1886 / 225 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Sep 1886 18:00:01 GMT) scan diff

fungen mit der Lloyd-Gesellschaft selbst zur Grundlage dienen ollen. Pe st, 23. September. (W. T. B.) Jm Unterhause brahte Apponyi eine JFnterpellation über die bul- garishe Frage ein, welhe er in folgender Weise motivirte: Das FJnteresse ODesterreih:Ungarns schließe die einseitige Ds der Machtsphäre einer ein- zelnen Großmaht am Balkan aus; er frage, ob die Jn- teressen der Monarchie mit der Einmischung Rußlands durh einen Spezialkommissar in die inneren und selbst in die Pisigangelegenheiten Bulgariens vereinbart werden könnten; da ferner wahrzunehmen sei, daß die deutsche Diplo- matie die russischen Bestrebungen in dieser Hinsicht unterstüge, rihte er an die Regierung die Frage: welche Aenderung in dem deutsch-österreichischen Bündnisse eingetreten sei, und aus welchen Gründen dies geschehen sei.

Großbritannien und Jrland. tember. (Allg. Corr.) Der t von Portugal war gestern der Gast des Lordmayors bei einem Gabelfrühstück im Mansion House. Später nahm der König die Guildhall und andere Sehenswürdigkeiten der City in Augenschein. Heute Morgen begab sich der König nah Plymouth, von wo er mit dem Dampfer nach Lissabon: fahren wird.

23. September. (W. T. B.) Der Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Jddesleigh, wohnte heute Nach- mittag in dem Beaconsfield-Klub der Enthüllung des Bildes Beaconsfield's bei und hielt hierbei eine An- sprache, in welcher er die Anwesenden zu der von der tonser- vativen Partei bekundeten Festigkeit beglückwünschte und her- vorhob, er glaube, obwohl noch viele Schwierigkeiten zu be- kämpfen seien, daß die Lage des Reichs im Allgemeinen als eine stabile bezeichnet werden könne und man eine glückliche Ueberwindung aller Schwierigkeiten mit vollem Vertrauen er- warten dürfe.

28. September, Abends. (W. T. B.) Das „Reuter'sche Bureau“ meldet, der Zweck des Meinungsaustausches zwischen Nubar Pascha und der englishen Regierun g sei die Regelung der durch die Mission Drummond Wolff's entstandenen Fragen, welche in Folge der neuen Komplikationen im östlichen

uropa dringender geworden seien. Die wahrscheinliche Basis für das neue Arrangement werde die Fortseßung des englishen Protektorats de facto sein durch Beibehaltung der Ofkupationsarmee in ihrem normalen Bestande. Sollte ein Theil der englischen Truppen an irgend einen anderen Ort zurückgezogen werden, so würde die Ruhe provisorisch durch angeworbene egyptishe Truppen aufreht erhalten wer- den. Die Verpflichtungen Englands gegenüber der Türkei, wie sie dur die Konvention bezüglih Cyperns fest- gestellt sind, würden aufrecht erhalten werden. 24. September, Morgens. (W. T. B.) Der „Stan- dard“ äußert sih über den jüngsten Artikel der „Nordd. Allgem. Ztg.“ dahin, daß England zu einem festen, die russishe Politik auf der Balkan - Halbinsel zurück- weisenden Vorgehen aus den blos platonischen Meinungen wenn England sich erst zur nochmaligen Vertheidi- gung der Türkei entshlösse, würde es nicht ohne mächtige Unterstüßung bleiben keine Grundlage finde. Darauf lasse sih keine - unwiderruflihe Aktion begründen. Wenn man auf das Verhältniß Frankreihs zu Deutschland hinweise, so dürfe man auch die Thatsache nicht übersehen, daß England an Jndien denken müsse und niht Schlachten auf dem europäischen Kontinent s{hlagen könne, während Asien seine Aufmerksamkeit in Anspruch nehme. Angesichts der russischen und französischen Versuche, in Konstantinopel den Einfluß Eng- lands daselbst zu untergraben, werde das europäishe Concert zu einem Scheinbilde, England könne unter diesen Umständen nur Geduld üben und eine bessere Lage der Dinge ab- warten; es bedürfe keiner Bundesgenossen, so angenehm es ihm auch sein würde, mit irgend einer Macht zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zusammen zu wirken. Das eng- lische Reich sei thatsählich unverwundbar gegen jeden An- griff, welcher gegen dasselbe im Schilde geführt werden dürfte, deshalb werde England sich auch nicht durch diplomatische Künste aus seinen Bahnen verdrängen lassen.

Galway, 23. September. (W. T. B.) Heute kam es in Portumna (Grafschaft Galway) zu Ruhestörungen. Die Polizei, welche gegen die Ruhestörer einschritt, wurde von dem Pöbel, der die Verhafteten zu befreien suchte, mit Steinen beworsen und mußte von ihren Stöcken Gebrauch machen, wobei mehrere Personen verwundet wurden.

a. Paris, 22. September. (Köln. Ztg.) Der Kriegs-Minister ist von La Fève wieder zurück- ekehrt, wo er Versuchen mit neuen Wurfgeschossen zur Zer- fiörung von Festungswerken anwohnte. Die Ansprache, welche derselbe an die Offiziere des 12. Corps hielt, liegt jeßt im Wortlaut vor und deckt sich im Wesentlichen mit der Rede, welhe er beim 18. Corps gehalten. Auch hier betonte er die Nothwendigkeit , die Offensiv- Ueberlieferungen des Heeres wieder offen aufzunehmen ; einen Augenblick lang seien die Reglements furhtsam gewesen, jeßt seien sie wieder französisch. Sich auf die Dauer in einer Stellung, wie stark sie auch sein möge, halten, heiße die Nieder- lage erwarten; Boden gewinnen, sei gleihbedeutend mit dem Erringen des Sieges. : :

Die neuesten Nachrihten vom General-Residenten auf Madagaskar melden, daß die Ausführung des Vertrages mit Frankreich noch immer auf Schwierigkeiten stoße; der Resident versichert jedoch, er werde mit Entschiedenheit und Geduld dieselben überwinden. Bei Abgang der Depeshen am 20. August fand \sich der General- Resident noch niht gezwungen, Tananariva zu verlassen, “und seitdem hat die Regierung selbs noch keine dahin gehende Depesche erhalten, sie wird jedoch unver- züglih eine Abtheilung N er Shüßen nah Mada- gaskar abschiden. Die Gerüchte, daß im Süden der

London, 22. Sep-

Provinz Oran ein Aufstand eo sind nicht begründet.

Der „Temps“ meldet, daß bei dem Empfange der fremden Offiziere im Cercle militaire weder Fackelzug noch Militär- musik vorkommen werde; das Abschiedsmahl, das die Armee von Paris den fremden Offizieren gebe, habe durchaus keine öffentlihe Bedeutung. Auf heute Abend sind die fremden Offiziere bei dem General Boulanger zur Tafel geladen.

