1907 / 67 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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Bemerkungen, Die verkaufte Menge wird auf volle Dopyelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Dur(schnittsprets wird aus den unabgerundeten Zahken berfne,

in liegender Strih (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nit vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den lezten seHs Spalten, daß entsprehender Bericht fehlt,

Deutscher Reichstag.

18. Sißgung vom 14. März 1907, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolfs Telegraphishem Bureau.)

Tagesordnung: Erste und eventuell zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend den Hinterbliebenen- versicherungsfonds und den Reichsinvalidenfonds, Jnterpellation der Abgg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim, Dr. Stresemann, betreffend die Verhältnisse der Privat- beamten, Jnterpellation der Abgg. Albreht und Genossen, betreffend Eingriffe von Behörden 2c. bei der Neichs- tags8wa hl.

Staatssekretär des Reichsschaßamts Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Die kleine Vorlage, die Ihnen die verbündeten Regierungen haben zugehen lassen, bedarf wohl keiner ausführlichen und eingehenden Einführung8rede. Ih kann aber do nicht umhin, sie wenigstens mit einigen kurzen einleitenden Bemerkungen zu be“ gleiten.

Wenn die Vorlage auch von geringem Umfange ift, so ift sie doc infofern bedeutsam, als sie den ersten geseßzgeberischen Akt dar- stellt zur Ausführung des § 15 des Zolltarifgesctzes, der sogennannten lex Trimborn.

Der nächste Zweck, den wir mit dieser Vorlage verfolgen, ift der, die Verwaltung dieses neuen Versiherungsfonds durch Angliederung an die bereits bestehende Verwaltung des Neichöinvalidenfonds möglichst einfa und möglichft billig zu gestalten. Zugleich haben wir aber in der Vorlage auch darauf Bedacht genommen, daß die bisherige Verwaltung des Neicsinvalidenfonds selbst möglichst sparsam würde wirtschaften können. Es ist nit ausges{lofsen, daß wir in diesem Bestreben in der Folge, viellciht {on in den nächsten Jahren noch weiter gehen Éônnen, wenn wir nämlih zu gelegener Zeit uns dazu entfchließen, etwa die cigentlihe Tresorverwaltung als s\elbständige Verwaltung aufzulösen und die vorhandenen Kapitalbestände der Neichsbank als offenes Depot zu übergeben. Ich habe mir bereits im vorigen Jahre in der Sißung der Budgetkommission vom 23. Januar 1906 ge- stattet, auf eine sole Möglichkeit hinzuweisen, habe aber auch zu- gleih hinzugefügt, die Sache bedürfe wobl noch einer eingehenden und sorgfältigen Erwägung. Zur Zeit liegen nun nach den von uns angestellten Berehnungen die Verhältnisse so, daß wir allerdings noch ctwas billiger wegkommen zu können glauben, wenn wir die Tresorverwaltung felbst in der Hand behalten. Aber {on eine Maßnahme, die wir im Gesetzentwurf vor- geschen haben, nämli die Eintragung der Bestände an Neichs- und Staatsanleihen in das Siuldbuch des Reiches oder der Bundesstaaten, wird es vorauésihtlich in nit zu ferner Zeit ermöglihen, auch noch weiter zu gehen in der Verei: fahung der Verwaltung und in Verbilligung der Verwaltungskosten und insbesondere den Schritt zu unternehmen, den Rest der noch vorhandenen Kapitalbestände in Wertpapieren als offenes Depot bei der Reichsbank zu hinterlegen.

Zugleich verfolct aber die Vorlage noch einen anderen Zweck, und zwar einen Zweck, der materiell erbeblih bedeutsamer ist als die Ersparung von Verwaltungskosten. Wir wollea rämlih dur diese Vorlage für die Reichsinvalidenfondsverwaltung, wel%e die beiden Fonds künftighin nebeneinander verwalten wird, eine Etiurichtung treffen, die sie der Notwendigkeit enthebt, behufs der Veräußerung

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der in ihrem Besitz befi dlihea Papiere des I d

der verabschiedeten Etats an den offenen Mzrkt, an die Börse zu gehen. Wir wollen das vermeiden, insbesondere deshalb, weil wir auf Grund langjähriger Erfahrungen nur zu gut wisscn und bestätigen können es liegt das ja auch in der Natur der Saße —, daß die foitge!'eßt: Veräußerung fo großer Beträge wie die, um die es bier sich hand:1lt, an der Börse nur dazu führen kann, einen nicht unerheblichen

Druck auf den Kurs der erstklasfigen Papiere, nit nur der Neichs- anleiben, fondern auch der Staat8anlciben auszuübe d wir find der Meinung, daß es gerade in der Gegenwart und in der näSsten Zukunft doppeît geboten sein wird, auf alle nur immer tunliche Weise Vorsorge zu treffen, daß die Abbröcklung der Kurse jener Papiere, wie fole în neuerer Zeit leider stattgefunden hat, nicht einen noch weiteren Umfang annimmt. ¿war bezicht si das speziell auf Maßnahr fenen Jahres getroffen worden find dati Vorkehr dabin zu treffen, da i mieden wurde, einen Betrag von rund 30 Millio Etat für 12€6 zur Verfügung gestellt war, an ter Börse verkaufen zu müßen. Jh bin überzeugt, daß auch tas b der Vorsorge, den bier der Herr Rei ; reihen Besißer von Reihs- und Staatsanle! der Sparer in unserem Publikum geübt kat, fiber nur erkennen wird.

Ich kann meine cicleitenden Bemerkungen hiermit \{lteßen, indem ih zuglei der Heffnung Ausdruck gebe, daß das hohe Haus dem vorliegenden Geseßzentwurf, und zwar in möglihst unveränderter Fassung, seine Zustimmung nicht versagen werde. (Bravo!)

