1907 / 64 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

den Abschied zu bewilligen: dem Hauptm. Drescher von der Res. des L: u Beet König und dem Oberlt. Oertel von der Res. des Inf. Leibregts, beiden mit der Erlaubnis zum Tragen der Land- wehruniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, dann den Oberlts. Beyschlag (Augsburg), Weiler (Regens- burg), Wiesend (Bayreuth), Heßdörfer (Würzburg), sämtliche von der Landw. Inf. 2. Aufgebots; b. im Sanitätskorps: im Beurlaubten- stande: am 4 d. M. den R zu bewilligen : den Stabsärzten der Landw. 1. Aufgebots Dr. Beisele (Weilheim), Dr. Braun (Kisfiagen), Dr. Dischinger (1 München), dem Oberarzt der Landw. 1. Aufgebots Dr. Schubert (Kaiserélautern), sämtlichen mit der Erlaubnis zum Tragen der Landw. Uniform mit den für Ver- abschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, dann dem Oberarzt Dr. Jebens von der Nes. (Bamberg), dem Stabsarzt Dr. NRilling Straubing), und dem Oberarzt Dr. Jakob (Bamberg), beide von der Dante 2. Aufgebots; ec. bei den Beamten der Militärverwaltung : am 25. v. M. den Rechnungsrat Nieberl, Proviantamtsdirektor beim Proviantamt München, die Oberzablmeister Frhrn. Vogt v. Hunolstein des Inf. Leibregts. und Kirchner des 19. Inf. Regts. König Viktor Emanuel 111. von Italien, die beiden leßteren unter Verleihung d:8 Titels eines Rechnungsrats mit Pension in den erbetenen Ruhestand treten zu lafsen; am 4. d. M. den Zahlmsir. Bauer mit seinem Ausscheiden aus der Kaiserlihen Schußtruppe für Südwestafrika mit dem Range nah dem Zahlastr. Stockhause im I1I Armeekorps wiederanzustellen.

XTIL. (Königlich Württembergisches) Armeekozps.

Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde- rungen und Verseßungen. Stuttgart, 4. März. Stroebel, Lt. im 2. Feldart. Regt. Nr. 29 Prinz-Regent Luitpold von Bayern, in das Feldart. Regt. König Karl Nr. 13 verseßt. Nachstehende Oberprimaner der Haupikadeltenanstalt im Armeekorps als Fähnriche mit Patent vom 28. Februar 1907 anaestellt, und zwar: Beutner im Ulan. Regt. König Karl Nr. 19, Lichtenberg im 2. Feldart. Negt. Nr. 29 Prinz-Regent Luitpold von Bayern, Heimerdinger im 4. Feldart. Regt. Nr. 65.

Beamte der Militärverwaltung.

Stuttgart, 14. Februar. Rauen, Proviantamtsassist., behufs Uebertritts zur Königl. preuß. Militärverwalt. die Entlassung aus dem württemberg. Staatsdienst erteilt.

Stuttgart, 28. Februar O lpp, Proviantamtsaspir., zum Proviantamt8assist. ernanni.

Durch Verfügung des Kriegs8ministeriums. Stutt- gart, 28. Februar. Olpp, Proviantamtsassist.,, dem Proviantamt Uln zugeteilt.

Kaiserliche Mariue.

9. März. Schlegner, Hauptm. vom I. Seebat,, Lebrer an der Marineakademie und -s{hule, zur Teilnahme an der diesjährigen Korps- General stabsreise des X. Armeckorps kommandiert.

Nichlamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. März.

Seine Majestät der Kaiser und König konferierten heute vormittag, „W. T. B.“ zufolge, mit dem Reichskanzler Fürsten von Bülow und dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Tschirshky und Bögendorff und nahmen, in das Königlihe Schloß zurückgekehrt, den Vortrag des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanterie Grafen von Hülsen- Haeseler entgegen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ is der ausreisende Ablösungstransport für S. M.S. „Condor“ mit dem Reichspostdampfer „Yorck“ am 9. März in Suez eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nah Aden fortgeseßt.

S. M.S. „Sperber“ ist am 10. März in der Saldanha- bucht (Kapland) eingetroffen und geht heute von dort nach Kapsiadt in See.

G. M S. „Tiger“ E am 9. März in Futschau ein- getroffen und geht morgen von dort nah Schanghai in See.

S. M. S. „Leipzig“ is vorgestern von Tjingtau nach Schanghai in See gegangen.

S. M. S. „Luchs“ ist gestern in Shanghai eingetroffen.

S. M. S. „Jaguar“ geht heute von Shanghai nah Nagasaki in See.

Vayern.

Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent Luitpold vollerdet heute sein 86. Lebensjahr. Der Geburts- tag des greisen Fürsten wird von den staatlichen und städtischen Behörden, den Üniv:-rsitäten und Schulen, Korporationen und Vereinen in der üblichen Weise gefeiert.

Oefterreich-Ungarn.

Im böhmischen Landtage haben gestern die Be- fprehungen über die Anfrage, betreffend den ofterreihisch- ungarischen Ausgleich, begonnen. :

Die Redner, die ¡u Worte kamen, sprackchen sich, ,W. T. B.*° ju- folge, teils für einen [angfristigen Au3gleih oder für wirtshaftlide Trennung, teils entschieden für tofortige wirtshaitlihe Trennung aus,

Der ungarishe Minifterpräsident Dr. Wekerle er- klärte gestern, wie das genannte Bureau meldet, auf einer Konferenz der Kossuthpartei, auf der die alldeutshe Bewegung zur Sprache gebraht wurde, die Regierung habe Kenntnis davon, daß die Alldeutshen dos Land mit literarishen Erzeugnissen überfluteten. Dem könne man nur durch ein patriotishes deutshes Blatt entgegentreten; in dieser Richtung habe die Regierung auh bereits Schritte unternommen.

Großbritannien und JFrland.

_ Im Unterhause gab der Unierstaatssekretär Nunciman geitern in Beantwortung einer Anfrage bezüglih des Pro- ms Ier Yauger Friedensfkonferenz, nah einer Meldung des „W. T. B.“ folgende Eckiärung ab:

__ Der Gegerstand einer Begrenzung ter Rüstungen ist in dem uriprürglihen Programm ter Haager onfererz nicht einbegriffen ge- wesen, das im vergangenen Ävril den Mächten mitgeteilt wurde.

m ift die Frage, ob di-ser Gegenstand auf der Konferenz er

rden soll, erwogen worden. Œine weitere Grfklärung kann

über das Programm der Konferenz niét abgegeben werten, bis die

endgültige Einladung seitens der russischen ‘Regierurg erfolat sein

wird, die sich bezüglih des Prozramms mit der britischen Regierung und den anderen Mächten in Verbindung geseßt hat.

| | | | | | |

| des Ministerpräsidenten und verharrte

Frankreich.

