1907 / 9 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Jan 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Justizministerium.

Der Rechtsanwalt Viktor Neumann in Breslau ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerihts Breslau, mit Anweisung seines Amtssißzes in Breslau,

der Rechtsanwalt Exner in Tost zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerihts Breslau, mit Anweisung seines Amtssißes in Tost, und ;

der Rechtsanwalt Rumann in Alfeld zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerihts Celle, mit Anweisung seines Amts\sißes in Alfeld, ernannt worden.

Ministerium für Landwirtschaft. Domänen und Forsten.

Der Titel Hegemeister is folgenden Förstern im Re- gierungsbezirk Magdéburg verliehen worden: Angern in Diesdor}, Oberförsterei Diesdorf, Backs in Lödderiß, Oberförsterei Lödderig, Ea s in Pansau, Oberförsterei Klöße, hie in Dambachshaus, Oberförsterei Thale.

Nichfamlliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 11. Januar.

In der am 10. d. M. unter dem Vorsiß des Staats- ministers, Staatssekretärs des YFnnern Dr. Grafen von Posadowsky-Wehner abgehaltenen Plenarsißung des Bundesrats wurden die Vorlagen, betreffend Ab- änderung des Formulars zu Heimatscheinen und betreffend die

eststellung des Landeshaushaltsetats von Elsaß - Lothringen E das Rechnungszahr 1907, den zuständigen Ausschüssen über- wiesen. Zugestimmt wurde dem Ausschußbericht, betreffend Ergänzung der Ausführungsbestimmungen zum Reichsstempel- peirs: Außerdem wurde Uber eine Reihe von Eingaben Be-

chluß gefaßt.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der heimkehrende Transport der vom Kreuzergeshwader abge lósten Offiziere und Mannschaften mit dem R.-P.-D. „Bülow“ Léltteitn in Southampton eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nah Antwerpen fortgeseßt.

Der heimkehrende Transport der von S. M. S. „Planet“ abgelösten Besaßung ist mit dem N.-P.-D. „Barbarossa“ gestern in Adelaide (Südaustralien) eingetroffen und seßt morgen die Reise nah Freemantle (Westaustralien) fort.

S. M „Tiger“ is vorgestern in Hongkong ein- geren.

. M. S. „Luchs“ is vorgestern von Hongkong nah Amoy in See gegangen.

Posen, 11. Januar. Bei den Mtern beendeten Stadt- verordnetenwahlen wurden, „W. T. B.“ zufolge“, im

Deutsche und 7 Polen gewählt. Somit gewinnen Gew (4 Sihe gegen den Bestand der aufgelösten m

„einversammlung.

Oesterreich-Ungarn.

In der gestrigen e ot des österreihishen Ab“ geordnetenhauses brachte der Landesverteidigungsminister einen Gesehentwurf, betreffend die Versorgung der Militär- witwen und Waisen, ein. Darauf verhandelte das Haus über den Dringlichkeitsantrag, betreffend den numerus clausus.

Die Mehrzahl der Nedner trat, nah dem Bericht des ,W. T. B.*“, für eine Demokratisierung des Herrenhauses ein, damit niht der Ruf nach Aufhebung des Herrenhauses immer lauter werde. Einige Redner hielten ès nit für unbedenklich, die Stellung des Herren- hauses zu befestigen, erklärten jedo, für den numerus clausus stimmen zu wollen, um die Wahlreform nicht zu vereiteln. Im weiteren Verlaufe der Debatte sprachen sich mehrere Redner für eine einshneidende Reform oder für Abschaffung des Herren- hauses aus. Der Abg. Kramar trat für die Vorlage cin und ver- langte eine größere Berücksichtigung der Vertretung des ts{hechis{chen Volkes bei den Berufungen ins Herrenhaus. Der Ministerpräsident

reiherr von Beck sprach die Ueberzeugung aus, daß zuküpftig eiden Häusern eine bestimmte, klar umschriebene politische unktion zugewiesen und hiermit arch deren politishes An- ehen wesentlich erhöht werden würde, sodaß fie sch mehr als bisher im Einklange mit den Grundlagen des Konsti- tutionalismus befinden würden. Die bisherigen Grundsäße für die Berufung von Männern ins Herrenhaus, die sch auf den ver- shiedensten Gebieten des öffentlihen Wirkens verdient gemacht hätten, würden auch künftig festgehalten werden unter entsprehender Nück- sihtnahme auf die Länder. \

Das Haus nahm darauf das Geseh, betreffend den numerus clausus des Herrenhauses, endgültig an und begann sodann die dringlihe Beratung des Gesehes zum Schuße der N Ne YEN, die bis zum Eingehen in die Spezialdebatte gedich.

Im ungarischen Abgeordnetenhause brachte die Regierung gestern die Rekrutenvorlage für das Jahr 1907 ein, in der, obiger Quelle zufolge, dasselbe Rekrutenkontingent wie im Vorjahre gefordert wird. Hinzu- gefügt ist jedoh, daß dem Hause demnächst eine Vorlage, be- treffend das Rekrutenkontingent für 1908, unterbreitet werden

würde. Frankreich.

In dem gestern abgehaltenen Ministerrat teilte der Minister für öffentliche Arbeiten Barthou, „W. T. B.“ zu- folge, mit, daß die verstärkte parlamentarishe Kommission in der nächsten Woche den Entwurf des Reglements, be- treffend den Betrieb der drahtlosen Telegraphie, fertigstellen werde. Der Justizminister Guyot-Dessaigne teilte mit, er werde gegen den Gerichtspräsidenten Lambert in Troyes, der in der Begründung eines Gerichtsurteils den Saß: „Jn Erwägung, daß der Staat sich alle Güter der katholishen Geistlichkeit angeeignet hat“ gebrauht habe, das Perfahren vor dem Kassationshofe einleiten.

Der Senat wählte gestern Antonin Dubost mit 221 von 235 OMyOenen Stimmen zum Präsidenten und die Senatoren Guérin, Lourties, Leydet und Monis zu Vizepräsidenten.

Die Deputiertenkammer wählte on mit 338 von 421 Stimmen wieder zum Präsidenten; desgleihen wurden die ausscheidenden Vizepräsidenten Bertrand, Rabier und Cruppi wieder- und an Stelle Caillaux' der Deputierte Etienne neugewählt.

