1906 / 278 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Nov 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Landgerichtsrat Fusbahn in Frankfurt a. M. nach Wies- baden und der Amtsrichter Dr. Jacob in Kreuzburg i. O.-Sefsl. als Landrichter nah Liegniß. , |

¿ Der Notar Uckermann in Berlin hat sein Amt nieder- gelegt. : . :

Tin der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht: die Rechts- anwälte Justizrat Albrecht bei dem Kammergericht, S chil- ling bei dem Oberlandesgeriht in Cöln, Uckermann bei den Landgerichten T, IT und TI in Berlin, Steiniß bei dem Landgericht in Gleiwiß, Mertens bei dem Amtsgericht in Rixdorf und Heinemann bei dem Amtsgericht in chmiegel.

In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen: die Rechtsanwälte Schilling aus Cöln bei dem Ober- landesgeriht in Düsseldorf, Mertens aus Rirdorf und Steiniß aus Gleiwiß bei dem Landgericht T in Berlin, der bei dem Landgericht ITT in Berlin zugelassene Rechts- anwalt Arthur Krüger bei dem Amtsgericht in Charlotten- burg, die Gerichtsassessoren Dr. Alsberg bei dem Land- eriht T in Berlin, Dr. Weis bei dem Landgericht in Cassel, Dr. Oldermann bei dem Landgericht in Osnabrüd, Dr. Nickel bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Breslau, Dr. Cüppers bei dem Amtsgericht und dem Land- geriht in Düsseldorf, Dr. Warschauer bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Posen, Konießko bei dem mts- ris in Pankow und Dr. May bei dem Amtsgericht in unden.

Der Senatspräsident bei dem Kammergericht, Geheime Oberzustizrat Lehweß, die Landgerichtsdirektoren Dorn in Frankfurt a. M. und Rothardt in Bochum sowie der Land- gerihtsrat Riedel in Glaz sind gestorben.

Ministerium der öffentlihen Arbeiten.

Der Regierungsbaumeister Kuwert in Bromberg ist zum Wasserbauin}pektor ernannt worden.

Tagesordnung

für die Sißung des Landeseisenbahnrats am Donnerstag, den 6. O R 1906, Vormittags L V:

1) Aufnahme von frishem Fleisch in den Spezialtarif für bestimmte Eilgüter; : j

2) Frachtermäßigung für frishe Seefische;

3) Frachtermäßigung für Torfstreu und Torfmull von nordwestdeutshen Stationen;

4) Frachtermäßigung für rohen Flachs; i:

5) Einführung von Oder-Umschlagstarifen für über- seeishe Durchfuhrgüter nah ODesterreih-Ungarn ;

6) Frachtermäßigung für Braunkohle und Braun- kohlenbriketts vom Deitisibéni Braunkohlenbezirk nach dem Siegerland und dem Lahn- und Dillgebiet; :

7) Frachtermäßigung für Traß- und Tuffstein aus dem Éifelgebiet nah den Niederlanden :

8) Uebersicht der Normaltransportgebühren;

9) Mitteilung über genehmigte Ausnahme- tarife usw. i E

Außerdem folgende von der ständigen Tarifkommission der deutschen Eisenbahnen vertretene Anträge zur Güterklassifikation des deutschen Eisenbahngütertarifs von allgemeinerent teresse: j A: Fram inna für Säuren (Mischsäuré, Shwefel- äure usw.),

afts) ufs b. Frachtermäßigung für rohe, grüne, gesalzene Felle -und Häute. Berlin, den 22. November 1906. Der Vorsizende e A N ERARREs,

Fled, Wirklicher Geheimer Rat, Unterstaatssekretär.

Nichkamkliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 24. November.

In der am 23. November unter dem Vorsiß des Staats- ministers, Staatssekretärs des Jnnern Dr. Grafen von Posadowsky-Wehner abgehaltenen Plenarsißung des Bundesrats wurde den Geseßentwürfen, betreffend Fest- stellung eines zweiten Nachtrags zum NReichshaushaltsetat und zum Haushaltsetat für die Schußgebiete auf das Rehnungs- jahr 1906 zugestimmt. y

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute eine Sigzung.

Der Regierungsassessor Böhme aus Trier ist dem Landrat des Kreises Kosel, der Negierungsassesor von A aus Koblenz dem Landrat des Kreises Lüchow, der Regierungs- assessor Dr. Bömke aus Koblenz dem Landrat des Kreises ans Ia der Negierungsassessor Trümpelmann aus

umbinnen dem Landrat des Kreises Soest und der Regie- rungsassessor Steinbeck aus Lüneburg dem Landrat des Kreises Prenzlau zur Hilfeleistung in den landrätlihen Ge- schäften zugeteilt worden.

Die Regierungsreferendare von Donat aus Danzig, von und zu Gilfa aus Merseburg, von Hoffmann aus Danzig, von Normann aus Stettin und von Lucke aus Stettin haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Ver- waltungsdienst bestanden,

In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „NReichs- und Staatsanzeigers“ werden im Kaiserlihen Statistischen Amt asämitièngeitellie Nachrichten über den Stand der Mes im Deutschen Reiche um die Mitte des

tonats November 1906 veröffentlicht.

Kiel, 24. November. Jn Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen hat gestern die Ver- eidigung der Rekruten der Marinestation der Ostsee und

des ersten Bataillons der Marineinfanterie statigefunden. Nach- dem die Truppen den Fahneneid geleistet hatten, hielt Seine Majestät der Kaiser an. diese eine Ansprache.

Deutsche Kolonien.

Aus Deutsh-Südwestafrika wird, „W. T. B.“ zu- folge, amtlih gemeldet:

Wie schon berichtet, hatte eine Hottentottenbande am 1. November unter Stürmann den Posten Uhhanaris überfallen und war dann durch Oberleutnant Freiherrn von Fürstenberg in die ôstlihen Karasberge verfolgt worden, wo fie sich auflöste. Seitdem haben sih im ganzen 60 Hottentotten bei Hauptmann Siebert an der Wasserstelle Lifdood (öftlihe Karasberge) gestellt. Darunter be- finden fih 27 Männer, die 13 Gewehre (Modell 88 und 98) abgaben.

