1907 / 67 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

elbst wie unser ganzes wirtshaftliches Leben von Be- ra eir dur le Sicherstellung die Berufsfreudigkeit der Angestellten gehoben werden kann und muß. Es gibt mittelbar noch sehr viele Angestellte, die die Selbständigmachung als ein Ziel betrachten, das Bestreben aber, sich mit unzureihenden Mitteln eitständig zu mahen, wird aufhôren, wenn die Angestellten für Alter und Invalidität sichergestelt werden. Gs ist dies wesentli eine Frage der Mittelstandsbewegung. Die Gruppen, um die cs sch hier handelt, sind bisher in der sozialen Geseßgebung zu furz gekommen. Es haben si jeßt alle Berufe zusammengefunden und si vertrauensvoll an den Reichstag und die Regierung gewandt. Sorgen Sie dafür, daß die Antwort, die gese geberische Arbeit einen günstigen Eindruck auf diese Kreise machen wird, damit iz sih als gleihberechtigte Teile der sozialen Fürsorge fühlen. Abg. Heine (Soz.): Es ist ja heute eine allgemeine Begeisterun für die Privatbeamten vorhanden. Das Automobil ist aber erst geheizt, aber nicht angefpannt. Es war interessant zu hören, welches die Leute sind, die dem Staatssekretär gegen sein Automobiltempo Opposition machen; es war der Abz. von Oeryzen. Nicht nur in der Industrie, auch in der Landwirtschaft sind es die Privat- beamten, welhe die Geschäfte führen, während die Unternehmer sich hier in der Stadt amüsieren. Ich kenne die Sache aus Er- fahrung; alte Inspektoren bewerben sich um eine Bureaustelle, weil si: in der Landwirtschaft keine Beschäftigung finden. Man spricht von dem neuen Mittelstand. Dieser ist aber in feinen Lebens8verhälts nissen unsicherer, prekärer als die Arbeiter. Eine Differenzierung zwischen diesen Angestellten und Arbeitern ist überhaupt {wer zu machen. Auch ein guter Fabrikarbeiter hat ein gutes Stück geistiger Arbeit zu leisten. Dasselbe gilt von den Angestellten der Anwälte. Man tut am besten, in dieser Frage nicht die Verbindung zu Iôsen, die zwischen diesen Angestellten und den beflebenden Bersicherung8gesezen besteht. Die wucherishe Ausbeutung der Arbeitskraft zu bestrafen, haben wir {hon 1893 beantragt. Zum Dank dafür stellt man uns jeßt in Flugblättern als Feinde des Mittel- tandes hin. Die Konkurrenzklausel wird gegen die Privatangestellten N der rücksihtslosesten Weise angewendet, mit Konventionalstrafen is 5000 # Solche Konkurrenzklauseln find gerade in der Firma v. Heyl etwas Alltägliches. Wir haben übrigens cinen besonderen Antrag gestellt, der u. a. wünscht, daß die Wünsche dieser Privatangestellten ers durch Erhebungen des Beirats für ulrbeiterstatiftik aufgeklärt werden. An die Angestellten der Rechtsanwälte hat man eine Anfrage gestellt, aber nicht an die Angestellten selbst, sondern an die Anwaltskammern. Das ist eine Ungeschicklichkeit, denn eine ganze Anzahl von Kammern war der Meinung, daß in ihrem Bezirk alles in Ordnung sei, während die Angestellten ganz anderer Meinung waren. Eine ganze Anzahl von Angestellten ist nit gefragt worden; ih kenne allerdings die Denkschrift niczt, aber eine Basis würde die Denkschrift niht bieten. Hoffnungs8voll stimmt mi die Erklärung des Staats- sefretärs nit. 192% Beiträge! Ein sehr ‘erhebliher Reichs- zushuß und Beiträge der Arbeitgeber müßten binzutreten. Es darf bd nur um eine Reichsversiherungsanstalt handeln. Man darf die [ngestellten nicht hinweisen auf PrivatversiÄerungen, denen man die Vorteile der ZwangsversiHerung zushanzt. Selbst die Berufsvereine sollten darauf verzihten, Träger dieser Ver- sicherung zu sein. Auf die Prioritätsfrage will ih nit eingehen und nur darauf hinweisen, daß wir 1899 beim Jr validenversiherung8geseß beantragt hatten, die Angestellten mit einem Gehalt bis zu 3000 M unter di:ses Gesey zu stellen, zu einer Zeit, wo der Abg. Nichter und das Zentrum einen allmählihen Abbau des Invalidengesezes befürworteten. Wir werden an diejer ge]eß- geberish:n Aufgabe ohne Empfindlichkeit darüber mitarbeiten, daß man uns zu Vorbesprechungen über diese Frage nicht herangezogen hat ; wir bätten so gern an einer folchzn Vorbesprehung teilgenommen. Wir werden uns an den Arbeiten beteiligen, mögen sie sfi bewegen, in w-lher Nichtung fie wollen, und ih hoffe, daß auf diesem Gebiet etwas Gutes geshaffen wird, niht nur für diesen neuen Mittelstand, sondern zugleih auch im Interesse der Arbeiter, insofern dicse Arbeit ein Anreiz sein wird, die Versicherung der eigentlichen Arbeiter zu ver- bessern. : i S i Abg. Linz (Hosp. d. Rp.): Ih habe namens der Reichspartei die Erklärung abzugeben, daß auch wir die Regelung der in der Fnier- pellation berührten Frage für eine der wichtigsten sozialen Aufgaben der Gegenwart halten, denn es gibt wohl kaum einen Stand, der în- folge seiner ganzen äußeren Stellung zu repräsentieren hat, bei dem aber do zugleich unter einem glänzenden Außengewande sich eine solche Fülle von Elend und Not verbirgt, als gerade den Stand der Privatangestellten. Das ist {hon vorher ausgeführt vom Abg. Dr. Potthoff, das ift ergreifend geschildert vom Abg. Sittart und das ist, wie bei dem sozialen Verständnis des Staats- sekretärs nicht verwunderlich war. auch von diesem anerfannt. Es gibt aber auch kaum einen Stand, der bisher von der Ge- sezgebung so als Stiefkind behandeïit worden wäre, als den Privat- beamtenstand. Namentlih die Handlungsgebilfen sind ein wichtiges Bindeglied zwishen den Arbeitern und Arbeitgebern ; desvalb ist es durchaus erforderli, daß er in seiner Existenz gestüßt wird ; deswegen sollten sh die bürgerlichen Parteien dieses Standes besonders an- nebmen, daß er nicht in seiner E:twicklung in falsche Bahnen bincingedrängt wird. Die Privatangestellten seinen denn doch wobl der Sozialdemokratie niht recht zu trauen. Das zeigt sih vor allem darin, daß dieser Stand seine bürgerlißen und nationalen Pflichten aufs treueste erfüllt hat und sich gerade bei den leßten MWablen als eine der zuverlässigîten Stüßen der bürgerlichen Gesellschaft bewährt hat. Für die bürgerlihen Parteien sollte dies eine besondere Veranlassung sein, ihn zu unterstügen. Nah den heutigen Erklärungen des Staatssekretärs will es jedoh seinen, als ob man für die Privatbeamten über die ersten Anfänge der Ueberlegung noch nicht hinaus gekommen wäre. Daß wir darin rückständig sind, wird tadurh bewiesen, daß Oester- reib, in jozi