283. September. (W. T. B.) Jm Ministerrath seßte der Conseils-Präsident de Freycinet die Schwierigkeiten auseinander, denen der Minister-Resident Lemaire auf Madagaskar begegnet sei; derselbe habe en bestimmte

nstruktion erhalten, um die "vollständige Ausführung des

Spanien. Madrid, 22. September. (Köln. Ztg.) Die Königin von Spanien ist in Madrid ange- kommen und mit großer isterung empfangen worden. Sie wird auf den Rath der Minister einige Zeit in der Hauptstadt bleiben. u der verflossenen Naht wurden in Madrid 15 neue Verhaftungen vorgenommen; auch in Saragossa, Valla- dolid, Leon, Valencia und Barcelona sind Republikaner ver- Jane morden. Die Meuterer werden eifrig verfolgt; bei

ranjuez ‘¿anden einige Scharmügel statt, in denen drei Offiziere gefallen sein sollen.

23. September. (W. T. B.) Der General Vill a- campa und* der Kapitän Gonzalez, welche ‘an der Spiße der y ufständishen standen, sind gefangen genommen worden.

Türkei. Konstantinopel, 23. September. (W. T. B.) Der Sultan empfing heute Nahmittag den Herzog von Edinburg und den Mingen Georg, den Sohn des Prinzen von Wales, in feierliher Audienz, welche fast eine Stunde dauerte. Der Sultan verlieh dem Herzog von Edin- burg den Stern zum Osmanie-Orden mit Brillanten und dem Prinzen Georg das Großkreuz. des Osmanie-Ordens.

Zeitungsftimmen.

Die „Danziger Allgemeine Zeitung“ schreibt über praktische Handelspolitik:

Während man in der größten Handelsstadt der Welt, in Eng- land, die Entwickelung Deutschlands auf wirthscchaftlihem Gebiete in so hohem Maße anerkennt, daß man in den deutschen Industriellen und Kaufleuten die gefährlihsten Rivalen der englisben erblickt, können unsere einheimischen Freihändler keine Gelegenheit vorüber gehen lassen, ohne über den angeblichen Niedergang der deutshen Industrie, den die Schußtzollpolitik verschulden foll, zu flagen und den That- sachen zum Troß ihre Prinzipien zu reiten. Mit Worten läßt sich trefflich streiten da wird unsere gegenwärtige Politik, die, wie der Minister von Boetticher am Sonnabend mit Reht im Reichstage sagte, lediglich eine praktishe Handelspolitik ist, zu einer Schutzzollpolitik par excellence gesteut und kritiklos der \{chwierige Absaß der Waaren, über welchen in allen Ländern, ob sie dieses oder jenes han- delspolitishe System befolgen und vorzüglih in Freihandelsländern geklagt wird, den deutshen Zöllen in die Schuhe geschoben.

So benußten denn die Freisinnigen, für welche {hon lange das Mandesterthum zur Parteisache geworden ist, die Verhandlungen über den deutsch-spanishen Handelsvertrag, obgleich sie ihm sämmtlich ihre Zustimmung gaben, um wieder einmal die Heilkraft ihrer Grundsätze zu preisen. Der Abg. Rickert verwies besonders auf die Klagen ein- zelner Handelskammern über den Rückgang des Exports in neuerer Zeit; aber die allgemeine Klage unserer In- dustrie betrifft weniger das Stocken der Ausfuhr, als die schlechten Preise, bei denen ein Gewinn s{chwer zu erzielen ist. Thatsächlih is unsere Ausfuhr gegen früher ganz be- deutend gewachsen, und der Rückgang in der leßten Zeit nicht so be- deutend als in anderen, Ländern. In der Zeit vom 1. Januar bis ult. Juni 1886 ergiebk \i{ch, daß an Roh-, Bruch- und Abfalleisen 43 000 t mehr ausgeführt wurden als 1885, an Eisen-, Ganz- und R 61 990 t mehr als 1885. Die Lage unserer Textil-

ndustrie ist zur, Zeit so günstig, wie seit langen Jahren nicht, mit Ausnahme der mwolk{pünerei. In Wollgarnen sind 1145 Doppel- Centner, in Seide und Halbseiden 450, in Leinen- und Jutewaaren 253 Doppel-Centner mehr exportirt; in Holz, Lederwaaren, Wein, Branntwein ist unser Export gestiegen, ebenfo in Papierwaaren, Glaswaaren. Wenn troßdem der Werth unserer Ausfuhr im Jahre 1885 einen Rükgang gegen die Vorjahre aufweist, so beruht der leßtere vorzüglich auf dem Rückgang der Waaren- preise. Es gehört doch eine große Harmlosigkeit dazu, den ver- minderten Werth der Ausfuhr als Beweismittel gegen die herrschende Wirthschaftspolitik zu A ohne zu berücksihtigen, daß Vieh, Zucker, Spiritus, Eisen 2c., Hauptausfuhrartikel, im Preise so außerordentlich gefallen sind. Sehr treffend war daher die Bemerkung des Geheimen Raths Schraut: Wenn wir bei unserer Ausfuhr von 1886 die Preise des günstigsten Frei- handelsjahres zu Grunde legten, würden wir auf eine Berechnung von über 4 Milliarden Ausfuhr kommen, eine Zahl, wie sie kein einziges Freihandelsjahr aufweisen kann. Der genannte Kommissar der ver- bündeten Regierungen legte außerdem noch dar, daß es lediglih das Verdienst unserer gesteigerten Waarenausfuhr in den leßten Jahren sei, wenn -wir die 600 Millionen Gold, die 1874 bis 1878 in Folge der Unterbilanz der deutschen Ausfuhr im Verhältniß zur fremden Einfuhr ins Ausland geflossen sind, wieder hereinbekommen haben. Nach alledem bliebe zum Beweise der Schädlihkeit unserer praktischen Handelspolitik nur übrig, darzulegen, daß sie die Preise in der geschilderten Weise so ungünstig beeinflußt habe. Dem steht aber entgegen, daß die Preise niht bei uns allein, sondern überhaupt auf dem Weltmarkt gesunken sind, und daß z. B. in England die Pro- duktions- und Lohnverhältnisse theilwei;e noch viel ungünstiger liegen als bei uns. Außerdem sind ja billige Preise nah freihändlerischen Grundsäßen ein Glü, welches herbeizuführen der größte Vorzug des Bamberger-Rickert’\{chen Systems sein soll. An welcher Stelle man au die Begründung der Gegner unserer Handelspolitik untersuchen mag, allenthalben stellen sih logishe Wider- sprüche oder Widersprüche mit den Thatsachen heraus.