Oefterreich-Ungarn.

Das österreihische Abgeordnetenhaus hat gestern die siebente Gruppe der Wahlreform, die von der Vornahme der Wahl handelt, gemäß den Anträgen des Aus- \husses angenommen und die Beratung der ahten Gruppe, enthaltend § 42 (Schug der Wahlkreiseinteilung und Mi- noritätsantrag Pergelt, betreffend die Delegationswahlen für Böhmen und Mähren), begonnen .

Nach dem Bericht des ,W. T. B.“ bezeichnete der Abg. Pergelt seinen Antrag als einen Akt nationaler Billigkeit und Gerechtigkeit. Der Abg. Schreiner begründete einen Antrag auf aus der Wabhl- kreigeinteilung durch die Forderung der Zweidrittelmajorität für Aenderungsanträge. Er bezeihnete es als bedauerlichß, wenn die Deutschen einen Antrag auf Aenderung der Wahlkreiseinteilung nur durch feiges, {chimpfliches Verlafsen des Saales verhindern könnten, statt den offenen, ehrlichen Kampf aufzunehmen.

Die nächste Sißung findet am Montag statt.

Im ungarischen Magnatenhaus beantragte

estern der Graf Zselenszky in der Debatte über das

Fndustrieförbigoge eß, daß nur solche Jndustriezweige unterstüßt werden sollen, die bisher im Lande nit vorhanden gewesen seien, und nur Geldunterstüßungen, aber keine anderen Vergünstigungen gewährt werden sollen.

Der Sanbelómiaifier Kossuth ersuchte um Ablehnung des An- trages und wies nach, daß dur die Unterstüßung der Regierung die industrielle Produktion \sich bedeutend gehoben habe. Er widerlegte die Behauptung Zfselenszkys, M die Vergünstigungen eine Pran Dörfern gleihende Industrie erzeugten, und hob

ervor, daß von 314 Fabriken nur 19 nach Aufhören der

Unterstüßung den Betrieb eingestellt hätten. Der Minister- präsident Dr. Wekerle wies darauf hin, daß die chemishe und die Zuckerindustrie, die anfänglih unterstüßt worden seien, sih bedeutend entwickelt haben und auc die Textilindustrie erheblihe Fortschritte mache. Mit dem Prinzip des unbedingten laisser faire sei kein Er- folg zu erzielen. i :

Der Antrag Zselenszkys wurde hierauf abgelehnt und die Vorlage angenommen.

Frankreich.

In der gestrigen Sihung der Deputiertenkammer brate Zevaès (Soz.) cinen Antrag ein, nah dem den Mi t- gliedern des Parlaments die Teilnahme an Finanzz,

andels- und Jndustriegesellshaften untersagt sein oll. Die Kammer beshloß mit 397 gegen 121 Stimmen die Dringlichkeit des Antrags Zevaès, {lug jedo die sofortige Erörterung ab. Hierauf wurde die Beratung der Jnter- pellation übéx die Mee) G iffe wieder aufgenommen. _

Fa Fortführen seiner geliTigen ede legte der Marineminister * Thomson, laut Bericht des „W. T. B.“, dar, daß alle Vorsichts- maßregeln beim Bau der Panzerschiffe beobahtet worden seien, und verfprach, das Unterseebotswesen weiter zu entwickeln, ohne daß er jedoch zuweitgehende Verpflihtungen übernehmen wolle, da die Unterseebote noch nicht leistungsfähig genug seien. Die Marineverwaltung sei_ bestrebt, Tauchboote mit großem Aktions- radius und hoher Schnelligkeit zu erhalten. Thomson fügte hinzu, daß das von der Kammer genehmigte Marineprogramm gewissenhaft in den Grenzen der vorhergesehenen Ausgaben dur(- geführt werde. Der Minister {loß mit der Bemerkung, daß die Landesverteidigung, namentlih zur See, \sih niht improvisieren laffe. Die Vaterlandsliebe sei mit dem Sinn für Gerechtigkeit und rieden durchaus vereinbar. Der Interpellant Michel erwiderte dem Minister mit einer heftigen Rede, in der er gegen dessen Politik sharfe An- flagen erhob. Nach längerer Hin- und Widerrede wurde die Bzratung ges{lofsen. - ; j

Die Kammer nahm mit 393 gegen 112 Stimmen eine Tagesordnung an, welche die Erklärungen des Marineministers billigt und das Vertrauen zur Regierung ausspricht, daß sie die Flottenneubauten gemäß den Bestimmungen des Finanz- gelees von 1905 ausführen werde. Darauf wurde die Sißung

eschlossen.

? Wie das „W. T. B.“ meldet ist es in Wasquehal bei Lille bei der Kirheninventaraufnahme zu stürmischen Auftritten gekommen. Der Präfekt des Departements Loire inférieure Bonnet ist seines Postens enthoben worden, weil er die Weisungen des Ministers des Innern, betreffend die Kircheninventaraufnahmen, niht mit der entsprehenden Ent- schiedenheit durhgeführt hat.

Rußland.

Der neue baltishe Generalgouverneur Baron Möller- Sakomelskfi erklärt durch Tagesbefehl, daß Titel und Rechte eines Generalgouverneurs in den baltischen Provinzen ihm allein zukämen. Er enthebe daher den General Boekmann der Pflichten des furländischen und den General Pychatshew der des esthländischen Generalgouverneurs. Ein weiterer Befehl des General- gouverneurs verbietet, „W. T. B.“ zufolge, das Anzünden von ländlihen Gebäuden als Strafe gegen aufrührerische Bauern. Nur während eines Kampfes dürfen dur Explosiv- förper Brandschäden verursaht werden. Derselbe Befehl ordnet an, Körperstrafen nicht anzuwenden. Bei besonders {hweren Vergehen seien die Angeklagten vor ein Kriegsgericht u stellen. 3 i :

n 2 Jn St. Petersburg is gestern eine Versammlung der Kadettenpartei, welche die geseßliche Anerkennung nicht besißt, wegen Abhaltung einer Sammlung für Parteizwecke und Verheimlihung des Parteiprogramms pyplizeilih geschlossen worden. Die Veranstalter der Versammlung haben die Er- mächtigung zu deren Abhaltung in einer Form nachgesucht, als ob cs Éd um die Okiobristen oder um die Partei der friedlihen Erneuerung handle. Zu der Versammlung hatten sich Miliukow, Kutler und andere Führer der Kadetten- partei sowie einige hundert Arbeiter eingefunden. i

Die armenishe Partei Daschnakzutun hat, wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ aus Baku meldet, einen Aufruf verbreitet, in dem allen Räubern und Plünderern, die sih mit der Flagge der Revolutionäre decken, ohne Gnade der Krieg erklärt wird.

