1907 / 65 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Grofhanudelspreise von Getreide an deutschen uud fremden Börseuplätzeu \ für die Wo che vom 4. bis 9, März 1907 nebst entsprehenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.) Woche 4./9.

März 1907

Da-

egen

Ors

woche Berlin.

Noggen, guter, gesunder, mindestens 712

O s V w L 755 187,25

Hafer, v » x 179,75 Mannheim.

Roggen, Pfälzer, ruf Ger, bulgarischer, mittel .

Weizen fälzer, russischer, amerik., rumän., mittel

Hafer, badis el württembergisher . . . . .

badische, Pfälzer, mittel Gerfte | russische, H

170,67| 172,00 187,00

179,67

181,00 202,30 192,50 S 0-0 e. 182,50 ao ide e M LARDO

181,00 202,15 190,00 182,50

utter- . 142,50

Wien.

Roggen, Pester Boden . Weizen, Tra G a E fer, ungarisher I. .. erste, slovakishe. . .. Mais, ungarischer

122,26 146,03 138,39 138,39 101,03

122,39 144,48 136,83 138,53 100,29

Budapest,

Roggen, Mittelware . . .. Weizen, s S

112,58 126,93 130,17 112,70

88,36

113,12 125,34

er, ï 129,61 erste, Futter- , 113,46 ais, 88,07

113,80 130,80

114,67

Roggen, 71 bis 72 kg das bl 130,80

Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl Riga.

Roggen, 71 bis 72 kg das bl Ee 0 O2 Paris.

Meggen | lieferbare Ware des laufenden Monats {

Antwerpen.

Donau, mittel Azima .

148,59 140,48

147,80 139,96

147,88 189,77

144,73 187,91

129,47 133,52 133,52 134,17 139,59 131,74 142,66

129,63 135,71 135,71 134,74 141,38 132,71

Amsterdam. 132,64

146,31 147,72 105,51 109,73

132,68

144,24 147,76 105,54 109,77

O Roggen Se etersburger .. ena 0 Q 0:0 Weizen amerikanis er Winter- amerikan. bun Mais La Plata

136,62 133,26

125,42 129,64 134,98

136,68 133,32

125,87 128,50 136,46

Weizen ( engl. Weizen |

Gers

Ee Getreide, Mittelprets aus 196 Marktorten (Gazette averages)

Liverpool, russischer . Donau- roter Winter- . Manitoba La Plata Australier

Hafer, englischer, weißer ( Gerfte, Futter- | Odeffa

149,56 135,45 141,57 144,97 141,81 149,09 150,50 133,78 126,98 126,20 106,76 106,29 108,18

149,64 137,40 142,11 146,34 144/46 148,70 150,57 133,84 127,04 126,26 106,82 105/88 109,17

Weizen

effsa Mais | amerikanv., bunt La Plata, gelber

Chicago.

Mai Weizen, Lieferungsware / Juli

ia E Mais Mai .

Neu York. Loter Tone E

Mai Wetzen Lieferungsware |

Juli Mais Ä Wetzen DUen os Aires. Mais j Durchschnittsware

119,05 120,54 120,70

77,92

129,39 131,24 131,21 130,08

89,79

132,10

129,77

| 110,47' 81,07

110,47 82,85.

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Et duktenbörse = 504 Pfund engl. gerehnet; für die aus den Ums fen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Dur(schnittspreise für einheimishes Getreide (Gazette averages) ift 1 Smperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. ael t, 1 Bushel Weizen = 60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund engl b: 1 Pfund englisch = 2400, M

a= 2

aus den einzelnen Tagetangaben

im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchentlihen Durchschn f) l

ttsweckselkurse an der Ber

St.

etersburg, für Fans, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. ÿ n GSoldvyrämie.

reise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der

Berlin, den 13. März 1907. Kaiserliches Statistishes Amt. a F Fuhry.

“Schilderung haben verleiten lassen, nah dort zu gehen, und

! deutsch- Auswanderung werden. 11994 121,04 | 120,74 | 78,59 |

| kennt, das gerade Gegenteil behauptet. 129,67 |

131,48 ! 90,36 |

| der amerikanishe Trust noch gar nicht in Wirksamkeit war.

| Rücksicht auf die

Ns g; 1 Laft Roggen = 2100, Weizen = gi Bei der Umrehnung der Preise in Reihswährung sind die |

i U Der

! Verantwortung trage!

| mals! i Anschauungen wie die des Abg. Eickhoff auf dem Parteitage über

Deutscher Reichstag. 16. Sißung vom 12. März 1907, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Tagesordnung: Dritte Beratung der Gescßentwürfe, be- treffend die Feststelung der Nachträge zum Reichshaus- haltsetat und zum Haushaltsetat für die Schuß- gebiete auf das Rechnungsjahr 1906, die Gewährung eines Darlehns an das südwestafrikanishe Schuß-

ebiet und die Kontrolle des Reichshaushalts 2c. erner Jnterpellationen der Abgg. Graf von Hompesch und Bassermann, betreffend Raoifiea der Strafprozeß- ordnung, Jnterpellation der Abgg. Albrecht und Genossen, betreffend Eingriffe von ehörden 2. bei der Reichstag8wahl, und Jnterpellation der Abgg. Freiherr t zu Herrnsheim, Dr. Stresemann, betreffend die Ver- ältnisse der Privatbeamten.

