1907 / 60 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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dafür zu sorgen, daß die Bauten, die für den Herbstverkeßr zur Ver- fügung gestellt werden können, tatiählich zur Verfügung gestellt find.

Die Erfolge dieser gesteigerten Bautätigkeit sind niht aus- geblieben. Wir haben 1903 117 Millionen verbaut, 1904 128 Millionen, 1905 142 Millionen, 1906 werden wir auf 203 Millionen kommen, das sind 61 Millionen mehr als 1905.

Lassen Sie mich eine kurze Bemerkung anknüpfen über die Baus mittel, die zur Verfügung ftehen. Laut des Bauberichts, der dem boben Hause vorliegt, waren per 1. Oktober 1906 verfügbar 840 Millionen, hiervon entfallen auf Betrieb8mittelbeshafungen 185 Millionen und auf noch nicht reife Bahnbauten 245 Millionen, in Summa 430 Millionen, fodaß für den Bau liquide waren nur 410 Millionen. Wenn wir unsere Bautätigkeit auf nur 200 Millionen erhalten, so werden wir diese Baumittel in gut 2 Jahren verbaut haben. Wenn wir sie aber, wie ich hoffe, auf mindestens 250 Millionen steigern werden pro Jahr, dann werden sie in kaum mehr als Jahren verbaut sein. Troy dieses erkennbaren Fortschreitens in unseren Bauten bin ich aber auf Grund meiner Erfahrungen und im Hinblick auf die ganz ungewöhnlihe Entwicklung unseres Wirtschaftslebens der ganz bestimmten Auffaffung, daß die Staatseisenbahnen in das Hinter- treffen kommen könnten ich unterstreiße das Wort „könnten“ wenn wir nicht weit über dasjenige hinaus, was bisher geleistet ift, Sorge tragen. (Abg. Krawinkel: Bravo!) Ih habe es daher un- mittelbar nah Uebernahme des Ministeriums für angezeigt erachtet, die Königlichen Eisenbahndirektionen anzuweisen, für den ganzen Staats8eisenbahnbereih ein Bauprogramm aufzustellen, und zwar für die nächsien 10 Jahre. Dieses Bauprogramm foll umfassen alle die- jenigen Anlagen, die für Verkehr und Betrieb erforderlih sind; es umfaßt niht eiwa diejenigen Bauten, die wir in die Nebenbahnvorlage zu bringen pflegen. Das sind Bahnen, die zur Aufshließung des Landes und zur Melioraticn gebaut werden, die siehen auf einem besonderen Brett. Es umfaßt also nur die Verkehrs- und Betriebsbauten. Die Direktionen waren angewiesen, anzunehmen, daß der Verkehr innerhalb der 10 Jahre fich um 59% jährlih \teigern werde; sie waren ferner angewiesen, damit ein einhbeitlihes Werk zustande käme, in Gruppen zu arbeiten. Die Ergebnisse ihrer Tätigkeit sind im Herbst vorigen Jahres bereits beim Ministerium eingegangen. Sie sind einer forgfältigen Sichtung unterzogen, und für uns fteht im wesentlihen das Ergebnis der Untersuhung fes. Jh bin nun zu meinem lebhaften Bedauern aus naheliegenden Grlinden nit in der Lage, das Bauprogramm Ihnen des näheren darzulegen. (Heiterkeit.) Ich möchte aber nit unterlassen, darauf hinzuweisen, daß der Bau- bedarf in den nähsten Jahren sehr hoh sein wird und hoch sein muß, daß von einer Entlastung des Ordinariums und Extraordinariums gar nicht die Rede sein kann, daß wir im Gegenteil, in immer steigen- dem Maße die Ueberschüfse der Eisenbahnen in Anspruch nehmen müssen, für eigene Zwecke. (Abg. Krawinkel: Bravo!) Das Bauprogramm wird in ständiger Anpassung an die Bedürfnisse des Verkehrs fortgebildet, und es foll die Grundlage für einen ftetigen und zielbewußten Ausbau des Staatseisenbahnnewzes bilden. Besorgnisse, daß auch bei erhöhten Inveftitionen die Lage der Staatsfinanzen oder Finanzen der Staats- eifenbahnverwaltung gefährdet werden könnten, glaube ih nit teilen zu follen. (Sehr richtig!) Die Entwicklung der Rente der Staatseisenbahnverwaltung liefert den Beweis, daß das An- wachsen des Anlagekapitals mit einer ständigen Steigerung der Nente Hand in Hand gegangen ift, und den daß die Neuinveftitionen doch ein wesentlih werbendes Kapital gewesen sein müfsfen. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen.) Ih darf be- tonen, daß das Anlagekapital im Jahresdurchschnitt betragen hat im Jahre 1890 6,3 Milliarden mit einer Rente von 5,26 9/4, im Jahre 1895 7 Milliarden mit einer Rente von 6,75 %/. im Jahre 1900 7,9 Milliarden mit einer Rente von 7,14 2%, im Sahre 1905 9 Milliarden mit einer Rente von 7,52 9/6. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen. Abg. Dr. von Böttinger : Ausgezeihnet!) Der Zuwachs des Anlagekapitals von 6,3 Milliarden auf 9 Milliarden, gleich 2,7 Milliarden, ist entnommen zu 1,3 Milliarden aus den Pebershüfsfen der Staatseisenhahnverwaltung von 1890 bis 1905, und zu 1,44 Milliarden aus Anleihen. Diejenigen Be- träge, die wir aus Anleihen entnommen haben, entfallen ganz überwiegend auf Nebenbahnbauten, und diese Nebenbahn“ bauten liefern erfahrung2gemäß eine mäßige Rente; sie liefern zweifellos eine Rente, unter Umständen sogar eine gute Rente, aber im Durchschnitt doch nur eine mäßige Rente. werden, daß diejenigen Beträge, die aus dem Extraordinarium gedeckt sind, denen eine Anleiheshuld nit gegenübersteht, ganz besonders gut rentierende Anlagen gewesen sind. (Sehr richtig!) Die Grundsumme der Staatgteifenbahnfapitalschuld beläuft sich nach dem Etat auf 9,4 Milliarden, und die noch niht getilgte Eisenbahnschuld auf 6,4 Milliarden, sodaß tatsählich 3 Milliarden getilgt worden sind.

