1906 / 271 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Nov 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Willen niht möglih gewesen, vor heute naGmittag aus München wi-der einzutreffen. Es ift selbstverständlih, daß sich der Herr Staatssekretär des Aeußern, wenn wieder auswärtige Fragen zur Diskussion stehen, an der Debatte beteiligen wird.

Gegenüber dem Herrn Abg. Spahn möthte ih feststellen, daß ih den Aus\chuß des Bundesrats für auswärtige Angelegenheiten wiederholt und gerade in ernsten und kritishen Momenten einberufen habe. Ich habe ihn beispielsweise einberufen, als die chinesische Expedition im Sommer 1900 vorbereitet wurde. Ich habe ihn au einberufen im Frühjahr 1905 in einem entsheidenden Augen- blick der marokkanischen Frage. Ich habe aber au abgesehen hiervon immer Sorge dafür getragen, daß die deutschen Bundesregterungen, sei es dur vertraulihe Mitteilungen der preußischen Gesandten bei den Bundesregierungen, sei es durch Rücksprache zwishen mir und den biesigen einzelstaatlihen Vertretern, über den Gang, die Ziele und die ein- zelnen Phasen unserer auswärtigen Politik auf dem laufenden erhalten werden. Ih bin mir roohl bewußt, wie wichtig es ist, daß unsere auswärtige Politik die vertrauensvolle Zustimmung der Bundes- regierungen findet. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Und au die Zustimmung des Volks, das versteht \sich von felbst! Daran bracht mich der mir unbekannte Herr nit zu erinnern, der mi \oeben unterbrochen hat.

Meine Herren , vershiedene der Herren Vorredner und au der Herr Interpellant, der Herr Abgeordnete Bassermann, baben G in nit gerade wohlwollender Weise mit unserer Diplomatie beschäftigt. Ih halte es als Chef unseres diylomatishen Dienstes für meine Pflicht, der Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß diese Kritik nicht in allen Punkten, aber doch sehr überwiegend, über das Ziel hinaus\{ießt. Unsere diplomatischen Vertreter sind mir fast alle bekannt. Sie tun im großen und ganzen thre Schuldigkeit, glauben Sie mir. Zu einem braudbaren Diplomaten gehören mantherlei Eigenschaften. Er foll ni%t nur Arbeitskraft besißen, Kenntnisse, Charakter; denn was einen guten Inlandsbeamten ausmacht, das maht noch lange feinen brau- baren Divlomaten aus. Es kann auch einer gut auf einen Posten passen, der auf einem anderen Posten umshmeißen würde. Ich höre manchmal, unsere Diplomatie sei antiquiert, fie set vieux jeu, sie arbeite mit Personen und Figuren, wie in Scribeshen Lustspielen vorkommen, die aber nicht in unsere Gegenwart paßten. Daß unsere Zeit niht mehr die Zeit der Heiligen Allianz und des alten Frank- furter Bundestages ist, das ist klar. Höfishe Interessen sind seitdem in den Hintergrund getreten, wirtshaftlihe und finanzielle Fragen spielen eine viel größere Rolle als früher; Prefse und Parlament nebmen etne ganz andere Stellung ein. Ein Diplomat mit dem Gesihtskreise des alten Frankfurter Bundestages oder der Restaurations- epode würde beute keine Seide \pinnen. Der Diplomat, der nur über die Wadenkrämvfe irgend einer Prinzessin zu berichten wußte (Heiterkeit), über den sh Fürst Bismarck lustig machte, wäre heute eine unmöglihe Figur. Der Diplomat, der mit Bank- und Handelskreisen Füßblung hat, der die Presse zu behandeln versteht, der einflußreihe Parlamentarier zu seinen Freunden zählt, der wird einen großen Vorsprung vor seinen Kollegen haben. (Heiterkeit.) Was man damit maden kann, das hat Graf Witte in Portsmouth gezeigt.

Aber darüber wollen wir nit vergessen, daß die menschliche Natur immer dieselbe bleibt, daß die Menshen im wesentlichen \sch nicht ändern, und daß die Mittel, fie zu gewinnen und den eigenen Zwecken dienstbar zu machen, ungefähr die gleichen sind wie früher. Ju einem berühmten Kapitel seiner Caractères hat der Franzose La Bruyère vor 200 Jahren ein Bild des Diplomaten entworfen, wie er sein soll. Das fängt, wenn mich mein Gedächtnis niht täuscht, mit den Worten an: „Der Ambassadeur soll ein Proteus sein, ein Chamäleon.* (Heiterkeit.) Dem liegt, wenn auch in pointierter Form, die Ihre Heiterkeit er- regt, der rihtige Gedanke zu Grunde, daß der Diplomat mit den ge- gebenen Faktoren rechnen und die vorhandenen Umstände benußen und \ch in fie finden soll.

In dem politishen Wettkampf um den Einfluß in einem Ort und in einem Lande siegt niht immer der moralisch höher Stebende, der Edlere, sondern gewöhnlich derjenige, der die Verhältnisse am besten zu benußen, der sch am besten in die Verbältnisse zu finden weiß. (Hört, hört! links.) Es gibt auch eine diplomatische Mimicry. Desbalb babe ih wohl gelegentlich jungen Diplomaten geraten, sie sollten sich den Alcibiades zum Vorbild nehmen, der bei den Athenern in Geist mate, mit den Spartanern \{chwarze Suppe und bei den Persern lange Gewänder trug. Die Liederlichkeit des Alcibiades3 brauden sie ja nicht nachzumachen. (Große Heiterkeit.) Solche Adaptionsfäbigkeit ist keine Charakterlosigkeit, und die {ließt einen starken und lebendigen innerli@en Patriotismus nicht aus. Sih nach den Umständen rihten und nicht nach intransigenten Prinzipien, das ist noch large fein Zickzackurs. Ein verstorbenes geist- volles Mitglied dieses hohen Hauses und derjenigen Partei, welher der Abg. Wiemer angehört, Ludwig Bamberger, sagte mir einmal, das Geheimnis der Diplomatie bestünde vielleiht in einer gewissen Jnkonsequenz. Jedenfalls soll ein Diplomat keine vor- gefaßten Meinungen haben, keine feftgelegten und unabänderlichen Svymyathien oder Antipathien und keine Rankünen; der einzige Regulator seiner Gefühle für fremde Länder muß der Nugzen sein, den se uns bringen können, oder der Schaden, der von ihnen droht. Urd endlich soll der deutshe Diplomat nit belehrend auftreten. Das ist ja ein alter deutsher Erbfehler, das Belehrenwollen, der \teckt au noch zu sebr in unserer Presse, die sich im übrigen, was Ge- finnung und Kenntnisse anbetrifft, gewiß neben der Prefse anderer Länder sehen lassen kann. Ih weiß wohl, dieser deutsche Fehler Hängt ja mit vorzüglihen deutschen Eigenshaften zusammen, mit der Fülle unserer Kenntnisse, mit der Hochachtung, die uns das Wifsen einflôößt, mit dem Mitleid, das wir mit Unwissenheit empfinden. Aber beliebt mat das Belehrenwollen nicht. Ih erinnere mich aus meiner Jugend, da gab es bei einer Botschaft zwei deutsche Botschafts- sekretäre ; von denen pflegte der Fürst Bismarck zu sagen : der eine ich will ihn A rennen, weiß alles undder andere ih will ihn B nennen weiß es immer noch besser. (Heiterkeit.) Die beiden waren nicht gerade beliebt. Wenn ein Diplomat ein Bindeglied sein soll zwischen dem Lande, das er vertritt, und dem Lande, bei dem er afkkreditiert ist, so muß er die Schulmeisterei zu Hause lasen.