Der in Bordeaux eingetroffene N der mit der Abgrenzung zwis

ranzösish-Congo betrauten ca nen d teilt, nah einer Meldung des „W. T. B.“, mit, daß die Abgrenzungsarbeiten 16 Monate in Anspruch enommen und infolge des ungesunden Klimas sowie der Fein seligkeiten der Eingeborenen unter besonders shwierigen Verhältnissen statt- genden haben. Die Kommission mußte sehr häufig von ihren

affen Gebrauch machen. In den Mitgliedern der deutschen und der französischen Abgrenzungskommission herrschten stets die besten Beziehungen.

Rußland.

Das Ministerium des Jnnern veröffentliht einen allge- meinen Bericht über die Maßnahmen zur Verpflegung der von der Hungersnot betroffenen Gebiete. Daraus geht, der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ ufolge, hervor, daß der Ausfall der von der Firma Lydwall für die Monate Oktober und November übernommenen Liefe- rung von 64 Millionen Pud Getreide auf den Gang der Operationen nur einen Geraen Einfluß ausgeübt hat. Behufs Umgehung der Vermittler knüpfte das Ministerium direkte Beziehungen mit den Getreidemärkten an, verschärfte die Kontrolle der Getreidekäufe und beseitigte die Erteilung von Vorschüssen. Diese encrgt en Maßnahmen brachten den be- sonders heimgesuchten Gebieten shnelle Hilfe. Das Ministerium icht zur Beteiligung an seiner Fürsorge für die Not- L andogebiete auch die Semstwos und die öffentliche Wohltätig- keit heran. Die Maßnahmen für die Notleidenden werden fort- laufend zur allgemeinen Kenntnis der Bevölkerung gebracht, außer- dem hat die Kanzlei des Ministeriums den Auftrag, Anfragen aus dem Publikum über den Gang der Verpflegungsoperationen jeder- eit bereitwillig zu beantworten. Jm Jahre 1906 verfügte das Ministerium des Jnnern für die Maßnahmen zur Ver- pflegung der Notleidenden ohne Anleihe über einen Kredit von 80 Millionen. Vom 14. Juli bis zum 28. Dezember wurden jedoch über eine Million mehr verausgabt. Die Deckung der Mehräusgabe wird à conto des Budgets für 1907 erfolgen. i Der gestern in Lodz verübte Mordanschlag auf den Gendarmeriehef Schadiko-An drejew (niht Patko, wie das „W. T. B.“ irrtümlih gemeldet hat) ist von zehn mit Revolvern bewaffneten Männern ausgeführt worden, die ihre Soalien gleichzeitig abfeuerten. Von drei Soldaten, die den Gendarmeriechef begleiteten, wurden zwei schwer und der dritte leiht verwundet. Zufällig vorübergehende Kosaken oes auf zwei Personen, die davoneilten und vermutlih zu en Mördern gehörten. Sie wurden getroffen und \{chwer- verwundet in ein Spital gebracht. / Das Kriegsgericht, das gestern in der Peter-Pauls- Festung zusammentrat, verurteilte, „W. T. B.“ zufolge; den örder des Generals Pawlow, der sih weigerte, seinen Namen und Stand zu nennen, zum Tode durch den Strang.

Spanien. Der Ministerrat- beschäftigte si

auptmann Cotten, en Kamerun und Kommission,

gestern mit der

internationalen Lage und insbesondere mit den An-

arokko, über die der Minister Perez Caballero berichtete. Wie das „W. T. B.“ meldet, hat der Minister die Mit- teilung erhalten, daß der Vertreter des Sultans in Tanger eine Note an das diplomatische Korps gerichtet hat, in der dieses aufgefordert wird, den Europäern das Ueberschreiten des Weichbildes der Stadt Tanger zu verbieten, da nur hierdurch Unglücksfälle vermieden werden könnten, die Unvorsichtige lediglih sich selbst zuzu- schreiben haben würden.

gelegenheiten in des Auswärtigen

Afien.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Agra stattete der Emir von Afghanistan gestern vormittag dem Vize- kónig Earl of Minto seinen formellen Besuch ab. Der Vizekönig geleitete den Emir zu dem Silberthrone in der Audienzhalle, in der sich Lord Kitchener und viele andere hervor- ragende Persönlichkeiten eingefunden hatten. Am Nachmittag erwiderte der Vizekönig den Besuch des Emirs, der bei dem Empfang sagte, er betrachte seine Schhamiana (Prunkzelt) als vorüber- Geleit afghanisches Gebiet und heiße den Vizekönig aufs wärmste willkommen in seinem Reiche. Der Vizekönig sprach seine Freude darüber aus, daß ihn der Emir von Afghanistan auf diese Weise in seinem eigenen Lande begrüße, und dankte dem Emir für die Entsendung seiner Leibgarde als Eskorte.

Parlamentarische Nachrichten.

Das Haus der Abgeordneten ehrte in der heutigen (2.) Sißung, welcher der Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten Dr. Studt, der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben, der Minister des Jnnern Dr. von Bethmann-Hollweg, der Minister für Handel und Gewerbe Delbrü, der Justizminister VU/ Veleler, der Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach und der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim beiwohnten, zunächst das Andenken der seit dem Schluß der vorigen Session verstorbenen Mitglieder Dr. Sattler (nl.), von Bandemer (kon\.), Mooren Beet: von Eynern (nl.) und Breuer (Zentr.) in der üblichen Weise und schritt dann zur Wahl der Präsidenten und der Schriftführer. S

Auf Vorschlag des Abg. Stengel Ea) wird der Abg. yon Kröcher (kons.) zum Präsidenten, der Abg. Dr. Porsch (Zentr.) Un Ersten und der Abg. Dr. Krause (nl.) zum Zweiten Vizepräfidenten durch Zuruf. wiedergewählt. Die

ewählten nehmen die Wahl mit Dank an.

e Schriftführern werden auf Vorshlag des Abg. Stengel die Abgg. von Boelberg (font oltschke (fon) Baensch-Schmidtlein (freikons.), Eichstaedt (freikons.), Jürgensen (nl.), Keruth (fr. Volksp.) von Hagen Gei und Graf Praschma (Zentr.) durch Zuruf wieder- gewählt. : j

Zu Quästoren ernennt der Präsident die Abg. Henn ing- Kalau (kons.) und Junghenn- Hanau (nl.). /

Damit is das Haus konstituiert, und der Präsident wird alsbald Seiner Majestät dem König die vorgeschriebene Anzeige davon machen.