Meine Herren, es if in der Budgetkommission von den verschiedensten betont worden und konnte von mir ohne weiteres bestätigt werden, daß der monopolistishe Charakter dieses einzig daftehenden Staatsbetriebes zu der weitgebendften Fürsorge des Staates nach allen Richtungen verpflichtet: in erster Linie zweifel8ohne im Sinne einer zweckmäßigen, den Be- dürfnissen des Verkehrs entsprehenden Entwicklung unserer Verkehrs- und Betriebsanlagen.

Daß bei der fortschreitenden Sorge für die baulite und betrieb, lihe Entwicklung der Staatseisenbahnen, die zur Sicherung des Verkehrs dienen, niht vernahläfsigt worden find, weiß das bobe Haus aus den alljährlihen Mitteilungen meiner Herren Amtsvorgänger. Im weitesten Maße haben wir die Streckenblockung bereits dur(- geführt. Jh habe in der Kommission mitteilen können, daß 10 750 km zweigleisige Strecken und 1830 km eingleisige Strecken bereits mit der Streckenblockung versehen find, und daß in Auésiht genommen ist, die StreckenbloÆuang in beshleunigtem Tempo zu Ende zu führen. Aus diesem Grunde befindet sich in diesem Etat ein Betrag von 3,5 Millionen.

Daß wir troy aller Sorgfalt, die wir auf die Sicherung des Betriebes verwendet haben, immer noch mit {weren Unfällen zu kämpfen haben, ist bedauerlich. Aber tröstend ist, meine Herren, daß ih nah der Statistik, umgerehnet auf 1 Million Zugkilometer, oder auf 1 Million Reisende, eine ständige Abnahme der Unfälle zeigt. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen.) Der \chriftlide Bericht der Budgetkommission enthält die erforderlihen Zahlen zur Beurteilung.

Meine Herren, der neue Etat enthält auch die erforderlichen Mittel zur weiteren Fortbildung des Fahrplans. Es werden neue

Seiten

ferneren Beweis, |

Daraus kann gefolgert |

Verkehrsverbindungen geschaffen, und ih darf ganz besonders darauf hinweisen, daß wir neue Schnellzüge bekommen werden nach dem neuen deuts{ch-ru\sis{en Eisenbahnübergang in Skalmierzyce von Posen, von Breslau und von Berlin.

Nach zwei Richtungen hin habe ich aber geglaubt, der Aus- bildung des Fahrplans meine ganz besondere Fürsorge zuwenden ¡u müssen. Das betrifft einmal die weitere Ausgestaltung unseres Nahverkehrs und dann die weitere Ausgestaltung des Neben- bahnverkehrs in betrieblißer Beziehung. (Sehr gut!) Der Ausgestaltung des Nahverkehrs haben die Staatseisenbahnen seit jeher ihre ganz besondere Fürsorge angedeihen lassen im Interesse aller derjenigen, die außerhalb der großen Städte ihren Wohnsiß haben und allmorgendlichß den großen Städten zustrôömen, um dort ihrer Arbeit und Beschäftigung nachzugehen. Ich glaube, bei einer gerechten Beurteilung unseres Fahrplans wird man finden, daß diesem Bedürfnis im wesentlichen Rehnung getragen is und daß die Nah- fahrpläne einer dauernden Fortbildung unterliegen. Uud doh weisen die Fahrpläne im Verkéhr mit den nahen Orten große Lücken auf in den Zwischenzeiten, in denen für die Familien der in der Großstadt Beschäftigten und für deren An- hang ein Bedürfnis nach Beförderungsgelegenheit besteht. Hier mußte und konnte nachgeholfen werden, und das ift bereits ge- {hehen. Im Winterfahrplan sind mehr als 150 Züge im Nahverkehr eingelegt worden, und im Sommerfahrplan sollen weitere 150 Züge eingelegt werden. Man kann diesen nit sehr didten Verkehr be- dienen mit leiten Dampfzügen, aber auch mit Motorwagen, und diesem Motorwagenverkehr will i meine besondere Aufmerksamkeit ¡uwenden. (Bravo!) Es ist im neuen Etat vorgesehen, daß 25 Motor- wagen beschaffft werden sollen aus den Mitteln, die zur Beshaffung von Betriebsmitteln zur Verfügung stehen. Diese Triebwagen würden dort, wo Dampfzüge nicht fahren, als einzelne Wagen fahren und den Bedürfnissen des Verkehrs entsprehen. (Sehr gut!)

Mindestens ebenso dringlichß, wenn niht noch dringlicher is aber die Entwicklung des Verkehrs auf den Nebenbahnen (sehr ritig !) gerade in dem Sinne, daß die Nebenbahnen zur rechten Zeit An- {luß an die Züge der Hauptbahnen erhalten. Das ist sehr schwierig, meine Herren, wenn man das mit den Zügen des regelmäßigen Fahr- plans machen will; denn der Verkehr ist dünn, oft sehr dünn, und es [lohnt sich nicht, ganze Züge zu fahren. Gerade da, meine i, wäre es sehr zweckmäßig, auf den Anschlußstationen Motorwagen ein- zustellen, um für die Nebenbahnen den Anschluß an die Hauptbahnen zu vermitteln. (Sehr rihtig!) Die Dampfmotorwagen haben den Anforderungen des Verkehrs bisher leider niht entsprochen. Wir werden also jeßt elektrisWe Akkumulatorenwagen beshaffen müssen. Ich hoffe, daß damit Fortschritte erzielt werden und so dazu bei- getragen wird, diesen sehr wichtigen Zweig des Verkehrs zu pflegen. (Bravo!)

Meine Herren, bei der ersten Lesung des Etats wurden sehr lebhafte Bedenken gegen die am 1. Mai d. J. zur Einführung in Aussiht genommene Personentarifreform laut; die Bedenken wurden um so dringender vorgetragen, als ja im Sommer des vergangenen Jahres die Reichsfabrkartensteuer eingeführt worden if, die allerseits als eine Belastung des Verkehrs aufgefaßt wird. Es ist mir sehr erfreulih gewesen, im Laufe der sehr eingehenden Erörterungen in der Budgetkommission feststellen zu können, daß auf Grund der Auf-

| klärungen, die ih in der Lage war, dort zu geben, ein sehr erbeblicher

Teil der Bedenkin gegen die Reform entfallen konnte. Eine sehr wesentlihe Besserung hat dieses Reformwerk dadur erfahren, daß es dank dem sehr freundlihen Entgegenkommen der beteiligten Bundes- staaten möglich war, den Gepäcktarif abzumildern. (Bravo!)