JFtalien.

Der König der Hellenen is, „W. T. B.“ ufolge gestern in Rom eingetroffen und vom König Bictoe Emanuel, den Ministern und den Spigen der Behörden empfangen worden. Abends fand im Quirinal eine Gala- tafel statt, bei der zwischen den beiden Monarchen Trinksprüche gewechselt wurden.

Spanien.

Im Senat richtete gestern der Konservative San Petro an die Regierung die Anfrage, warum sie, bevor die Akte von Algeciras ratifiziert sei, Kriegsschiffe nah Tanger geschickt habe.

In Beantwortung der Interpellation erklärte der Minister des Aeußern nach dem Bericht des ,W. T. B.“, E die getroffenen Vorkehrungen einfach Vorsichtsmaßnahmen seien; er könne nicht sagen, wie weit diese gehen würden, denn das werde von den Ereignissen abhängen. „Wir werden aber“, seßte der Minister hinzu, „Unsere Rechte verteidigen, indem wir besonnen in der Art vorgehen, daß wir jeden Konflikt vermeiden.“

Auf die Frage eines Redners, der unter Hinweis auf die Entsendung von Landungstruppen Auskunft über die Lage in Marokko verlangte, antwortete der Minister :

Die Lage sei die gewöhnliche, doch sei es nöti gewesen, Vor, sihtsmaßnahmen für den Fall zu treffen, daß sie ernster werde. Man möge ihm gestatten, bis zur Erörterung des Berichts über die Algectrasakte Stillschweigen zu bewahren. Dot sei keinerlei begründeter Anlaß zur Beunruhigung vorhanden.

Serbien. Die Skupschtina ist gestern wieder zusammengetreten.

Montenegro.

Die Neubildung des Kabinetts is nunmehr er- folgt. Einer Depeshe des „W. T. B.“ zufolge seßt es fi folgendermaßen zusammen: Radulovic Präsidium D Aeußeres, Jvanovic Jnneres, Artilleriemajor Gattalo Krieg, Giurovic Finanzen und Raitschevic Justiz und

Unterricht: Amerika.

Der Senat und die Deputiertenkammer der Republik Uruguay haben, den „Times“ zufolge, einen Jmport: zushlagszoll von 1/2 Prozent auf alle Artikel des Jnland- fonsums genehmigt, jedoch die S LU von 1 Prozent auf die von den Konsuln mit einem Vijum versehenen Fracht briefe aufgehoben. Die Vorzeigung der leßteren is nun nit mehr nötig.

Asien.

Wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, brachte der Finanzminister Naßr ulla - Mulk in der gestrigen Sißung des persishen Parlaments einen Antrag, be- treffend die geplante äußere Anleihe, ein. Eine Gruppe von se 88 Abgeordneten protestierte energisch gegen die äußere Anleihe und befürwortete eine innere. ersiens Finanzlage ist indessen so, daß sih die persishe Nationalbank Sund ohne eine äußere Anleihe behelfen kann. Die Truppen haben mehr als ein halbes Jahr lang keinen Sold erhalten, die diplomatishen Vertreter Perfiens seit einem Jahre, ebenso die Beamten und Pensionäre.

Afrika.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ verlangte Raisuli, der durh die von den Mächten ergriffenen Maß- nahmen beunruhigt i, vom Vertreter des Sultans Mohammed-el-Torres* Geshüße, um die Sahelstämme u bekämpfen. Die enge esandtshaft macht bei Mohanmed-cl-Tortes energisch Entschädigungsansprüche wegen der Plünderungen geltend, die Raisuli am Eigentum eines englishen Untertanen verübt hat.

Parlamentarische Nachrichten.

Der R über die gestrige Sißung des Rei chs- tags befindet sih in der Zweiten Beilage.

In der heutigen (125.) Sißung des Reichstages, welcher der Staatsminister, Staatssekretär des Jnnern Dr. Graf von Posadowsky-Wehner beiwohnte, wurde die erste Beratung der Vorlage, betreffend gewerblihe Berufs-