Die (Leipziger) „Monatsschrift für Textil- Jn dustrie“ meldet aus Chemniy:

Wenn man den Aeußerungen einiger Fabrikanten vollen Glauben schenken kann, so haben diese {hon jeßt bis in den März nächsten Jahres hinein volle Beschäftigung in den leiten ganzseidenen Hand- schuhen, einem der wenigen Artikel, die jeßt wirklih lebhaft gefragt sind. Dem gegenüber kann man es kaum “* verstehen, daß in den

i einem so lebhaften Begehr unbedingt der Fall sein sollte. Nebenher laufen auch Aufträge in besseren, wenn auch nicht ent: \chweren Waaren ein, welhe zu den niedrigsten Preisen

nnabme finden, da hier ein großer Mangel an Beschäftigung vorliegt. ..,. Strumpfwaaren bleiben dauernd sehr lebhaft und finden zu mindestens sehr zufriedenstellenden Preisen flotten Absat. Die in leßter Zeit verlangten Mehrforderungen sind zwar nit immer ganz durgeseßt worden, aber sie tragen jedenfalls dazu bei, dem Ge- \chäft eine dauernd feste Haltung zu geben. Für den Augenblick ist zwar etwas Ruhe in dem Verkauf eingetreten, aber bis zum nächsten Frühjahr haben wir jedenfalls noch eine weitere Verkaufszeit zu er- warten, in welcher die übersceischen Firmen wiederholt auf dem Markt erscheinen werden.

Statistische Nachrichten.

Na Mittheilung des Statistishen Amts dec Stadt Berlin

find bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom

12. September bis incl. 18. September cr. zur Anmeldung gekommen:

Sn vet bungen, 904 Lebendgeborene, 24 Todtgeborene, 966 erbefälle.

Stand der Königlih \sächsischen Altersrenten - bank am Schlusse des Jahres 1885. Seit dem Bestehen der Altersrenkenbank (errihtet durch S vom 6. November 1858

ertrages Pee A rei Die Lage in Annam und Tongking bessere sih fortdauernd.

A auc nit die mindeste Besserung zu verspüren ist, was do | e

Königlich sächsishen Statistishen Bureaus“ überhaupt 5392 Einlage: konten eröffnet und auf dieselben im Ganzen 17 355 Einlagen gelei et worden, von wel lepteren 9592 auf das männliche, 7763 auf dag weiblihe Geshlecht fallen. Die Gesammthöhe der bis Ende 188 bewirkten Einzahlungen stellt sich auf 6 415 463,24 4, wovon bei 5 901 983,65 M auf die Nückgewähr verzichtet und bei 913 47959 M dieselbe vorbehalten is. Die insgesammt“ erworbenen Rentenanwart, schaften haben, einshließlich der durch nachträglichen Verzicht auf 53 957,35 ursprünglih vorbehaltener Einlagen erlangten Zuwachs, renen euen ZAeeTon e L M erreicht ; die aus. gezahlten Renten aber beliefen sich am ;lufse des Jahres 18

E G lih anhaltishe K ite Q E

Das Herzoglih anhaltishe Konsistorium veröffentlicht ; „Anh. St.-A.* eine tabellarishe Uebersicht über die Gebuetn und Taufen, Eheshließungen und Trauungen und ander Aeußerungen des kirchlihen Lebens in den Kircenkreisen der evan- gelishen Landeskirche im Herzogthum Anhalt im Jahre 1885.

In der betreffenden Bekanntmachung heißt es:

Das Resultat der angestellten Erhebungen ist kein ungünstiges, wenn auch nicht in allen Beziehungen ein Fortschritt zum Bessern konstatirt werden kann, in einigen sogar ein Rückschritt, wenn au nur ein geringer, zu beklagen ist.

Der Ausfall bei den Taufen beträgt 0,47 % geaen 0,41 % im Vorjahre, 0,48 %% im Jahre 1883 und 0,52 % im Durchschnitt der Jahre 1879/83. Am günstigsten ist das Verhältniß in der Diözese Ballenstedt mit 0,11 % (im Jahre 1884 kein Ausfall), es folgen dann Bernburg mit 0,14 9% (0,30 9% im Vorjahre), Cöthen mit 0,50 9/0 (0,37 %/o im Vorjahre), Zerbst mit 0,60 % (wie auth im Vorjahre), Dessau mit 0,92 %% (0,62 %% im Vorjahre). Eingerechnet sind hierbei 24 Fälle (21 im Vorjahre und 22 im Iahre 1883), in denen Kinder im Alter von über 8 Wochen ungetauft verstorben sind, und 13 Fälle (12 im Vorjahre und 14 im Jahre 1883), in welchen Kinder ungetauft mit ihren Eltern verzogen sind, über deren ander- wärts vollzogene Taufe dem Geistlichen des Geburtsortes eine Nahe riht nicht zugegangen ist. -

Ausdrücklich verschmäht ist die Taufe nur in 5 Fällen = 0,06 %, gegen 2 Fälle = 0,02 %% im Vorjahre und 4 Fälle =— 0,05% im Jahre 1883, und zwar in je einem Falle in den Parochien Alten, Def Georg in Dessau, Raguhn nnd in 2 Fällen bei St. Marien in

ejjau.

,_ Von den im Jahre 1884 geborenen 1014 Kindern, deren Taufe für das Jahr 1885 als sicher zu erwartend bezeichnet wurde, sind 1004 als getauft nachgewiesen.

Bei den Trauungen beträgt der Ausfall mit Eins{luß von 3 Paaren (5 Paare im Vorjahre und 7 Paare im Jahre 1883), welche ungetraut verzogen sind, und von 5 Paaren (6 im Vorjahre und § im Jahre 1883), welchen die Trauung aus kirhlichen Rücksichten ver- sagt wurde, 0,75 9% gegen 0,79 9% im Vorjahre, 1,05 9/0 im Jahre 1883 und 1,19 9% im Durchschnitt der Jahre 1879/83. In der Diözese Ballenstedt ist kein Ausfall zu verzeihnen. Weiter folgen die Diözesen Zerbst mit 0,26 9%/ (im Vorjahre 0,30 9%), Bernburg mit 0,48 0/0 (0,77 %/0), Dessau mit 0,66 9/6 (0,71 9%), Cöthen mit 2,22% (im Vorjahre 1,57 0). Mit Ausnahme der Diözese Cöthen ist der Prozentsaß überall niedriger geworden.

Ausdrücklih vers{chmäht ist die Trauung in 9 Fällen = 0,40% gegen 6 Fälle = 0,28 9% im Vorjahre, 7 Fälle = 0,33 9% im Jahre 1883 und 17 Fälle = 0,83% im Jahre 1882, und zwar von 5. Paaren in der Stadt Cöthen, je einem Paare in Großpaschleben und Hectlingen und 2 Paaren in Leopoldshall.

Ein Paar, das die Ehe bereits im Jahre 1877 ges{lossen, ein O vom Jahre 1878, eins vom Jahre 1879 und 3 Paare vom

ahre 1884 haben die kirchliche Trauung im Jahre 1885 nahgeholt. Ein Paar ist katholisch und evangelisch getraut.