Jn erster Beratung werden dann die allgemeine Reth- nung über den Staatshaushalt für 1903 und die Uebersicht von den Staatseinnahmen und A us- gaben für 1905 ohne Debatte der Rehnungskommission igs ie L: H ste B

ierauf tritt das Haus in die erste Beratung dee Gia R lab Is für 1907 ein. E

Abg. Freiherr von Erffa (kons.): Nachdem der Seniorenkonven

beshlossen hat, daß während der ersten Lesung des Etats feine olitishen ahlreden zum Fenster hinaus gehalten werden ollen, um die Möglichkeit zu gewinnen, die erste Lesung möglithst bald zu beenden, wollen wir uns eng an den Etat halten und sogar die Polenfrage nit behandeln, obwohl gerade hierzu ein besonderer Anlaß vorliegt. Wir hoffen und wünschen aber, daf; die übrigen Fraktionen unserm Beispiel folgen werden, sonst müssen wir allerdings darauf zurückkommen. Ferner möhte ih mitteilen, daß wir mit voller Absicht das Haus nicht mit Anträgen und Inter- pellationen überschwemmt haben, um den Anschein zu vermeiden, als wollten wir eine Wahlmache treiben. Auch uns sind aus weiten Wählerkreisen e zugegangen, so hinsihtlih der WVex- besserung des Warenhaussteuergeseßes. Wir haben uns aber in dieser Hinsiht Enthaltung gere Wenn der Finanzminister am S{h[uß setner Nede den Appell an das P gerihtet hat den Etat recht zeitig fertigzustellen, so wird dieser Wunsch ja auf allen Seiten des auses geteilt werden; aber so berechtigt dieser Wunsch ist, so nd die Verhältnisse doch öfters stärker als die Menschen, und wenn wir bedenken, daß wir einen frühen Ostertermin ha en, und daß der Sentorenkonvent beschlossen hat, daß wir uns bis nah den Stihwahlen vertagen, so wird doch sehr kurze Zeit übrig bleiben. Ih möchte aber wünschen, daß die Budgetkommission bereits in der nächsten Woche fast jeden Tag Sitzung abhält, um dem Plenum bei seinem Zusammentritt das nötige Material unter- breiten zu können. Leider fehlt es noch an manchen Nachweisungen für einzelne Spezialetats, beispielsweise für den der Landwirtschaft, Falls ich zum Vorsißenden der Kommission gewählt werden sollte, wäre ih nicht in der Lage, diesen Etat auf die Tagesordnung zu bringen. Die Etats für 1905, 1906 und 1907 stehen offenbar unter dem Zeichen der Vermehrung der Betriebsmittel der Cisenbahr. Diese Vermehrung der Betriebsmittel hat eine Summe von fas 4 Milliarde erfordert, E3 wäre ja sehr angenehm, wenn wir dieses {chöae Geld für allgemeine Zwecke verwenden könnten, aber das Bedürfnis der Betriebs- mittelvermehrung ist einmal da, und ih kann nicht verstehen, wie die „Freisinnize Zeitung“ hier von etner Thesaurierungsmethode spricht. Das war cin beliebtes Wort des verstorbenen Abg. Richter. Es steht im Repertoire der Herren; es wäre aber zu wünschen, da sie es wenigstens rihtig anwendeten, denn hier paßt es wirkli