Seien Sie im übrigen versichert, meine Herren, daß ih bei der Auswabl unserer diplomatishen Vertreter mit großer Sorgfalt ver- fahre, und jedenfalls ohne jedes Vorurteil. Haben Sie denn über- Haupt bei mir {on irgend ein Vorurteil konstatiert? (Zurufe der Sozialdemokraten.) Mein Freund, der freisinnige Poet Wilbrandt,

| eine Medizin, die alle Leiden heilt.

sagte einmal vor Jahren zu mir: Sie ‘sind, mein lieber Bülow, von einer ers{chreckenden Vorurteilslosigkeit (große Heiterkeit), und als ich das nah Jabren einem Publizisten einem liberalen Publizisten wieder erzählte, meinte der: „Das ift eben Ihr Unglüd, das wird Ihnen noch \{lecht bekommen, in Deutshland muß man Vorurteile haben.“ (Große Heiterkeit.)

Meine Herren, ih komme jeßt zu einem sehr ernsten Gegenstande, der von den meisten der Herren Vorredner gestreift worden ift, näm- lih zu dem persönlihen Negiment oder dem sogenannten persönlichen Negiment. Ih habe hier einmal gesagt: ein gewissenhafter, ein seiner moralischen Verantwortlihkeit \ch bewußter Neichs- fanzler wird nicht im Amte bleiben, wenn er Dinge nicht zu verhindern vermag, die nach seinem pflihtmäßigen Er- messen das Wohl des Neiches wirklich und dauernd \{ädigen. Wären solhe Dinge vorgefallen, so würden Ste mih nicht mehr an dieser Stelle sehen ; denn was Sie auch über mih denken mögen, ein Kleber bin ich nit, dessen können Sie sicher sein. Jh habe damals weiter gesagt, daß ich es nicht ablehnen würde, bei Kundgebungen Seiner Majestät des Kaisers, auf welhe fi, streng genommen, meine verfassungsmäßige Verantwortlichkeit nit erstreckt, die moralishe Ver- antwortung zu übernehmen für die Rückwirkung solWer Kundgebungen auf den Gang der großen Politik; denn ih sei dem Bundesrat und ih sei diesem hohen Hause verantwortlih für eine Führung der Geschäfte, die niht den inneren und den äußeren Frieden des Reiches beeins trähtige. Wie fehr ih mir dieser Verantwortung bewußt bin, habe ich bei mehr als einer Gelegenheit gezeigt; ih erinnere nur an den Gang der lippischen Frage.

Der große Irrtum, in den bei der Behandlung dieser Frage viele verfallen, ist, daß sie die Verbältnisse, wie sie bei uns ver- fassungsmäßig gegeben \ind und ih historisch entwickelt haben, ver- wechseln mit den Zuständen in denjenigen Ländern, wo das rein parlamentarische NRegierungésystem besteht. In folchen Ländern ift der Monar nur der formale Jnhaber der Staatsgewalt. Le roi règne, mais il ne gouverne pas, wie Thiers unter der Juli- monarchie sagte. In Wirklichkeit ruht die Staatsgewalt in den Händen der Minister, die von der jeweiligen Kammermehrheit ab- bängig sind. Man kann über die Vorzüge wie über die Nachteile des parlamentarisch:n Regierungésystems sehr verschiedener Ansicht sein. Es gibt Länder, wo mehr die Vorzüge bervortreten, beispielsweise in England, wo das parlamentarische Negierungssystem feit Jahr- bunderten zur allgemeinen Zufriedenheit und zum Segen des Landes besteht. Es gibt auch Länder, wo sich mehr die Schatten- seiten des varlamentarischen Syjtems zeigen. Denn ein Regierungs- system, das für alle Länder sich eigne, gibt es ebenso- wenig wie einen Rock, der jedem Menschen paßt, oder wie Bei uns ist das parlamen- tarishe Regierungs\ystem {on deshalb nicht möglich, weil bei uns keine der großen Parteien die absolute Mehrheit hat, und voraus- fidtlich nach unserer ganzen politischen, wirts{aftlißen und kon- fessionellen Struktur keine in absehbarer Zeit die Mehrheit haben wird. Auch abgesehen von diesem durhs{lagenden faktischen und praktishen Grunde, is das varlamentarische Regierungssystem bei uns niht Rechtens, und wir wollen do alle auf dem Boden des Rechtes bleiben. Bei uns in Deutschland find die Minister niht die Organe des Parlaments und seiner jeweiligen Mehrheit, sondern fie sind die Vertrauensmänner der Krone; die RNegierungsanordnungen, welche ergehen, sind nicht die Anordnungen eines tatsählich von dem Mon- aren unabhängigen und von der jeweiligen Mehrheit des Parlaments abhängigen Ministers, sondern es sind die Negierung8anordnungen des Monarchen. Die Korrektur dieser Zustände und die Gewähr für eine verfassungsmäßige Ordnung der Dinge liegt darin, daß die Negie- rungsanordnungen des Monarchen nur so weit wirksam sind, als er einen Minister findet, der fie unter seiner eigenen Verantwortung ausführt, der sich weigern kann, diese Anordnungen auszuführen, derdem Monarchen erklären kann, daß, wenn er dieses oder jenes verlangen oder tun oder fagen sollte, er der Minister nit länger im Amte bleiben könne.

