1907 / 60 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

A E O S E E E

liegt etwas ganz bestimmt zu Verwendendes gar niht zu Grunde , es ist eine Summe eingeseßt worden pro forma, um den Titel zu füllen. Talsächlih geschieht es so, daß die T Lenz baut, abrechnet und einen bestimmten Zuschlag bekommt, außerdem eine Prämie, wenn fie s{n-ller baut, als vorgeschlagen ift.

Ferner möhte ich noch dem Herrn Abg. Kopsh antworten. Selbstverständliß hat auch die Firma Lenz mit 212 Millionen das Maximum garantiert, was die Bahn kosten kann. Betreffs des Betriebs liegt die Sache so, daß die Firma Lenz für eine bestimmte Zeit, aber niht über 10 Jahre, zum Betriebe der Bahn gegen Zu- {uß von 550000 M in maximo unter gewisser Gewinnbeteiligung

des Reichs verpflihtet werden soll, daß jederzeit der Pachtvertrag'

wieder aufgelöst werden kann und nah 10 Jahren ohne weiteres ertischt, sodaß hier von einem Monopol nicht die Rede sein kann. Hâtte man, wie der Herr Abg. Kopsch wünscht, den Bahnbau auf dem Wege der allgemeinen Ausschreibung vergeben, so hätte die Frage nur fein können: willst du oder will ein anderer mit weniger wie 7, 8 oder 9 pCt. Zuschlag bauen? Ih habe ab:-r geglaubt, daß mit NRücksiht auf die gemahten Vor- läge fih überhaupt niemand anders würde betèiligen können und mit Nücksicht darauf, daß ein Bahnbau in Afrika mit der Garantie eines Maximums und einer Betriebsführung für 8 bis 9 pCt. nicht etwas Teueres ist und daß man einer Firma von Renommee, die si in Deutschland gut bewährt hat, den Bau wohl zubilligen darf. Andere Einwendungen sind ja wohl niht gemaht worden.

Abg. Ledebour (Soz.): Mit Ausnahme des Abg. Kopsch sind die sämtlihen Redner heute niht auf die Vorgänge vom 13. Dezember 1906 eingegangen, wo man uns hier in den höôchsten Tönen vortrug, daß die Chre Deutschlands auf dem Spiele stände, wenn nicht alles be- willigt würde, obwohl die Regierung hon damals wußte, daß der Aufftand dem Erlöschen nahe war. Schon am 25. Oktober war die erste Nahricht davon hierher gelangt; die Verhandlungen mit den Gingeborenen wurden nur deshalb verzögert, weil eine Anzabl von Groß- leuten noch zur Zustimmung berbeizitiert werden mußten. Der Abg. Kopsh legt die Sache, um die Regierung zu entschuldigen, beute fo dar, daß die Regierung wohl von dieser Sachlage unterrichtet war, aber nur ungewisse Andeutungen darüber durch den Mund des Gouverneurs von Lindequist gemacht habe. Demgegenüber erinnere ih an die s{arfen Erklärungen des Oberleutnants Quade, des Chefs des Generalstabes der Schußtruppe, der uns sagte, es handele [sih nit um 300 Hottentotten, sondern es könnten inzwischen {on 5 bis 600 geworden sein. Auf welche Tatsachen gründete sh diese Be- hauptung? Das steht doch in absolutem Widerspruch mit den Tatsachen, die am 27. Dezember allgemein bekannt wurden, und aud im Wider- spruch mit den ungewifsen S délutCen des Gouverneurs von Lindequist. Darüber müssen wir Aufklärung haben; wir werden sie aber nitt bekommen, weil fie noch viel kompromittierender sein würden als die früheren. Sie (nah rechts) wünschen ja natürli, daß alles im Dunkeln bleibt und die Militärverwaltung freie Hand behält. Der Krieg ift tatsächlich zu Ende; wie kommt nun die Regierung dazu, zu verlangen, daß noch nach dem 1. April 7000 Mann dort verbleiben \ollen ? Darüber follen ja ledigli die militärischen Autoritäten zu entsheiden haben. Ich kann mih dem entgegen auf den ehemaligen Landes- hauptmann von Deutsh-Südwestafrika, Major von François, be- rufen, der {hon am 9. November im „Tag“ für die Verminderung der Schuß!ruppen auf 8 Kowpagnien und 8 Geschüße und erheblich mehr eingetreten ist. Auch das steht im krafsesten Widersvruh mit der niht bewiesenen Behauptung der Kriegsverwaltung, daß 7000 Mann notwendig find. Diese Behauptung kann nit stand halten, wenn François mit 880 Mann und 8 Geschützen auszukommen glaubt. Es gilt hier eben der Wille des Militärkabinetts: stat pro ratione voluntas. Die Notwendigkeit der 7000 Mann werden Sie niemand auf der Welt glauben machen. Daher stammt die allge- meine Auffassung im Inlande und Auslande, daß die Regierung mit diesen 7000 Mann andere Pläne verfolgt. Der Reichskanzler kam selbst auf die Sache zurück, indem er den „Vorwärt8* angriff, der eine engli\che Korrespondenz aufgenommen hatte, wonach diese 7000 Mann weltpolitishen Plänen, auh gegen England, dienen sollten; der Reichtkanzler erklärte diese Ansicht für eine Verleumdung und für baren Unsinn. Der Korrespondent hat eine Anficht wiedergegeben, die in England gang und gäbe ist. -Seit zwei Jahren arbeiten die alldeutshen Phantasiepolitiker in Deutschland mit diesem Gedanken Wir müßten doch eine große Truppenmacht halten, um einen Druck gegen England auszuüben und eventuell in das Kapland einzubrechen. (Große Unrube rechts.) G3 freut mich, diese Ausdrücke der Vers wunderung und des Widerspruches von Ihnen zu hören. Der erste Versu dazu findet sh in dem Buche von Samassa: Das neue Südafrika ; dort wird Deutsch-Südwestafrika als weltpolitisher deutsher Trumpf bezeichnet, der gegebenenfals gegen England ausgespielt werden könne; England laufe eventuell Gefahr, Süd- afrifa ¡u verlieren, denn es ständen jeßt 12000 deutsche Soldaten in Deutsch - Südwestafrika. Ich kann das Zeug nicht alles durhlesen. Am 2. Dezember 1905 aber hat hier im Hause ein Redner die sofortige Annabme des Bahnbaues mit dem direkten Hinweise darauf befürwortet, daß fie im Falle eines Krieges mit England den Truppentran8port erleihtere; die kommissionslofe Annahme der Vorlage werde dem Kaiser zeigen, daß der Reihs- tag seine ernste Mabnung in der Thronrede wobl verstanden babe. Das war der Abg. Lattmann, und seitdem geht dieser Gedanke durch die ganze englishe Presse. Soll ih denn noch mebr vorlesen? (Heiterkeit und Rufe: Nein, Nein!) Also endlih glauben Sie es mir. Der Reihhskanzler aber hat von alledem nichts erfabren ; ahnungslos if er durh die Weltgeshihte gegangen. Aber lauben Sie denn, daß die Vertreter der englishen Presse und