Der Justizminister Guyot-Dessai Deputiertenkammer den -Entwur ges eßes vorgelegt.

Der mau! legt, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, die Beamteneigenschaft jedem bei, der als Beauftragter der öffentlichen Gewalt dem vom Staate ausgehend n, für die Verrichtung des öffent- lien Dienstes organisierten Beamtensystem angehört. Die Beamten, mit Ausnahme der Gerihts- und Polizeibeamten, dürfen ih zur Wahrung ihrer beruflihen Intercfsen beliebig zusammenschließen. Ihre Vereinigungen dürfen sh unt-reinander verbinden nah den im Geseze vom Jahre 1884 angegebenen Grundsätzen.

Vor dicht beseztem Hause gelangte gestern die Jnter- pellation Jaurès über das Eingreifen der Regierung in den Ausstand der Elektrizitätsarbeiter zur Be- sprehung.

Jauròs berief sich, obiger Quelle zufolge, auf den Entichluß Cl-menceaus, als Ersaß für die Ausständigen Soldaten herarzuziehen. Die Ausständigen hätten keine Gewalttätigkeiten begangen und bâtten, indem fie die Arbeit einstelltea, gezeigt, wel? eine Macht die Arbeit sei. Wenn die E dadurch, daß sie für die Ausständigen Ersaß [{chaffe, der * aht der In- dustrie Rechnung trage, so leugne sie das Recht auf den Auéstand und verleihe somit den Kapitalisten unzulässige Rechte. Jaurès verlangte, daß Clemenceau und seine Mitarbeiter die Ver- antwortlihkeit übecnehmen sollten, und sagte, wenn die Negierung kcnsequent. sei, so müßte sie auch- den Bäckern, den Gruben- arbeitern und den Eisenbahn- und Straßenbahnangestellten das Recht auf den Auestand absprehen, aber dann würden _die Arbeiter eine Umwandlung dieser Betriebe auf soztalistisher Grundlage verlangen. Jaurès erklärte weiter, die Ingenieure der Elektrizitätswerke würden ihre Zustimmung zur Béeschäfligung von Soldaten in den Werken niht gegeben haben. Uebrigens würden die Soldaten ähnlichen Anordnungen bald passiven Widerstand entgegen- segen. Zum Schluß richtete Jaurès die dringente Bitte an Clemen- ceau, si mit dem republikanisch empfindenden ganzen Lande in Ein- klang zu setzen. In seiner Entgegnung führte Clemen- ceau aus, daß die klare Logik für ihn und gegen Jaurès sprehe. Ein Auéstand könne seine Berechtigung haben, dürfe aber nicht auf Kosten der Außenstehenden geführt werden. Die Regierung habe die Soldaten verwandt auf Grund des Anfprucks auf Selbsterhaltung, _den die mens@&lihe Gesellshaft habe; Pflicht der Regiecung sei, diesen Anspruch zu wahren. Das, was Jaurès als Freiheit bezeichne, fei die Vergewaltigung der ganzen menshlihen Gesellschaft durch einige Individuen. Man dürte die Arbeiter niht zu Sklaven, aber ebensowenig auch zu Tyrannen machen. Die Eslektrizitätsarbeiter seien in den Ausstand getreten obne nennenëwerten Grund und hätten die anderen armen Arbeiter geschädigt. Die Regierung habe seinen, Clemenceaus, Ents(luß, die Gewerkschaften heranzuziehen, einmütig gebilligt. Clemenceau fragte, ob Jaurèòs auf seiten des Arbeiter- bundes stände, der den Gereralstreik vorbereite. Die Sozialisten seien nicht Anarchisten, sie dürften also nicht die Radikalen und die Negies rung in einem Augenblick angreifen, wo sie wihtige soziale Reformen durchführten. Jauròs erwiderte Clemenceau, der von einem Appell des Interpellanten _an die Rechte gesproden hatte, voller Ent- rüstung, er lafse sich von niemand beleidigende Woite gefallen, kam dann auf die zur Veckandlurg stehende Frage zurück und fagte, er \prâthe für ein Recht der Arbeiter auf das Leben. Clemenceau ér- niedrige die Soldaten, indem er sie die Rolle von Gelben d. h. von Ärbeitecn, die zu den unabhängigen Syndikaten gehörten. Biétry, der Präsident der Vereinigung der gelben Syndikate, erhob hiergegen Widerspru und griff die Sozialisten an, unterbrohen von heftigem Lärm auf der äußersten Linken, defsen der Vorsitzende nur mit Mübe Herr wurde.

Zaurès {lug sodann folgende Tagesordnung vor:

Die Deputiertenkammer is der Ueberzeuguyg, daß das Zurück- reifen auf wilitärishe Hilfearbeit mit dem Zwecke, die auéfländigen Arbeiter der Elektrizitätswerke zu erseßen, eine Beeinträhtigung des Streikcechts und ein Mißbrauch der Kommandogewalt gegenüber den Soldaten ist, und geht zur Togesordnung über.

Der Vorrang für diese Tagesordnung wurde mit 418 gegen 909 Stimmen abgelehnt; ebenso wurde der Vorrang für eine von Lasies beantragte Tagesordnung mit 337 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Der Präsident Brisson stellte sodann eine Tagesordnung zur Abstimmung, die der Regierung das Vertrauen ausspriht und folgenden Wortlaut hat :

Die Kammer billigt die E:klärungen der Regierung, lehnt jeden Zusatzantrag ab und geht zur Tag Sordnung über.

Diese Tagesordnung wurde mit 365 gegen 66 Stimmen angenommen. Die Minderheit besteht aus den geeinigten Sozialisten, mehreren Sozialistish-Radikalen und 10 Mit- gliedern der Rechten. Zahlreiche unabhängige Sozialisten und Sozialistish-Radikale enthielten sih der Abstimmung.

Spanien.

Nach dem bis jeßt vorliegenden, von „W. T. B.“ über- mittelten Wahlergebnis sin rale, 89 Republikaner, 13 Karlisten, 18 Demokraten, 8 Re- gionalisten, 9 Unabhängige und 7 keiner Partei Angehörige gewählt worden.

ne hat gestern der eines Beamten-

Rumänien.

