnisch würden wir vielleiht noch viel mehr leisten können, aber nicht finanziell. Wir müssen dana streben, die wenigen ertragsfähigen Artikel, die nicht neben den übrigen Artikeln in Ausnußung des vorhandenen Transportapparates gefahren werden können, auf andere billigere Straßen zu bringen. Wenn aber, meine Herren, in der That der Gedanke durchgreifend- sein sollte, daß die Eisenbahnen niht geschädigt werden dürfen dur Wasserstraßen, dann ist der zweite Theil unseres Geseßentwurkfs, be- treffend die Verbesserung der Verbindung zwishen Spree und Oder mit dem, was von den Herren noch weiter angestrebt wird, die Ver- enera der Wasserstraßen jenseits#Breslau der oberen Oder —, erst reht _verwerflich. Denn dies ist eine Straße, die in der ‘That den Eisenbahnen erheblihe Konkurrenz machen wird und jeßt {on macht, soweit sie vorhanden ist. Diese Rüctsicht darf uns jedo nicht abhalten ih habe das schon im anderen aue esagt —, darauf Bedacht zu nehmen, die natürlichen wie die künstlichen Wasserstraßen, pte wir bedürfen, auszubauen, soweit die Finanzen dés Staates es zulassen.

__ Meine Herren, was die finanzielle Seite anbetrifft, so ist darauf hingewiesen worden, daß wir die Staats\{hulden in einem erheblichen Betrage vermehren würden. Gan richtig, meine“ Herren, aber ih möchte Sie bitten, niht finanzministerieller zu sein als unser vorsih- tiger Herr Finanz-Minister selbst.

__ Jch glaube, daß, wenn unser Herx Finanz-Minister sagt, wir können Jaht“ für Jahr mige ummen ohne Nachtheil für den Staatskredit für solhe Zwecke ausgeben, so können wir vollkommen beruhigt fein. Und, “meine Herren, wenn jemäls, dänt ift die jeßige Zeit dazu geeignet, wichtige Meliorationsprojekte in Angriff zu nehmen. Wann ist jemals das Geld so billig gewesen wie jeßt? Wann ist das Bedürfniß im Lande nach Arbeitsgelegenheit so stark gewesen wie jeßt ? ch würde E, wir würden einer Pllichtverletung, einer Vernach- ässigung uns „anzuklagen haben, wenn“ wir an sich wver- ständige produktive Anlagen in diefem Augenblicke aus finan- ziellen “Rücksichten zurückstellen wollten. Die preußische Finanzlage ist, soweit ich übersehen kann, doh-niht der Art der Kredit beweist es ja —, daß sie E affizirt werden könnte dadur, daß wir 70 Millionen Anleihe machen und an den Markt bringen.

Dann, meine Herren, möchte ih auf die Frage der Gefahr des verstärkten Imports fremder Produkte, die ja von verschiedenen Seiten betont worden ist, hier niht eingehen. Jh meine, daß es doh nicht sen rihtig wäre, wenn wir unsere Kommunikationsftraßen vernach- äfsigen wollten, weil an diesem oder jenem Punkt die Gefahr os

e

daß fremde Produkte mehr als bisher ins Land kommen. Ist d Nothwendigkeit vorhanden, uns diese fremden Produkte vom Hals zu halten, dann haben wir andere Mittel dafür, allenfalls die Zölle.

Indem ih auf die Vorlage spezieller BEnE möchte ih bier

i „der Vorlage, also der

Ems-Dortmundkanal, wie das ja hon in früherer Zeit ausgeführt ist, gerade von uns ausgesucht it aus den großen Kanalprojekten, ufig beschäftigt, weil er an si einen an

rt nach der einen oder andern Bezi Mi

ch meine, in Bezug auf das Tempo der weiteren Au rae s 4 In

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E S ra a E I