egierung daran auch so ahnungslos vorbeigehzn? Damals hat kein Kommissar und kein Bundesratsmitglied Protest gegen jene Aus- führungen erhoben, die betonten, daß der Kaiser diese Jdee ver- trete. Jh verlese diefe Stelle nochmal83s. (StürmisWer Wider- spruch und große Heiterkeit. Vizepräsident Dr. Paashe: Sie untershäßen die Auffafsung2fäbigkeit des Hauses, wenn Sie die Stelle nohmals verlesen. r große Heiterkeit.) Der Reichskanzler hätte damals auftreten und erklären múfsen, nie- mals haben solch: Ansichten bestanden, dann bätte fich im Auslande das Mißtrauen nicht festgeseßt. Daß erst der „Vorwärts* den Kanzler auf diese planmäßige Behandlung aufmerksam machen maßte, zeigt, wie notwendig und unentbeh-clih der ärts“ für unseren Reichs“ kanzler ift. Sonst würden Sie noh beate abaungslos im somnam- bulen Zustande #sch befinden. Der Reichtkanzler bat sih au heute wieder der Verpflihtung, uns bier Rede zu stehen, entzogen. (Vizepräsident Dr. Paasche: Sie haben niht das Nebt, die Tätig- leit des Reichskanzlers so zu kritisieren; ob der Reichskanzler bier er- scheinen will oder nit, hat der Herr Abgeordnete nit zu entscheiden.) Wir haben zu entscheiden, wie wir den Kanzler zu fritisieren haben, solange dies in parlamentarishen Ausd-ück:n geschieht. Der Kanzler hat sich der Verantwortung für Behauptungen, die, wenn sie niht wahr sind, Verleumdungen wären, ent- jogen und weder selbst noch durch einen Vertreter, nit einmal durch den Geheimrat von Loebell, eine Antwort erteilt. Der Kolonial direktor hat wieder wirtschaftlih-politishe Beweise für die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit Südwestafrikas vorgebracht, di mehr als harms\oser Optimismus waren und auch Bernstein Calwer geprüft haben würden. Was sfoll man dazu fagen, è in den 50. Millionen Ausfuhrprodukten 40 Millionen, §9 pCt,, Arbeitslöhne \tecken. So etwas würde man nicht einmal bei einem Husarenleutnant für einen harmlosen Optimismus halten. Jene Behauptung ift eine geradezu ungeheuerliche Uebertreibung. Der Kolonialdirektor bat bier in einer Versammlung von Künstlern und

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Gelehrten mit seinen rosigen Schilderungen der Entwicklungsfähigkeit |

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Südwestafrikas jubelnden Beifall gefunden. Wenn man ihn hörte, | _aud i i è Tui mußte jeder glauben, Schlettwein wäre ein Typus für die Art und | des Gebiets eine vollständige roird, damit wir nicht mit einem

Weise, wie dort die Farmer in wenigen Jahren zu Gelde kommen. Schlettwein ist mit einem Kapital von 35000 # vor 5 Jahren nah Afrika gegangen und hat es in 5 Jahren in der Viehzucht vervierfaht. Darüber würde natürlich jeder Landwirt jauchzen

und am liebsten nach Afrika gehen. Wie erklärt fich aber jener |

koloffale Profit ? Daraus, daß in dieser Zeit infolge des Krieges die Viehpreise auch um das Dreifache des normalen Preises gestiegen sind. Es ift unverantwortlich von dem Kolonialdirektor, daß er den gläubigen Gemütern der Landleute so etwas vormacht, daß fie darauf reinfallen. Das ist dasselbe Verfahren, weldes man im Börsen- jargon Bluffen nennt, wie beim Pokern. An der Börse wird dieses Bluffen syftematish betrieben.

F D zu Stolberg: Herr Abgeordneter, der Ausdruck Bluffen ist die Bezeihnung eines unehrlichen Handelns im Spiel. Sie dürfen diesen Ausdruck nicht in bezug auf den Kolonialdirektor gebrauchen; ih rufe Sie zur Ordnung!

Abg. Ledebour (forifahrend): Ih mache darauf aufmerksam, daß der Justizminister Rubstrat ih ausdrüdckli zu dieser Praxis als einer erlaubten bekannt hat. Slettwein hat seinen Gewinn erzielt mit Hilfe der Ausbeutung der Eingeborenen; die Frauen er- nähren sih von Feldkost, nah dem Berliner Tageblatt von Eidechsen, Raupen, Fröshen, Mäusen. Das ift eine brutale Ausbeutung der Notlage der Eingeborenen. Schlettwein zahlt den \{chwarzen männ- lihen Arbeitern böhstens 15 A monatli. Das find Preise, die auf die freien Arbeiter drücken. So kann man glänzenden Profit machen. Gs ift eine Gewifsenlosigkeit, wenn der Kolonialdirektor mit folhem Beispiel arbeitet. (Bewegung.) (Präsident Graf zu Stol- berg [mit erhobener Stimme]: Herr Abgeordneter, ich rufe Sie jur rdnung) In einer Broshüre von 1904 warnt Sglettwein vor Gefühlsduselei; die Schwarzen müßten umsonst arbeiten, nur gegen Kost. Und diefen Mann wählt man sh in die Budgetkommission als Gewährsmann und [äßt ibn in der Wakhlkampagne herumreisen. Ein Konservativer sprah ih aller- dings fogar für die Verwendung von Kulis aus. Das ist so recht nah dem Herzen der Agrarier! Wie können Parteien, die Christentum und Kultur fördern wollen, si eine sfolhe Unterstüßung goeten lassen! Ihnen ist es mit der Behaupturg, daß sie