das doch sonst in sozialer Hinsicht weit hinter Deutschland zurücksteht, wenn auch hier und da gewiß noch Wünsche _offen ge- blieben sind, bis zu einem gewissen Grade wenigstens dieje Frage zur Zufriedenheit der beteiligten Kreise erledigt hat. Die Privatbeamten find schon lange vertrôstet und bingehalten worden, daß man es verstehen kann, wenn sie {ließlich unrubig und ungeduldig werden. Wenn wir au nicht annehmen, taß die Regierung eine Vershleppung be- absichtigt, so kann sie doch in diesen Verdacht geraten, wenn sie nicht bald eine Vorlage bringt. Hoffentlih werden die heutigen Verhand- lungen dazu dienen, sie zu einer Beschleunigung zu veranlaffen. Abg. von Saß-Jaworski (Pole): Auch meine Fraktion bringt diefem Gegenstand das wärmste Interesse entgegen und will gern zu einer Erfüllung der Wünsche der Privatbeamten beitragen, die nur eine Erfüllung ter Pflicht darftellr. Wir verkennen ganz und gar nicht die ungünstige Lage des Privatbeamtenftandes und tas um so wenigcr, als die Tendenz besteht, die Gehälter der Beamten durbweg ¿zu erbôhen. Hier dürfen auch die finanziellen Schwierigkeiten kein Hemmnis bilden. Wenn erst der Wille vorhanden ist, so findet si auch der Weg. Allerdings müßte, wenn man an eîne Ausgestaltung der jezigen Invalidenversicherung denkt, eine wesentlih- Vereinfahung in deren ganzem Betriebe Play greifen, und s{ließlich würden wir auch cine gerechte Verteilung der Lasten wünschen. Es ift gewifser- maßen Ebrensache für die Unternehmer, das Ihrige zur Erfüllung einer ic:‘alen Pflicht an ihren Angestellten beizutragen. Wir hoffen, daß die Vorlage in einer Form eingebracht werden wird, daß alle Kreise damit zufriedengestellt werden. E i Meg me rigen (wirth. Vgg ): Die Organisationen der Privat- angestellten find Musterorganisationen, ibr Hauptausschuß hat das Material für die Denkschrift im wesentlichen geliefert. Die ftatisti- hen Zahlen, die ih avs den 154 009 Fragebogen ergeben, weisen n, daß auf jeden der Verheirateten 2 Kinder kommen, alfo ein Zwo-ikindecsystem; ih persönli möchte der Hoffnung Auétdruck geben, daß, wenn wir erst eine Versicherung für diese Privatbeamten geihaffen haben, Be darauf hinwirken mögen, die Kinderzahl zu e hôhen. Das Verlangen nah Veisicherung dieser Gesellschasts- \chicht ift nicht jufällig aufgetreten. Das ist aus der