Ueber den Anfang der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Bebel (Soz) fortfahrend: Der Kolonialdirektor hat in seinen ersten Wahlreden gewaltig übertrieben, nachher, in Frankfurt, lenkte er ganz bedeutend ein. Er nannte Süd- westafrika „minderbegünstigt“, wenn nicht Mineralshäße erschlossen würden. Was aber haben wir vorher alles von der Ertrags- und Leistungsfähigkeit dieses Landes hören müssen! Ein Eden wird dieses Land nie werden! hieß es in Frankfurt; vorher sollte es gerade Südwestafrika sein, das die Uebershüsse ‘der deutshen Be- völkerung aufnehmen würde. SchließliÞh wurde Südwestafrika aus den Kolontalbetrachtungen des Kolonialdirektors ausgeschieden. Ich bedauere alle diejenigen, die sich auf Grund jener phantastishen nun die shwersten Enttäushungen erleben. Für die heutige Beratung kommt uns ganz besonders die Denkschrift des Verwaltungsrats der Siedlungsgesellshaft für Deutsh-Südwestafrika zu statten. In demselben Moment, wo wir ew enann in etne neue Kolonialâra treten, erklärt diefe Ce e sei fertig, sie könne nichts mehr machen, sie müsse in Liquidation treten. In dem Bericht finden sich fast nur Ausführungen, die direkt gegen die des Kolonialdirektors gehen. Farmeinheiten unter 10000 Hektar lassen sich kaum mit Erfolg betreiben, das ist die Grundlage des Berichts ; von kleinen Besfiedlungen könne keine Rede sein, sie wären direkt ertragsunfähig. Auch von dem, was die Gesellschaft besitze, sei nur ein Teil besiedlungsfähig. Das f\timmt mit dem überein, was der NReichskommissar Dr. Nohrbach berichtet hat, daß allerböhstens 25 000 Farmer dort Unterkommen finden können. Der Bericht führt ferner aus, daß auch die Möglichkeit des Absatzes der Produkte gegeben sein müsse, aber au davon könne keine Nede sein. Dieser Bericht genügt also hon, um die Wertlosigkeit der Kolonie darzutun. Man hat aber auch übersehen, was die Ansiedlung noh sonst alles erfordert. Den Ansiedlungslustigen wird bedeutet, sie sollten niht nach den Kolonien kommen, wenn sie nicht über er- beblihe Mittel verfügten, in Deutsh-Südwestafrika seien mindestens 20- bis 25 000 Æ erforderli, um cine Ansiedlung begründen zu können. Wer fo viel Geld zur Verfügung hat, kann au in Deutsch- land selb, und zwar mit weniger Anstrengung eine Existenz finden. In Samoa follen mindestens 50 000 ( für die Begründung einer An- siedlung erforderlich sein. ätte man diese Tatsachen ver- breitet, anstatt der s{önen Flugblätter, welhe die Massen auf- regten, das Wahlresultat wäre ein anderes geworden. Den Agitationsreden des Kolonialdirektors Dernburg stehen die Ausführungen ves Legationsrats a. D. Dr. Zimmermann gegenüber, der die Kolonial- politik für eine überwundene Sache erklärt hat, der es für eine Täuschung ansieht, wenn ein Land glaubt, seine Bedürfnisse zum größeren Teile aus eigenen Kolonten beziehen zu können, der eine gute Handelspolitik für viel besser erklärt alseine Kolonialpolitik. Der Kolonial- direktor weist hin auf die Hebung des Handels der Kolonien in den leßten 5 Jahren. Was hat es mit diesem Handel auf sich? Wenn es auf das Geld nit ankommt, kann man aus jeder Wüste ein Paradies machen, aber wo bleibt die Rücksicht auf die Rentabilität, wie steht es mit den Aufwendungen des Mutterlandes? Der Handel des Deutschen Reichs betrug 1905 {on 13 Milliarden, 45 Milliarde mehr als 9 Jahre vorher. Was bedeuten diesen Zahlen gegenüber die lumpigen 200 Millionen des Handels mit den Kolonien? Mit den kleinen Niederlanden haben wir einen Umsay von 705 Millionen; ähnli ist es mit Belgien, der Schweiz usw. Diese Zahlen geben zu denken. Daß Deutschland an Ueberbevölkerung leide, hören wir feit Jahrzehnten. Wir haben nicht zu viel Menschen in Deutschland, sondern eher zu wenig. Wir hatten 1881 465 Millionen, 1905 60# Millionen, in demselben Maße ist aber die Auswanderung nicht gewachsen. 1905 betrug die Zahl der Aus- gewanderten in Deutschland nur den 8. Teil der von 1881, nämli 28 000 Köpfe. Wo is nun diese Bevölkerung hingegangen? Von den 28 000 Köpfen sind 26000 nach den Vereinigten Staaten, nach unseren Kolonien ganze 57 Personen ausgewandert. Ver- suhen Sie nun, ob es gelingen wird, künftig eine Aenderung herbeizuführen; es wird Jhnen kaum gelingen. Die Zahl der Einwanderer bei uns ist viel mehr gewachsen als die Zahl der Auswanderer. Die deutschen Kolonien sollen ein Reservoir für unsere e Der General von Trotha führt aus, die teutshen Bauern müßten damit rechnen, daß künftig Getreide aus Südroestafrika nah Deutschland eingeführt werde. Nicht einmal in English-Südwestafcika kann Getreide gebaut werden. Der General von Trotha spricht sogar von einer Aufforstung in Südwestafrika, während ter Generalleutnant von Leutwein, der das Land genau Der Kolonialdirektor Dern- absehbarer Zeit

burg hofft, unsere Kolonien werden “in s Wir wollen es hoffen,

unseren Bedarf an Baumwolle decken. aber ob es gelingen wird, wird erst die Zukunft lehren. Der Kolonials- direktor sprach von der großen Ersparung, die Deutschland von der eigenen Produktion gegenüber dem englishen Trust haben würde. Die Preise haben aber ges{chwœarkt {on zu einer s

ie- selben Preisschwankungen haben hier auch im Inlande eine große

| S@&wankung der Rohmaterialpreise bei Gießereieisen gezeigt. Es

haben sih auch bei uns Ringe gebildet. Der Kolonialdirektor irrt

| fich au in bezug auf unseren Baumwollebedarf; er hat alle seine

Wir müssen die Zustände in den Kolonien wie sie es verdienen, auch s\chon mit Steuerkraft des deutschen Volkes. Es ift die Frage aufgeworfen worden, ob, nahdem der Aufstand in Südwestafrika niedergeshlagen ist, man gegen die Ovambos vorgehen solle. Die Regierung hat dies bestritten und es wäre ja _auch noch s{öôner, wenn es anders wäre. Unser Kollege Quark in Frankfurt hatte Gelegenheit, Briefe ein- zusehen, worin es heißt, von Lindequist habe dem Briefshreiber erklärt, er würde gern den Ovambos den Krieg erklären, wenn er genug Truppen und Geld hätte. Ich kann mir gar nit vorstellen, daß nah