hristentum und Kultur verbreiten wollen, überhaupt niht Ernst. Der Abg. Lattmann hat uns reaktionäre Wirtschaftspolitik vorgeworfen. Unsere Politik ift alles andere als reaktionär. Wir bekämpfen die Kolonialpolitik, wie unsere Gencfsen in England, Frankreich und Holland die dortige, weil diese Politik reaktionär bis auf die Knochen ist, weil der Staat zu Gunsien des Reihs eingreift und weil fie eine brutalisierende ist. Sie färbt \chon auf unsere innere Politik ab, wie die in Aussicht gestellte Enteignung polnischen Eigentums beweist. Selbst der Legationsrat Zimmermann hat ganz wie ih dem Sinne nah erklärt, daß die jezige veraltete koloniale Aus- beutungspolitik durch eine andere vernünftige erseßt werden müsse. In Südwestafrika kann sich Deutschland neben England nicht balten. Hat man doch gesagt, im Auslande sind die Deutschen der Dünger der anderen Nationen. Ganz natürli, denn den Deutschen wird ja bei uns jeder Geist der Selbständigkeit berausgetrieben ; sie haben keinen Sinn für Selbstverwaltung. Wir haben nur ein bureaukratisches System und selbst die Kommunalverwaltung fühlt fich als Bureaukratie zweiter Ordnung. Soll es in den Kolonien besser werden, so muß man zunächst das bureau- kratishe System bei uns ausrotten. Die Freisinnigen sind jebt die Shußtruppzn neben den Konservativen für diesen Bureaus fratismus. C8 ift ihnen jeßt eine Art Kronprinzen-Liberalismus in die Glieder gefahren, weil ein Bankdirektor, der früher einmal eine freisinnig-vereinigte Vergangenheit gehabt haben soll, an der Spitze der Kolonialpolitik steht. Sie (zu den Freisinnigen) werden aber mit diesem Konzessionss{ulzen ebensowenig Glück haben, wie mit der Unterstüßung der bureaukratishen Ausbeutung der Kolonien.

Abg. Schrader (fr. Vgg.): Das Haus befand ih heute in sehr friedliher Stimmung; selbst der Vertreter des Zentrums hat sih niht aufgeregt und hat darin vollkommen recht getan. So durften wir hoffen, fciedlich über die beiden Nachtragsetats binweg zu kommen. Der eine Nachtragsetat ist ja auch dadur erledigt, daß der 1. April garz nabe gerüdckt ist. Da hat es der Abg. Ledebour für zweckmäßig gehalten, in noch s{chärferer Weise als sonst die alte Kolonialpolitik zu betreiben. Mit sehr wenig Ers folg! Er hat sehr wenig Eindruck oder mindestens einen nidt gewollten Eindruck gemaht. Wir hören heute von ihm, daß nur die Sozialdemokraten das richtige nationale Bewußt- sein vertreten, Glauben die Herren das selber? Uns hat der Abg. Ledebour nit überzeugt. Für die heutige Beratung hat ganz gewiß der Schluß seiner Ausführungen nur dazu geführt, daß seine ganze Nede noch weniger ernst genommen wird. Auch meine Vor- [iebe für die Alldeutschen ist allerdings keine große ; sie haben unserer Politik nicht genußt, sondern geshadet. Auch die Sozialdemokratie sollte sie nit ernst nehmen, wie sie auch in England nicht ernft ge- nommen werden. Für fo töriht bält man dort die deutshe Re- gierung nit, wie sie hier dargestellt wird. Also wir wollen in Süd- westafrika eine große Truppenmacht halten, um bei nächster Gelegen“ beit über England berzufallen! Und das soll mit ein paar Tausend gesehen, die da unten stehen? Die Buren haben si ja gerade jeßt mit den Engländern versöhnt, wie follen fie also uns zur Seite stehen? Würden wir einen Krieg gegen England provozieren, o wäre das ein Blödsinn, an den kein ernsthafter Mens denken kann. Früher hat \sih der Reichskanzler nit gegen folhe Ausführungen ge- wehrt; mit vollem Recht, denn bei gewissen Dingen shweigt man am besten fill. Wenn er jeßt dem Auslande gegenüber erklärte, von so etwas sei bei uns niht die Rede, so tat er auh daran ganz ret. Im zweiten Teile seiner Rede hat der Abg. Ledebour an Einzelheiten berumgemäkelt. Ob der Farmer Schlettwein so oder so gehandelt hat, darauf kommt es gar niht an. Das in den Denkschriften nieder- gelegte Material über die Zustände dort muß die Grundlage unseres Urteils sein. Viebzuht und später Ackerbau dort zu betreiben ist möglich, wenn auch zu Anfang keineswegs leiht; mit der Zeit wird aus der Kolonie etwas zu machen sein, aber es erfordert große Müße und viel Geld. Phantastishe Kolonialpolitik wollen wir nicht treiben, Ih weiß nicht, ob auch die Partei, die mit den Sozialdemokraten bei den Wablen zusammengegangen ist, heute mit ibnen besonders zufrieden sein wird. Ï

Abg. Bindewald (D. Refpt.): Wir stimmen nach reifliher Ueberlegung und Prüfung den beiden Nachtrazsetats zu. Selbst- verständlich hat ein Volk mit so viel Lebenskraft wie das deutsche ein Anrecht darauf, \sich weiter in der Welt auszubreiten. Wir find seit 1870/71 aus den engen Grenzen herauëgewahsen, aus einem Festlandsftaat find wir eine Weltmaht geworden. Kurzsichtig wäre die Verweigerung der Mittel, die das Reih und die Kolonialverwalturg brauchen, um die Kolonien zu erschließen und zu fördern. Für die Verkehrswege muß vor allem gesorgt werden. Was haben andere Kolonialreihe, was bat besonders Eugland für Babnbauten in seinen Kolonien geopfert? Aber für die Kosten- dedung werden wir niht binwegkommen über die progressive Reihs- einfommensteuer; würden wir sie einführen, so könnten wir die doppelte Anzabl Schiffe bauen und die Kolonialershließung viel rascher bewirken. Die Lasten müssen doch einfach auf die tragfähigsten Schultern gelegt werden. Die Ecklärungen des Farmers Sghlett- wein in der Budgetkommission {lagen die beutigen Behauptungen des Abg. Ledebour tot. Die abnormen Verhältnisse der legten Jahre hat Schletiwein voll und ganz in Rechnung gestellt; Ledebour hat also ganz uagzrehlfertigte Angriffe gegen ihn ge- ribtet. Der neue Kolonialdirektor hat feinen Zweifel darüber ge- lassen, daß in unseren Kolonien zukünftig nur roch Beamte zu