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Abg. Gamp (Np.): Ich glaube, daß dieser Wunsh in Erfüllung geht und daß diesem wohlüberlegten Gesezentwurf kein Bedezaken entgegengebracht werden wird. Es handelt fi darum, die beiden Fonds in gemeinschaftlihe Verwaltung zu bringen, von denen der eine nur Einnahmen und der andere nur Ausgaben hat. Ich bin also mit diesem Gesetzentwurf in jeder Beziehung ganz einverstanden. Ih bin auch damit eiyversianden, daß die Zentralverwaltuag erhalten bleibt, nur möchte ih die Frage aufwerfen, ob niht der Zeitpunkt g-- kommen ist, die Depotverwaltung bet diesem Ressort zu beseitigen. Es ift in der Begründung ausgeführt, daß die Verweisung der Depots an die Iteichbank weit gzößere Koiten verursachen würde, aïs es jeßt der Fall ist. Die Sache gewinnt aber doch jeßt ein anderes Gesicht, weil jeßt der Reichsinvalidenfonds cinen dauernden Abnehmer tim Fonds Trimborn hat. Mit Nücksicht auf ‘die auch von mir gemachten Erfahrungen wäre es vielleiht geboten, die Depots auf das Reichs- {huldbuch oder auf ein Staats\{huldbuh zu übernehmen. Charakte- ristisch ist das bureaukratische Verhalten der Reichsbank. Jch halte es niht für berechtioct, einem Deponenten wi- das Reich einen so hohen Prozentsaß zu berechnen. E3 ist wirklih an der Zeit, von einer so törihten Praxis abzusehen und diese hohen Summen, von denen die Neichebank so viele Vorteile hat, zu einem billigeren Saß in das Depot zu nehmen. Jch bitte den Staatssekretär, in diesem Sinne fortzuschretten.

Staatssekretär des Neihsshaßamts Freiherr von Stengel:

Nur zwei Worte der Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Vorredners. Die Eintragung in das Schuldbuch des Neichs oder der Bundesîtaaten bietet nur insofern in der Ausführung eintge S{wierig- keiten, als wir zwar im Reich ein Reihsshuldbuch, auH in ver- schiedenen Bundesstaaten ein Staats[{huldbuchß haben, aber nit in allen; gerade der Staat, auf den es hauptsächlich ankäme, der Staat, von dem wir die weit überwiegende Zahl von Obligationen im Invalidenfonds haben, nämlich Bayern, bat bis jetzt kein solches. Da versagt also der Nat des Herrn Vorredners, für den im übrigen ganz dankbar bia. Wir wollen gewiß auf dem schon be-

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zeihneten Wege vorwärts gehen, fo weit und so {nell als mözlic, und ih hoffe auch, daß wir in naher Zeit das Ziel erreichen, von dem auch der Herr Vorredner glaubt, daß es das wünschens- werte ist.

Was noch den anderen Punkt anlangt, den ih erwähnen wollte, so find das die Gebühren, die die Reichsbank für die offenen Depots verlangt. Hier nun so ohne weiteres eine besondere AbmaGung zu treffen, hat insofern seine Shwierigkeiten, a!s der Gebührensaß für ofene Depo?!s durch das Statut der Reichsbank festgelegt ist. Jede sole anderweitige Abmaczung mit der Neichsbank würde auch gewisse Rückwirkungen üben auf die Dividende der Reih3bankauteilseigner, wenn sie auch kaum erbebliߧ wären. Jch wollte also nur hervor- heben: fo cinfach, wie der Herr Vorredner anzunehmen \cheint, liegt die SaHe auch hier nit, namentlih deswegen, weil eben das Statut einer folhen Sonderabm5chung entgegensteht.

_ Damit schließt die erste Beratung. Jn zweiter Beratung wird der Gesehentwurf im einzelnen ohne Debatte genehmigt. Es folgt die Verlesung der Jnterpellation der Abgg. Freiherrn Heyl zu Herrnsheim, Dr. Stresemann (nl.) u. Gen.: „Nach den Erklärungen, welche der Staatssekretär des Reichs-

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amts des Innern in der Neihstagsfitung vom 10. Mai 1904 und der Geheime Dberregierungsrat Dr. Kaufmann in der Sitzung der Petitionékommission vom 18. Januar 1905 abgegeben haben, war die Abfassung einer Denkschrift in Auesiht genommzn, welche auf Grund des von den Orzanisationen der Privatbeamten überreichten und von dem Negierungsvertreter Dr. Kaufmann als autreihend anerkannten Materials die Verbältnisse- der Privatbeamten als Grundlage für eine eventuelle ftaatlihe Pensions- und Hinter- bliebenenverforgunrg darlegen follte.

Wir riŸhten an die verbündeten Regierungen die Anfrage, ob 2s Ergebnis dec vorgenommenen Bearbeitung nunmehr vorliegt, 1d wann die in Auésicht gefiellte Denkschrift dem Neichétage zu- n wird.“ luf die Frage des Präfidenten erklärt sih der Staats- sekretär des Jnnern Dr. Graf von Posadowsky-Wehner bereit, die Jnterpellation zu beantworten.

Abg. Frhr. Heyl zu Herrnsheim (nl.): Der Staatésekreiär erklärte neulich, es wäre richtig, wenn man auf dem Gebiete der

