1907 / 48 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Feb 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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Bemerkungen.

15,40

15,15 17,38 16,00 16 50

18,00 17,50

Sans Av S

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkau

Noch: Hafer. 16,10 16,20 14 40 15,60 15,90 16,15 18,00 18,00 18,00 18,00 16 75 17,00 17,50 17,50 17,40 17,40

—— 18.50 17.50 16,70 17.70 18,00 18,00 16,50 16,50 18,60

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15,90 14,40 15,65 17,69 17,00 16,75 17,00 17,20

16,60 15 60 16,40 18,31 ; 18,50 N 17,00 200 18,00 17,80 300 18 50 30 17 50 17 20 60 17,80 12 18,00 173 18,00 23 16,75 1075 16,80 590 18,60 i; 72 13

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17,40 17,60 | 17,30

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3 350

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13, 2.

13. 2. 16. 2,

19. 2. 13. 2. 13. 2. 13. 2. 16. 2. 16. 2.

235 18,08 17,60 13. 2,

fswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekbommeä ist, ein Punkt (.) in den leßten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag.

2. Sißung vom 20. Februar 1907, Nachmittags 1 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Tagesordnung: Wahl des Präsidenten, der Vize- präsidenten und der Schriftführer.

Ueber die Wahl des Abg. Grafen Udo zu Stolberg- ole ist in der gestrigen Nummer des Blattes berichtet worden.

Präsident Graf zu Stolber erklärt, daß er die Wahl an- nimmt, und fährt, nahdem er den Präfidentenpla eingenommen hat, fort : Das an fich {hon {were und verantwortungêvolle Amt, das Sie mir übertragen haben, ist unter den jeßigen politischen Verhältnissen doppelt {wer und doppelt verantwortungsvoll. Dazu Tommt, daß die erprobte Amtstätigkeit, die hohe Begabung, die Slagfertigkeit und die persönliche Liebenswürdigkeit meines Herrn Amtévorgängers noch frisch in unserem Gedächtnis steht und u Vergleichen unwillkürlih herausfordert. Ich weiß, daß ein Prä- dent nur dann etwas leisten kann, wenn er vom Hause unterstüßt wird, und deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstüßung. Meine Herren, ih will mein Amt unabhängig nah allen Richtungen hin, ih will es gerecht und unpartetisch führen ; ich will die Würde des Hauses wahren und seine Geschäfte nah Möglichkeit zu fördern suchen, und meine Herren, wenn im übrigen das, was {ch leisten werde, hinter dem was ich leisten möchte, noh so weit zurückbleiben sollte, fo hoffe ih doch, daß Sié von mir sagen werden: Ut desint Vires, tamen est laudanda voluntas. Meine Herren, ich \preche unserem verehrten Herrn Alterspräsidenten unseren Dank für seine Mühewaltung aus und bitte Sie, fich zum Zeichen dieses Dankes von Ihren Plätzen zu erheben. (Die Mitglieder des Hauses erheben i.)

Das Haus geht über zur Wahl des Ersten Vize-

präjidenten. räsident Graf zu Stolberg: Das Resultat der Abstimmung

ist folgendes: Es sind abgegeben worden 382 Zettel, davon sind un- gültig 167; es bleiben 215, davon erhalten der Abg. Dr. Paas\ che 209, der Abg. Liebermann von Sonnenberg 2 und die Abgg. Korfanty, Graf Bothmer, Dr. Spahn und Bebel je 1. Der Abg. Paasche ist somit zum Ersten Vizepräsidenten gewählt und ih frage thn, ob er die Wahl annimmt.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Ih nehme die Wahl mit Dank an.

Das Haus schreitet sodann zur Wahl des Zweiten Vizepräsidenten.

Präsident Graf zu Stolberg: Das Resultat der Abstimmung ist folgendes : Abgegeben wurden 379 Zettel, davon ungültig 166 ; es bleiben gültige 213 Zettel. Es erhielten der Abg. Kaempf 205 Stimmen, die Abgg. Naumann und Singer je 2, die Abgg. Lattmann, Bebel, Schhack und Hermes je 1 Stimme. Der Abg. Kaempf ift somit zum 2. Vizepräsidenten gewählt und ih frage ibn, ob er die Wahl annimmt.

Abg. Kaempf (Frs. Vp.): Herr Präsident, ih nehme die Wahl mit Dank an.

Darauf wird die Wahl der acht Schriftführer in einem Wahlgange vorgenommen.

räsident Graf zu Stolberg: Ih {lage vor, das Resultat der chriftführerwahl, wie dies üblih ist, nah der Sißung durch die provisorishen Schriftführer feststellen zu lassen. Das Resultat wird dann bei Beginn der nächsten Plenarsißung mitgeteilt werden. (Zu- stimmung.) Der Reichstag hat so beschlossen. Nunmehr i} der Reichstag konstituiert. Jch werde nicht unterlassen, Seiner Majestät dem Kaiser die pfl: chtmäßige Anzeige hiervon zu machen. Zu Quästoren A pie Abgg. Bassecmann (nl.) und Schmidt-War-

rg (Zentr.).

Hierauf wird eine Reihe von Urlaubsgesuchen erledigt.

Es sind drei JFnterpellationen eingegangen.

1. Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß in den be- teiligten Kreisen des Winzerstandes und des Weinhandels das Bedürfnis nach einer _sahgemäßen Revision des Wein- gele es von 1901 in hohem Maße vorhanden ist, und ist der

eihéfanzler bereit, diese Nevision in die Wege zu leiten? Paasche, von Schubert u. Gen.