Wie weit, meine Herren, ein Minister das persönlihe Hervor- treten, die Meinungs- und Gefüblsäußerungen des Monarchen mit seiner Verantwortung decken will, das if Sache des politischezn Augen- maßes, des Pflichtgefühls gegenüber Krone und Land, das gehört in das Gebiet der politishen Imponderabilien. Jch kann mir sehr wobl denken, daß ein Minister finden kann, daß ein übertriebenes persönliches Hervortreten des Regenten, daß ein zu weit getriebener monarhischer Subjektivismus, daß ein zu häufiges Erscheinen des Monarchen obne die ministeriellen Bekleidungsftücke, von denen die Weisheit des Fürsten Bismarck sprach, daß das dem monarchischen Interesse nicht zuträglih ist (lebhafte Zurufe: Sehr rihtig!), und daß er dafür die Verantwortung vor Kroné, Land und Geschichte niht über- nebmen fann.

Aber die Auffassung, als ob der Monarch in Deutf%hland keine eigenen Gedanken über Staat und Regierung haben dürfe, als ob er nur mit dem Kopfe seiner Minister denken, als ob er nur sagen dürfe, was diese ihm aufgesezt hätten, die ist grundfalsch. Sie widerspriht dem deutshen Staatsreht, sie widerspriht auch den Wünschen des deutshen Volkes. (Sehr richtig! rechts.) Das deutsche Volk will keinen Schattenkaiser, es will einen Kaiser von Fleisch und Blut. Das Auftreten und die Aeußerungen einer starken Persönlihkeit, wie es das werden selbst seine Gegner anerkennen unser Kaiser ist, das bedeutet noch lange keine Ver- lezung der Verfassung. Nennen Sie mir doch einen einzigen Fall, wo #ich unser Kaiser in Widerspruh geseßt bätte mit der Verfassung! Fh glaube auch, daß, wie Sie mir jetzt keinen solhen Fall nennen fönnen, Sie mir niemals einen solchen Fall werden nennen können ; denn ih bin überzeugt, daß unser Kaiser die Verfafsung stets gewifsen- baft beobahten wird, wie das seine Pflicht ist. Solange sich aber der Kaiser in den Schranken der Verfassung hält, so lange vermag ih in den Klagen über persönlihes Regiment oder gar über Absolutismus nur den Auêsdruck jener {on vorhin von mir gekennzeihneten, jeßt bei uns hberrshenden Neigung zu Usebertreibungen zu - erkennen.

Und endli, meine Herren, hat der Herr Abg. Wiemer auch von Kamarilla gesprohen. Kamarilla is kein deutsches Wort. (Große Heiterkeit.) Kamarilla, das bedeutet eine häßlihe, fremde Giftpflanze, und man hat nie versucht, fie in Deutschland einzupflanzen ohne großen Schaden für das Volk (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Würden Sie nicht die Güte haben, das, was Sie zu sagen haben, naher vorzubringen, statt mich beständig zu unterbrehen! (Sehr rihtig!) Ich habe Sie auch noch niht unterbrohen, wenn Sie das Wort hatten! Ih sage also: man hat nie versucht, diese häßliche

Giftpflanze bei uns einzupflanzen ohne großen Schaden für die Fürsten und ohne großen Schaden für das Volk. (Sehr richtig !) Unser Kaiser ist aber ein viel zu gerader Charakter, und er ift ein zu klarer Kopf, als daß er fich in politischen Dingen anderswo Rats erbolen sollte als bei seinem eigenen Pflitgefühl und bei seinen berufenen Ratgebern. Und deshalb rihte ich an die verehrten Herren die Bitte: lafsen Sie unbegründetes Mißtrauen fahren und vereinigen Sie sich auch in diesem Winter mit den verbündeten Re, gierungen zu fruchtbringender und ersprießliher Arbeit! (Lebhafter Beifall.) | Hierauf wird nach 61/4 Uhr die Fortseßzun ; \prehung auf Donnerstag iu v ia a

Parlamentarische Nachrichten.

Die Grundzüge des Geseßentwurfs über die gewerh- lihen Berufsvereine.

__ Dem Reichstage ist der Geseßentwurf über die gewerb- lichen Berufsvereine zugegangen. Aus der dem Geseßestext beigefügten allgemeinen Begründung seien nachstehend die wichtigsten Ausführungen hervorgehoben.

Die Voraussetzungen, unter denen nach den Bestimmungen Bürgerlichen Gefeßbuhs ein Verein die „ReStsfäbigkeit“, d. h, u Nechte einer juristischen Person, erlangen kann, find verschieden, je nahdem der Verein einen sogenannten idealen Zweck verfolgt oder niht. Den Begriff des „idealen“ Zweckes bestimmt das Bürgerliche Geseßbuch nur negativ durch das Merkmal, daß er „niht auf einen wirtschaftlihen Geschäftsbetrieb gerihtet ift“, pu Vereine mit dem Zwecke eines wirtshaftliGen Geschäfts, etriebes gilt, soweit nit für einzelne Gruppen von wirt- \{aftlihen Verbänden die Regelung der Landesgeseßgebung vor- behalten oder durch besondere reih8geseßlihe Vorschriften erfolgt ist, das Konzessions\ystem, demzufolge die Rechtsfähigkeit dur staatlihe Verleihung erworben wird. Was die Verfassung solhecr Vereine betrifft, so bleiben diz betreffenden Vorschriften der Lande8gesege unberührt. Demgegenüber is den Vereinen mit idealen Tendenzen im Bürgerlichen Gesezbuhe durch An- nahme des Systems der fogenannten Normativbestimmungen einheitliÞ ein geseglich gesiherter Weg zur Erlangung der NRechtsfäbigkeit verschafft worden. Diese Vereine erwerben die Nechtsfähigkeit burch Erfüllung gewisser, durch Gese allgemein festgelegter Erfordernisse und in Verbindung damit durch Ein- tragung in das vom Amtsgeriht geführte WVerein®register. Diese Regel erfährt indefsen eine Ginshränkung für diejenigen Ver- eine, die nah dem öffentlihen Vereinêrecht unerlaubt sind oder ver- boten werden fönnen oder die einen politishen, \ozialpolitishen oder religiösen Zweck verfolgen. Begenüber Vereinen dieser Art ist der Verwaltungsbebörde ein auts{laggebender Einfluß auf den Erwerb der Rechtsfähigkeit gewahrt geblieben ; sie ist in der Lage, dur Er- hebung des Einsxruchs gegen die Eintragung in das Vereinsregister die Erlangung der juriftischen Persönlichkeit seitens des Vereins zu verhindern. Zur Begründung des Einfpruchs reiht die Tatsache hin, daß der Verein zu der oben bezeichneten Gruppe gehört.

