1907 / 61 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Die Herren können sih aber damit trösten: solche Fälle kommen nit nur in Deutschland, sondern auch über den deutschen Grenzen vor. Wenn der Herr Abg. Dr. Roesike die Güte haben wollte, das offizielle Protokoll der französishen Deputiertenkammer vom 25. Ja- nuar dieses Jahres zu lesen, so wird er finden, daß ein Monsieur Emanuel Broufse eine ganz ähnlihe Rede gehalten hat, wie er beute hier im Deutschen Reichstag gehalten hat (Heiterkeit), und ein witiger Feuilletonist beschreibt den Unterschied zwischen Franzosen und Deutschen in bezug auf die Weinpanscher dahin, daß der egoistishe Deutshe in seinem Zorn zunächst an sich felbst denkt und erst dann an den Handel, er wolle selbst niht vergiftet werden, und darum zürne er den Panschern; der Franzose lasse aber dieses Uebel \tillsGweigend über \ih ergehen im Interesse der franzöfischen Weinausfuhr, die den Schaden hätte, wenn man im Auslande erführe, welche Unmengen französishen Weines niht der Rebe, sondern dem Kothkessel des Chemikers entstammten. (Heiterkeit.) Ich wetß nicht, ob diese psychologishen Gründe, die für das angeblih verschiedene Verhalten angeführt werden, richtig sind; aber jener Feuilletonist zieht noch einen anderen Shluß aus diesem angeblihen Gegensaß. Er sagt, es müsse also, da der Deutsche seine Beschwerden so ofen zur Schau trage, doch an der \prichwörtlichen deutshen Ehrlihkeit viel Wahres sein. FIch glaube, dieses Gefühl der deutshen Ehrlichkeit ist es auch, welches über solche Zustände, wie sie heute von dem Herrn Vorredner behauptet worden find, ein gewisses Gefühl der Entrüstung in jedem anfständigen Menschen erzeugt. Meine Herren, das Weingeseß ift erst im Jahre 1901 ergangen. Diese Revision hat allein 18 Kommissionssißungen erfordert, nachdem dem Gese das große Weinparlament voraus- gegangen war, und ih teile die Auffassung des Herrn Interpellanten vollkommen: wie jedes Kompromiß is auch dieses Kompromiß nicht vollkommen befriedigend; der Geseßentwurf war in der Tat ein Kompromiß in des Wortes weitester Bedeutung zwischen den ver- schiedenen Auffassungen im Reichstag, zwischen den verschiedenen Auf- fafsungen der Sachverständigen und zwishen den zum Teil auch auseinandergehenden Auffassungen der verbündeten Regierungen.

Nah Erlaß des Gefeßes sind zwei berühmte Fälle von Weinfälshung festgestellt worden, die ich mit Namen nicht weiter bezeichnen will. Man sollte nun denken, daß auf Grund dieser Feststellungen sich die öfentlihe Meinung verbreitet hätte: das Geseß ist do wirksam, da zwei solch hervorragende Fälle auf Grund desselben festgestellt und zur Bestrafung herangezogen werden konnten. Statt dessen geht der einmütige Ruf durchs Land: das Geseß muß sofort revidiert werden, wenn solche Zustände bestehen können. Wenn das Geseg niht in dem Umfange gewirkt hat, wie es wirken konnte, dann sind meines Erachtens nit so sehr die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes daran schuld, als vielmehr seine Handhabung. Wir machen oft im Reichstage Gesetze und denken damit eine Frage gelöst zu haben. Nein, meine Herren, die wirtschaftlichen, die sittlichen Zwecke eines Gesetzes können erst erfüllt werden dur die Art, wie ein Geseß ausgelegt und wie es gehandhabt wird. Man kann mit einem mangelhaften Gesetze sehr gut verwalten und dem Rehte Geltung vershafen und aus- gezeichnete Geseße können ein absolut toter Buchstabe bleiben. (Sehr richtig!) Meine Herren, man hat bisher übêr die Pfalz viel ge- \{chmält ih werde nahher auf die Verhältnisse der Pfalz zurück- kommen —, aber nah dem, was wir heute gehört haben, möchte man vielleiht sagen: Falsificatur intra Palatium et extra. Wie Sie wissen, -hat jeßt wiederum ein Weinparlament getagt, und es sind dort vershiedene Anregungen gegeben worden zur Aenderung des Gesetzes. Ih möthte zunächst darauf hinweisen, daß auf Grund des 8 10 des Wein- gesetzes eine Bu(kontrolle verlangt ist. Schon jeßt ift der Revisor befugt, die Bücher einzusehen, aber nur unter der Voraussetzung, daß Bücher existieren. Das Weinparlamzent sprach also den Wunsch aus, wie das auh heute der Herr Interpellant getan hat, daß die Buchführung eine obligatorische sein sollte, und zwar sollten die Vorschriften für die Buchführung nicht zu kurz fein, sondern recht eingehend. Von anderer Seite wurde indes son früher das Bedenken geäußert, ob alle Winzer einer komplizierten Buchführung gewachsen wären. Es soll also mit anderen Worten jeßt durch Geseß der Zwang zur Buchführung eingeführt werden. Fedenfalls könnte dieser Zwang nur durch Gesetz eingeführt werden, und zwar, indem man eine Ergänzung zum Weingesetze beschließt, oder indem man einen Zusaß zum Nahrungsmittelgeseß macht.

Die Fraze der Buchkontrolle ist allerdings eine s{chwierige, aber eine Frage, die meines Erachtens bis zu einem gewissen Grade, wenn die Buthkontrolle so eingerihtet würde, daß sie auch der einfache Winzer leisten kann, außerordentli erwägung8wert ift gegenüber den Zuständen, wie fie angeblich an manchen Stellen bestehen.