Der Gepäcktarif war erkennbar auf den lebhaftesten Widerstand aller derer, die die Eisenbahnen benugen, gestoßen, weil die Ge- währung des Freigepäcks, eine lieb gewordene Einrichtung, dadur angetastet wurde. Die Preise für das jeßt unentgeltlih beförderte Gepäck waren eingereiht worden in das Schema des Tarifs, und da- dur ergaben sih für die Stufen von 1 bis 25 Kilo in der Tat recht unerwünshte Verteuerungen. (Sehr rihtig!) Auf Grund der Ver- einbarungen mit den süddeutschen Regierungen ist nunmehr festgeseßt worden, daß mit der Einführung der Reform zwar grundfäßlih auch für die erste Gepädckstufe eine Gepäckfraht erhoben werden foll, aber eine außerordentlih geringe. Es ist ja {hon durch die Preffe bekannt geworden und auch in der Budgetkommission eingehend erläutert worden, daß für die erste Gepäckftufe eine Gebühr von 20 4 für Entfernungen bis zu 50 km, von 50 &S§ für Entfernungen von 51 bis 300 km und von 1 e für Entfernuugen über 300 km erhoben werden soll. Zur weiteren Abmilderung is dann eine Zwischenstufe eingeshoben worden für Gepäck im Gewicht von 26 bis 35 kg; die folgende Stufe beträgt 36 bis 50 kg und dann steigen, wie es seiner Zeit vorgesehen war, die Stufen um 25 bis 50 kg.

Was aber die Aenderung ganz besonders \{äßzenswert mahen wird, ift, daß au dafür Sorge getragen ist, daß mehrere zusammen- gehörige Personen wie bisher ihr Gepäck gemeinsam aufg-ben können und dann von der billigen Fracht der ersten Zone auch profitieren. (Bravo!) Wenn alfo eine Familie von 3 Personen von Königsberg nah Csln fährt, zahlt sie für 75 kg aufgegebenes Gepäck nur 3 #4; ebenso ist der Satz, wenn sie nach Basel oder Kufstein fährt. Während die erften 3 4 von Königsberg nah Cöln eine Verteuerung bedeuten, bedeuten die 3 H, die nah Basel und Kufstein bezahlt werden, eine sehr bedeutende Verbilligung (sehr richtig!), da die süddeutshen Bahnen bisber kein Freigeväck gewährten.

Meine Herren, das Ergebnis der leßten Regierungsverhandlungen liefert den Beweis dafür, daß der nationale Gedanke, der Einheits- gedanke, unter defsen Zeichen der ganze Tarif entstanden ist, fich von Anbeginn an als sehr segensreiß erwiesen und gerade unsere süd- deutschen Bundesgenofsen veranlaßt hat, ein Opfer zu bringen, das für fie erbebliher war, als für uns.

Was die Erhebung der Schnellzugszuschläge betrifft, mit denen sich ja auch die ôöffentlihe Meinung vielfach beschäftigt hat, so ift die Bestimmung getroffen, daß zushlagsfrei die Schnellzüge befördert werden, die dem Lokalverkehr dienen. Es läßt fih nur durch den Fahrplan feststellen, welche Züge das sind. Ich habe bereits in der Budgetkommission mitteilen können, daß rund 30/5 der Schnellzüge zuschlagsfrei sein werden, die anderen zuschlagspflichtig. Diese zushlagspflihtigen Schnell;üge sollen in ganz beshleuniztem Tempo in D-Züge umgewandelt werden, damit das Publikum, welches den Zuschlag zahlt, auch eine Gegenleistung in der Beförderung erhält. Sie werden mit dem bekannten Komfort aus- gestattet; namentlich werden ihnen auch, wie ih auf eine Anfrage in

der Budgetkommission bemerke, durhgängig elektrishe Leselampen ge» geben werden.

Das rechnungsmäßige Ergebnis, meine Herren, stellt sich nun- mehr erheblich anders als dasjenige, welckes mein bo(hverehbrter Herr Amtsvorgänger am 1. Juli 1935 im hohen Hause entwidckeln konnte. Damals war angenommen worden, daß die Staatsbahnverwaltung mit einem Verlust von rund 1 Million aus der Reform heraus» kommen werde. Das entsprah auch den Direktiven, die gegeben sind: die Reform follte im wesentlihen dem Staate keine erheblihe Zu- buße zumuten. Nun find aber aus diesen weiteren Verbesserungen noch weitere 5 Millionen geworden, von denen 34 Millionen auf den Gepäcktarif entfallen und 2 Millionen auf die Schnellzues- zushläge, sodaß tatsählich die Reform mit einer rechnung8mäßigen Mindereinnahme von 64 Millionen abs{ließen wird.

Meine Herren, der neue Tarif ist unter dem Gesichtspunkte eines Kompromisses zu betraten. Dieses Kompromiß wird aber ganz über- wiegend Vorteile für den Verkehr und nur zum kleinen Teil Laften bringen. Nah meinem Ermessen wird die Reform allen maßvollen Ansprüchen genügen und als ein wirtshaftlicher und aut als ein politisher Fortschritt gelten können.

Meine Herren, in der ersten Lesung wurden lebhafte Bedenken laut, daß die Fahrkartensteuer unter dem neuen Tarif ungünstiger wirken könne als unter dem jetzt geltenden. Es ist mir gelungen, in der Budgetkommission diese Bedenken im wesentlichen zu zerstreuen. Der Steuertarif ist ja ein Zonentarif und wirkt außerordentli un- gleihmäßig. (Sehr rihtig) Es ift ziffermäßig nahgewiesen worden, daß in vielen Fällen die Steuer dieselbe ist, einerlei ob man zwet einfahe Fahrkarten oder eine Rückfahrkarie [ôst, daß in anderen Fällen die Steuer sogar geringer is und daf nur in der höchsten Zone und über den Betrag der äußersten Zone von 50 G hinaus wesentliGe Erhöhungen eintreten. Diese Ex- böhungen kann aber das Publikum vermeiden, wenn es Vereinsrund- reisehefte [ôst, die ja als ein Steuerobjekt angesehen werden.