2. Interpellation von Heyl-Strefemann, betreffend die Vörlegung der hon 1904 und 1905 in Auésiht gestellten Denkschrift über die Verhältnisse der Privatbeamten.

3, Interpellation Dr. Noesicke: Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um den Wünschen des Winzerstandes und des Weinhandels nach einer Abänderung des geltenden Weingesetzes entgegen- zukommen ?

Ferner ist eingegangen ein s{chleuniger Antrag des Fürsten Radziwill und Gen., betreffend die Einstellung eines gegen den Abg. Dr. von Chlapowo - Chlapowski wegen Uebertretung des Vereinsgeseßes beim Landgericht Lissa shwebenden Strafverfahrens.

Die Jnterpellationen sollen auf die Ta der nächsten Sißungen geseßt werden, der shleunige Antrag wird auf die Tagesordnung der nächsten Sigzung eet.

Schluß 41/4 Uhr. Nächste Sigung' Montag, den 25. Fe- bruar, 1 Uhr. (Schleuniger Antrag des ürsten Radziwill; erste Lesung des Reichshaushaltsetats für 1907.)

esordnung einer

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 15. Sißung vom 20. Februar 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sigung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus seßt die zweite Berakung des Staatshaus- haltsetats für das Rechnungsjahr 1907, und zwar die beim ersten Titel der dauernden Ausgaben im Etat des Ministeriums des Jnnern, „Gehalt des Ministers“,

übliche allgemeine Diskussion fort.

Minister des Jnnern Dr. von Bethmann-Hollweg:

Meine Herren! Jch glaube, dem für unsere Industrie und für unseren Verkehr so wichtigen Automobilwesen konnte kein besserer Dienst geleistet werden als dur die Ausführungen des Herrn Vor- redners; denn wenn er auf der einen Seite mit großer Schärfe die Pflichten und die Verantwortlichkeit der Automobilisten hervorgehoben hat, fo hat er auf der anderen Seite mit Recht gefordert, daß das Automobilwesen nicht etwa dur bureaukratische Verororduungen und Bestimmungen eingeschränkt und behindert würde.

Auf die Einzelheiten seiner Ausführungen will ih nit eingehen, ihm nur versichern, daß au ih der Ueberzeugung bin, daß die leßte Automobilverordnung, die im Oktober vorigen Jahres erlassen worden ist, jedenfalls ein ewiges Leben nicht wird führen können, fondern daß die praktifche Handhabung dieser Ver- ordnung fehr bald zu Aenderungen auffordern wird (bravo !), und er mag überzeugt sein, daß Aenderungen, dur welche unnötige Belästigungen des Automobilisten beseitigt werden, bei mir volle Unterstüßung finden werden. (Bravo!)

Bezüglich der einen speziellen Anfrage des Herrn Vorredners, ob nämlich die Mitteilungen der Presse über Unfälle, die durch Automobile hervorgerufen wären, überall zuträfen, möchte ih erwidern, daß auch ich die Wahrnehmung gemacht habe, daß viele derartige Anzeigen rein auf der Phantasie der betreffenden Reporter beruhen. (Hört, hört !) Mir liegt hier zufällig ein Ausschnitt aus einer viel gelesenen Ber- liner Zeitung vom Juli 1905 vor, wo in fehr ausführliher Weise und unter Namensnennung rapportiert wird über das Ueberfahren eines alten Herrn hier in Berlin durch ein unvorschrifts- mäßig s{chnell fahrendes Automobil. Es ist auch mitgeteilt worden, wie das Gericht entshieden, auf wie viele Monate Gefängnis es erkannt hätte, und alles mit Namens- nennung; und an der ganzen Geschichte is kein Wort wahr. (Hört, hôrt!) Aehnliches wird also wohl auch in anderen Fällen vorkommen.

Zu der Anfrage des Herrn Vorredners wegen der Verhältnisse der Meistbegüterten in der rhetnischen Landgemeindeordnung bemerke ih, daß ein Geseßentwurf, welcher eine Aenderung in dieser Beziehung ins Auge faßte, in meinem Ministerium ausgearbeitet worden ift, daß aber maßgebende Kreise der Rheinprovinz dur ihre Aeußerungen in mir die Ueberzeugung hervorgerufen haben, daß es derzeitig nit opportun sein würde, einen solchen Geseßesvorshlag dem Hause zu unterbreiten. (Abg. Freiherr von Eynatten: Sehr richtig !)

Zu den Ausführungen des Herrn Abg. Strosser will ich folgendes bemerken: Der Herr Abgeordnete hat \ich zunächst darüber beschwert gefühlt, daß in der Uebersicht, welhe dem Landtage über die Be- {chlüsse des Hauses vorgelegt wird, die Resolution des Hauses wegen Abänderung der Städteordnung im Hinblick auf die Wahlen der Stadtverordneten überhaupt niht erwähnt worden sei. Meine Herren, es entspriht der allgemein und dauernd befolgten Uebung, daß Resolutionen oder Beschlüfse des Ab-

geordnetenhauses, welhe ein geseßgeberisches Vorgehen der Staats- regierung fordern, in dieser Uebersicht überhaupt niht erwähnt werden. Also es liegt hier kein \pezielles Versehen vor, sondern es ist ebenso gehandelt worden, wie in allen gleihliegenden Fällen.