Da die Rechtssicherheit und der NRechtêverkehr der nit ein- getragenen Berufsvereine untet dem geltenden Nechte in wesentlichen Beziehvngen beträhtlich erschwert ist, so ift es erflärlih, daß fie auf die Erlangung einer günstigeren Rechtsftellung großen Wert legen, Zwar ist zu beachten, daß die Berufsvereine niht durchweg und von vornherein {on als solhe jener Vorschrift über das Cinspruchsret der Verwaltungsbebörden unterstehen. Jhr unmittelbarer Zweck ift auf die Wahrung und Förderung der materiellen und geistigen Be- rufsirterefsen ihrer Mitglieder gerihtet. Insoweit verfolgen die Berufsvereine zwar soziale, nit aber sozialpolitishe oder sonst politische Zwecke und sind dieserhalb dem Cinspruchsrechte nicht unterworfen Aber es läßt sih nit verkennen, daß unter den geger- wärtigen Verhältniffen gerade diese Vereine, wenn anders sie den beruflihen Interessen ihrer Mitglieder eine tatkräftige und erfolgverbeißende Unterstüßung und Förderung angedeihen lassen wollen, es nur sebr \{chwer werden vermeiden können, wenigstens ab und zu bei ihrer Tätigkeit auch das sozialpolitishe Gebiet zu berühren. Infolgedefssen werden zablreihe Berufs vereine, vor allem die bestehenden Gewerkvercine und Gewerk- schaften, wenn sie ihren Bedürfnissen entsprehend gewisse fozial- politishe Zwecke in die Vorschriften ihrer Satzungen einbeziehen, sid damit der Geltendmachung des Einspruchsrechts aussezen müssen. Daher ift bei den Berufsvereinen mit sozialpolitischen Zwedcken eine Abneigung vorhanden, in das Vereinsregifter fich eintragen zu lassen, während die Verwaltungsbehörde im allgemeinen nit darauf verzihten fann, ihr Einspruchsreht geltend zu machen, sofern niht gewisse Kautelen in bezug auf die Zwecke und die Zusammenseßung, der Vereine geboten werden. Auf beiden Seiten aber wird nicht mit Unrecht als ein Uebelstand der Mangel an Bestimmungen empfunden, die Art und Maß dieser Kautelen gleiGmäßig regeln und damit jede Willkür oder den Vorwurf einer folchen ausschließen. Der an sich wünschens8werte|ie Zustand wäre es freilich, wenn sich eine solhe Regelung finden ließt, die ausnahmslos auf die Vereine jeder Art angewendet werden könnte. Dem steht aber die D eit des Vereinswesens hindernd enl gegen. Dagegen ift die Regelung in gewissem Umfange durchführbar für die Berufsvereine, weil decen Mitgliederkreis der Natur der Sade nach eine flar erfennbare Sonderung zuläßt, und weil deren im großen und ganzen gleihe oder ähnlihe Zwecke fih in ihren Be rührung8punkten mit dem Gebiete der Politik und Sozialpolitik genaue: abgrenzen laffen.

In den bisherigen Erörterungen ift wiederholt die Forderung aufgestellt worden, daß eine Reform niht bei den Berufsvereinen der Gewerbetreibenden und gewerblichen Arbeiter stehen bleiben dürfe. Fedoch lehrt die Erfahrung, daß das Bedürfnis nah einer näheren Regelung der Rechtsverbältnifse der Berufsvereine bei den gewerblihen Unternehmern und Arbeitern in ungleich stärkeren Maße zutage tritt als bei den anderen Erwerbsständen, namentli bei der erwerbstätigen landwirtshaftlihen Bevölkerung. Ein tatsächlihes Bedürfnis liegt niht vor, das Vereinsreht für alle Berufsstände glei mäßig auszu estalten. Auch feblt es an den rechtlihen Vorausseßungen für eine gleihe Behandlung. Das gilt besonders von dem Koalitions- un? Streikreht. Die historischen wie die inneren Gründe für die bier bestehen den Sonderbestimmungen können nicht ohne weiteres außer aht gelafsen werden, vielmehr \priht hier auch die Rücksicht auf das Gemeinwot! mit. Im Gebiet der Landwirtschaft, beispielsweise zur Zeit der Ernte, ferner im Betriebe der großen Leben8adern des Verkehrs, der Eisen- bahnen, würden umfassende Lohnkämpfe einen weitaus gefährlicher" Charakter annehmen als auf dem gewerblichen Gebiete: Mafsenaub- stände könnten da unter Umständen niht nur für die unmittelbar B“ troffenen, sondern für Staat und Reich geradezu vernichtend wirken. Das etwaige persönlihe Interesse der Nächstbeteiligten muß sich hier dem Mende Interesse der Allgemeinheit als dem höheren unter ordnen. Aus alledem ergibt ih die Notwendigkeit, eine neue Re elung auf die Al att pi ui von Gewerbetreibenden und gewer [ichen Arbeitern zu beschränken.

(Sch(luß in der Duitien Beilage.)

M 271. |

(S@&luß aus der Zweiten Beilage.)