Versagt ist die Trauung 2 Paaren in der Stadt Dessau und 3 Paaren in der Stadt Cöthen.

Die Zahl der unebelihen Geburten hat sich vermindert. Es wurden 809 Kinder unehelich geboren = 8,89% aller Geborenen, gegen 880 = 9,79% im Vorjahre, 9,20% im Jahre 1883 und 9,05 9/0 im Durchschnitt der Jahre 1879/83. Am ungünstigsten ist das Verhältniß in der Diözese Cöthen mit 10,92% gegen 11,98% im Vorjahre. Es folgen dann Dessau mit 10,59% (11,18% im Vorjahre), Ballenstedt mit 9,07-9/4 (9,47 9% im Vorjahre), Zerbst mit 8,41 0/0 (8,88% im Vorjahre) und Bernburg mit 6,55% (8,62 9% im Vorjahre). Das Verhältniß is also, wie im ganzen Lande, so auch in jeder cinzelnen Diözese ein besseres geworden.

__ Getauft wurden hiervon 724 Kinder = 89,5 %, gegen 86,93 % im Vorjahre, 86,35 9% im Jahre 1883, aber 90,93 0, im Jahre 1882,

Die Zahl der Kommunikanten hat sih in erfreuliher Weise um ca. 1000 Personen erhöht.

_Es kommunizirten 66 721 Personen = 27,78 9% der evangelischen Gesammtbevölkerung gegen 65 782 Personen im Vorjahre und 65 896 Perfonen im Lutherjahre 1883. Der Prozentsatz beträgt in den Diözesen Dessau 26,33 9%, Zerbst 34,54%, Cöthen 23,27 °%, Bernburg 24,44 9/0, Ballenstedt 35,80%, ist also in Cöthen am niedrigsten, in Ballenstedt und Zerbst am höchsten. Obenan stechen die Parochien Köselts, Weiden, Werpen und Zieko, in welchen über 100 % der evangelishen Gesammtbevölkerung fkommunizirten. Zwischen 50 und 100% halten si die Parochien Horstdorf, Lausigk, Rehsen, E Bone, Bornum, Buko, Deeß, Gödnit, Griebo, Klieken, Lepte, Natho, Nutha, Steäby, Steuß, Straguth, Strinum, Wertlau, Preußliy, Gröna, Mehringen, Kleinmühlingen, Rath» mannsdorf, Badeborn, Neudorf, Razisleben und Schielo, unter 20% aber gehen herab Alten, Dessau, Pötniß, Quellendorf, Coswig, Roß- lau, Zerbst, Cöthen, Edderiß, Großpashleben, Wörbzig, Bernburg St. Aegidien, Güsten, Leopoldshall, Neundorf, Schakstedt und Unter-

im Ganzen

wiederstedt.

Am niedrigsten stechen Roßlau mit 11,8 %, Leopoldshall mit 12,8 9% und Güsten mit 13,4 %%o.

___ Von den 5517 Gestorbenen sind 2880 = 52,20 9% unter kir- licher Mitwirkung beerdigt, während das Vorjahr 50,2 9/0, ‘das Jahr 1882 aber 54 %% nachwies.

__ Die Zahl der Gemeinden, in denen regelmäßig Jugendgottes- dienste abgehalten werden, hat si im Laufe des Jahres von 32 auf 57 erhöht, von welchen nur 3 auf die Diözese Cöthen entfallen. Wir empfehlen diese wichtige Sache wiederholt zu einem Versuche auch in anderen Gemeinden.

Die Ausübung des kirhlichen Wahlrehts ist noch immer be- dauerlich gering.

Bur evangelischen Kirche sind übergetreten 12 Personen, und zwar je eine in den Parochien Alten, Köseliß, Roßlau, Prosigk, Bernburg, Drohndor?, Leopoldshall, Großmühlingen und je 2 in Dessau und Rathmannsdorf; ausgetreten aus derselben sind 5 Personen und zwar 4 in Buko und 1 in Leopoldshall.

Die kirhlihen Kollekten, exkl. Klingelerträge und Hauskollekten, Cu ua Ertrag von 12 579,15 M ergeben gegen 12 278,42 f, im

ahre ¿

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Betriebs - Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands. Vom 11. Mai 1874. In der durch die Beschlüsse des Bundesraths abgeänder‘en Fassung, Mit Erläuterungen von Carl Foerster e Ausgabe B, (Mit Anlage D.) Berlin 1886. Franz Siemenroth. bgleih \chon sehr shäßenswerthe und eingehende Erläuterungen zum Betriebs- Reglement für die O Deutschlands von hervorragenden la a add erschienen sind, so fehlte es do bis jeßt noh an einem )andbuche, welches den gesammten Text des Betriebs-Reglements für die Eisenbahnen Deutschlands in (Ea jeßigen Fassung dur wörkt- lihe Wiedergabe der von den deutshen Bahnverwaltungen erlassenen, zur Zeit gültigen Spezialbestimmungen ergänzt und in frapyier orm, aber do ausreichend für den praftishen Gebrauch des As Beamten und des Handelsstandes, erläutert. Dem längst empfundenen

und am 3. Januar 1859 dem öffentlihen Verkehr übergeben) bis zum Schlusse des Jahres 1885 sind nach ‘den Angaben der „Zeitschrift des

Mangel eines solchen Handbuches is jeßt durch die vorliegende Arbeit möglichst abgeholfen. Dem ortlaut des Betriebs-

Reglements, das von vielen lehrreihen Anmerkungen begleitet wird, folgen 3 Anlagen (A. Erklärung, betreffend mangelhafte Verpackung; B. C. Fractbrief-Formular für gewöhnliches und für Eilgut; D. Be- stimmungen über bedingungsweise zur Beförderung auf Eisenbahnen ugelassene Gegenstände). in „Nachtrag“ enthält die vom Bundes- eib beschlossenen Ergänzungen und Abänderungen der Anlage D. Dem Betriebs-Reglement vom 11. Mai 1874 geht eine kurze ge- shitliche Einleitung über die verschiedenen früheren Cisenbahn- Betriebs-Reglements, die endlih in das Reglement vom 11. Mai 1874 übergingen, vorauf. Ein Auszug aus dem deutschen Handels- gesceßbuh (Tit. 1V u. V, betr. das Speditionsgeschäft und das Fras geshäft) endlich ist dem vorliegenden nüßlichen Werken als besondere Beilage beigefügt. Benutt und bezw. berücksichtigt sind zur vor- liegenden Arbeit die Werke von Dr. Eger (Fractreht), Kühlwetter's und Rudckdeschel’s Kommentar, das deutsde Handelsgesezbuch, das Vereins-Betriebs-Reglement, das österreihisch-ungarif e Betriebs- Reglement, das Bahnpolizei-Reglement, die Entscheidungen des Reichs- Ober-Handelsgerihts und des deutschen Reichsgerichts, die preußischen Ministerial-Erlasse, die Eisenbahn-Vereins-Zeitung, die neuen preußi- hen konformen Expeditions-Vorschriften vom 1. April 1886 und andere Schriften, auf welche in den Erläuterungen Bezug genom- ist.

