1929 / 139 p. 14 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 Jun 1929 18:00:01 GMT) scan diff

Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 139 vom 18, Zuni 1929, S. 4,

Abg, H ünl i ch (Soz.) betont, in dieser Zeit der allgemeinen Not könne es niht Ausgabe sein, die alten Schiffe systematisch durxh Neubauten zu Siében. Auch das Tempo der Neubauten müsse L der allgemeinen Finanzlage anpassen. Mit Meter Hochseeslotte wäre es mit und ohne Panzerkreuzer sofort zu Ende, pon eine modern ausgerüstete Flotte ihr entgegentrete. 73m

ahmen des Versailler Vertrages könnten wix überhaupt keine El avide Flotte aufbauen. Daher haben wir uns, so erklärt der Redner, auch niht entschließen können, die Mittel für das Panzerschiff A oder für weitere anae e zu bewilligen. Das von der aba geforderte Marineprogramm würde doch ganz erhebliche Mittel erfordern, die niht zur Ver- ügung stehen. Die in der Marineleitung anscheinend “res urcht vor sozialistishen und kommunistishen Heyern sei un- ründet. Marineoffiziere hätten erklärt, daß sie irgendwelche Schwierigkeiten mit 1hren Mannschaften nicht hätten.

Die Beratungen werden hierauf abgebrochen, um die am

Mea aufgeshobenen Abstimmungen über den tat des Reichsverkehrsministeriums vor- zunehmen.

Da jeßt der Abgeordnete Dr. Kahl im Saal erscheint, unterbriht Präsident Löbe die Abstimmungen, um den

[ubilar zur Vollendung seines achtzigsten Geburtstags mit olgenden Worten zu begrüßen:

Jch glaube auf allen Bänken freudige Ans zu finden, wenn ich ae hochverehrten Mitgliede, Herrn Geheimrat Professor Kahl, der heute sein 80. Lebeusjahr vollendet, die auf- richtigen und herzlihen Glückwünshe im Namen des ganzen Hauses ausspreche. (Lebhafte Zustimmung.) Hochverehrter Herr

eheimrat! Erlauben Sie mir, Fhnen an Fhrem Ehrentage zu versichern, daß der Reichstag stolz darauf ist, Sie in seiner Mitte zu wissen, das er exfreut ist, Sie in solcher Rüstigkeit und Frische an unserem Werk mitarbeiten zu sehen, daß er dankbar ist sür die Hoheit und Würde, die Sie so oft unseren Beratungen zu ver- leihen vermochten, a er einig ist in dem Wunsche, Sie nohch lange mitschafsen zu sehen an dem rehtlichen Ausbau des neuen Deutschland. Als Sie vor zehn Fahren in die Nationalversamm- lung eintraten, leuhtete Fhr Name schon weit und ehrenvoll über den Kreisen der juristishen Welt. Sie haben in hohem Alter, das nicht vielen beschieden is, mit jugendstarkem Gefühl noch einmal einen Anfang gemacht, den Anfang zur lebhaften Beteili- ung an der Geseßgebungsarbeit im Parlament. Die Spuren hrer Mitarbeit trägt die Verfassung von Weimar, zu deren Ausgestaltung Sie Fhre Kraft beisteuerten, trägt eine lange Reihe von Geseßen und Rechtsnormen, die ein unruhiges Jahr- zehnt uns abnötigte. Und jebpt, achtzig Fahre alt, sind Sie Tag um Tag bemüht, nicht als Vorsißender, nein, als Führer des L a rote en diesen Teil Fhrer Lebensarbeit zu krönen durch das große Werk des Strafgeseßbuches, das unserem Volke ein der modernen Zeit entsprechendes und lange währendes und möglichst vollkommenes Strafreht geben soll. Fch preise die Stunde, die uns Gelegenheit gibt, die tiefe Wertschäßung und Liebe für Sie, die wir jonst still in uns tragen, vor cyhren klaren ütigen Augen offen zu bekennen. Wir danken rzhnen um so reudiger, weil wir wissen, daß es ja kein Abschluß ist, Nein, wenn wir Fhnen heute die Hand reichen, dann in der gewissen Pelnung, es bald wieder tun zu können, nämli, wenn ih die ollendung dieses geseßgeberishen Werkes von diejem Playe aus verkünden darf, das dann für immer mit Fhrem Namen ver? knüpft sein wird. Zunächst also bis dahin, hochverehrter Herr Kollege, Rüstigkeit, Frohsinn und warme S Das winkt unser Blumengruß Fhnen zu. (Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