Der Zusammenshluß zu rechtsfähigen Berufsvereinen soll, wie bereits angedeutet, in der Hauptsache dadurch erleichtert werden, daß das Einspruchsrecht der Behörde eingeschränkt wird. Es ist zu prüfen, ob hiermit allen berechtigten Wünschen genügt ift und unt-r welhen Vorausseßungen der Staat ohne S@&ädigung seiner Intereffen in die Einengung des ihm im Bürgerlichen Geseßbuch dorbehaltenen Rehtes willigen kann. Man hat darauf h:ngewiesen, daß die Rechtsfähigkeit auch gewisse Uebelstände zur Folge habe. Der Einwand richtet sich namentlich gegen die Vorschrift § 31 des Bürgerlihen GeseßbuHs, wonach der Verein für den Schaden verantwortl ich ift, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfaffungsmäßig berufener Vertreter durch eine zum Schadensersaß verpflihtende Handlung einem Dritten zufügt. Diese Vorschrift ist aber die notwendige Folge der beiden Rechts- grundsâße, daß der Vorstand die rechtlihe Stellung eines Vertreters des Vereins hat, diesen also durch seine Handlungen so berechtigt wie vervpflihtet, und sodann, daß jede juristische Person, indem fie die Rechte der natürlichen Person erhält, damit zugleih deren Pflichten übernehmen muß. Es ift ganz ausgeschloffen, daß der Staat einer privatrechtlichen Personenmehrheit und ihrer Vertretung das Necht einräumen fann, Dritten obne Ersaßpfliht einen Schaden zu- zufügen, dessen Zufügung einzelne Personen ersaßpflihtig machen würde. Den Berufsvereinen foll die Nechts\ähigkeit, nicht aber eine auf Kosten Dritter privilegierte Rechtsfähigkeit gegeben werden, und wenn von ihnen erwartet wird, daß fie die geseßz- lihen Schranken einhalten, die jedermann gezogen find, so liegt darin

ewiß nicht eine unbillige Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit.

hieran unbedingt festgehalten werden, so führen die nämlichen Erwägungen der allgemeinen Billigkeit zugleich zu dem S@lufse, daß der von anderer Seite erhobenen Fordzrung ebenfalls nit entsprohen werden darf, den Berufsvereinen im Hinblick auf einen möglichen Mißbrauch ihrer wirtschaftlichen Machtstellung eine erweiterte Schadensersazpfliht aufzuerlegen; der rehtsfähige Berufs- verein soll nicht weniger, aber au nicht mehr haften als jede andere juristishe oder physishe Person. : 4

Ein anderes Bedenken betrifft die Vorschriften des B. G. (S8 72, 79), denen zufolge dem Amtsgericht auf Verlangen jederzeit ein Verzeichnis der Vereinsmitglieder eingereiht werden muß, defsen Einsicht. jedermann gestattet ist. Diese Bestimmung ergibt sih niht ohne weiteres und als notwendige Folge aus dem inneren Wesen der juristishen Person, sondern stellt fich ledigli als eine Ordnungsvorschrift dar; es steht daher nihts entgegen, daß fie insoweit beseitigt wird, als eine billige Rücksihtnahme auf die be- sonderen Verhältnisse der Berufsvereine es wünschenswert und an- gängig erscheinen läßt. A

Die erleihterte Erlangung der Rechtsfähigkeit ist an Kautelen zu knüpfen, für die folgende allgemeine Gesichtspunkte maß- gebend gewesen sind: „Es muß davon auêgegangen werden, daß die Berufsvereine Personenvereinigungen sind, die troß ihrer unleugbaren Bedeutung für die Oeffentlichkeit, für das gesamte Wirtschaftsleben und damit auch für das Staatswesen dennoch ihrer inneren Natur na, solange sie si innerhalb thres eigentlihen Wirkungskreises be- wegen, einen privatrechtlihen Charakter tragen. Dementfprehend muß diesen Vereinen insoweit die Freiheit in der Gestaltung ibrer inneren, namentlich ihrer Vermögensangelegenheiten gewahrt bleiben. Nur für das eine -muß gesorgt werden, daß der Verein diese seine Freibeit und seine wirtshaftliche Uebermacht nit gegen seine einzelnen Mitglieder mißbraucht; in ihrem eigenen und im öffentlihen Interesse sind diese davor zu s{chüßen, ‘daß fie zu willen- losen Werkzeugen in der Hand des Vorstands oder der jeweiligen Mehrheit herabgedrückt und daß sie in irgend einer Weise wider ibren Willen zum Verbleiben im Verein gezwungen werden können. Die Rechte der einzelnen Mitglieder gegenüber dem Verein regelt die Sagzung. Deren Bestimmungen unterstellen die Mitglieder sih ja freiwillig. Das Recht der Prüfung aber, ob diesen Bestimmungen gemäß verfahren wird, muß den Mitgliedern gesichert werden ; jedes derselben ist daher in die Lage zu segen, sih stets ungehinderten Einblick in die Verwaltungsmaßnahmen der Vereinsorgane und in den Stand und die Verwendung des Vereinêvermögens zu verschaffen, und sich sowie zugleich die übrigen Mitglieder gegen gesetz- und sazungswidrige Beslüfse oder Maßnahmen der Ver- einsorgane zu verwahren. Wird den Mitgliedern dieses Recht geseplih gewährleistet, so kann es ihnen selbst überlaffen bleiben, ob fie im ers Falle davon Gebrauch machen wollen oder nicht. Die

taatêgewalt hat im übrigen an den Verwalinngömaunadmen des Berufsvereins ein Interesse nur dahin, daß der Verein in seinem Verhalten und in seinen Beshlüfsen die Grenzen einbält, in denen seine Zulaffung als rechtsfähiger Verein erfolgt ift, und daß er auch nit anderweit das Gemeinwohl gefährdet. Cs ift deshalb die Mög- lichkeit der Kontrolle und des etwaigen Einschreitens auf ein ent- \prehendes Maß zu beshränken und geseßlih festzulegen. Nur an die im Gesetze selbst aufgestellten Normativbestimmungen ift der Verein ebunden. Hält er diese ein, so ist er von allen sonstigen Maßnahmen faatlicher Behörden unabhängig, er unterliegt deren Aufsicht ins- besondere nicht hinsihtlich der Zweckmäßigkeit oder Unzwekmäßigkeit seiner Beschlüsse und Handlungen und ist für diese an keinerlei Genehmigung gebunden. Au innerhalb der hiernah fi ergebenden Grenzen soll die Kontrolle keinen polizeilichen, fondern nach Möglich- keit einen öôffentlihen Charakter tragen. Bei der Beurteilung der erforderlichen Kautelen darf im übrigen nit aufer acht gelaffen werden, daß sie nebst allen anderen Beftimmungen des Entwurfs nur auf diejenigen Berufsvereine Anwendung finden sollen, die sih der Neuregelung freiwillig unterstellen.“ E