Der bisherige Domänenminister Lahovary is, „W. T. B.“ zufolge, zum Minister des Aeußern und der ehemalige S eTTRAS Zstrate zum Domänenminister ernannt worden.

Die Kammer hat den bisherigen Vizepräsidenten Canta- cuzene zum Präsidenten und den Deputierten Bratasanu zum Vizepräsidenten gewählt,

Bulgarien.

Der Mirnisterpräsideni Petkow ist gestern in Sofia, als er mit den übrigen Ministern im Borisgarten promenierte, von einem entlassenen Beamten der Landwirtschaftsbank durch drei Revolvershüsse getötet worden. Der verhaftete Mörder is, nah einer WVieldung des Wiener T-legraphen- Korresp.-Bureaus, aus Widdin gebürtig und heißt Alexander Petrow. Ein Augenzeuge der Ermordung berichtet, daß der erste abgegebene Revolvershuß den Handels- und Ackerbau-

einen vorüber fahrenden Wagen zu steigen, brach jedoch vor diesem zusammen und starb während des Minuten später an einer Herzwunde. Der Moörder, auf den ein die Minisier begleitender Polizist mehrere Schüsse abgab, ohne ihn zu treffen, wurde von zwei Polizei- beamten festgenommen. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sch um einen persönlihen Racheakt gegen Ge- nadjew, dem zufällig Petkow zum Opfer gefallen ist. Der Tâäter gab beim pERn es Verhör an, er habe feine Mitschuldigen; er habe das Attentat verübt, um das bulgarische Volk zu befreien. Demgegenüber be- stätigt sich die Meldung, daß der Mörder in Gesellshaft von drei anderen Personen gesehen worden sei. Nach dem Attentat sammelte sih eine große Menschenmenge vor der Wohnung I f in ehrfurhtsvollem Schweigen. Bei dem Handelsminister Genad1ew, der nur

Transports wenige |

spielen laffe, !

302 Konservative, 131 Libe- |

|

- . Z 2 j U , minister Genadjew am Arm verleßte. Petkow versuchte, in | aufmerkfíam gemabt, in welh

a N C L G E E A V T D:

Teicht verwundet worden war, wurden bis zu später Besuche als- Zeichen der Sympathie gemacht. ofort nah dem Attentat hat ein Ministerrat stattge: funden, der beschloß, das Präsidium und interimistish das Ministerium der öffentlihen Arbeiten dem Minister deg Aeußern _Stanciow und das Ministerium des Jnnern interimistish dem Handels- und Ackerbauminister Genadjew u übertragen und für Sofia und die Provinz militärische aßnahmen zu treffen. Die Deputiertenkammer ist auf heute zu einer außer- ordentlichen Sißung einberufen worden.

Afrika.

Einer Meldung des „Daily Telegraph“ aus Tanger zus folge hat der französishe Gesandte den scherifishen Behörden gegenüber das Verlangen ausgesprochen, daß für den Posten des gemäß Artikel 66 der Algecirasakte zu ernennenden Ingenieurs für die öffentlichen Arbeiten in Marokko der Leiter der A Et Werke in Tunis - Porche _ ausersehen werde. Die Forderung wird damit begründet, daß das für die marokkanischen öffentlichen Arbeiten zu verwendende Geld aus den vermehrten Zolleinnahmen für Einfuhrgüter fließen werde, von denen der größte Teil aus Frankreih komme.

_— Bei einem Festmahl, das von der Bürgerschaft Prä- torias gestern zu Ehren des neuen Transvaaler Ministeriums veranstaltet wurde, hielt der Premierminister Louis Botha eine Rede, in der er, laut Meldung des „W. T. B.“, sagte:

Die britischen Interessen seien in den Händen des Ministeriums vollkommen ficher; die Welt werde schen, daß die: Regierung von Tranévaal fo besorgt um die Ehre der englischen Flagge sei, als es ein Minifterium nur sein könne. Die Ehre und die Interessen des alten Volkes würden damit auch gewahrt. Ueberdies seien die Tranêvaaler von tiefer Daxkbarkeit erfüllt, weil her König Eduard, die britishe Regierung und das britische Volk ihnen in einer in der Geschichte einzig dastebhenden Weise vertraut häiten, indem sie dem Volke von Transvaal eine freie Verfassung gewährten. Die Buren würden diese Großherzigkeit niemals vergessen und das Ministerium würde sein Bestes tun, um eine große geeinigte Nation zu shafen, deren einer Teil auf den andern nicht mit Mißachtung oder Mißtrauen blie. Wenn dann auch in der Oranje-Kolonie eine direkt verantwortkiche Negierung errichtet fei, werde das Ministerium bestrebt sein, auf ein geeinigtes Südafrika hinzuarbeiten. Die Regierung werde alles tun, um die Bergwerkstätigkeit zu fördern, werde aber jedem Versuh mäthtiger Korporationen, Teile des Landes in ihrem Interesse zu sperren, ent« gegentreten. Bezüglich des Unterrichts sagte Botha : bis zu ciner ewissen Stufe, die die Kinder in der Erlernung der englischen und olländishen Sprache erreihen müßten, ollten sie in ihrer Mutter- sprate erzogen werden.

Botha teilte ferner mit, London beiwohnen werde.

Stunde

daf er der Kolonialkonferenz in

Parlamentarische Nachrichten.

_Die Sqchlußberichte über die gelrigen Sißungen des Reichstags und des Hauses der bgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen (16.) Send des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichs A reiherr von Stengel, der Staatssekretär des eihsjustizamts Dr. Nieberding und der stellvertretende Direktor der Kolonial: abteilung des Auswärtigen Amts Dernburg beiwohnten, standen die Nachträge _zum Reichshaushaltsetat und zum Etat des südw estafrikanishen Schuß- gebiets für 1906 (29220 000 M außerordentlihe Ausgaben aus Anlaß des Eingeborenenaufstandes; 8 900 000 X als erste Rate für den Bau der Eisenbahn von Aus (Kubub) nah Keetmanshoop) zur dritten Beratung.