Abg. Prof. Dr. Kahl (D, Vp.): Hochverehrter Herr Reichs= tagspräsident! Hoher Reichstag! Meine Damen und Herren! Den Gruß- und Glückwunsh, den ih von der deutschen Volksvertretung heute entgegennehmen darf, habe ih neben dem Gruß- und Glückwunsch, den mix tin aller Morgenfrühe der Herr Reichspräsident durch den Herrn Fustizminister und den Herrn Minister des xFnnern zugeshickt hat, als höchste Auszeichnung erkennen können, die ih auf diesem Höhepunkte meines Lebens überhaupt erfahren darf. Haben zunächst Sie, hochverehrter Mr Präsident, den herzlichsten Dank für die ih muß sagen teben Worte, die mir tief ins Herz gedrungen sind, und Dank für all das besondere Wohlwollen, dessen ih mih immer erfreuen durfte, und ih habe allen hier ohne Unterschied der Parteien im Hause warm zu danken dafür, baß sie sih in so ehrenvolier Weise dem Gruß des Herrn Präsidenten angeschlossen haben. Einzelne verehrte Kollegen haben mich {hon brieflih begrüßt; ih darf dafür hiermit allgemein Dank jagen. Aber sprechen Sie, lieber Herx Präsident und verehrte Kollegen, nicht von Verdiensten meinerseits. Jeder dient hier mit den besonderen Gaben, die ihm gegeben sind, in aller Bescheidenheit, und ich kann Sie ver- ichern, daß der Dienst, den ih hier A darf, mit zu meinem höchsten Lebensglück gerade in der ernsten Zeit des Vaterlandes

gehört. Jh bin nicht eingetreten in die Nationalversammlung oder in den Reichstag aus innerem Zug und Liebhaberei zur

E over gar aus dem Gedanken, als ob mir auf politischem ebiet ein besonderer Beruf und besondere Fähigkeit beschieden wäre. O nein, was mich getrieben hat in diesen Kreis hier, das ist die heiligste Liebe zum Vaterland; die hai mich hon nah Weimar getrieben und die allein hat mich auch hier garen Die Meg möge wie der Reichstag das höchste und vornehmste Organ sein, das berufen war und ist und om wird zum Wiederaufbau unseres lieben Vaterlandes. Und ledig- li in diesem Sinne habe ih hier meine Tätigkeit ausgeübt und nur mit dem Ziel, kleine Bausteine beitragen zu dürfen Y diesem Mas. Das ist auch mein Vorsay für die Zukunst. Eine Wahlreform allein kann einen Reichstag, der das Vater- land wieder in die Höhe bringt, nicht Ves «J erinnere an einen Ausspruch Bismarcks: Ob ih vor dem nach dem Drei- klassensystem geivählten Landtag oder dem nah dem Men Wahlrecht gewählten Reichstag spreche, ih treffe immer dieselben lieben Gesihter. Aber im Ernst gesprochen, es ist und bleibt die roße Ausgabe des Deutschen Reichstags, a leben und zu sterben n der Hoffnung, daß es dem Deutschen Reich und der deutschen Volksvertretung beschieden sein wird, das deutsche Volk wieder auf die Höhe des Glückes zu bringen und zu tragen, in dem wir dann mit tieferem Ernst und mit größerer Qs als heute Wn können: Blüh' im Glange dieses Glückes, blühe deutsches aterland! Hochverehrte Freunde, meinen tiefempfundenen herzlichsten Dank! (Lebhafter Beifall und Händeklatshen im ngen Hause und auf den Tribünen. Der Präsident be ver- äßt seinen Plaß, um dem Jubilar die Hand zu reichen. Auch die anwesenden Minister und viele Abgeordnete begrüßen in diesex Weise den Abg. Dr, Kahl.) Bei den Abstimmungen zum Etat des Reichs- A Er ai wird eine große Reihe von Anträgen der Kommunisten auf Streichungen an verschiedenen Etats- A, abgelehnt. Angenommen wird eine Entschließung, ie für Kindertransporte zur besseren Sicherheit Eee ur Verfügung stellen lassen will, ebenso eine Entsch ießung ; Ÿ Anträge auf Verlängerung der Auf-