vereine, enge. x é

Abg. Schi ckert (d. kons.) : Der sozialdemokratishe Redner hat geftern erklärt, daß die seiner Leitung unterstellten Gewerkschaften diesem Gegenstande verhältnismäßig fühl gegenüberständen, und in_ der sozialdemokratishen Presse sind alle Register der Entrüstung gegen diefen Entwurf gezogen worden. Dieses Verfahren fann uns nicht wunder nehmen, wir sind es ja gewohnt, daß die sozialdemokratishe Presse sozialpolitishe Gesetze möglichst hHerabsegt, und daß die Partei, wenn die Mehr- heit für ein solhes Geseß sicher ist, auch daçegen stimmt, um naher die Vorteile eines solhen Gesetzes ruhig einzuheimsen. Meine politischen Freunde legen Wert darauf, daß die Vorlage den berechtigten Forde- rungen der Arbeiterschaft, vor allem der auf natioralem, chriftlidem Boden stehenden Arbeitershaft entspriht. Wir würden nicht geneigt sein, bei einem Geseßentwurf mitzuarbeiter, der lediglih dazu bestimmt wäre, den staatsfeindlihen Bestrebungen der Sozialdemokratie Vorschub zu leisten. Wir find der Ansicht, daß es angezeigt ift, den etwas weitgehenden Vorbehalt des bürgerlihen Gesetzes hinsichilih des Einspruhrechts der Behörden auf geseglihem Wege in angemessener Weife zu ordnen. Wir möchten auf dem wichtigen Se- biete der Besserung der wirtschaftlihen Lage nicht alles dem Belieben der Behörden überlassen, was mit Rücksicht auf die wechselnden Auf- fafsungen, die in den verschiedenen Bundesftaaten zur Geltung kommen, zu unerwünshten Konsequenzen führen muß. Mit dem Auss{luß der Landwirtschaft und der Seeschiffahrt sind wir einverstanden. Wenn wir au im einzelnen Bedenken haben, so können wir andererseits durd- aus nicht zugeben, daß hier, wie es die sozialdemokratische Presse bin- stellt, von einem Ausnahmegescße für die Arbeiterklasse die Rede ift. Wenn die Bundesstaaten das Neht zum Erlaß von Bestimmungen auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrehts bisher nit hatten, dann haben fie es durh die LEUNE der Vorlage gan) gewiß niht erhalten. An den Bestimmungen über den Auss{luß der Minderjährigen möchten wir nicht rütteln lassen; jedensa würden wir uns dagegen ausspreWen, wenn in der Kommission der Versuch gemaht werden sollte, den Minderjährigen E Stimmreht zu gewähren. § 15, der ih auf die E und Ausfperrungen bezieht, wird ja in der Kommission eingeben Fesprohen werden. Wir hoffen, daß die verbündeten Regierungen sih in der Kommissionsberatung niht dazu werden drängen lanen einer wesentlihen Verschlechterung des Gesetzentwurfs zuzusmmBe und dadur die Stellung der Sozialdemokratie ideell und materie zu stärken. Mit diesem Vorbehalt werden wir uns an den Ao missfiontberatungen beteiligen und wir hoffen und wünschen, daß einé Form gefunden wird, die es uns E macht, ihm zuzustimmen. a

Abg. Bassermann (nl.): Der Entwurf enthält sowohl pri! zipielle Fehler in einzelnen Bestimmungen, wie auch nach den 8 verständigen Ausführungen des Abg. Legien praktische Unmöglichkeiten-

Wir müssen im Auge behalten, daß es sich auch um Berufsvereine der Arbeiter handelt, die nit sozialdemokratisch organisiert sind. In den Reichstagsakten findet man wiederholt Anträze und Kommissionsberichte über dieses Thema. Bei der Beratung des Bürgerlichen Gefezbuchs hat man diese Materie ausgeschaltet, weil ih dabei eine ganze Reihe zfentlih-rechtliher Gesichtspunkte geltend mahen, und weil man das Zustandekommen des B. G.-B. nicht durch Aufnahme dieser Materie gefährden wollte, die damals faum so \pruchreif war wie heute. Bei der an das B. G.-B. angeshlossenen Resolution wegen Regelung dieser Materie hat aber der Abg. von Bennigsen den Standpunkt unferer Fraktion geltend gemacht, daß eine Regelung der Rechtsverhältnisse der Berufsvereine in absehbarer Zeit durh ein Spezialgeseßp erfolgen müsse. ch habe s\o- dann wiederholt namens meéiner raftion daran erinnert. Der Widerstand gegen die Regelung der Materie war zeitweise sehr stark, namentlich feitens des Freiherrn von Stumm, der von der Regelung der Rechtsverhältnisse der Berufsvereine oder, wie er sie nannte, Streikvereine nur eine Verstärkung der Kraft der sozial- demokratishen Agitation erwartete. Die Organisation der Berufs- vereine hat aber immer weiter vollzogen, au ohne daß cin solches esey besteht. Die Kämpfe des maar nig Lebens haben immer mehr die Berufsgenossen gezwungen, ih ¡u fkoalieren; folche wirtshaftlihen Kampforganisationen gibt es hüben und drüben, bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und wir werden auf diesem Gebiete auch immer weiter kommen, zu Arbeitskammern usw. Wenn man jeßt an die gewerblihen Berufs- pereiné denkt, so holt man damit wesentlich eine Versäumnis nah. Allerdings bestehen viele Bedenken gegen den Entwurf, und viele Be- stimmungen lassen fih in ihren leßten Konsequenzen noch nicht Über- sehen. Der Abg. Trimborn hat recht, man sieht es der Vorlage an, daß sie geboren ift, nahdem das Reichsamt des Innern einen heftigen Miderstand von interessierter Seite an kompetenter Stelle hat über- winden müffen. Das Reichsamt des Innern selbs wäre \icherlih gern weiter gegangen. Namentlih hat man den Eindruck, daß man zewillt war, das sacrosancte Landesvereinstecht zu s{honen. Man inn daber in der Tat fragen, we8halb es eigentlih so Tange gedauert hat, bis dieser Entwurf kam. Nicht sehr erfreulich ist die Hand- habung der deutshen Sprache in dem Entwurf, höch\s einfahe Ge- danken find durch \chwierige Saßkonstruktionen verdunkelt, und die Kommission wird saure Arbeit damit haben. Z. B. heißt es in § 12: „Ein Anspruch des Vereins gegen seine Mitglieder findet nur in An- sehung der von diesen zu leiftenden ordentlihen Beiträge statt“. Ferner heißt es im § 15, daß einem Vereine die Rehtsfähigkeit ent- ¡ogen werden könne, „wenn er einen Zweck verfolgt oder Mittel des Vereins für einen Zweck verwendet, der der Saßzung fremd ift und, falls er in der Saßung enthalten wäre, die Verwaltungsbehörde zum Einspruche gegen die Eintragung des Vereins berehtigt haben würde, oder wenn in seinen Verhältnissen eine Veränderung eintritt, die, falls sie vor der Eintragung bereits vorhanden gewesen wäre, die Verwaltungsbehörde ¡um Einspruche gzgen die Eintragung des Vereins berechtigt haben würde.“ Ebenso ist die Lektüre der Vèotive zum Teil recht qualvoll. Das Ver- ftändnis dieses an und für \sich {weren Geseges wird durch derartige s{werfällige Bestimmungen namentli für die, die nicht im Gewerk- \haftsleben stehen, wesentlih erschwert. Die Motive enthalten Aus- führungen, die offenbar seit Monaten {on gemacht sind, beispiels- weise beißt es in der Darstellung der englischen Bestimmungen: „Im Hinblick auf die lebhaften Klagen der Gewerkvereine gegenüber der Stellungnahme der Rechtsprechung wurde im Juni 1903 eine Königliche Kommission niedergeseßt, um die ganze Materie zu untersuchen und darüber ¡u berihten. Der Bericht ist noch niht erstattet.“ Dieser Bericht ist aber bereits am 21. Februar 1906 veröffentliht. Es wäre viel interefsanter gewesen, wenn statt dieses Sagzes der Bericht in den Motiven abgedruckt wäre. Die Berufsvereine sollen sich mit Sozialpolitik nicht beschäftigen, aber es ist doch gerade die Haupt- aufgabe dieser Vereine, sich damit zu befassen. Auf der Höhe steht au folgender Satz der Motive bezüglih der Beteiligung der Frauen an“ den Versammlungen von Berufsvereinen: „Dagegen lag kein Grund vor, die Vergünstigungen bezüglich der Teilnahme an den Vereinsversammlungen auch auf solche volljährigen Frauen und Minderjährigen auszudehnen, die nicht Mitglieder des Berufs- vereins sind, und damit einen Weg zu schaffen, auf den unter Be- nußung der Berufsyereine die betreffenden landesrechtlihen Be- shränkungen allgemein wirkungslos gemaht werden könnten. Nur soweit es sich um rein esell chaftliche Veranstaltungen (niht auch wissenschaftliche, literarische oder ähnlihe Veranstaltungen, wie Lese- und Diekutierabende) handelt, ist es ohne Bedenken, die Vergünstigung mit einer für Tanzlustbarkeiten nôtigen Einschränkung all- gemein auf Männer und Frauen über 16 Jahre zu er- \treckden.* Wenn die Frauen im gewerblihen Berufsleben gleih- stehen, _darf man solche Unterscheidung unter ihnen nicht maten. (Schluß des Blattes.)