Nun aber zur Sache selbft! Jch habe mich allerdings nit davon überzeugen können, daß es angeraten sei, aus den von dem Herrn Abg. Strofser mitzeteilten Verhältnissen in Breslau an eine Aenderung der Städteordnung für die östlihen Provinzen heranzugehen. Meine Herren, man muß es \ich sehr reiflich überlegen, ob man ein grund- legendes Gese, wte es die Städteordnung ift, in einer einzelnen Be- stimmung um einzelner Vorkommnisse willen abändern will. Ih gebe zu, daß die Unbequemlihkeiten, welhe in Breslau entstanden sind, {arf und unangenehm empfunden werden. (Abg. Dr. Wagner: "Sehr richtig!)) aber diese Unannehm- lichkeiten können au ohne Aenderung der Städteordnung auf vershiedenem Wege beseitigt werden. Es liegt in der Hand des Magistrats vou Breslau, zu beschließen, daß auch in der ersten Ab- teilung mehreré Wählerbezirke gebildet werden; und es liegt weiter, wenn dleser Beschluß niht gefaßt werden sollte, im Bereich der Möglichkeit, durch Bildung von Abstimmungsgruppen und Verteilung

rar

der in der Form der sogenannten Fristwahl sich vollziehenden Ah, stimmung auf mehrere Tage, diejenigen Unbequemlichkeiten der Wähler zu beseitigen, die im vorigen und auch in diesem Jahre hervorgehoben worden sind. Es bestehen also ¡wei vershiedene Wege, auf denen den bestehenden Schwierigkeiten abgeholfen werden kann. Fn Berück. sichtigung dieses Umstandes trage ih auch heute noch Bedenken, an eine Aenderung der Städteordnung heranzutreten, zumal in keiner der übrigen in Preußen geltenden Städteordnungen eine Bestimmung enthalten ift, wie sie der Herr Abg. Strosser und im vorigen Jahre mit ihm das Abgeordnetenhaus für die östliche Städteordnung ge wünscht hat.

Zum Sw{luß nur wenige Worte mit Bezug auf die von dem Herrn Abg. Strosser wieder behandelte Frage der Fürsorge für die Geisteskranken. Der Herr Abgeordnete hat unter Bezugnahme auf meine Ausführungen von gestern hervorgehoben, daß nah seiner und seiner Freunde Ansicht es notwendig sei, die bescholtenen Geiste kranken und die unbescholtenen in getrennten Anstalten unterzubringen,

Meine Herren, darüber läßt sich durchaus sprechen, und im Interesse der unbesholtenen Geisteskranken würde ih dringend wünschen, daß eine derartige Scheidung vorgenommen wird. Wenn aber der Herr Abg. Strofser daran unmittelbar die Swhlußfolgerung knüpfte, daß deshalb Staatsanstalten für die besholtenen Irren gegründet werden müßten, so liegt darin er möge es mir verzeihen ein gewisser Gedankensprung.

Nach der geschichtlichen Entwicklung in Preußen ist die Fürsorge für das Jrrenwesen nit erst seit Erlaß der Provinzialordnung, fondern hon aus landrechtlihen Zeiten den Provinzialverbänden Übertragen worden, und früher den Landarmenverbänden. Es ist dieser Zweig der Fürsorge jeßt den Selbstverwaltungsverbänden übergeben und ihnen ein Steuerreht und Dotationen dafür zuteil geworden. Wir würden also unter allen Umständen mit der geshihtlihen Entwidcklung brehen, wir würden brechen mit dem gegenwärtigen, durch das Er- kenntnis des Oberverwaltungsgerichts festgestellten Nechtszustande, wenn wir aus der Notwendigkeit, besholtene und unbescholtene Geisteskranke in vershtedenen Anstalten unterzubringen, ohne. weiteres die Folgerung ziehen wollten, daß nunmehr der Bau und die Unter-

baltung der Häuser für. die besholtenen Irren eine Sache des Staates set.

Abg. Graf Ballestrem (Zentr.): Seit drei Jahren {weben Verhandlungen zwischen der Regierung und den Beteiligten, fowie zwischen dem preußishen Staate und der rufsishen Regierung über die Abstellung eines großen Mißstandes bei dem Grenzflusse Prosna in meinem Wahlkreise Kreuzburg-Nosenberg. Dieser Fluß ist seit 40 Jahren niht mehr geräumt worden und total verschlämmt. Die dreijährigen Verhandlungen haben aber zu keinem Resultat ge- führt. Die preußishe Regierung hätte mindestens die moralische Verpflichtung, die Räumung fofort in Angriff zu nehmen. Die Kosten würden etwa 26500 # betragen. Es wird doh font genug Geld vergeblih für den Osten ausgegeben. Man denkt daran, die Kosten von den Beteiligten des Kreises aufbringen zu lassen, aber das dürfte eine große Verstimmung erzeugen und dem Polentum am Ende noch tnehr Stimmen zuführen, die an \ich gar nicht Polen find und nur durch die polnische Agitation zu ihrer Stimmabgabe gebraht werden. Bei dieser Gelegenheit möchte ih es auch aussprechen, daß meine Fraktion absolut niht mit der aggressiven Kampfpolitik der Regierung gegen das Polentum einverstanden ist. Hunderte von Millionen sind hinaus- geworfen worden, und nur die Preise der Güter sind dadur gestiegen. (Als der Nedner ausführlich auf Vorgänge bei der leßten Reichstags- wahl in feinem Kreise eingehen will, wird ex vom Vizepräsidenten Dr. Por sch daran gehindect.) Er {ließt mit der Bitte an den Minister, die Räumung der Prosna eifrig betreiben zu wollen.