B E demselben Verlage erschien glei{falls in diesem Jahre noh cine andere Ausgabe (Ausgabe A) desselben: Betriebs-Regle- ments für die Eisenbahnen Deutschlands vom 11. Mai 1874, die sich von der Ausgabe B nur dadurch unterscheidet, daß sie die Anlage D (Bestimmungen über bedingung8weise zur Beförderung auf Eisenbahnen zugelassene Gegenstände), nebst dem Nachtrage zu dieser Anlage D nicht enthält. i i

Mit den soeben erschienenen Lieferungen 32/33 ist das seit 1883 im Erscheinen begriffene große Werk: Die Geseßgebung des Deutschen Reichs von der Gründung des Norddeutschen Bundes bis auf die Gegenwart. Mit Erläuterungen und Registern herausgegeben von B. Gaupp, Geh. Negierungs-Rath, A. Hellweg, Landrichter, Dr. R. Ko), Kaiserl. Geh. Dber-Finanz-Raih, M, Neubauer, Ober-Landesgerichts-Rath, W. L. Solms, Ober-Corps- Auditeur, R. Sydow, Geh, Postrath, W. Turnau, Reichsgerichts- Rath, F. Vierhaus, Régierungs-Rath. Verlag von J. Guttentag (D. Collin) in Berlin und Leipzig zum vorläufigen Abschluß gelangt. Der Preis des ganzen fünfbändigen starken Werkes beträgt 50 H, in eleganten Halbfranzbänden 57 H 50 Z. Wir haben son beim Erscheinen jeder einzelnen Lieferung auf die Reichhaltigkeit des Inhalts hingewiesen und können es uns daher beim Abschluß des Wer- fes nicht versagen, noch einmal ausführlich darauf zurückzukommen. Die erausgeber und der Verleger haben sich mit der Publikation dieses e ein unbestreitbares und großes Verdienst erworben, das um so lebhafter anerkannt zu werden verdient, als die Arbeit eine sehr \{hwierige war. Alle Diejenigen, welhe mit dec Reichs-Geseßgebung zu thun haben, stehen, falls sie nur die 20 Bände des „Reichs-Geseß- blattes“ und die 13 Bände des „Central-Blattes“ vor sich haben, oft mit einer gewissen Verzweiflung vor der Frage: „Was gilt noch und was gilt nicht mehr?“ Die Guttentag'\he Gesetzgebung, “welche das gesammte Material vom Jahre 1867—1884 in der jeßt geltenden Fassung giebt, bietet unter diesen Umständen, da es die ebenso \{chwie- rige wie zeitraubende Arbeit des Nahschlagens und Zusammensuchens erspart, eine wesentliche Erleichterung der Arbeit, zumal, nachdem in der Schlußlieferung dem Ganzen ein vorzügliches, alphabetishes und chronologishes Register, außer den Spezialregistern in jedem einzelnen Band, beigegeben is. Der Text ist der offizielle; die Anmerkungen der Verfasser geben in jedem Falle genaue und sichere Kunde über den bestehenden Rechtszustand. .

„Pädagogik für höhereLehranstalten.“ Von Clemens Nohl, Schuldirektor. Zweiter Theil. Die Methodik der einzelnen Unterrichtsgegenstände. Berlin, Verlag von Theodor Hofmann. 1886. Der vorliegende zweite Theil zerfällt in zwei Abtheilungen, von denen eine jede 2,40 M kostet. Inhalt der ersten Abtheilung: Ein- leitung. Die Herbart-Ziller he Schule. T. Der evangelische Religionsunterriht. 1) Vorbedingungen. 2) Bibellektüre. a, Der Stoff. b. Die Methode. 3) Geographie von Palästina. 4) Kirchen- geschichte. 5) Bibelkunde. Kirchenlied. Glaubenslehre. 6) Schluß- betrahtung. 11. Die deutshe Sprache. 1) Der Lektüre-Unterricht. a, Der Stoff. b. Die Methode. 2) Die Poctik._ a. Der Stoff. b, Die Methode. 3) Die Literaturgeschichte. 4) Der Screibunterricht. a. Das Schönschreiben und das Schnellshreiben. b. Das Recht- shreiben und die Interpunktion. e. Der Aufsaß. 5) Die Grammatik. a. Der Stoff. b. Die Methode. Inhalt der zweiten Abtheilung: 11I, Französische und englische Sprache. Einleitung. 1) Die Aussprache. a, Französische Aus\pracheregeln. b. Englische Ausspracheregeln. 9) Die Grammatik. 3) Die Lektüre. a, Zwe der Lektüre. Þ. Die Uktürestoffe. e. Vorausseßungen eines gedeihlichen Lektüre-Unter- richts. d. Die Methode. 4) Die Literaturgeschichte. 5) Die Kon- versation, 6) Schriftliche Arbeiten. 7) Synonymik und Etymologie. IV. Lateinishe und griehishe Sprache. Einleitung. 1) Die Aus- sprahe. 2) Die Grammatik, a. Zweck derselben. b. Der Stoff. e, Die Methode. 3) Die Lektüre. a. Der Zweck, b. Der Stoff. e, Die Methode Cornelius Nepos. Julius Cäsar. Opvidius. Vergilius. Horatius. Xenophon. Homer. 4) Die Literaturgeschichte. 5) Die schriftlichen Arbeiten. 6) Etymologie und Synonymik. Schlußbetrahtungen. Der Verfaßer macht in dem vorliegenden ¡weiten Theil seiner „Pädagogik für höhere Lehranstalten“ bezüglich der Methodik beim evangelishen Religions-Unterricht, sowie beim Unterricht in der deutschen, französischen, englischen, lateinischen und griehishen Sprache Ansichten geltend, welde von den jeßt herrschen- den sehr abweichend sind, so daß cer gewiß bei der großen Mehrheit seiner Fachgenossen auf den entschiedensten Widerspruch stoßen wird. Insbesondere der für die Betreibung der alten Sprachen aufgestellte &hrplan und Unterrichtsgang unterscheidet sich von dem auf unseren Gymnasien üblichen aufs Wesentlihste. Derselbe läßt u. A. den alten Sprachen die neueren fremden voraus- und zur Seite gehen, verlegt die \{chwierigere Beschäftigung mit den alten Sprachen aus\{ließlich in die Jahre größerer geistiger Reife (Anfang des lateinischen Unterrichts in der Unter-Tertia, des griehishen in der Unter-Secunda), läßt die drei untersten Klassen ganz, die nächsten drei fast ganz mit denselben Klassen der übrigen höheren Lehranstalten übereinstimmen, wodurch die Wahl des Berufs der Schüler fast bis ins sechzehnte Lebensjahr hinausgeschoben werden könnte, und will somit den Eltern und Lehrern möglich machen, an den Fortschritten der Schüler in den leihteren neueren fremden Sprachen zu erkennen, ob leßtere den größeren Schwierigkeiten der alten gewachsen seien und demnach für das Univezrsitätsstudium sich eigneten. Immerhin wäre es wünschenswerth, wenn die gemahten Reformvorschläge, welche wohl so manche heilsame Anregung veranlassen dürften, von Schulmännern und Schulfreunden einer ruhigen und gewissenhaften Prüfung unter- ¿zogen würden. :