Angaben übertrieben, nüchtern beurteilen,

iner Börse zu | den Erklärungen des Gouverneurs von Lindequist, nah den Erklärungen Grunde gelegt, und ¡war für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, | fr London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und |

eu York die Kurse auf Neu York, für Odefsa und Riga die Kurse | hat die bürgerliche Linke

in der Budgetkommission am 10. August so etwas gesagt werden kann. Ich bitte um Aufklärung darüber. Ein Wort noch über die Haltung der Freisinnigen gegenüber den Kolonien. Noch vor wenigen Monaten die Kolonialpolitik geradeso bekämpft wie der verstorbene Abg. Nichter. Auf dem leßten Parteitage in Wiesbaden vertrat der Abg. Kopsch als Referent eine Resolution, die sich gegen die Fortsetzung des jeßigen Systems der Sozialpolitik erklärte. Begründung der Resolution führte der Abg. Kopsh aus, kein Geschäftsmann vergrößere sein Geschäft oder führe es weiter, wenn er bloß Verluste erleide; der Volksvertreter müsse sich dessen bewußt sein, daß er für die Verwendung des Steuergeldes des Volkes die Und als der Abg. Eickhoff etne andere Haltung empfahl, wurde ihm aus der Versammlung zugerufen: Nie- Und Rosenow gab der Ueberrashung Ausdruck, daß A

aup

ehe er in den Kolonien nit, er würde dafür sein, fe ¿u ver teigern (Lebhaftes Hört, hört! auf verschiedenen Seiten), wenn jemand etwas dafür bôte; und er fand dafür den großen Juha sein Sarscigentiae Auf dem leßten Münchener Parteitage der Volke: partei erklang dieselbe Tonart; auch dort hieß es, ganz gottverla E Gebiete unter den Kolonien sollte man aufgeben! Also deut antinationale, antipatriotishe Ton! Jeßt aber gehören die err zum Regierungsblock und werden jedenfalls in den nächsten abre dur desto eifrigere Bewilligung die früheren Sünden wieder gut Y machen suhen. Wir werden ficher in der nächsten Zukunft gate neue Kolonialforderungen bekommen. Erfreulih if nur, daß unsere Finanzen sich in traurigster Verfassung befinden, daß ihnen also so weit der Zügel angelegt ist; zum Glück für das deutshe Volk wird also zunächst das Schlimmste ihm nicht beschieden sein. Unsere Stellun zu dieser Kolontalpolitik ist nah wie vor eine ablehnende. d

Abg. de Witt (Zentr.): Um diese Vorlage, die heute zur dritten Beratung steht, hat sich der ganze Wahlkampf gedreht. In dai Sißung vom 5. März hat der Abg. Dr. Paasche gegen die entrums, partei scharf Beschwerde geführt. Jn Kreuznach foll eine Heren wählerversammlung mit dem Rufe geschlossen worden sein: Nieder mit dem Protestantismus! Diese Behauptung hat in dem Wahl. kreise des Abg. Paashe Erstaunen und Entrüstung hervor, gerufen, weil fie nicht rihtig ist. Wäre sie efallen, sg würden wir das aufs tiefste beklagen. Dieselbe mpfindung herrscht auch in den leitenden Kreisen der Zentrumspartei in Kreuz- nah. Wäre die Aeußerung richtig, dann würde sie ungefähr auf dem- selben Niveau niedriger Gesinnung stehen, die unbestrittene Zeitungs, berihte aus einer liberalen Versammlung in Gegenwart des Abg, Paasche erwähnen, und zwar in Kirchberg; da soll ein Assessor auf. gesprungen sein mit den Worfen: Weg mit der Pfaffenwirtschaft! An der Gurgel wollen wir die Pfaffen packen und sie an die Wand quetfchen, daß ihnen Hören und Sehen vergeht, so wie es in Frankf, rei geschieht. Hoffentlih kann der Abg. Paashe diese Aeußerung klipp und klar dementteren. Die von ihm mitgeteilte Aeußerung trägt den Stempel der Erfindung an der Stirn, {on dess halb, weil der Gegenkandidat, ein preußischec General, evan- gelischer Konfession war, der allerdings bei den Freunden des Abg. Paashe nicht beliebt war, weil er vom Zentrum * hat aufstellen lassen; man warf ihm fogar bor, daß er eine israelitishe Frau hat. von Riepenhausen hat man es zum Vorwurf gemaht, daß er eine katholische Frau hat; nächstens werden wohl im Wahlkampf au noch die Tanten und Cousinen der Kandidaten aufmarschieren. Nah meiner Information ist aber die ganze Behauptung unrichtig, „Aber im fkatholishen Vereinshause, in einer Zentrumsversammlung ist etwas derartiges gesagt worden“, wird mir telegraphiert, und id habe dieses Telegramm dem Abg. Paasche übergeben. Später ist no ein unparteiisher Zeuge in der Kreuzzeitung aufgetreten. (Vize: präsident Kaempf} ersucht den Nedner, ih nicht zu weit von der Sache zu entfernen.) Die Kreuzzeitung sagt am 6. März: „An der Behauptung des Abg. Paasche ist kein- wahres Wort.“ Der Abg. Paasthe hat für seine Behauptung [einerseits den Beweis zu liefern, hoffent- lich hat er das Beweismaterial in der Tasche; kann er den Beweis niht führen, so wird er loyal genug sein, den Vorwurf zurü, zunehmen.