4 Sozialpolitik forts{reiten wollte, niht zu viel auf einmal in Angriff zu nebmen. Garz einverstanden, aber meine Freunde föônnen die verbündeten Regierungen nit frei von Mitschuld erklärez, wenn auf dem Sebiete der Sozialpolitik zu langsam vorwärts gegangen wird. tsfekretär des Neichsjustizamis hat da cin besseres Beispiel e Neibe von PVlaterien, so die Frage des Heimarbeiter- \hußtes, der Frauenarbeit in den Fabriken usw, sind länast spruchreif und tâtten schon zu gesetgeberishen Vorlagen führen können. Wir würden dem Staatssekretär sehr dankbar sein, wenn er geneigt wäre, für tie Weiterführung der - Sozialpolitik in den Hauptpunkten ein Atrbeitsprogramm zu entwerfen und bekannt zu geben. Zu diesen Hauptpunkten rechnen wir auch die Regelung der Berbältnisse der Privatbeamten. Man hat uns3 gesagt, es sei vor allem notwendig, vorroeg tie Zusammenlegung der drei großen Versierungszweige herbei- zuführen. Œs fann aber damit leit noch 10 oder mehr Jahre dauern, bis di:se Zusammenlegung möglih wird. Sollen die Privatb?amten fo lange warten? Damit fann man sie nicht abfertigen. Es muß festgestellt werden, daß der aroße Aufs{chwung, den die deutsche Industrie genommen hat, vorwiegeod auf die Tätigkeit der Privatbeamten zuröckzuführen ift. Gerade tie technischen und fkfaufmännischen Beamten, die sich dieses Berdienft erworben haben, dieser neue Mittelstand, die Kerntruppe des Mirtelstande3, diese lüchticen Kräfte, die nit im Sinne des Hand- weckers over Geshäftsmannes selbständig, sondern von einem Arbeit-

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geber abhängig find, die bet ihrer großen geistigen Inanspruchnahme auch ihre Kräfte viel rasher abnugen als der Arbeiter, müssen endli berücksihtigt werden. Die Gehaltsgrenze von 2000 mat bier nichts aus; cin Privatbeamter würde bei uns am Rhein eine Stelie kaum unter 3—4000 M annehmen, da ja {hon der Arbeiter 1500, der Werkmeister 2400 46 jährlich mindestens verdient. Es ließe f ja dur) Kasseneinrihtungen eine gewisse Abhilfe schaffen, aber das wär nichts Durchgreifendes. Es gibt ja die freiwillige Versicherung ; abe die Wartezeit isl bier äußerst ungünstig bemessen und die Alterögrene bildet ein weiteres Hindernis. Die Beamten machen denn aut) fas gar keinen Gebrau von dieser freiwilligen Versicherung ; in Hessen ist kaum ein derartiger Fall zu konstatieren. Die Industrie bat ja vielfah ire Beamten bei Privatgesellschaften versiWert: aber diese Versicherung ist zunächst viel zu teuer, die Aufnahme der Beamten, wenn fie niht völlig gesund sind, sehr \{wierig, In Oesterreich hat man 1906 mit einer Versicherung für die Privat, beamten begonnen, dort beginnt man mit dea geistigen Arbeitern und will die Handarbeiter naGfolgen lassen. Der Deutsche Reichstag hat fich 1903 mit der Angelegenheit befaßt; von Richthofen ver langte damals bereits für 1904 die Vorlegung eines Gesetzes. Bj der Verhandlung schildee der Abg. Potthoff die Lage dieser Beamten und die Notwendigkeit der Pensions- und Hinterbliebenenversorgung in beredter Weise. Der Graf Posadowsky hat damals die Vorlage einer Denkschrift angekündigt; wir fragen, ob sie fertiggestellt ift und wann fle uns zugehen wi1d. Der Reichstag hat die Ausdehnung &s Ver- fiherung8zwanges in gewissen Grenzen auf die Privatbeaniten befür: wortet Sollte die Regierung heute cinen anderen Standpunkt ein- nehmen, so werden wir dennoch auch weiterhin den berechtigten Wünschen der Privatbeamten gerecht zu werden bemüht sein.

Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ich habe nun schon seit Jahren in der Presse häufg d-n Vorwurf gelesen, man solle niht mit der fozialpolitischen Geseh gebung im Automobiltempo vorgehen. Heute hören wir dagegen yon eirem Verireter der bürgerlihen Parteien, einem Vertreter dex nationalliberalen Partei, daß die verbündeten Regierungen, wie er sagte, binter den fozialpolitishen Forderungen unserer Zeit nachhinken. Jedenfalls mögen Sie aus der Gegenüberstellung dieser beiden {h widerspreWerden Behauptungen sehen, ob es richtig ist, daß die ver- bündeten Regierungen und speziell das Reichsamt des FJnnern Sozialpolitik in unbedaGter Weise, in einem Automobiltempo treibt, So ciwas kann man urteilslosen Zeitungslesern wohl vorreden, aber wahr ist es nit. (Sehr gut! links.) Selbstverständlich bedürfen alle fozialpolitis@en Maßregeln, namentli einer Belastung der Bevölkerungskreise verbunden find, einer ernsten Pcüfung, und zwar nach der wirtshaftliGßen Seile und nad der finanziellen Seite. Aber die Behauptung, daß in unbedawter Haft innerhalb des Reides Sozialpolitik betrieben wird, ist tatsächlidh unbedingt unri@tig. (Sehr wahr! links.) Nunmehr, meine Herren, fomme ih zur Sade. Ich habe am 10. Mai 1904 mi bereit erklärt, diejenigen Erhebungen, die die Organisationen der Privak- angestellten einerseits über ihre wirtshaftlihe Lage, anderfeits über ihr Versicherungsbedürfnis im Wege von Fragekozen angestellt haben, in meinem Ressort bearbeiten zu lassen. Gs sind im ganzen rund 157 000 Fragebogen eingegangen. Davon waren rund 155 000 Fragt- bogen zur Bearbeitung geeignet. Auf Grund bder aufgestellten Tabellen ist im Reichsamt des Jnnern eine Denkschrift be- arbeitet worden, in welcher das Ergebnis der Erkßebungen zur Darstellung gebracht und ausführlite Berechnungen über dle Kosten einer Pension- und einer Hinterbliebenenversicherung der Privatangestellten angestellt werden. Die Denksrilt äußert sich einerseits über die Verwertbarkeit des Materials, [ernt darüber, inwieweit dur diese Fragebogen die Durchschnitts- lage der Privatangestellten klargestellt ist, und behandelt endli das Ergebnis der Erhebungen, und zwar getrennt na Geschlechtern. Die Denkschrift ergeht ih im einzelnen ih glaube, es wird die Ver sammlung intereisieren, son heute diese Einzelheiten ¿zu erfahren über folgende Punkte: über die Verteilung der gezählten Priva! angestellten auf die vershiedenen Beruf8arten und berusliWen Stellungen, ferner über das Alter und den Familienstand, sowie dl Zabl und das Altec der Kinder unter 18 Jahren, über die Verteilung des Diensteinkbommers nach 10 Einkommensstufen in Verbindung mil dem ‘Alter und Beruf der Privatangestellten, über den Umfang det reihszeseglihen Invalidenversiherung und der anderweitigen Ver- siherung in Pensionskafsen und bei Privatversicherungsanstalten in Verbindung mit dem Alter, Beruf und Diensteinkommen, über die Stellenlosigkeit der Privatangestellten in den leßten Un Fahren, wobei in Verbindung mit dem Alter und dem Beruf? die Zahl ter Stellungälosen der Privatangestellien, die Dauer de! Stellungslosigkeit und die Zahl der Fälle von Stellungslosigkeit dar gestellt find. :

