auch dem Bedürfnis ein Genüge gesehen, wenn man bedenkt, daß es fi nur um Witwen frühverstorbener Unterbeamten handelt, also in der Regel um junge Frauen, die noch arbeits- und erwerbsfähig find, und, wenn man weiter bedenkt, daß mit der Erhöhung der Be- züge der Witwen auch die der Kinder Hand in Hand geht.
Meine Herren, wenn ich noch ein Wort hinzufügen darf, so möchte ich dem hohen Hause kurz darlegen, welche finanziellen Wirkungen die Vorlage hat. Für 1907 würden die vorgeschlagenen Geseze die Erhöhung der Penfionsaufwendungen um 1250 000 4 bedingen. Dazu kommt, wie ih mir darzulegen erlaubt habe, daß ein entsprehender Unterstüßungsfonds in Höhe von 1200 000 Æ in den Etat eingestellt werden soll; das ergibt insgesamt 2450 000 „« für 1907. Dabei ist noch nicht eingerechnet, weil es an ziffernmäßigem Material fehlt, die rückwirkende Kraft für die Kriegsteilnehmer, die unzweifelhaft auch von erhebliher finanzieller Bedeutung sein wird. Wir gehen alfo nicht fehl, wenn wir annehmen, daß die Vorlage allein für das Jahr 1907 einen Mehraufwand von 3 bis 4 Millionen Mark mit sich bringen wird. Viel höber stellt fh naturgemäß die Mehrausgabe des Staats, wenn man den Beharrungs- zustand ins Auge faßt, der bei den Pensionen in 10 Jahren, bei den Neliktenbezügen in 12 Jahren eintreten wird. Dann werden sich folgende finanziellen Konsequenzen ergeben. Die Erhöhung der Pensionen wird eine Mehbrbelastung von 9800000 e und die der Reliktenbezüge eine Mehrausgabe von 6 600 000 A zur Folge haben, sodaß fh inszesamt als finanzielle Konsequenz der Vorlage eine Mehraufwendung von 16 400 000 4 ergibt.
Nun wollen Sie mir, meine Herren, gefiatten, einen Nückblick darauf zu werfen, in welhem Maße die Aufwendungen des Staates an Penfionen und Reliktenbezügen von Jahr zu Jahr wahsen. Im Jahre 1895 haben wir an Penfion- und Hinterbliebenenbezügen in8sgesami 44 Millionen aufgewendet.. Dieser Betrag wird im Jahre 1907 auf 91 Millionen fteigen (hört! hört!) und wird nach etwa 10 Jahren, im Jahre 1918, auf — sage und schreibe — 196 Millionen anwathsen, darunter der Pensionsfonds mit 136 Millionen, der Reliktenfonds mit 60 Millionen. Natur- gemäß ist diese eminente Steigerung nur zum [kleinen Teil auf die Vorlage zurückzuführen, zum größten Teil auf die Steigerung der Zahl unserer elatsmäßigen Beamten. Die Zahl steigt fast in jedem Jahre, namentli bei der Eisenbahnver- waltung, um 8- bis 100093, und diese Steigerung bringt eine große Mebrbelastung an Pension8- und Reliktenbezügen mit si. Als Folge allein des vorliegenden Gesetzes tritt, wie erwähnt, auch ein Mehraufwand von 16 400 000 4 in die Ecsheianung. Diese Daten, die ih mir Ihnen vorzutragen erlaubte, beweisen, in wie ers beblihem Maße die Vorlage, um derzn Beratung es H bier handelt, eine bessere Fürsorge für die Beamten darstellt, in wie erbeblihem Maße darin eine Wohltat für die Beamten zu erblicken ist. Jh glaube deshalb, daß wir den Beamten gern diese Wohltaten zuteil werden laffen, aber daß wir doch auch nit darüber hinausgehen sollten, weil ein Bedürfnis dazu niht vorliegt und die finaniiellen Konsequenzen noch größer geworden wären, als sie {hon jetzt sind. Ih möthte \{lie5lich meinen Dank noch dafür aussprechen, daß troß der kurzen Zeit, die sit der Vorlage dieser Entwürfe bier verflossen ist, sowohl die Kommission wie das Plenum sich mit Beschleunigung der Beratung der Vorlage unterzogen hat, und darf nur bitten, daß die Vorlage bald zur Verabihiedung gelangt. Da3 liect im dringenden Interesse der Beamten selber, denen wir die Wobltaten der neuen Gescge alsbald zuteil werden lassen wollen, und es liegt au im sablihen Interesse im Hinblick auf das notwendige Vorgehen im Neite. Wie ih hon eingangs erwähnte, sollen au im Reice den Zivilbeamten ähnliche zuteil werden wie in Preußen.
durchaus z¡weckwidrig gewesen sein, etwa gleih-
im Neiche und in Preußen einzubringen.
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gekommen fein, und kein Mensch | gewußt, wie er aus dieser Schwierigkeit wieder v
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im Reiche, für hier noch besonders bitten Berichterstatter Finanzkommission, stimmung zu erteilen.
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die Crledigung diefer Gesetze nicht aufzubalten, am 21. und ch‘ zu veransîtalien, gleichzeiti d ordnung zu seen
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Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Jch bin durchaus dankbar für die Bereitwillig- keit des hohen Hauses, in diese Beratung noch vor Ostern einzutreten. Dann haben wir die Möglichkeit, die Vorlage noch vor Ostern oder gleih nah Ostern an das Abgeordnetenhaus gelangen zu lafsen, und es wird das vermieden, was ih so sehr befürhtete: daß das hohe Haus erst Ende April, wenn der Etat hier beraten wird, in eine Be- ratung dieser Vorlage eintritt und dann se{ch8 Wochen, die unwieder- bringlich sind, verloren gehen. Wenn die Saße an die Kommission zurückverwiesen wird, um schriftlißen Bericht zu erstatten, möchte ih auf all die Einzelpunkte niht eingehen, die der Herr Oberbürger- meister Struckmann berührt hat. Ich glaube, sie bedürfen in der Tat mehr einer Prüfung in der Kommission als hier im hohen Hause. (Sebr richtig !)
Nur zu zwei Punkten möchte ih mich wenden, die auch von den Herren Vorrednern berührt worden find.