er Wirtschaftspartei : auf V 1 : brauchsfristen für Vollgummireifen ee wirtschaftlicher Notlage entgegenkommend zu behandeln. Der Etat wird in

der Aus\chußfassung angenommen, ebenso die Ausschuß- entsYliehung, wonah die Beteiligung des Reiches an der Nürburgring-Gesellschaft zum Erlöschen gebracht und weitere Reich8mittel nicht gewährt werden sollen. Genehmigt werden auch die Ausschußanträge über die Deliesuna der Loko- motivindustrie mit Aufträgen und über die Vorlegung einer Neufassung der Verordnung über Kraftfahrzeugverkehr, An-

genommen wird weiter ein volksparteiliher Antrag, auf die Reichsbahn-Gesellschaft hinzuwirken, daß die Personenwagen der M vierten Klasse möglichst bald in solche der neuen Holzklasse umgebaut werden, und schließlih eine deutschnatio- nale Entschließung, die die Reichsregierung ersucht, die vor- bereitenden Verhandlungen mit dem Lande Sachsen auf- zunehmen für die Gewährung eines Reichszuschusses zur Ver- meidung von Hochwasserkatastrophen, wie sie im Fahre 1927 im östlihen Erzgebirge aufgetreten sid,

Das Haus seßt dann die Aussprache zum Haushalt des Reihswehrministeriums fort.

Abg. Treviranus (D. Nat.) exklärt: Einen Fortschritt im Haushalt der Marine darf ih vorweg anerkennen: Das Wiedergutmachen des Unrechts, das an den Angehörigen des Marinezahlmeisterkorps durch den Fortfall ihrer alten Seemann3s zulage geschehen ist. Wir hoffen, das darf ih ebenfalls im Auf- trage der Deutschen Volkspartei erklären, daß das für die ehe- maligen Angehörigen des Marxinezahlmeisterkorps im nächsten Etat nachgeholt wird. Die Abstriche für die Befeuerung des Wangerooger Fahrwassers werden wahrscheinlich zur Folge haben, daß man dieses Fahrwasser bei Nacht und bei Nebel nicht be- fahren kann. Der Schuß der Hochseefischerei hat in den leßten Jahren eine verstärkte Bedeutung gewonnen, Wenn der Kreuzer I nun erst im März 1931 fahrbereit sein wird, so können wir uns dabei nicht den Vorwurf ersparen, daß dadurch die Lage der anderen die Hochseefischerei shübßenden Fahrzeuge nicht ge- rade gefördert wird. Unser Antrag auf die Aufstellung eines Planes für die weiteren Ersaßbauten hatte nur wohlverstandene Sparsamkeit im Auge. Dadurch sollte ein ewiges Ziczack auf diesem Gebiete vermieden werden. Die finanzpolitishen Rüc- sichten haben dazu geführt, daß die vorx einigen Fahren so mühsam mit 17 Millionen sanierten Deutschen Werke im Kiel dazu zwangen, sie mit dem Bau des Pangerkreugers A zu beauftragen. Jch frage die Marineleitung: Jst sie be- reit, den nächsten Kreuzer mit den Ersaßbauten in Auftrag zu geben? Dex Pessimismus des Abg. Hünlich scheint mitzusprechen, wenn er meint, wir würden nicht wieder zu einer solchen herr- lihen Hochseeflotte kommen, wie sie in Scapa Flow versenkt s laube arch, daß wir nie wieder eine solche himmernde Wehr haben werden. Aber anderseits ist die neue Aufbauarbeit unserer neuen Marine doch hoh anzuerkennen. Eine ungeheure Menge von Kleinarbeit und wissenschaftlicher Arbeit ist zum Beispiel in den Panzerkreuzer A hineingesteckt worden. Ausländische S haben das auch unumwunden anerkannt. Deutsche Fachleute seien darin etwas skeptishec, Es ist notwendig, so betont der Redner, daß wir uns die Frage vor- legen, ob wix nicht mit „unserer Kritik bessern wollen oder ob wix nux grundsäßlih herunterreißen wollen. Wir verlangen eine ege der Tradition: Die Pflege des Geistes der Pflichterfüllung. Aber auch die Pflege der modernen Verbesserungen. Gerade die Erfahrungen der N am Skagerrak haben gezeigt, daß unsere Linientaktik beweglicher war als die der shwerfälligen O en Linien. Das „Wunderschiff“ des Panzerkreuzers A wird da ein- mal ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Gegenüber der immer o lahe r BLEnbeN Freude am Hervorheben von Shwächen müssen wir die guten Seiten hervorheben. Wir ans den Angehörigen der Wehrmacht weder eine bevorzugte Besoldung noch eine bessere Beförderung bieten können, sondern nur die Aussicht auf eine bez R Versorgung im Alter. Wenn man der Wehrmacht nicht je verdiente Anerkennung zeigt, dann verbittert sie sich natür- lih. Bleibt die Marine ein geduldetes Relikt der vergangenen Zeit, dann verkümmert die Marine und wix begeben uns der Aus- ichten, die günstigea Möglichkeiten des Zusammeniwirkens von Land- und Seemacht auszunüßen. n den Annalen des Magde- burger Parteitages habe ih vergeblich nah einer Aenderung ihres Standpunktes in der Wehrpolitik gesucht. Abenteurerlust lehnen wir ab, aber wir erkennen die sittlihe Größe des Wehr- gedankens an; für uns sind das nationale Selbstverständlichkeiten, und wir werden nicht rasten, als bis wir das gesamte deutsche Volk zu diesem gesunden Selbstbehauptungswillen gebracht haben. (Lebhaftec Beifall.)