Die Denkschrift ergeht sich ferner über die Kosten, die eine Ver- siherung der Privatangestellten für ihre Person und ihre Hinter- bliebenen erfordert, und zwar einerseits, wenn man die Gehalt®2- steigerung in Rechnung zicht, und anderseits, wenn man der Ver- sicherung ein Durchshnittsgehalt zu Grunde legt. E08 ist ferner festgestellt worden, wie hoh die Beiträge in beiden Fällen zu bemessen sind, wenn einerseits die Pension nur bei Eintritt! der

insoweit sie mit"

ewerbsunfähigkeit gewäbrt und andterseits auch {on dann zugebilligt wird, wenn das Alter von 65 bezüglich 60 Jahren vollendet ist, vorausgeseßt, daß alsdann au die für die Reichöbeamten maßgebende Wärtezeit von 10 Jahren zurückzelegt ist. Es sind ferner bei Berechnung der Kosten die Forderungen zu Grunde getegt, die die Privatangestellten selbst gestellt haben, das heißt penfiontert zu werden im Falle der Dienstunfäbigkeit nah den Grundsäßen der Reihs- und Staatsbeamten und auch nach ähnlihen Grundsäßen ihren Witwen und Hinterbliebenen Witwen- und Waisengeld zu sichern.

Jch gehe nun mit einigen Worten auf die finanziellen Schlüsse der Denkschrift ein. Will man den Forderungen der Privatangestellten in vollem Umfang entspreh:n, d. h. will man die Pensions- und Hiaterbliebenenbezüge nah den für die Neichs- und Staatsbeamten maßgebenden Grundsäßen regeln und außerdem noch eine Heilfürforge nah den Bestimmungen des Invalidenversicherungsgesezes einführen qu eine Forderung der Privatbeamten, die sie in den Leitsäßen veröffentliht haben —, so wären hierfür als Jahresbetrag 19 0/0 des jeweils bezogenen Diensteinkommens zu erheben, wenn man die Gehaltssteigerung mit in Rehnung zieht. Läßt man die Sehalts8fteigerung außer Ansaß und bemißt die Bezüge unter Zugrundelegung der Pensionssäße des Neichsbeamtengesetzes "nur nah eincm stets gleichbleibenden Gehaltsbetrag, so sind rund 141 9% des Diensteinkbommens erforderli. Wenn man diesen Sah auf das in der Denkschrift für die befcagten Priyatangestellten t m Durchschnitt ermittelte Jahrescinkommen Fvon ]rund 2100/6 anwendet, so würde im Durchschaitt für jeden Privatbeamten als Sahresbetrag die Summe von 304 „6 50 - zu zahlen fein. Hierfür würden ihm neben der Heilfürsorge nah den Bestimmungen des Fnvalidenvecsiherungsgesees folgende Jahresbezügeizustehen: „Meine Har: n, ih lese das ausdrüdlih hier vor, um auch in den Krei}en der Privatangestellten, ganz abgesehen von dem Inhalt der Denkschrift Klarheit über den Umfang de8TUnkerneßmene? und das wirishafilh Mözlihe und Erreihbare zuLschaffen. L

Ez würde nach 10 Dienstjahren cine Fnvalidenpension von 525 K, eine Wiiwerrente von 210 G und eine Waisenrente von 42 4 für jedes Kind zahlbar fein, nah 20 Dienstjahren eine Invalidenpension von 875 M, eine Witwenrente von 350 (6 und cine Waisen- rente für jedes Kind von 70 Æ, nach 30 Dienstjahren eine Invalidenpension von 1225 X, eine Witwenrente von 490 „46 und eine Waisenrente von 98 #4, und nach 40 Dienstjahren eine Invalidenpension von 1575 4, eine Witwenrente von 630 4 und eine Waisenrente sür jedes Kind von 126

Würde man nur einen Jahresbetrag von rund 150 4 jährli i habe vorhin von einem Jahresbetrag von 3046 gesproben erheben, so würde man die Hälfte dieser Bezüge, also nah}40 Dienst- Lahren etne JInvalidenpension von rund 780 #, Leine Witwenrente von 315 # und eine Waisenrente für jedes Kind von rund 63 gewähren können.

Meine Herren, die Denkschrift wird Ihnen heute noch zu- gehen. (Bravo!) Nah der Denkschrift werden jeßt die Privatangestellten seibst und die verbündeten Regierungen die finanzielle Seite der Frage, die enischeidend ist, ein- gebend zu prüfen haben und sie werden ferner zu prüfen haben, welche Wege man bei der Versicherung der Privatangestellten, deren Notwendigkeit und wirtschaftliße Nüulichkeit ih ohne weiteres nerkenne (Bravo !), die Gesetzgebung zu beschreiten baben wird. Es wird si darum handeln: zieht man eine Erweiterung des Invaliden- gesetzes vor, indem man neue Klassen anfügt, oder gründet man auf gesezliher Grundlage für die Privatangestellten eine besondere Zwangs- versiherung? Ferner: bis zu welhem Höchstbetrag soll man die Privatangestellten für zwangs8versiherung8pflichtig erklären, und ob un bis zu welchem Höchstbetrag sollen die Arbeitgeber verpflichtet sein, zu dieser Zroangsversicherung beizutragen ?