Zur Generaldiskussion erhielt das Wort der

__ Abg. Bebel (Soz.): Es scheint mir, daß die finanzielle Wirkung dieses Nachtragetats von der Mehrheit des Reichstags nicht die- jenige Beachtung gefunden hat, die er finden muß. Als die Verbündeten NKegierungen vor einem Jahre den Etat für Südwestafrika vorlegten, forderten fie rund 92 Millionen Mark. Mit Zustimmung der Verbündeten Regierungen bat der Reichstag die Summe auf 77 Millionen herabgesetzt. Sie fagten sich wobl, daß der Reichstag später tas übrige bewilligen würde. Als im November der Reichttag zusammentrat, wurden aber niht 15 Millionen, sondern 29 Millionen, also 14 Millionen mebr gefordert. Das Charakterislische dabei war, daß die Kofien für Südwestafrika eine weit größere Summe erforderten, a!s voraut- zusehen war. Wir baben es ja au \chon erlebt, daß uns der Staats- sekretär mitteilte, daß für 1905 zum mindesten eine Ctatsüberschreitung von 25 Millioncn für die Kosten des südwestafrikaniscben Aufstandes erforderli sein würden. Nachdem die Verbündeten Regierungen au dem neuen Reichsíiag die 29 Millionen vorgelegt hatten, war die Situation eine total andere geworden, und wir werden au hier mit einer Etatsübershreitung zu renen haben. Gegenüber der Bereitwilligkeit der Majorität, auf diese Summe einzugehen, erscheint es mir niht unberehligt, auf einen Artikel aufmerksam {u machen, der von einem der besten Kenner Südwestafrikas, dem früheren Gouverneur von Südwestafrika, Generalleutnant a. D. von Leut- wein, im Januarheft der „Deutschen Revue“ erschienen ist. Drei Tage nah der Auflösurg des früheren Neichëtags beschäftigte er sih unter anderem mit ter Frage, ob die von dem Generalstab und den Verbündeten Regierungen geforderte Truppermacht ge- rechtfertigt sci, und kommt zu dem Resultat, daß die ge forderte Truppcnstärke ibm außerordentliß bo ersheine. Au einer anderen Stele macht er na6drücklich darauf auf- merffam, daß der Reichstag über derartige Forderungen für Südwest- afrika fehr wobl stußiz werden und sich fragen konnte, ob das deutsche Vaterland da drüben diese gewaltigen Opfer werde lohnen können. Der Generalleutnant von L-utwein stand also auf seiten der Opposition. Diese Auéfübrurgen Leutweins, tie ja selbst ton der linken Seite der bürgerlihen Parteien mißahtet werden, möhte ih doch einmal ins Ge- dächtnis zurückrufen jür den Standpunkt, ten Sie früher einge- nommen haben und jeßt cinrnebmen. Ich habe \ckon früher darauf überschwenglichen Darstellungen si insbesondere der Kolonialdirektor in bezug auf die Kolonien ergangen hat. Der Kolonialdirektor hat nun geglaubt, mir mit einer redt lahmen Bemerkung entgegentreten zu müssen dadur, daß er aus meinem Buch „Die Frau* eine Stelle zitie:t, die sich auf die Dattelpalmen in Afrika bezieht. Seine Auéführungen haben aroße Heiterkeit Hervorgerufen. Das beweist nur, wie außer- ordentlih besheiden Ihre Ansprüche auf Widerlegung sind. I babe vor Jahrzebnten nickt daran gedaht, daß man jemals diese Stelle auf Deutsh-Südwestafrika beziehen könnte.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (32) Sigung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach beiwohnte, wurden zunächst drei Mitglieder des Hauses, die bisher noch niht den Eid auf die Verfassung E leistet hatten, die Abgg. Metenthin (kons.), Olters (Hosp. d. Kons.) und Dr. Pieper (Zentr.) in der üblichen feierlichen Weise vereidigt.

Darauf sehte das Haus die zweite Beratung des Staats- haushaltsetats für. das Rehnungsjahr 1907 im Etat der Eisenbahnverwaltung bei den dauernden Aus-

ben fort. 2 i ; B H Unterhaltung und Ergänzung der Inventarien, sowie zur Beschaffung von Betriebsmaterialien sind 160 435 000 6 vor- esehen, d. st. 18 592 000 / mehr als im Vorjahre, zur Unter- haltung, Erneuerung und Ergänzung der baulichen Anlagen 938 063 000 Æ, d. î 30 338 000 M mehr, zur Unterhaltung, Erneuerung und Ergänzung der Betriebsmittel und der maschinellen Anlagen 207 541 000 Æ, d. s. 30 726 000 4 mehr; im Extraordinarium is ferner ein Fonds von 50 Millionen zur Vermehrung der Betriebsmittel für die bereits bestehenden Staatsbahnen vorgesehen. - l :

Abg. von Quast (kons.): Wenn wir uns auf einen Bauplan fa 10 Jahre festlegen, fo ist zu wünschen, daß, wie bisher, alle Ausgaben für dieErgänzung der Betriebsmittel in dasOrdinariumeingestellt werden, während diejenigen für die Neubeschaffung von Betriebsmitteln in das Extraordinarium aufzunehmen sind. Durch die steigenden Kohlenpreife wird in Zukunft eine große Mehrausgabe entstehen; in den neuen Kohlenlieferungsverträgen werden die Koblen teurer gekauft werden müssen. Meine Befriedigung muß ih darüber aussprechen, daß in den leßten Jahren die Anschaffung von bvchenen Schwellen, namenilich für den öftlihen Teil, wesentlich gesteigert ist. Währerd 1899 die Zabl der Buchenshwellen nur 5000 Stück betrug, ist fie für 1905 auf 482 000 und 1906 auf 756 000 Stück gestiegen. Vir köanen damit nur einverstanden sein; daß das Buchenholz sehr ceeignet für die Imprägnierung ist, hat seinen Kredit wieder gehoben. Ferner möchte ich den vom Abg. von Aruim in der Kommission geäußerten Wursch wiederholen, daß in ausgiebigftem Maße die Stationen mit ansehnlihem Viehverkehr mit dem Reichsviebkursbuch ausgestattet werden. f