London, 23. September. (W. T. B.) Wie dem „Reuter- \{en Bureau“ aus Zanzibar vom 23. d. gemeldet wird, befand \ih nah den leßten dort eingegangenen Nachrichten der Afrikareisende Junker in Mfalala, südlih des Victoria-Nyanza und beabsichtigte,

nah Zanzibar weiter zu reisen. 2

A Gewerbe und Handel.

London, 21. September. (Allg. Corr.) Der _ britische Konsul in Chefoo in China schreibt in seinem amtlichen Be- riht: „Bezüglih der Schiffahrt ist es bemerkenswerth, wie sich die Zahl der deutshen Dampfer, welche diesen Hafen besuchen, vermehrt. Die Schiffe sind sehr N eingerihtet und rauhen namentli verhältnißmäßig wenig Kohlen. Die deutschen Kapitäne und Schiffs-Offiziere begnügen sich mit niedrigerem Gehalt als die englishen, und das Resultat ist, daß deutsche Dampfer Frachten zu billigeren Raten befördern können, als englische. Auf den britishen Segelschiffen vertreibt der billigere ausländische atrose den englishen Seemann. Auf den meisten britischen Segel-

Steuerleute sind gewöhnlich Deutsche oder Skandinavier und die Mannschaft besteht aus Malayen, Chinesen und Japanern.“ ; London, 23. September. (W. T. B) Wollauktion. Stimmung sehr fest, australishe Kreuzzuhten, \{chneeweiße Kapwolle zu Gunsten der Verkäufer.

Bradford, 23. September. (W. T. B.) In Wolle gutes Geschäft, stetig, Lustrewolle anziehend, in Garnen großes Geschäft, Stoffe besser. 24 ats

Submissionen im Auslande. S

Oesterrei. r

31. Oktober. K. K. Bergdirektion zu Przibram. Lieferung von

metallenen und sonstigen Materialien für den Betrieb im Jahre 1887.

U Die näheren Bedingungen zur Einsicht beim „Deutschen Reichs- nzeiger“.

MERDNE? ra K S

Sanitätswesen und Quaranutänewesen.

Oesterreich-Ungarn. Das Königlih ungarishe Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel hat durch Verfügung vom 15. September 1886 für Pro- venienzen der italienischen Küste vom Kap S. Maria di Leuca bis zum Golf von Gaëta eine 7 tägige Quarantäne angeordnet. Gleichzeitig hat die Seebehörde zu Fiume die für Provenienzen aus Gradac angeordnete Quarantäne (,„,R.-A.* Nr. 209 vom 6. Sep- tember 1886) aufgehoben. [Rußland.

Wegen des Ausbruchs der Cholera in Ungarn is vom 18. Sep- tember 1886 an für die aus Ungarn und Wien kommenden Reisenden eine ärztlihe Visitation in Graniza und Sosnowice angeordnet worden.

Berlin, 24. September 1886.

Jubiläums-Kunstausstellung.

Aus der von russishen Künstlern veranstalteten Sammlung er-

wähnen wir zunächst Siemirad zki's Bild: „Christus bei Maria und Martha“, welches den orientalishen Charakter der Personen und

der landschaftlihen Umgebung in ibrer Eigenart wiedergiebt und durch die sih in ihm kundgebende feiertäglihe Stimmung erhebend auf den Beschauer wirkt. Woldemar Makowsky führt uns in seinem figurenreihen Bilde: „Aus dem Volksleben Moskaus“" das Leben und Treiben in der alten Residenzstadt in anziehender Weise vor. Kräftig gezeichnet und tüchtig harakterisirt treten uns die originellen Figuren entgegen, die des Malers Hang zum Humoristishen in verschiedenen Merkmalen verrathen. Gleichfalls als feinen Schilderer des Menscbenantlites und der sih in ihm aussprehenden Empfindungen zeigt sich Zagorsky in seinen „Bauern nach einer Mißernte", deren traurige Stimmung der Maler beredt wiederzugeben verstand. Durch geshickte Komposition und ruhige Behandlung der in Gruppen zusammen thätigen Figuren zeichnet sich Kowalewsky in seinen „“ usgrabungen in Rom“ aus; vielleicht hätte ein etwas kräftigeres Kolorit die müh- same Zeichnung noch gehoben. Dimitrieff Orenburgsky verseßt uns in cin sauber gezeichuetes Pariser Atelier, welches mit Rüststücken und Waffen verschiedener Art gefüllt ist. Die Schlachten- malerei ist durch Maniser vertreten, der eine bewegte Scene aus einer Redoutenerstürmung bei Nikopol in anziehender, wenn auch keineswegs hervorragender Weise vorführt. Jacoby's „Eishaus

wird vermöge des wunderlihen Stoffs und der effektvollen Aus- führung auch an dieser Stelle Zuschauer anziehen, die \chließlich über dem sonderbaren Vorwurf nicht die Feinheiten der Arbeit vergessen werden. Wereschaschegin ist in diesem Raume durch sein großes Bild: „Gregor der Große, die Geldgier bestrafend" vertreten. Von Tomaschewsky-Boncza schen wir das allzu glatt und sauber gemalte Bild: „Peter der Große am Monument Richelieu's*. Foh. Pelevin stellt ein kleines, ansprehendes Genrebildchen „Ein Brief" aus. „Der falsche Demetrius“ von Carl Wenig ift cine theatralish zugestukte Scene, welcher der Zuschauer weder vom ästhetishen noch Tünstlerishen Standpunkte aus großes Interesse entgegenbringt. Alex. Kiwschenko’s „Kriegsrath“ weist recht wirkungsvolle Feinheiten auf. E ; :