Abg. Dr. Semler (nl.): Ih will die Behauptung des Abg, Bebel nit unwidersprochen lassen. Ich für meine Partei lehne die Verantwortung, die er uns zuzuschieben versuht hat, hiermit ausdrück- lih ab und nehme an, daß ich dies auch im Sinne der übrigen Par- teien tue, die für den Nachtragsetat gestimmt haben. Der Abg. Bebel hat insbesondere alle diejenigen bedauert, die auf Grund phantastischer Scilderungen, die wir gegeben haben follen, in die Kolonien gehen: ein Rükshlag in dieser Hinsicht würde nit ausbleiben. Er hat Bezug auf die Denkschrift der Siedlungskompagnie genommen. Hätte er die Denkschrift zur Grundlage feiner Erörterungen gemacht, die uns vom Kolonialamt zugänglich gemacht und jedenfalls von Gouvernement verfaßt oder doch unter dessen Autorität entstanden is, so würde er dort vieles zum Beweise seiner eigenen Anfchauungen über Südwestafrika finden können. Denn diese koloniale Denkschrift zeichnet sich durch Ehrlichkeit in geradezu hervorragender Weise au Das ift keineswegs immer fo gewesen. Mir ist, als ih diese Derb rift las, aufgefallen, daß sie in der Tat ganz offen mitteilt, wi überaus klein die Wiederanfänge in der Kolonie Südwestafrika sind, Insbesondere hat der Abg. Bebel aus der Denkschrift der Siedelungé- kompagnie hervorgehoben, hier sei zum ersten Male offen aus gesprochen, daß tin Südwestafrika eine Farm niht möglich \ei unter 10 000 Hektar. In dem von mir selber dem Hause vorgelegten Bericht habe ich wörtlich geschrieben: „In der ungünstigsten Jahreszeit, in der ih die Kolonie sah, schien im Süden bis Hochenau, also im eigentlichen Hottentottenlande, das Aussehen des Landes häufig so ôde, daß es mir {wer wurde, an den Wert des Landes zu glauben. Aber der leßtere bestimmt sich hier wie überall durch die Nachfrage, Diese ist vorhanden und es is nur eine Konsequenz zu itchen, das ist die, daß es sih dort nur um eine extensive Wirtschaft handeln kann. 10 000 bis 20 000 Hektar sind je nah der Oertlichkeit als Größe der einzelnen Farmen zu verlangen.“ Ich lege Wert darauf, zu konstatieren, daß das, was der Abg. Bebel betonte, auch von anderer Seite und {on früher ausgesprochen ist. Ferner legte der Abg. Bebel einen besonderen Nachdruck darauf, daß die Siedlungê- gesellshaft den Beschluß gefaßt hat zu liquidieren. Aus diesem Beschluß i nach der Richtung der Beurteilung des Wertes der Kolonie nichts zu entnehmen. Wäre der Abg. Bebel Mitglied der Landkommission gewesen, so würde er erlebt baben, da der An- trag, die Kompagniewerte zu dem usprünglichen Preise wieder zu kaufen, leider mit einer Stimme Minorität abgelehnt ist; es ist vielmehr in der Landkommission beschlossen worden, die Kompagnie zu veranlassen, ihre Konzession als solhe zurückzugeben und nur 2 Farmen zu behalten. Der jeßige Beschluß der Kompagnie, zu liquidieren, ist nichts anderes als die Antwort auf jenen Beschluß der Landkommission, den ih selbst bedauert hakte. Die Deutsche Kolonialgesellshaft, die einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Kompagnie hat, wird niht für die Liquidation zu haben sein, Jedenfalls beweist der Liquidationsbeshluß für die Bebelshen Argumentationen gar nichts; Bebel zitiert, _wie es ihm in den Kram paßt, paßt ihm etwas nit hinein, so läßt er es unter den Tisch fallen. Gewiß stimmen wir in manten Punkten hinsihtlich unserer Kolonien überein, aber den Schluß machen wir niht mit. Sie (zu den Sozialdemokraten) wollen die Kolonieen ver- steigern, wir wollen sie, da wir sie haben, erhalten. Auch die vermin- derte Cinwanderung in die Kolonien und die Abnahme der Auswande- rung aus Deutschland führte Bebel ins Feld. Eins würde dies doch beweisen, daß es nämlih mit den Verhältnissen in Deutschland nicht so s{chlecht aussehen kann, wie Sie es immer machen. Ich glaube felbst, daß es gewaltige Uebertreibungen sind, wenn man heute schon von einem rationellen Baumwollbau in unserer Kolonie redet. Soll die Konsequenz Ihrer Ausführungen etwa die sein, daß wir, troßdem wir die Kolonien haben, keinen Baumwollbau treiben sollen ? Aus dem Besiß der Kolonien ergibt sih, daß wir im vernünftigen Um- fange den Versu der Baumwollkultur machen müssen. Auch aul das Opamboland und die Briefe von Quark wies der Abg. Bebel hin. Durch eine überaus glücklihe Verfügung des Gouverneu1s ift tatsäd lich das Ovamboland für den Zutritt von Weißen ge!peril Diese Verfügung halte ich für sehr günstig, denn darin gebe ich dem Abg. Bebel recht der ganze Reichsta wird auf dem Standpunkt stehen, daß man im Norden t Kolonie irgend welch: gewagten Experimente niht dulden E Man möge den Weißen den Zutritt im Norden nah wie vor sperres und erst abwarten, bis man das Hottentottenland und das E gebiet gründlih in der Hand hat, dann mag sich das Weitere sin t ob wir unsere tatsählihe Kolonisation auch auf jenes Gebiet er dehnen können. Auf seine Frage, warum wir uns nit mit unseres eigenen Kapital für die Kolonien interessieren, möchte ih dem val Bebel erwidern, es gibt sehr viele Leute, die sch von einem Fe fe engagement in den Kolonien einfa deshalb fernhalten, w

sehe Ausdruck kämen; und Cassel meinte,

ein cebendinteresse j

ung haben, sich nachher von - Bebel und seinen Freunden

D ea assen: Jhr seid s engagiert, ihr forgt für eure

pen Interessen. Wenn ihr für das öffentlihe Wohl ‘eintretet, so

fretet ihr für die eigene Tasche ein. So erreihen Sie mit Jhren

Angriffen, daß viele si mit ihrem eigenen Kapital zurückhalten und

lieber an der Sache nicht selbst beteiligt sein wollen. Wir lehnen

also die Verantwortung, die der Abg. Bebel den Mehrheitsparteien uschiebt, indem er sie für Phantastereten verantwortlich macht, einfa

s Wir wollen die Kolonien halten und sie in vernünftigem Um-

fan e mit aller erdenklichen Sparsamkeit weiter entwickeln.

Stellvertretender Direktor der Kolonialabteilung des Aus- wärtigen Amts Dernburg: Ih habe zunächst einige tat- ächlihe Mitteilungen zu machen. Die Rechnung, welhe über l für das Jahr 1906 genehmigten Kredite für die Expedition aufgestellt ist, unter Zurechnung derjenigen Ausgaben, welche noch bis zum 31. März dafür zu machen sein werden, und unter Gegenüber- stellung desjenigen, was bisher bewilligt worden ist, und der 99 200 000 #4, welche jeßt bewilligt werden sollen, geht mit einem Defizit von 680 000 F auf, wogegen allerdings noch erheblihe Be- stände im Schutgebiet vorhanden sind, deren Aufnahme per 31. März veranlaßt worden ist, und es ergibt sih aus dieser, nunmehr heute haben wir schon den 12. März übersehbaren Rechnung, daß die von den verbündeten Regierungen angeforderte Nachtragssumme von 99 200 000 é dem tatsählich Notwendigen entspricht.

Hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung der Truppen in Südwest- afrika habe ih heute vor acht Tagen mir gestattet, Jhnen weitere Mitteilungen in Ausficht zu stellen. Es soll nunmehr ein Vor- {lag gemacht werden dem Bundesrat hat er noch nicht vor- gelegen —, welcher die Verminderung der Truppen bis zum 30. Sep- tember 1907 auf 4000 Mann im Schußtgebiet vorsieht, wogegen die gleichfalls von mir bereits in Aussicht gestellte Erhöhung der Polizei truppe um 600 Mann stattfinden soll. Der entsprechende Er- gänzungsetat ist in Vorbereitung.