Abg. Dr. Wagner (freikons.): Es würde mich interessieren zu erfahren, ob die Absicht besteht, fünftig nur noch Heißdampyslokomo- tiven nah dem System Wilbelm Smidt. Garbe anzuschaffen. Die Modelle diefer Maschinen haben sich überaus bewährt und cine außer- ordentlihe Steigerung der Geschwindigkeit der s{chweasten Schnell- züge gezeigt. Deshalb ist zu würshen, daß von diesem be- währten System, bei dem ja allerdings noch Verbesserungen möglih find, niht mehr abgegangen wird. Es i} fogar wünschenswert, daß diese Konstruktion durhgängig eingeführt wird. Die jährliche Leistungsfähigkeit unserer Lokomotiven ist im Jabre 1904 auf 44 000 km gesteigert worden. Eine erheblihe weitere Steigerung würde ih für eine wesentlihe Verbefserung halten. Das moderne Material bält sehr viel aus, und eine weitere Ausnußzung würde nur wirtschaftlih scin. Ih balte eine Steigerung bis zu 100 000 km nicht für unmöglich. Allerdings geht die Betriebsdauer des Materials dabei herunter. Von einer Dauer von 30 bis 40 Jahren ist man durhshnittlich auf 18 Jahre herabgegangen. In Amerika find die Maschinen in 6—8 Jahren voll- ständig verbraußt. Das schadet aber wirtschaftlich rihts. Allerdings muß das Lokomotivpersonal bei dea modernen Schnellzügen öfter weckscln. Auf Nebenbahnen kann dies nur in beschränktem Maße statt- finden, aber auf Hauptbahnen sollten sämtlite Lokomotiven doppelt beseßt werden; dies würde den Wünschen des Personals entsprechen. Bei der kompliz‘erten Konstruktion unserer Lokomotiven würde es \ih als nüßlich crweisen, daß unsere Lokomotiven, wie bei den amerikanischen Erpreßzügen, dreifah bescit werden, sodaß der Führer sich lediglich dem Signalwesen und der Führung zu widmen braucht, während der zweite Mann den Gang der Maschine bewacht und der Heizer nur seine Funktionen ausübt. Gs wird nöôtig ein, daß wir mit erhöbter Geschwindigkeit fahren. Bei den Heißdampflokomotiven älterer Konstruktion muß, wie mir Lokomotiv}ührer sagen, die Speisung des Kessels mit Wasser verbessert werden.

Abg. Hilbck (nl.): Von der großen Summe von 207 Millionen für neue Betriebsmittel entfällt nur die geringe Summe von 26 Millionen aufdieBeschaffung von Güter- undFepäckwagen. Zwar können au aué dem großen Posten von 50 Miüionen im Extraordinarium noch einige Güter- und Gepäckwagen beschaft werden, aber troßdem wird die Beschaffung für den enormen Verkehr wieder niht ausreihen. Es baben in einem Jahre 239800 Wagen gefehlt. Angenommen, daß 39000 Wagen ¡u viel bestellt feien, weil die Leute, wenn sie Vorräte zu liegen haken, mehr Wagen bestellen, als sie normal brauden, so fehlen doch noch immer 200000 Wagen, die zu wenig gestellt sind. Die Beförderung der enormen Koblenmengen kann im Winter nibt nachgebolt werd-n, da der Wagenmangel chronisch ist. Der Mangel an Kohblenwagen ließe sich noh ertragen, aber noch \{limmer is der Mangel an Kokswagen. Es ist verbältni8mäßig leiht, die Koblenwagen zu Kokswagen zu maten, fie brauen nur mit Aufsäßzen versehen zu werden. Da es aber niht geschieht, so müssen die Werke diese Arbeit selbst machen, und sie brauh-n dazu eine ungeheure Menge von Brettern, die sie naher nur a!s Brennholz verwerten können. Infolge des Wagenmangels haben 2 Millionen Tonnen Kohlen im Dezember und Januar weniger gefördert werden können. Rechnet man auf die Tonne Kohlen 3 A Arbeitslohn für den Bergmann, fo ergibt ih ein Lohnausfall für Dezember und Januar von 6 Millionen Mark. Das macht für jeden Mann die Summe von 40 Á aus, und dazu kommt, daß die Bergleute hon im Oktober und November weniger eingenommen haben. Im November 1905 konnte weniger ge- fördert werden, als in den Sommermonaten, weil es an Wagen fehlte. Die Generalkoften der Gruben für Unterhaltung des riesigen Betriebes bleiben genau dieselben, und von den 20 Millionen Mark, die die 2 Millionen Tonnen Kohlen wert sind, haben die Bergarbeiter 6 Millionen Ausfall, das andere entgeht den Gruben. An Kommunalsteuern, die in Westfalen sehr boch find, erleiden hier- durch die Gemeinden einen Ausfall von 17 Millionen Mark, und mit den Staatssteuern usw. entsteht ein Ausfall von 3,6 Millionen

ark; dazu komwt, daß man diz Wagen nur dahin dirigiert, wo sie die kürzeste Zeit laufen, d. h. zu den Hütten in der Nähe. Aber das Publikum, das namentli Hausbrandkoble benötigt, bekommt viel wenizer Kohlen. als es braucht. Die Zechen lassen die Wagen lieber in der Nähe, damit sie recht bald wieder zurückommen. Ich bin dem Minister dafür dankbar, daß dieses System aufgehört hat und wir endlich etrmal wieder dem wahsenden Verkehr Rechnung tragen werden. Die Verteilung der Wagen muß für die einzelnen Koblenreviere möglichst gleiGmäßig erfolgen. An der Ruhr haben 7,7 9/9 Wagen gefehlt, an der Baar 569/06, in Oberschlesien 7,1 9/0; Westfalen stebt also am aller- shlechtesten da. Wenn man {on den Wagenmangel eine Zeit lang er- tragen muß, fo bitte ich wenigstens um eine gleichmäßige Verteilun, der Wagen. Die Beteiligungsziffer der neuen Zechen an Koblenwagen muß ert werden, fie follte alle Vierteljahre festgesetzt werden. Die Vestellurg von Wagen leidet aber niht allein unter der ungenügenden abl der Wagen, fondern avch unter den unzulänglihen Bahnhöfen. ch hoffe, daß es im nächsten Jahre gelingen wird, der Kalamität weniüstens so weit Herr zu werden, daß die größten Schäden beseitigt erden.

Abg. Dr. Heisig (Zentr.) bringt wiederum Mängel der Bahn- bofsanlagen in Gleiwiß zur Sprache und ersu&t um Abhilfe. In betreff des Kohlenwagenmangels weist er darauf hin, daß eine kleine Abhilfe {hon dadur möglich wäre, daß man denjentgen, welhe die Koble von den Grukten felbst abholen, mehr entgegen-

m. Er habe die Erfahrung machen müssen, daß die Landwirte im obers{chl¿sischen Industriebezirk, die ihre Kohlen selbft abholen, fie teurer bezahlen müßten. als es beim Bezuge durh die Eisenbahn der Gas sei. Die Leistungsfähigkeit der Strecke Gleiwitz—Kandrzin sei jeßt an ihrem Ende angelangt ; das Ministerium möge die Frage einer nochmaligen Prüfung unterziehen, ob die not- wendige Äbhilfe nicht durch eine entsprehende Ausgestaltung des allerdings nur 46 km langen Klodnißz- Kanals, also auf dem Wasfser- wege erreichbar wäre.