Notwendigkeit beraus geboren. Die Gesetzgebung hat in erster Linie die Pflicht, die selbständigen SHichten des Mittelstandes zu stüßen und zu {chüßen; aber wir verschließen auch nicht die Augen gegen die moderne Entwicklung unseres fozialen Lebens und sehen daber auch die Notwendigkeit ein, den unselbftändigen Mittel- stand zu stüßen. Auf Einzelheiten einzugehen, wird Zeit sein, wenn die Denkschrift vorliegt. Ein Neichszushuß ist notwendig. Oesterreich ist uns ja auf diesem geseßgeberishen Gebiete mit gutem Beispiele vorangegangen, auf anderen sehr wihtigen Gebieten haben wir aber vor Oesterreih den Vorrang, so namentlih auf dem Gebiete der Kranken- und Unfallverficherung; und unsere Invaliditätsversiherung hat uns überbaupt noch kein größeres Land derGrde nahgemacht. Das österreichische Gesetz in allen seinen Bestimmungen auf deutsche Verhältnisse anzu- wenden, geht niht an, weil die Verhältnisse zu verschieden liegen. So lange wie in Oesterreich wird es übrigens bei uns nicht dauern ; wir arbeiten auf allen diesen Gebieten s{chneller als andere Länder, find wir doch auch mit der Krankenversiherung in zwei Jahren fertig geworden! Mögen beide Teile, Arbeitgeber und Angestellte, bei der bevorstehenden Arbeit getragen sein von den Wünschen gegenseitiger Verständigung! Ih schließe mit dem Wunsche, daß die beteiligten Kreise am Ausbau der Organisation eifrig weiter arbeiten mögen. Abg. Bruhn be Rfp.): Ueber die Notwendigkeit einer solchen Geseßgebuna, wie sie in der Interpellation betont wird, herrs{cht kein Zweifel. Den Mittelstandtschichten wird ihre Exiftenz mehr und mehr bedroht, die Selbständigkeit zu erringen, wird den einzelnen immer schwerer ; niht mehr bloß der „junge Mann“ A heute der Angestellte, sondern auch der alte Mann bleibt der Angestellte, weil er nit selbständig werden konnte, weil das Großkapital ihn daran ebindert hat. Nicht aus spckulativer Politik, fondern um den Mittelstand in seiner Existenz ¿zu \chüßgen, treten die Freunde des Mittelstandes für ihn ein. Die Privatangestellten in den verschiedenen Berufen dienen, wean auch nur indirekt, dem Staate, und sind - insofern auch seine Angeitellten; also ist es nur billig, daß der Staat auch ihnen eine Versicherung zu teil werden läßt. Diese Fürsorgéë muß ihnen wie den Arbeitern zuteil werden. Bei einem Einkommen von 2000 oder 2500 A fann tert Privatangeftellte nichts ersparen oder z¡urücklegen. Viele G-\chäfte errihten ja für ihre Angestellten Pensionskafsen oder anderweite Versicherungen ; andere ziehen es vor, ihre Beamten noch zeitig abzuschieben ; die große Mehrzahl der Unternehmer aber ist do geradezu außer ftande, folhe Pensionseinrihtungen für ihre Leute zu \chaffen, weil sie gar niht über die Mittel verfügen. Der Abg. Heine sien etwas verstimmt darüber, daß hier etwas Sozialpolitishes ge- schehen sollte. (Widerspruch des Abg. Heine.) Es scheint ihm nicht zu gefallen, daß hier die bürgerlihen Parteien die Jnitiative zu einem folhen Stritt ergreifen. Die Sozialdemokraten wollen eben auch diesen Schichten das proletarishe Empfinden beibringen, darum wollen sie auch die neue Versicherung an die bestehende, für die Arbeiter ge- \chaffene, anknüpfen. Wir wollen tas nicht, glauben im Gegenteil, daß eine solhe Verquickung bloß der Sache schaden würde. Die Sozialpolitik muß fortgeführt werden, aber zu ihr gehört auch eine Träftige, wirksame Mittelstandspolitik. : i: : Abg. Dr. Stresemann (nl.): Der Abg. Sittart meinte, die Sale würde die rehte Förderung erst erfahren, wenn der fraftionelle Weitbewc rb ausgeschaltet würde. Das ist gewiß richtig; aber die Be- merkung, als ob unser Antrag von 1903 ledigli auf die Wirkung nah außen bin berechnet war, muß ih entschieden zurückweisen. Wer unsere sozialpolitishe Stellung, namentlich die Tätigkeit des Abz. Basset- mann, kennt, wird mit uns in dieser Zurückweisung einig sein. Der Aba. Sittart hat die Genugtaung hervorgehoben, daß die Be- gründung der Interpellation in der Hand eines Großindustriellen gelegen habe, und gewünscht, daß der Bund der Industriellen und die Handelskammern diesem Beispiel folgen können. Ich kann mit Genugtuung konstatieren, daß der Bund der Industriellen und ibm angeihlossene sä4sishe Industrielle fich durchaus für die staatliche Pensionsverfiherung au8gesprohen haben und daß gerade die \ähsishen Industriellen eine ftaatlihe Versiherunzg mit Befriedigung begrüßt und auf eine Prioatversicherung verzichtet haben. Alle Fraktionen des Hauses stimmen darin überein, daß die Privat- angestellten in der Regelung dieser Fragen ein Lebensinteresse sehen. Wir müssen uns aber als Vertreter des ganzen Volkes fragen, ob die Unternebmerschaft, die zu den Kosten beizutragen hat, die Lasten, die ihr hier zugedat werden, übernehmen fann, und ob diese Lasten dur die idealen Vocteile, die das Gesetz bietet, aufgewoaen werden. Wir können beide Fragen bejahen. Mit Recht hat der Prof. Shmoller von einem neuen Mittelstande gesprohen. Wir steben vor einer Evolutioa größten Maßstabes. Die Gatwicklung zu dem Industriestaat mag ihre guten Seiten haben; ihre Satten]eite liegt aber darin, daß die Zabl der selbständigen Existenzen immer mehr zurückgeht. Wir sehen jeßt einen neuen Stand, dessen Existenz- bedingungen ähnlich sind wie die des Arbeiterstandes. Der Staat ist nit nur dazu da, für Leben und Eigentum seiner Bürger zu sorgen, sondern auch für die Schwachen einzutreten. Dies ist der Ge- danke der sozialen Gesezgebunag. Mit den Privatangestellten steht es so, wie seinerzeit mit den Arbeitern. Auch ihnen if es s{hwer, selbständig zu werden. Die übrigen Sichten des Mittelstandes dürfen nit zerrieben werden zwischen Kapital und Proletariat. Die Lebe zum Vaterlande und zur Bodenständigkeit muß gestärkt werden. Die deutshe Industrie, die zum Teile Schöpferin des neuen Mittelstandes ist, unser deutsher Handel haben ein Lebensintetesse, in dieser Frage zuzustimmen. Industrie und Handel müssen den Export mit jedem Jahre neu erringen. Wir sind geo- grapbisch auch nicht so günstig gelegen, daß wir hoffen dürfen, daß die Lage immer günstig sein wird. Nur die tiefe technische Durchbildung der JIyodustrie hat uns einea Vorrang erworben, und dazu gebörten tüchtig vorgebildete Privatbeamte. Darum hat die deutshe Industrie ein Lebensinteresse, mit ihren Angestellten Hand in Hand zu gehen. Der größte Teil der deutsWen Industrie ist fh dieser Ebrenpfliht sehr wohl bewußt. Ein Teil bält ja an der manchesterlihen Anshauung fest und meint, daß den Angestellten die Kraftanspannung genommen werde. Wir wollen auch den berechtigten Wettbewerb in den Privatangestellten erhalten, aber fie in die Lage versezen, ohne Sorge in die Zukunft zu sehen. j Abg. Hormann (fr. Volksp.): Die bisherigen theoretischen Erörterungen werden hoffentlich nicht ohne Nugen sein. Ih mödte darauf hinweisen, daß es der Abg. Lenzmann war, der seinerzeit für die Privatbeamten mit aller Wärme eingetreten ist. Von einem Automobiltempo habe ich in der sozialen Gesetzgebung bisher nichts bemerken können. Die Zahl der in Handel und Gewerbe Beschästigten ist immer größer geworden. Man kann mit 14 Millionen Privat- angestellten renen, die für Versicherung in {Frage fommen. Die gedrückte Lage dieser Beamten muß cin gewises Ducker- und Mudckertum züchten, was für das ganze Volksleben bedenklich ift. Wir verlangen für die Privatangestellten ja nur einen Teil defsen, was die Staatsbeamten jeßt {hon bekommen. Sogar die Kommunen haben ibren Angeftellten eine Altersversorgung und zum _ Teil eine Reliktenversorgung gewährt. Man fpriht immer von Selbsthilfe; diese genügt durhaus nicht; man muß einen solchen manchesterlichen Standpunkt verlassen. Die Angestellten verdienen viel zu wenig, um ih selbst helfen zu können, namentlich wenn sie eine zahlreiche Familie haben und wenn sie yoa Krankheit heimgesucht werden. ußerdem sind die jegigen Prämien unershwinglich hoh. 19 pGt., von denen beute die Rede war, find allerdings auch zu hoh; es müßte der öfterreihische Saß von 7 pCt. angenommen werden. er- sagt ter jeßige Reichstag in soziale1 Beziehung, dann blüht der Weizen der Ee Der Worte find genug gewechselt, aßt uns endlih Taten sehen : L Abg. S ittnet (Zentr.): Dem Abg. Pauli-Potsdam gegeeaber bes stätige ih, daß am 11. Mai 1900 bei der Debatte über das Un allversiche- rung8geseß der Freiherr von Richthofen den Gedanken anregte, daß die Beruf8sgenofsen schaften Rentenzushußkafsen errihten, die auch für Be- triebsbeamte nußbar zu machen wären, daß er aber einstweilen nicht den Mut bätte, etwa3 Aehnliches vorzushlagen, wie es in Desfter- rei beabfihtigt worden if. Später stellte er allerdings den Antrag, in der nächsten Session einen entsprehenden Gesey-