Daß eine Abwanderung infolge der Fahrkarter. steuer eingetreten ist, ist zweifellos. (Sehr rihtig!) Ich habe die Ziffern in der Budgetkommission bekannt geben können. Von der Abwanderung ist naturgemäß die erste Klasse am meisten betroffen worden, weniger die zweite und noh viel weniger die dritte, während der Verkehr in der vierten Klasse gestiegen ist. Ob wir es hier mit endgültigen Ergeb z nissen zu tun haben, muß abgewartet werden ; erxfahrung8gemäß treten in folhen Fällen auch wieder Rückwanderungen ein. Ich werde in Jahr und Tag in der Lage sein, dem hohen Hause hierüber weiteres ziffermäßiges Material zu unterbeiten.

Meine Herren, in der erften Lesung des Etats wurde von ein- zelnen der Herren Redner der Hoffnung und der Erwartung Ausdruck gegeben, daß ih der Ausgestaltung der Gütertarife meine besondere Aufmerksamkeit widmen werde. Es wurde auf den Beschluß des hohen Hauses vom Jahre 1905 Bezug genommen, der in Verfolg eines Antrags Dr. Friedberg-von Zedliß gefaßt wurde und dahin ging:

Unter voller Anerkennung der bei der Fortbildung der Gütertarife der Staatsbahnen befolgten Methode die Königliche Staatsregierung zu ersuchen : innerhalb der durch die Nücksiht auf die Finanzlage des Staats und die Konkurrenzverhältnifse gezogenen Grenzen planmäßiger als bi8her auf die Ermäßigung der Tarife, insbesondere für solhe Güter Bedacht zu nehmen, welhe als Produktionsmitt oder Produkte der heimishen Gütererzeugung für deren Ertraz fähigkeit, insbesondere für die Ertragfähigkeit von Landwirt: schaft und Industrie von großer Bedutung sind. Meine Herren, damals hatte bereits die Staatsregierung erklärt, daß fie darauf bedacht sei, innerhalb der durch die Nücksiht auf die Finanzlage desStaats und die Wettbewerbsverhältnisse gezogenen Grenzen die Tarife, insbesondere für die im Beshlusse genannten Güter weiter herabzuseßen. Ih bin in der Lage gewesen, die Auffassung der Staatsregierung durchaus als die meinige zu bezeihnen. Ich konnte aber doch den Nachweis liefern, daß auf Grund des jegt geltenden Tarifsystems und der jeßt geltenden Einheitssäße unser Wirtschafts- leben sich glänzend entwidelt hat, daß die kilometrishen Einnahmen dauernd sehr erheblich gestiegen, daß die tonnenkilometrishen Ein- nahmen der Verwaltung dauernd gefallen sind, daß, wenn wir mit den tonnenkilometrishen Einnahmen des Jahres 1895 renen könnten, wir heute mit einer Mehreinnahme von 63 Millionen im Güter- verkehr rechnen dürften. Ih konnte nahweisen, daß die Ermäßigung der Frachtsäße sowohl dur eine Ausgestaltung der Güterklassifikation als auch weiter durch die Gewährung von Ausnahmetarifen herbei- geführt worden ist, Ausnahmetarife, die ganz gleihmäßig die Industrie und die. Landwirtschaft berücksihtigt haben. Jch habe aber doch als meine persönlihe Auffassung aussprehen dürfen, daß ich meinerseits geneigt wäre ein Beshluß des Staatsministeriums liegt noch nicht vor —, den Wünschen, die in bezug auf die Ermäßigung , der Abfertigung8gebühren bei Verwendung ton Wagen größerer Tragfähigkeit laut geworden sind, Rechnung zu tragen (bravo !), alfo für die Benußung von Wagen von 15 und 20 t Tragfähigkeit gewissermaßen eine Prämie zu gewähren, ebenso daß ih der Ausbildung des Robstofftarifs im Sinne einer weiteren Staffelung des Tarifs zuneige. (Bravo!) Jedenfalls bin ih mir der aus\{lag- gebenden Bedeutung einer zutreffenden Ausgeftaltung und Anpassung unserer Gütertarife für unsere gesamte Volkswirtschaft voll bewußt, und ih werde in diesem Sinne zu wirken bemüht sein.

Meine Herren, der Perfonaletat der Verwaltung nimmt unsere Sorge und Fürsorge in äußerstem Maße in Anspru. Für das Se- samtpersonal von 441 534 Köpfen ist, wie bereits von dem Herrn Ve- rihterstatter mitgeteilt worden ist, ein Aufwand von 665 Millionen, glei 56 9/9 aller Betriebsauëgaben, notwendig. An dieses große Heer der Angestellten hat der gesteigerte Verkehr ganz außer- gewöhnlihe Anforderungen geftellt, und ich halte es für meine Pflicht, und es ift mir ein ganz besonderes Bedürfnis, es vor diesem hohen Hause auszusprehen, daß unsere Beamten, unsere An- gestellten den Anforderungen voll genügt und #sch als treu und zu- verlässig bewährt haben. (Lebhaftes Bravo auf allen Seiten des Hauses!) Das gilt nicht nur von den Beamten, die im äußeren Be triebsdienst tätig sind, sondern auch für diejenigen, die im inneren Dienst beschäftigt sind, denen die Verkehrsfteigerung erhebliche Mehr"

| lasten auferlegt und deren Tätigkeit ih voll würdige.

Im Ministerium der öffentlichen Arbeiten if ein Ministerial direktor in der mashinentehnishen Abteilung in Zugang gekommen. Ich erblicke hierin eine Anerkennung der wahsenden Bedeutung unserer Maschinen- und Glektrotehnik und deren Erfolge. Die Ve-

förderungsverhältnifse der höheren Beamten sind wesentlih verbessert durch die Schaffung von 18 Oberratsftellen, insgesamt 25 Mitglieder- stellen, 19 Inspektionsvorstandsstellen und 38 neuen Bauinspektor- stellen. Die Avancements8verhältnisse der höheren Techniker sind wesentlih verbessert. Wir werden am 1. April 1907 Regierungs- haumetster des Maschinenbaufahs etatsmäßig aus dem Jahre 1901 anstellen und Regierungsbaumeister des Ingenieurbaufahs vom Sahre 1902. (Bravo!) Unter den 19 Inspektionsvorstandsstellen be- finden fich 8 neue Betriebsinspektionsvorstandst stellen.

Es hat fich. infolge des außerordentli gestiegenen Verkehrs und auf Grund der Erfahrungen, die wir im vergangenen Herbst nah Fertigftellung des Etats haben maßen müssen, die Notwendigkeit ergeben, noch vier neue Inspektionsftellen, nämli in Hamburg, Dortmund, Oberlahnstein und Frankfurt a. M. einzurichten. Ich habe hiervon bereits der Budgetkommission Mitteilung gema(t und um die Zustimmung gebeten. Es handelt ih hier niht um neue etatsmäßige Stellen, die angefordert werden, sondern es soll die Be- seßung der Stellen der Vorstände der Betriebsbeamten und der Bureaubeamten aus dem etatsmäßig zu bewilligenden Personal er- folgen.