Das ist zunächst die Frage, ob wir innerhalb der Verfassung gehandelt haben, als wir die Vorlage zunächst dèêm Herrenhause unterbreiteten. Meine Herren, es versteht sch von selber, daß wir diese Frage bei uns cingehend geprüft haben. Ganz in Ueber- einstimmung mit Exzellenz Graf Eulenburg find wir zu der Auf- fassung gekommen, daß es durchaus verfassungsmäßig zulässig ist, diese Vorlage dem Herrenhause zuerst zu unterbreiten. Bekanntlich sollen Finanzgeseße zunächst dem Abgeordnetenhause vorgelegt werden. Aber unter Finanzgesezen hat man in konftanter Praris solhe Geseßze ver- standen, bei denen der finanzielle GefiHtspunkt im Vordergrund stand, bei denen es fich in erster Linie um eine finanzielle Frage handelte, wie beispiel8weise die Etatsgesetßze, die Geseze über Einkommensteuer und dergl. Hier aber bandelt es sich um Gesetze, die bezwecken, die Fürsorge für die pensionierten Beamten und deren Hinterbliebenen zu regeln. Das ist der erte Gesichtspunkt für diese Gesetze; die finanzielle Wirkung steht erst in zweiter Linie. Dieselbe Frage ift hon im Jahre 1882 akut geworden. Damals ist eine Abänderung des Pension8gesezes und ein ganz neues Reliktengeseß vorgelegt worden, die naturgemäß auch mit erbeblihen finanziellen Aufwendungen für die Staatskaffe verbunden waren. Diese beiden Vorlagen wurden dem Herrenhause unterbreitet, und es hat naher im Abgeordnetenhause eine sehr eingehende Prüfung rah dieser Nichtung stattgefunden, welhe ebenfalls nicht ergeben hat, daß irgendwie gegen verfafsung8mäßige Bestimmungen verstoßen worden sei.
Die zweite Frage, zu der ih mich noch äußern will, ift die Rück- wirkung auf die Kommunen. Nach dem § 12 des Kommunalbeamten- gesetzes sollen allerdings, wie der Herr Oberbürgermeister Struckmann hon erwähnte, die Pensionsverbältnifse der Kommunalbeamten analog den Pensionsverbältnissen der Staatsbeamten geregelt werden, fofern niht mit Genehmigung des Bezirks2usschusses ein anderes festgeseßt ist. Also Ausnahmen sind zulässig. Aber ih glaube, darin hat der Herr Oberbürgermeister recht, daß im allgemeinen die Kommunen
| ih kaum dem werden entziehen können, ähnlich vorzugehen wie der
Staat. Und gerade darum, meine Herren, kann ich nur dringend S
| warnen, in der Fürsorge für die Beamten über das notwendige Maß
binau8zugehen ; denn die Konsequenzen für die Städte, und namentlih auch für die kleinen Städte, werden eintreten.
Ich möchte noch eins hinzufügen. Auch bei der Frage der Min- destbemessung des Witwengeldes von 300 6 find Anträge hervor- getreten, noch erbeblih weiter zu geben. Ich habe diese Anträge be- kämpft, und das Staatsministerium ift mir beigetreten. doch unsere ganze soziale Struktur wolle auch berückfichtigen, daß es fch um Witwen von Unterbeamten handelt, die vielfa in ländlihen Verbältniffen wohnen und die man nicht über den naturgemäßen Rahmen, aus dem fie stammen, beraus- beben darf.
Alfo die Nückwirkung auf die Städte kann meiner Ansicht nah auch nur dabin führen, zwar den Beamten das zu gönnen und gern ¡u geben, was ibnen zukommt, aber sich doch auch nicht über das rihtige Maß binausdrängen zu lafsen.
Nach einigen weiteren Bemerkungen der Herren Ehlers
| und StruÉmann werden die Geseßentwürfe an die Finanz- S
kommission zurückoerwiesen.
Der Bericht über den Betrieb der preußischen Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung für 1905 wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
_Eine Petition des Gemeindevertreters zu Fürstenberg in Westfalen um den Bau einer Bahn Corbach—Marsberg mit Fortsezung nah Paderborn wird nach dem Antrage des Berichterstatters, Oberbürgermeisters Müller-Cassel der Re- gierung als Material überwiesen.
Schluß gegen 31/2 Uhr. Nächste Sizung am Donners- tag, 21. März. (Pensionsgeseße.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Der Lohnkampf im Berliner Tapezierergewerbe wird vor- auésichtlich hon in wenigen Tagen ein friedlihes Ende finden. Eine Konferznz der Voritände sämtlicher Berliner Arbeitgeberorganisationen
Tapezierergewerbes, zu der auch die Verbandsleitung der bilfen erschienen war, beshloß, der „Voss. Ztg.“ zufolge, am Freitag in Einigungéverhandlungen auf der Grundlage der seßten Gehilfenforderungen zu treten. Bei den Verbandluagen erden die beiden Organifationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber iTG 14 Sprecher vertreten seia. In der Arbeitgeberkommiision ¿d neben dem Innung®vorstand auch die Großfirmen des Tapezierer- werbes vertreten. Das Gewerbegericht hat mit den Verhandlungen ihts zu tun.
Der Ausftand der Gärtner in Frankfurt a. M. greift weiter Außer den Eschersheimer Gärtnern sind, nach der „Köln. g.*, auch die Gärtner mehrerer Frankfurter Geschäfte ausständig. Die Bâädckergehilfen verlangen ebenfalls eine Lohnerhöhung, r 3 F wöchentlih. Die Meister wollen 1 M bewilligen.