Bis hierher ist von den Bestrebungen, welhe auf eine ander- weite Regelung der Rechtsftellung der Berufsvereine binzielen, nur insoweit die Rede gewesen, als sie sich nach privatrechtliher Seite Ein erstrecken. Darüber hinaus werden aber auch manuigfahe Forde - rungen nah der Seite des öffentlichen Vereinsrehts und des Koalitionsrechts hin aufgestellt. „Diese Forde- rungen gehen je nah der wirtshaftlichen und der Parte derer, die fie echeben, les weit auseinander. Während einerseits behauptet wird, daß die bestehenden Bestimmungen der berechtigten Ent- wicklung des Berufsvereinswesens unbillige Hindernisse in den Weg legen, gehen andere Klagen vielmehr dahin, daß die friedlihe und greate Ausgestaltung des gewerblichen Lebens in den geltenden

eseßzen nicht den nötigen Schußz gegen die Ausschreitungen des Vereins- und Koalitionswesens finde. Auf die Frage einer etwaigen Berechtigung dieser Beschwerden einzugehen, is hier indessen niht am Plage; fie alle beziehen si teils auf allgemeine Verbältniffe, teils auf diejenigen der Unternehmer und der Arbeiter überhaupt oder mindestens doch der ewerblihen Gruppe dieser Bevölkerungsklassen ohne Rüksicht auf deren Susammenschluf in Derussvenernen, Es handelt si alfo dabei um ge und allseitige D erfordern würden

e

agen, die et Ibständ ragen, die etne selbstän ehen, jedenfalls niht bei

und die, von allen sonstigen Bedenken a dieser immerhin nur ein Sondergebiet betreffenden Gelegenheit ge- wifsermaßen nebenher aufgerollt werden können. Ueberdies greifen viele dieser Fragen tief in bisher landesrehtlich geregelte Verhältnisse der einzelnen Bundesstaaten ein und allen fn ein politisch und Brat so umstrittenes Gebiet, daß der Versuch ihrer Ginbeziehung voraus\ihtlich nur den Erfolg

Dritte Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 15. November

baben würde, das Zustandekommen der mit dem vorliegenden Entwurfe geplanten Regelung der Rechtsverhältnisse der Berufs- vereine auf absehbare Zeit hinaus zu verhindern. Indefsen zwingen diese Erwägungen doch niht dazu, die“ Regelung in jeder Be- ziehung eng in den Grenzen des privatrechtlißen Gebiets zu halten. Dies würde sogar kaum durchführbar sein deshalb, weil gerade die Einshränkung der den Verwaltungsbehörden aus \ozial- politishen Gründen sowie ‘aus Gründen des öffentlichen Vereins- rets zustehenden Einspruhsbefugnis den Kernpunkt des ganzen Vor- gehens bilden muß. Ueberdies bedingt die Zulassung der Verfolgung gewifser sozialpolitisher Zwecke für die Berufsvereine auch eine Erweiterung der Rechte aus § 152 der Gewerbeordnung, defsen Vor- {rift nah der berrschenden Rechtsauffafsung nur Vereinigungen zur Verbesserung individueller Lohn- und Arbeitsbedingungen im Auge hat. Außerdem würde die in Aussiht genommene Vergünstigung binficht- [ih der Einreihung und Offenlegung der Miigliederverzeihnifse den beabsihtigten Zweck zum großen Teil verfehlen, wenn die landes- rechtlihen Vorschriften über Einreihung dieser Verzeichnisse an die Polizeibehörden auch für die eingetragenen Beruss- vereine aufrecht erhalten bleiben sollten. Nicht in so engem, innerem Zusammenhange mit der Regelung der Nechttfähigkeit der Berufävereine, wie die soeben erwähnten * unkte, steht die Frage einer Beseitigung der Beschränkungen, denen Frauen und minderjährige Personen hinsihtlich ihrer Zulaffung zu Berufsvereinen und deren Versammlungen in einigen Bundesstaaten zur Zeit noch unterliegen. EGleihwohl erscheint es angezeigt, die bezeihnete Frage bei diesem Anlafse für den sachlihen Geltungsbereiß des Eniwurfs mitzuordnen. Die Entwicklung der wirtschaftlihen Verhältnisse in der Neuzeit hat mehr und mehr dazu geführt, daß Frauen selbständig erwerbstätig aufs treten. Namentlich auf dem gewerblichen Gebiete vershaffen sich zahl- reie weiblihe Arbeitskräfte ihren Unterhalt selbft oder tragen do zum Unterhalt ihrer Familien wesentlich bei. Es ist deshalb zeit- gemäß und billig, wenn diesen Frauen in der gleihen Weise wie den in der Hauptsache unter gleiGen Lebens- und Arbeitsbedingungen tätigen männlichen Personen die Möglichkeit gewährt wird, ihre beruf- lichen Jateressen und Wünsche zur Geltung zu bringen und fi zu diesem Zwecke mit ihren Berufsgenofsen und -genossinnen zu ver- einigen. Insoweit verbleiben die Frauen jedenfalls in ihrer berechtigten Interessensphäre auch dann, wenn die Wüksamkeit der Berufsvereine, denen fie angehören, in den hon früher angegebenen Grenzen das \ozial- politische Gebiet berührt. Deshalb wird au dur die besondere Regelung der Stellung der Frauen innerhalb der Berufsvereine der Frage ihrer Stellung innerhalb des allemeinen Vereins- und Versammlungs- rets in keiner Weise vorgegriffen. Für die minderjährigen Beruf3- angebörigen beiderlei Geschlechts kann, wenigstens soweit sie eine gewisse Altersftufe überschritten haben, im allgemeinen dasselbe gelten, was hier binsihtlich der volljährigen Frauen gesagt ist. Es werden | daher diejenigen landesgeseglihen Bestimmungen, welche einer Be- teiligung von volljähriger Frauen und von Minderjährigen an Berufs- vereinen entgegenstehen, zu beseitigen beziehungsweise einzushränken sein. Dagegen ist von jedem weiteren Eingriff in das Vereins8- und Versammlungsreht der einzelnen Bundesstaaten abzusehen. Dies gilt insbesondere gegenüber den Vorschriften, die sich auf die Anmeldung und das Necht der polizeilihen Ueberwachung der Versammlungen, die Zulaffung von Vereinigungen unter freiem Himmel und dergleichen, ferner auf das Recht der Auflösung oder Schließung beziehen, letzteres naturgemäß nur insoweit, als der Grund der Auflösung oder Schließung nichi aus einem im Entwurf ausdrücklich zugelaffenen Ver- balten des Vereins eninommen wird. Ueberhaupt ift gru nd\äulich davon auszugehen, daß alle bestebenden Bestimmungen des öffentlihen und privaten Reichs- und Landesrehchts auch für die gewerblihen Berufsvereine unverändert aufrecht erhalten bleiben, soweit nicht im gegen- wärtigen Entwurf ausdrücklihe Ausnahmen festgestellt werden. Es gilt dies gleihmäßig sowohl für die Voraussetzungen der Eintragung in das Vereinsregister und das Verfahren dabei, als au für die späteren Verhältnisse des Vereins nah der Eintragung. Ferner wird durh den Entwurf nicht gehindert, daß lande8gefeßliche Bestimmungen in demselben Umfang, in dem sie bestehen bleiben, au künftighin erlaffen werden können.“ i :