Weiter wird gefordert die Einschränkung des Zuckerzusatzes. Wie {hon ausgeführt, ist der Zuckerzusay erlaubt, aber .er soll nit fo groß sein, daß eine erhebliche Vermehrung des wirklihen Wein- quantums stattfindet. Von dem ersten Weinparlament und au iebt ift wieder vorge\chlagen, den Zuckerzusaß nah dem Volumen zu be- grenzen, einen Zusaß von etwa 25 bis 30 yCt. für erlaubt zu erklären. Ich bemerke aber, taß ein foler Beschluß zwar {on bei Beratung des Weingeseßes vom Jahre 1901 in der Kommission gefaßt wurde, daß aber die verbündeten Regierungen diese Bestimmung der Beschlüsse der Kommission für unannehmbar erklärten, und zwar aus zwei Gründen : erstens weil es chemisch im Wege der Analyse nicht nachzuweisen ist, daß und in welhem Umfange ein Zudckerzusatz stattgefunden hat das sind eben die berühmten ana- [lysenfesten Weine —, und zweitens weil man befürchtet, daß eine Moarximalgrenze des erlaubten Zuckerzufaßes dahin führen würde, daß man immer bis an die Grenze mit diesem Zuckerzusate ginge, daß darin geradezu ein Reizmittel liegen würde, von dieser Be- fugnis des Geseßes Gebrauch zu machen, und gute Familienväter A vielleicht geradezu für verpflihtet halten würden, in dieser Weise das Vermögen ihrer Kinder zu vermehren. Sehr inter- effant in dieser Beziehung ist ein Aufsaß, den der bekannte Professor Windish in Hohenheim, der ein hervorragender Weinsachverständiger

ift, vor kurzem veröffentliht hat. Professor Windish war früher ein ausgesprohener Gegner der Bestimmung des jeßigen Wein- gesezes von 1901, welches den Zuckerzusay niht begrenzt, sondern nur eine erhebliche Vermehrung des KQuan- tums verbot. Gr erklärte damals, daß diese Bestimmung eine durchaus unzureichende sei. In dem von mir erwähnten Aufsaß hat aber Professor Windisch zugegeben, daß diese Bestimmung des Gesetzes praktisch wäre, weil sie für eine vernünftige Rehtsprehung

eine Entscheidung von Fall zu Fall ermöglihte. Der Herr Inter- pellant hat gesagt, die Grundflähe des deutschen Weinbaues wäre niht gewachsen. Bei dem jeßt im November versammelt gewesenen Weinparlament ift aber gesagt worden, man bepflanze jeßt mit Reb- öden Flächen, die sich nach ihrem Boden, nah ihrer Lage eigentli zur Weinkultur nicht eigneten; man wage das aber, weil man die Fehler der Natur jeßt verbessern könne durch künstlihe Zusäße und namentlih durch den Zuckerzusaß. Ob man den Zuckerzusaß nah dem Quantum begrenzt, ist meines Erachtens auch eine Frage, die nah den jeßt gemachten Erfahrungen einer wiederholten ernst- lien Prüfung bedarf. Jch bemerke noch, daß in dem zuleßt zusammengetretenen Weinparlament sowohl die Vertreter des Wein- baues wie die Sathverständigen auch für eine Begrenzung des Zuckerzusaßzes nah dem Zeitraum waren, dagegen waren nur die Ver- treter der Mosel. Es gibt auch Radikale, die weiter gegangen sind, die erklärt haben, man solle den Zuckerzusay vollkommen freigeben, aber gleichzeitig eine Zwangsvorschrift erlassen, daß alle gezuckerten Weine auf der Etikette deklariert werden müssen. (Sehr richtig !) Fa, es wäre das sehr gut, aber ob ein solhes Geseß in diesem hohen Hause selbst eine Mehrheit finden, ob ein solches Geseg den Beifall der Winzer finden würde, ist mir nicht ganz unzweifelhaft. Wir baben einmal in Deutschland viele kleine Weine, die recht sauer find und nach dem Geshmack des Publikums durchaus der Zuckerung be- dürfen. Also eine Zuckerung in gewissen Grenzen halte ih an fich für eine durhaus erlaubte und unter Umständen ganz praktische Ver- besserung. Es kommt eben alles auf die Menge der Zuckerung an; würden wir allen Wein, der gezuckert ist, deklarieren, so würde, glaube ih, gegen den Winzerstand und den Weinhandel ein ziemlich {chwerer Schlag geführt werden.

Meine Herren, es is weiter auch gefordert worden eine Dekla- rationspfliht für Verschnittweine; es solle deklariert werden aller Wein, der aus einer Mischung von Rot- und Weißwein besteht. Auch diese Frage soll Gegenstand erneuter Erwägungen sein. Ich habe {on vor längerer Zeit im vorigen Jahre oder vor zwei Fahren hier erklärt, daß ih dem preußischen Staatsministerium einen Gesezentwurf vorgelegt habe, betreffend die geseßlichße Ein- führung einer Nahrungsmittelkontrolle für ganz Deutschland; ferner habe ih {on in einer früheren Tagung erklärt, daß die badishe Ne- gierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, betreffend die einheitliche Einführung und Gestaltung der Weinkontrolle, und daß ih au diesen Entwurf dem preußischen Staatsministerium habe zugehen lassen. Die preußishen Herren Ressortminister, die mir bis jeßt ihre Gutachten zugesandt haben, sind der Ansiht, daß für die Weinkontrolle eine geseßliche Regelung niht notwendig wäce, sondern daß es genügen würde, wenn ih die Bundesregierungen unter einander über eine einheitlihe Ausführung der Weinkontrolle einigten. Gbenso seinen die Herren bis jeßt der Ansicht zu sein, daß au die Nahrungsmittelkontrolle in einer ähnlihen Weise einheitliß zu regeln wäre.

Meine Hercen, ich komme auf den Ausgangspunkt meiner Beantwortung zurück. Der Schwerpunkt der Beseitigung der ganzen Uebelstände und darin stimme ih mit dem Herrn Interpellanten vollkommen überein Liegt in erster Linie nicht in den sahlihen Einzelvorschriften des Gesetzes, sondern in einer sachverständigen, geshäftskundigen, unabhängigen Weinkontrolle. (Sehr rihtig!) Wenn wir gegenüber den Uebelständen, die angeblich im Weinhandel existieren, und die ja auch in Prozessen nachgewiesen sind, eine Besserung der Zustände herbeiführen wollen, so muß die Aufsicht der Keller wesentlich eingehender durchgeführt werden. (Sehr richtig !) Es müssen die Aufsihtsbeamten wissenschaftlich und geshäftlich vor- gebildete Personen sein, Personen, die fozial und wirtschaftlich voll- kommen unabhängig dastehen. (Sehr rihtig!) Was man in dieser Beziehung leisten kann, sieht man jeßt gerade an der Pfalz, wo man mit kräftiger Hand und sachverständig eingreift.