Abg. Heckenroth (konf.) betont das Bedürfnis einer durchgreifenden Revision der Rheinischen Landgemeindeordnung. Die- selbe gehe auf das Jahr 1845 zurück und habe feitdem vielfache Aenderungen und Ergänzungen erfahren, sei dadur aber namentlid für die einfachen Gemeindeeingesessenen sehr unüber chtlich geworden. Ein Wunsch der rheinischen Gemeinden gehe dahin, daß die Bürger- meisterverfassung geändert werde; wolle man aber die Bürger? meistereien beibehalten, fo folle wenigstens die frete Bürgermeister wahl eingeführt werden. Es werde ferner eine Bestimmung g&* wünscht, daß nah zwei beshlußunfähigen Sitzungen des Gemeinde rats nicht der Kreisausschuß die Beschlüsse Fah sondern die dritte Sitzung auf jeden Fall beshlußfähig sein sol. Es werde im ganzen eine freiere Selbslverwaltung gewünsht. Der Nedner ‘bittet det Minister, in dieser Beziehung alsbald die rheinische Gemeindeordnung

n

ändern zu wollen.

Abg. Fritsch (nl.) regt die Aufhebung der Arrest strafe für die Unterbeamten an. Die Arreststrafe verletze die Würde der Beamten und müsse dur eine Géldstrafe erseyt werden. Ein enTteenver Antrag seiner Freunde fei bereits in einer ege ession vom Hause angenommen worden. Der Minister abe die Aufhebung der Arrestftrafe in der Kommission abgelehnt, und die Budgetkommission habe sich der Arsiht des Ministers an- FlMlofles, aber es könne doch kein Zweifel sein, daß die Arreft- trase für Zivilbeamte verleßend sei. Bei militärischen Ver nifsen sei die Sache wegen der Notwendigkeit einer eisernen Dit- ziplin anders. Und wenn die Arreststrafe wirklih für einen kleinen militärisch organisierten Teil der Unterbeamten angebracht seit folle, so ei das kein Grund, sie für alle Anker beamten auf

recht zu erhalten. Wenn man sage, daß die Untérbeamten von etner Geldstrafe härter getroffen würden, so sei zu ‘érwidern, daß di:

A,

beamten ihr Ghrgefühl höher stellten als einen pekuniären p dri Die Lilien Partet werde diese Age gentes nicht ruhen lassen und bet dem speziellen Antrag, den sie gestellt habe, ar darauf zurückommen. Der Abg. Friedberg habe zu der humanen und wohlwollenden Gesinnung des Ministers sein Vertrauen aus- ge[prohen, die Unterbeamten würden dem Minister dankbar sein, weun er au in dieser Frage sein Wohlwollen bewiese. Busch (Zentr.) bemängelt wie im vorigen Jahre die große Zahl der Polizeiverordnungen. Vielfach seien diese Polizelverorduungen gänzlich wveralte. Der Bevölkerung sei pf] reiflich, daß alles dur Polizelverordnungen geregelt werde. solle nit glei eine Strafe verhängt werden, wenn 4. V. ein Bauer einmal zu viel Wasser von seinem Grundstü ab- laufen läßt. Gewiß müsse Ordnung herrschen, aber man dürfe nicht alles auf die Spiye treiben. Man solle bet Erlaß von Polizei- perordnungen erst Handelskammern, Handwerkskammern usw. hören. Im Rheinland erlasse der Bürgermeister allein die _Polizet- verordnungen, das entspreche aber nit mehr den modernen Verhältnissen. Der Minister habe im vorigen Jahre gesagt, daß er in seiner Amts- tätigkeit nur immer mit Zagen an Polizeiverordnungen herangegangen sei. Jn diesem Geiste solle der Minister einmal die größere Zahl alter Polizeiverordnungen prüfen und etnen Bremserlaß dagegen geben. Bei ‘der Vergebung der amtlichen Annoncen an die Presse werde, wie er {on im vorigen Jahre geklagt habe, die Zentrumspresse ver- nahlässigt. Dieselbe Klage sei damals von den Freisinnigen bezüglich ihrer br gaggeoragRt, aber vielleicht sei jeßt für diese der Uebel- nb beseitigt. Pa De Wagner (freikons.): Die Antwort des Ministers wegen Aenderung der Städteordnung hat eine dankenswerte Klärung ge- hracht; das Ministerium denkt niht an eine Aenderung. Ob die Interessenten, das hetßt die Wähler der ersten Klasse der Stadt- verordneten, ihm dafür besonders dankbar sein werden, „möchte ih bezweifeln. Im Gegenteil, sie werden \sich nicht zufrieden geben, sondern eine neue Petition einbringen. Pie die 800 Wähler der ersten Abteilung in Breslau is das Wahlgeshäft sehr unbequem, deshalb ist eine Aenderung durhaus wünschenswert. Allerdings könne nach dem Gesetze der Magistrat nah seinem Ermessen eine Aenderung vornehmen, aber der Regierungspräsident hat erklärt, daß er die Wünsche der Interefsenten niht als berechtigt anerkenne. Auch der Oberpräsident hielt die Beschwerden nihcht sür so groß, daß eine Aenderung eintreten müßte. Der Minister sagt, der Magistrat könne selbst Wandel schaffen, aber das ist doch ein circulus vitiosus; der Magistrat will dazu die Hand nicht bieten. Die Petenten haben das legte Mittel nur in der geseßlichen Aenderung gesehen, daß, wenn die weite Abteilung geteilt ist, auch die erste geteilt werden muß. Es if nicht môglich, durch die Stadtverordnetenversammlung in Breslau selbst zu einer Aenderung zu kommen, da die herrshende Mehrheit aus politishen Gründen es nit will.