nicht. Die Betriebsmittel müssen doch selbstve1ständlih da und zu der Zeit vermehrt werden, wo ein Bedürfnis dafür vorhanden ist. Wenn der preußische Staat die Privatbahnen verstaatliht bat, so hat er die Pflicht und Schuldigkeit, auch für die nötigen Betriebs- mittel zu sorgen. Er handelt. si hier doch um ein werbendes Kapital. Wenn die Betriebsmittel fehlen, so s\chimpfen doch darüber am meisten die freisinnigen, die linksliberalen Herren. Auch das Jahr 1906 steht unter dem Zeihen der Hochkonjunktur, Wenn das Inland die Mehrproduktion an Kohlen, Koks, Eifen usw. zum en Teil aufgenommen hat, so ist dies ein sehr erfreuliches Zeichen für die gewachsene Kauflraft der Bevölkerung, insbesondere der landwirtshaftlihen. Ich darf auf ein Zeugnis der Handelskammer zu Meodt hinweisen, die diese Auffassung bestätigt. (Der Redner verliest den Wortlaut von deren Ausführungen hierüber.) Wir haben hier auch die Rg des alten Wortes: „Hat der Bauer Geld, hat’s die ganze Welt!* Kein besserer Beweis für das glänzende Fiasko, das der Freihandel mit seiner sterilen Doktrin gemacht hat, könnte erbraht werden, Die Landwirtschaft soll man also mit den alten Klagen, auch mit dem Drängen auf Herabsetzung von Zollsäßen in Ruhe lasen. m Namen meiner Freunde sprehe ich heute und von diefer telle aus Herrn von Podbielski den Dank der FPOETIME ür seine vorzüglihe Vertretung der Landwirtschaft aus. r nach dem Sah gehandelt, daß der Landwirts t den Os politishen und den E E Schuß zu erhalten, eine staatsmännishe Pflicht ist. Auch dem Jahre 1907 bat der inanzminister ein sehr günstiges Prognostikon gestellt; auch dieses ahr werde unter dem Zeihen der Hochkonjunktur stehen. Ih möchte doch eine gewisse Besorgnis nit als ganz grundlos abweisen: daß vielleicht noch in diesem Jahr der Gipfel der Hohkonjunktur überschritten werden wird. Unser ganzes wirtshaftlihes Leben bewegt sich ja in Wellenbewegungen. Immerhin konnten . wir er- warten, daß auch der Etat für 1907 ohne Defizit abshließt. Wenn der Finanzminister zum Vergleich das Jahr 1807 mit seinen 81 Millionen Staatsausgaben heranzog, fo hat dieser Verglei do lediglih eine historische Sang) wirklihe Anhaltspunkte für die Vergleihung bieten das Jahr 1883, in dem die erste, und das Jahr 1897, in dem die zweite M lliarde überschritten worden ist. 1885, als ich zum ersten Male in das Haus eintrat, betrug der Etat erst 14 Milliarde und {loß mit einer größeren Anleihe ab. Im Etat für 1907 spielen die Betriebsmittel eine außerordentlihe Rolle entsprehend der fkolossalen Stkeigerun der wirtshaftli*ßen Bedürfnisse. Daher fließen troß der A eSranalnes der Etsenbahnen von 204 Millionen nur 4 Millionen von diesem Uebershuß für allgemeine Staats- zwecke in die Staatskasse. Das ist doch der beste Beweis für das Sprunghafte in unseren Etats, auch ein recht unerfreulicher Beweis für unsere immer wiederholte Behauptung, daß wir beim Eifenbahnetat dle unangenehme Erscheinung haben, daß immer steigende Ausgaben auf \{chwankende Einnahmen begründet werden. Ob es unter diesen Umständen möglich und nüßlich ist, 10 583 neue Beamte etatsmäßig anzustellen, is fraglih; es können große wirt- \haftlihe Nücckschläge kommen, nach denen die Eisenbahn niht mehr dieser ungeheuren Betriebsmittelvermehrung bedarf, und deshalb frazt es sich, ob cs nicht besser ist, eire erheblide Anzahl von diesen Beamten nur diätarisch zu beschäftigen. Diese Frage muß beim Eisenbahnetat besonders geprüft werden. Oie Einkommensteuer ergibt ein Plus von 11 Millionen. Wir haben \{chon im vorigen Jahre gesagt, daß die einzige wirklih große Einnahmequelle, die wir im preußisch2n Staate haben, die die Laslen der Staatsbedürfnisse tragen muß, eigentliß nur die Einkommensteuer i. Die Fürsorge für die Beamten ist in diesem Etat in ziemlich hohem Grade dur Gehaltserhöhunçen geübt. Für die Gewährung von Dienstkleidern, die Echöhung der Deortiipe entsprehend den Militärpensions- geseßen um 33 9/0, die Grhöhung der Witwengelder, die Verbesserung der Bezüge der Hinterbliebenen usw. is ein Gesamtaufroand von 23 Millionen vorgesehen. Wir sind mit dieser Autgabe, obwohl sie sehr groß ist, einverstanden. Die Aufbesserungen entsprechen vielfah den Wünschen, die wir {hon früher geäußert haben, ¿. B. die Echöhung des Dur(hschnittögehalts der Schuß"keute und Gentarnmen um 250 A und desjenigen der Wachtmeister um 300 In den Erläuterungen zum Etat habe ih aber die Bemexkung gefunden, daß diese Gehaltserhöhungen teilweise unter Zurückziehung von Stellenzulagen gewährt werden follen. Wir werden dies in der Kommissiön baloubas zu prüfen haben; denn ich fann mir nit denken, daß der Finanzminister mit der einen Hand nehmen will, was er mit der anderen gibt. Die Gehaltserhöhungen sollen zumeist den Beamten des sogenannten Außendienstes zu- fallen, Diese Unterscheidung wird den Beamten des Innendienstes niht gefallen, denn angefihts der nicht unbedeutenden Steigerun der Kosten aller Lebensbedürfnisse werden sie sagen: für uns fin alle diese gerade so teuer wie für ‘die Beamten des Außendienstes. Die am geringsten besoldeten Beamten werden auf den Etat für 1908 vertröstet und fs d einstweilen nur einmalige Unterstüßungen be- kommen; es wäre besser gewesen, auch diese Beamten {hon im nächsten Etat zu berücksihtigen. Mir graut \{chon vor der Fülle der Petitionen, die an uns kommen werden. Bet den Domänen ergibt fich nur ein Mehrbetrag aus den Verpachtungen in Höhe von 45 000 4 Sechs Domänen find verkauft. J

erkundigen, ob bet diesen Verkäufen die Fideikommißbedingung vorgesehen

ausrei vorhanden sein. i ganz besonders.

s 15 000 E

werde mih in der Kommission dana?

nit dafür, daß in meiner sächsischeu Heimat die ift. cas Be L bin, damit dafür im Osten neue gekauft werden R Wir wollèn vielmehr unsere {chönen Domänen als Pioniere k t ndwirtschaftlichen Betriebs erhalten. Im Bergweiksetat sind des 000 A als Entschädigung für Pagbbesiper in Staßfurt, die

P: den Bodensenkungen gelitten haben, vorgesehen. Das ist sebr

t. Hier zeigt der Fiskus, daß er auch einmal wai e S bezahlt hier, was er nicht zu Etat des Ministeriums des Innern billigen wir

nobel vom {ändig sein kann, D ten hat. Im

] be von 4,3 Millionen für die Vermehrung der Schußleute. E A Va Wunsch geäußert worden of die Landwirtschaft recht bald imstande sein möchte, den ganzen Fleis ko

t n gange : nan oln ge , Wir sind dazu wohl in der Lage, und wir wollen nicht, D E Enaland; bie Frage erwägen, ob man Magazine bauen soll, um im Falle eines Krieges den Bedarf decken zu können. Aber für die

hende Fleishproduktion muß Stetigkeit der Vorbedingungen Unter der Hochkonjunktur leidet die Landwirtschaft Von dem außerordentlich gestiegenen Arbeitermangel ann sih niemand eine An machen, der niht auf dem Lande lebt. Daß in gewissen Gegenden der Ruf nah Kulis erschollen ist, ist fein Wiß gewesen, sondern der Notschrei, den die betreffenden Landwirte

aus\toßen mußten. Die Unterstüßung von 20000 Æ für das länd-

tbildungss{ulwesen ist gegenüber derjenigen von 800 000 4 e o E che Fortbildungsshulwesen ein sehr geringer Staats- beitrag. Nahdem wir im vorigen Jahre die Notwendigkeit eines Neubaues für das Landwirtschaftsministerium prinzipiell bejaht haben, müssen wir es uns jet überlegen, ob das Palais der Frau

| Prinzessin Friedrih Karl, das nach dem Etat für 3 Millionen ange- - a

uft werden soll, für dieses Ministerium zu verwenden ist. Im Rultusetat werden 14 neue Seminare und Präparandenanstalten und

| tärkung des Fonds für Beihilfen an Elementarschulen in Höhe a Zte Millionen gefordert. Das ift sehr erfreulich; es wäre aber