Bei der Ersaßwahl eines Mitgliedes des Hauses der Abgeordneten, die gestern in dem Stadt- und Land- freise Stolp, den Kreisen Bütow und Lauenburg im Megierungsbezirf Köslin stattgefunden hat, wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, nad amtlicher Feststellung Geheimer Regierungsrat von Schmeling - Berlin (kons.) mit sämtlihen 405 abge- gebenen Stimmen gewählt.

Technik,

A. P. Am zweiten Tage der 8. Jahresversammlung der Sciffsbautehnishen Gesellshaft“ spra zuerst der Dr. Ing. Meblis - Charlottenburg über „Dampfüberhißzung und dre Verwendung im Schiffsbetriebe“. Auh hier liegt ein {nischer Fortschritt vor, der in seiner Anwendung auf stehende Dampf- maschinen und Lokomotiven seit lärgerer Zeit deiidert ist, in dem Brade ¿. B, daß die preußishe Eisenbahnverwaltung 250 mit Wilh. Ymidtshem Ueberhitzer ausgerüstete Lokomotiven bereits im Betriebe at und weitere 500 damit versehene vertrag2mäßig in Kürze in Be- led kommen follen —, der jedoch erst geringe Anwendung für den Hiffsbetrieb findet. Die Dampfüberhizung besteht darin, daß man en Wafserdampf, bei seinem Ausêtritt aus dem Kessel und vor seiner ‘nußung zum Dampfmaschinenbetriebe, _noch durch ein von außen n den Kefselheizgasen umspieltes Rohrsystem chickt und hierdurch tiler erhigt. Dadurch wird erreicht, daß der aus einem Gemish von Unp\ und Wasserblasen bestehende Dampf, wie er dem Kessel ent- îmt, getrocknet und weiter erwärmt wird, und es liegt auf der ‘and, daß er in der neuen ihm gegebznen Beschaffenheit erheblich ‘rfsamer ist, als in der früheren, und daß fomit beträchtliche Er- „ns an Dampf und mittelbar auch an Kohlen erzielt erden muß. Daß der Schiffsbetrieb den unzweifelhaft gegebenen ortshritt bis heute, außer bei Flußdampfern, ih noch nicht „eigen gemacht hat, ist dadurch begründet, daß man bei allen nstrufktionen für Schiffe Sorge tragen muß, sowohl Gewicht : Raum der Dampfmaschinen- und Kefselanlagen möglichst nit zu Jroyern. Die bisherigen für andere Zwecke trefflihen Ausführungs- wen des Ueberhigers Kngén indeffen erst an, diesen Erfordernissen Eoührend Rechrung zu tragen. Außer den oben angegebenen ndernissen einer {nellen Einführung im Schiffsbetrieb lagen

, andere, gerade für dies Gebiet hervorragend wihtige Bedenken E Bei den hocgespannten Däâmpfen, mit denen der Schiffsbetrieb eret, kommen natürli auch die überhißten Dämpfe und die von 0 7 etroffenen Maschinenteile auf Temperaturen von 300 bis „P, bei denen aus organishen Stoffen bestehende Schmieröle L ietlegen und die Fähigkeit, die Reibungsflächen \{lüpfrig zu er- én, verlieren. Es mußten daher, wie es mit Erfolg geschehen ist, eft, Schmiermaterialien, in Gestalt dickflüssiger Mineralöle, estellt werden. Zumandern waren an den mit überhißtem Dampf Fecenden Dampfmaschinen die Schieber dur Ventile zu erseßen,