Minister des Janern Dr. von Bethmann-Hollweg:

Meine Herren! Der Herr Abg. Bush hat bereits felb| an- geführt, welhe Stellung gegenüber dem Erlaß von Polizeiverordnungen ih im allgemeinen einnehme. Jh habe mi darüber bereits vor zwei Jahren im Herrenhause ausgesprochen, und meine Stellung ist noch heute unverändert dieselbe. Wenn der Herr Abg. Busch den Wunsch ausgesprochen hat, ich möchte dafür sorgen, daß nicht jeder Uebertreter einer polizeilichen Vorschrift zur Rechenschaft gezogen und bestraft werde, so kann ih das leider nah der gegenwärtigen Geseßgebung nicht tun; wir haben das allgemeine und unbeschränkte Legalitäts- prinzip bezüglih der Erhebung der Anklage bei Polizeiübertretungen, unh ich würde mih selber strafbar machen, wenn ih den Polizei- behörden zur Aufgabe machte, Uebertretungen nur in einzelnen Fällen zur Bestrafung zu bringen.

Der Herr Abg. Fritsh ist auf die Arreststrafen eingegangen. Ic möhte mih im wesentlichen auf das beziehen, was ih in der Budgetkommission gesagt habe, und was der Herr Referent darüber mitgeteilt hat. Auch der Abg. Fritsch ist, wie mir \{ien, mit mir der Ansicht, daß die Arreststrafen für die militärisch organisierten Beamtenschaften, Schußmannschaften usw., nit wohl entbehrt werden können. Nur in bezug auf diese Kategorien habe ih neben anderen Gründen, welhe für die Beibehaltung der Arrest- strafen \sprehen, darauf hingewiesen, daß die Verbüßung einer Arrest- strafe in vielen Fällen für den Betroffenen milder sein könne als eine hohe Geldstrafe. Ich habe diefe Behauptung aber nit gegen- über der Gefamtheit der Unterbeamten ausgesprochen; ih glaube, hier liegt ein Mißverständnis auf seiten des Herrn Abg. Fritsh vor.

Nun aber die Arreslstrafen bei den Unterbeamten, welche nit militärish organisiert sind! Jch habe in der Budgetkommission mit- geteilt, daß innerhalb meines Ressorts und, soweit ih ortentiert sei, au innerhalb der anderen Ressorts von Arrestrafen in der Ver- gangenheit, soweit sie hier in. Betraht kommen kann, kaum irgend welcher Gebrauch gemacht worden sei, und taß für die Zukunft die zuständigen Ressortminister entschlossen seien, ihre Be- hörden anzuweisen, noch weniger oder gar keinen Gebrau davon ¿u machen. Jh möchte also doch meinen, daß es übertrieben ift, wenn man behauptet, die gesamte Unterbeamtenschaft sei in ihrem Ehrgefühl dadur verleßt, daß die Arreststrafen auf dem Papier noch weiter fortbestehen. Jch glaube, die Unterbeamten können sich volllommen beruhigen, wenn tatsächlich Arreststrafen gegen sie nicht mehr angewandt werden.

Der Herr Graf Ballestrem if auf die Räumung des Grenz- flufses, der Prosna, ziemlich ausführlih zu sprehen gekommen. Meine Herren, es ist unzweifelhaft, daß der Staat selber ein wesentliches Interesse an ‘dieser Räumung hat, ein Interesse daran, daß die Grenz- linie unverfälscht und rihtig erhalten wird. Ebenso haben aber au die Anlieger ein Interesse an der Räumung; es geht aus den Mit- teilungen des Herrn Abg. Grafen Ballestrem unmittelbar hervor, daß durch die Säumnis in der Räumung die Anlieger vielfach geschädigt worben {ind.

Meine Herren, eine Schuld an dem gegenwärtigen Zustande kann man der Staatsregierung nicht wohl beimessen. Im Jahre 1835 ift in dem Grenzvertrage mit Rußland gesagt worden, daß Ufer- arbeiten usw. nur mit Einwilligung der beiden vertragshließenden

, Teile und unter Aufsicht der Verwaltungöbebörden vorgenommen

werden follen. Das bewirkt ein etwas umständlihes Verfahren, namentlih da derartige Verhandlungen mit Rußland niht immer sehr \chnell zu Ende gebraht werden können. Dur diefen Grenzvertrag ist die Näumungépflicht als solche in keiner Weise aufgehoben worden. Die Räumungspflicht liegt nicht nur kleinen Leuten ob, sondern & find auch größere Besitzer und durchaus leisitungsfähige Elemente daran beteiligt. Nun werden Sie nit gut verlangen können, daß ier ohne weiteres von Staats wegen ein Grenzfluß von ungefähr 300 km Länge auf Staatskosten geräumt werden soll, während nah öffentlichem Rehte Räumungspflichtige und zum Teil auh Leistungs- fähige vorhanden sind. Herr Graf Ballestrem ist im übrigen nicht richtig orientiert, Venn er meint, ih hätte damals Einspruch dagegen erhoben, daß die g auf Staatskosten erfolge. Das habe ih niht getan. Wenn

ihm das mitgeteilt sein sollte die Sache ist aus dem Bereiche der Korrespondenz zwischen den einzelnen Ressorts noch nit heraus- gekommen —, o is er trrtümlih informiert worden. JIch bin im Gegenteil der Ansicht: wenn bei der Ermittlung der Räumungs- pflichtigen fich herausstellen sollte, daß \ich eine größere Anzahl Leistungsshwacher darunter befindet, so soll möglichst dur Staats- bethilfen geholfen werden. Ich werde diesen Standpunkt der Finanz- verwaltung gegenüber vertreten. Da ich in meinem eigenen Etat keine Mittel dazu habe, so möchte ih dem Herrn Abg. Grafen Balle- strem anheimgeben, bei der Bératung des Etats der Finanzverwaltung auf die Angelegenheit zurückzuklommen. Jh kann unmittelbar für die Sache nichts tun.