Auf die Bemerkungen des Herrn Abg. Bebel einzugehen, ist mir leider ganz unmöglich. Herr Abg. Bebel steht auf dem Standpunkt des extremen Freihändlers, der die ganze Welt ohne Zollschranken ih vor- stellt und von diesem Gesichtspunkt aus nunmehr seine Konklusionen zieht. Daß das nicht der Zustand ist, das weiß wohl der Herr Abg. Bebel au). Das sind aber zwei deraëtig si entgegenstehende wirtschaftliche Standpunkte, daß zwischen thnen ein Ausgleih wohl kaum gefunden werden kann. Die Deckung, die der Herr Abg. Bebel hinter meinen An- sprachen gesucht hat, kann ih, glaube ih, auch übergehen; ih müßte die sämtlichen fünf Reden hier noch einmal halten! (Heiterkeit.) Haben Sie keine Angst, meine Herren!

Gegen eines möchte ih mich aber doch verwahren, nämli, daß der Herr Abg. Bebel für rihtig hält, meine frühere Tätigkeit und was ih dort getan oder nicht getan habe was er übrigens gar nicht wissen kann —, hier in die Debatte zu ziehen. Am 4. Ve- late 1906 hat der sehr verehrte Herr Präsident Graf von Ballestrem esagt :

Mess Herren, es entspriht {hon den guten Gewohnheiten des Hauses nicht, auf die außerhalb dieses Hauses bestehende Tätigkeit der Abgeordneten einzugehen. Noch weniger wird es dieser guten Gewohnheit entsprehen, wenn man auf eine frühere Tätigkeit der Herren Mitglieder des Bundesrats eingeht.

Ich möhhte nun au bezüglih der Ovambos noch eine kurze Be- merkung machen. Es liegt absolut nicht in der Absicht, und wie der Herr Abg. Semler schon mit Necht bemerkt hat, is es fogar ausdrück- lih von dem Gouverneur verboten, irgendwelhe Reibungsflächen mit diesen Ovambos zu suchen. Diese Tendenz geht sogar so weit, daß ein Einfall, den der Häuptling Nechalle in das Schußgebiet gemacht hat, bisher ungesühnt geblieben ist. Ob das sehr weise ist, will ih hier niht erörtern. Jedenfalls hat aber die Verwaltung angeordnet, daß das vorläufig niht geshehen darf, gerade aus dem Grunde, den wir hier angegeben haben, und in Uebereinstimmung mit den kate- gorishen Erklärungen, die die Verwaltung abgegeben hat.

Jh möchte auf den Wert und Unwert des Schutzgebiets wirkli niht eingehen. Der Herr Abg. Bebel hat ja die Güte gehabt, uns E ÿ Jahre Zeit zu lassen. Da wollen wir das ’mal ruhig ab- warten!

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.) : Der Abg. Bebel hat uns den Vorwurf einer völligen Schwenkung tin Kolonialfragen gemaht. Jch habe keine Veranlaffung, näher darauf einzugehen; ih halte den Nachtragsetat nicht dafür geeignet, weil wir uns eventuell diese Erörterung für die Beratung des Kolonialetats selbst vor- behalten. Er hat uns nihchts Neues gesagt; er übersieht, daß uns nit die Uebereinstimmung über die gesamte Kolonialpolitik an die Seite der Regierung geführt hat, sondern die Frage, was zu ge- schehen habe, um den Aufstand niederzuwerfen. Auch Bebel wird wissen, daß gerade Eugen Richter in seiner leßten Reichstags- rede aussprah, daß die Mittel dazu bewilligt werden müssen, daß die Schüssel bis zur Neige geleert werden müsse. Das istt auch durch den Antrag Ablaß zum Ausdruck gebracht worden. Vir haben niemals die Kolonialfrage als Feb plantrage angesehen. Vir haben für die Erwerbung von Kiautschou gestimmt. Bekämpft haben wir das falshe System der Kolonialpolitik, die Fehler in der Verwaltung und in der Beamtenorganisation. In Wiesbaden ist dieser Standpunkt ebenfalls in einer Resolution festgelegt worden. Vir haben vor der Auflösung des Reichstags s{chon bei der ersten Beratung des Nachtragsetats unsere Zustimmung erklären lafsen. Vird der Bruch mit dem ‘bisherigen System vollzogen und die Ver-

y waltung in der Nichtung unserer Anschauungen geführt, warum sollen

wir dann folhe verständigen Maßnahmen niht unterstüß:n? Das wird geschehen, aber gegen cine maßlose und phantastishe Kolonialpolitik werden wir stets Front machen!

Abg. Ledebour (Soz.): Der Abg. Wiemer hat sih ja bemüht, den Widerspruch in Abrede zu stellen, der zwischen der heutigen und der früheren Haltung seiner Fraktion klat. Aber noch im Mai 1906 hat diese Partei eine von uns eingebrahte Resolution unterstüßt, die auf den Frieden drang und die Unabhängigkeit der Eingeborenen ¡u schüßen verlangte. Der jetzige Friedens\{chluß hat ja bewiesen, wie notwendig und sahlihch berechtigt diese Forderung war. Hätte damals hon die Regierung den Bondelzwarts Entgegenkommen gezeigt, der Krieg wäre wahrsheinlih ein halbes Jahr früher beendet worden. Vir wissen doch, daß {hon vor der Auflösung des Reichstags der Krieg tatfählich beendet war, es handelte fh nur noch um Verhand- lungen mit den Unterhäuptlingen. Diese Tatsache ist dem Reiæhstage damals nicht bekannt gegeben woiden; die Regterung hat sle ver- wiegen, um sich einer Reduktion ihrer Forderungen zu entziehen, und Sie de darauf damals hineingefallen! Zwischen der Mitteilung des Oberstleutnants Quade am 13. Dezember und den tatsächlihen Ver- bâltnissen bestand also ein Widerspruch; wir müssen den Nachweis ver- langen, daß, wie der Oberstleutnant Quade damals ehauptete, niht 300, sondern 5 bis 600 Hottentotten noch im Felde standen. Worauf stützt {h diese Behauptung, die durch kein einziges Dokument bestätigt wird ? Die bloße Bestreitung und noch so entschiedene Zurückweisung ist doch än Beweis; es muß irgendwo eine irrlümlihe Information borliegen, Mit der bloßen moralischen Entrüstung in der weißen

este wird kein Beweis geführt. Der stellvertretende Kolonial- direktor hat bekanntlih auch die unglaublihe Behauptung aufgestellt, in den Expoctzahlen 80 %/ Arbeitslöhne {tecken. Das ist abfolut unwahr und unmögli. Auch die Uebertreibungen des Farmers Sthlettwein hat der Kolonialdirektor nicht bewiesen. Eine solche Methode müssen wir brandmarken, wir dürfen nit dulden, daß in einer Wahl- bewegung dem Volke wissenllich derartige Jrreführungen von einem egterungsbeamten vorgetragen werden. (Vizepräsident Kaempf ruft den Redner wegen dieses Ausdrucks zur Ordnun g; Lebhafter Beifall.) Der Kolonialdirektor Dernburg hat nur jenen Teil der Tatsachen dem Volke mitgeteilt, der nach seiner Meinung günstig auf das Volk wirken konnte, Ver alles andere hat er verschwiegen, wovon er ganz genau wußte, daß ® nachteilig wirken mußte. (Vizepräsident Ka em p f ruft den Nedner ir diese Aeußerung zum zweiten Male zur Ordnung !und mat ihn auf die geshäftsordnungsmäßigen Folgen dieses zweiten

rdnungsrufes aufmerksam.