Abg. Macco (nl.): Die Plüshbezöge in den Abteilungen I. und IT. Klasse wachen sih zwar sehr s{ön, aber wer sie näher ar. siebt, kann sih eines Schzuders nit erwehren. Es steckt in ihnen eine Unsumme bon Krankheitskeimen, und es müßte eigentlich davor gewarnt werden, mit

ihnen in Berührung zukommen. Es wäre eine sanitäre Maßregel allerersten Ranges, Bezüge anzubringen, die mindestens alle 4 ochen gereinigt werden fönnen. Die Eisenbahnverwaltung sollte ferner dafür sorgen, daß die neuerdings in den Zügen angebrachten Sicherheitsvorkehrungen auh jedem Reisenden erreihbar sind; heute gelingt dies nur großen, ausgewachsenen Leuten. Ferner sollten Vorkehrungen getroffen werden, die einen mechanishen Verschluß der Coupátüren derart ermöglihen, daß der Vershluß in dem Moment erfolgt, wo die Züge sfich in Bewegung \ezen, und eine Oeffnung erst wieder möglich ift, wenn der Zug hält. Auf diese Weise wee ICAES verhindert werden, daß Uvberufene während der Fahrt die Abteiltüren öffnen und in die Abteile cindringen können, und es würde das Gefühl der Sigtherheit wieder hergestellt, das die Reisenden früher auf den preußischen Eisen- bahnen hatten, das aber durch die neuesten bedaue.lihen Vorgänge stark ershüttert worden ift. (Schluß des Blattes.)

Kunft und Wissenschaft.

v. A. Shweden ist das Land der Sonne und des Schnees, der leuhtend kräftigen Farben und der langen URIIEN voll s{chwer- mütiger Stimmung. Es ift fo ausgesprochen und so câftig in seiner Eigenart, daß die Künstler sich dem Einfluß ihres Vaterlandes nit entziehen können, selbst wenn sie lange Jahre in Paris studiert haben, das vielen von ihnen sogar eine Art zweiter Heimat geworden ift. Aber auch ein s{cheinbar so internationaler Künstler wie Anders Zorn, den das moderne Leben da, wo es ih am lebendigsten regt, am stärksten fesselt, findet den Weg zurück und bleibt bei aller Welt- läufigkeit und bei allem Raffinement seiner Tehnik do ganz ein Kind feines Landes. Wenn er heimkehrt, sind ihm die \{chwedishen Bauern, die in einer dämmrigen Schenke ihre Polska tanzen, ebenso interessant wie die eleganten Bummler des L oulevard; ein alter Uhrmacher im fonnendurhleuhteten Grün fesselt ihn ebenso wie die lebensprüherden Frauen, die er sonst darzustellen liebt. Noch fester wurzeln freilih die Künstler in ihrem Heimatboden, die auch in dieser Heimat leben und immer inniger mit ihrer Natur und ihren Menschen verwachsen. Jeder fühlt sich da von einer anderen Seite dieser Natur ergriffen, bringt ein besonderes Stück von ihr zum Ausdruck, fodaß sie alle zusammen erst uns einen Begriff von ihrem Heimatland vers mitteln, uns den ganzen Reichtum und die besonderen Eindrüdcke, die

e empfangen haben, nabe bringen. Das macht auch das Bild der chwedishen Ausstellun g, die jeßt im Künstlerhause eröffnet ist, zu solch einer reihen, erschôpfenden, daß all diese verschiedenartigen Künstler sih gegenseitig ergänzen und alle doch auch einen festen ges meinsamen Kern besitzen.

Eine der autgeprägtesten Persönlichkeiten unter ihnen ift Karl Lar sson. Er zeigt in seinen Bildern nordische De starke, lite Farben, wie kräftige Sonne und der Widershein von \trablendem Schnee _ sie den Dingen geben. In der Welt, die er sieht, gibt es gar keine Schatten. Sie ist ganz von lihtem Rot und Grün und Blau erfüllt. Die Möbel in den Stuben, die Wände, die Vorhänge, die Häuser selbst, die Kleider der Menschen leuten in starken, mitunter fast grellen Farben, und durch die Fenster blizti das helle Schnee- liht und [öft auch noch die leßten Schatien auf. Es liegt eine merk- würdig starke und gesunde Lebensfreudigkeit in diesen Bildern. Ein Selbsiporträt hat dec Künstler ausgestellt, in dem er mit hellem, scharfen Blick dem Beschauer entg?genshaut, in der Hand einen phantaftishen, bunten Puppenbalg kbaltend. Nüchternheit und Phan- tastik, Realismus und Märchenftimmung sind auch die Eigenschaften, die seine Kunft bezeihnen. Am deutlihsten wird das in seinem großen Bilde „Weihnachtsabend“. Der ganze Raum, ein langer Saal, ist von bunten, festlich ges{müdckten Menschen erfüllt, die ihre Weihnacht8grütze effsen ; rechts fteht ein lihtgrüner Weihnachtsbaum mit farbigem : f R behangen. Aber im Hintergrund des Bildes, fih dem Auge nit aufdrängend, sondern es plôßlih wie eine Ofens barung überrashend, sißt eine junge Mutter mit einem Knäbchen im Arm, beide von strablendem Heiligenschein umgeben. Brennende Kerzen umgeben sie, und ein junges Mädchen kniet andâdtig vor ihnen. Wirklichkeit und Märchen geben ineinander über, die Grenzen sind verwisht, und der Künstler besißt genug Gestaltungskraft, um uns in sein Traumreich hinüberzuziehen, ohne daß unser Verstand sich dagegen wehrt.