Der Herr Abgeordnete hat die Angelegenheit der Räumung der Prosna unmittelbar mit der Polenpolitik und der Ostmarkenpolitik in Verbindung gebraht. Auf dieses Gebiet möchte ih ihm nit folgen, möchte aber doch bemerken, daß er sich hoffentlih noch im Laufe der gegenwärtigen Session davon überzeugen wird, daß seine Annahme irrtümlih war, als feien alle Millionen, die wir bisher in der Ost- markenpolitik ausgegeben haben, ins Wasser geworfen.

Bei der Polenpolitik hat er noch eine Wahlbeeinflufsung berührt, die durch Regierungsbehörden vorgekommen sein soll. In einem feiner Nachbarkreise habe die Regierung an Beamte Zettel mit der Aufforderung geshickt, keinen Polen und keinen Sozial- demokraten, vor allen Dingen aber kein Zentrumsmitglied zu wählen. Mir ist davon nichts bekannt, und nah den Anweisungen, die von der Zentralbehörde ergangen sind, möchte ih doch, bevor ih die Sache untersucht habe, bezweifeln, daß derartige Zettel von der Regierung an die Beamten geschickt worden seien.

Herr Abg. Graf Balleslrem hat dann seine Ansprache mit der Aufforderung an mich geschlossen, ihn und seine politishen Freunde in dem Kampfe gegen das Polentum zu unterstüßen. In durchaus freudiger Zustimmung erkläre ich dem Herrn Abgeordneten, daß ih und die ganze Staatsregierung ihm in dieser Richtung unsere energischsie und intensivste Unterstüßung angedeihen lassen werden. (Bravo! rechts.) Ih rihte an den Herrn Abg. Grafen Ballestrem und seine Freunde auch die Bitte, daß sie umgekehrt die Staats- regierung in threm Kampfe gegen das Polentum gleichfalls unterstützen. (Heiterkeit und lebhafter Beifall.)

Abg. Meyer - Diepholz (nl.) spricht sich für die Aufhebung der Arreststrafe für die Unterbeamten aus.

Darauf wird die Debatte geschlossen. liche Bemerkungen.

Abg. C#ffel (freis. Volkép.) will loyal anerkennen, daß, wenn die Versammlung, von der Herr Strosser spra, erst am 7. Februar stattgesunden habe, sie natürlich keinen Einfluß auf die Reichstags- wahlen gehabt haben könne, hält aber im übrigen seine Ausführungen über die Wahlbeeinflussung aufrecht« ; :

Abg. Fritsch bemerkt, daß der Minister aus seinen Worten nicht den Schluß ziehen dürfe, als ob er und seine Freunde mit der Auf- rechterhaltung der Arreststrafe für den militärisch organisierten Teil der Beamten einverstanden seten; sie wollten vielmehr die Aufhehung für alle Beamten. C i

Abg. Graf Ballestrem erklärt, daß er niht die Regierung zu einer direkten Unterstüßung des Zentrums in dem Kampfe gegen die Polen aufgefordert habe, sondern nur zu einer indirekten; übrigens bobe er diese Aufforderung nur. in seinem Namen, nit in dem feiner

Partei ausgesprochen. Das Gehalt des Ministers wird bewilligt, ebenso ohne Debatte das Kapitel des „Statistishen Landesamts“. Beim Kapitel „Oberverwaltungsgericht“ bittet Abg. Pallaske (konf.) darum, daß das Oberverwaltungsgeriht, wie von der Entscheidung in Schankkonzessionsfachen, so auch von

anderen Materien nach Möglichkeit befreit werde, um eine s{nellere Erledigung anderer Entscheidungen herbeiführen zu können.

Minister des Jnnern Dr. von Bethmann-Hollweg:

Ich möchte nur kurz mitteilen, daß ich in die Erwägungen, die der Herr Vorredner gewünscht hat, bereits eingetreten bin, nämli dahin, ob es mögli ist, die Geshäftslast des Oberverwaltungsgerichts durch Abänderung der Zusländigkeitsverhältnisse zu vermindern.

Wenn das hohe Haus gestattet, möchte ih bei dieser Gelegenheit noch eine Antwort auf eine Anfrage des Herrn Abg. Busch abgeben, was ich vorhin leider versäumt habe. Der Herr Abgeordnete hat mich gefragt im Anschluß an Anträge, die im vorigen Jahre im hohen Hause gestellt sind, ob ich Anordnungen getroffen hätte, daß die amtlihen Publikationen tunlihst in der gesamten Presse, unab- hängig von ihrer parteipolitishen Richtung, erfolgen möchten. Der Herr Abg. Busch hat mir damals eine ganze Reihe von Beschwerden nach diefer Richtung hin eingereiht. Jh habe diese Beshwerden ge- sondert den betreffenden Regterungsprästidenten zugehen lassen und sie bei dieser Gelegenheit auf den Erlaß vom 20. März 1896 hingewiesen, in welchem gesagt worden ist, daß nur folhe Blätter von der Zuwendung amtliher Bekanntmachungen auszuschließen sind, die in ihrer Oppo- sition einen unanständigen oder gehässigen Ton anschlagen. Ich nehme an, daß das hohe Haus mit dieser Anordnung einverstanden ist; denn es wird von den Behörden niht wohl verlangt werden können, daß fie amtliche Publikationen in Blättern vornehmen, welche in ihrer Opposition zu einem unansiändigen und gehässigen Ton

reifen.