Abgesehen von diesen Fragen, kommt noch eine andere Frage in Betracht, diz au eine hobe wirtshaftlihe Bedeutung hat, nämlich die : wie weit kann man eine solhe Zwangsversicherung ausdehnen, ohne das Gebiet der privaten Versicherungsgeselshaften in einer diesen bödst abträgliden Weise einzuschränken ?

Die verbündeten Regterungen werden es sich angelegen fein lassen, auf Grund der Denkschrift diese \{hwtierigen Fragen eingehend zu prüfen, und ih werde fehr bald die Gelegenheit ergreifen, die Auf- fassungen der verbündeten Regierungen einzuholen, ob sie bereit find, in den von den Privatangestellten gewünschten Nichtungen den Weg der Gesetzgebung zu beshreiten, und auf welchen Grundlagen diese Gesetzgebung aufgebaut roerden soll. Jch glaube, che man endgültig Bes)lüsse in dieser Frage faßt, wird es au für die Mitglteder des hohen Hauses und für die Privatangestellten selbst nüßlich sein, sich in di? y:rwickelten Einzelheiten der Denkschrift zu vertiefen (Sehr rihtig!) und fich hierbei au klarzuwerden, inwieweit sie imstande sein werden, den finanziellen Anforderungen einer solhen Zwangs- versiherung zu genügen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, daß für die Privatangestellten das Bedürfnis borliegt, für ihr Alter im Falle der Arbeitgunfähigkeit und für ihre Hinterbliebenen im Falle thres Todes Vorforge zu treffen, das erkenne ih gerne an (Bravo !) und das, glaube i, werden mit mic auch die berbündeten Regierungen anerkennen. (Bravo!) Es ist etwas unendlih Trauriges, und ih habe es aus eigener Erfahrung kennen gelernt, wenn ein Privatangestellter nah jahrelangen treuen Diensten dienstunfähig wird, er dann keine Stelle mehr findet und s{ließlich und solhe Fälle find nicht selten, meine Herren mit seinen Angehörigen sogar der öffentlihen Wohltätigkeit verfällt. (Sehr richtig !)

__ Besonders traurig habe ich das gefunden und besonders dringend ilt das Bedürfnis auf dem Gebiete der Landwirtschaft. (Sehr wahr!) Gerade die landwirtschaftlice Tätigkeit eines Privatangestellten fiellt an seine geistigen Kräfte, an seine Umsicht bei dem heutigen hohen tehnishen Stande der Landwirtschaft, aber auch an seine körperliche Widerstandsfähigkeit ganz außerordentlicze Forderungen, (Sehr rihtig!)) Es fommt häufiz vor, daß so mancher, der vielleicht ein ganz ausgezeihneter Privatbeamter war, sih im Dienst verbraucht und fränklih wird. Er fann dann ein Unterkommen nicht mehr finden. Der einzelne Arbeitgeber ist auch häufig nah seinen finanziellen Ver- ültnissen gar nit in der Lage, einem folhen Manne einen dauernden Lebensunterhalt für den FallFfseiner Erwerbsunfähtgkeit ¿u gewähren, Dann wandert solch ein Mann versuchsweise von Stelle zu Stelle, s{ließlich kommt er herunter und muß, wte s, vielleiht sogar die döffentlihe Wohltätigkeit in Anspruch men,

Also, meine Herren, üker die wlrtshaftlike Notwendizkcit, fer die sittlihe Berechtigung einer solchen Versicherung kann, glaube ih, kein Zweifel unter den beteiligten Kreisen sein, und ih habe bei den früheren Verhandlungen von keiner Seite des hohen Hauses gehört, daß darüber etn Zweifel besteht. Im Gegenteil, ih glaube, das ganze hohe Haus war in der Auffassung, daß eine solche Vorsorge getroffen werden müsse, einig. (Sehr richtig !)

Zweifelhaft kann man nur über die Wege sein und über die Frage, wie die notwendigen finanzicllen Mittel aufzubringen sind, und diese Frage kann erst Gegenstand der Erwägungen sowohl der verbündeten Regierungen wie des hoben Hauses und der Beteiligten selbst sein, wenn Sie von der Ihnen noch heute zugehenden Denk- {rift Kenntnis genommen haben. (Lebhafter Beifall.)

__ Auf Antrag des Abg. Bassermann (nl.) tritt das Haus in die Besprehung der gZnterpellatioii ein.

Nbg. Sitftart (Zenir.): Die Mitseilung des Slaaté|ekrelais über die für heute in Ausficht gestellte Denkschrift ist sehr ersreulih Daß sie uns in diesen Tagen zugehen würde, war voraußzuseben, denn im No- vember bereits hatte ich an den Ministerialdi: ektor Dr. Caëper nicht öffentlich, sondern privatim die Frage gerichtet, wann wtr die Denk- schrift erhalten würden, und er batte geantwortet, noch vor Weih- nachten oder kurz nachher. Es trat dann das bekannte Hindernis ein, daß wir aber die Denksrift in der nächsten Zeit bekommen mußten, war klar. Ih könnte nun die Interpellation \o bezeichnen, wie es bor etnigen Tagen von nationalliberaler Seite mit unserer Juter- pellation geschehen if, wo man sagte, wir rennten offene Türcn ein Ich könnte diese Interpellation einen Schlag ins Wasser nennen, tue es aber nicht, im Gegenteil, ih begrüße sie, weil sie au8aebt von der nationalliberalen Partet, weil sie begründet worden ist von einem hervorragenden Industriellen, ih begrüße die Persönlichkeit des Bes gründers, weil ih hofe, daß weite Kreise von Unternehmern, der Bund der Industriellen, die H