isfeldorf haben, nah demselben Blatte, die Dekor a- und Anstreiher dza neuen Lohatarif der Arbeit-
Bisher sind 700 Mann ausständig. der GSroßfirma Gottlieb Hammesfahr in -Foche und ihren Arbeitern if e3 wegen der Einfüh- [chicht zu Meinungtv-rschiedenbeiten gekommen, infolge- ¡tg.* zufolge, geftern vom Deutschen MetaUarbeiter-
uber die Firma verhängt worden ist. Wenn
80 Arbeiter beschäftigt, die Nahtschicht nicht Ausftand kommen.
200 Weber der München -Gladbacher Woll-
. Josften, vie ihre Kündigung eingereiht haben,
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Man wolle | bei dieser Sache niht übersehen, |
diese nit bis heute zurückziehen, werden, wie die „öln. Ztg.“ teilt, nach einem Beschlusse des Vereins der TertilindustrieÜe ¡lite lihe Vereinsmitglieder ihren Arbeitern kündigen. Die alle sämt,
Sperre würde annähernd 10 000 Textilarbeiter bet i; gemeine G e h T etrefen. (Val. Nr. S
In Nordhausen find, demselben Blatte zufolge, di 5 und Transportarbeiter in den Ausstand getreten f Kutsger Die Mannheimer Schneidergesellen sind, laut Mitteil Ie T, Ztg." i Be Ce ECmegung eingetreten. Die Gebiljes in Bruchsal erreichten eine Lohnerhöbung von 5 und die ; einc solhe von 15 9/0. Tagschneider Es ist, wie „W. T. B.“ meldet, den ausständigen Hambu; Swauerleuten gelungen, etwa 50 von den 1500 englischen Ae arbeitern zur Verweigerung der Arbeit zu veranlassen; diese 50 Ma follen na England zurückbefördert werden. ann Wien beschlossen, einer Lokalkorrespondenz ¡ufolge, di Bäckergehilfen in den Ausstand zu treten, da ihre Lohnforde: rungen niht erfüllt wurden. Bei dem Ausstand kommen etwa 6000 Bäergehbilfen in Betracht, die in 700 Betriebsstätten beschäftigt find Der Ausbruch des Ausstandes kam für die Meister ganz unerwartet In Paris hielten über tausend Mitglieder des Syndikats der Bäckergehilfen gestern nachmittag in der Arbeitsbörse eine Ver, fammlung ab, in der sie, dem ,W. T. B.* zufolge, erklärten, daß se im Falle einer Abänderung des Gesetzes über die Woentagsrube in den Ausftand treten werden. s Zum Ausftand der Arbeiter der Zuckerfabrik in Belgrad wird dem ,W. T. B.“ telegraphiert: Als gestern früh die von aus wärts eiagetroffenen Bauern (vgl. Nr. 65 d. Bl.) behufs Auf nahme der Arbeit den Versu erneuerten, in die Zuerfahri zu gelangen, wurden fie von der Streikwache mit Revolvex, \chüssen empfangen. Die Gendarmerie {ritt ein. Es kam ¡u einem Kampf, bei dem drei Arbeiter getötet und fünf verwundet wurden. Ein Haufen Ausständiger jz mit einem Leichenwagen, in dem sich der Leihnam eines bei dem Zusammenstoß mit der Gendarmerie gz, tôteten“ streikenden Arbeiters befand, vor die Skupshting und veranstaltete dort eine Kundgebung gegen den radikalen Ab, geordneten Minitsch, auf dessen Veranlaffung arbeitswillige Bauern zum Ersay der ausständigen Arbeiter vom Lande herangezogen worden sind. Der sozialdemokratische Abgeordnete Laprevits bewog die Auéständigen, von der Skupschtina abzuziehen. Die Streikenden wollten darauf mit dem Leichenwagen vor das Königlide Palais ziehen, fie ließen sih jedech von einem Sozialisten bewegen davon abzustehen, und brachten die Leihe nah dem Spital, — Unter den ausständigen Arbeitern kam es zu Streitigkeiten. Die Tarifkommission des sozialdemokratischen Arbeitersyndikats batte auf Grund eines am Mittwochabend erzielten Einvernehmens mit dem Direktor der Fabrik vorgeschlagen, den Ausstand einzustellen, da der Direktor einwilligte, 150 von den Auéftändigen wieder aufzunehmen. Ein Teil der Ausftändigen stimmte dieser Lösung zu, der andere Teil tra für die Fortsezung des Ausstandes ein. Unter den Arbeitern ist cine starke Mißstimmung gegen die Tee bemerkbar. — Einer von den gestern früh {wer verleßten Arbeitern ist gestern nahmittag ge, storben und wurde Abends beerdigt.
Kunst und Wiffenschaft.
Köaiglihe Akademie der Wissenschaften hbieli Februar unter dem Vorsiß ihres Sekretar3 Herm eine Gesamtisizung. In ihr las Herr Schwar Beweise eines Hilfssatzes, mittels der syntheti}hen Geometrie reingeometrisch bewiesen werden kann. Wenn irgend drei Gerade a, b, c gegeben find, von denen keine zwei in derselben Ebene licgen, und es werden irgend vier Gerade e, f, g, þ konstruiert, von denen jede die Gerade a, die Gerade b und di: Gerade c schneidet, so gibt es unendlih viele Gerade d, wel& nit den Geraden a, b, c die Eigenschaft gemeinsam haben, von den drei Geraden e, f und g geschnitten zu werden. Für jede sol Gerade 4d gibt es eine Ebene, welhe diese Gerade und die Gerade h, enthält, scdaß also, allgemein zu reden, jede der vier Geraden a, b c, d voa jzder der vier Geraden e, f, g, h geschnitten wird. E wird gezeigt, wie dieser bekannte Saß auf mehrfahe Art réin- geometri)ch so bewiesen werden kann, daß es möglich ist, mit Be- nußung deéfelben den Beweis des Hauptsaßes der synthetischen Geometrie reingeometrisch z1 führen.
Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: Band 6, Hälfte 1 der von der Akademie unternommenen Ausgabe der Gefammelten Schriften Wilhelm von Humboldts. Berlin 1907; Ergebniffe der Planktonerpedition der Humboldt-Stiftung. Bd. 3. Lf A. Popofsky, Acantharia. Teil 2: Acanthophracta. Kiel u Leipzig 1906; von unterstüßten Werken: E. Sachau, Syriste Rechtsbücher. Band 1. Berlin 1907; J. Kromayer, Antike S@&lacbtfelder in Griehenland. Band 1. 2. Berlin 1903. 07; Cl. Hartlaub, Craspedote Medusen. Teil 1. Lief. 1. Codoniden und Cladonemiden. Sep.-Abdr. aus: Nordishes Plankton. Hrêg. von K. Brandt und C. Apstein. Kiel und Lipzig 1907.