Ferner aber glaube ich, daß es mit der Zeit und ih wünsche, die Zeit kommt bald unbedingt notwendig werden wird, reichs- geseßlich auch die Nahrungsmittelkontrolle zu regeln. (Sehr richtig!) Wir haben die Nahrungsmittelkontrolle geregelt auf einem wichtigen Gebiete der Volkeernährung: auf dem der Fleishbeshau; ih glaube, wir müssen weiter gehen und im Interesse der ehrlihen Produktion, namentli auch im Interesse der Landwirtschaft , dahin kommen, die gesamte Nahrungsmittelkontrolle in Deutschland einheitlih dur Gesetz zu regeln, wie das der § 10 des Weingeseßes auch ausdrück- li vorsieht. Denn § 10 des Weingeseyßes beginnt mit den Worten: eeBis zur reihsgeseylichen einheitlichen Regelung der Beaufsichtigung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genußmitteln.““

Zum Schluß noch ein Wort! Die Verhandlungen, welche das legte Weinparlament geführt hat, sind bereits den verbündeten Regierungen zugegangen und ih sehe den Aeußerungen derselben entgegen, in welher Richtung sie den Beschlüssen und Gutachten dieser sachverständigen Versammlung zustimmen, ob und in weldem Umfang fie geneigt sind, eine Ergänzung des Weingesetzes herbeizuführen. Aber der Kernpunkt der ganzen Sache bleibt die Sachverständigenkontrolle; und da kann - ich den Herren, die beute hier gesprochen haben und noch sprechen werden, nur ankeimstellen, ihre Wünshe auch innerhalb der Einzel- parlamente geltend zu machen, denn bei den cinzelnen Negierungen liegt der Schwerpunkt, ob ein solches Reichsgeseß zustande kommt oder nicht.

Wenn die Herren, sei es in den Neröffentli(ungen des Gesund- heittamtes, sei es in der Presse die Fälle von Nahrungsmittel- fälshungen verfolgen, die manhmal geradezu abshreckend sind und von einer großen Roheit des Gefühles zum Schaden der Gesundheit der Nebenmenschen zeugen, so ist man manchmal geradezu überra\cht

über die auferlegte Sühne. Wenn man die Akten mit allen Einzel- heiten kenne würde, wäre man wahrscheinlich anderer Ansicht. Aber wenn man nur den Tenor liest, ist man bisweilen überrascht über das Verhältnis der Strafe zu den Fälshungen, die vorgekommen find. (Sehr richtig!) Jh: bin der Ansicht, daß, wenn ein Manúû zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre fälsht, vielleiht mit Gefahr für die Gesundheit seiner ‘Nebenmenschen, aus unverantwortliher brutaler Gewinnsucht, es ihn dann nicht übermäßig drücken wird, wenn er ein paar tausend Mark Geldstrafe zu zahlen hat. (Sehr richtig !) Ich meine, gegenüber Gewinnen , die in die Hundert- tausende, vielleicht noch höher gehen, spielt eine Geldstrafe von

Ergänzung des Weingeseßes kommen, würde deshalb au die Frage sehr ernstlih zu erörtern sein, ob niht die Strafe für Fälshungen erbeblih höher festzuseßen, unter Umständen sogar die Geldstrafe aus- zuschließen sei. (Beifall.) -

Auf Antrag des Abg. von Normann (d. kons.) findet eine Besprehung der Jnterpellationen statt. Abg. Schüler (Zentr.): Die beiden Interpellationen und der An- trag gleicher Tendenz, den meine Freunde gestellt haben, be- weisen, wie wihtig und drängend die Revision des Weingeseßes von 1901 ist. Jch habe an dem Weinparlament vom leyten November teilgenommen und son dort dieser Ueberzeugung Ausdruck gegeben. Man könnte ja nun abwarten, ‘was aus den dort gegebenen Anregungen bei der Regierung herauskommen wird; aber das Drängen auf \{leunige Abhilfe der \hreiendsten Mißstände wird in dem Maße intensiver, wie der Winzerstand tatsächlich zurückgeht. Es ift der Vorschlag gemaht worden, den Verkehr mit Wein auf ganz neuer Grundlage geseßlich zu regeln; die Regierung war dem nicht rundsäßlih entgegen, wollte aber erst eine Einigung der Interessenten berbA eführt wissen. Auf eine solche Einigung können wir noch in Ewigkeit warten. Der bestehende Notstand erheischt eilige Abhilfe. Die Maschen des bestehenden Geseßes sind zu weit, der Pantscher kann zu leiht hindurchs{lüpfen. Die Geldstrafen sind im Vergleich zu dem eingeheimsten Profit lächerlih gering. Wir verlangen, daß die Strafen erhöht werden, daß in s{chwereren Fällen unbedingt au Gefängnisftrafe erkannt wird. Die Zusäße von Zuckerwasser und Chemikalien schädigen Produzenten und Konsumenten um so mehr, als auch diese so präparierten Weine als Naturweine verkauft werden, und die Schädigung des Publikums wird um fo größer, je mehr es sich an den Genuß der gezuckerten, Ver süßen Weine gewöhnt. Die übermäßige Streckung darf in der bisherigen Weise nit mehr gate werden. Die Winzer sind in einem großen Teile unserer einbaudistrikte dem Ruin nahe. Es klingt so {ön, wenn es heißt, es hebe den Weinkonsum, wenn der Wein „mundgerecht" gemacht wird. Die einzig richtige Hilfe für den reellen Weinbau wäre die strengste Deklarationspfliht. Aber dafür besteht keine Aussicht. So müssen wir uns denn damit begnügen, daß der Reichstag endlich einmal unsere Mindestforderungen annimmt, die scharfe Kellerkontrolle, zeitlihe und räumliche Beschränkung des Zuckerwasserzusaßes, Markenschup und Einschränkung der Etikettenfreikeit. In Baden war 1906 nur eine geringe Ernte und ter Wein sauer; wider alle Erwartung wurde aber der geringe Wein sehr rasch zu guten Preisen abgeseßt, während die uten Weine unverkauft liegen blieben. Der jaure Wein hat in ürttemberg und anderswo eiue „Behandlung“ gefunden. Dagegen hilft nur ein wirksamer Markenshuy. Spanien ift für den deutschen Rotweinbau der gefährlihste Konkurrent. Es werden auch Sorten zum Verschnitt bei uns verwendet, die zur Verbesserung deutscher Weine ganz ungeeignet sind; zum Teil kommen sie au hon ge- \{miert, gefälscht und mit Zukerwasser verlängert über die Grenze. Es isst also die äußerste Mindestforderung, wenn wir strengste Deklarationspfliht der Verschnittweine verlangen. Es kommen hier doch auch die Interessen der Konsumenten entsheidend in Betraht. Eine von mir als erstem Vorsigenden des Badischen Bauernvereins einberufene Versammlung hat in einer Resolution u. a. wirksame Kellerkontrolle, Kontrolleure im Hauptamt, Regelung des Zucker wasserzusaßes usw. verlangt. Es ift unbedingt notwendig, Ruhe in diesen gefährdeten Teil der Bevölkerurg hineinzutragen. Wir verlangen nichts Unrechtes, wir verlangen nur Schuß der Reellität und der Chrlichkeit. Ih möhte die Regierung ret ernst bitten, ehe es zu spät ist, uns eine Gesetzeß- vorlage zu unterbreiten, die die berehtigten Klagen abstellt.