Im übrigen bringt der neue. Etat ganz Außerordentliches und doh angesichts der vielfah unbefriedigenden Lage unseres Beamten- tums noch nit genug. Daß die Staatseisenbahnverwaltung es aber an Fürsorge für ihre Angestellten, sowohl für die Beamten als au für die Arbeiter, in den legten Jahren niht hat fehlen lassen, mag daraus erkennbar sein, daß der Etat von 1907 einen Mehraufwand von 40 Millionen für Beamte und Arbeiter bringt. Davon entfallen 23 Millionen Mark auf Beamte und 17 Millionen Mark auf Hilfs- bedienstete und Arbeiter. Der neue Etat sieht 10 583 neue etats- mäßige Stellen vor. Hierunter befinden sich 3320 Beförderungzsftellen, sodaß fast 14 000 Beamte neu angestellt oder befördert werden mit einem Mehraufwand von 24 Millionen Mark. Die Verwaltung legt einen ganz entsheidenden Wert darauf, daß die etatsmäßigen Stellen im Verhältnis zu dem Wachsen des Personals {ih steigern. Die etatsmäßige Anstellung bringt dem Mann die größte Sicherung für das ganze Leben (sehr rihtig!) und fesselt ihn auf Grund der Siche- rung, die ihm durch die etatsmäßige Anstellung gewährt wird, an die Verwaltung. Es wird auch bei der preußischen Staatseisenbahn- verwaltung in dieser Beziehung niht Ungewöhnliches geleistet. Bei den bayerischen Staatsbahnen sind 5009/9 des ganzen Personals etats- mäßig angestellt, bei den sächsishen Staatsbahnen 39 9/9 und bei den preußishen Staatsbahnen zwishen 37 und 38 9/0.

Die Verwaltung gewährt auf Grund des Etats eine Aufbesserung der Gehälter für 59200 Beamte und wirbt dafür einen Mehrbetrag von 75 Millionen an. Unter diesen Beamtenbe findet sich eine große Zahl von Kategorien, die für den Betrieb außerordentlichß wichtig sind: Bahnhofsvorsteher, Gütervorsteher, Kassenvorsteher, Bahnmeister I. Klasse, Schiffskapitäne, Eisenbahnassistenten, Lokomotivführer, Zugführer, Feuerwehrmänner, Werkführer, Wagenmeister, Schirr- meister, Weichenfteller T. Klasse. Unter diesen aufgeführten Kategorien befinden sich 14962 Lokomotivführer, Schiffsmaschinisten und Maschinisten. Ó

Es liegen dem Hause Petitionen vor, and es sind auch mir Ein- gaben zugegangen, in denen die Auffassung vertreten wird, als ob dem Lokomotivpersonal keine Aufbesserung zu teil wird. Es wird aber nah unseren Vorschlägen das Mindestgehalt von 1200 A auf 1400 4 aufgebessert. Jh bemerke, daß das jeßt angestellte Lokomotivpersonal cine Aufbefserung von 14 Million erfährt. Die Petitionen sind darauf zurückzuführen, daß es uns leider nicht mögli gewesen ist, die Lokomotivheizer, für die die Lokomotivführerstelle eine Besörderungs- stelle ist, gleihmäßig zu erhöhen. Es könnte nah Ablauf von sechs Jahren der Fall eintreten bei Fortschreiten des Gehalts, daß die Lokomotivführer auf Grund dieser einseitigen Erhöhung geschädigt werden. Diese Schädigung muß unker allen Umständen vermieden werden. Wir werden die Lokomotivheizer unter diejenigen Beamten aufnehmen, die boffentlich im nächsten Jahre in die Gehaltserhöhung einbezogen werden. (Bravo!) Es sind an der gesamten Aufbesserung ganz überwiegend beteiligt Beamte des Außendienstes in s{wierigen Stellungen. Leider ift es nicht möglich gewesen, au die geringst be- soldeten Unterbeamten diesmal mit einer Gehaltserhöhung zu bes denken; es sind das die Weihensteller, Bahnwärter und andere Kategorien. Vergessen sind aber diese Beamten nicht. Ecstenz denfen wir daran und der Herr Finanzminister hat das bestätigt —, im nähsten Jahre sie in ihrem Gehalte zu verbessern. Sie haben au in diesem Jahre ganz erbeblihe Beträge zugewendet erbalten Nahdem im vorigen Jahre der Wohnungsgeldzushuß mit einem Kostenaufwande von 64 Millionen Mark erhöht worden ist, haben wir in diesem Jahre, einem lange gehegten Wunsche ent- sprechend, den Kleidergeldzushuß eingeführt mit einem Kostenaufwande von 3,1 Millionen Mark. Es ist ferner im Etat der Finanzverwaltung vorhanden der bekannte Fonds von 3 Millionen, aus dem den Ange- stellten der Staatseisenbahnverwaltung 2,6 Millionen Mark zufließen werden. Es ift ferner zu berüdcksihtigen, daß unser Stellenzulagefo nds einen Betrag von 7,1 Millionen Mark vorsieht, von dem ein sehr wesentlicher Teil den Unterbeamten zukommt; er is in den leßten 6 Jahren von 2,6 auf 7,1 Millionen Mark gestiegen. Endlich ist zu berücksihtigen, daß die Unterstüßungs- und Remunerationsfonds, an denen die Unterbeamten ganz wesentli beteiligt werden, niht weniger als 6,9 Millionen Mark ausbringen. Jh glaube also und ih kann das mit voller Ueberzeugung aussprehen —, daß derjenige Teil unseres Personals es sind etwa 50 9/6 aufgebessert worden, 50 9% nur in dem Umfange verbessect, wie ich es dargestellt habe —, der diesjährig keine Gehaltszulage bekommt, doÿ aus dem Etat so reih- lihe Mittel zur Verfügung gestellt erhalten hat, daß ein Ausgleich geschaffen ist.