\ g Speziale möchte ich noch hervorheben. Unter den Beshwerden des Herrn Abg. Busch befand sich auch eine in welchem Kreise es gewesen ist, weiß ich im gegenwärtigen Augenblick niht mehr —, wonach ein Zentrumsblatt nit berüdfihtigt worden sei. Die Sache ist genau untersuht worden. Jn diesem Falle hat es \sich heraus- gestellt, daß die amtliGen Publikationen zwar in einem Zentrumsblatt stattfanden, aber nit in demjenigen, das der Herr Abg. Bush wünschte. Da aber die Publikationen in einem Blatte erfolgten, das der Rich- tung angehört, die der Herr Abg. Busch in diesent Falle als zweck- mäßig erachtete, damit die Publikationen cine weite Verbreitung fänden,

fo glaube ih, daß dieser Fall damit erledigt ift.

Bei den Ausgaben für die „Versicherungsrevisoren“ bespricht / |

Abg. Franken (nl.) ausführlich die Explosionékatastrophe der Roburitfabrik in Witten vom 28. November v. J. Die dadurch in der Umgebung der Fabrik hervorgerufenen Schäden feien auf etwa 3 Mill. Maik veranschlagt ; die Versiherungsgesellshaften wollten f

Es folgen persön-

i iht der Entschädigung entziehen. a es sih aber unzweifel- A dig vf Aub G Cea Brand handele, so möge E ter 8 wäre

angebraht, wenn die Versicherungsgesellshaften mit herangezogen

die Geschädigten vor langen Prozessen zu hoffen suchen. würden zur Deckung der Koften der s chgeräte und auch zur

Bezahlung der Feuerinspektoren.

m E sei uns Treue leider nicht allein der Süden, fondern selbst Mecklen-

urg über.

Beim Kapitel der „Landratsämter referiert Bericht- erstatter Abg. von Pappenheim, daß auch in der Kommission erneut die Unzulänglichkeit der Dienstaufwandsgelder für “die Landräte anerkannt wordén sei.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Lotichius (nl.) erwidert ein NRegterungskommissar, daß an eine Auflösung des Kreises Meisen- heim nicht gedacht werde. ;

Abg, von Bockelberg (kons.): Selbst der Abg. Cassel hat gestern anerkannt, daß die Landräte bei der leßten Neichöstagswahl sih sehr zurückhaltend gezeigt haben. Aber es is einem Beainten;, der so mit seinem Kreise verwahsen ist, wie es bei den Landräten erfreuliherweise häufig der Fall sei, nit zu verdenken, wenn er als Staatsbürger zu den Wahlen" Stellung nimmt; denn sonst würde er ja zu einem Bürger zweiter Klasse - herabsinken. Wir werden weiter Wert darauf legen, daß ein Landrat innig mit seinem Kreise verwächst. Die Stellung der Landräte, die so außer- ordentlich wichtig für unser Staatswesen ift, könnte vielleiht dabuürh gehoben werden, daß man ihnen eine höhere Rangstellung gewährt ; ebenso müßte unbedingt eine Erhöhung - mindestens des Maximal- gehalts eintreten. j (8

Abg. Marx (Zentr.) : Jh möchte etwas Wasser in den Wein des Herrn von Bockelberg gießen. Der Landrat ist zweifellos eines der wichtigsten Aemter in der Staatêverwaltung, aber das verpflichtet. ihn au gerade defto mehr, unpartetish zu sein. Ich konnte leider bei der Kürze der Zeit. dem Minifter niht mein hier vorliegendes Material zugehen Ae Der Landrat des * Kreises St. Wendel hat in der Gemeinde Berschweiler in einer Wählerversammlung dur den Fvange- lischen Pfarrer verkünden lassen, daß die erlaffene Bauordnung milde

ehandhabt werden solle, was einen außerordentlihen Jubelruf Pervorrief, Weiter wird Beschwerde darüber geführt, daß der Land- rat des Kreises Nottweiler von dem Sieg der nationalliberalen Partei durch ein Telegramm Kenntnis gegeben hat. Jh will von dem -Inhalt des Telegramms zunächst keine Mitteilung -mathen, fondern zunächst den vorgesehenen Jnstanzenzug beobahten. Dieser Landrat hat ferner auh bei Gelegenheit einer ablversammlueg ver- künden laffen, daß er in der Lage sei, ‘circa 80 wegen Vernachlässigung der Straßen erlassene Polizeistrafmandate um eines Formfehkers halber wieder aufzuheben. Der Zweck dieser Aufhebung dürfte doch

allzu durhsichtig seinz “— Minister des Jnnern Dr. von Bethmann-Hollweg: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat an die Spitze seiner Ausführungen den Say gestellt, daß der Landrat der Vertrauensmann des ganzen Kreises sein soll ohne Rücksicht auf die vershiedenen Kon- fessions- oder Partetverhältnifse. Diesen Say unterschreibe ich Wort für Wort. Auch nah meiner Auffassung soll der Landrat fo in seinem Kreise walten und regteren, daß die gesamte Bevölkerung zu thm als Vertrauensmann auffleht, bei dem sie gerechte und fahlihe Entscheidungen in jeder Angelegenheit findet. Wenn der Herr Vor- redner diesen Standpunkt vertritt, so möchte ih ihn doch fragen, ob er diese ideale Vertrauensftellung des Landrats nicht gerade dädurch sehr empfindlich {chädigt, daß er hier im Abgeordnetenhause Be- {werden über das Verhalten einzelner Landräte vorbringt, ohne daß es mir möglich ist, entweder meine Beamten vor der Oeffentlichkeit in Schuß zu nehmen (fehr rihtig! rechts) oder, falls sie etwas Falshes getan haben sollten, ebenso öffentlich und ebenso frei zu erklären, daß fie meinen Tadel verdienen. :