Abg. Dr. Blankenhorn (nl.): Die Weinfrage bat uns hier im Reichstag, seitdem das Weingesetz erlassen ist, jedes Jahr beschäftigt und die letzte Besprechung hat zur Einberufung des Weinparlaments geführt, auf das man so große Hoffnungen geseßt hat. Ent- täusht aber hat es, daß die Verhandlungen desselben geheim waren und daß nur sehr wenig davon in die ODeffentligiät fam. Der Grund für die Vertraulihkeit der Verhandlungen war wohl der, daß man manchem die Zunge lösen wollte und die Aus- sprache ungezwungen sein sollte. Das ist auch erreiht worden. Am Schlusse des kurzen offiziellen Berichtes, der herausgegeben worden ift, wird ausgesprochen, daß es nunmehr Sache der zuständigen Stellen sein wird, zu prüfen, inwieweit das Ergebnis der Verhandlungen eine Ab- änderung des Geseßes notwendig maht. Die Verhandlungen mit den einzelnen Bundesregierungen sind ja, wie der Staatssekretär sagte, schon im Gange. Die Ungeduld hat allerdings ihren Grund auch darin, daß die Lage des Weinbaues ih von Jahr zu Jahr verschlechtert hat. Der Weinabsaß war auch speziell bei uns in Baden ins Stocken geraten. Die Preise waren wesentli zurückgegangen. Ich habe schon im Februar v. I. die verschiedenen Ursachen, die hierbei mitgewirkt haben, gekennzeichnet und insbesondere auf die Bewegung aufmerksam gemacht, die uns den Absaß wesentlich einshränkt, die Temperenzbewegung. Wie diese gewirkt bat, kann man namentli bei einer Stadt ermessen, wo man eine folche Wirkung nicht erwarten sollte, bei München. Dort ist nah der Statistik der Biergenuß, der vor 20 Jahren noch 5001 auf den Kopf betrug, allmählich auf 296 1 zurückgegangen. Wenn dies statistish nachgewiesen ist, dann dürfen sich die Weinproduzenten niht wundern, daß au der“ Weinkonsum abnimmt. Was der Staatssekretär über die Konkurrenz des Auslandes gesagt hat, kann ich bestätigen. Die Mißstände find dort eher größer als bei uns; man kennt sie bei uns nur nit und beurteilt daher das Auéland günstiger. Mit Recht hob der Staats- sekretär hervor, daß gerade in Frankreich besondere Mißstände herrschen; wird doch aus Paris nah der Statistik mehr Wein ausgeführt als eingeführt. Auf die Weinverbesserung werden sogar Prämien gegeben, derart, daß die Hälfte der Steuer für den Zucker, der zur Wein» produktion verwendet wird, erlassen wird. Durch den erhöhten Zoll- [hut ist allerdings eine Besserung für uns eingetreten; es kommt aber immer noch troßdem sehr viel Traubenmaische herein, wozu die schlechten Weinernten bei uns einen besonderen Anreiz geben. _ Ich glaube aber, wenn der Zoll niht von 4 auf 10 Mark erhöht wäre, so würden die bereinkfommenden Mengen noch bedeutend größer sein. Achnlich ilt es mit dem Verschnitt- und Rotwein, für den der Zoll von 10 auf 15 Mark beraufgeseßt ist. Die Zahlen, die wir jeßt haben, seitdem die Zölle eingeführt sind, können kaum maßgebend sein, weil vorher eine große Eindeckung stattgefunden hat. Unzweifelha|t hat die Herauf- setzung der Zölle eine günstige Wirkung und muß daher unter allen Umständen aufrecht ehalten bleiben. Es würde sür uns die Annehm- barkeit eines deutsch-spanischen Handelsvertrags ausschließen, wenn der Zoll in diesem unter dem italienishen Weinzoll festgeseßt würde. Fine weitere große Schädigung haben uns die Nebkrankheiten gebracht. Es ist erwünscht, daß das Reich bei der Bekämpfurg derselben energis vorgeht, und ih möchte deshalb auch den Staats|efretär bitten, den deutschen Weinbauvereinen einen Zushuß für ihre darauf gerichteten Bestrebungen zu geben. Es muß uns außerordentli befremdend |€ll, daß ein Kollege aus dem Hause troß dieser anerkannt ungünstigen Lage der Weinbauer wiederholt eine Reichsweinsteuer vor!chlägt. Der Abg. Gamp meinte ja, es ist möglich, diese Neich8weinsteuer lese führen, ohne daß die Konsumenten fie zu tragen hätten. Auch E Frage hat uns son öôfter beschäftigt. Ich kann den Abg Gamy E darauf verweisen, die Verhandlungen über das Reichsweinge]eß 1d 1894 naczulesen, wo nur ein Redner aus dem Haufe für eine fol L Steuer spra; dann wird er von seiner Ansicht zurückkommen. Fran Sie durchaus neue Steuern haben wollen, so möchten wir Jhnen ge solde auf Mineralwässer und foblensaure Getränke vorshlagen, E eine gute Steuer vertragen können und wo nit arme Winzer, fon C Leistungsfähige getroffen würden. Ueberall, ein Qu:ll r fer Erde kommt, wird glei eine Industrie gegründet und das l bt mit hohen Preisen bezahlt. Das Weingesey ist allerdings nicht so (s q E wie sein Nuf. Bei rihtiger Handhabung mancher darin enth un i Bestimmungen würde ein Teil der beklagenswerten Mißstände bese E werden können, insbesondere follte die Anregung des Grafen Posadow befolgt werden, die Kontrolle im ausgiebigsten Maße auszu

ein paar tausend Mark gar keine Rolle. (Sehr richtig !) Da müßte die Lanzette tiefer eingeseßt werden. Sollten wir zu einer

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M G61.

(Sé@hluß aus der Grfsten Beilage.)