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Handelskammern, die sch nicht immer ganz privatbeamtenfreundlich gezeigt babzn, aus dem Vorgeken des Abz. v. Heyl und der nationalliberalen Partei für die Zukunft etwas lernen werden. Jh bätte ja gerne vorher von der Denkschrift Kenntnis genommen, die Interpellation ift aber do zeitgemäß, weil fie im Lande beruhigend wirken wird. r Begründer der Interpellation hat aber die Geschichte der Privatbeamtenbewegung nicht ganz korrekt dar- gestellt, er erklärte, daß im Jahre 1903 die erste Beamtenbewecgung geboren worden sei. Das ift nit rihtia, wie das Akfteumaterial der leßten 10 Jahre beweist. In diesem Hause wurde die Bewegung der Privatbeamten am 31. Januar 1902 angeschnitten, und zwar von mir; ebenso geschah dies von mir im Februar 1903; beide Male ers{oll auf meine Ausführungen kein Widerkall. Aber im Dezember 1903, nach der Neuwabl, erschienen drei Anträge für die Privatbeamten auf einmal im Reichstage. In der Klage über das lange Ausbleiben der Denkschrift stimme ih mit dem Inter- pellanten völlig überein. Der betreffenden Kreise hat sich bereits eine gewisse Ungeduld bemächtigt; und mit echt, denn mehr als drei Jahre find verflossen, seit die Ergebnisse der privaten Enquete in Bearbeitung durch das St enommen worden sind. Von einer Absicht der Verziögeru ¡ckleppung fann aller-

dings nicht die Rede scin. Die

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4 FP 1 7 A A rivatbeamienver}icerung

hat cinmal eine große finanzielle Tragweite und dann ist sie prinziviell präjudizierliÞd für die Hineinziehung höherer Gesellschafts- hiáten in die soziale Fürsorge. Wer die Fundamente zu einem folhen Bau legen, die jtatistishen Berehnungen dazu machen foll,

die Herren aus dem NRei&saml des Innern für sich in An- spruh nebmen. Früher erklärte der Staatssekretär, derjenige Teil der Privatbeamten, der unter 2000 M bezieht, könne fi schon jetzt versichern; dagegen meint der Aba. von Heyl, ein jolher Privat- beamter becilehe mindestens 3- bis 4000 A Jch bin meinerseils überzeugt, daß kaum 10 9%/% der Privatbeamten so viel bekommen. Ih kenn nahweisen, daß es sogar Diplomingenieure gibt, die mit 150 bis 200 Æ monatlich auskommen müssen. Heute ging der Staatss\ekretär erfreulicherweise viel weiter; er hat das Bedürfnis der Versicherung und Versorgung anerkannt und eine große Vorarbeit geleistet. Dieses Entgegenkommen follte den Privatbeamten

der muß äußerst vorsihtia vorgeben, und dieses Zeugnis können auch

zeigen, daß sie im Unrecht sind, wenn sie meinen, es werde ihren Be- \trebungen und ihren berehtigten Wünschen von der Regierung niht das gehörige Interesse entgegengebraht. Dem Grafen Pofadowsky wie feinen Helfern, dem Direktor Camper, dem Geh. Rat Beckmann und dem neuen Präsidenten des Reichs- persiherungëamts Kaufmann müssen wir unseren ausdrück-

lien Dank votieren. Immer wieder ist es nötig, auf die nackte Wirklichke:t hinzuwei\ien. Der hocherfreulicze Aufs{wung der deutshen Inreustrie, so gewiß er zunähsi fi an ein- zelne führende Geister anknüvft, ist doch in Haupt fahe tenen zu danken, die die Gedanken dieser führenden Geister in die Tat umgeseßt haben. Dieser ihrer Bedeutung ent\priht aber nitt ihre Stellung im wirtschaftlichen Leben; Unsicherheit bezüglich der Anstellung, der Dauer ihrer Tätigkeit, bezüglih der Besoldung bezüuglih ihrer rechtlichen Stellung und eine grausame Unsicherbeit bezü.lih ihrer eigenen und der Zukunft ihrer Familie it das charafktecistishe Merkzeichen ihrer Lage.

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Da tut eine grofßzügiae Sozialpolitik not. „Ein jeder ist seines Glückes Schmicd“ das trifft bei den Privatbeamten nur in sehr beschränkicm Mage u: Wid Von DEL wirtschaftlichen Konjunktur wie ein Spielball hin und her geworfen, er wird auf den Strand geworfen und geht zu Grunde, wenn er nicht

mildtätige Hand findet; dec Arbeitslose wid bald au brotlos. Und wenn er alt gzworden ist und die bange Frage des Schisals feiacc Angehörigen an ihn herantritt, dann |\{windet ibm oft au®