entwurf vorzulegen. Daß etwa die nationalliberale An aus fahlihen Gründen gestellt worden ist, habe ih niee nit Von einer der nattionalliberalen Richtung nahestebenden Seite p00 jener Zeit, als wir die Frage in Fluß brachten, \sozar der V in erhoben worden, daß die nationalliberale Partei zu vergefsen utf daß sie die Vertretung des gebildeten, besißenden, erwerbenden Mitte! standes sei und si vielfah zum Fürsprecher sozialdemokratiscer “mit rungen mae. (Der Redner verliest den betreffenden Zeitungeartite( 7 Das schrieben die „Hamburger Nachrichten“. (Lachen bei den Natio, ;) liberalen.) Ihre Heiterkeit ist wirklih niht angebraht. J habe s ein Blatt, welches Ihrer Richtung nahesteht. Daß dies zutrifft was j Sie nicht bestreiten können. Wenn Sie es aber bestreiten, #9 va vielleicht auch Ihre Reden in den „Hamburger Nahrichten* nicht nile ausführlicher als diejenigen anderer Redner zu finden sein. Jh L auch gegen den Abg. Bassermann keinen Vorwurf erhoben. Cz it außerhalb des Reichstags tatsählich liberale Kreise, die dag s i ANTET Ne, was der Abg. Bassermann tut. Ih habe begrüßt, daß die Interpellation von Jhrer Seite ausgegangen ist, und habe van die Hoffnung geknüpft, daß die erwähnten Kreise draußen éfoia daraus [ernen mögen. Ih habe au gegen die industriellen Hy ganisationen nit feindlih polemisiert. Ich have nur gesagt, ih by, grüße die Persönlihk-eit des Freiherrn von Heyl, weil ih bose, dee der Bund der Industriellen, die Handelskammern usw., die ih nig immer so privatbeamtenfreundlih gezeigt haben, aus dem Vorgeh,, des Abg. von Heyl und der nationalliberalen Fraktion für die Zukuzi etwas lernen werden. Ferner habe ich mit Freude konstatiert, dzs Sie (zu den Natioaalliberalen) bier in unserem Sivne Soziz, 1, , . - y politik getrieben haben. Es war kein Grund für den Abz. mann vorhanden, so scharf gegen mi vorzugehen. S

Abg. Dr. Potthoff (fr. Vgg.): Um cinem Mißverständnis yor, zubeugen, möchte ich dem Abg. Bruhn gegenüber feststellen, daß, wenn ih gefagt habe, wenn die Mittelstandsvereinigung sh für die Pens, der Privatanzestellten ausgesprochen habe, so habe sie da niht nur aus allgemeiner Menscbenfreundlichkeit, sondern in woblverstandenen eigenen Interesse getan, darin fein L wurf liegen sollte, sondern eine Anerkennung für dz Verständris und den Weitblick für ibre eigenen Interessen, Der Abg. Heine hat mih als Kronzeugen dafür angerufen, daß djz Denkschrift des Staatssekretärs lückenhaft sei; es lag darin de Gedanke, daß diese keine genügende Grundlage für die gesez geberishen Arbeiten abgeben könnte. Jch habe aber im Gegentzil der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß sie dafür vollkommen genügt, ur habe sogar die Ansicht vertreten, wir hätten gar niht auf fie z1 warten brauchen, denn was fie zeige, hätten wir im wesentlichen ch0; vorher gewußt. i )

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Wir wollen uns nit über die Priorität streiten. Gine ganze Reihe von Anträgen tragen die Namen Hite-Heyl usw....Wir haben immer das größte Gewicht darauf gelegt, mit Ihnen (zum Zentrum) gemeinshaftlich Sozialpolitik zu treiben, weil wir in der Tat der Meinung sind, daß großcs Verständnis in Ihren Reihen dafür besteht. Jn unseren Kreisen aber ift ebensovi-[ BVerständnis und guter Wille vorhanden. Sie werden wissen, daß di: „Hamkbkurger Nachrichten“ mit der nationalliberalen Partei in gu feinem Zusammenhang stehen und daß wir eine Kritik der „Hamburger Nachrichten* niht al3 solche aus unserem eigenen Lager anzusehen haben. (Sehr richtig ! bei den Nationalliberalen.) Meine Fraktiz ist allerdings der Ansicht, daß die Führung in der Sozialpolit zunähst der Industrie sclb# gebührt. Deshalb is meine Fraktin geneigt, die Anregungen, die in dieser Hiysicht von dort kommen, bir zu vertreten. Wenn der Abg. Heine mrine Initiative im Zusamnæ- hang mit meiner industriellen Tätigkeit, ich will nicht sagen bent

ewürdigt, aber stark beanstandet hat, so muß ih das aufs tiefe edauern. Verträge mit Konkurren;klausel werden in meinem Betrie mit Arbeitern überhaupt nit gemacht ; sie baben juriftish gar feinen Wert und find gar nicht durchführbar. Verträge mit Konkurreniklause werden in meinem Betcieb nur mit Vertrauen9personen gema, die in die Geheimnisse eingeweiht werden. Legtere sind niht nur im Zuteress der Industriellen, fondern au der Arbeiter und Pcivatargestellte mit Rücksicht auf die ausländishe Konkurrenz zu ügen, Werden in meinem Betriebe Verträge mit einer Konkurrenzlausel geschlossen, so wird in neuerer Zeit ein sogenanntes Pensiontgthalt gewährt, um die Klausel durchführbar zu machen und dem Betreffenden eine gewisse Entshädigung zu geben. Gibt ein Industriell jungen Mann eine Stellung, bei der die Konkurrenzklaufel notwendig ist, so gewährt er ihm damit ein Sprungbrett zu einem Posten. Würde sih der Industrielle nicht s{chüten, fo teilt der An- gestellte die Fabrikationsgeheimnisse Zweiten und Driiten mit, |o daz die Tätigkeit eine rein subalterne wird. Wegen des vom Abg. Hein ang-führten Falles habe ih sofort nah meinem Betriebe telegrapbiert, weil ih den Vertrag bezweifle. Ich behalte mir vor, na Empfarg der telegraphishen Nückantwort noch Auskunft darüber zu geden.