angebraht, mit dem Inkrafttreten des Schuldotationtgeseßes gleich- ¡eitig ein neues Lehrerbesoldungsgeseß in Kraft treten zu lassen, wie dies im vorigen Jahre in einer Resolution gefordert worden ift. Die interessanten Zahlen, die der Finanzminister in seiner Etatsrede aus der Einkommensteuer- und aus der Sparkassenstatistik über das Anwachsen der kleinen Vermögen und der Einkommen gegeben hat, bilden eine wertvolle Bestätigung und Ergänzung der Ergebnisse der bis- herigen Steuercinshäßung. Das neue Einkommensteuergeseß verpflichtet die Arbeitgeber, der Einshäßungskommission ihre Lohnlisten vor- zulegen. Dabei hat sih herausgestellt, daß hoch gelohnte Arbeiter, die bisher überhaupt keine Steuer gezahlt haben, Einkommen von 1600 bis 2000 / haben. Eine große Anzahl von Arbeitern steht ih materiell weit besser als ganze Klassen von unteren Beamten und fleinen Gewerbetreibenden. Damit richtet sich das soztaldemokratische Geshwäh von der Verelendung der Massen von selbst. Unsere Sozial- olitik hat uns noch kein anderer Staat . der Welt nahgemacht, und bie Belastung dafür trifft fast aussließlich die Arbeitgeber. Wir wollen nes des Hohnes, den die Sozialdemokratie immer wieder auf das „bißchen Sozialpolitik“ ausgießt, auch in Zukunft in unserer Fürsorge für die arbeitenden Klafsen nicht ablassen und wünschen nur, daß es den gleihen Erfolg hat, wie ihn der vorliegende Etat nachweist. Zum Schluß habe ich namens meiner konservativen Freunde die Hoffnung und den Wunsch auszusprehen, daß unser Vaterland sich noch recht lange in einer so guten Finanzlage befinden möge wie jeßt.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 2 der „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 9. Januar hat folgenden Inhalt: Personalnachrihten. Gesundheitsstand und Gang der Volkskrank- heiten. Sterbefälle im November 1906. Zeitweilige Maß- regeln gegen Cholera. Gesehgebung usw. (Preußen.) Kranken- fürsorge. Einfuhr von Schweinen 2c. (Reg.-Bez. Danzig.) Mineralwässer. (Sachsen. Dresden.) Zuckerbackwerk 2c. (Mellenburg-Schwerin.) Schweinefleisch. (Oldenburg.) Desgl. (Bremen.) Desgl. (Hamburg.) Desgl. (Oesterrei. Nieder- öfterreih.) LTotenbeschau. (Luxemburg.) Schlachtyieh- und Fleisch- beshau. (Schweden.) Hühner, Gänse 2c. Tierseuchen im Deutschen Reiche, 31, Dezember 1906. Desgl. unter den Dienstpferden in Bayern, 1905. Desgl. in den Niederlanden, Dezember 1906. Desgl. in Norwegen, 1904. Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseucen. (Preuß. Reg.-Bez. Oppeln, Baden, Belgien.) Vermischtes. (Hessen.) Wohnungsaufsiht, 1905. (China.) Gesundheitsstand in

dhanghai, 3. Vierteljahr 1906. (Fpllppinen.) Aussätßige. Geschenkliste. Monatstabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, November 1906. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Wochentabelle über die

} Sterbe}älle in deutshen Orten mit 40000 und mehr Einwohnern.

Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäusern deutsher Großstädte. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Witterung. Beilage: Gerichtliche Ent- sheidungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege (Kur-

| pfuscher 2c.)

Statistik und Volkswirtschaft.

} Die Sterblihkeitsverhältnisse während des Jahres 1905 fin den Orten des Deutshen Reiches mit 15000 und

mehr Einwohnern. Nach den in den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits-

F amts* enthaltenen Zahlentabellen über die Sterbefälle des Jahres

1905 in den 331 größten Orten des Deutschen Reiches (einschließlich der 18 Vororte von Berlin, von denen 9 mehr und 9 wentger als Einwohner um die Mitte des Berichtéjahres hatten) sind die Sterblichkeitsverhältnisse während des Jahres 1905 etwas un- günstiger als während des Vorjahres gewesen; denn sowohl die esamtsterbeziffer in diesen Orten wie auch die auf je 100 Lebend- geborene des Berichtsjahres errehnete Ziffer der Säuglingssterblichkeit ist höher als für das Vorjahr angegeben. i Von den 323 Ortschaften, aus denen im Jahre 1904 monatliche Ausweise über die Sterblichkeitsverhältnisse na einheitlihem Muster unmittelbar an das Kaiserlihe Gesundheitsamt eingesandt worden waren, sind 4 während des Jahres 1905 in andere Orte eingemeindet und dadurch scheinbar in Wegfall gekommen; es wurden nämli von jenen 323 Berichtsorten Meiderih und Ruhrort in Duisburg, Nütten- heid in Essen und Cannstatt in Stuttgart eingemeindet. Zu den hiernah verbliebenen 319 Orten sind 11 für das Berichtsjahr 1905 neu hinzugekommen, und der Berliner Vorort Tegel ist seit dem ahre 1905 infolge Errichtung eines neuen Standesamts in die Orte Tegel und Heiligensee gegliedert, sodaß für 1905 aus 331 Ortschaften usweise vorliegen. Neu hinzu- gekommen find, da 1905 die Einwohnerzahl nach übliher Schäßung auf 15 000 oder mehr angewachsen zu sein s{ien: in Preußen die Städte Bunzlau, Gevelsberg, Höhscheid, Laurahütte, Myslowiß und le Landgemeinde Reckllinghausen, in Sachsen die 3 Orte Oelsni adeberg und Schönefeld, in Württemberg Tutilingen, endli Arnstadt im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen*). JInsgesamt atten del 11 neu hinzugekommenen Ortschaften um die Mitte des Verichtsja res nah einer auf Grund der leßten Volkszählung , ") Die Volkszählung vom 1. Dezember 1905 hat nachträglich ür 4 von diesen 11 Ortschaften eine Einwohnerzahl von weniger als j 000 ergeben, nämli für en Radeberg, Schönefeld und Tutt- ingen, außerdem auch für die Berihtsorte Horit, Siegburg und argemünd. Ferner ergab diese Volkszählung für Laurahütte bei mrechnung auf die Mitte des Jahres 1905 eine Einwohnerzahl bon weniger als 15 000. Hierna nd außer den oben erwähnten Vororten Berlins noch 8 Ortschaften mit. weniger als 15 000 Ein- wohnern berüdsictigt.

vom Dezember 1905) vorgenommenen Schäßung 172 807 Be- wohner gus ihnen en 3232 Sterbefälle gemeldet, d. \. 18,7 auf e 1000 Bewohner.