Ueber die Einzelheiten, die mix vollkommen unbekannt sind, und über die nichts in meine Akten geraten ist, kann ih hier heute keine Auskunft geben. Aber ich weiß nicht, ob. nicht das übrige Haus mit mir den Eindruck gehabt hat, als habe der Herr Vorredner, der ja felbst zugibt, daß ex den Tatbestaud nicht habe fest- stellen können, doch in seine Ausführungen einen Ton gelegt, aus dem hervorging, daß er dem betreffenden Landrat die s{chwersten Vorwürfe mache. (Sehr rihtig! rechis.) Das ift meiner Anficht nach ein Verfahren, wie es Beamten gegenüber nicht dienlich ist, die auch nach der Ansicht des Herrn Vorredners eine der erften Stellungen im preußischen Staate einnehmen. Jh möchte daher an den Herrn Vorredner das Ersuchen richten, daß, wenn Verfehlungen der Landräte vorkommen, die Beshwerden entweder im geregelten JInstanzenzug angebracht werden oder, wenn es sich um wihtige Dinge handelt, eventuell mir unmittelbar Kenntnis gegeben wird. Aber hier vor der Oeffentlihkeit folhe Anklagen denn es waren Anklagen dem Ton nah zu er- heben, dabei im selben Atem zu sagen: der Tatbestand ist nicht fest- gestellt, ohne mir die Möglichkeit zu geben, meine Untergebenen in Schutz zu nehmen das kann ih nicht für recht halten; denn es bleibt das alte Wort bestehen: s0mper-aliquid haeret. Das wird der Herr Vorredner doch auch niht wollen. (Bravo!)

Abg. Dr. von Niegolewski (Pole) führt Beschwerde über Wahlbeeinflussungen dur die Landräte in dex Provinz Posen.

Abg. Busch (Zentr.) tritt für eine Besserstellung der Bureauhilfs- arbeiter der Landrâte ein. Es sei wiederholt gewünscht worden, daß diese als Staatsbeamte übernommen würden. Ihre Besoldung sei völlig unzureichend; in einer Annonce seien 25 & monatlich geboten worden. Den Landräten könne man keinen Vorwurf machen,

denn sie müßten diese Hilfskräfte aus ihrer Dienstaufwandsents{ädi- gung Pealden, Es as das beste sein, wenn der Staat die Be- amten übernähme. : : S

Ein Regierungskommissar: Dieser Wunsch ist seit Jahren gotgeprogen worden, aber es ftellen {G der Erfüllung große Schwierigkeiten entgegen. Die Regierung hat wenigstens dadur zu helfen gesucht, daß fie die Beamten unter die Diâtarien eligereibt hat, aber fie erkennt an, daß damit noch niht genügend geschehen ift. Es ist in Ausficht genommen, im nähften Jahre eine Beamtenklasse bei den Landratsämtern einzustellen, die dauernd als staatlihe Beamte bei den Landratsämtern arbeiten und ein auskömmlihes Gehalt be- ztehen sollen, ;

Abg. Or. Dahlem (Zentr.) wendet sih gegen die Beilegung von Zeitungen bei den Kreisblättern, die den Wünschen der Bevölkerung nicht ent|precze. Î M Äb e S (fr. Volksp.): Es ist niht unsere Absicht, den Land- rat zum Staatsbürger zweiter Klasse zu machen, wie Herr Strosser meinte; aber unfere Stellung is damit begründet, daß man die Person des Landrats niht von scinem Amte trennen kann. Die politische Anteilnahme des Landrats ist wesentlich eine Sathe. des Taktes ; er muß verstehen, sein Temperament zu zügeln, damit nicht der Verdacht der Wahlbeeinflussang en. Die Konservativen elbst müßten nah dieser Richtung hîn wirken. ! Mas Es Der Minister bätte gewünscht, daß ih ihm meine Beshwerdefälle vorher mitgeteilt hätte, damit er antworten konnte. Ich habe 0 auch Une etan, vare ur s L Aus, nahmefalle selbst erst vor wenigen Tagen meine In ers Dee Uebrigens habe ih meine Tat}achen lediglih auf Grund der Mitteilungen von amtlichen Kreisblättern vorgetragen.

Minister des Jnnern Dr. von Bethmann=zHollweg:

Nur zwei Worte bitte ih darüber sagen zu dürfen. Wir können nicht ohne weiteres annehmen, daß alles, was in dem redaktionellen Teil der Kreisblätter steht, abfolut ri@tig is und von dem Landrat gebilligt wird. So weit geht die Macht der Landräte nit. Zu der Zeit, als ih selber Landrat gewesen bin, habe ih nicht ieben: Morgen den ganzen redaktionellen Teil meines Kretisblattes gelesen, dazu hätte

mir auch die Zeit gefehlt. Ein gewisser Vorwurf richtete fich dagegen,