Die Akademie hat in der Sißung am 14. Februar zu korrespon- dierenden Mitgliedern der philosophis{ch-historishen Klafse gewählt den ordentlihen Professor der Geschihte an der Universitär Bonn, Ee- heimen Regierungsrat Dr. Friedrih pon Bezold, den Profesor am Collège de France zu Paris Arthur Chuquet, Mitglied det Institut de France, in Villemomble (Seine), das Mitglied des Institut de France Gabriel Monod in Versailles und den ordenk- lihen Professor der Geschichte an der Universität Bonn, Geheimen Regierungsrat Dr. Moriz Ritter. j
Die Akademie hat das ordentlihe Mitglied der physikalisch-matke- matishen Klafse Wilhelm von Bezold und das kocrespondierend Mitalied der philosophisch historishen Klasse Ferdinand Justi in Marburg, beide am 17. Februar, das korrespondiereade Mitglied der physikalisch-mathematishen Klasse Henri Moissan in Paris am 20. Februar durch den Tod verloren. f;
In der am 7. März unter dem Vorsiß ihres Sekretars Dé Waldeyer statgefundenen Sitzung der physikalisch-matbema- tishen Klasse las Herr Warburg über die Orydation de? Stickstoffs bei der Wirkung der stillen Entladung au atmosvbärishe Luft, nah gzmeinsam mit dem Dr. G. Leik- hâuser gemahten Versuhen. Das nitrose Gas, welches bei der Wirkung der stillen Entladung auf trockene atmosphärische Luft at Nebenprodukt des Ozons entsteht, ist der Hauptsache nah Salpeter|autt- anbydrit. Durh Reaktion zwischen diesem und dem Ozon entsteht einé kleine Menge einer neuen Stickstoffsauerstoffverbindung, welhe dur® ióre Lichtabsorption besonders im Rot scharf charakterijiert ifl u? zuerst von Hautefzuille und Chappuis durch elektrishe Entladung ergattff wurde. — Herr Zimmermann überreichte eine BMitteilung: t! gerade Stab auf elastischen Einzelstüßen mit Belaîtu? durch längsgerihtete Kräfte. F
Die am 28. Vahlen über vershiedene B dessen der Hauptfsatz
Es handelt sfich um einen 26 der Untersuungen über bie Biegung eines geraden Stabes, der F einzelnen Punkten in der Querrichtung elastisch gestüßt und 1n Längérihtung durch Kräfte belastet ist. Dieser erste betrifft den Fall daß die Läncskräfte nicht in der A: des Stabes angreifen. Der zweite Teil, der sid die Wirkung von Kräften bezieht, die in die Staba't fallen, soll später vorgelegt werden. - Das gefundene Rechnuns?“ verfahren ermögliht die genaue Ermittlung des Verhaltens der Qu gurte oben offener Brücken. — Herr Klein legte eine Milte ti von Professor Dr. Gustav Klemm in Darmstadt vor: Beri! über Untersubungen an den sogenannten „Gneißen“ und den par morphen Schiefern der Tessiner Alpen. 1V. Der Verfafer behan den sehr komplizierten, aber nit in Kürze wiederzugebenden Aufbau! des von ihm untersuhtea Gebiets. j A
Vorgelegt wurden Heft 27 des akademischen Unternehme? „Das Pflanzenreih“, enthaltend die Polemoniachae von A. Dra Bu Leipzig 1907, und Fortsegungen ter von dec Akademie unter fugte
. Ascherson und P. Graebner, 8ynopsis der mittel- ; rén Flora. Lief. 44—46. Leipzig 1906, und O.Shmiede- , Opuscula Ichneumonologica. Fasc. 15. Blankenburg ; Thür. 1907.
L E der am 7. d. M. unter dem Vorsiß ibres Sekretars Herrn Nablen abgehaltenen Sibung\ der philosf ophisch-historishen Klass e las Herr Kekule von Stradoniy über das Bildnis des Sokrates. Er erörterte die verschiedenen erhaltenen Porträt-
typen und die Frage nah ihrer Authentizität.
“ Wohlfahrtspflege.
Arbeiterurlaub.
Das Kriegsministerium bestimmte, daß dle Betriebe der deutshen Heeres8verwaltung, u. a. also die Proviantämter, die Armeekonservenfabrik, die Bekleidungsämter und die Garnison- und Lazarettverwaltungen, den bei ibnen dauernd beshäftigten Arbeitern fünftig unter Fortzablung des Lohnes jährli einen Erholungsurlaub bewilligen sollen. Als Berechtigte gelten sieben Jahre beschäftigte Arbeiter mit 4 Lagen, alle über 10 Jahre beschäftigten Arbeiter mit 7 Tagen. Gute Fübr..ag und befriedigende Leistungen gelten als Vorbedingung für die Urlaubs8gewährung. — Der Besißer der Völklinger Eisenwerke (Saargebiet), Kommerzienrat Karl Röchling, be- stimmte anläßlih seines 80. Geburtstages u. a., daß für alle Arbeiter, die länger als 15 Jahre im Dienste der Firma stehen, ein Sommer- urlaub von einer Woche mit einer Urlaubsunterstüßung von je 25 6
eingeführt werde.
Eine Zentralstelle für Wohnungsreform
mit dem Wirkungsgebiete für ganz Oesterreich ist am 25. Februar 1907 in Wien gegründet worden. Zur konstituierenden Versammlung hatten sich der Minister des Innern und viele Vertreter staatlicher und gemeindliher Behörden sowie die Leiter zahlreiher Stiftungen und Vereine eingefunden. Der mit großer Umsicht und praktischen Erfolgen auf dem gemeinnüßigen Gebiete wirkende Professor Dr. Rauchberg (Prag) legte in längerer Eröffnungsrede die Ziele der neuen Ver- einigung dar, ausgehend von den unzuträglißen Wohnungs- verbältnifsen, wie sie sich besonders in den Großstädten und vor allem in Wien seit längerer Zeit geltend mahen. 592 134 Menschen, das sind 43/0 der Bevölkerung Wiens nach der Zählung von 1900, baben, von der Küche abgesehen, cinen einzigen Raum zur Verfügung, und 23 397 der allerkleinsten Wohnungen waren übervölkert, indem sie von sechs und mehr Personen beseßt waren. Aehnliche, oft noch s{limmere Zahlen ließen fich für fast alle aufstrebenden Industrie- städte Oesterreichs aufstellen. Unter solhen Wohnverhältnissen müßten auch alle sonstigen Fürsorgebestrebungen, z. B. diejenigen gegen die Tuberkulose, erfolglos bleiben; und wie sehr würden Prostitution mnd Geshlehtskrankheiten durch folhe Zustände gefördert! An diesem Notstand sei niht fo sehr der absolute Mangel an Wohnungen, nit ungenügende Bautätigkeit, als vielmebr der Umstand huld, daß der Zins für die meisten der kleinen Mieter unershwinglih sei. Die MWohnungsfrage sei aber niht nur eine Frage der Arbeiterklafse und der Unbemittelten, fie sei eine ganz allgemeine Kulturangelegenheit, deren Lösung für alle zu erstreben sei.