ël ersteren die Gefahr eines Festbrennens der Reibungsflächen

fast unüberwindlich hien. Diesen Erfordernissen ist nun aber gleih- falls genügt und deshalb vorauszusehen daß bei den einleuhtenden allgemeinen Vorteilen des Dampfüberhigers, denen sich noch mehrere besondere, z. B. das Sriparen einer Mantelbeizung für den Zylinder, womit auch Raum und Gewicht gespart werden, beigesellen, der Farr- \hritt von der Verwendung des bisbecigent Nafßdawnpfes zum trockenen Deißdampf au für den Schiffsbetrieb nur eine rage der Zeit ift. Es folgte ein dur zahlreihe Lichtbilder begleiteter Vortrag des ti T Walter Laas - Charlottenburg über , Entwicklung und ukunft der großen Segelschiffe“. Es ist ein ziemli trübes Bild des Rüdgangs, genauer des unterbliebenen Fortschritts, das der Vortragende, die _Entwicklung der leßten 50 Jahre zeichnend, von der Segelshiffahrt entwarf, aber ein in keiner Weise boffnungs[oses. _Nachdem es Mitte der 50er und der 90er Jahre den Anschein hatte, als nehme das Segelshiff den Kampf mit dem Dampfer erfolgreich auf, hat es sich do gezeigt, daß in beiden Fällen übertriebene Hoffnungen auf unleugbare Verbesserungen im Schiffsbetriebe geseßt worden waren, und daß diese Verbesserungen einfahere Takelung, maschinelle Hilfsmittel zur Bedienung der Segel, bierdurch erwirkte Ersparnis an der Bedienungs- mannschaft, bis zur Hälfte der früher nötigen, Zunahme der Größe der iffe und bierdurch berbeigeführte Verminderung der Betriebs- kosten für die Tonnenmeile allein niht hinreihen, die Segelshif- fahrt e N zu erhalten. Und dennoch liegt es L der Hand, daß die fostenlose Krafi des Windes, verglihen mit der immer e grenger werdenden, von der Kohle gelieferten Damvfkraft, der Segelschiffahrt „folhe Vorteile an die Hand gibt, daß ihr bei planmäßiger, wohlüberlegter Anpaf}ung an die Forderungen des Vers fehrs gelingen muß, si neben dem Dampfschiffbetrieb zu behaupten. Zur Zeit leidet die gesamte Segelshiffahrt der Welt noch unter den verderblihen Folgen einer ScsepELans, zu der sih Frankrei bebufs Belebung seiner heimischen Segelschiffahrt im Jahre 1893 entschlofsen hatte. Das Gesez gewährte hohe Bau- und Fahrtyrämien und zeitigte allerdings, wie vorauszusehen, eine Vermehrung der französishen E binnen 10 Jahren um das Doppelte; zuglei aber war das Gese von beinahe tôdliher Wirkung auf den englischen, amerikanischen und deutschen Segelschiffbau, und was noch schlimmer war, es ergab fich ein so starker Druck auf die Segelfrahtsäße dur die hohen, den französishen Schiffen bezahlten Fahrtprämien, daß jeder neue Auf- s{wung der Segelschiffahrt außerhalb Frankreihs niedergehalten wurde. Das verhängnisvole Gesetz ist im Januar 1903 aufgehoben worden, weil die Prämien zu einer die Staatslenker ershreckenden Höhe anwuchsen, aber die Fahrtprämien bestehen Tur die 1903 vorhanden gewesenen Segelschiffe noch bis 1912. Grst von da ab dürfte sich wieder eine Neuentwicklung der Segelschiffahrt als mögli ergeben, und es gilt, sie weitshauenden Blickes vorzubereiten. Um den Segel\cifen zu einem gesunden Bestehen neben den Frachtdampfern zu verhelfen, müssen sich, nah Ansicht des Vortragenden, Reeder, Kapitäne und Schiffbauer vereinigen : erstere dur internationale Vereinigung zur Vertretung gemeinsamer Interessen; die Kapitäne, indem sie immer mehr die Wissenschaft der Wetterkunde zur Gewinnung günstigster Segelwege und Abkürzung der Reisedauer benußen. Den Schiffbauern aber fällt die Hauptaufgabe zu, die der Vortragende, wie folgt, präzisiert: Verminderung des Gewichts der Takelung dur geshweißte Maste und Raaen, vermehrte maschi- nelle Hilfsmittel zur Bedienung der Segel und vor allem Einbau von Polmotan in die großen Segelschiffe. Als solche Motore faßt der ortragende nicht Dampfmaschinen, sondern Petroleummotore ins Auge, wie sie ja hon in Größen einiger bundert Pferdestärken im verhältnismäßig geringen Gewicht gebaut worden sind. Diese Einrich- tung wird den Segelschiffen die Möglichkeit geben, ohne Stlepperhilfe und ohne wesentlihen Zeitverlust, wie es die Damvfer tun, zu Beginn und Ende ihrer Fahrt verschiedene Häfen zur Frahtenaufnahme anzu- laufen und, ftatt wie bisher fast durchweg in Ballast zurückzufahren, fih Frachten an verschiedenen Pläßen zusammenzuholen. Außerdem werden die Segelschiffe, mit solher Einrichtung zum zeitweiligen Be- triebe von 1 oder 2 Strauben versehen, die Regie der zeitraubenden Calmen bei der großen Ozeanfahrt leiht zu überwinden imstande fein. Das Risiko einer solhen Motoranklage is weder technif{ch noch faufmännisch erheblich, wie der Vortragende glaubt. Ein viel ge- wagteres Unternehmen war \. Z. der geglückte Üebergang zum großen Fünfmastshif. Man darf deshalb wohl erwarten, daß sich auch für den notwendigen Fortschritt, den Versu mit etner Motoranlage, eine unternehmende Reederei finden wird. __ Der Nachmittag gehörte aus\{chließlich einem Vortrage bon Pro- fessor A. Wagner - Danzig über „einen neuen Indikator für Zeitdiagramme“, ein technishes Meßgerät zur Untersuhung und automatischen Aufzeihnung der im Zylinder einer Kolbendampf- maschine sich abspielenden Vorgänge. Wichtige Angaben liefert das Instrument namentlich in Fällen, wo mit Aenderungen der Maschinens geschwindigkeit zusammenhängende Vorgänge erforscht werden sollen. Hiermit war die Tagung beendet, an die sich am Sonnabend noh ein gemeinsamer Ausflug nah Stettin zur Besichtigung der aus- gedehnten Werke des „Vulkan“ angeschlossen hat.

Land- und Forstwirtschaft,

Ergebnisse der Konferenz in Sachen der Wein-

geseßgebung.