Staatsminister, Staatssekretär des Jnnern Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ih möchte mir nur eine kurze Bemerkung t lauben in bezug auf die Ihnen heute zugehende Denkschrift. _FEE Denkschrift hat für die Frage der Versicherung der Privatangestel!za außerordentlih {ägbares und für den Aufbau einer Geseßgedung un! bedingt notwendizes Material geliefert. Wir haben erst au? der Denkschrift ersehen, wie die Familienverhältnifse der Privatbeamir wie ihre Gebaltsverhältnisse sind, wie es mit ihrer Stellenlosigt stcht und überhaupt wie groß das Versicherungsbedürfnis il, 12 viele von ihnen der Invalidenversiherung unterliegen, wie M privatim versichert sind und wie viele nicht versichert sind. E das Material der Denkschrift wäre es ganz unmogzl N wesen, versiherungstehnisch ein Geseh aufzubauen; pt wenn man versiherungstechnisch ein Gese aufbaut, _muß es I auf gewissen wirtshaftlihen Grundlagen ruhen. (Sehe N Man muß vor allen Dingen wissen: welche Mittel sind erfobens um ein bestimmtes Ziel zu erreihen und wie stehen die Mittel * Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Beteiligten. Für m p sicherungstehnischen Aufbau dieses Geseges war das Material nid zu entbehren. A

Ih bemerke aber, daß diese Fragebogen nicht vom R des Innern aufgestellt sind, sondern die Fragebogen find E Organisation der Privatangestellten aufgestellt (sehr richtig!) p wu Reichsversiherungsamt hat nur die Verpflichtung übernom À statistischen Nahweisungen im reihsstatistishen Amt verarEA lassen und seinerseits eine Denkschrift zu schreiben über die stati mi Erhebungen, die im Statistishen Amt zusammengestellt e S haben also nicht das Material selb geschaffen, wir I gesihtet und überliefern es dem Hause zunächst, um die V eiandis vom wirtshaftlihen und vom versicherungstehnischen Star beurteilen zu können. (aß cid

Ih shließe damit: ohne dieses Material wäre der b att â Geseßes meines Erachtens versicherungstechnisch nit aut wesen. (Bravo !)

Streses

a8 1

Vor-

(S@luß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

M 67.

Berlin, Freitag, den 15. März

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Stresemann (nl.): Der Abg. Sittart hat es do begrüßt, daß der Abg. von Heyl die Initiative ergriffen hat, und er spra die Hoff- nung aus, daß der Bund der Industriellen daraus eine Lehre ziehen werde. Danah mußte man der Meinung sein, der Bund der In- dustriellen nehme in dieser Frage einen anderen Standpunkt ein als der Kollege von Heyl. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß ih selbst von diesem Bund der Industriellen aufgefordert worden bin, heute über diese Frage zu sprehen, und daß der Bund der In- dustriellen mit dem sähsishen Verbande die Jnitiative ergriffen hat, um die Zustimmung der Industrie zu diesem Geseß zu erklären.

Abg. Erzberge r (Zentr.): Es wäre unrecht, zu bestreiten, daß der Abg. von Heyl nicht perjönlih seit zehn Jahren mit dem Zentrum auf sozialpolitischem Gebiete gearbeitet hat. Aber zu diesen fozial- politishen Anträgen haben meine politischen Freunde 50—60 Unter-

riften gestellt, während es den Bemühungen des Abg. von Heyl nicht |

gelungen ist, mehr als 5 bis 6 Unterschriften dafür aufzubringen. Dies gilt z. B. von dem leßten gemeinshaftlihen Antrage auf Einführung des Zehnstundentages für die Arbeiterinnen. Wenn der Abg. von Heyl sich heute über das langsame Tempo auf dem Gebiete der Sozialpolitik beshwert hat, so hat der Abg. Beumer im vorigen Sahre an den Grafen Posadowsky die Zumutung gestellt, er möge dremsen und langsamer fahren. Gerade die Mehrzahl der Indu- ftriellen hat die \chärfse Opposition gegen den Beginn und die Meiterführung der Sozialreform gemacht. Um die Arbeiter- persiherung hatte der Freiherr von Stumm g Verdienste, aber auf dem Gebiete des Arbeiterrechts und des Arbeiter i politischen Freunde Jahre und Jahrzehnte lang gegen die übrigen arteien kämpfen. Der Abg. Möller hat stets gebremst. Das find Then, die Sie nicht in Abrede stellen können.

Abg. Heine (Soz.): Der Artikel der „Hamburger Nachrichten" {t ohne Zurückweisung von der nationalliberalen „Pfälzischen Presse“ abgedruckt worden. Bis vor vier Wochen zerfiel die nationalliberale Partei immer in zwei Hälften, in eine sharfmacherische und eine sozialreformerishe. So war es z. B. beim Zucthausgesez. Wenn jeßt die nationalliberale Partei wirklich ernsthafte Sozialreform machen will, so hat meine Fraktion nicht das geringste dagegen. Vir sind froh, wenn man mit den sozialreformerischen Akten überhaupt etwas weiter vorwärts kommt. Vor allen Dingen fürchtet sich die Sozialdemokratie absolut nicht vor Sozialreformen. Je besser es weiten Schichten der Arbeiter geht, je mehr fie Gelegenheit haben zur Erböbung ihrer Kultur, desto sicherer werden sie Sozialdemo- fraten. Warten wir das rubig ab! Der Abg. von Heyl sagte, solhe Verträge existierten niht in seinem Betriebe. Vor einem