Zum genauen Vergleich von Jahr zu Jahr darf man selbst- verständlih nur die 323 bezw. 324 Ortschaften in Betracht ziehen, die für betde Dee Ausweise Ner haben. (Wenn man berü sichtigt, daß der Berliner Vorort Tegel nunmehr, wie erwähnt, 2 Orte umfaßt, so ist betm Vergleih die Summe der vorjährigen Berichtsorte nicht, wie oben geschehen, auf 323, sondern auf 324 zu beziffern.) Die Gesamteinwohnerzahl in diesen 324 zum Vergleich stehenden Orten ist, wenn man zur Schäßung für die Mitte des leßten Berichtsjahres {hon die Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 benußt, von Mitte 1904 bis Mitte 1905 um 241 211 gestiegen, nämlich von 19 953 148 auf 20 194359, und die Zahl der in ihnen Gestorbenen res von 367 287 auf 374 729, also die Gefamtsterbeziffer von 18,41 auf 18,56 °/%. Von Kindern des ersten Lebensjahres starben in den zum Vergleich stehenden Orts- schaften nah dem vorjährigen Ausweise 125 685, nah dem legten Aus- weise 126 879, [eßthin also um fast 1°/9 mehr; die auf je 100 Lebend- geborene errechnete Säuglingsster beziffer ist von 20,24 auf 20,36 gestiegen. )

Was die Todesursachen betrifft, die in den dem Kaiserlichen Gesundheitsamt wonatlich eingereihten Ausweisen der Berichtsorte genannt wurden, so ist ein Verglei mit dem Vorjahre dadurch er- \chwert, daß das Formular für diese Ausweise seit Januar 1905 eine S erfahren hat ; mit Sicherheit läßt fich daher nur folgendes ersehen :

Es fank in den 324 Ortschaften die Zahl der Todesfälle

an Scharlach. . . . von 4091 auf 2771, d. i. um 32,5 9%

« Masern T Do O » » 146.

« Typhus 1400 L200, , „116

v Diphtherie a0 5010 y 4518, x » 9,8 u

v MINdDDettebet . «I O » 129. Es sank ferner die Zahl der totgeborenen Kinder von 19 639 auf 19346 (d. i. um 1,5 0/0). Dagegen stieg die Zahl der Selbst- morde von 4993 auf 5238 (um 4,9 09/0) und die der tödlihen Ver- unglückungen von 6939 auf 7466 (d. i. um 7,6 9%).

Den übrigen im Formular benannten Todesursachen liegen neuer- dings andere Krankheitsbegriffe als früher zu Grunde, ein Vergleich ist daher nit statthaft, indes seien diejenigen Zahlen, die bis zu einem gewissen Grade ein Urteil gn nebeneinander gestellt :

Es starben in den 324 zum Vergleich stehenden Ortschaften :

im Jahre 1904 | im Jahre 1905 an Lungenshwindsucht . 38 148, | an Tuberkulose. . akuten Erkrankungen Krankheiten der

der Atmungs8organe 45 862, Atmungsorgane.

akuten Darmkrank- Magen- und Darms heiten . . ¿91.100. katarrh, Brechdurh- E « BO965:

Hiernach scheint u. a. die Zahl der durch Lungentuberkulose verursahten Todesfälle im Jahre 1905 erheblih her als im Vor- jahre gewesen zu sein, denn selbst wenn man nah anderweitigen Ergebnissen der deutshen Todesursachenstatistik annimmt, daß etwa 19 aller auf „Tuberkulose“ zurückgesührten Todesfälle durch Lungen- tuberkulofe verursacht sind, hätte immerhin die Zahl der durch Lungen- tuberkulose Engen Polt) bedingten Todesfälle in den zum Vergleich stehenden Ortschaften innerhalb Jahresfrist um 6 bis 7% zugenommen.

45 059, 50 860,

Zur Arbeiterbewegung.

Gestern abend tagten in Berlin zehn Mitgliederversammlungen des „Verbandes der deutshen Holzarbeiter“, die von der Ortsverwaltung einberufen worden waren, um zur drohenden Aus- sperrung Stellung zu nehmen. Fn allen Versammlungen wurde, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, eine eaende Erklärung angenommen, in der es u. a. heißt: „Die Versammelten nehmen Kenntnis von den ergebnislos geführten Verhandlungen zwecks Ab- ang eines neuen Vertrages. Da das ganze Verhalten der Arbeitgeber gezeigt habe, daß es ihnen nicht um einen im beiderseitigen Interesse liegenden Abschluß eines neuen Vertrages zu tun sei, fondern daß sie vielmehr den Kampf wollten, verpflichteten sich alle Kollegen, den Angriff mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln abzuwehren sowie für Durchführung aller von der Organisation gefaßten Beschlüsse Sorge zu tragen.“ Eine sehr zahlreih besuchte Versammlung der in den Rin gs brauereien beshäftigten Arbeiter (Bierfahrer, Faßbier- mitfahrer, Flaschenbiermitfahrer, Reservefahrer und Stalleute), die gestern abend tagte, erklärte sih, nah demselben Blatte, bis auf die Bierfahrer, die vorläufig von einem Vertragsabs{lusse ausgeschlossen werden follen, mit großer Mehrheit für die Annahme der von den Brauereien gemachten Zugeständnisse. Die Aussperrung der Automobildroshkenführer if gestern mittag in Al ge- treten Von den streikenden Kraftwagenführern hat, hiesigen Blättern zufolge, kein einziger den von den Unternehmern auf Mittags 12 Uhr festgeseßten Schlußtermin zur Wiederaufnahme der Arbeit benußt, sodaß nunmehr der Beschluß des Arbeitgeber- verbandes Geltung hat, daß bis zum 1. Juli keiner der am Ausftand

Beteiligten tin Arbeit genommen wird. Von der Aus\perrung werden rund 700 Führer betroffen, darunter 170 bei der Bedaggesell haft, 60 bei der er Uge 80 bet der Neuen Automobilgesellshaft und 40 bei der Gesellshaft „Blitz“.

