1907 / 68 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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Fortführung der Beratungen hergerihtet werde. Sizung sodann geschlossen. pavillon, wo auch mehrere Minister anwesend waren. Nach

kurzer Beratung wurde beschlossen, den unbeschädigten Teil der Decke des Sizungssaals der Reichsduma zu beseitigen und

führt, daß in dem Parteiprogramm nicht die Mittel angegeben seien, durch die man konstitutionell-demokratische Ziele erreichen |

Oesterreich-Ungarn.

Der ungarishe Handelsminister Kossuth erklärte gestern, „W. T. B.“ zufolge, vor der Wählershaft in Czegled in bezug auf die zollpolitishen Verhandlungen mit Oesterreich, infolge der bis 1917 abge\hlossenen Handels- verträge mit dem Auslande sei es unmöglich, derzeit ein selbst- ständiges Zollgebiet zu errihten. Für die Zeit nah 1917 fónne Ungarn jedoch mit Desterreih nur auf der Grundlage verhandeln, daß tatsählih Zollschranken errichtet werden. Eine selbständige Bank sei mit der wirtshaftlihen Selbständigkeit eng verbunden; bezüglih der Gemeinsamkeit der Bank sei Ungarn nur bis zum Jahre 1910 verpflihtet. Die Erklä- rungen Kossuths wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen.

Rußland.

Die gestrige Sißung der Reihsduma, der der Minister- präsident Stolypin und mehrere andere Minister beiwohnten, wurde im sogenannten Runden Saale des Taurischen Palastes abgehalten. Ueber den Verlauf der Sißzung berihtet das W.2. D. „Wie folai:

a viele Deputierte den Präsidenten niht verfiehen konnten, entst(nd aroße Unruhe. Die Fraktion der Kadetten beantragte, die Beratungen zu unterbrehen angesihts der Unmöglichkeit, unter solhen Verbältnifsen zu arbeiten. Andere Deputierte unterstüßten den An- trag. Der sozialdemokratishe Deputierte AkTexinsky sagte, ihm heine es, als ob die Mitglieder der N-chten ein Komplott organisiert hätten. Der Präsident rief Alcxinsky zur Ordnung. Mehrere andere Deputierte traten dafür ein, daß die Beratungen unter- brochen würden, bis ih ein neuer Naum für die Sigungen gefunden habe. Unter großer Unruhe des Hauses brachte der Präsident den Antrag zur Abstimmung, daß die Beratungen unterbrohen würden und das Präfidtalbureau der Neicksduma beauftragt werde, fih mit der Nez!ierung ins Benehmen zu seßen, damit eine Stätie für die

Der Anirag wurde fast einstimmig angenommen und die

Nah Schluß der Dumasizung lud der Ministerpräsident Stolypin den Dumapräsidenten Gol owin in den Minister-

vorläufig eine Segeltuchdecke herzustellen, damit die Sitzungen am 20. März wieder aufgenommen werden können.

Der Antrag der Kadettenpartei auf Legalisierung der Partei ist von dem zuständigen Gerichtshof abermals abgelehnt worden. Jn der Begründung wird, nah einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ ange- i

wolle. Jnfolgedessen liege die Möglichkeit vor, daß diese Mittel ungeseßlich und die öffentlihe Sicherheit gefährdend |

seien. j

Jn den gestern in Finnland begonnenen Landtags- | wahlen gelangte, „W. T. B.“ zufolge, zum ersten Male das | allgemeine Wahlrecht zur Anwendung. |

Ftalien. i

In Beantwortung von Fnterpellationen über den Aethiopien betreffenden englisch - französisch- | italienishen Vertrag gab der Minister des Aeußern | Tittoni gestern in dec Deputiertenkammer einen hihtlihen Rüblick über die Verhandlungen, die zunächst ! zwischen Jtalien und England und dann zwischen allen drei | Regierungen geführt worden seien und am 13. Dezember 1906 | zu der Unterzeihnung des Vertrages geführt hätten. Der Minister führte dann, „W. T. B.“ zufolge, weiter aus: Durch diesen Vertrag seien die Interrfsen Italiens in den ! Punkten gesichert, die die meisten Einwendungen erfahren hätten. j Italien sei vor die Wahl gestellt gewesen, entweder dem französish- j englishen Einvernehmen beizutreten oder allein vorzugehen, denn | wenn Italien es abg!lehnt bätte, den Vertrag zu unter- j zeihnen, hätten Frankreich und England ihn allzin unterzeichnet, !

und man hâtte eine Wiederßolung der peinlihen Episode | vom 21. März 1899, dem Tage des Abschlusses des english- |

französischen Einvernebmens bez¡üglih des tripolitanishen Hinter- | die Wiederh-rstellung der Regierungsvorlage, also die Beseitigung der landes erlcbht. Der Minister verlas dann eine dem Parlament noch Frage nat ver Religion. Eine Tendenz, wie man in der Presse î D va N A De S q 2 e 9