Das Weingeseß hat den Rosinenwein aus der Welt geshaft und es fehlt nur an einer s{arfen Kontrolle. Eine indirekte Deklaration haben wir heute {on gelegte, nur wird fehr wenig davon Gebrauch emaht, weil man das Gese zu wenig kennt. Wer Naturwein fordert, dem muß auch solcher verkauft werden. Die Kontrolle im auptamt ist allerdings der Schwerpunkt der Frage. Der Staats- ekretär meinte nun, daß eine reih8ge}eßlihe Regelung der Nahrungs- mittelkontrolle dem preußischen Staatsministerium vorgelegt it Preußen scheint in dieser Frage zu widerstreben. Es wäre erwünscht, wenn im preubisVen Abgeordnetenhause die preußische Regierung Stellung in diejer Frage nähme. Bekommen wir diese reichsgesetz- lihe Regelung nit, so müßten die Einzelstaaten D über die Sache einigen, aber mit der Grundlage einer einkontrolle im Hauptamt, wie es {on in Oesterreih durchgeführt ist. Ein Korrelat dieser Sachverständigen-Kontrolle wäre aber die obli- gatorishe Buchkontrolle. Gegen die räumlihe Begrenzung des Fpucerzufages hatte die Reichsregierung seinerzeit Bedenken. Diese Bedenken würden fortfallen, wenn wir die obligatorishe Buchkontrolle einführten. Was die Verschnittweine betrifft, so habe ih mi gefreut, daß die verbündeten Regierungen sich überzeugt haben von einer ge- wissen Notwendigkeit einer Aenderung. Ein Verbot des Verschnitts von Weiß- und Rotwein ist ja wegen der Handelsverträge niht möglich, aber wohl ein Deklarattonszwang. Eine andere Frage i der Marken- {uz. Wir werden mit Angeboten von Weinen überschwemmt, daß einem die Haare zu Berge stehen. Es handelt \sich da um ein unlauteres Verfahren. Es gibt eine Masse von Firmen, die gar keine Weine einkaufen, aber eine Masse verkaufen. Auch auf diesem Gebiet is eine Aenderung notwendig. Im Wein- parlament habe ich auf das ungarishe Weingeseß hingewiesen, welches in dieser Beziehung Kautelen enthält, die wir au unIenN G ein- fübren sollten. Die Frage der Strafbestimmungen beurte le ih in voller Uebereinstimmung mit dem Staatssekretär und den Vorrednern dahin, daß in einer Novelle zum Weingeseß unbedingt eine Ver- \{ärfung der Strafen normiert werden muß. Für gewisse Fälle müssen beide Strafen, Geld- und Wesgngnititrase, verbunden, bezw. die Geldstrafe ausges{chlossen werden; unbedingt erforderli ist auch die Konfiskation der Produkte, wegen deren Bestrafung stattgefunden hat. Hoffentlih kommt {hon in der nähsten Session etwas zustande, denn die Fragen sind alle, wie wir im Weinparlament bereits gesehen haben, \pruchreif. Jedenfalls ift möglichste Eile geboten, damit wieder für den deutshen Weinbau au befsere Tage kommen.

Abg. Ehrhart (Soz.): Der Abg. Dr. Roesike hien von der Auf- fassung auszugehen, daß die Weinfrage hier im Reichstage überhaupt nit behandelt worden ist seit 1903, wo er nicht wieder gewählt worden war. Wir haben uns darüber mehrfah unterhalten, wie denn überhaupt die Frage gar keine speziell agrarishe ist und jeden- falls absolut nicht in Zusammenhang mit den Agrarzöllen gebracht werden kann. Dr. Noesike hat auch einige Nezepte verlesen, wie man Wein maten kann; ih hoffe, daß diese in Ostpreußen nicht zur Anwendung gelangen werden. Das Wein- geseß von 1901 hat Schiffbruch gelitten, das steht fest. Nun verlangt der Staatssekretär, daß bezüglih der Grundlinie der Revision erst Einigkeit unter den Interessenten herbeigeführt werde. In dem Weinparlament konnte eine solche Einigun nit entstehen, dafür sorgte hon die Art der Berufung der Mitg ieder; zahlreiche Kategorien waren nicht vertreten, da kleine Winzer fehlten, und auch dem Abg. Noesicke, der deren Wünsche zu vertreten sih heute fo eifrig angeboten hat, war fkeine Einladung zuteil geworden. Die Verhandlungen wurden geheim geführt, es wurde- ein Schweige- gebot verhängt. In der Wolke von Anträgen und Inter- pellationen, welhe nach Zusammentritt des neuen Neichs- tages auf diesen hinuntergegangen ist, ist nun der Abg. Sellhorn dem Aba. Dr. Roesicke um eine Nafenlänge voraus. Das Vertrauen in die Pfälzer Weine ist jedenfalls seit der strengen Kontrolle gewahsen. Die preußische Kontrolle verfiel im vorigen Jahre sehr herber Kritik; darauf verwahrten sich die Kontrolleure an der Mosel aufs entschie- denste gegen die hier erhobene Beschuldigung und beshwerten sich beim Minister. Das zielbewußte Preußen aber, das u. a. eine fo scharfe Fleishbeshau ausübt, hat kein Geld für eine wirksame Wein- fontrolle, es brauht ja alles irgend disponible Geld für deu Schuß des nationalen Schweins. Das Weingesey muß aber, foll es kein toter Buchstabe bleiben, dur eine scharfe Kontrolle wirksam gemacht werden. Das Zentrum will in seinem Antrage auch den MWeinhandel fontrollieren. Jch glaube, die Kontrolle müßte noch weiter gehen. Manchmal begegnet man auch in guten Restaurants einem „Wein- etränk", welches keine Verwandtshaft mit wirklihem Wein hat. s würde also au bier eine Kontrolle, etwa durch zeitweise zu ent- nehmende Proben, einzuführen fein. Die Lagerbücher müssen obliga- torisch gemacht werden; der SREA, muß so geführt werden, daß er dem Kontrolleur ersichtlih ist. as \chlimmste aber find die niedrigen Strafen. Ein Weinfabrikant wurde wegen skandalöser Fälshung zu 1000 A Geldstrafe und zu 2 Monaten Gefängnis ver- urteilt; nahher wurden ihm die beiden Monate in Gnaden erlassen und in 100 G Geldbuße verwandelt! Was macht ihm das aus? In einem Prozesse wurden zwei Weinsachverständige benannt; der eine aber konnte nicht kommen, weil er selbst wegen Weinpanscherei in Untersuhungshaft saß, und der andere ersien aus einem ähn- lihen Grunde niht. Der Kollege Stauffer hatte sich voriges Jahr in einen peinlihen Handel verwickelt, aus dem er sich später dadur herauszog, daß er erklären ließ, er habe Rüdesheim mit Büdesheim verwechselt. Die Sache wird wohl noch weitere Aufklärung erfahren. Aus sauren Weinen werden naturreine, analysenfeste Weine gemacht ; diese Art der Fälshung s{chädtat den reellen Weinbau am meisten. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß das Panschen nur geschieht auf Unkosten der Konsumenten, daß es einfah ein Betrug ist. In der agrarischen „Pfälzishen Tageszeitung“ werden Weine angeboten zu unglaub- lih niedrigen Preisen, sogar ein Haustrank, was geseßlich verboten ift. Die Edelweine sind geshügt und steigen im Preise; die kleinen Winzer aber sind namentli infolge der E in einer prekären Lage. Man hat sich nun auf vier Verbesserungspunkte geeinigt: Werden sie aber auch hier Annahme finden und werden he auch angewendet werden? Ja, wenn alle Weinhändler wären! Wenn erst in Preußen, wo der Staatssekretär do auch einen Einfluß hat, der Vollzug der Geseße besser wird, dann wird dies auch auf andere Staaten ermunternd wirken. Der Konsument und Winzer muß geschüht werden. die Ware nicht unverkauft liegen bleiben, während der Schund Ab- nahme findet. Man hat uns als Weinfälscher hingestellt bei den Wahlen. Unter uns ift kein Weinfälscher, es gibt aber andere Parteien,