Auf eine Entgegnung des Redners lehnt ;

maßregel einzulassen, und verweist ihn auf den .in der Geschäfts ordnung vorgeschriebenen Weg.) Die Kolonialpropaganda ist eben mit Mitteln betrieben worden, die der Wahrheit niht entsprachen, und hat im Volke eine ganz falsche Vorstellung von den Werten unserer Kolonien hervorgerufen. Schließlih werden ja wobl auch diese irregeführten Leute einmal zur Einsicht kommen. Es ist das ja eine äußerst bequeme Manier, die Sache totzuschweigen ; der Abg. Schrader beklagte ja {hon neulich, E ih in die allgemeine friedliche timmung dur mein Kritteln einen Mißton gebraht hätte.

g. Dr. Paasche (nl.): Jh hatte seinerzeit behauptet, in Kreuznach sei eine katholische Versammlung ges{lossen worden mit dem Ruf: Nieder mit dem Protestantismus! Nieder mit dem Liberalismus! Der Abg. de Witt hat zugegeben, daß ih bona fide 4 pa habe. Zwei Tage nach jener Barsamanlinea in Kreuznach aben mir mehrere hocangesehene Wähler gesagt: „Sie glauben gar nicht, mit welchem Fanatismus in dieser katholishen Ver- sammlung gegen uns losgezogen wurde. Die Versammlung wurde geshlossen mit dem Nuf: „Nieder mit dem Protestantismus! Nieder mit dem Liberalismus !* Darauf habe ih die Herren ausdrücklich gefragt: Können Sie für diese Worte einstehen? Sie haben mir erwidert: Jawohl, das können wir! (Lebhafte Unter- brehung im Zentrum. Rufe: Namen nennen!) Es sind Geschäftsl[eute, und ich kann daher ihre Namen nicht nennen. (Zurufe.) Ih würde ein Unrecht gegen die Leute begehen, wenn ih es sagte. Daß die Führer in der Versammlung einen \olhen Ruf nicht ausgestoßen haben, ist selbstverständlich; sie würden das miß- billigen und g freue mi, daß der Abg. de Witt das ausdrücklich erklärt hat. s ist aber auch nit richtig, daß der angeführte Assessor die Worte gesprochen hat, die beweisen sollen, daß wir eine kulturkampffreundlihe Stellung eingenommen hätten. In der er- wähnten Versammlung find diese Aeußerungen nicht gefallen. Sie sind in einer ultramontanen Zeitung wiedergegeben worden. In meiner Gegenwart sind solche oder ähnlihe Worte nicht gesproßen worden. Jh habe heute einen Brief von dem E ige bekommen, den ih erst nahträglich aufgemaht habe. Er |chreibt mir, er sei bereit, öffentlih in der Presse zu vertreten, daß er unter anderem gebeten habe, für den nationalen Kandidaten einzutreten, er habe aber kein Wort von dem gesprohen, was die ultramontane Zetung ihm in den Mund gelegt habe. Er fügt hinzu, daß in derselben Versammlung der evangelishe Pfarrer ihm gedankt habe dafür, daß er durch seine Worte so versöhnend und ausgleichend die konfessionellen Gegensäße zu überbrücken bestrebt gewesen sei. Man hat nun den Spieß umgedreht und behauptet, wir hätten in dem Wahlkampf eine derartige Propaganda gemacht. Uebrigens ist in allen katholishen Versammlungen der Gegenkandidat gar nicht genannt worden; auch in der betreffenden Versammlung niht, wo der Gegenkandidat der Generalmajor von Kröden war. Es ist nur gesagt worden, verlaßt euch auf eure Führer, die werden euh schon den richtigen Stimmzettel in die Hand geben. Daß es der Generalmajor von Kröden war, erfuhren wir von anderer Seite. Er hat sich dagegen gewehrt, daß man ihm vor- geworfen habe, daß er eine jüdishe Frau habe; woher dieser An- griff stammte, weiß kein Mensch. Von einer Hege nah der Richtun ist jedenfalls bei uns niht die Nede gewesen. Jh wiederhole: Id) freue mich, daß von seiten der Herren vom Zentrum ausdrüdcklich erklärt worden ift, daß sie es auf das \chärfste verurteilen, wenn folhe Neden gehalten worden sind. Jh kann aber von dem, was ih gesagt habe, nichts zurücknehmen, denn die Herren, die es mir gesagt haben, muß ich nach wie vor für glaubwürdig halten.

Abg. de Witt (Zentr.): Ih möchte nur dem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck geben, daß der Abg. Dr. Paasche seine Behauptung ay pas al einen Beweis dafür hat er nah meiner Ueberzeugung n erDraMt.

Damit {ließt die Generaldiskussion.

Jn der Spezialdiskussion wird in der Gesamtabstimmung der Kredit von 29220000 # und der dazu gehörige Nachtragsetat für die Schußgebiete mit großer Mehr- heit angenommen. Mit der Mehrheit stimmt auch der Abg. von Strombeck vom Zentrum, dagegen das Zentrum, die Polen und die Sozialdemokraten; ohne Debatte wird ferner die erste Rate für die Fortseßung der Eisenbahn Lüderißbuht—Kubub nah Keetmanshoop mit 8 900 000 M und der dazu gehörige Nachtrag zum Etat der Schußgebiete und zum Haushaltsetat für 1906 im einzelnen und im ganzen gegen das Gros des Zentrums und gegen Polen und Sozialdemokraten bewilligt. Endlich wird auh das Gesetz, betreffend die Gewährung eines

Darlehns an das südwestafrikanishe Schußgebiet, j dW

definitiv mit großer Mehrheit angenommen.

Jn dritter Beratung wird der Gesetzentwurf, betreffend die Kontrolle des Reihshaushaltsetats, des Landes - haushaltsetats von Elsaß - Lothringen und des Haushalts der Shußgebiete für 1906 ohne Debatte an- genommen.