| finden sein werden, die tadellos weiße Westen anhaben. Wir freuen

uns dieses Versprehens und treten au deswegen für ihn ein, weil der Reichskanzler so entschieden für das Festhalten an der Schutz ¡ollpolitik eingetreten ist. Denn wir fönnen gute Kolonialpolitik nur treiben, wenn wir daheim festen Boden unter den Füßen haben. Im Kolonitialge-\chäft muß ebenso wie im kaufmännischen auch etwas riéfiert werden ; es ift auch dafür zu sorgen, daß die Beruhigung

neuen Aufflackern des Aufstandes zu tun haben. 2500 Manr würden nach meiner Meinung niht ausreihen. Was an den Veteranen von 1870/71 verg-fsen is, muß nachgeholt werden;

| das Vaterland hat die Pflicht, diejenigen vor Sorgen zu be-

wahren, die den deutshen Namen in der Welt hoh gehalten

¡ haben. Die Afrikanderbewegung sehe ih nicht als bedrohlih an.

Viel gefährlicher scheinen mir die dort anwesenden Juden zu sein: fie sind überall dabei, wo etwas zu holen ist. Der Kolontaldirektor sollte dieser fremden Rasse in Südwestafrika auf die Finger seben. Das Gefängnis in Windhuk sollte so shnell wie möglich unter Dag und Fah gebracht werden, damit die dortigen Verbrecher niht ting in Deutschland interniert werden müssen. Jch kann also namens meiner Frane unsere Zustimmung zu der Vorlage erklären, ebenso zu der Komnmissionsberatung, falls fie beschlossen werden sollte. | Stellvertretender Direktor der Kolonialabteilung des Auêwärtigen Amts Dernburg: Der Abg. Ledebour hat dem Oberstleutnant Quade den Vorwurf gemacht, daß er wifsentlich dem Hause eine un, rihtige oder unvollftändige Information gegeben habe. Ich weise diefen Vorwurf mit aller Entschiedenheit als durchaus unberetigt zurück. Es ist für jedermann klar, daß unser Schutzgebiet ein wert, volles Aktivum sein muß, denn wie können 20 Millionen Entschädi. ungen da sein, wo nichts gewesen ist? Also 20 Millionen Aktiva an ich, Gebäuden usw. sind s{on, ehe der Aufstand ausgebrochen ist, dagewesen. Wer ein besserer Beurteiler ist Hauvtmann François, der mit 909 Mann . ein Gebiet 13/, mal \o groß als Deuts, land verteidigen wollte, oder jeßt der Große Generalstab, will ich dahingestellt sein lassen. Der „Vorwärts* schrieb am 20. Dezember 1906, das beste wäre es, wenn wir rere Kolonien überbaupt los würden, und zwar je shneller, je besser. Das ist meines Erachtens der Grund, weshalb die Herren heute mit der Hälfte der früheren Plätze hier find, weil sich eben das deutsche Volk so etwas niht gefallen läßt. Was die Geschichte von der Dattel, palme anbetrifft, so babe ih hier ein Buch, in dem steht : » Die Dattelpalme gedeiht in Asien und Afrika in kaum glaubliher Fülle, sie brauht so wenig Platz, daß 300 Palmen einen Morgen Land bedecken." Geschrieben von August Bebel „Die Frau und der Sozias lismus*. Jhre Methode, meine Person zu diskreditieren, weil Sie pegen das System sind, steht so tief nicht unter meiner Person, ondern unter der Sache, die ich zu vertreten babe, daß ich Sie und Ihre Sathen in der papiernen Welt lafse, in der Sie leben!

Damit schließt die Generaldiskussion.

__ Die Nahtragsetats werden demnächst in zweiter Lesung im Plenum erledigt werden.

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sißung Donnerstag 1 Uhr, (Etatsnotgeseß ; Jnterpellation Dr. Roesie und S ellhorn, betreffend die Revision des Weingesegzes.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 27. Sizung vom 6. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolfs Telegraphishem Bureau.)

Das Haus sezt die zweite Beratung des S taatshaus- haltsetats für das Rehnungsjahr 1907 bei dem Etat der Eisenbahnverwaltung fort.

Bei den Einnahmen aus dem Personen- und Gepäckverkehr, die auf 527 250 000 , d. s. 45 475 000 ( mehr als im Vorjahre, angeseßt sind, findet zunächst eine allgemeine Besprechung ftatt.

__ Die Budgetkommission, Berichterstatter Abg. Shmie- ding (nl.), beantragt die unveränderte Bewilligung des Eisenbahnetats sowie folgende Resolution:

„Das Haus der Abgeordneten nimmt Kenntnis von der Maf nahme der Königlichen Staatsregierung, zur Deckung des dringendez Bedarfs an Betrieb8mitteln der Eitenbahnverwaltung im Jahr 1906 über den Gtat einen Betrag von 50 000 000 (4 aus da Extraordinarium zur Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf dk rasche Hilfe erbeishende Notlage erklärt das Haus, vorbehalilià der nahträgli&en Genehmigung dieser Ausgabe, ih mit dem Ver fahren der Königlichen Staatsregierung in diesem Falle einver standen, sieht aber der baldigen Vorlegung einer Denkschrift über die Dringlichkeit .des Vorgehens und einer. Nahweisung über die Verwendung des genannten Betrags entgegen.“

Mit der allgemeinen Besprehung wird die Beratung über die Verhandlungen des Landeseisenbahnrats im Jahre 1906 und den Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der vereinigten preußischen und hessishen Staatseisenbahnen im Rehnungs- jahre 1905, deren Erledigung durch Kenntnisnahme die Kom- mission beantragt, verbunden.