die leßte Energie. Wir wollen gewiß den einzelnen niht zu ficher stellen, um ihm nit die Energie zu rauben; wir wollen ihm ja au nur cin Existenzminimum schaffen. Darüber hinaus foll der einze \{haffen und er wiro schaffen, um sih und seine Familie ¿u erhaiten und ihre Zukunft möglichst befriedigend zu gestalten. Das im Dezember 1906 erschienene öfterreichishe Geseß wurzelt in i beinahe 20 jährigen Vorgeshichte. Seit 1888 ergoß sich ein Strom von Petitionen auf das österreichische Abgeordnetenhaus. 1896 wurde eine amtlihe Enquete be|chlossen, deren Grgebnis 1598 vorlag. 1901 erfolgte die Einbringung des ersten (Entwurfs; dreimal wurde er umgearbeitet; nah 54 Jahren kam er endlih zu stande, 19 Jahre nah dem Petitiontesturm. Das möge deu Privatbeamten in Veutschland zeig-n, wie unrecht der Borwur| gegen Reichstag und Negierung ist, als würde bei uns die Sache nicht mit dem nôtigen Eifer betrieben. Lassen Sie uns in dieser Friedentarbeit einträwtig wie früher alle zusammengibeiten. Uebrigens möchte ih hier erklären, daß uns von Maßnahmen behufs gemeinsamer Arbeit aller Fraktionen auf diesem Gebiete, wte es in einer Korrespondenz erwähnt worden ist, nichts bek nnt geworden ist. Sind solhe Anregungen gegeben worden, so möchten e doch verfrüht gewesen sein; die Aufregung des legten Wahlkampfes, in dem man gegen uns als Autinationale, als Neich:feinde vorgegangen ist, is nicht geshwundcn, wird aber hoffent!ih bald. schwinden. Wo der Wille so entschieden hervorgetreten ist wie hier, wird sih au der Weg finden. Im übrigen verweise ih auf unsere Anträge, die ch in GeIBeR Rd bewegen. Ergänzende Mitteilungen behalte mir eventuell vor. Ÿ Abg. Pa uli-Potsdam (dkonf.): In dieser Frage seinen alle Parteien eintg zu fein. Wenn aber der Vorredner „für fih in An- \pruch genommen hat, daß er der erste gewesen el, der die Frage angeregt hat, so befindet er fi im Irrtum. Schon zwet Jahre früher war es der Freiherr von Richthofen, der zuerst die Frage angeschnitten hat. Fch nehme alfo für meine Partei die Priorität in Anspruch. Es bandelt ch hier um eine große Zahl von Privatbeamten, ungefähr zwei Mil- lionen, die keinen Anspruch darauf haben, irgendwie für den Fall der Fnvalidität und hohen Alters versorgt zu werden. Sie haben seit langem petitioniert und cine Besserstellung gewünscht. Die Privat- beamten sind nicht im Die:ste des Mittelstandes, man findet

fie bei den großen Betrieben, den großen Etablissements und bei Rechtsanwälten. Die Arbeitgeber sind wohl in der Lage, vermöge der Größe thres Geschäftes und threr finanztellen Leistungs-

fähigkeit die Lasten „einer solhen Versicherung auf sih zu nehmen. Es gibt auch im Staatsbetriebe Privatbeamte, z B. in dem Institute in Spandau, die ohne weiteres, wenn wir ein solches Gesey bekämen, einen Anspru auf eine Versorgunz baben würden. Vielleiht würde das Reich oder der Staat es vorziehen, diese Beamten lieber anzustellen, al? diesen Umweg zu nehmen. Wenn nun der Be- gründer der Interpellation behauptet hat, daß die Privatbeomten immerhin ein großes Einkommen hätten, von 3000 M usw., so weiß ich aus Erfahrung, daß die Gebälter der Privatbeamten erheblich niedriger sind als in den Staatsbetrieben, ausgenomm-n vie íIngenteure, die allerdings in den Privatbetrieben keine Persionen erhalten. Der Privatindustrielle wird bestrebt sein, möglichst jun„e Leute anzustellen, und der junge Mann verlargt eben ein Gehalt in derselben Höhe wie der Arbeiter. Eine Steigeru1g ist nur in geringem Maße zu verzeichnen. Daher sind die Priva?- beamten fast gar nicht in der Lage, für Krankheit und Inralidität etwas zurückzulegen. Sie finden deshalb auch in mittlerem Alter schr E eine andere ähnlihe Stelle; tim Alter finden sie überhaupt keine Stelle. Die Privatbeamten find also viel \{lchchter daran als die Handwerker. Wenn nun eine Denkschrift in Aufsicht gestellt ist, so ist das dankbar zu begrüßen. Der Staatssekretär hat darauf hin- gewiesen, wie hoch die Prozente sein werden, wie ho die Entschädigungen, die Pensionen sein werden Man wird einen Schreck bekommen; denn es sind ganz horrende Beiträge zu leisten. Anderseits wird zu bedenken sein, daß ein großer Teil der Beiträge den Unternehmern zufallen muß Ferner wird auch cin Neichszushuß eintreten müssen. Kein Privat- beamter wird solhe Beiträge, wie fie der Staatssekretär genannt kat, in jedem Jahre leisten können. Dazu ist fein Verdienst zu gerin. Hoffentlih wird man niht so lange warten wie in Oesterreih, wo man 20 Jahre braucht, bis man zu einer Vorlage kommt. Die Ne- gierung wird, wenn auch nicht ein Automobiltempo, doch ein ch1 elltres Tempo etnshlagen können. Die Landwirtschaftékammern baben sich ihrer Beamten auf freiwilligen Wegen“ bereit ancenommen. Zum Teil i in den landwirtschafilihen Betrieben {hon eine Besse. rung für die Privatbeamten eingetreten. Dr. Potthoff ührt i einem Buche an, was die Privatbeamten alles beauspruchen. Darin ist sehr wichtiges Material für ein Geseß gegeben, und wenn auch nicht alle diese Wünsche erfüllt werden, so nehme ich do an, daß man thnen im allgemeinen Nehnung tragen wird. Unsere deutschen Mitbürger haben einen Anspruch darauf, daß man sie sichert gegen Krankheit, Unfall und Invalidität. Hoffen wir, daß hal die ver bündeten Negtierungen es sih angelegen sein lassen, uns einen Geset- entwuif vorzulegen. Die bestehende Einhelligkeit in diesem Hause läßt hoffen, daß es sehr shnell erledigt werden wird. Wir würden das mit Freuden begrüßen.