Viel stiller, leiser und inniger ist die Kunst Prinz Eugens bon Schweden. Im Gegensaß zu Larfson, der das Licht liebt, be- vorzugt er die Dämmerung. Die langen, hellen Sommecnächte mit ihren weiden, träumerishen Stimmungen bieten ihm die meisten Motive. Dabei geht er nirgends auf ausgetretenen Pfaden, mit senfiblen Sinnen erlebt er all diese milden, von sommerliher Ruhe er- füllten Stunden. Stockÿolm im Lichterglanz, der sich im Wasser spiegelt, ausfahrende Dampfboote, weite Kiefernwälder, über denen im Abendglanz fich der Himmel aufklärt, dunkel emporsteigende Fabriken mit unzähligen erleuhteten Fenstern, die Natur in unberührter Einsam- keit und die Natur wte fie von unendlicher, mühsam gehäufter Menschen- arbeit umgebildet ist alles gibt er mit wunderbarer Stimmungékraft und ticfem, warmem Empfinden, und dabei mit einer unauf- dringlihen Zartheit der fkünstlerischzn Mittel, die ihm unter den Malern Schwedens cine ganz besondere Stellung verleiht. Unter den anderen Lands@taftern steht ihm Otto Hesselbom am nätsten, der au f{lihte Motive und weite Blicke über Wälder und Seen liebt. Aber dieser is {on nicht ganz so einfa, man merkt mehr die Absicht, zu wirken, heraus ; er stilisiert, betont mit \{chweren, kräftigen Um: isscn und macht so im ersten Augenblick vielleiht einen stärkeren, dafür aber keinen fo nahhaltigen Eindruck. Immerhin ist sein Bild „Die Heimat“ eine wundervoll einfache und tiefempfundene Arbeit. Sehr originell ist Gustav Adolf Fiästad. Zunächst frappiert er durch die Wahl seiner Motive. Er malt zum Beispiel ein Bild „Nah dem Negen“. Den größten Teil der Leinwand füllt ein LärGenbaum aus, auf dessen Spitze eine Dee 10! und singt. Sonst sieht der Beschauer nur noch das s{chmale Stück eines Hügels und am Himmel hinziehend ein Gebirge rofig angeleuchteter Wolken. Aber der Künstler hat diese Stimmung erlebt, und . wer sich hinein- vertieft, wird davon gefangen und fühit den kräftigen Erdhauch, den die Arbeit aus\t ömt. Oft ist es, als sähen diese Malec alle Dinge zum erften Male und müßten ganz neue Mittel finden, um dies Un- erhöôrte au8zusprehen. Gunnar Hallstrôm schildert Skiläufer und Schlittshuhläufer auf fonne: flimmerndea Schneeflächen und gibt au ein paar prächtige Menschentypen, wie den alten Manrt im Bett mit dem Strauß blühender Blumen auf dem Stuhl. i

Die s{chwedis{he Bildnismalerei vertritt Oskar Björk. Er ift ein sahliher, ruhiger Schilderer, dem es mehr auf den Gesamteindruck, als auf das getstreihe Betonen irgend eines beliebigen Zuges an- kommt. Seine malerish beste Leiftung ist das Bildnis der Prinzessin Ingeborg von Schweden, wo Weiß und Gold zu warmer Harmonie zusammengestimmt find. Auch 1äumlih wirken die Bilder sehr gut. Anders Zorn wurde {hon anfangs erwähnt, er ift eigentlich der Vertreter des sprühend Geistreichen gelegentli} wohl auch Leîcht- fertigen, das den Schweden dite Bezeichnung „die Franzosen des Nordens“ eingetragen hat. Die {önsten Wirkungen erzielt er darin, wie er aus neblig unbestimmt gehaltener Umgebung lihte, warme Farben aufblißen läßt, bier etnen Sonnenstreif, dort ein helles Ge- wand, ein leuchtendes Gesicht. Er sowohl wie Larsson sind auch mit einer Anzahl trefflicher Radierungen vertreten. Von Bildhauern ist ari Milles mit seinen kleinen impcessionistishen Volksstudien zu erwähnen.

In der Vereinigung der Saalburgfreunde hielt „am Montagabend der Dr. Alfred Gs tze einen interessanten Vortrag über das Thema: Der Nibelungenshaß durh germanisbe Funde erläutert. Der Vortragende führte die Zeugnifse aus der Edda und dem Nibelungenliede an, die von dem großen Schaße der Nibelungen berichten. In all:n alten Sagen und Mären werde erzählt, daß niemand wisse, wohin die fabelhaften Schätze gekommen, die dem Geschlecht ihrer Besißer Unheil gebraht. Der modernen Archäologie

aber sei es gelungen, thnen auf die Spur zu kommen. In den verschiedensten -Ländern, in Shlesien und in Süddeutschland, in Ungarn, Rumänien, Jtalien, Frankreih und Spanien habe man reihe Funde an in Gold getriebenen Gegenständen, meist Schmucksachen und mit Edelsteinen verzierte Waffen aus der Zeit der Weft- und Ostgoten, Alemannen und Franken gemacht, die man wohl als Teile des Nibelungenshaßes ansprechen könne. Zwingend ist diese Annahme ja nicht, im einzelnen aber waren die Aus- führungen interessant, und ohne weiteres läßt fih die Annahme nicht zurückweisen, daß ein Teil jener alten, durch die Stürme der Völkerwanderungen verstreuten Schätze einmal etnen gemeinsamen Hort gebildet habe, defsen in alten Sagen und Liedern Erwähnung

geschehen ift.

Die Deutschen im S{utgebiet Togo planen die Begründung eines Museums und einer Bücherci. Häufig haben sie es als einen Mangel empfunden, daß fie keine Gelegenheit haben, sh über den Charakter des Landes an der Hand einer übersihtlichen, populärwifsen- scaftlih angelegten Sammlung zu unterrihten. Beratungen mit zahl- reichen Ängehörigen und Freunden des Schutzgebietes ließen daher den Ent- {luß reifen, in Lome ein Landeêmuseum zu errihten, in dem Samm- lungen der Landeserzeugnifse des Scugzgebiets, der Nußpflanzen, Nuß- bölzer, Schädlinge von Nußtpflanzen, wihtigere Mineralien, Ueber- sichten über die meteorologishen Verbältnifse des Landes, Statistiken über den Handel u. a. m. aufgestellt werden. Im fremden, nament- lich in englishen Kolonien haben solche Museen schon viel Nutzen gestiftet und wifsenshaftlihen wie praktiihen Zwecken in gleiher Weise gedient; besonders wertvoll haben sie sich dadur erwiesen, daß sie dem Kneipenleben entgegenwirken. Mit dem Landesmuseum soll eine Bücherei mit Lesehalle verbunden werden. Die Mitgliedschaft zu einem Komitee, das sich zur Anschaffung der erforderlich-n Geldmittel ttvet hat, wird durch Zablung eines ein- maligen Beitrags von beliebiger Höhe an die Deutschwestafrikanische Bank in Berlin W. 64, Behrenstraße 37/39, oder an ihre Zweig- niederlaffung in Lome erworben.

Bauwesen.