Die Einnahmen aus dem Güterverkehr, die glei zeitig zur Erörterung gelangen, sind auf 1 294 900 000 4 an- geseßt, d. #st. 148 340000 4 mehr als im Vorjahre.

Berichterstatter Abg. Shmieding führt einleitend aus: Der Eisenbahnetat gibt ein Spiegelbild der Entwicklung unseres ganzen wirtshaftlihen Lebens, er ist bedeutsam für die Ext- wicklung von Handel, Landwirtshaft und Gewerbe. Wie be- deutend diese Verwaltung is, kann man daraus ersehen, daß die Eisenbahnverwaltung 165 297 Beamte und mit den Arbeitern ¡usammen 306 827 Menschen beschäftigt. An Gebältern und Löhnen zahlt fie über 700 000000 A Bei der hohen Bedeutung des ganzer Eisenbahnetats hat die Kommission diesmal einen \hriftlihen Bericht erstattet. Ich kann deshalb darauf verzihten, mündlich zu wieder- holen, was in dem Bericht niedergelegt ist.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach:

Meine Herren ! Als ein Spiegelbild einer glänzenden wirtschaft- lihen Lage hat der Herr Berichterstatter in der Budgetkommissioz und auch in seinem \{hriftlihen Bericht den Etat der Staatseisen- bahnverwaltung bezeihnet. Jch hoffe, daß dieses hohe Haus nad Durchprüfung des Eisenbahnetats seinerseits zu der Ueberzeugung g- [angt sein wird, daß dieser der sehr gespannten Verkehrtlage, die ja nur eine Folge der glänzenden Konjunktur ist, nach allen Rihtungen Rechnung trägt, und ih danke dem Herrn Berichterstatter ganz au- drücklich dafür, daß er bereits in der Budgetkommission und im Be- rihte dieser Auffaffung seinerseits in sehr frenndlihen Worten Aus- druck verliehen hat. Die Kritik, die er der Staatseisenbahnverwaltung hat angedeihen laffen, ist eine sachlihe gewesen, und ih glaube, das wird ganz wesentlihen Nußen tragen. Anschließend möchte ih meinerseits einer durhaus grundsäßlihen Auffassung Ausdruck ver- leihen, daß ih jede sahlihe Kritik, mag sie aus dem Parlament, aus der Prefse oder von dritten herkommen, nicht nur für nüßlich, sondern auch für durchaus erwünsht halte. (Bravo!)

Der Herr Finanzminister hat bei der Beleuchtung des Gesamtetats eine Besprehung des Eisenbahnetats bei der ersten Lesung vorge- nommen. Der Herr Berichterstatter hat in seinem \{hriftlichen Be- rit eine sehr eingehende Würdigung folgen lassen, und ih glaube mi daher meinerseits auf einige bemerkenswerte Vorgänge beshränkez zu follen.

(S@luß in der Zwetten Beilage.)

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

¿ 60.

(Sé@hluß aus der Erften Beilage.)

Es lag für mi, der ih aus der praktishen Verwaltung der Staatseisenbahnen hervorgegangen bin, nahe, meinen Blick auf die Organisation der Staatseisenbahnen zu lenken. Die jetzige Organisation is eingeführt am 1. April 1895, also bald 12 Jahre in Geltung. Was diese 12 Jahre für die Staatseifenbahn- verwaltung und deren Entwicklung bedeuten, ist ja im allgemeinen bekannt. Gestatten Sie mir aber, Ihnen kurz einige Zahlen in Er- innerung zu bringen.

Im Jahre 1895 betrugen die Einnahmen der Staatseisenbahnen 1039 Millionen Mark, die Ausgaben 569 Millionen Mark; für das Jahr 1907 sind veranschlagt 1937 Millionen Mark Einnahmen und 1197 Millionen Mark Ausgaben. Die Uebershüfse beirugen im Jahre 1895 469 Millionen Mark, und sür das Jahr 1907 sind 739 Millionen Mark Ueberschuß veranschlagt. Ich darf darauf hin- weisen, meine Herren, daß gelegentlich der Beratung der Kanalvorlage, die der Minister von Thielen in diesem hohen Hause vertreten hat angenommen und ges{chäßt wurde, daß erst im Jahre 1913 ein Ueber- {uß von 700 Millionen Mark erreiht sein werde; wir sind in der Lage gewesen, bereits für das Jahr 1907 mit einem Uebershuß von 739 Millionen Mark zu rechnen, und bei der ersten Lesung des Etats ist uns allerseits bestätigt worden, daß diese Schäßzung do eine recht vorsihtige gewesen ist. (Sehr richtig!)

In diesem zwsölfjährigen Zeitraum haben die Lokomotivkilometer zugenommen von 322 Millionen auf 666 Millionen, (hört! hört!) d. h. über 1009%/, mehr. Die Kopfzahl unserer gesamten Angestellten ist von 287 000 auf 441 000 gestiegen.

Meine Herren, die Vorzüge der jeßt gültigen Organisation der Staatseisenbahnen bestehen sehr wesentlich in ihrer Einfachheit, Durch- sichtigkeit und darin, daß fie einen prompten und {nellen Gefhäfts- gang ermögliht, wie er für eine Betriebs- und Verkehrsverwaltung unerläßlih ist. (Sehr rihtig!)) Wir kennen nur eine Eisenbahn- verwaltungsbehörde, die Königlichen Eisenbahndirektionen, als deren Organe die Inspektionen fungieren, . die mit höheren Beamten besetzt find. Unsere Eisenbahndirektionen zerfallen niht mehr in Abteilungen, wie dies bis zum Jahre 1895 der Fall war, s\sondern die gesamten Mit- glieder der Eisenbahndirektionen find unmittelbar den Präsidenten unterstellt. Diese Organisationsänderung hatte ja sehr wesentli den Zweck, das Verantwortlihkeitsgefühl der Mitglieder zu steigern und die Arbeitsfreudigkeit zu heben. Ich bin in der Lage, aus eigener Anschauung zu bestätigen, daß dieser ZweckX voll erreicht worden ist