Der Arbeiterlohnfrage ist nach wie vor die größte Sorge zu- gewandt worden. Die Löhne befinden sich in ständigem Steigen, die Bewegung ist noch nicht am Ende. Die Durthschnittslöhne sind von 1895 bis 1905 von 2,39 auf 2,89 Æ gestiegen, also glei 2109/6. Es sind das Durchschnittssäße. Das Jahr 1907 bringt gegen 1904 einen Mehraufwand für Löhne von 26 Millionen Mark. Im Etat sind au zum ersten Male Mittel vorgesehen, damit unseren Hilfs- beamten und Arbeitern nunmehr ein alljährliher Urlaub unter Fort- ¿ablung des Lohnes gewährt werden kann. Es ist damit einem lange gehegten Wunsch unserer Arbeiterschaft und auch einem Wunsch dieses hohen Hauses entsprohen; denn im Jahre 1905 hat das hohe Haug die Resolution gefaßt, daß den Werkstättenarbeitern, steigend mit dem Dienstalter, ein Urlaub gewährt werden möge unter Fortzahlung des

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Lohnes. Es if für die gesamten Staatsbetriebe eine Einigung erzielt worden, und die Urlaubsgewährung wird nunmehr an die Arbeiter der gefamten Staatsbetriebe erfolgen. Die Regelung ift fo erfolgt, daß die Hilfsbeamten, die 5 Jahre im Dienste der Verwaltung stehen, einen Urlaub erhalten, der so lang ist wie der Urlaub der Unter- beamten, deren Stellen sie versehen, also 8 und 6 Tage, daß die Arbeiter einen viertägigen Urlaub erhalten, wenn fie 7 Jahre im Dienste der Verwaltung ftehen, und einen fechstägigen Urlaub, wenn sie 10 Jahre im Dienste der Verwaltung sind. Es begreift diese Regelung die gesamten Werkstätten-, Verkehrs- und Be, triebs8arbeiter in sih. Bei der Veranschlagung unseres Betriebsplanes ift auch auf eine Verkürzung der Dienstzeit in {weren Stellungen, wie auf Vermehrung der Ruhetage Nücksicht genommen. Jh kann bier ganz besonders hervorheben, daß im Jahre 1895 mebr als 2 Nuhe- tage im Monat hatten 16 706 Angestellte des Lokomotivdienstes und im Jahre 1905 32 839 Angestellte derselben Gattung, ebenso im Jahre 1895 16 863 Angestellte des Zugdienstes und im Jahre 1905 35 296 Angestellte desselben Dienstes.

Mit der weiteren Verbesserung unserer Wohlfahrtseinrihtung wird kräftig vorangeshritten : Herrihtung von Uebernahtungslokalen und Aufenthaltsräumen, von Badeanstalten, Herrichtung von Wärm= und Kocheinrihtungen, Vorhaltung von Kaffeekohvorrihtungen, Vor- rihtungen zur Herstellung von Brausewasser werden überall gewährt.

Die Zahl der staatseigenen Wohnungen if im Jahre 1906 um nit weniger als 2900 gestiegen, sodaß wir jeßt über 42 900 ver- fügen; außerdem sind 8000 Wohnungen von Baugenossenschaften vor- handen, die aus Baudarlehnen des Staates beshaft und an Eisen- bahnbedienstete vermietet sind.

Ih möchte niht \{hließen, ohne einen kurzen Ueberblick über unser Vereinsleben zu geben. Die Zahl der Staatseisenbahner- vereine beträgt 637 mit 350800 Mitgliedern. (Hört! hört !) Aus Vereinen, die ganz überwiegend zu Anbeginn Geselligkeitszwecke erfüllen sollten, find Vereine geworden, die patriotische, kameradshaft- lihe, aber auch in bervorragendem Maße gemeinnützige und wirt- shaftlihe Zwecke erfüllen. Eine ganze Reihe von Eisenbahnervereinen ist mit außerordentli dankenswerten Einrichtungen vorgegangen: die Eisenbahnervereine des Direktionsbezirks Münster haben ein eigenes Eisenbahnerheim in Borkum, die Eisenbahnervereine im Beiirk Magdeburg ein solches in Jisenburg für Erholungs- und Genesungs8- zwecke gegründet. Staatsbeihilfen sind gewährt worden. Eine ganze Reibe folher Einrichtungen if im Gange und wird voraussihtli% im nächsten Jahre in Wirksamkeit treten. Diese gesamten Eisenbahner- vereine haben \fich zusammengeshlofsen zu dem Gesamtverbande der Vereine der Staatseisenbahner und Reichseisenbahner. Das Wirken dieses Gesamtverbandes ist ein sehr segensreihes, insbesondere dank der außerordentlißen Initiative des Eisenbahndirektionspräsidenten in Cassel, dem anzuerkennende Verdienste zufallen. (Bravo!) Der Gesamtverband verfügt jeßt über eine Eisenbahnverbandskranken- kasse, für welthe hier das hohe Haus vor drei Jahren 3 Millionen zur Verfügung gestellt hat; aber auh andere gemeinsame Einrichtungen werden von ihm begünstigi durch Uebereinkommen für Hinterbliebenen- und Pensionsversicherung und zu anderen Zwecken. Aber trotz dieser Förderung, die wir dem Vereinswesen in der Begünstigung der Staats- eisenbahnervereine angedeihen lassen, ift die Neigung unseres Personals, sih zu Fahvereinen und -Gruppen zusammenzufinden, eine ganz außer- ordentlih große. JIch habe im Laufe des vergangenen Jahres eine Feststellung für den Bereich der preußishea Staatseisenbahnen und der Neichseisenbahnen vornehmen lafsen. Es hat si ergeben, daß niht weniger als 207 000 von den Angestellten solchen Vereinen an- gehören ; es sind etwa sehzig bis siebzig große Vereine mit Hunderten von Untervereinen, die allerorten wirken. Die Tätigkeit dieser Fah- vereine ist ja Jhnen allen aus den zahlreihen Petitionen bekannt, die an Sie ergehen. (Sehr richtig! Heiterkeit.) Solange diese Vereine nichts weiter bezwecken, als ihre Berufstätig- keit zu fördern, als ihren Beruf vorwärts zu bringen, können se ja von seiten der Staatseisenbahnverwaltung in jeder Beziehung auf Förderung und zum mindesten auf Duldung Anspru mathen; fobald sie aber beginnen, einen ordnungsfeindlihen Charakter zu zeigen, müssen wir ihrer Tätigkeit selbstverständlichß Zügel und Zaum anlegen.