Jahr wurde mir ein solher Vertrag überreiht und ich mußte leider |

nach der bestehenden Gesetzgebung bestätigen, daß er gültig war. Und jegt habe ih vor furzem wieder einen solchen Vertrag in die Hand bekommen, der nach demselben Schema ab- geshlofsen war. Dieser Vertrag wurde 1900 auf 5 Jahre ab- gesWlofen mit der Erklärung, daß er bei Nichtkündigung ein Jahr vor Ablauf sih auf unbestimmte Zeit verlängere. Ob er heute noch bestebt, vermag ih natürlih nit zu sagen. Der Betreffende ift an- gestellt mit 24 A Wochenlohn, Der Abg. von Heyl hat gesagt, daß folhe Verträge bei ihm überhaupt niht mit Arbeitern, sondern nur mit Vertrauenspersonen ges{chlofsen würden. Vertrauensperson mit einem Wochenlohn von 24 A4 Wenn er den Verpflihtungen zuwiderhandelt, die in dem Vertrage stehen, muß er eine Konventionalstrafe von 5000 bezahlen. Dieser Vertrag würde nah dem Handel8geseßbuch ohne weiteres anfechtbar fein.

Abg. Freiherr Heyl zuHerrnsheim(nl.): Jh habezum Ausgangs- punkt genommen nicht die Reden, sondern die Jnitiativanträge, die zu dieser Frage gestellt worden sind, und da muß ih allerdings bei meiner Behauptung stehen bleiben. Allerdings waren in meiner Fraktion über sozialpolitische Fragen verschiedene Ansichten vorhanden. Man darf aber niht vergessen, daß auch das Zentrum in früheren Jahren in sozialpolitishen Dingen oft sehr diffizil war. Ihre sozialpolitishe Rihtung hat \sch erst später herausgebildet, ebenso wie in meiner Fraktion, und ih freue mich sehr, daß in unferer

Fraïtion eine große Stärkung der s\ozialpolitishen Initiative ein- !

getreten ist. Was den Vertrag anbetrifft, den der Abg. Heine er- wähnt hat, so entzieht er sich meiner Kontrolle. Der Vertrag muß unter allen Umständen abgelaufen fein, keinesfalls trägt er meine Unterschrift. Eine Konventionalstrafe bei 24 A Wochenlohn würde ih unter keinen Umständen billigen, halte sie auch juristisch für anfehtbar. Jch habe in den Verhandlungen mit meinem Justitiar immer darauf hingewiesen, daß die Konventionalstrafe im rich- tigen Verhältnis zu dem Lohn stehen müsse. Eine Konventional- strafe von 5000 M bei einem Lohn von 24 4 halte ich für unzulässig. Jh bezweifele, ob ein solher Vertrag noch besteht, ih habe aber telegraphiert und werde morgen vor der Tagesordnung nähere Mit- teilung machen. Uebrigens konstatiere ih mit Freude, daß der Abg. Heine wohl im Einverständnis mit seiner Fraktion die Politik der Sozialdemokratie aufgegeben hat, die, wie der Abg. Bebel einmal sagte, die Konzessiönchen zurückwies.

_ Abg. Heine (Soz.): Solche Verträge müssen recht häufig abgeschlossen sein, denn der eine Vertrag ‘ist in einem Formular eingetragen.

gebe ohne weiteres zu, daß der Abg. von Heyl persönlih von diesem Vertrage nichts gewußt hat. Im übrigen machen wir keine neue Politik. Wir baben wie andere Parteien uns wirklichen oder ver- steten Vershlehterungen immer widerseßt oder solhen Dingen, die den Anschein einer Besserung erweckten. Wir haben versucht, alles zu bessern, was wirkli zu bessern war.

Abg. Bebel (Soz.): Ein Widerspru zwishen der Auffassung des Abg. Heine und der meinigen über die bürgerlihe Sozialpolitik erxistiert nicht. Im übrigen täushen Sie fich ganz gewaltig, wenn Sie glauben, daß wir uns ein für allemal ablehnend gegen fozialreformerische Vorschläge verhalten. Wir haben uns bei dritten Lesungen sehr genau überlegt und es hat zu lebhaften Debatten geführt, ob wir für oder gegen das Gescß stimmen sollten.

ir haben ets dagegen gestimmt, wenn nah unserer Auffassung die Vershlehterungen die Verbesserungen überwogen, so z. B. 1891 bei der Gewerbeordnung. Denselben Standpunkt haben auch die bürger- hen Parteien früher eingenommen.

Damit {ließt die Besprechung.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sißung Freitag 1 Uhr. (Dritte Veratung des Berner Uebereinkommens über den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr; Interpellation der Sozialdemokraten über behördlihe Wahlbeeinflussungen.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus, 4. Sißung vom 14. März 1907, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

chußzes mußten meine ;

Gut, dann ist es eine !

| bobe

1907.

bahnverwaltung.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenba ch: Meine Herren! Jh habe eine Erklärung abzugeben : Nah Lage

| infolge umfangreiher Stellenvermehrungen, die

Verwaltungsordnung der Staatseisenbahnen, wie sie nach den Er-

|

Jahres ab mit der Ausführung des Etats insoweit vorzugehen, wie ih es zur Aufrehterhaltung eines gesiherten Betriebes und einer geordneten Verwaltung für notwendig erahte. Ih gebe mich der Hoffnung hin, daß das hohe Haus diese meine auch vom Hause der Abgeordneten gutgeheißenen Absichten billigen wird, und werde daher, \fofern ein Einspruch nit erfolgt, dementspre{end verfahren. Zn einmaliger Schlußberatung wird sodann der Geseß- entwurf, betreffend Erweiterung des Stadtkreises Danzig, und ebenso der Geseßentwurf, betreffend Er- | weiterung des Stadtkreises Hanau, ohne Debatte an- | genommen. Es folgt die Seratung über die Geseßentwürfe, betreffend 1) Abänderung des Pensionsgeseßes vom 27. März 1872, der Geseße vom 31. März 1882 und 20. März 1890, 2) Abänderung des Gesetzes, betr. Fürsorge für Witwen und

1882 und des Geseßes vom 1. Juni 1897,

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Die Ausarbeitung der in der Thronrede ver- heißenen Geseßzentwürfe zur Besserung der Bezüge der pensionierten

Beamten wie ihrer Hinterbliebenen ist im Finanzministerium mit |

größter Beschleunigung erfolgt. Die Vorlegung erfuhr aber einen | gewissen Aufshub dadur, daß naturgemäß erst mit den Neichsinstanzen Fühlung genommen werden mußte, weil ja auf dem Reich8gebiete ein paralleles Vorgehen geplant ift wie hier auf preußishem Gebiet. In- folgedessen ist es erst möglich gewesen, wenige Tage vor dem Zu- sammentritt dieses- hohen Hauses die Vorlage hier einzubringen. Das Haus hat wiederholentiliGß den Wunsch ausgesprochen, mit Vorlagen ausreihend bedacht zu werden (sehr rithtig!), ein Wunsh, den die Staatsregierung für vollkommen berehtigt erachtet, und deshalb haben wir diese Vor- lage hier zunächst im Herrenhause eingebracht, weil ja im übrigen

des Etats vollkommen in Anspruch genommen ift.