und daß mit diesem Zwecke auch cine qualitativ bessere Arbeit erreicht wurde. (Bravo!) Ganj naturgemäß mußte die heutigé Organisation für die Präsidenten der Eisenbahndirektionen eine sehr ‘erbeblihe Stets gerung ihrer Verantworilichkeit und au ihrer Arbeitslaft bringen. Man hat geglaubt, dies den Präsidenten zumuten zu können, weil im Jahre 1895 aus 10 Bezirken 20 geschaffen wurden ; es trat dann später der Bezirk Mainz hinzu, das ist der einundzwanzigste. Man glaubte, daß die Präsidenten in der Lage sein würden, die volle Uebersicht über die Geschäfte und die nôtige Einwirkung sich zu fichern; inzwischen ist ja nun mit dem gewaltig gestiegenen Verkehr, den ich vorhin in großen Zahlen beziffert habe, die Arbeitsla# der Eisenbahn- direktionen, namentlich derjenigen Direktionen außerordentlich ge- stiegen, die wir als größere und besonders umfangreiche zu bezeihnen pflegen. Es läßt ih statistisch nachweisen, daß bei einer großen Zahl der Direktionen der täglihe Geschäftseingang um 100 bis 1209/6 zugenommen hat. Wir haben Direktionen, in denen dem Präsidenten unmittelbar 25, 30, 35, 40 und mehrere 40 Mitglieder unterstehen, wie bei der Direktion Berlin. Die Zahl der Dezernenten ist aber noch größer; denn in allen Direktionen arbeiten Hilfsarbeiter, seien es höôhere administrative, seien es höhere tehnische Hilfsarbeiter, mit voller cigener Verantwortung, aber au als Hilfsarbeiter anderer älterer Dezernenten, tatsählich aber auch mit einem sehr großen Maß von eigener Verantwortung. Alle diese hat der Präsident zu kon- irollieren.

Bei dieser Zufammenseßzung der Eisenbahndirektionen besteht nun die Gefahr und ih bin wiederum in der Lage, aus eigener Anschauung zu bestätigen, daß diese Gefahr sich verwirklicht hat —, daß die Präsidenten niht mehr in der Lage sind, \ih die volle Uebersicht über die Geschäfte zu bewahren, daß sie außerstande sind, auf das Zusammenarbeiten der verschiedenen Branchen, die in jeder Eisenbahndirektion vertreten sind und vertreten sein müssen : Bau, Vetrieb, Verkehr, Maschinenbetrieb, die nötige Einwirkung zu nehmen. - Es besteht ferner die Gefahr, daß die Präsi- denten infolge übermäßiger Bureauarbeit sich nicht genügend in ihren Bezirken umsehen können, und daß sie auf Grund dessen die nötige Fühlung mit den Vertretern der vershiedenen Erwerbsgruppen, die fie unbedingt unterhalten müssen, verlieren. (Sehr richtig!)

Meine Herren, Abhilfe ließe sih ja auf vershiedene Weise denken : man teilt die Direktionsbezirke räumlich weiter auf, oder man richtet

wieder Abteilungen ein. Beide Wege bin ih aber niht gegangen."

Die Aufteilung der Elsenbahndirektionsbezirke würde als ein zweifelloser Rückshritt angesehen werden müssen (sehr richtig !); denn diese großen Betriebs- und Verkehrsbehörden bedürfen eines bestimmten Umfanges, da wir entscheidenden Wert darauf legen müssen, daß die großen Betriebslinien in einer Hand bleiben; überdies s\prehen dagegen militärishe Nüksichten. Die Rückehr zu den Abteilungen würde ein zweifelloser Rükschritt sein; es ergibt sich das aus den Vorzügen, die ih vorher \kizziert habe. Ueberdies besteht die große Gefahr, daß die Präsidenten von den Geschäften zu stark abgerückt werden.

Es mußte also, wenn Abhilfe geschaffen werden sollte, durhaus auf denjenigen Wegen wetter gearbeitet werden, die die heutige Organisation weist, und das konnte nur in der Weise geschehen, daß den Präfidenten stärkere Hilfen an dié Hand gegeben werden. Bereits die heutige Verwaltungsordnung sieht vor, daß die Oberräte, der Dberregierungsörat oder die Oberbauräte wir haben bet einzelnen

Zweite Beilage

Berlin, Donnerstag, den 7. März

Direktionen hon mehrere Oberbauräte —, die Präsidenten auch bei

können, weil die Oberräte voll belastete Dezernenten sind. Ohne Zweifel sind es ja die erfahrensten Männer der Direktion; es sind die besten Kräfte, und sie verwalten die wihtigsten und umfangreihsten Dezernate; die Präsidenten müfsen \sich geradezu scheuen, einen belasteten Oberrat noch mit der eigenen Vertretetung bei Anwesenheit zu be- trauen.

Es blieb also nichts anderes übrig, als, um den Präsidenten die notwendige Hilfe zu geben, die Oberratsstellen zu vermehren für die größeren, besonders umfangreihen Direktionen, und dort, wo dies nicht geschehen, wenigstens dafür Sorge zu tragen, daß die beutigen Ober- râte entlaftet werden, damit sie in der Lage sind, den Präsidenten bei Anwesenheit zu vertreten, und diese Entlastung konnte nur dadur er- folgen, daß neue Mitgliederstellen geshaffen wurden.

Wir haben also nach zwei Seiten gearbeitet: wir haben uns angepaßt an das Gegebene, wir haben großen Direktionen eine Reibe von Oberräten, administrative und technishe, zugewiesen, und wir haben den kleineren Direktionen neue Mitglieder zugewiesen. Meine Herren, das ift für die Fortbildung einer Verkehrsverwaltung auch der rihtige Weg, sich durchaus den Verbältniffen anzupassen, Ich erhoffe von dieser Ergänzung der Organisation, die ja durchaus im Rahmen der bestehenden erfolgt, sehr erbeblide Vorteile und Vorzüge. Der Präsident wird nunmehr in der Lage sein, den administrativen Oberrat heranzuziehen zur Vertretung, id will mal sagen auf dem wichtigen Wohlfahrtsgebiete, oder aber er wird ibm bestimmte Anschlußsahen übertragen, sofern überhaupt eine Mit- zeichnung des Präsidenten erfolgt, was ja nit in allen Fällen ge- schieht, oder au Kleinbahnsachen, immer mit dem Vorbehalt, daß der Präsident jederzeit in der Lage if, persönli einzugreifen. Das wird niht auf dem Papier stehen; denn nah unseren geltenden Organisationsbestimmungen müssen ja dem Präsidenten alle wichtigen Sachen jeden Morgen vorgelegt werden, und er bezeihnet diejenigen, die er fi felbst zur Mitbearbeitung vorbehalten will, und diejenigen, die er seinen Mitgliedern überlassen kann.