Aus dem belgischen Kohlengebtet erfährt die „Köln. Ztg.“, daß auf den Kohlenwerken Kessales in Jemeppe ein größerer Ausstand wegen der ag einer Anzahl Arbeiter ausgebrochen ift. Der Ausstand auf den Kohlengruben des Centre in Jumet ist beendet. Ebenso haben sich die 350 Ausständigen der Stahl- fabrik Roux zur Wiederaufnahme der Arbeit entschlossen.

Kunft und Wissenschaft,

Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 13, Dezember unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Auwers eine Gesamtsißung ab, in der zunähst Herr Waldeyer über die Arteria vertebralis las. Es wurden eine Reihe von Varietäten der A. vertebralis besprochen, insbesondere der Fall des Eintritts der Arterie in den V. Halswirbelquerfortsaß, anstatt, wie gewöhnlch, in den V1. Es fand sich, daß diese Varietät häufiger links als rechts vorkommt, und zwar in allen beobahteten Fällen dann, wenn die A. vertebralis aus dem Aortenbogen entspringt. Die Arterie muß dann näher der Mittellinie und mehr oberflählich verlaufen, welher Weg sie am VI. Halswirbelloch lobe direkt zum V. führt.

err Diels überreichte eine neue Lieferung von Hirschberg. Geschichte der Augenheilkunde (II. 2 und III1. 1: Geschichte der Augenheilkunde im europätshen Mittelalter und im Beginn der Neuzeit. Letpzig 1906).

Die Akademie hat ihrem Mitgliede Herrn Stumpf 2000 4 bewilligt zur Fortseßung seiner in Verbindung mit dem Königlichen Museum für Völkerkunde begonnenen Sammlung von Phonogrammen und seiner Studten über exotische Musik.

Die Akademie hat das korrespondierende Mitglied der physikalis{- mathematishen Klasse Herrn Ernst Pfißer in Heidelberg am 3. Dezember durch den Tod verloren.

In der am 20. Dezember unter dem c VEE ihres Sekretars Herrn Auwers abgehaltenen Sißung der phyfsikalisch-mathe- matishen Klasse las Herr Engler über Beiträge zur Kenntnis der Pflanzenformationen von Transvaal und Rhodesia. Obwohl Rhodesia reichlich von Eisen- bahnen Mratioden ist, war seine Flora bisher\ noch wenig erforscht. Die Teilnahme an der Neise der British Ass80- ciation for the advancement of science im August und Sep- tember 1905 gab dem Vortragenden Gelegenheit zu eigenem Studium

der dortigen Pflanzenformationen. Er besprach zunächst die For- mationen Transvaals am Fuß der Magalisberge, insbesondere die

parkartige Baum- und Buschsteppe sowie die Trockenwälder auf der Nordseite derselben. ‘Er s{childerte dann dieselben Formationen aus dem Gebiet von Bulawayo, insbesondere im Matoppogebirge. dieran {loß \sich eine Besprehung der hohen Trockenwälder an den üdlihen Zuflüssen des Sambesi, der eigenartigen Formationen um die Victoria-Fälle, der Trockenwälder, Baumsteppen und sehr interessanten Hal U en des Maschonalandes. Herr Waldeyer legte eine Abhandlung des Professors H. Braus in Heidelberg vor, als Bericht über eine in den Jahren 1902 und 1904/05 mit akademishen Mitteln ausgeführte Untersuhung: Zur Gntwicklungsgeshihte niederer aie. Nach inweis auf den furfana der von Joh. Müller zusammengebrachten Sammlung von Haiembryonen und auf die Erfolge späterer pammlungen werden die günstigen hydrographishen Ver- hältnisse bestimmter Stellen des Tyrrhenishen Meeres und speziell des Aecolishen Archipels geschildert. Der Verfasser sammelte dort Embryonen von Notidaniden (Heptancus, Et von Hexanchus) und Spinaciden (Centrophorus, Spinax, Acanthias, Scymnus) usw., deren systematishe Stellung zu anderen Haiembryonen besprochen wird, ebenso die Eier und Eihüllen mit Rücksicht auf die Art ihrer historishen Differenzierung und auf die jeßt in der Ent- wicklung wirksamen Faktoren. J u

In der an demselben Tage unter dem Vorsiß ihres Sekretars Herrn Diels abgehaltenen Sißzung der philosophish-histo- rishen Klasse las Herr Harnack über die zweite Quelle des Matthäus und Lucas [Q]. Dur sorgfältige Beathhtung des Sprachgebrauhs der beiden Evangelisten läßt si die Quelle noch mit ziemliher Sicherheit nah Umfang und Wortlaut bestimmen ; aus dem Sondergut eines jeden von thnen und aus der indirekten Veberlieferung kann ihr aber kaum etwas zugewiesen werden. Q stellt sich als eine aramäisch niedergeshriebene, von Matthäus und Lucas in derselben Uebersezung benußte Sammlung von Reden und Sprüchen des Messias Jesus dar, die nichts von der Leidensgeschichte, ja kaum einen Mes auf das Leiden, enthält. Q ist älter als Marcus, also von thm unabhängig, und bietet eine feste Grundlage für die Kenntnis der Verkündigung Jesu. Gegen die Identifizierung mit der von einem uralten Zeugen genannten Logia- sammlung des Apostels Matthäus lassen #ich keine Einwendungen ers A andererseits aber au nicht bestimmte Gründe für sie geltend machen.

Derselbe legte vor: Des hl. Jrenäus Schrift „Zum Erweise der Apostolishen Verkündigung" in armenischer Version, entdeckt, heraus- gegeben und ins Deutsche überseßt von Liz. Dr. Karapet Ter-

öförttschian und Liz. Dr. Erwand Ter-Minassiant, mit einem Nahwort und Anmerkungen von A. Harnack. (Texte und Untersuhungen zur Geschichte der althristlihen Literatur. Bd. 31 H. 1.) Leipztg 1907.