in denen si solche befinden die Anwesenden ausgenommen —, es | Wir sind dafür, | daß im Deutschen Reiche die Kontrolle im Hauptamt durch besondere | Deutschland mit géstrecktem Wein

Beamte geschieht, daß Lagerbücher geführt werden, die dem Kon- |

gibt aber Weinfälscher gerade unter den Besißenden.

trolleur verständlih find, wir sind au sonst bereit, zu helfen bei einer Revision des Weingeseßes. Noch eine persönliche Bemerkung :

habe im vorigen Jahrè eine Hamburger Firma wegen aéwiser tanipulationen angegriffen, Ih habe mich aber vergewissert, mein Gewährsmann im Irrtum war. Ih halte mi für verpflichtet, das hier zu berihtigen. Die Namen der im vorigen

ahre von mir berührten Firmen an der Mosel stelle ich den ' | zugeben,

Herren auf Verlangen zur Verfügung.

ehrlih ;

Dem lebteren darf |

| Deklarationszwang für Verschnittweine ist ebenso notwendig wie eine | ftrenge Kontrolle des Haustrunks, | Ih habe Rezepte in der Hand,

| fudern gefälshten

Berlin, Freitag, den §. März

1907.

Abg. Oeser (fr. Volksy.): Die Notlage des Winzers liegt nicht an dem Weingesez, sondern an anderen Urfachen, z. B. an dem stärkeren Auftreten der Rebenshädlinge und den Kosten ihrer Aus- rottung. Das Weingeseßz ist viel zu kurze Zeit in Praxis, um heute [gon an eine Aenderung des Gesetzes zu denken. Es muß erst tatsäch- ih durhgeführt werden. Für eine Verbesserung der Kontrolle sind wir auch, aber eine Revision des Weingeseßes müssen wir ablehnen. Aendern wir jegt das Geseh, ohne daß Preußen die Kontrolle ordent- lich durchführt, so werden die Klagen hier niht vershwinden. Die Verwendung von Chemikalien zur Weinfälschung ist jeßt shon durch Gesetz verboten ; es bedarf dazu keines besonderen Geseßes. Den früheren Abg. Sartorius will ich nihcht in Schuß nehmen, aber ih muß darauf hinweisen, daß die Oeffentlichkeit über ihn \{ärfer geurteilt hat als das Geri: es hat ihn in bezug auf die Verwendung des Bu ava liars nicht verurteilkt. Unseren Winzern könnte man ja wohl eine einfahe Buchführung vorschreiben, aber es fragt si, ob man das Geschäftsleben mit immer neuen Geshäftsformeln be- shroeren und ihm niht lieber die Konkurrenz mit dem Auslande erleichtern follte. Man sollte den Gegensay zwishen Produzenten und Handel nicht verschärfen, wie es hier so vielfa geschieht. Pro- duzenten und Händler müfsen Bundesgenofsen fein. Eine Kontrolle müßte sch doch erftrecken vom Keller bis zum Dah. Denken Sie, wie ungeheuer die Kosten einer Kontrolle sein müßten, wie Sie sie sih denken. Eine Lagerbulhkontrolle würde nicht genügen, es müßte au die Uebereinstimmung der Lagerbücher mit dem Lager kontrolliert werden. Wir wollen eîne Kontrolle, die niht zur Belastung des ehrlihen Geshäftsmannes führt, sondern die mit der Chre eines ehr- lihen Geschäftêmannes vereinbar ist. Die räumlihe und zeit- lie Abgrenzung des Zuckerzusaßzes stehen in einem gewissen Zusammenhange. Als Weinkonsument möchte ih davor warnen, weil ih fürhte, daß wir damit einen {lechteren Wein bekommen. Die Mehrzahl der D wird, um siher zu gehen, das geseßz- lich erlaubte Zulckerquantum gleich von vornherein dia. Die zeitlihe Begrenzung würde die Winzer nötigen, zu einer be- stimmten Zeit zu verkaufen, und die Preise würden dann noch niedriger werden. Bei der Deklarationspfliht bei dem Vershnitt von Weiß- und Notwein stehen \ch die Interessenten so scharf gegenüber, je nah- dem die Winzer Rot- oder Weißwein produztieren, daß man sich wohl überlegen sollte, die Klinke der Gesetzgebung zu ergreisen. Die Strafen des Weingeseßes reihen im großen und ganzen aus, wenn sie von den Gerichten verständig gehandhabt werden. Die \{chärfste Strafe wäre ja, wenn die Fälscher ihre Produkte selbs trinken müßten, aber das läßt sich geseßlich niht durhführen. Wir sind also für eine wirksame Kontrolle, aber wir meinen, daß wir einem solhen Er- werbszweig die Ruhe geben follten, die er braucht.