Es folgt die Verlesung der Jnterpellation der Abgg. Hompesch und Genossen:

„Ist der Herr Reichskanzler in der Lage, Auskunft darüber zu erteilen, ob und wann Geseßentwürfe zu erwarten find, welche eine Revision der Strafprozeßordnung treffenden Teile des Gerihtsverfassungsgesetzes betreffen, insbesondere darüber Auskunft zu geben, ob die Zuziehung von Schöffen zu den

Strafkammern und die Zulassung der Berufung gegen die Urteile ! zzird unleugbar das Vertrauen in die Rechtsprechung durch die

der Straffammern beabsichtigt ist 2“ i in Verbindung mit der Jnterpellation der Abgg. Bassermann u. Gen. (nl.): „Ist der Herr Reichskanzler bereit, über den Stand der gesetßz- eberishen Vorarbeiten für eine Neform der Strafprozeßordnung Auskunft zu geben ?“ Auf die erklärt der

Frage des Vizepräsidenten Dr. Paasche

Staatssekretär des Neichsjustizamts Dr. Nieberding: Ich bin |

bereit, beide Interpellattionen sofort zu beantworten.

Zur Begründung der Jnterpellation Hompesh erhält das Wort der

Abg. Gröber (Zentr.): Die Strafprozeßordnung von 1877 war das Ergebnis eines Kompromisses zwishen weit ausetnandergebenden Anschauungen. È: Juristengerichte, die obersten Instanzen für “die {wersten Strafsachen die Shwurgerichte. Dieser Widerspruch in der Orçanisation kann auf die Dauer nicht fortbestehen. Was die Nechtsmittel betrifft, so haben wir die Berufung gegenüber den Schöffengerihhten, dagegen nicht die Berufung gegen die Entscheidung: der höheren Gerichte. Das ist auch ein Widerspruch, der auf die Dauer um fo weniger haltbar ist, als nach den Zuständigkeitsbeslttmmungen es geradezu von Zufälligkeiten abhängt, ob eine Sache dem SWhöffengeriht oder der Strafkammer zur Entscheidung unterbreitet wird. Bei der heutigen Ueberweisungsfähigkeit ist die Me der Berufung in das Be- lieben der Staatsanwaltschaft gestellt. Schon früher sind Anträge auf eine Revision der Strafprozeßordnung von seiten des Zentrums und von freisinniger Seite vorgelegt. Das Interesse an diefer Frage hat ständig zugenommen, namentlih an der Frage der Organisation der Gerichte und der Zuziehung von Laien. Endlich erklärte der Staats- sekretär des Neichsjustizamts, daß er bereit sei, die Neviston der Straf- prozeßordnung in die Hand zu nehmen, und bat, daß bis dahin An- träge aus dem Hause zurückgestellt werden möchten. 1903 hat der Staatssekretär eine Kommission einberufen, die zwei Jahre gearbeitet hat; ihre Beschlüsse und Protokolle find im Jahre 1905 veröffent- liht worden. Seither hört man gar nichts mehr davon. Man fragt

s der Präsident ab, ih auf eine Diskussion über diese Disziplinar- ' sich doch, wo liegen, nachdem der Staatssekretär so lange Jahre zum

Die unteren und mittleren Jnstanzen sind jetzt reine |

und der die Strafgerichte be- |

| |

Beobachten Gelegenheit batte, die Hidemi e. BuruE Mir wird zu- erufen: in Preußen ! as glaube ich nâmlich au. Das Haupt- indernis werden die finanziellen Bedenken sein, die wir von Preußen

B hören gewohnt find. Wenn für kulturelle Interessen etwas ge- ordert wird, kommt nur zu oft die Antwort, wir haben dafür kein Geld.

Wenn N au anerkenne, daß für den Schuß des Vaterlandes in aller-

erster Linie ge weten muß, daß man an das primum vivere denft,

fo meine ich doch, nahdem man Hunderte von Millionen für ein Süd- westafrika aufwenden konnte, sollten die paar Millionen, die etwa bei einer Reform der Rechtspflege notwendig sein sollten, wahrhaftig doh auch verfügbar sein. Handelt es #\ch denn etwa um neben- sächliche Dinge ? Etwa um den Aufbau eines alten Schlosses, wofür wir

Geld haben in Hülle und Fülle ? Die Reform der Strafprozeßordnung

ist eine Frage, über die wir hier im Hauje längst vollständig einig

sind, mag man auh über die Einzelfragen ausetnandergehen ; das finanzielle Bedenken kann für uns unmögli durhschlagend sein.

Wo wir einen großen Milliardenetat haben, kann es an dem Gelde

niht fehlen, das erforderlich ist, um eine den heutigen modernen

Auffassungen entsprehende gute Rechtspflege zu sichern. Das dürfen

sih die deutschen Bundesstaaten nicht nachsagen lassen, daß sie

lieber Opfer der Justiz in ihren Ländern herumlaufen lassen, als daß sie ein paar Millionen aufwenden. Nirgends ist die Erbitterung größer, als wenn der Bürger sich sagen vie ih bin das Opfer einer ungenügenden Sicherung bei dem Strafverfahren, einer mangel- haften Einrichtung des Staates selbst ; der Staat bietet mir nicht die Gewähr dafür, daß ih vor einein so {weren Unglück bewahrt bleibe. Die Empfindung, ein materielles Unrecht erlitten zu haben, wurmt viele, bringt sie {ließlich aus Nand und Band und haft uns dann die Querulanteneingaben in den Einzellandtagen. Nun ist der Vorschlag gemacht, man möchte das englische Recht bei uns ein- führen, und ehe man dieses nicht genau studiert habe, von einer

Reform der Strafprozeßordnung absehen. Es sind sogar {hon Vorschläge

aufgetauhht, es môge eine Kommission n Gngland gehen und die

Grgebnisse ihrer Studien dann den Reichsorganen unterbreiten.

Gewiß ist da manches Interessante zu lernen, aber wenn es ih

um die Revision eines deutshen Strafverfahrens handelt, fo

müssen deutshe Anshauungen maßgebend sein und nicht englische.

Wir stehen der englishen Welt gar niht fo unbekannt gegenüber.