Aber dies geschieht erst dann, wenn Vereine erkennbar gegen die be- | V

stehende Ordnung der Dinge angehen, und wenn fie mit sozialdemo kratishen Bestrebungen in Füblung treten (sehr rihtig!), wenn

der Sozialdemokratie eine starke Einwirkung auf sh gestatten. Es ist ja bekannt, daß der Minister von Thielen \sich genötigt

sah, vor einer Reihe von Jahren gegen den Verband der Eisenbahner |

Deutschlands in Hamburg einzuschreiten und unseren gesamten Bedienfteten die Entlaffung anzudrohben, agitieren oder ihm beitreten. Die Tätigkeit des Verbandes ist von Herrn von Thielen und meinem unmittelbaren Herrn Amts8vorgänger überwacht worden. Der Verein hai keine sehr große Ausbreitung ge- funden; bedarf aber doch immerhin einer ständigen Ueberwahung. J habe mich im vergangenen Jahre nunmehr veranlaßt sehen müssen, gleihermaßen gegen einen Verein vorzugehen, der in Süddeutschland seinen Sig hat, den Süddeutshen Eisenbahnverband mit dem Siß in Nürnberg. Dieser Verein hatte im Jahre 1905 bereits den Beschluß gefaßt, den Generalstreik als ein zulässiges Kampfmittel zur Dur(- seßung wirtshaftlicher Forderung anzuwenden, (bört! hört! rechts) freilih, wie es in dem Beschlusse hieß, in pessimum eventum : wenn alle Stränge reißen. Da der Verein seine Tätigkeit weder auf das Gebiet der preußishen Staatseisenbahnen noch auf die Reihseisen- bahnen ausgedehnt hatte, hatte man ihn zunächst ianoriert; das hat sih aber im vergangenen Jahre geändert. Der Hamburger Verband hat versucht, eine ftarke Anlehnung an den Süddeutshen Verband zu nehmen, es find sehr enge Beziehungen eingeleitet wie weit die gediehen sind, weiß ich nicht —; sodann hat der Süddeutsche Verband es versucht, durch seinen Gauleiter einen namhaften Teil der An- gestellten der Reichseisenbahnen in seinen Bann zu bringen. Es geshah dies durch Agitatoren, die sh persönlich durhaus zu s\ozial- demokratishen Grundsäßen bekannten und keinen Anstand nahmen, dies auszusprehen. Das gab mir denn Veranlassung, den Verband mit den gleihen Wirkungen zu verbieten, wie es früher bezüglih des Hamburger Verbandes geschehen ist. (Bravo! rechts.) Das Verbot ift durhgeführt, diejenigen, die ihm angehört haben, sind ausgeschieden ; etwas Weiteres ist nit erfolgt.

Der Staatseisenbahnbetrieb dient den Interessen der Gesamt- heit und is wohlgeordnet zum Segen des Landes und nitt zuleßt zum Nuyen unseres großen Personals. Bestrebungen, die dahin zielen, diesen gewaltigen Betrieb lahm zu legen, wie es

falls sie für diesen Verband !

auf dem Mannheimer Parteitage von einem Vertreter der Sojzial- demokratie mit dürren Worten als das zu erstrebende Ziel aus- gesproGen wurde, und eine allgemeine Landeskalamität hereaufzu- beschwören, werden von mir nicht geduldet werden. (Bravo! rets.) Ich stehe in diesen Fragen auf demselben Standpunkte wie meine Herren Amtsvorgänger aus vollster innerer Veberzeugung. (Bravo! rets.) Ebenso wie meine Amtsvorgänger bin ih aber gewillt, in der Fürsorge für das Personal meine soztalen Pflichten mit freudigem Verzen zu erfüllen, und ih hoffe, meine Herren, daß Sie mir dieselbe Unterstüßung angedeihen lafsen werden, die Sie meinen Herren Amts- vorgängern auf diesem wichtigen Gebiet haben angedeihen lassen. (Lebhafter Beifall!)

_ Abg. von Quast (kons.): Jch möchte troß des glänzenden Resultats unserer Eisenbahnverwaltung nit unterlassen, davor zu warnen, uns dadur forgenlos einlullen zu lassen. Die meisten von Ihnen haben ja auch die Jahre 1900—1903 mit ihrem starken Nieder- gange erlebt. Hoffen wir, daß ein neues Wellental nit fo bald in die Erscheinung tritt und, wenn es geschieht, wieder bald ver- {winden wird. Und mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines folhen Wellentals möchte ich bitten, mit den Millionen so zu sagen niht so um sich zu shmeißen. Wir haben gesehen, wie ein sharfer Wintermonat den Koblenverbrauh um 15 9% steigert, welhe Arbeiten er auf den Strecken verursacht. Alle unsere Ausgaben für den Betrieb werden in Zukunft nicht billiger werden. Die 700 Millionen für Löhne und Gehälter werden fi erheblich steigern, namentlih wenn sie außerdem noch aufgebessert werden sollen. Die Abschlüsse über Schienen sind Ende dieses Monats abgelaufen, und so billig wie bisher werden wir das Schienenmaterial niht mehr be- kommen. Auch die Rohmaterialien für Bauten find teuerer geworden ; ih göônne das den dabei beshâftigten Arbeitern von Herzen, aber be- denflich wird das immer bleiben. Das investierte Kapital unserer Cifenbahnen is von 9x Milliarden auf 6 Milliarden Staats\ch{uld gebraht worden. Das bedeutet eine Verzinsung von ca. 107 0/5 und gibt ein überaus erfreulihes Bild. Die Eisenbahnverwaltung muß immer noch ca. 35 9/% der Ansprüche der Staatsfinanzen decken. Jn den leßten Jahren ist ja erfreuliherweise die Abhängigkeit der Staats- finanzen von den Eisenbabhneinnahmen etwas gemindert worden, aber meine Freunde werden niht aufhören, darauf zu dringen, daß diese Unabhängigkeit immer mehr fortshreite. Wir werden jeder Tarifreform zustimmen, die eine zweckmäßige Vereinfachung der Tarif- bestimmungen anstrebt. Grundbedingung dafür aber bleibt immer, daß unsere Einnahmen dadur nicht gemindert werden. Im einzelnen stimmen wir der Maßnahme zu, daß bei den neuen chweren Güterwagen mit 90 Tonnen den Benugern eine gewisse Prämie gegeben werden soll. Die Abstellung des Wagenmangels muß nach wie vor eine der wichtigsten Aufgaben der Verwaltung bleiben. Wir begrüßen es, daß außer den bereits im vorigen Jahr von der Verwaltung ausgegebenen 590 Millionen über den Voranschlag hinaus in der angekündigten Nebenbahnvorlage weitere 50 Millionen für Betriebsmittel angefordert werden. Gepäckwagen sollen in größerem Umfange angeschafft werden. Leider werden diese auf dea Nebenbahnen lange nicht genügend ausgenußt. Selbverftändlih müssen bei Herstellung eines jo großen Wagenparkes auch die Aufstellungsgleise entsprechend ausgebaut werden. Die Verhandlungen über die Betriebsmittel- gemeinschaft können wir wohl als gescheitert betrahten: die Be- strebungen gingen ja auch weit über den Nabmen dessen binaus, was wir seinerzeit hier gewollt hatten. Die preußishe Eisenbahn- verwaltung ist eine so überwiegend günstige, daß wohl die anderen deutschen Staaten von dieser Betriebsmittelgemeinshaft Vorteile gezogen hätten, wir aber kaum. Daß die Einführung des elektrischen Betriebes große Vorteile mit \ich bringen würde, kann man wohl als sicher annehmen. Ih möthte den Minister warnen, in dieser Hinsicht zu \chnell vor- zugeben. Daß die Unfälle sih vermindert haben, ist sehr erfreulich, ebenso, daß die Streckenblockung vermehrt werden soll. Wir freuen uns au, daß die Staatsbahnverwaltung mit den neuen Motorwagen auf den Nebenbahnen Versuche machen will. Hoffentlih werden aber nicht nur die 30 Tonnen {weren Akkumulatorenwagen, welche für die Nebenbahnen zu {wer find, sondern auh andere Systeme benußt. Wir freuen uns, daß die finanzielle Basis der Staatsbahnverwaltung eine fo günstige ist.