Ven den Berufsvereinen, die die Nechtsfähigkeit im Wege der Eintragung in das amtsgerihtlihe Vereinsregister erlangen und auf die id dementsprehend die vorstehenden Ausführungen beziehen, find auh diejenigen nicht au8geschlossen, die ihren Mitgliedern Unterstüßungen gewähren, vorausgeseßt nur, daß fie den Mitgliedern nicht zuglei einen Rechtsanspruch auf die Unter- stüßungen einräumen. Sobald leßteres geshieht, fallen die Vereine unter das Gese über die privaten Versiche- rungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 und bedürfen für die Zulaffung zum Geschäftsbetriebe der Erlaubnis der Aufsichts- behörde. Ein Versuch, in dieser Hinsicht eine Aenderung eintreten zu lassen, würde [chwerwiegenden Bedenken begegnen. Wer einem Bereine beitritt, der zwar für gewifse Fälle Unterstüßungen vorsieht, aber einen Rehtsanspruch darauf versagt, kann und muß sich von vornherein darüber klar sein, daß seine Aussicht auf Erlangung der Unter- stüßung ins Ungewifse geftellt ift, und daß er jedenfalls für ihre Ver- wirklihung nicht auf die Hilfe der staatlichen Machtmittel zu rehnen hat. Für den Staat fehlt deshalb au der Anlaß, þestimmte Anforderungen an | einen solhen Verein zur Sicherung jener Unterstäyungtanspeie zu stellen. | Anders verhält es sich, sobald der Verein den harakter einer Ver- siherungsunternehmung trägt. Hier ist es aus fittlihen und wirt- \caftlihen Gesichtspunkten die unabweisbare Pflicht der staatlichen Behörde, ih die auf gewissenhafter und sahkundiger Prüfung be- rubende Ueberzeugung zu vershaffen, daß ein solider Geschäftsbetrieb beabsichtigt ist und Der Geschäftsplan in allen seinen Bestandteilen eine geeignete Grundlage für einen solhen Betrieb bildet. Hierzu ist die Staatsbehörde nur im Rahmen des sogenannten Konzessions-

svstems imstande. Aus den besonderen Verhältnissen der Berufs- |,

vereine kann keine Berechtigung entnommen werden, für sie von jener Regel abzugehen.

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Fnnern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie.)

Beschränkung der Einfuhr bedruckter Baumwollstoffe über Kalkutta.

Nach einer Mitteilung im „Englishman“ vom 8. Oktober d. I. steht in drei Monaten ein Erlaß der Zollbebörde in Kalkutta bevor, wona die Einfuhr bedruckter aumwollstoffe, tweeds und anderer ähnlicher Artikel, deren Farbe als haltbar bezeihnet wird, ohne jedo den biernach an den Artikel zu stellenden Anforderungen zu genügen, nach den Bestimmungen des indischen Warenzei engee verfolgt werden wird. (Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats în Kalkutta.)

1906.

Ausfschreibungen.

Elektrishe Beleuchtung in Mura-Szombat (Ungarn). Angebote werden von der Gemeindevertretung entgegengenommen. (Oefterreichisher Zentral. Anzeiger für das öffentliche Aefernnaaeiet Î

Ausnußung von Wasserkraft in Italien. Die Präfektur von Bergamo hat der Valle Brembana Electric Railway Com- any die Erlaubnis erteilt, 464 1 Wasser pro Sekunde aus dem Flufse Brembo zwecks Erzeugung elektrisWer Kraft zu entnehmen. (The Board of Trade Journal nach „Bollettino delle Finanze“.)

: Bau und Betrieb neuer elektrisher Straßenbahnen in Rom. Angebote sind an die Stadtverwaltung zu rihten. Frift : 31. Dezember 1906. Näheres durch den Sindaco di Roma. (The Electrical Engineer.)

Ausnußung von Wasserkraft in Spanien. Marqgqués de Santillana in Madrid bat die Erlaubnis erbalten, 3000 1 Wesfser pro Sekunde aus dem Flufse Manzanares zur Versorgung der oberen Zone Madrids und ¡u Indvustriezwecken entnehmen zu dürfen. (Bericht des Kaiserlithen Konsulats in Madrid.)