An landschaftlihen Gemälden finden wir eine kleine, aber recht achtenswerthe Sammlung. Besonders hervorgehoben zu werden ver- dient J. von Klever's prächtige Abendlandschaft am Peipussee, in welcher die meisterhafte Behandlung des in den Wipfeln hochragender Kiefern verglühenden Abendroths, des Wiederscheins an dem winter- lihen Himmel und der beschneiten Uferlandshaft von entzückender Wirkung ist. Nicht minder verdienstvoll ist O. Hoffmann's Gemälde: „Am finnishen Meerbusen“, das sih dur feine Behand- lung des Schnees auszeichnet. Hierin leistet auch_ Alex, von Peters in seinem „Reih des ewigen Schnees Hervorragendes. Die Großartigkeit der eisigen „Gebirgsland- \chaft hat er wirkungsvoll wiederzugeben gewußt. J. Fedderes führt uns in eine beshncite Straße Belgrads von ungemein melancholishem Charakter. Moros off stellt cinen sauber aus- geführten Baumschlag in heller Sonnenbeleuchtung aus. Von eigenartigem Reiz ist J. Kratschkowsky's „Sommerfeld , in welchem er namentlich das zwishen zwei Hütten hell in ein grünendes Kornfeld fallende Sonnenlicht zu einem hübschen Effekt zu verwerthen verstand. Aiwasowsky verseßt uns mit seiner Marine vom goldenen Horn in eine zauberisch \chöne orientalische Landschaft, welche er durch die eigenartige Beleuhtung Dämmerung im Hafen und heller Sonnenglanz auf den Dächern und Thürmen der Stadt so überaus reizvoll für den Zuschauer zu gestalten wußte. Const. Krishißky weiß uns die Schwermuth einer Dnjepr- landschaft anziehend zu veranshaulihen. Von Constantin Makowski schen wir ein gefällig ausgeführtes Porträt, eine junge vornehme Frau mit zwei braunlockigen Kindern ausgestellt. Jm Anschluß hieran seien kurz die von den {kandinavischen Künstlern ausgestellten Gemälde erwähnt. Es sind vornehmlich Landschafts- bilder, denen wir begegnen, und erwähnen wir zunächst G. Munthe's: „Wintertag in Norwegen“, in welchem er uns in {weren Tönen den düstern Charakter der geschilderten Landschaft zu veranshaulichen weiß. Smith-Hald if dur eine zart ausgeführte Winter- landschaft, in welcher bescnders die Schneepartien zart behandelt sind, vertreten, und hat außerdem eine prächtige Wasserlandschaft,“ betitelt „Nach dem Regen“, ausgestellt. Thaulow zeigt in seiner Winter- landschaft zu große beshneite eintönige Flächen. Johan Larff en hat eine wirkungsvolle Fischerpartie ausgestellt. Als tüchtiger Land- \castêmalecr zeigt sich Otto Sinding în seinem „Winterbild aus den Lofoten“ und in dem s{lechthin „Landschaft“ bezeichneten Gemälde. B. A. Lindholm „Finnländishe Waldlandschaft“ weist hübsch ausgeführten Baumschlag auf. O. Arborelius verbindet Genre und Landschaft in anmuthiger Weise E Kirche der Gemeinde von Mora in Dalekarclien.* G. Christensen hat es ausgezeichnet verstanden, in seiner „Landschaft am Jueler See“ den zarten Dunst, welcher durch Sonnenliht, Wolkendunst und Nebel sich über das Wasser ausbreitet, zart wiederzugeben. Die Reize der Winter- landschaft sind auch von Th. Niß anziehend in einem Winterbilde veranshauliht. C. Locher's „Strandpartie bei Hornbeck* gewinnt an Reiz dur den aufziehenden Regen. Landschafts- und Thier- malerei findet sih geshickt vereinigt in Uchermann's „Sieg“, der uns einen sterbenden Bären, bei dem Wölfe frien vorführt.

iner Thiergruppe einer sterbenden Löwin nebst Jungen O ‘hat, d ‘Eindrudck des Traurigen. An Städtebildern finden wir zwei im Kolorit lebhafte Ansichten, nämli von der Piazza del Erbe di Rialto in Venedig, ausgeführt von Oskar

JFrminger erhöht durch den finstern landschaftlichen Hintergrund, |

In der Genremalerei gefällt Carl Blo ch's humoristisch gehaltenes Bild: „Der Diener läßt den Hund ein." M. Aner zeigt uns kräftig gezeihnete Fisher bei Skagen. D. Bache's: „Nach der Jagd“ ist bei tüchtiger Zeichnung recht nüchtern. Fr. H enningsen behandelt den düstern Vorwurf „Ein Begräbniß“ in düstern Farben; ganz im Gegensaß dazu Werenskiöld densclben Stoff in bellem, etwas fkreidigem Kolorit bei blendendem Sonnenschein, ein Bild, das durch seine realistishe Ausführung auffällt. Exner hat einen wenig ansprehenden Stoff, ein „Bauernfest bei anbrehendem Morgen ziemli glatt behandelt. Johannsen verwerthete einen wirkungs- vollen Lichteffekt in seiner „Häuslihen Scene“ mit großem Geschick. Vermehren's „Krankenbesuch“ ift zu glatt gehalten. „Dié kleine Susanna“ von C. Larsson, und Krohg's Porträt sind \fizzenhaft in der Ausführung; dasselbe gilt von Heyerd ahl’s „Rubendem Mädchen“. Humoristishen Charakters sind A. Kull es „Kartenspielende Bauern“. Porträts sind ausgestellt von Turen, Stückelberg u. a. m.

Auf dem hiesigen Potsdamer Bahnhofe hat heute früh 4 Uhr ein schr beklagenswerther Unfall stattgefunden. Ein mit Reservisten beseßter Extrazug streifte unmittelbar vor der Halle des Empfangsgebäudes einen vorschriftswidrig etwas über den Distanzpfahl des Nebengleises hinausreihenden leeren Wagenzug, wobei zwei Personenwagen erhebliG beschädigt und von den darin befindlichen Reservisten vom 3. Garde-Ulanen-Regiment [eider aht Mann schwer, drei leiht verleßt worden sind. Die erste Hülfe wurde den Verwundeten von mehreren in der Nähe des Bahnhofes wohnenden Aerzten und Heilgchülfen, welche auf die Benachrichtigung Seitens der Station sofort hberbeieilten, geleistet. Die Ueberführung der Schwerverleßten erfolgte theils in das Garnison-Lazareth, theils in das Elisabeth-Krankenhaus. S Die Untersuhung über die Ursabe des Unfalls ist eingeleitet. Soweit bis jeßt zu übersehen, \heint die Schuld den dienst- habenden Stations-Assistenten zu treffen, welcher sich vor Er- theilung der Erlaubniß zur Einfahrt des Zuges nicht hinreickend überzeugt hat, ob die im Nebengleife befindlihen leeren Wagen h in der vorgeschriebenen und örtlich gekennzeihneten Entfernung von dem mit einer Weiche aus demselben abzweigenden Einfahrtsgleis des Extrazuges befanden. : i