Dec Professor Rauchberg entwickelte nun die wichtigsten Punkte des Reformprogrammes der Zentralstelle. Zunächst, sagte er nah dem „Oesterr. Oekonomist“, fordern wir Dezentralisation des Ansiedelungs- wesens und im nan dange damit möglichste Weiträumigkeit der Stadtanlage. ir boffen dadurch besser und billiger zu wohnen. Neue Anlagen folher Industrien, die mit threm Standorte nicht auf die Stadt angewiesen sind, gehören aufs flache Land. „Landindustrie* lautet die Den Von noch größerer Wichtigkeit ist die planmäßige Autgestaltung,
rweiterung und Verjüngung der bestehenden und rasch wachbsenden Städte. Hier gilt es vor allem, das Außengelände planmäßig der Bebauung zu ershließen und es dur rasche und wohlfeile Kommunikation an das Innere der Stadt anzugliedern. Hierjzu müßten ein modernes Expropriationsg! seß sowie moderne Bauordnung:zn und auch ein Wohnungsgeseß nach dem Muster der westlihen Kulturstaaten ge- schaffen werden. Auch die Besteuerung der Wohnungen müßte einer durhgreifenden Reform unterzogen werden. Sie trifft gerade die Schwälhsten am härteften. Die österreihische Mietfteuer in ihren verschiedenen Formen kann als eine Besteuerung der öffentlihen Ge- sundheit bezeichnet werden. Den entscheidenden Schritt muß man von der Betätigung des Privatinteresses und von der Selbsthilfe er- warten. Es handelt sich um die Organisation einer gemeinnützigen Bautätigkeit auf gesunder wirtschaftliher Grundlage: Genossenschaften, Aktiengesellshaften, Gesellshaften mit beshränkter Haftung, Stif- tungen, Staat, Gemeinden, größere Arbeitgeber, ja selbs private Kapitalisten könnten da eingreifen und einen gesunden Einfluß auf den Wohnungsmarkt üben. Der geseßlihe Schuß der Bauhandwerker ist eine wihtige, maßgebende Forderung. Das wichtigste Problem ift aber die Kreditbeshafung. Die Wohnungsfrage ist eine Kreditfrage. Ihre Lösung wird in der Richtung zu suchen sein, daß sh zwischen Bauführer und Geldgeber Zwischenstellen einshieben, die für eine öfonomishe und sozialpolitische Verwendung der Gelder Sorge tragen. Als solche Zwischenstellen der gesamten Kreditorganisation kommen die Träger der gemeinnüßzigea Bautätigkeit in Betracht. Die Zentralstelle soll nun ein klares Programm für die Wohnungs- resorm aufstellen, auf die Geseßzebung und Verwaltung einwirken, aber auch durch Agitation und Belehrung in der Bevölkerung das Verständnis für die angestrebten Maßnahmen erwecken. Vie Zentralstelle soll ferner Musterbeispiele für Organi- sation und KreditbesGaffung der sffffentlißen Bautätigkeit hafen und den Interessenten zur Verfügung stellen. Die iu erridtenden Zweigvereine follen die örtlihen Interessen organisieren, mit der Aenteatfielle in Verbindung f\eßen und so ein Neß gemeinnüßzig wirkender Bau- und Kreditveranstaltungen \{afen. Der Redner {loß: Die Wohnungsreform ist niht Parteisache, sie verleyt keine berechtigten Interessen, tie dient der allgemeinen Wohl- fahrt. Darum fordern wir auch alle Bevölkerungskreise zur Mit- wirkung auf.
Der Minister des Znnern sprach zu diesen Grundsäßen seige bolle Zustimmung aus und sicherte dem neuen Verein eine staatlide Sabvention von 2000 Kron. zu. Der Fürst Karl Auersperg legte als Präsident des Kuratoriums der Kaiser-Franz-Josef-Stiftung für Bolks- wohnungen und Woblfahrtseinrihtungen in großen Umrissen die Tätig- keit dieser mit 24 Mill Kron. ausgestatteten Stiftung dar. Der Kaiser- lihe Rat Johann Auspiter sicherte als Vertretec der Industrie deren tühaltlofe Unterstützung der Zentcalstelle zu und regte namentli eine nahhaltige Unterstüßung der Unfallversiherungsanstalten für die Bobnungsreform an. Von vielen anderen Seiten wurde die Unter- dung und Förderung der Zentralstelle in warmen Ausdrücken zuge- bert, odaß diese mit den günstigsten Aussichten ihre segensreihe rbeit ins Werk seten fann.
Bauwesen.
i Das bor einigen Monaten eröffnete Neue Breslauer Schau- pielhaus entspricht in technisher und baupolizeiliher Hinsicht den modernsten Forderungen. Besonders bemerkenswert ist die Konstruktion Str eunge, die von der Lolat-Eisenbetongesellshaft als Konsolen ohne L 7 îin das Zuschauerhaus vorgestreckt sind. Dur das Fehlen E her Säulen ist einmal der freie Blick von allen Siten gesichert, Sa ererseits gibt diese Ingenieurleistung dem Zuschauerraum eine ßerordentlihe Weiträumigkeit. sein Das nah ¡weijähriger Bautätigkeit gegen Ende vorigen M F Bestimmung übzrgebene neue Staatsarhiv in Breslau My Stil der „Goldenen Krone“, eines vor etwa 2 Jahren ab- ü cohenen alten Patrizierhauses, aufgeführt. Bei dem Bau sind bekr, das funstyolle Sandsteinportal und die eigenartige Zinnen- dem Ab der „Goldenen Krone“ verwendet worden, welche Teile bei erworh bruch des Gebäudes dur den Konservator für Denkmalspflege ten und bisher im Museum für \{chlesis{he Altertümer auf-
estellt waren. Das alte Portal ift, vollständig sahgemäß wieder- crgehtel, dem Neubau als Eingang des Verwaltungsgebäudes ein- gefügt.
Land- und Forftwirtschaft.