Abg. Or. Potthoff (fis. Vag.): Auch ih danke dem Staats- sekretär, um fo mehr, als seine Aueführungen mich freudig überrascht haben. Er hat das große Vertrauen gerechtfertigt, das die Privat- beamten ibm persönlich entgegenbringen. Ih möchte tbm sagen, daß, wenn es in den lezten Wochen von gewissen Seiten wieder , Post“ versucht worden ist, ibn aus feiner maßgebenden Stellung zu verdrängen, die Privat- beamten ihm nach wie vor ihr volles Vertrauen entgegenb:ingen. In der lezten Wahlbewegung haben bei weitem die meisten Kan- didaten bezügli der Versicherung der Privatanaestellien jehr ent- gegen?ommende Erklärungen abgegeben; unsere Feeunde gleichfalls. Anträge haben wir jeßt nit eingebracht, die S2che ist ja in guten Händen und die Denkschrift 1äßt der Staatssekretär uns noch heute zugehen. In den Wettbewerb über die Priorität will i mich nicht einmischen. Die vorher erwähnte Anregung zu gemeinsamem Vor- gehen in dieser Sache ist von mir ausgegangen; das Zentrum hat auch davon erfahren, wie mir der Abg Trimborn bestätigen wird; das Zentrum oder ein Teil desselben hat aber ein gemeinsames Borgehen abgelehnt. Wenn der Abg. Sittart sich auf böse Dinge aus dem Wahlkampf berief, so trifft mih das nicht; in meinem Wablkreise gibt es keinen Zentrumswähler. Von anderer Seite im Wakhlkampf bin ich allerdings in unglaubliher Weise mit Shmutz beworfen worben; tcoßdem habe ih mich auh an den Abg. Schack wegen eines jolhen gemeinsamen Vorgehens gewandt, Paiteis

weil mir - diese Sache viel höher steht als der leidige treit. Bedauern muß ih freilich doh, daß der Graf Posadowsky uns die Denkschrift niht einige Tage früher zugehen ließ, denn

se war doch seit Monaten fertig, wevigstens ta Maguskript. NUnäbli reift ja ein etwas größeres sfsoziales Verständnis laß; sind doch don Urteile ergangen, Anstellungsvertrag mit 40 A Monatsgehalt für etnen für unsütlih erkiärten; diese Fesistelungen zeigen,

och unser Ret und dessen Anwendung ist.

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9 Y\ ern 3

Sa{wucher, sondern auch der Perfonenwucher muß

afe gestellt werden. Die Banken arbeiten jeßt an cinem

gre ensiontstatut für alle ihre Angestellten. Diese Erscheinung und äbuliche beweisen, daß gründlih nur durch staatliche Bei sicherung bol werden kann. Die Ergebnisse der neuen Beruf und B ¿äblung abzuwarten, möchte sih niht empfehlen; es würd damit bloß Zeit verloren und das allermeiste statiitishe Material, wir bier brauchen, liegt ja {on vor. Die Vorarbeiten für

das künstige Gesetz könnten also schon jeßt in Angriff genommen

werden. Die Wünsche der Angestelten sind ja nicht gc nz eirbeitli®. Erstrebt wird in erster Linie eine eigene Pr-ysions- versiherurg nach dem Muster der Staatsbeamten und nah dem öft

reichischen Muster, Invalidenpension, Altetrsrente, Hinterblicbeen=- versoraung. Nach den Berechnungen des Staats]|ekretars wären 19 pCt. des Gehalts der Angestellten für ihre Zwangsversicherung notwendig. Das ift natürlich zu hoh, auch wenn die Arbeitgeber die Hälfte tragen. Ich nehme an, daß der Staatssekretär dabei den Neich8zushuß, wie er bet der Arbeiterversiczerung üblich ist, niht mit tellt. Was dafür istet weiden soll, entspriht demjenigen, was die Staatsdeauten erhalten, aber nihi dem Notwendigen. ¿ Oesterreich werden von vershtievenen Kasseu nur 7 pCt. verlangt d dafür erbeblih böbere Begenleistungen geboten. Auch die Pensions-

fasse für die Angesteliten des Bundes der Landwirte gewährt bei 9 pCt

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bhôdere Leistungen. Das österreichishe Gese is ja auch kein Ideal, denn es beruht ebenfalls auf Kom}: romi}sjen, aber es entbält dod) vor allem den allgemeinen Bersicherungözwang "nd die Beteiligung der Arbeit -

geber. Jn letzterem Punkte geht das österreihish- Gefeß viel weiter als das deutsche je wird gehen können; bei Cinfommen bis zu 2400 K trägt der Arbeitgeber F, bei Einkommen von 2400—7200 K die Hälfte der Prämie. Das dritte wichtige Moment des österreichischen Gesetzes ist die absolute Freizügigkeit, die absolute Unabhängigkeit vom Stellenwechsel. Hat man im Reichsamt des Innern sich noch nicht an cine kritishe Prüfung dieses Geseßes gemacht, hot man nic die Möglichkeit einer Uebertragung der Grundzüge desfelben au Deutschland erörtert, hat man niht {on erwogen, wieviel günstiger die Versicherung in Deutschland mit dem MNReichszuschuf wie er ja den Arbeirern geseßlih fichergestellt ist, arbeiten kôr Und fônnen wir niht {on jeßt über die Ergebnisse dieser Prüfung eine wenn auch unverbindlihe Auskunft erhalten? Will man ni®t auf den Boden des österreichiswen Gesetzes treten, fo bleibt nihts übrig als der Ausbau des Jnvalidenversicherungsge!eßes. Es würden dem bisherigen Bau neue Lohnklassen aufgepflanzt und der Zwang bis auf Einkommen von 4000 oder 5000 ausgedehnt werden müssen. Dieses System würde aber die Fehler, die es hat, in ihrer Wirkung außerordentlich \teigern; das Kiedbesystem wäre noch mißlier, die Altersgrenze von 70 Jahren für die geistigen Arbeiter viel zu hoch und der Begriff der Sivalidität müßte wvölllg abweichend definiert werden. Gewiß werden die Angestellten lieber einen solchen Ausbau nehmen als gar nihts. Mit der großen Reform der Zusammenlegung der Ver- siherungLgeseße und der Witwen- und Waisenversicherung der Arbeiter muß die Versicherung der Privatangestellten Hand în Hand gehen. Mögen der Staatssekretär und das Haus diese Frage inbaltlih

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und zeitlich möglihst fördern; denn die Sache ist für die An}

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