Abg. Stoeck erx (Komm.) exklärt, die deutsche Floitenrüstung vihte si nur gegen Sowjetrußland, Die Deutschnationalen biederten sih zu Sée Zweck an den britischen Fmperialismus an. Rei Mobr und Marine würden niht nur aus außen- politishen Gründen ausgebaut, Reichswehrminister Groener habe gege N die Reihswehr auch zur Niederhaltung der Arbeiterklasse Verwendung finden würde, unter dem Deckmantel der Aufrechterhaltung der Ordnung. Troß des d N des l italdaAnotvatisGen Parteitages gegen die neue Panzerkreuzerrate hätten die Sozialdemokraten im Haushaltsausshuß den Antrag auf Einsetzung von neun Millionen für den Panzerkreuzer unter- shrieben. Die Sozialdemokraten hätten bereits zu erkennen ge- geben, daß sie dem Vau der von Groener geplanten Panzer- kreuzercserien zustimmen würden. Die Haltung der Sozialdemo- kraten in der Wehrfrage stelle den größten politishen Massen- betrug der Nachkriegszeit dar. Jm Grunde aeeae in dieser Frage eine Einheitsfront von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten.

Abg. Tanyzen (Dem.) betont, obwohl die allgemeine Ab- rüstung noch immer an dem Widerstand der A igen Feinde Le dürfe man die Hoffnung auf die allmählihe Durch- ringung der Völker mit dem Geiste des Friedens nicht aufgeben. Das Reichswehrministerium müsse seine Werftpolitik offenlegen; der große Verwaltungsapparat der Marine müsse verkleineri werden. Der Redner bemängelt die Unübersichtlichkeit des Marineetats, die das Kontrollreht des Reichstages stark einenge. Jm nächsten Jahre müßte der Haushaltsplan eingehender im Haushaltsausshuß durhhberaten werden. Leider habe man in diesem Jahre niht genügend Zeit gehabt, So manche Etats- A hätten der Aufklärung bedurft. Wir wollen keine Parteien in L und Marine; wir wollen für i kein Wahlrecht, aber von ihnen ein offenes Bekenntnis zur Republik und eine innere Verbundenheit mit den#Staat. Heer und Marine müssen auch den E E des Reiches festlih begehen. Das wird die Verbundenheit mit dem Volke stärken. Die Mehrheit des Volkes will keinen Streit mehr um die Staatsform. Die Tradition darf nicht zurückblicken, sondern muß das Gute aus der Vergangenheit entnehmen. „Alles was ich bin und habe, das verdanke ih dir, mein Vaterland!“, das können alle ohne Unterschied der Partei sagen. Nur eine lebenskräftige Republik kann der Sinn unseres Staates sein. Etwas anderes ist nah dem verlorenen Kriege O möglich. Wir glauben an die Kraft unseres Volkes. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Sach senberg (Wirtsch. P.): Wir kritisieren nicht die Einzelheiten des Etats, denn wir haben Vertrauen zum Minister. Der Abgeordnete Hünlich sieht in unserem Antrage, ein Bauprogramm für unsere Marine aufzustellen, eine Ver- M . Das Gegenteil ist der Fall. Nur nah einem be- timmten Prograriin kann mit Serienaufträgen und daher billiger gearbeitet werden, als wenn die alten Kräfte einzeln erseßt werden müssen. Die Parteien, die für eine Stabilität unjerer Wehrpolitik eintreten, können auch für N Antrag stimmen; ne den Staat müssen wir alle eintreten; für uns ist der Begriff

wurde. Jh

es Nationalen keine Parteifrage, sondern eine Frage der Volks- gemeinschaft.