Es wird aber auch nah der tehnishen Seite ganz außerordent- lihe Vorteile bringen. Es is ein ganz zweifelloser Mangel unserer heutigen Organisation, namentli bei den größeren Behörden, daß der Präsident bei der sehr \tark ausgebildeten Bautätigkeit nit in der Lage ist, überall sein Auge zu haben und dafür zu sorgen, daß ein- heitlich gearbeitet wird, einheitliß vom ersten Augenblick des Ent- stehens der Projekte bis zur Betrieb8übergabe der Bauten. Da sollen die neuen Oberbauräte oder diejenigen Oberbauräte, die demnächst ent- lastet werden, dem Präsidenten als Helfer zur Seite stehen. Auch hier wird die Einheit der Verwaltung ‘vollkommen gewahrt, da der Präfident jeden Augenblick in der Lage sein wird, einzugreifen. Jh darf hinzufügen mit Nücksiht auf Bedenken, die in der Budget- kommission geltend gemacht wurden, daß ja bei Abwesenheit des Prä- sidenten die Einheit der Verwaltung dadurch gewahrt wird, daß immer der älteste oder der berufenste Oberrat an feine Stelle tritt.

Meine Herren, hierdurch würde sich bei den gesamten Staats- eisenbahndirektionen eine Entlastung für die Präsidenten ergeben, und doch bleiben noch einige Direktionen zu stark belastet durch Neben- tätigkeiten, die ihnen obliegen. Nach unserer heutigen Organisation

ist es bereits zugelafsen, daß bestimmte Geshäftsangelegenheiten, die | den ganzen Staatsbahnbereih begreifen, entweder für eine Gruppe |

von Direktionen oder für den ganzen Staatsbahnbereih auf einzelne | eingerihtet. Auch die Interessenten, die uns bei Feststellung dessen,

Direktionen konzentriert werden. Von dieser Bestimmung dêr Organisation i Gebrauch gemacht worden. Es handelt fi hier wesentlich um folgende sehr wihtige Materien. Es find dies die Konstruktionen der Lokomotiven und Wagen, die Konstruktionen und Beschaffungen des Eisenbahnoberbaues und der Sicherbeitseinrihtungen : ferner —- sehr bemerkenswert die Leitung der Untersuung und EGrprobung von Verbesserungen zur Erhöhung der Leiftungsfähigkeit und Sicherheit der Bahnanlagen, Fahrbetrieb2miitel und sonf Betriebseinrihtungen, ferner die Beshaffung wichtiger materialien, der ganzen Heizvorräte, ferner die Bearbeitung gemein- samer Dienstanweisungen und der einbeitlihen Regel r Fo

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und die Kontrolle ihrer Ausnußzung, ferner der Ausgleih von Stellen- anwärtern im ganzen Staatseisenbahnbereih es handelt ih um die Stellenanwärter des mittleren Dienstes —: endlich die Verwaltung der für den Staatsbetrieb einheitlich wirkenden Wohlfahrts- einrihtungen.

Aus diesem Verzeichnis wird ohne weiteres erkannt werden Fönnen, daß es sich um sehr bedeutsame Materien handelt. Mit der Wahrnehmung dieser Geshäfte war nun ganz überwiegend bigher die Königliche Eisenbahndirektion zu Berlin betraut. Die Direktion Berlin ist gewählt worden, weil es fich um Geschäftsangelegenheiten handelt, bei denen dem Minifter von Anbeginn eine sehr erhebliche Mitwirkung vorbehalten sein muß, in denen er ja fast durchgehends die Entscheidung hat. Es sind im übrigen beteiligt an dieser Bearbeitung gemeinsamer Angelegenheiten auch sehr wesentlih die Direktionen Essen und Kattowitz, die Direktion Halle und die Direktion Magdeburg. Es hätte nun erwogen werden können, alle diese Geschäfte zusammenzuziehen und sie etwa dem Ministerium anzugliedern. Meine Herren, mit dieser Möglichkeit habe ih garniht rechnen wollen. Das Ministerium kann eine weitere Arbeitsanhäufung garniht vertragen; es bedarf in der Tat einer Entlastung in diesen Fragen. So blieb denn garnichts übrig, als eine neue Zentralbehörde zu hafen; das ist das Zeatral- amt, das wir in den Etat eingestellt haben mit einem Präsidenten, vier Oberräten und einer größeren Zahl von Mitgliedern. Neu werden nur gefordert der Yräsident, vier Oberräte und vier Mitglieder; die überwiegende Zahl der Mitglieder wird herangezogen aus den Eisen- bahndirekttonen, bei denen sie heute in diesen Geschäften bereits arbeiten. Wir erhoffen von der Einrihtung des Zentralamts nicht

1907.

| nur eine Entlastung der heute überlasteten Eifenbahndirektionen,

Anwesenheit vertreten dürfen in bestimmt begrenztem Umfange. Von | sondern aus der Zentralisierung dieser ganzen Angelegenheiten und der

dieser Möglichkeit hat aber kein genügender Gebrau gematt werden | Fd i | Behandlung der ganzen Frage, insbesondere in tehnisher Beziehung.

strafferen Auffiht, die die Organisation bringen wird, eine vertiefte

Wir erhboffen ferner davon, daß die an den Vergebungen Beteiligten mit der Einrichtung durhaus zufrieden sein werden, weil es nunmehr mögli sein wird, von einer zentral gelegenen Stelle aus gleihmäßig für den ganzen Siaatseisenbabnbereih zu sorgen. Wir hoffen beson- ders aber auch, daß die Interessenten mit der Zentralifierung zufrieden sein werden, weil daraus Geshäftsvereinfahungen folgen werden. Die Zuständigkeit des Ministers ih bemerke das ausdrücklich gegen- über gewissen Bedenken, die in der Kommission geltend gema@t wurden wird in keiner Weise tangiert. Die Entscheidung des Ministers bleibt in demselben Umfange vorbehalten, wie es nah der heutigen Organisation der Fall if; es wird nur die Stelle geändert, an der diese Geshäfte bearbeitet werden. Ih erwarte von dieser Maßnahme, in Verbindung mit der vorgeshilderten Ergänzung der Organisation, einen vollen Erfolg in der Richtung, daß die Direk- tionen frei gemacht werden für die gesteigerten Aufgaben, die ihnen aus dem Verkehr und dem Betrieb erwachsen, und die sie in erster Linie zu erledigen haben werden.