A. F. Die erste Sißung der Gesellschaft für Erdkunde im neuen Jahre wurde durch Mitteilung des Geshäftsberihts pro 1906 eröffnet, der ein erfreulihes Bild von rüstig fortshreitender Entwicklung und nüßlicher Betätigung entrollte. Die Mitgliederzahl beträgt jeßt 1292, Der Vorfißende, Geheimrat Professor Dr. Hellmann hat am 15. Dezember die S riGast bei der 90 jährigen Jubelfeier der österrcihishen geographishen Gesellschaft vertreten. Er schilderte die Wiener Feier als sehr würdig verlaufen und hob die besonderen Verdienste hervor, die sich die Schwester- gesellschaft durch die geographishe Erschließung der Levante und die gründlihe Erforshung der Balkanländer erworben hat. Dr. Leo Frobenius, der vor kurzem über seine Forschungsreisen im Congogebiet berihtete, hatte, wie erinnerlih, den von ihm am oberen Kassai entdeckten Wasserfall mit dem Recht des Entdeckers „NRicht- hofen-Fall* genannt. Hieran knüpft \sich ein \inniges, der Gesell- schaft übereignetes Geschenk: ein großes Oelgemälde dieses Falles nach an Ort und Stelle sorgfältig aufgenommenen Skizzen dur den Neisebegleiter von Frobentus, den Maler Lemme, ausgeführt. Das Bild wird im eigenen Heim der Gesellschaft einen Platz finden. Den Vortrag des Abends hielt der Professor Dr. Hauthal, Direktor des RNömer-Museums in Hildesheim, über das Thema: „Reiseergebnisse aus dem alten Inka - Reiche“. Der Vor- tragende hat vor Uebernahme seines gegenwärtigen Amts mehrere Jahre in Argentinien gelebt und von da aus auch Chile, Bolivien und Peru bereist. Die Reise ging von Salta, der nöôrdlihsten Provinz Argentiniens, aus und führte über Tupiza, Sucre, der zweiten Le Boliviens, nah La Paz, der ersten Hauptstadt, dann zum Titicacasee und von hier aus auf peruanishem Gebiet

* nah Cuzco, Arequipa und zurück zum chilenishen Hafen Antofagasta.

Von der Größe dieses Gebiets empfängt man einen Begriff, wenn man fihch vergegenwärtigt, daß olivien, seit seinem un- [üdlihen Kriege gegen Chile vom Meere verdrängt und reines BiloienTand. sich vom 8. bis 22. Grade südliher Breite, mithin über eine Ausdehnung erstreckt, die der Entfernung von St. Petersburg nach Lissabon gleihkommt. Da bei weitem der größte Teil des Landes ein 3000—3500 m über Meeresniveau ge- legenes Plateau ist, eingerahmt von zwei Gebirgsketten der Anden, der im Westen der Küste folgenden, zu ihr steil abfallenden Kette und der jener parallelen östlichen Kette, der Cordillera Real, und da die hohen Gipfel beider Gebirgszüge das Hochland noch um 4000 bis 5000 m überragen, so gewährt bei seiner beträhtliden Breitenausdehnung Inner - Bolivien stellenweise bei- nahe den Anblick eines Flahlandes mit der Aussiht auf entfernte Hochgebirge. Allerdings ist dieser Landesteil zwishen den ihn begrenzenden Gebirgsketten noch häufig durch niedrigere Gebirgszüge durchsetzt, die sh bis zu 500, 1000 und zuweilen bis 1500 m erheben, sodaß der Gebirgscharakter überwiegt, aber diese leßteren Gebirge sind zum größten Teil Sedimentgesteine, ¡um kleineren vulkanisher Her- kunft und sehr abweihend von den mäthtigen kristallinishen Ur- gesteinen, welche die Kordillere aufbauen. Doch wie immer der eologische Ursprung ist und wie deutlich auch die Spuren einer Eiszeit in die Augen fallen, die wesentlich mitgeholfen hat, dies Hoh- land zu modellieren, übereinstimmend bleibt ihr öder, dur Winde und extreme Witterung unfreundlicher, ja unwirtliher Charakter und ihre beinahe vollständige Vegetationslosigkeit mit Ausnahme der nicht eben zahlreichen, tief eingeschnittenen Täler. Denn ein ferneres Charakteristikum für das bolivianishe Hochland ist, daß bei der erst in 5200 m beginnenden Schneegrenze die Gletscherbildungen in den Hochgipfeln weniger bedeutend sind, als man erwarten sollte, und daß die Gletsher ihre Shmelzwässer meist am Fuß “der Berge in hoch gelegenen Lagunen sammeln, deren Abflüsse sich selten als reißende Bergstrôme kennzeihnen. Bei dieser Beschaffenheit des Landes, die in historischer Zeit niemals anders gewesen sein kann, ist es rätselhaft, wie gerade hier, auf der Stätte des alten Inka- reiches, sich eine Kultur entwickeln konnte, die bei weitem höher stand als alle anderen, denen die Spanier im 16. Jahrhundert in der neuen Welt begegneten, die aztekishe niht ausgenommen. Der Boden gibt n den bei weitem die Täler überwiegenden Hochflähen nur die pärlihsten Ernten, und Baumwuchs ist ganz audgel@Qtossen. Die ekannten Erklärungsgründe für die Entstehung eines ge- steigerten Kulturzustandes, welhe das Klima, die von der Höhen- lage bedingte vermehrte körperlißhe und geistige Spannkraft der Menschen und erade die Not des aseins als die Urfachen bezeihnen, reihen ofenbar nicht aus, um das Er- wachsen und die Blüte des mächtigen Inkareiches zu erklären, in dessen Grenzen auch von der Natur wesentlich begünsti tere, einladendere Landstriche lagen. Jedenfalls gehört die Frage na den tieferen Ur- sahen dieser interessantesten vorkolumbischen Staatenbildung zu den wichtigsten und für den Forscher verlockendsten der amerikanishen Ur- ges{chichte. Durch Vorführung pee SRGder ließ dêr Vor- tragende jon uhörer ihn auf der langen Neise begleiten, die {h bon Oktober 1905 bis April 1906 erstreckte. Einen überraschenden Anblick gewährt Tupira, das man, den in das Ge|tein eingesprengten Paß verfolgend, plößlih wie durh ein Felsentor erblickt. & Die beiden ck en gge des Landes sind dur eine Ghenbayn verbunden, die jedo nur vom Mai bis November fahrbar ift, nit