XXXV. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtshaftsrats.
_In der gestrigen, dritten Sitzung bildete die Bekämpfung der Rindertuberkulose mit Bovovaccin und Tauruman auf Grund der in Mecklenburg-Streliß gemachten Er- fahrungen den wichtigsten Gegenstand der Beratung. Vor Beginn der Verhandlungen hierüber nahm der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner zu einer Ansprahe das Wort. Jch habe, so etwa führte er nach einem Bericht der „Post* aus, stets auf die Tätigkeit des Deutschen Landwirtschaftsrats einen hohen Wert gelegt, weil er es sich besonders angelegen sein läßt, die technishe Seite der deutschen Landwirtschaft zu fördern. Ich glaube mit dem Deutschen Landwirtshaftsrat, daß die Produktionskraft der deutschen Landwirt- {haft Hand in Hand mit der fortschreitenden Erkenntnis der deutschen Wissenschaft noch wesentli zu fteigern sein wird. Die Frage, die heute auf der Tagesordnung steht (Bekämpfung der Rindertuberkulose) und die uns lebhaft beshäftigt, ist besonders wihtig. Ich hoffe, daß es mit Hilfe des im Herbst dem Reichstage vorzulegenden deutshen Vieh seuchen- gelepes und gestüßt auf die fortschreitende Erkenntnis der deutschen Wifsenshaft mögli sein wird, die Rindertuberkulose ebenso wirksam ju bekämpfen, wie die Lungenseuhe und andere Viehkrankheiten mit Grfolg niedergekämpft sind. Auch mein Ressort hat sich mit dieser
rage eingehend beschäftigt, und ih kann an dieser Stelle nur die Versicherung abgeben, daß alle meinem Refsort zur Verfügung stehenden Hilfsmittel angewendet werden, um die tehnishen Be- ftrebungen des Deutschen Landwirtschaftsrats stets wirksam zu unterstüßen.
Alsdann erftatteten Graf von Shwerin-Göhren und Wirklicher Gebeimer Nat, Professor Dr. von Behbring eingehende Referate über das eingangs genannte Thema. Nach einer an diese sh an- s{hließenden längeren Diskussion, an der fih au der Präsident des Kaiserlihen Gesundbeitsamts Bumm und der Geheime Regierungsrat, Bee Dr. Dammann beteiligten, faßte die Versammlung folgenden
eschluß:
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat bittet den Herrn Reichskanzler, baldigst dafür zu sorgen, daß die Forshungen des Wirklichen Geheimen Rats, Profefsors Dr. von Behring von seiten des Deutschen Reichs in der umfafsendsten Weise unterstüßt und daß namentli ähnlihe Versuche, wie sie jet in Argentinien in Aussiht stehen, auch bei uns vorgenommen werden.“
Im weiteren Verlaufe der Sizung beschäftigte sich der Land- wirtshaftsrat mit der Frage einer Abänderung des Börsen- gesetzes, über die von Arnim-Güterberg referierte. Es wurde der nacstehende Antrag des Berichterstatters zum Beshluß erhoben :
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat \priht die Erwartung und das zuversihtlihe Vertrauen zur boben Reichsregierung aus, daß keines- falls eine Abshwähung des Verbots des börsenmäßigen Terminhandels in Getreide und Mühlenfabrikaten erfolgt, auch nicht durch Aufhebung des Börsenregisters.*“
Auf Antrag des Landeskulturrats für das Königreih Sachsen und der Landwirtschaftskammer für Waldeck-Pyrmont verhandelte der Landwirtschaftsrat ferner über Maßnahmen gegen den Kontrakt- bruch landwirtshaftliher Arbeiter. Die Referenten, Ge- heimer Oekonomierat Steiger-Leutewiz und von Stockhausen-Abgunft, hatten dazu Anträge gestellt, von denen der des erstgenannten Bericht - erstatters lautete:
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat erklärt: 1) E3 wird al3 un- bedingt noiwendig erahtet, daß Maßnahmen getroffen werden, welche geeignet sind, den Kontraktbruch ausländischer landwirtschzftlicher Saisonarbeiter zu verhindern. Die Einführung von Inlandspässen und zwar seitens aller Bundesstaaten für ausländische landwirtschaftliche Saifonarbeiter wird hierzu als dringend notwendige Einrichtung angeseben. 2) Es find alle Bestrebungen zu unterstüßen und zu fördern, welhe den Zweck haben, den landwirts{haftlihen Arbeiterstand zu heben; ebenso ist aber auch allen Bestrebungen entgegenzutreten, welche auf die Shmälerung der landwirtschaftlihen Erträgnisse binzielen und damit die Möglichkeit einer befferen Löhnung der landwirtschaftlihen Arbeiter verhindern.“
Der zweite Referent von Stockhausen beantragte :
„Der Deutsche Landwirtschaftsrat bält es für boten, daß die verbündeten Regierungen durch Maßnabmen der fsih stets f\teigernden Neigungen der aus - ländischen Arbeiter zum Kontrakibuh entgegentreten. Zu d
dringend ge-
em | Zweck empfiehlt es fih: 1) cinen Inland8nahweis zunächst für alle | nd nun v wil dank | Landwirtschaft und daß mich insbesondere der Bund der Landwirte
Arbeiter aus den öftlih und füdöstlich Deutschlands gelegenen Ländern
antwortliher Staatsmann nicht zögern soll, unzeitgemäße Zustände dur sahgemäße Reformen zu ändern. Ich gehöre nicht zu denen, die alles Fremde, weil es fremd ist, bewundern. Aber es war, wie mir scheint, eine große Weisheit der englischen Aristokratie, notwendige Konzessionen rechtzeitig zu mahen. Als eine segensreihe Folge dieser Weisheit sehe ih es an, daß England seit mehr als 200 Fahren von revolutionären Erschütterungen vershont geblieben ist, die namentli die romanischen Länder in diesem Zeitraum so oft heimge- sucht haben. Jch sehe hierin auch den Grund, daß in England dite große Menge in den Städten, die kleinen Leute in Stadt und Land gani überwiegend staat8erhaltend gesonnen sind. Auch über die im eihstag von mir angekündigte Reform des Börsengeseßzes will ich mich hier ganz offen aussprehen. Wir werden bei dieser notwendigen und dringenden Reform nichts bringen, was die Interessen der Landwirtshaft \chädigen könnte. Ih erwarte deshalb auch, w die Vertreter der Land- wirtshaft im Reichstage den