Die von der Reichsverwaltung zur Beratung der withtigsten Tagesfragen auf dem Gebiete der Weingesezgebung berufene Sach- verständigenkonferenz, deren Zusammenseßung bereits bekannt gegeben worden ijt, hat vom 8. bis 10. d. M. im Kaiserlichen Gesundheits- amt getagt. Die Verhandlungen trugen, um eine rückhaltlose Aus- sprahe über die in manchen Punkten widerstreitenden Interessen zu ermöglihen, vertraulihen Charakter und führten, wenn auch Be- \chlüfse nah Lage der Sache nicht gefaßt werden konnten, in den Hauptpunkten zu folgenden Ergebnissen.

Der Vorschlag, die bestehende Sonder geseßgebung über Wein zu beseitigen und den Wein aus\{ließlich dem Nahrungs8- mittelgeseze zu unterstellen, fand keinen Anklang, dagegen wurden einzelne Ergänzungen des Geseßes vom 24. Mai 1901 als nötig be- ¡eihnet. Bezüglich der Kellerbehandlung wurde gewünscht, daß diejenigen Verfahren, welche gestattet sein sollen, im Gesetz oder in ergänzenden Bekanntmachungen des Bundesrats erschöpfend aufgezählt und alle nicht ausdrücklich zugelassenen Arten der Kellerbehandlung verboten würden. :

Die Mehrheit der Versammlung befürwortete ein Verbot des Verscnitts von Weißwein mit NRotwein und für den Fall, daß dies nicht angängig sein sollte, Einführung des Deklarations- ¿wanges für solhe Verschnitte. i

Ein Verbot der Zuckerung des Weines oder die Einführung des

E I DIE für gezuderte Weine wurde als zu weitgehend erahiet. …_ Ueber die Frage, ob eine räumlihe und zeitlihe Be- \chränkung des Zuckerwasserzusaßes sih empfehle, waren die Auffafsungen geteilt. Die Mehrheit \prach_ sich für solhe Ein- shränkungen aus, wenn au über das ¡uzulafsende Maß des Zucker- wasserzusaßzes und die Zeitgrenze für die Zuckerung die Meinungen augeinandergingen. Einer Meinung waren die Befürworter der räum- lihen Begrenzung darin, daß sie praktishen Erfolg nur bei enger Be- me}ung der Grenze haben werde.

Die Grenzzahlen für den Gehalt an Extrafktstoffen und Mineralbestandteilen wurden von der überwiegenden Mehrheit für unentbehrlich gehalten, solange nit ein brauchbarer Ersatz gefunden sei. Von einigen Seiten wurde jedoch eine Nachprüfung der Grenz- zahlen gewünscht. ;

, . Einhelligkeit bherrschte in der Versammlung darüber, daß eine einheitlihe, in allen Teilen des Reichs nah gleihen Grundsäßen zu handhabende Kellerkontrolle dur fahmännish gebildete Beamte anzustreben sei. Die überwiegende Mehrzahl _sprah sich für An- stellung von Kontrolleuren im Hauptamt und für Einräumung weit- gehender Befugnisse an diese Beamte aus, während eine Minderheit der im Ehrenamt ausgeübten Kontrolle den Vorzug gab. Ueber den

Wert der Vorschrift einer Lagerbuhführung waren die Meinungen

gent, doch würde die Mehrzahl darin eine wirksame Ergänzung und eatenswerte Erleichterung der Kontrolle sowie ein sehr brauhbares Mittel zur Bekämpfung der Weinfälshungen sehen, während die Gegner die Durchführbarkeit mindestens in großen Betrieben be- zweifelten.

Zur Einschränkung der mißbräuchlihen Verwendung der als Haustrunk oder für Brennzwecke hergestellten Weine aus Trestern und dergl. sowie der Obstweine wurden verschärfte Kontrollmaßregeln etwa au die Vorschrift der Kennzeihnung der be- treffenden Gebinde empfohlen, dagegen fand der Vorschlag, den Obst- weinhandel, namentlih den Vertrieb von Birnenwein, allgemein be- tenen Maßnahmen im Handelsverkehr zu unterstellen, keine

illigung.

Die Einführung einer Weinsteuer fand nur in Form einer Ab- gabe zur Deckung der Kontrollkosten oder in Form einer Besteuerung der Weinvermehrung vereinzelte Befürworter.

Strafvershärfungen für bestimmte Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Weingesezes wurden von verschiedenen

eiten für nöôtig gehalten.

Fast ohne Widerspruch beklagte man, daß fih bezüglich der Her- kunftsbenennung des Weines Mißstände dur eine zu weit- geyente Verwendung von örtlihen Bezeichnungen als Gattungsnamen

emerkbar gemacht bhâtten. Die Vertreter des Handels bezeihneten ¡war

die Verwendung solcher Gattung8namen im allgemeinen für unbedingt notwendig, doch war man sich fast widerspruchslos darin einig, daß Lage- namen, namentli in Verbindung mit der Bezeichnung des Jahrganges, als Herkunftsbezeihnungen im strengen Sinne angesehen werden ans auch spra man si überwiegend dahin aus, daß Weine, die unter der Bezeichnung eines bestimmten Weinbaugebiets in den Verkehr gebrahcht werden, z. B. unter dem Namen „Pfälzer- oder Moselwein“, diesem Weinbaugebiet entstammen müßten. Bei Verschnittwein bätte die Hauptmenge zu entsheiden. Es wurde hierbei erörtert, daß die Bestimmungen des Gesetzes zum Gihnye der Warenbezeihnungen hon jeßt eine Handhabe bieten, um Mißbräuchen entgegenzutreten.

Der Wunsch der Vertreter des Obstweinhandels, daß Obfst- und Beerenweine in Zukunft unter Verzicht auf die einschlägigen Be- stimmungen des Weingesetes nur dem Nahrungsmittelgeset unterstellt werden möchten, begegnete dem Widerspruch von mehreren Seiten. Es wird nunmehr von den zuständigen Stellen zu prüfen sein, inwieweit das Ergebnis der Verhandlungen eine ausreichende Unter- lage für die wirksamere Gestaltung des Vollzugs oder für die Ver- befserung des Weingesetzes bietet.

Verkehrs8anftalten.