Meine Herren, die beste Organisation einer großen Verkehrsver- waltung bleibt wirkungslos, wenn der mechanishe Apparat si nicht auf der Höhe befindet. Unter dem mechanischen Apparat verstehe ih die festen Glei8anlagen mit allen Zubehörungen an Bahnhöfen aller Art, an Sigterheitseinrihtungen, Werkstattsanlagen und dem ganzen Betriebsmittelpark. Darüber kann gar kein Zweifel bestehen, daß der Fuhrpark der Staatseisenbahnen den gestellten Ansprüchen im Laufe des vergangenen Jahres und auch in diesem Jahre nicht genügt hat, obwohl eine sehr erheblihe Vermehrung des Betriebsmittelparks an Lokomotiven und Wagen stattgefunden hat, und obwohl, was ih besonders hervorheben möchte, die Leistungen des Parks ganz hervor- ragende gewesen find.

Meine Herren, wir baben den Betrieb8mittelpark, berechnet vom 1. Oktober 1905 bis 1. Oktober 1906, vermehrt um 6,22 9%; die Leistungen des Betriebsmittelparks sind aber um 10 9/5 gestiegen, und troy dieser Steigerung hatten wir Ausfälle an der Wagenstellung, wie wir sie bei den preußischen Staatsbahnen noch nit erlebt haben. Die Gründe dafür liegen klar zutage. Wir haben in den Jahren 1905 und 1906 zufammengerechnet eine 18 prozentige Steigerung im Güterverkehr. Wir haben allein auf das Jahr 1906 berechnet eine 10 prozentige Steigerung. Wir haben aber Monate gehabt, in denen 13 bis 14% mehr zu leisten war. Aus bestimmten Versandrevieren sind Verladungen gemeldet worden von über 2009/6 mehr gegen das Vorjahr. Es trat eine ganze Reihe von Ereignissen ein, die auf die Wagengestellung ungünstig gewirkt haben, als da find: der ungünstige Nheinwasserstand während eines großen Teils des Jahres. Dann hatten wir mit einem Winter zu renen, wie wir ihn seit Jahren niht erlebt haben. Die großen Ausfälle in

| der Wagengestellung im Dezember und Januar sind ganz überwiegend

auf Witterungseinflüsse zurückzuführeèn. Infolge des langen Winters ist die Bautätigkeit zurückgehalten worden und nunmehr aufs äußerste angespannt und in Gang geseßt worden.“ Auf den Berliner Ring- bahnhöfen stehen Hunderte von Wagen, mit Ziegeln beladen, auf den Bahnhöfen und können nicht entladen werden, weil eine Ueberfülle an diesen Frahtgütern vorhanden ist. Auf eine solche Verkehrs- zunahme und auf diese Zufälligkeiten war eben der Wagenpark nicht

was wir an Betriebsmitteln mehr gebrauchen, erste Berater sind, haden diese Verkehrssteigerung. niht vorausgesehen.

Die Staatseisenbahnverwaltung, meine Herren, wird aber aus den Erfahrungen, die sie während dieser lange anhaltenden glänzenden Konjunktur hat machen können, auch ihre Konsequenzen ziehen; sie wird desirebt sein, sih ein ftärkeres Rüstzeug anzulegen; sie wird Vorsorge

| treffen für die Zukunft, auf stärkeren Auswachs rehnen und für glei- | mäßigere Beschaffung der Betriebsmittel sorgen. Daß diese Absicht nicht leere Worte sind, das erkennen Sie aus den ganz außergewöhn- | lichen Anforderungen, die wir für das Jahr 1907 von Jhnen erbitten. z j i; E Z _ | Es wird erbeten eine Summe von 250 Millionen Mark, die teils

des Geschäftsbetriebes; endlich sehr wesentli die Ditpositionen | über die gesamten Fahrbetriebsmittel, insbesondere die Güterwagen |

aus dem Etat für 1907, teils aus den Uebershüssen des laufenden Jahres, teils aus den Anleihen gedeckt werden soll.

Wenn die Lieferungen im nächsten Jahre in Gang gekommen sein werden, werden wir am 31. Oktober 1907 bereits über ein Mebr ver- fügen von 23 790 Wagen gegen den 31. Oktober 1906. Unter diesem Mehr an Betriebsmitteln werden sich 83000 Zwanzigtonnenwagen befinden. (Bravo!) Wenn freilich der Verkehr im selben Maße fort- schreiten sollte, wie 1905 und 1906, so will ih nit garantieren, daß niht doch im nächsten Herbste wiederum mit Ausfällen in der Wagen- gestellung zu rechnen sein wird. Jh habe es aber na® Ver- ständigung mit dem Herrn Finanzminister doG für angezeigt erahten müssen, nicht über die Summe von 250 Millionen Mark hinauszugehen, und zwar ganz überwiegend aus der Erwägung, daß ein Mehr an Beschaffung zu einer Ueberspannung in unseren Lokomotiv- und Wagenbauindustrien hätte führen können.

Ich will niht behaupten, daß die Leistung von 250 Millionen Mark das Maximum dessen ist, was diese Industrien liefern können, aber wir müssen darauf Nücksiht nehmen, daß sie sich eben nah dritten Bestellern zu rihten haben. Es ist Vorsorge getroffen, daß die Beschaffung der Betriebsmittel für 1907 über das ganze Jahr gleihmäßig verteilt werden wird, sodaß die Fabriken während des ganzen Jahres gleichmäßig durch uns Beschäftigung erbalten.

Meine Herren, der starken BeanspruGung des Fuhrparks ent- spricht eine gleich hohe Anspannung der gesamten Bahnanlagen. Es ist daher mit allen Mitteln dahin gewirkt worden, daß die Bautätize keit aufs äußerste beirieben wurde. Obwohl wie ih gern anerkenne die Eisenbahndirektionen bemüht gewesen siand, das Acußerste zu leisten, habe ih es doch für angezeigt gehalten, im vergangenen Zahre