Abg. Stauffer (wirtsch. Vgg.): Der Vorredner hat besonders bervorgehoben, daß wir nicht mehr Feindschaft seßen müssen zwischen dem Handel und den Produzenten. Aber wir sind es ja gar nicht, die diese Feindschaft geseßt habén; im Gegenteil, wir fühlen uns ganz eng verbunden mit dem Handel, und zwar mit dem reeller Handel. Die Feindschaft ist geseßt zwischen dem reellen und unreellen Handel. Diesen Unterschied hat der Vorredner niht gemacht. Was uns beschäftigt, ist nicht die Weinfrage in ihrer Allgemeinheit, sondern mehr eine Unterfrage , nämlich die: wie werden Weine gefälscht ? Auffällig ist nur, daß die Konsumenten sich so außerordentlich wenig für diese Frage interessieren. Sind sie es doch, die haupt\sächlich den Panschern ausgeliefert find. Sie müssen alle die Schmerzen ertragen und diese Essenzen austrinken. Es ist selbst- verständlich, daß, wo sih Verfälshungen breit maten, auch ein reeller Weinhandel vorhanden ist. Den will ih natürlich nicht angreifen. Fch will von den Riesenverfälshungen sprehen, die hauptsählich mit den mittleren und kleinen Konsumweinen vorgenommen werden. Man fann sagen, daß die Hälfte sämtliher Weine in Deutschland gefälsht ist. Es gibt Leute, welche sih damit befassen, den Fälschern die Res zepte zu liefern, ferner Drogisten, die die Chemikalien zu den Fäl- hungen vertreiben. Was beseitigt werden muß, find die Grenzzahlen bei den Analysen; denn jeder einigermaßen ge- wiegte Fälsher hat es in der Hand, seine Fälshungen so ein- zurihten, daß diese Grenzzahlen innegehalten werden Die Er- klärungen des Staatssekretärs über die Kontrolle sind fehr zufrieden- stellend. In dem Büdes8heimer Weinprozeß, der ein besonders fraf\es

| das Ordinarium stellen.

Beispiel für die Mangelhaftigkeit der jegigen Weinkontrolle ist, ift fest- |

gestellt, daß besonders saure Weine nah Büdesheim geschickt werden, die dort weiter verarbeitet wurden. Wir hatten es hier mit einem Fall zu tun, der von Preußen aus finanziert wurde. Das ganze Laboratorium dieser Weinfabrik befand \ich_ in Preußen, die eigentlihen Fälshungen sind in Hessen vor sih gegangen. Die verfälshten Weine wurden nach Elsaß-Lothringen versandt, also drei verschiedene Bundesstaaten waren beteiligt, ein Be- weis, wie notwendi die Einheitlichkeit der Kontrolle im ganzen Reiche ift. as die preußishe Kontrolle anbetrifft, so ist diese ebenso \{chlecht wie in den anderen Bundesstaaten. Wegen dieses Büdesheimer Falles hat ; desavouieren versuht. Unser früherer Kollege Wallau, der dies tat, wird wohl jeßt genügend Muße haben, um diese, wie er sih damals ausdrückte, Büdesheimer Perle kennen zu lernen. Es kann nicht immer als cin Glück bezeihnet werden, wenn irgend jemand eine Perle findet; denn derartige Perlen, wie Wallau eine gefunden hat, liegen zu Zeiten im Deutschen Reihe so offen, daß, selbst wenn jemand Gefahr liefe, daneben zu greifen, er darüber fallen muß. Sch will nur daran erinnern, daß in einem Prozeß, der fich im Anfang der achtziger Jahre abspielte, nahgewiesen wurde, daß große Moassen der damals als gefälscht festgestellten Weine nah Nüdes- heim gingen. Wenn ich weiter erwähne, daß es noch gar nicht so lange Zeit her ist, daß 30 Stück Wein zum Preise von 130 das Stü, also 11 4 für das Liter, nah Rüdesheim gingen, um von dort aus. wieder verkauft zu werden, so tue ih das nur, damit ih in Rüdesheim die Gntrüstung etwas legt. Die Wezinhändler von Trarbach fordern mich in einem Blatte öffentlih auf, zu bekunden, wo denn nach den von mir mitgeteilten Rezepten Weine gefälsht würden. Diese Klarstelung sei meine Schuldigkeit; diese Schuld will ich abtragen. In demselben Blatt stand die Petition des land- wirtschaftlichen Kasinos von Traben, in der es heißt, es ift bekannt, daß an der Mosel eine ganze Reihe von Weinkäufen im Jahre 1904 rücgängig gemacht werden mußten, weil die Chemiker Fälshungen nach- wiesen. Wenn also die Weinhändler Trarbachs wissen wollen, wo ge- fälshte Weine sind, so mögen sie sih nicht an einen Reichstagsabgeord- neten, sondern an das landwirischaftlihe Kasino in Traben wenden. Ein Weinpar scher sagte auf dem Sterbebette : Mein Sohn, ih will Dir ein Geheimnis verraten: man kann Wein auhch aus Trauben herstellen. Daß die an der Mosel sich gegen die räumlihe Grenze sträuben, is ja begreiflich. Wollte man

man mich hier im Reichstage zu |

j j | j

Nachteile befürhteten. Es ist die höchste Zeit, daß die Regierung

Ordnung schafft.

Nach einigen Bemerkungen des Geheimen Oberregierungs- rats von Stein, die bei der Unruhe des Hauses für die Journalistentribüne verloren gehen, und nah persönlichen Be- merkungen der Abgg. Ro esickde und von Wolff-Metter- ni ch (Zentr.) wird die weitere Besprechung der Jnterpellation

abgebrochen. Schluß gegen 61/, Uhr. Nächste Sißung Freitag 1 r: 4 (Zweite Beratung des Nachtragsetats für Südwestafrika,

echnungsvorlagen.)