Zur Erhaltung des Strohdahs \{hreibt die „Dürerbund- Korre\pondenz“ : Bereits öfter sind Nachrichten aufgetaucht, nah denen es gelungen sei, das Strohdach feuer fest zu mahen. Sie haben sich immer noch als verfrüht erwiesen. Hoffentlich erzeigt si die Mit- teilung, die zur Zeit dur die Blätter geht, begründeter als die älteren. Es heißt darin: Der als Kunstmaler und als Kenner der nieder- sächsischen Landschaft geshäßte Hans am Ende - Worptwede, der für die legte Berliner Ausstellung ein niedersächsisWes Bauernbaus mit feuersiherem Strohdach zu erri§ten hatte und dadurch veranlaßt worden war, sch mit dieser Sache gründlich zu beschäftigen, teilt jeßt in einem Flugblatte mit, daß cine Erfindung gemacht sei, das Dach- stroh feuersicher zu mahen. Das Verfahren ist ungefähr folgendes : In einem genügend großen guadratishen Holzrahmen wird auf durM- gehenden Drähten das zurehtgeschnittene Reetstrob geordnet und zu quadratishen Platten mit Draht zusammengebunden. Diese werden in eine bestimmte chemishe Lösung genügende Zeit eingelegt, dann getrocknet und auf den Drabtsparren befestigt. Ein so hergestelltes Strohdah soll dem Feuer ungleiß mehr Widerstand leisten als ein Pfannendah, bei dem durch die Glut eines Brandes die Pfanren springen und die Sparren lihterloh wegbrennen. Es sollen deshalb auch s{chon nah den Probeversucken Feucrversiherungen die erböhßten Prämien für so behandelte Strohdächer auf den Preis der Steindächer herabgeseßt haben. Der Erfinder hat kein Patent darauf genommen, sfondern stellt seine Erfindung zu freier Benußung.

Land- und Forftwirtschaft.

Forstbotanishe Merkbüher werden bekanntli auf Ver- anlassung des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten herausgegeben, in denen die „beahtentwerten und zu schäßenden urwüchsigen Sträucher, Bäume und Bestände im Königreich Preußen“ nachgewiesen und des kürzeren oder ausführliheren gewürdigt werden. Diesem freudig begrüßten Vorgehen verdanken wir, wie die „Korrespondenz des Dürerbundes* bervorhebt, bereits fünf solcher Bücher. Nr. 1, die Provinz Westpreußen betreffend, ift von dem Professor Conwenß in Danzig, dem verdienstvollen Vor- kämpfer für Heimatshuß, verfaßt und bereits 1900 bei Gebr. Bornträger, Berlin, ershienen. Nah seinem Muster und im Auf- trage der Negierung in demselben Verlage herausgegeben sind 2) Pommern 1905, 3) Hessen-Nassau 1905. 4) Shleswig- Holstein 1906. Für Westfalen bearbeitete der Oberbofmeister a. D. von Shlieckmann ein Merkbuch unter dem Titel: Westfalens be- merkenswerte Bäume, auf Grund amtlicher Nachweise und Mit- teilungen. (Velhagen u. Klasing, Leipzig 1904.) Die Nachweise der Bücher betreffen Vorkommen, Standorte und sonst Wissenswertes über die zu s{chüßenden Gegenstände, fo vor allem über Bäumse, an die sich geshihtlihe Erinnerungen knüpfen, oder über solche von be- jonders starkem Umfang und bohem Alter, oder von eigentümlihem Wuchs, wie die Kandelaber- und Harfenbäume, Knollen- und Warzer- bâume; über Herenbesen, Verwahsungen, Verbänderungen, Ab- und Spielarten, endliß auch über Pflanzenarten, die durch die Forstfultur zurückgedrängt worden sind. Dank der staatlichen Beihilfe ist der Preis der Bändchen (2 K 80 „4 bis 3A 60 S) so mäßig, daß sie jeder Natur- und Heimat- freund mit geringem Opfer erwerben kann. Die Regierung ift ernstli& gewillt, „ihre Fürsorge der Erhaltung der Naturdenkmäler und der landshafilihea Schönheiten in gleiher Weise zuzuwenden, wie sie bemübt ist, ges{hichtlich bemerkenswerte Bauwerke und Kunstdenkmäler vor Verfall und Zerstörung zu bewahren. Sie betrachtet es als eine danken8werte Aufgabe, ihre Maßnahmen nicht auf die Förderung rein materieller Interessen des Staats zu beschränken, sondern wo diese mit anderen Interessen in Widerstreit geraten, gleichzeitig auh den Sinn für die Förderung wissensh1ftliher und ästhetisher Ziele in allen Schichten der Bevölkerung zu pflegen und zu heben und die darauf gerichteten Bestrebungen hbilfreich zu untersiüßen.“ Die Könizliche Forstverwal- tung geht den Gemeinden und Privatbesizern mit nahahmentwertem Beispiel voran, indem sie geeignete Maßnahmen trifft, um in den staatlichen Forsten alle der Schonung bedürftigen Gewächse, auch wenn deren Schoaung keinen Nußen abwirft oder selbst Unkosten verursacht, unter ibren Ee f zu stellen. Den staatlichen Auftrag zur Herstellung des Merkbuh8 für das Nheinland hat der Naturhistorische Verein der Rheinlande erhalten, der beceits interessante Vor- arbeiten dazu verôff-ntlicht hat (f. dessen Verhandlungen 1905, 1. Bonn). Im Königreich Sachsen wird sh, dem Vernehmen ua, der nächste Landtag mit dem Gegenstand des Schutzes der Naturdenkmäler befassen. Möge das Beispiel der genannten Regierungen auch in den übrigen O Landen entsprehende Nachfolge finden ; denn tnnig verwahsen ist unser Volk mit seinen Bäumen und seinem Wald!

Aufschwung der Obstzucht in Großbritannien.

Ein kürzlih erschienener Bericht des englischen Ackerbauamts (Board of Agriculture) läßt erkennen, daß die Versorgung des Marktes mit inländischem Obst in Großbritannien entschiedene Fortschritte macht. Das zur Obstzucht bestimmte Areal erfährt eine s{hnelle Ver- arößerung, und die Güte des im Lande gezogenen Obstes verbessert sih fo energisch, daß das ausländishe und Kolontalobst in der MWertschäßuna des kaufenden Publikums die Vorherrschaft zu verlieren beginnt. Die N:chweisungen der Regierung {ließen natürli den Obstbau in Privatgärten zum eigenen Verbauh nicht mit ein über dessen Fortschritte statistishe Ançaben zu sammeln kaum mögli sein würde. Aber au ohne die Hilfe von Zahlen kann man be- merken, daß die Menge des in den Gärten gezogenen Obstes bedeutend ugerommen hat, und man hält es daber für angebracht, Anweisungen für Veredelung des Gartenobstes dur Pfropfen mit den neuesten Dbstzuchtprodukten zu veröffentlichen. (Nah The Standard, London.)