Laut Telegramm aus Herbesthal ift die heute nahmittag in Berlin fällige Post aus Frankrei infolge von Zugberspätung ausgeblieben.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause findet morgen (Totensonntag) eine Aufführung von „Orpheus und Eurydike“ statt. Die Damen bkt Destinn, Dietrich sind Trägerinnen der Hauptrollen. (Grazien und Nymvhen: die Damen Kierschner, Lucia, ÜUrbanska u. A.) Am Montag wird „Der fliegende Holländer“ gegeben.

Im KöniglihenSchauspielhaufe geht morgen Shakesveares „Othello“ mit den Herren Matkowsky, Pohl, Boettcher und den Damen Willig und Buge in den Hauptrollen in Szene. Am Montag wird Oskar Blumenthals Lustspiel „Das Glashaus“, am Dienstag „Klein Dorrit“ von Franz von Schönthan wiederholt.

Im Neuen Königlihen Operntheater wird morgen, Sonntag, „Nathan der Weise“ in folgender Beseßung aufgeführt: Nathan: Herr Molenar; Recha: Fräulein Wahner : Tempelherr : N Staegemann ; Saladin: Herr Nesper; Sittah: Fräulein Lindner;

erwish: Herr Eggeling; Daja: Frau Schramm.

Im Deutschen Theater geht morçen, sowie am Dienstag, Donnerstag, Freitag und nähften Sonntag Shakespeares „Winters märhen“, und zwar am Freitag zum 50. Male, in Szene. Mittwoh wird in Abänderung des bereits veröffentlihten Spielplans Wedekinds eGrdgeist* aufgeführt. Der Dichter wird den Prolog des Stütes sprehen. Montag und Sonnabend wird „Der Kaufmann von Venedig“ gespielt. In den Kammersvielen des Deutschen Theaters wird, nachdem nunmehr die erften Vorstellungen von Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen®* für die Abonnenten stattgefunden haben, in der Folge diese Kindertragödie ebenso wie Ibsens „Gespenster“ dem Publikum durch ösffentlihe Auf- führungen zugänglih gemacht. Der Vorverkauf für „Frühlings Erwachen“ und „Gespenster“ findet an der Kasse des Deutschen Theaters statt, an der Einzelbillette für beide Vorstellungen erhältlich sind. Der Spielplan lautet: Sonntag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und nähsten Sonntag: „Frühlings Erwatdhen“; Montag, Mittwoch, Sonnabend: „Gespenster*. Die Vorstellungen beginnen um 8 U i

Das Lessingtheater hat für nähste Woche folgenden Spiel-

plan aufgestellt : morgen abend und Donnerêtag: „Hedda Gabler“ ; Montag, Mittwoch und Freitag: „Das Blumenboot“ : Dienstag : „Die Wildente". Am Sonnabend geht Ludwig Fuldas neue roman- tische Komödie „Der heimlihe König“ zum ersten Male in Szene und wird am näthstfolgenden Sonntagabend wiederholt. Nächsten Sonntagnahmittag wird „Rosenmontag“ aufgeführt. _ Im Sqhillertheater 0. (Wallnertheater) wird morgen abend sowie am Donnerstag und Sonnabend „Fie2co* gegeben; Montag, Dienstag und nächsten Sonntagabend geht „Der Hothtourist“ in Szene. Mittwoch wird „Das Lumpengesindel“, Freitag und nächsten Sonntagnahmittag „Die Hoffnung auf Segen“ aufgeführt.

Das Schiller theater N. (Friedrih-Wilbhelmstädtisches Theater) bringt morgen abend „Kabale und Liebe“, Montag „Donna Diana“, Dienstag „Die rote Robe“. Mittwoch wird „Frau Inger von Destrot“, Donnerstag und Sonnabend „Der Hothtourist“ gegeben. Freitag findet die erste Aufführung von „Mathias Gollinger* statt. Nächsten Sonntagnachmittag geht „Weh dem, der lügt!“, Abends „Mathias Gollinger“ in Szene. Im Bürgersaale des Rat- hauses wird morgen ein „Ludwig Ubland-Abend* veranstaltet.

Im Theater des Westens wird Richard Koennecke morgen als Werner Kirchhofer im „Trompeter von Säckingen" sein Gastspiel beschließen. Montag wird „Das Glöckhen des Gremiten“, Dienstag „Die Fledermaus“, mit Fcig Werner als Gaft, (Sutsheine Dienstag ungültig), Mittwoch „Martha“ aufs geführt. Am Donnerstag findet die Erstaufführung der Operette „Der Schmetterling®“ von Karl Weinberger, mit Friy Werner als Gast, statt. Diese Operette wird am Freitäg, Sonnabend und nächsten Sonntag wiederholt. Am nächsten Sonntag findet auch eine Matinee von Irene Sanden (Tanzphantasien), Nachmittags 3 Ubr, bei! halben Preisen, eine Aufführung von „Undine“ statt. Als nähste Scbüler- vorstellung wird am Sonnabendnahmittag „Der Waffershmied* in Sijene gehen.

Für die Komische Oper wurde eine junge Amerikanerin, Fräulein Etta Hager, als jugendlih dramatishe Sängerin für die nächsten Jahre verpflichtet. s

Im Neuen Theater erweist sch{ die Anziehungskraft der „Condotiieri* als so andauernd, doß die Erstaufführung von Mischs Stück „Kinder“ im Einverständnis mit dem Verfasser bis zu Weih- naten verschoben wurde. „Die Condottieri“ werden bis auf weiteres täglih aufgeführt.

Im Lustspiel haus findet am morgigen Totensonntag eine ein- malige Aufführung von Clara Viebigs einaktigem Drama „Die Bâäuerin“ und der Gustav Wiedshen Komödie «Abrechnung* statt. Im Drama „Die Bäuerin" tritt Frau Rosa Bertens seit längerer Zeit wieder zum ersten Male in Berlin auf. An allen anderen Abenden nächster Woche wird Kadelburgs und Skowronneks Lustspiel „Husaren- fieber“ aufgeführt. Mittwoch und Sonnabend wird das Kindermärchen „Gänseliefel* Nachmittags wiederholt, während am näthsten Sonntag va Lustspiel „Die von Hochsattel* als Nachmittagsvorstellung ge- geben wird.