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 28. Sigßung vom 7. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißung, in der die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungszahr 1907, und zwar die allgemeine E der Einnahmen aus dem Personen-, Gepäck- und Güterverkehr im Etat der Eisenbahnverwaltung, fortgeseßt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. von Pappenheim (kons.): Die Kritik des Vorredners gipfelte in der Bemängelung der Verbindung der allgemeinen Staats- finanzen mit den Einnahmen und der Uebershußwirtschaft der Eifen- bahnverwaltung. Ih wünschte, es wäre so, daß die Eisenbahn- einnahmen eine so bedeutende Rolle für unsere Staatsfinanzen spielten. Der Vorredner follte sich aber überlegen, was für Konsequenzen es haben würde, wenn die Eisenbahneinnahmen für die allgemeinen Staatsfinanzen fortfielen. Eine so große Verwaltung wie die Ss ist keine Uebershußverwaltung, wenn fie in Jahren der Hochkonjunktur 7 9% Verzinsung hat. Die Re- sultate der Bergwerksverwaltung zeigen auch etne solche Uebershuß- verwaltung. Hält der Vorredner dies für unberehtigt ? Ganz auf die Einnahmen der Eisenbahnverwaltung für die allgemeinen Staatsausgaben zu verzihten, davon kann gar keine Rede sein. Mir macht es in der Kommission immer Spaß, wie in diesem Etat Hunderte von Millionen ohne Besprehung bewilligt werden. Man schweigt darüber, weil man gar nit fachverständig eine Detailberatung darüber führen kann. Man muß hier der Verwaltung Vertrauen entgegenbringen. Eine eingehende Prüfung im einzelnen ist gar nicht möglich. Aber die Einwirkung des Finanzministers auf die Eisenbahnverwaltung im allgemeinen müssen und können wir an der Hand der Rehnungen später prüfén. ie einzelnen Resultate, wie z. B. die Wirkungen der

etarifierung für einzelne Güter, können wir natürlich nit beurteilen.

ir würden damit auch nur die Geschäfte des Landeseisenbahnrats übernehmen. Diese Wirkungen find au fo shwer zu beurteilen und find so tief einshneidend ; deshalb wünschen wir eine entshiedene Mit- wirkung des Finanzministers in diesen Dingen, damit ihre Wirkungen auf die allgemeinen Staatsfinanzen rihtig beurteilt werden können. Die Rechnungen der Kasse der Oberrehnungskammer zeigen uns, daß eine intensive Mitwirkung des Finanzministers erwünscht ist, denn wir können immer erft nach 4 Jahren an der Hand der Rechnungen

an die Sache herangehen. Herr Macco will die Bedürfnisse des Extraordinariums vorwiegend aus Anleihen decken. Ich kann dem- gegenüber dem Finanzministerium darin recht geben, daß eine scharfe Abgrenzung des Ordinariums und des Extraordinariums die Voraus-

seßung einer soliden Finanzgebarung ist. Tatsächlich aber stehen viele Posten im Extraordinarium, die eigentlich in das Ordinarium ge- hörten ; wenn das geändert wird, wird das Bild unseres Etats ganz anders werden und Klarheit geben. Es gehören rund 90 Millionen aus dem Extraordinarium in das Ordinarium. Ausgaben für dauernde Bedürfnisse muß die Eisenbahnverwaltung in Zukunft in g Für die großen Ausgaben in der Zukunft müssen wir Deckung suchen; meine Freunde würden es aber nit für richtig halten, das Reichssystem der Anleihen einzuführen und von der altpreußischen soliden Finanzwirtschaft abzugehen. Die Erhöhung der Beamtengehälter wird \ih z. B. nit auf die Dauer dur folce künst- lichen Finanzmaßnahmen lösen lafsen. Wir dürfen solche Ausgaben

| nicht auf schwankende Einnahmen oder gar auf Anleihen übernehmen.

|

| | | | j

|

ihnen einen größeren Zusay von Wasser gestatten, so würde überschwemmt werden. auch die zeitlihe Begrenzung und Maßregeln gegen die Umgärung find notwendig, um den Panschern das Handwerk zu legen. Die Buchkontrolle kann auch der dümmste Bauer ausführen. Der }

um Mißbräuchen vorzubeugen. mit denen {hon tausende von Weines hergestellt worden sind. Daß der einbergöbesiß entwertet ist, würden die Winzer gern noch lauter

wenn sie davon nicht wirtschaftlihe und finanzielle

Die Bedürfnisse der Steigerung liegen auch noch auf einer Reihe ganz anderer Gebiete als die Beamtengehälter; wir werden dahin unsere Staats8- einnahmen von neuem prüfen, die Tarife untersuchen und s{hließlich auch an die Erhöhung der direkten Steuern denken müssen. Bezüglich der Betriebs- mittelgemeinschaft ist es unsere Pflicht, in dem deutshen Bahnwesen nach dem Geiste der Reichsverfassung Cinheitlichkeit zu hafen. Die Resultate der Verhandlungen über die Betriebsmittelgemeinschaft sind allerdings noch nicht günstig, wenn ih mir die Erklärungen des württembergishen Ministers Weizsäcker ansehe. Jch hoffe aber, daß die Verhandlungen doch noch zu einem Resultate führen. Wenn unsere süddeutshen Bundesstaaten dadurch einen etwas größeren Vor- teil haben als Preußen, so werden wir das gern zugestehen, aber es muß eine gewisse Grenze gezogen werden. So gern wir die Betriehs- mittelgemeinschaft unterstüßen werden, so sehr sind wir dagegen, da daraus etwa eine Betriebsgemeinschaft werde. Schiedlich friedli wollen wir darin neben den anderen Bundesftaaten gehen.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach:

Meine Herren! Ich kann mihch mit den Auffassungen, die Herr Abg. von Pappenheim über das Finanzierungssystem der Staatseisen- bahnen entwidckelte, mit dem Vorbehalte einverstanden erklären, daß den Staatseisen" ahnen unbedingt „die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, die für die Entwicklung ihrer Verkehrs- und Betriebsanlagen erforderlich sind. Wenn diese Mittel wie in der Vergangenheit, so auch künftig auf dem bisherigen Wege zur Ver- fügung gestellt werden können, so werde ih mich außerordentli freuen und werde meinerseits keine weiteren Wünsche äußern. Jch bin ganz mit Herrn yon Pappenheim der Meinung, daß das Prinzip, aus den laufenden Einnahmen des Etats in um- fassendster Weise die Bedürfnisse für Verkehr und Betrieb zu bestreiten, zu einer ungewöhnlichen finanziellen Stärkung nicht nur der Staatseisenbahnen, sondern unseres ganzen Staatsfinanzsystems geführt hat. Meine Herren, ih habe mir erlaubt, gestern des näheren aus-

Aber | zuführen, daß wir in den nähsten Jahren vor außergewöhnlichen Auf- | wendungen stehen werden, und uns keinesfalls s{cheuen dürfen, diese

Aufwendungen auf uns zu nehmen. So wenig ih anerkennen möhte,

| daß die Leistungsfähigkeit der Staatseisenbahnen im allgemeinen zu | Bedenken Anlaß gibt, so sind zweifellos an bestimmten kritischen | Stellen des großen Gebiets Mängel vorhanden, die beseitigt werden | müssen, und es will mir nicht unzweifelhaft ersheinen, ob wir zur | Dedckung dieser Mankos mit dem bisherigen System durhkommen