ntwurf vorurteilslos prüfen werden. Die Landwirtschaft hat kein Interesse daran, daß durch die Börsengeseßzgebung Treu und Glauben im Geshäftsverkehr erschüttert werden. Auch die Landwirtschaft hat ein Interesse daran, daß unsere Börse gegenüber den Börsen des Auslands niht in den Zustand der Infertorität gerät, daß der hohe Bankdiskont, der mit eine Folge unserer Börsengesezgebung ist, erniedrigt wird. Auch die Landwirt- haft hat kein Interesse daran, daß die Börsen von Paris und London die Berliner Börse ganz überflügeln, kein Interesse, daß das deutsche Kapital in das Ausland wandert, kein Interesse, daß die kleinen Banken ganz aufgesogen werden durch die großen. Auch die Landwirtschaft hat ein Interesse daran, daß die Börse als hochwichtiges Wirtschaftsinstrument erhalten und leistungsfähig erhalten wird. Wir haben in Deutschland noch zu viel Vorurteile, in allen Lagern, bei allen Parteien, in allen Schichten der Bevölkerung. Wir haben zu viele vorgefaßte Meinungen, die als Scheuklappen den Blick einengen. Vor Jahren sagte mir einmal ein liberaler Pro- fessor, ein ganz verständiger Mann: „Wie können Sie, Herr Reichskanzler, eine agrarishe Politik mahen, wo Sie doch so ge- bildet find!“ Als ob man nicht ganz gebildet und dabei ein Stock- agrarier sein könnte. Jch kenne aber auch Konfervative und Agrarier, welche in Handel und Börse, wenn nicht ein unsittliches, so jedenfalls ein verderbliches Element sehen. Das find Scheuklappen, die wir ablegen müfsen, Einseitizkeiten, die man in anderen. Ländern nicht kennt, wo das Gefühl der Solidarität der verschiedenen Seiten des vielseitigen Wirtschaftslebens und ihrer notwendigen Vereinigung im böberen Interesse des Ganzen stärker entwickelt ist, als dies bei uns bisher der Fall war. ( i Wenn ih jene Reformen in Ausficht stelle, so bleibt unangetastet das Wirtschaftsprogramm, das ich seit bald fieben Jahren vertrete und durchführe: Schuß der nationalen Arbeit, Schuß unserer Pro- duktion, Schuß und Fürsorge insbesondere für die Landwirtschaft. Ich habe vor Ihnen einmal gesagt, daß ih die Bezeihnung als Agrarier als Ehrentitel anjehe, als rühmlihße Anerkennung. Und wenn ih mich einmal aus dem dôfentlihen Leben zurück- ziehe — der Augenblick wird ja einmal kommen, wenn auch vielleicht nicht so bald, wie das Dieser oder Jener zu wünschen sheint —, so mag man nur auf meinen politishen Leichenftein shreiben: „Dieser ift ein agrarisher Reichskanzler gewesen.“ Und warum, meine Herren, war ih das und bin es und werde es bleiben? Weil eine vernünftige, agrarishe Politik meiner vollen Ueberzeugung entspriht, weil fie sih wirtshaftlich und politisch wohl bewährt hat. Jch sage „politis“ auch im Nüdckblick auf die Wahlen. Mit Ret hat mein Freund, Herr von Oldenburg, darauf hingewiesen, daß wir dem braven Schwein Dank schulden. Gar manchen Abgeordneten hat es dur den reißenden Wahblstrom getragen. Schon darum gebe ih es nit Preis, sondern {ütte es vor Pestilenz. Daß aber diese meine Politik fich auch wirtischaftlich bewährt hat, beweist die gegenwärtige wirt- \haftlihe Lage. Die Landwirtschaft fängt an, fch endlih zu erholen, die Industrie blüht. Das Gedeihen des einen Erwerbszweiges ist aber kein Schaden für den anderen. Die Industrie kann um \o ge- wisser auf eine ruhige und stetige Entwicklung renen, je mehr fie sh den inneren Markt sihert. Die Landwirtschaft kann eine blühende Industrie vertragen, denn sie hat in der Industrie einen hervorragenden Konsumenten. Ih weiß wohl, meine Herren, daß eine industrielle Hohkonjunktur Nahhteile für die Land- wirtschaft mit ih bringt infolge des Arbeitermangels. Da ist es die
| Aufgabe der Staatskunst und der berufenen Organe der Landwirts
| schaft, durch planmäßige Ansiedlungen und Seßhaftmahung der Ar-
| beiter Wandel zu schaffen.
Ich vertraue, daß mein verehrter Kollege,
| der neue Landwirtschaftsminister, den Spuren \eines vortrefflichen
einzufübren, auf Grund dessen der betreffende Inhaber als Arbeiter für |
eine bestimmt bezeichnete Arbeitsstelle iugelafsen ift; als Arbeiter zugelassen find, einer steten Kontrolle zu unterziehen; im Fall des Kontraktbruhs sind dieselben sofort auszuweisen Mittellosigkeit auf Kosten des Reihs über die Grenze jurückzube- fördern; 3) über Arbeitgeber, welche derartige Arbeiter, die niht im Besitz dieses Jnlandsausweises sind, beschäftigen, Polizeistrafe zu verhängen.“
Nach längerer Diskussion, an der sich auch der Geheime Re-
2) Ausländer, | die auf Grund eines derartigen Nachweises im Deutschen Reich | w! 1 i] f L rag ih | Eben, daß man sich zunächst kabbelt und zankt, bis man sich kennen gelernt
und bet |
| Gesamtinteresse des
gféerungsrat Freiherr von Falkenhausen als Vertreter des Ministeriums |
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten beteiligte, bes{chloß die Ver- sammlung, die Beschlußfafsung über die Anträge der Réferenten bis zur nächsten Tagung zu vertagen, und nahm nur den folgenden Antrag des Grafen zu Rantzau an:
.In Erwägung, daß inländishe Arkbeitervermittlung®ëagenten Arbeitertrupps aus Nussish-Polen und Galizien mit den bierfür be- stehenden Fahrpreisermäßigungen von der russischen resp. österreichishen Grenze über Lübeck nah Dänemark tranéportiert haben sollen, wird der Vorstand des Landwirtschaftsrats ersucht, bei zuständiger Stelle dafür einzutreten, baß ein derartiger Mißbrauh der zu Gunsten der deutshen Arbeitgeber getroffenen Einrichtung künftig unmöglih gemacht werde.“ C
Zum Schluß berihtete der Oberlandesgeriht8rat Schneider-Stettin über die reichs8geseßlihe Regelung des Privatversicherungs- wesens. Anträge waren hierzu nicht gestellt, und es wurden infolge- dessen au keine Beschlüsse darüber gefaßt.