Ih darf mir gestatten, diese etwas komplizierte wenigstens in ihren Hauptgrundzügen darzulegen und die Gesichts punkte auseinanderzusetzen, die die Staatsregierung bei Einbringung dieser Vorlage geleitet haben.

Meine Herren, unsere Gesetzgebung, betreffend die Fürforge für die Hinterbliebenen der Staatsbeamten, liegt um mehrere Jahrzehnte zurück. Sie ftammt aus dem Anfang der siebziger beziehentlih dem Anfang der achtziger Jahre. Die Grundlagen dieser Pensionsgesezgebung und Fürsorgegeseßgebung haben sh bewährt und es liegt niht in unserer Absicht, an diesen Grundlagen an sich zu rütteln. Wohl aber

Bestimmungen zu deren Gunsten abzuändern. Denn es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß ih seit den 70er und 80er Jahren die Verhältínifse wesentli verändert haben, daß namentlich eine erheb» liche Steigerung der Kosten der ganzen Lebenshaltung eingetreten ift und daß dadurch die Bezüge, die man in früheren Jahrzehnten für die pensionierten Beamten festgeseßt hat, im gegenwärtigen Augenblick als ausreihend niht mehr angesehen werden können.

Es kam hinzu, daß unsere Pensions- und Reliktenfürsorgegeseßz- gebung nah verschiedenen Richtungen hinter der Geseßgebung anderer, namentlich süddeutscher Staaten, zurückstand, daß diese süddeutschen Staaten in der Fürsorge erheblich weiter gegangen waren, besonders auch für die Hinterbliebenen. Und endlih durften die Rückwirkungen nit außer aht gelaffen werden, die die neuere Pensionsgeseßz- gebung für die Offiziere und die Mannschaften des aktiven Heeres mit sich gebracht hat. Es unterliegt ja keinem Zweifel, daß die Pensionsverhältntsse bei den Offizieren einer wesentlich anderen Beurteilung unterliegen als bei den Zivilbceamten, daß bei den Offizieren in sehr viel höherem Maße aus dienstlichen NRüeksiŸhten in früheren Jahren eine Pensionierung erfolgen muß als bei den Zivilbeamten. JImmerhin war es nicht in Abrede zu stellen, daß diese Gesezgebung auch auf die Pensionsverhältnisse der Beamten | eine gewisse Rückwirkung äußern mußten, zumal die im Reiche er- lassenen Geseße sich niht nur auf die Offiziere bezogen, sondern auh auf die Militärbeamten. Dies gilt in ganz besonderem Maße von der Festsezung der Mindestpension auch für die Beamten. Bekannt- li ist die geseßlihe Lage augenblicklich die, daß nah zehnjähriger Dienstzeit die Beamten 15/66 also !/; ihres Gehalts als Pension be- ziehen. Die Pensionsgesetgebung des Reichs vom vorigen Jahre hat diese Bezüge dahin erhöht, daß nicht !*/60, sondern ?°/, also nit "/,

Ueber den Beginn der Sihung is in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Der Betriebsbericht der preußish-hessishen Eisen - bahnen für das Rehnungsjahr 1905 wird nah dem Antrage des Berichterstatters von Graß durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt, ebenso Bau- und Rechenschafts beriht der Eisen-

der Etatsberatung is anzunehmen, daß die Fertigstellung des Etats der Eisenbahnverwaltung in diesem Jahre niht rehtzeitig erfolgen wird. Bei der Eisenbahnverwaltung sind aber zu Beginn des neuen Etatésjahres umfassende Maßnahmen zu treffen, die einen Aufschub nicht gestalten, insbesondere die etatsmäßige Anstellung der Beamten Einrichtung des Eisenbahnzentralamtes sowie von vier neuen Betriebsinspektionen über den Etat, und zwar in Hamburg, Dortmund, Frankfurt a. M. und Oberlahnstein, ferner die Einführung der übrigen Ergänzungen der

| Täuterungen auf Seite 38 des Etats geplant find, die Inangriffnahme dringender, wihtiger und umfangrei@er Bauten und anderes mehr. Ich befinde mi daber in einer Zwangslage und halte mich bei nicht rechtzeitiger Etatêverabshiedung für verpflihtet, vom 1. April dieses

Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten, vom 20. Mai |

keine Beratungsgegenstände von erheblicher Bedeutung dem Hause | vorliegen und andererseits das Abgeordnetenhaus mit der Beratung |

Materie | Pensionsgeseßzgebung beziehentlich die !

der |

hat es ih als notwendig erwiesen, im Interesse der Beamten einzelne |

ahtens [ag es in der Billigkeit und war ein Ausfluß der Fürsorge für unsere Beamten, ihnen diese Wohltat ebenfalls zuteil werden zu lafsen. Denn wenn auch, wie ih eben anzuführen die Ehre hatte, im allge- meinen viel mehr Offiziere in jungen Jahren verabschiedet werden müssen als Zivilbeamte, so trifft den jungen Beamten, der im einzelen Fall ver- abschiedet werden muß, diese Pensionierung mindestens ebenso hart, ja manchmal härter; denn zahlreihe Offiziere müssen deswegen aus der Armee ausscheiden, weil sie niht mehr felddienstfähig sind. Sie sind aber wohl noch erwerbsfähig und in der Lage, sich anderweit irgend ein Unterkommen zu suchen, während, wenn ein Beamter in jungen Jahren krankheits8halber pensioniert werden muß, er meist auch gar niht mehr erwerbsfähig ist und daber nur in den seltensten Fällen sich noch einen anderweitigen Erwerb zu suchen in der Lage ist. Es erschien uns daher billig, diese anderweite Festseßung der Mindestpension, die Er- böbung von + auf F, auch den Zivilbeamten zuteil werden zu lassen. Die Sache wird \sich also so gestalten, daß künftig die Beamten zwet Drittel ihres Gehalts als Pension nicht erft nah 35 Jahren erhalten, sondern {hon nach 30 Jahren, sodaß eine Verbesserung von 5 Jahren eintritt, daß dann aber eine Verlangsamung der Pensionsbezüge erfolgt und die Beamten die Höchstpersion nah wie vor im 40. Dienst- jahre erreichen.