Abg. Macco (nl.): Die Ausgaben steigen jeßt so bedeutend, weil frühere Sünden und Unterlafsungen wieder gut zu machex, sind. Es fragt si, ob unser Wirtschaftsleben fo steigt, daß wir die jêzigen großen Ausgaben übernehmen können. Ich verstehe deshalb die Bedenken in dieser Beziehung. Die Selbstkosten der Eisenbahn- verwaltung find bedeutend gestiegen. Die Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs zeigt von 1889—1905 eine beständige Zunahme der Perfonenkilometer und im Güterverkehr eine Steigerung von 15 860 Millionen Tonnenakilometer auf 31 000 Mill. Tonnenkilometer. An-

ieser ständigen Steigerung brauhen wir nicht ängstlih in

¡g unseres Eisenbahnwesens zu sein. Die Verzinsung 2bnkapitals ist von 4,9 9% im Jahre 1891/92 auf re 1905, also um 57 % gestiegen. Unsere Be- nicht nur zu, sondern auch der Konsum dieser Be- terung ist ein ganz anderer geworden; der Verbrauch an Werten teigt fortwährend. Namentlich sleigt der Verbrauch an Eisen, Kohle ali. Wir brauen nicht anzunehmen, daß die wirtschaftliche ng fich niht weiter so hebt wie bisher, und daß unsere Schwankungen werden wir erleben. Wenn wir aber unser Eisenbahnnetz ausbauen, so werden wir auch siherlich in der Lage

sein, es auzunußen; wir brauchen nicht \{chwarz zu sehen. Ist aber die preußishe Staatseisenbahn dieser Entwiklung des wirt- schaftlichen Lebens gefolgt? Unser Vollbahnney haben wir nicht wesentlih vermehrt; wir haben wesentlich nur Nebenbahnen gebaut. Die VernawWlässigung der Vollbahnen ist aber niht richtig. Die

n Einbußen erleiden könnten.

tmmer

| Leistungsfäbigkeit unserer Güterbahnen wird wesentlih beshränkt durh

den großen Umfang des Personenverkehrs auf den Vollbahnen, der nit mehr eingeschränkt werden kann. Wir haben die Vollbahnen nicht ausgebaut und liegen nun mit dem Verkehr auf ihnen fest. Das rheinish-westfälische Industriegebiet hat für den Verkehr nah dem Süden nur die beiden rheinishen Bahnen zur Verfügung. Das ift unrichtig, in der Kommission hat der Kollege Hirsch {hon darauf hingewiesen, daß es durhaus notwendig ist, neue Verkehrswege nah dem Süden, namentlich auf der rechten Rheinseite zu \{cha|en. Ebenso muß die Leistungsfähigkeit der Betriebsmittel gesteigert werden. Bei Bemessung des Wagenbedarfes legt man immer die Anzahl der vorhandenen Wagen zu Grunde; das ist aber niht rihtig, man muß die Tragfähigkeit der Wagen und die Anzahl der Achsen zu Grunde legen. Die Anzabl der T esontdaaenaten ist in den 10 Jahren bon 1895—1905 jährlich um 4—7 9/9 gestiegen, die Zunahme des Verkehrs hat aber 10 9% betragen ; noch jtärker ist der Unterschied bei den Güterwagen, da beträgt die prozentuale Zunahme der Achsen nur ein Drittel der Zunahme des Verkehrs. te Verkehrs- und die Einnahmeziffern zetgen, daß das Anlagekapital keineswegs der Steigerung des Verkehrs effspriht. Wie müssen also das Anlage- kapital erhöhen und die Betriebsmittel wesentlich vermehren, dann wird sih der Betriebskoeffizient günstiger stellen. Die Vermehrung des Anlagekapitals if nur scheinbar unsolide. Alle größeren Werke steigern ihr Anlagekapital, wenn ihre Leistungsfähigkeit vielleiht um 70 bis 80 9% gesteigert werden muß. Die Beamtengehälter werden erhöht werden müssen und werden einen großen Teil unserer Einnahmen in Anspru nehmen, deshalb meen wir unsere Eisenbahnen unabhängiger von der allgemeinen Staatsverwaltung stellen, damit nicht - méhr die Eisenbahneinnahmen in fo hohem Maße für allgemeine Staatszwecke beansprucht werden. Der Ausgleihsfonds, den wir vor Jahren für die Eisenbahnverwaltung gebildet haben, wird vielleiht auch erhöht werden müssen, denn das Eisenbahnministerium gewinnt allmählich eine Ausdehnung, daß es unmöglich für einen Minister ist, das Ganze noch zu übersehen. Jch halte deshalb mit meinen Freunden eine Aenderung für notwendig dahin, daß die Hochbauverwaltung und Wasserbauverwaltung von dem