Damit schließt die Aussprache. Abg. Loibl (Bayer. Vp.) weist in ear Bemerkung

einige Ausführungen des Abgeordneten von zurü.

pp vom Sonnabend

Ritter von Eþþ (Nat. Soz.) hält in einer persönlichen Erwiderung seine Ausführungen aufreht, wird aber durch lebs hafte Zwischenrufe von den Kommunisten wiederholt veranlaßt, seine Rede stockden zu pfen. Unter der Heiterkeit des paujes erklärt Vizepräsident E ser, die Zeit für eine persönliche Be- merkung sei abgelaufen.

Die Abstimmungen morgen vertagt.

Nächste Sißung Dienstag 11 Uhr: Abstimmung über den Wehretat; Etat der allgemeinen Finanzverwaltung.

Schluß gegen 7 Uhr.

über den Wehretat werden auf

Parlamentarische Nachrichten.

Das Ersuchen des Reichsministers des Auswärtigen, daß der Reichstag erst am Sonnabend den Etat des Auswärtigen Amtes in Beratung nehmen möge, hat den Aeltestenrat veranlaßt, gestern die Dispositionen für die Beratungen in dieser Woche über den Rest der Aen Lesung des Etats umzustellen. Das Programm für diese A ist danach das E Heute Etat der allgemeinen Al tung, Mittwoch Etat des Finanzministeriuums in Verbindung mit den Steuergeseßen, Donnerstag Haushaltsgese Freitag die noch verbleibenden Reste und Sonnabend Sabel des Auswärtigen Amts,