Eine fernere Wohltat, die wir glaubten den Beamten nit vors enthalten zu sollen, besteht in der Einräumung des Gnadenquartals anstatt des Gnadenmonats für die Hinterbliebenen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß gerade in dem Momente, wo neben der tiefsten Trauer materielle Ansprüche drückendster Art auftreten, es wünschenswert ist, daß diese Bezüge nit allzu knapp sind. Bisher konnten wir die Penfion nur noch auf einen Monat zahlen, Wir {lagen vor, diese Bezüge noch ein Vierteljahr nach dem Monate zu gewähren, in welhem der Tod des betreffenden Beamten eingetreten ift.

Dann hat sich noch eine Bestimmung in der Praris als Härte herausgestellt, nämlich, daß wir die Bezüge des Gnadenmonats jeßt also des Gnadenquartals lediglich der Witwe und den Kindern gewähren konnten, dagegen geseßlich niht berechtigt waren, sie auch andern Verwandten, wie den Eltern und Geschwistern zu gewähren. | Wir haben mehrfach Fälle gehabt, in denen alte Eltern und Ges \chwister auf die Pension des Sohnes oder Bruders angewiesen waren, mit ihm den Haushalt teilten und, als der traurige Moment einge- | treten war, daß der Sohn oder Bruder von dieser Erde {hied, wir

niht in der Lage waren, die Bezüge des Verstorbenen nun ihnen noch zu gewähren. Dazu erbitten wir durch die neue Gesezgebung die Vollmacht.

| Eine Bestimmung, die sehr verschiedener Beurteilung unterliegt, | ist die Frage der rückwirkenden Kraft. Bei der ganzen Gesehgebung | nah dieser Nichtung, insbesondere bei dem Vorgange des Jahres 1897 | ist die Staatsregierung davon ausgegangen, daß allen folhen Geseßen | eine rückwirkende Kraft nicht eingeräumt werden kann, weil mit dem | Momente des Ausscheidens des Beamten aus dem Staatsdienst das | Nechtsverhältnis zwishen ihm und dem Staate als abgeshlofsen ans | zusehen ist. An diesem Grundsaß glauben wix auch in der Vorlage | festhalten zu müfsen; denn es würde Konsequenzen von außerordent- | [iwer Bedeutung und einen Aufwand von vielen Millionen hervor- | rufen, wenn wir auch retro die Pensionen anderweit fest- seßten. Aber auch hier sind wir bemüht gewesen, Härten zu vermeiden, und es ist in den Entwurf des Staatshaushaltsetats | für 1907 ein Fonds von 1 200 000 Æ eingeseßt, um da, wo das Bedürfnis vorliegt, auch den alten Pensionären und Hinterbliebenen | eine entsprehende Unterstüßung gewähren zu können, und zwar wollen | wir nicht etwa im einzelnen Falle wenn ih so sagen dazf eng- | berzig vorgehen, sondern einfach prüfen, ob der Pensionär, beziehungs weise seine Hinterbliebenen, mit ihren Bezügen, die ihnen s\onst zu- | stehen, den Mindestsaß der Pension erreihen oder nicht. Erreichen | sie ihn nicht, so wollen wir aus diesem Unterstüßungsfonds helfen. | Wir glaubten also, daß durch die Einstellung dieses Unterstüßungs- fonds auch dem Bedürfnis nah dieser Nihtung genügt ist, sodaß es einer Einräumung der rückwirkenden Kraft für das vorliegende Gese niht bedarf. Jh darf mir vorbehalten, mich später zu dem Antrage des Herrn von Dziembowski zu äußern, möchte aber zunächst ! die Begründung dur den Herrn Antragsteller abwarten.

j Von dem Gesichtspunkte, daß dem Gefeßentwurf eine rückwirkende | Kraft nicht eingeräumt werden soll, haben wir geglaubt eine Aus- | nahme machen zu follen: bei den Kriegsteilnehmern, und zwar im | Anschluß an die Militärpensionsgesezgebung. Bei diesen Beamten, | die ihr Leben und ihre Gesundheit für des Vaterlandes Größe und | Ghre eingeseßt haben, haben wir eine Ausnahme gemaht und die | rüdckwirkende Kraft cingeräumt unter Bezugnahme auf § 42 des Militärpensionsgesetzes.

Was das Reliktenfürsorgegeset betrifft, so ergibt sich die wesent- lihe Verbesserung der Bezüge der Witwen und Waisen der Bamten aus der Erhöhung der Persionsbezüge der Beamten selber. Bekannt- lih beziehen die Witwen 40 9%/% des Pensionsbetrages des Mannes und die Waisen, jenachdem sie Halb- oder Vollwaisen sind, !/; bezw. !/s des Bezuges der Witwen. Erhöhen wir also die Pensionsbeträge der Beamten erheblih, so resultiert daraus ohne weiteres eine ebenso er- heblihe Steigerung der Bezüge ebensowohl der Witwen wie der Waisen. Wir haben aber geglaubt, über diesen Punkt noch etwas weiter hinausgehen und dem hohen Hause vors{lagen zu sollen, unter allen Umständen au für die Witwen von früh verstorbenen Beamten der unteren Klassen eine Witwenpension im Mindestbetrage von 300 4 vorzusehen. Die Mindestpension betrug bis zum Jahre 1897 nur 160 M, wurde im Jahre 1897 auf 216 #4 erhöht, und wir schlagen nunmehr vor, diesen Betrag auf 300 4 zu erhöhen. Seit 1897 ist also nahezu eine Verdopplung erfolgt. Wir halten diese Steigerung aber auch für den Bedürfnissen genügend. Mehrfah find Fälle vor- gekommen, daß, wenn ein Beamter, der mit 800, 900 & angestellt war, früh starb, seine Witwe nur einen Anspruch auf eine Pension yon 150 bis 160 M hatte. Jeßt wird unter allen Umständen ein

sondern !/; des Gehalts als Pension gewährt wird. Und unseres Er-

Ansyruch von 300 gewährleistet. Damit i}, wie wir glauben,