Eine Lieferung von Eisenbahnmaterial usw. nah dem Haag für das Ministerie van Kolonièn foll am 29. November 1906, Nahmittags 2 Uhr, vergeben werden. Es handelt fich um: Bestek No. 434: Stählerne Wagenfedern für Personenwagen, Güter- wagen und Lokomotiven und Befestigungsplatten für Wagenfedern ; Bestek lit. Z. 12: FSlußeisen; Bestek lit. A. 13: Gewelltes und glattes verzinktes Stablblech, Ninge, Nietnägel, Dachhaken, Schrauben- muttern usw. ; Bestek lit. B. 13: 40 Gäulenbrunnen (pilaar fonteinen) mit Zubehör; Bestek lit. C. 13: Verzinkter Eisendraht. Die „Bestekken“ liegen im Tehnishen Bureau des genannten Mini- steriums zur Einsicht aus und können auch durch die Firma Mart. Nijboff im Haag, Nobelstraat 18, zum Preise von 2 Gulden für Bestek Nr. 434, je 1 Gulden für die Bestekken lit. Z. 12 und A. 13 und je 0,50 Gulden für die Bestekken lit. B. 13 und C. 13 bezogen werden. (Nederlandsche Staatscourant.)

Erweiterung der Wasserleitung in Cerfonteine (Belgien, Provinz Namur). Anschlag: 65 110,41 Fr. Kaution 6000 Fr. Verhandlung: 6. Dezember 1906, Vormittags 10 Ubr, im Gemeindebause. Frist für Angebote: 5. Dezember 1906. (Moniteur des Intérêts Matériels.)

Konkurse im Auslande.

Galizien.

Konkurs ist eröffnet : : |

1) Ueber das egen des Gutspächters Mendel Fried in Terpitówka mittels Beschlufses des K. K. Kreisgerichts, teilung 1V, in Tarnopol vom 8. November 1906 No. ez. S. 9/6. Proviforisher Konkursmafseverwalter : Apotheker Emil Holinante in Nowesioto. Wakhltagfahrt (Termin zur Wahl des definitiven Kons- fursmafseverwalters) 22. November 1906, Vormittags 9 Uhr. Die Forderungen find bis zum 19. Januar 1907 bei dem K. K. Bezirks- eriht in Nowesioto anzumelden; in der Anmeldung ift ein in Rotwesioto wohnhafter Zustellungsbevollmächtigter namhaft zu machen. Liquidierungstagfahrt (Termin zur Feststellung der Ansprüche) 4. Fe- bruar 1907, Vormittags 9 Uhr. ;

2) Ueber das Vermögen des Isaak Lichtenberg, Glasers und Kaufmanns in Stanislau, mittels Beschlusses des K. K. Kreiss gerihts, Abteilung 1V, in Stanislau vom 7. November 1906 No. cz. 8. 11/6. Provisorisher Konkursmafseverwalter : Advokat Dr. Kalman Frucht in Stanislau. Ea UnPaort Termin zur Wahl des definitiven Konkursmafseverwalters) 26. November 1906, Yormit- tags 10 Uhr. Die Forderungen sind bis zum 20. Dezember 1906 bei dem genannten Geriht anzumelden; in der Anmeldung ist ein in Staníislau wobnhafter Zustellungsbevollmähtigter namhaft zu machen. Aquidierungstagfahr! (Termin zur Feststellung der Ansprüche) 31. De- zember 1906, Vormittags 10 Uhr.

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 14. November 1906:

NRuhrrevier Oberschlesishes Revier Anzabl der Wagen

19 367 8 247

3 589 464.

Berlin, 14. November. (W. T. B.) Die Kaiserlich russische ne in Berlin teilt folgende Bilanz über den Außenhandel Rußlands vom 8./21. bis 15./28. Oktober 1906 mit:

Europäischer Handel

Ausfuhr __ Einfuhr vom 8./21. vom 1./14. San. Vom 8./21. vom L Ian.

bis bis 18 8 15:/28. Oktober 15./28. Oktober 15./28, Oktober 15./28. Oktober

Nubel Rubel Nubel Nubel 15 348 000 766 816 000 10 401 000 433 546 000

Asiatisher Handel 1 684 000 70 799 000 878 000 60 758 000.

Der Verein zur Wahrung der Interessen der chemishen Industrie Deutschlands, E. V., teilt in seinem Bericht über die Dre eteilie in Nürnberg vom 21. September 1906 u. a. mit: Für die Beteiligung der chemishen Industrie an dem allgemeinen wirtshaftlihen Auf{wung spricht am unmittelbarsten die Tatsache, daß nah der berufsgenofsenshaftlihen Statistik die Zahl der Betriebe im leßten Jahre von 8004 auf 8278, die Zahl der ver- Ceres BVollarbeiter von 179 792 auf 188 386 und die Summe der

öhne von 185 Millionen auf 197,5 Millionen Mark gestiegen D Der durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst erhöhte ih hiernach in den leßten drei Jahren von 1019,65 auf 1029,25 bezw. auf 1048,23 #6. Eine ganz außergewöhnlihe Zunahme zeigte der Verkehr erie Rohstoffe und Fabrikate mit dem Ausland. Die Einfuhr stieg im vorigen Jahre von 377,6 auf 430,8 Millionen Mark, also um 53,2 Millionen oder 14,1 9/0, die Ausfuhr von 473,5 auf 542,3 Millionen, mithin um 68,8 Millionen oder 14,9 °/o. Im vorhergehenden Jahre, das wirtschaftlich kein ungünstiges war, betrug die Steigerung der Einfuhr nur 7, die der Ausfuhr fogar nur 5 °/o. Entsprechend der ungewöhnlich gesteigerten Tätigkeit zeigt auch die Rentabilität der chemishen Industrie, wie sie in den Nechnungsabschlüssen der Aktien- esellshaften zum Ausdruck kommt, einen Fortschritt. Aus den Bilanzen von 142 Gesellshaften mit einem eingezahlten Aktienkapital von 460 Millionen Mark, 84 Millionen Obligationen und Hypotheken und 142 Millionen Reservekapitalien ergibt si, daß im leßten Jahre an Dividenden, Obligations- und Hypothekenzinsen 69,5 Mil- lionen Mark gezahlt worden sind. Das ent priht einem Durchschnittsertrag von 10,12% gegen 9,52% im Vorjahre. Fn der Industrie der Alkalien und Säuren hat sich der Durchschnitts- ertrag von 8,66 auf 8,92 9/0 erhöht und zu diesem günstigen Ergebnis haben die Soda- und die Kaliindustrie ziemli gleihmäßig beigetragen. Wenig befriedigend war das Ergebnis des Ja resabshlufses für die Industrie der pharmazeutishen, photographischen, wifsenschaftlichen

Gestellt ._. Nicht geftellt