Der Ausschuß für Rechtspflege seute am 17. d. M. unter dem Vorsiß des Abg. Landsberg (Soz.) die Beratung des Geseßentwurfs zur Verlängerung des Gesetzes zum Schuße der Republik fort. Abg. Dr. Bell (Zentr.) legte dem Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zu- folge dar, daß das Geseß zum Shugze der Republik kein Aus- nahmegesecy set, es sei ein Sondergeseß, hervorgerufen durch die bekannten Morde an deutshen Staatsmännern. Seine Partei habe sich von vornherein bemüht, dem Entwurf nicht den Charakter eines Ausnahmegeseßes zu geben, sondern eines Sondevgeseves für alle Zuwiderhandelnden. Ex bestreite auch, daß dies Gesey so gestaltet sei, daß es die Opposition ersticke, Wenn eingewendet werde, daß zwingende Gründe nicht vorlägen, manche der Bestimmungen noch aufrechtzuerhalten, so treffe das nicht zu. Er sei niht der Auffassung, sondern meine, diese Be- stimmungen seien entweder in das alte Strafgeseß noch hinein» zuarbeiten oder aufrechtzuêrhalten, bis das neue Strakgeseb in Kraft trete. Der leßte A sei doch vorzuziehen. Dr, Everling habe nun den Ausdruck „Beschimpfung“ als zu dehnbar empfunden und ebenso halte er die Bezeichnung der republikanischen ver- fassung8mäßigen Staatsform für kautschukartig. Dieser Aus- druck sei aber doch inzwishen mit Zustimmung seiner Partei in die Geseßgebung eingeführt. Fehlerhafte Rechtsprehung könnte den Gesebgeber niht zum Verzicht auf dtese Vorschriften be- wegen. Der Staatsgerichtshof sei inzwischen bereits aufgehoben. Er bitte Dr. Jóörissen um Zurückziehang seines Antrags. Die fommunisfishen Anträge lehne er ab. Abg. Dr. Evexrling U vermißte die geforderte Auskunft, welche dieser Straf- estimmungen denn wirklih angewendet worden. seien. Es seien nur die Schikaneparagraphen zur Einwirkung auf die Gesinnung der Gegner angewendet worden. Hier hielten nah der brutalei Abschreckungstherorie die Sozialdemokraten die unerhört hohen Geldstrafen zur wirtschaftlichen tbe und die Todesstrafe aufrecht, die sie gegen gemeine Verbrecherr nicht zulassen wollten, Das Strafgeseßbuh reiche volllommen aus. Halte maa diese Vorschriften aufrecht, so heiße das nur Sqchikanevorschriften gegen politische Gegner: Metternichshes System in plumperer Aufmahung. Der Vorivurf, daß die Deutschnationalen der Ver- längerung früher zugestimmt hätten, treffe sie niht, denn da- mal3 habe man mit der Drohung auf Sprengung der Koalition gedroht in einem Augenblick, wo das Schulgeses und Notmaß- nahmen für die Landwirtschaft versprochen worden seien. Dieses Versprechen sei aber nachher von den Kontrahenten nicht ge- halten worden. Der hier konstruierte Tatbestand sei Gummi, auf dem eine einwandfreie Rehtsprehung sich nicht aufbauen lasse. Jede Satire werde heute bereits als „Beschimpfung“ ausgelegt. Auf der anderen Seite habe man in Grosz' Kruzifixus keine Beo shimpfung gesehen. Die Arbeiter sprechen keine Salonsprache: Sie verlangten hier sogar ein rabulistishes uristen deutsh! Damit müsse Schluß gemacht werden. Er bitte um Be- anivortung seiner drei Fragen, Könne man nicht die Schikane- E Ed herausnehmen? Durch dieses Gesey komme die Politisierung in die Rechtsprechung hinein. Die Unabhängigkeit der Richter halte er für ein unantastbares Gut. Gegen den politisheir Druck wende er sih. Abg. Dr, Ehlermann (Dem.): Wenn jede Rechtsprehung den Begriff „Beschimpfung“ p auslegen könne, daß sie einen Gewissenszwang ausübe, wie der Vorredner meinte, so sprehe doch seine Anführung der Satire, seine Verurteilung des Groszschen Kruzifixus gegen seine. Darstellung. Die Aushebung des Gesehes werde zur BVe- ias beitragen, meinte der Vorredner. Diese Beruhigung wünsche er auch; dazu könnten aber Dr. Everling und Tine Freunde wesentlih beitragen, denn seine Presse nehme die „Be- shimpfungen“, ja „grobe Beschimpfungen“ in Schuß. Und nur um Beschimpfungen handle es sich hier. Wo finde maw in den Hugenberg-Blättern eine Verurteilung der „Beschimpfungen?“ Minisierialdirektor Schäfer machte statistishe Mitteilungen über di? Urteile auf Grund des Geseßes zum Schuße der Republik. Eine Klarstellung des Begriffs der „Beschimpfung“ der vepublikazishen Staatsform sei durch die Rechtsprehung des Reichsgericots erfolgt. Abg. Heilmann (Soz.) erwiderte dem Abg. Everling, dessen Partei habe seit dex leyten Verlängerung des Republikschußgeseßes eine andere Richtung genommen. „Be- shimpfungen“ dürfe man nicht straffrei lasen, Die Arbeiter seten auch nicht so geschmacklos, sondern es seien meist akademische Rowdies. Wenn er, Redner, eine Vorschrift wüßte, die vielen ungerechtfertigten E auf Grund des Republikshußgesezes unmöglich zu. machen, würde er sie beantragen. nzivischen wurde folgender Antrag Dr. Rosenfeld (Soz.) und Gen. gestellt: Der Ausschuß wolle beschließen: 1. Fm § 14 he 3 die Worte „Auf Antrag“ zu streichen und folgenden Saß hinzu- zufügen: „Ja den Gründen sind die bestimmten Tatsachen, durch welche die Besorgnis dex Begehung einex in den §8 1—8 bezeich» neten strafbaren Handlungen gerechtfertigt wird, darzulegen.“ 2, Jm § 21 Absay 1 den leßten Say zu einem besonderen Abjaß 2 zu machen und hinzuzufügen: „§ 14 Absaßy 3 gilt entspre end.

ird mündliche Verhandlung angeordnet, so finden die Vor- schriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsversassungs- gesetzes entsprehende Anwendung. Das Nähere, insbesondere

(Fortseßung in der Ersten Beilage.)

Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenburg.

Verantwortlih für den Anzeigenteil: Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin.

Druck der Preußischen Druckerei- und Verlags-Aktiengesellshaft, Berlin, Wilhelmstraße 32.

Sechs Beilagen : (eins{ließl. Börsenbeilage und zwei Zentralhandelsregisterbeilagen)/