„W. T. B.“ meldet weiter: Dem 3. Garde-Ulanen-Regiment sind die Namen der Verleßten behufs Benachrichtigung der An- gehörigen sofort telegraphisch mitgetheilt. Die Unterfuchung ift ein- geleitet, der dienstbabende Stations-Assistent if vorläufig vom Dienst entbunden. Die Namen der Verleßten sind: Ge- freiter Johann Pawlaczyk aus Trojauowo, Kreis Obornik, Ulan Julius Gutshat aus Alnopönen, Kreis Pillkallen, Ulan Paul Ortel aus Milostrowo, Kreis Birnbaum, Ulan Stanislaus Gill aus Neuhof, Kreis Bromberg, Ulan Gottfried Hasenpush aus Groß Kärthen, Kreis Frtedland, Gefreiter Carl Tennigkeit aus Tilsit, Ulan Johann Rohde aus Uschneider, Kreis Kolmar, Gefreiter Louis Kußner aus Groß-Koßtzenau, Kreis Lüben, Regierungsbezirk Liegniß, Ulan Ignaß Binkowsky aus Neu-Klunkwiß, Kreis Schwedt, Gefreiter Friedrich Haupt aus Schelletwethen, Kreis Niederung, Gefreiter Albert Schachtlinger aus Mockrau, Kreis ‘Graudenz.

Die Volkszahl einiger deutsher Städte im 15, Jahrhundert und die damals übliche Ermittelungs- weise des Standes der Bevölkerung. (Stat. Corr.) Gegen Ende des Mittelalters und im Beginne der Neuzeit wurde nah Jastrow die Volkszahl der Städte auf dreierlei Weise ermittelt, nämli durch Zählung, durch Berechnung oder durh Schäßung. Die Zählung erbrachte natürli die genauesten Ergebnisse, die Berechnung und die Schäßung nur ungefähre. : ; A

Man zählte im 15. Jahrhundert die Bevölkerung vorzugsweise zu dem Zwecke, um den Verpflegungsbedarf der Städte für den Hall einer Belagerung kennen zu lernen. Schon damals begnügte man sich nicht mit der Kenntniß der bloßen Kopfzahl, untershied vielmehr bestimmte Bevölkerungsgruppen. Eine der ältesten Volkszählungen ist die von Nürnberg im Jahre 1449, zu welcher die damalige Belagerung dur den Markgrafen Albrecht von Brandenburg Veranlassung gegeben hat. Es sollte ermittelt werden, wie lange fih die Stadt noch ohne Zufuhr würde halten können. Sämmtliche Verzehrende wurden auf Grund eidlicher Vernehmung der Bürger in Listen aufgenommen. Hiernah betrug die damalige Bevölkerung Nürnbergs 20 165 Personen, von denen 17 583 auf die bürgerlihe Bevölkerung, 446 auf die Geistlich- keit und deren Anhang, 150 auf die jüdische Bevölkerung und 1986 auf sonstige Nichtbürger entfielen. Bringbt man wegen der în Folge der Belagerung nach der Stadt geflüchteten Landbewohner einen Theil der Nichtbürger in Abzug, so läßt sh für das Jahr 1449 Nürnbergs wirklihe Einwohnerzahl auf rund 20 000 Köpfe s{äßen, /

Jene Unterscheidung zwischen bürgerlicher Bevölkerung nebst Geistlichkeit und Juden mit ihrem Anhange einerseits und sonstigen Nichtbürgern anderseits entspriht ungefähr der jeßt üblichen Unter- \cheidung zwischen den zur Wohnbevölkerung gehörigen und den nur vorübergehend anwesenden Personen der orts8anwesenden Bevölkerung. Aus ähnlicher Veranlassung wurde in Straßburg i. Els, während der Jahre 1473 tis 1477 der Stand der Bevölkerung ermittelt, hierbei jedoch nur die \tädtishen Bewohner von den in der Stadt befindlichen Landleuten unterschieden. Die Zählung ergab 26 198 Ortsanwesende, und zwar 20722 Stadtbewohner und 5476 Landleute.

Wollte man die Volkszahl einer Stadt ohne Zählung durch Be- rechnung bestimmen, so ermittelte man in der Regel die Zahl der Haushaltungen und zählte jede derselben zu 5 Köpfen. Auf diese Weise wurde die Bevölkerung von Nostock im Jahre 1410 auf 13 935 Köpfe berechnet, da 2787 Haushaltungen dort vorhanden waren.

Zuweilen \chäßte man die Volkszahl der Städte auch nah anderen Unterlagen, über welche sihere Nachrichten vorhanden waren, i_B. O A abl “a wehrhaften Bürger, nah dem Verbrauche ewisser Nahrungsmittel 2c. O Í Nach VBorstehendem scheinen die großen Handelsstädte Deutsch- [lands im Mittelalter nicht, wie bisher vielfah angenommen worden ist, auch ihrer Volkszahl nach Großstädte, fondern vielmehr Mittel- oder Kleinstädte gewesen zu sein, deren politische Bedeutung durch ihren A und Gewerbfleiß, welche eine für jene Zeit außergewöhn- lihe Wohlhabenheit der Bürgerschaft herbeiführten und innerhalb der Städte beträchtlihe Reichthümer anhäuften, bedingt worden ist. Die wenigen über Nürnkerg, Straßburg i. E. und Rostock mitgetheilten Bevölkerungszahlen lassen freilich über die Richtigkeit dieser Annahme voch kein sicheres Urtheil gewinnen, und es wäre crwünscht, aus dem Material der Archive über die Volkszahl einer möglichst großen Zahl anderer deutsher Städte für jene Zeit Nachrichten zu erhalten. Wenn au eigentliche Zählungen nur selten vorgenommen sein werden, so finden sh in den Aufzeihnungen der Stadtschreiber doch häufig Angaben über die Zahl der Taufen, zuweilen auch über die Zahl der Gestorbenen, welche einen Schluß auf den gleichzeitigen Stand der Bevölkerung gestatten.

Das Verwaltungsbureau der Kaiser- Wilhelms-Stiftung für deutshe Invaliden befindet sich vom 27. d. M. ab Hohen- zollernstraße Nr. 3 parterre. i;

Wien, 23. September. (W. T. B) Cholera- Bulletin. In Triest 4 Erkrankungen, 1 Todesfall, in ae 36 Erkrankungen, 3 Todesfälle, sowie 16 Todesfälle früher Erkrankter, in Fiume 3 Er- frankungen. Am 21. d. M. kamen in Komorn 3 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Neusay 2 Erkrankungen und 1 Todesfall vor.

Im Walhalla-Theater erzielt Dellinger's „Don Cesar“ täglid so gut besuhte Häuser, daß sich die Direktion veranlaßt sicht, diese Operette auch morgen auf dem Repertoire zu belassen.

\hiffen, welche hier einlaufen, befindet sich nicht ein einziger Brite unter den Offizieren und der Mannschaft. Der Kapitän und die

Bijörck und des Corte delle Mende von Eilif Peterssen.