Bei-dem gestrigen Festmahl des Deuishen Landwirishaftsrats hielt, nahdem der Präsident des 1 raf Schwoerin.Löwit ein begeistert aufgenommenes Hoh auf Seine Majestät den Kaiser und König ausgebracht und der zweite stellver- tretende Vorsigende Mehnert die Gäste begrflißt hatte, der Reih3-
kanzler Fürst von Bülow, wie „W. T, B." berichtet, folgende Rede: |
ich danke den Herren Vorrednern für ihre Ih danke Ihnen allen, meiae Herren, für Nach
„Meine Herren, freundlihe Begrüßung. i die Zustimmung, die diese Worte bei Ihnen gefunden haben.
einem für das Land und für mih bewegten Jahr stehe ich M | und |
vor dem Deutshen Landwirtschaftsrat. Ein ernster s{chwerer politisher Kampf liegt hinter uns, der viel Auf- regung hervorgerufen, aber auch gesunden Sinn, kräftiges National- gefühl im deutshen Volk von neuem hat hervortreten lassen. Denn der Kampf ist der Vater aller Dinge. Ein Vand ist in diesem Kampfe erfreuliherweise nicht gelockert, sondern, wie ih hoffe, noch gefestigt worden: Das Vertrauen zwischen dem deutschen Neichs- kanzler und der deutschen Landwirtschaft. Dieses Vertrauensyerhältnis wird auch keinen Wandel erfahren, dessen bin ih sicher, wenn ih mih anshicke, Wünsche zu erfüllen, die bereits seit langer Zeit von den Parteien der bürgerlichen Linken gehegt werden. Wenn ih im Reichs- tage unter anderem meine Bereitwilligkeit erklärt habe, eine Neform des Vereins- und Versammlungsrehts, des Strafr:chts und der Strafprozeßordnung durchzuführen, so leitet mich dabei die Ueberzeugung, daß ein führender und ver-
Landwirtschafisrats Graf von | gibt | wirt’haft.*
eine angemessene | Bund der Landwirte vorkommen werden,
Vorgängers folgend, auch diese Frage, wie das Problem, das große Problem der Entshuldung, zu etnem günstigen Abs{chluß führen wird. An meiner Hilfe wird es thm nicht feblen.
Und nun noch eins. Jch will dankbar anerkennen, daß mich die
niht im Stich gelassen haben, vor allem nit in meinem Kampfe aegen die Sozialdemokratie. Mein Verhältnis zum Bunde der Land- wirte war ja anfänglih etwas flürmisch. So geht es gerade in guten und aneinander gewöhnt und in einander gefunden hat. Dann geht es um so besser. Jch halte es troßdem nicht für ausgeschlossen, daß au in Zukunft gelegentlich Meinungsverschiedenheiten zwischen mir und dem Denn für mih als Neichs- kanzler kann es nur eine einzige Richtshnur geben, das wohlerwogene Landes; darum kann ich mih nie einer Partei, einer Nichtung ganz zu eigen geben. Und der Bund der Land- wirte ist seinecseits kein offizielles oder offizióses Organ, er steht auf eigenen Füßen. Wohl mögli, daß die „Deutsche Tageszeitung*, deren Haltung ih neulich verdiente Anerkennung gezollt habe, einmal wieder mit mir ins Gericht gehen wird. Ich werde aber troßdem dem Bunde der Landwirte stets Gerechtigkeit widerfahren lassen, und ih hoffe, daß ec fortfahren wird, tapfer, aber auc klug, mit Entschiedenheit, aber auch mit politischem Geschik, unter Anerkennung der berechtigten Forderungen anderer Erwerbsstände für die Landwirtschaft cinzutreten.
Die Landwirtschaft aber möge überzeugt sein, daß ihre wirtschaft- liche, sozialpolitishe und politishe Bedeutung von den verbündeten Regierungen verstanden und gewürdigt wird. Sie wird auh an der- jenigen Stelle gewürdigt, deren Ihr verehrter Vorsißender Graf Schwerin soeben in so s{höônen und beredten Worten gedacht hat. Als ich vor einigen Jahren die Söhne unseres Kaisers in Plön besuchte, führten sie mich nah einer Insel im Plôner See, wo thnen ein kleiner land- wirtschaftliher Betrieb eingerihtet worden war. Auf dem Häuschen, das in diesem Betriebe lag, standen die Worte: „Nihil melius, nihil homine libero dignius quam agricultura.“ „Nichts Befseres gibt e?, nichts, reas des freien Mannes würdiger wäre, als die Land- In dieser Gesinnung erzieht unser Kaiser Seine Söbne, solWe Gesinnung hegt Er selbst. Wir aber, meine Herren, vereinigen uns auch heute în dem Nufe und in dem Wunsche: .Die deutsche C I sie blühe und gedeihe! Der Deutsche Landwirtschaftsrat ebe ho !“*
Saatenstand und Getreidehandel in Rumänien.
Der Kaiserliße Generalkonsul in Gala berichtet unterm 9, d. M.: In Rumänien hielt die Kälte während des ganzen Monats Februar an. Die Wintersaaten haben durch den anhaltenden Frost keinen Schaden gelitten, da sie durch Schnee genügend ges{ütt waren.
Die Getreideausfuhr über Sulina wurde durch einen Eise ürtel, der fich vor die Mündungen der Donau gelegt batte, eine kurze Zeit unterbrochen.
Im Februar d. I. wurden über Sulina ausgeführt :
90 775 t Weizen 15 766 t Gerste 23 078 „ Roggen 5 635 „ Hafer 12 903 , Mais 2089 „ Bohnen.
Die Getreidevorräte in Sulina sind infolge der beträtht- lihen Ausfuhr in den Wintermonaten bereits stark zusammenges{molzen. Dem Aufschwung der Preise zu Beginn des Monats Februar folgte bald ein Rückschlag für Weizen, während Roggen und Gerste fid