Zahlreiche Männer haben dort ihre Studien über das Strafverfahren

gemacht und nah dem, was sie aus ihren eigenen Anschauungen mit-

geteilt haben, gibt es im englishen Strafverfahren vieles, was man als historisch verständlih, aber aus der Natur der Sache nicht ab- leitbar und E anerkennen muß. Wir haben in Deutschland mit gutem Recht darauf Gewicht gelegt, daß in wichtigeren Straf- sahen nit die Auffassung eines einzelnen Mannes auf Grund einer vielleicht rasch gefaßten Entschließung maßgebend sein fann, fondern daß wir die Sicherheit und Garantie verlangen, die dur ein ruhig und fahlih entsheidendes Kollegium gegeben is. Wir follen uns also wegen des Studiums des englishen Strafverfahrens nicht auf einen Aufshub unserer Neform einlassen, sondern sie rasch und deutshen Gewohnheiten und Auffassungen entsprehend vornehmen. Meine Freunde sind der Meinung, daß die Arbeiten der vom Staats- sekretär berufenen Kommission ei geeignete Grundlage für die Reform geben. Für die Einzelheiten müssen wir unsere Stellungnahme selbst- verständlih vorbehalten. Wir legen besonders aber auf zwei ver- schiedene Punkte Wert, die Frage der Berufung bei den Strafkammern und die Zuziehung von Laien zu den Strafgerihten. Auch wenn man dem Vorschlage der Kommission folgt, dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, fein Gntlastungêmaterial vorzubringen, ehe er den Beschluß auf Eröffnung des Hauptverfahrens über \sich ergehen lassen muß, so bleibt do nicht nur die Möglichkeit, sondern die Tatsache bestehen, daß bei der Hauptverhandlung selbst Fehler vorkommen können, die einer Korrektur bedürfen, die nur korrigiert werden können durch die

Zulafsung einer nohmaligen Beweisaufnahme, einer nochmaligen

vollständigen Verhandlung. In der großen Mehrzahl der Me

handelt es sich keineswegs um einen Streit über die Aus- legung des Strafgeseßzes, sondern um einen Streit über die

Entscheidung in der Beweisfrage. Diese levtere ist es, die

Schwierigkeiten hervorruft. Häufig hängt die Entscheidung davon

ab, ob man diesem oder jenem Zeugen Glauben senken soll. In der Revisionsinstanz ist es aber unmöglih, nachzu-

weisen, daß der betreffende Zeuge eine unglaubwürdige Persönlichkeit ist.

In der Justizkommission waren auch Mitglieder des Neichsgerichts

und der Neichsverwaltung, die die interessante Mitteilung machten,

daß auch unter den Mitgliedern des höchsten Gerihtshofes immer mehr die Ueberzeugung von der Notwendigkeit der Berufung dur- gedrungen sei. Es wurden uns Fälle mitgeteilt, so kraß, wie man es niht sür möglich gehalten hâtte, und es waren meistens Fälle aus Preußen, von Gerichten, die offenbar so überlastet waren, daß an ordnungsmäßige Erledigung der Strafsachen gar nicht zu denfen war. Und wir hörten auch von Tagesordnungen bei preußi- schen Strafkammern, daß wir süddeutshen Richter uns fragen mußten: Wie foll denn das nur noch mensbenmöglih sein, damit zurecht zu kommen, da muß die Gründlichkeit leiden, da wird s{ließlih mit dem Säbel dur{gehauen, da kommt es zu einer reinen Husarenjustiz. Nicht dem einzelnen Richter, aber dem Bundesrat, der so etwas zuläßt, muß man daraus einen Vorwurf machen. In der

Militärftrafjustiz haben wir die Berufung; die Ziviljustiz muß immer

noch darauf warten. Die Zuziehung von Laien zu den Strafgerichten

ist jedenfalls ein dringendes Gebot. Schon die Zuziehung von zwei Schöffen eine viel zu geringe Zahl hatte in alten

Zeiten die Wirkung, daß die Fälle viel gründlicher erörtert

wurden, daß eine rashe schematishe Abwicklung vermieden

wurde. Die Schöffen sind frisch in ihrer Auffassung, nicht so abgeradckert und abgestumpft wie die Nichter. Vor allem aber

Zuziehung des Latenelements gehoben. Das Hindernis hat ja nun bisher niht bei dem Staatssekretär, sondern anderswo gelegen. Wann find nun die neuen Vorlagen zu erwarten und nah welchen Grundsäßen sind sie ausgearbeitet? Diese Fragen sind notwendig, besonders nachdem wir heute morgen in der Budgetkommission fo schmerzliche Enttäushungen erleben mußten bezüglih des Versprechens von Ersparnissen auch in der Armee. Der Kriegsminister hat uns mitgeteilt, daß, wenn die Neubeschaffung für Festungsbauten und Waffenmaterial zu Ende geführt und die neue Bekleidung durch- geführt sei, dann eine Ersparnis am Militäretat eintreten werde. Abg. Heinze (nl.) führt zur Begründung der Interpellation Bassermann aus: Die Wünsche nah Revision der Strafprozeß- ordnung werden {hon seit 30 Jahren erhoben; sie gehen dahin, Laien ¡u den Strafkammern hinzuzuziehen und die Berufung gegen die Strafkammerurteile zuzulassen. Am 19. April 1902 bat der Reichstag einstimmig den Beschluß gefaßt, der die Wiedereinführung der Berufung forderte. Die Regierung stellte sich demgegenüber auf den tandpunkt, daß eine durchgreifende Revision der Strafprozeßordnung nôtig sei. Es wurde eine Kommission einberufen, die Vorschläge zur grundlegenden Aenderung an der Strafprozeßordnung machen follte. Die Kommiffion tagte zwei Jahre, bis zum Mai 1905. Bei der Etatsberatung im Februar , und März 1906 hat der Staatssekretär als Absicht der Regierung erklärt, den Neformplan mit aller Beschleuni- gung auszuarbeiten. Troß dieser zugesagten Beschleunigung ift jeßt nah mehr als einem Jahre nihts mehr davon zu hören gewesen. Wo steckt denn der Haken, an dem die Reform bisher hängen ge- blieben is? Juristish-technische oder politishe Bedenken können bicè unmöglich das Hindernis sein; man braucht den Vorslägen der Kom- mission ja niht durhweg zuzustimmen, aber sie geben eine gute Grundlage E eine Neformarbeit ab. Die Kommission bat den Wünschen Rechnung getragen, die auf Einshränkung der Unter- suhungshaft gehen, fie hat das Legalitätsprinzip gemildert. Sie bat allerdings für die Abschaffung der Geshworenengerihte votiert, aber wir wissen ja bereits, daß Preußen und Bayern die Geschworenen- gerihte beibehalten wollen. Wir wünschen Einschränkung des Zeugniszwangsverfahrens gegen Redakteure, Neuregelung der Frage der Behandlung jugendliher Verbrecher; alle diese Fragen find gründlich erörtert worden. Die Gewährung von D

i 2 d iâten an Schöffen - Geshworene is|st notwendig, zumal, wenn mau