: Ee - ; ck - !| befürztet hat, verfolgt unfer Antrag in keiner Weise. Wir werden Att 202 t Mud T Ee esurtet ha g | g |

fiage betreffenden Verträge mit mehreren Sultanen und {loß: Der | vie e die ‘Frage nit berumkommen können, ob die Frage nah | der Religion wesentlich is und . die Opfer, die mit dieser T R ;7 ; d E R ._ | Fragestellung verbunden find, dur ten cs für die politishe und kommerzielle Zukunft seiner beiden Kolonien | Frage! Lo E3 mag vielleicht von statistiihem Interesse R i x E | sein, die Zahl der Angebörigen einer bestimmten Religioz2gemein- zerlaufe der Sißung nahm das Haus die | saft

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niht vorgelegte Erklärung bezüglih des Abschlusses der die Grenz-

Vertrag roerde fruhtbar oder unfruchtbar sein, je nachdem Italien tätig oder saumselig sein werde; wenn Italien ge|ch:ckt vorgehe, könne

vorforgen.

Im weiteren

e- | nossen ist folgender Antrag eingebracht:

| Kommission und empfaßl die Annahme der Kommissionsbes{chiüsse und | Resolutionen.

S) Handelsverträge mitSerbien und mit Rumänien an. |

Portugal.

Der König Friedrih August von S gestern, nah Verabschiedung von der Königlichen Familie, von Lissabon nah Batalha abgereist. Der König wird, wie das „W. T. B.“ meldet, ferner Alcobaca, Oporto und Bufsaco besuchen und übermorgen von Entvoncamento nah Madrid weiterreisen.

Türkei.

Nach Angaben der türkishen Regierung ist, wie das „W. T. B.“ meldet, am 7. März in Domates, Kastoria, eine unter dem Befehl des berüchtigten Banden- führers Mitre stehende, zehn Mann starke bulgarische Bande umzingelt und nah kurzem Kampfe, in dem Mitre und drei Komitatschis fielen, in die Flucht geshlagen worden. Von den Truppen der Regierung wurden 30 Mann ver- wundet. Jm Zusammenhang mit den Kämpfen gegen eine serbishe Bande im Bezirke von Kumanova sind etwa 100 Serben wegen Einverständnisses mit der Bande verhaftet worden.

Rumänien.

Die Deputiertenkammer hat, „W. T. B.“ zufolge, genchmigt, daß von dem 44 446 355 Lêéi betragenden Bu dget- überschuß des Jahres 1905/1906 17731251 Lëi für Kanonen, 2500 000 für Spitäler, 350 000 für Schulbauten,

1 000 000 für ein neues Gebäude für die Deputiertenkammer |

und der Rest für verschiedene soziale und kulturelle Zwecke verwendet werden. Serbien. Von seiten der Regierung ist vorgestern dem österreichisch- ungarishen Gesandten eine Antwort auf die leßte Note

der österreihish-ungarishen Regierung überreicht | gemeinsam debattiert.

worden. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ besagt diese,

daß die serbishe Regiecurg von der Note mit Befriedigung |

Kenntnis „genommen- habe und auf die im Jnteresse beider Staaten liegende baldige Aufnahme der Verhandlungen hoffe.

Sachsen ift

Bezirk |

! dieser Frage und ihre Verarbeitung die Kosten um etwa 95 000 #4

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i ganze Zählung8geshäft verzögert werden kann. Auch der finanzille

| cestell‘en Toleranzantrag die Bestimmung vorgeschlagen, daß ftaat-

| handelt

i würden nur durch die Feststellung des Besißers gewonnen werden

Bulgarien.

Gestern hat. das feierlih2 Leichenbégängnis des ermordeten Min isterpräsidenten Petkow statkgefündèn, an dem, „W. T. B.“ zufolge, Vertreter des Fürsten, die Minister, das diplomatische Korp3 sowie O Deputierte, Vereine und Deputationen teilnahmen. Auf dem Wege, den der Zug nahm, bildeten Truppen Spalier. Jn der Kirche hielt der Minister Genadiew cine Rede, in der er die her- vorragenden Eigenschaften des Verblichenen hervorhob. Die Beisezung verlief in vollster Ordnung.

Die Anhänger der Regierung hatten nah dem Begräbnis eine Zusammenkunft, bei der die Minister erklärten, die Regierung sei entschlossen, im Geiste Petkows die Regierung fortzuführen.

Asien.

Laut amtliher Meldung aus Celebes sind bei cinem Kampf, den die niederländishen Truppen mit den Ein- geborenen hatten, 280 Eingeborene, darunter mehrere Häuptlinge, gefallen, sowie 72 Männer und 200 Frauen ge- fangen genommen worden. Die Truppen hatten selbst nur unbedeutende Verluste.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrige Sißzung des Reichstags und über die vorgestrige und die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.

In der heutigen . (20.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des JFnnern Dr. Graf von Posa- dowsky-Wehner und der Staatssekretär des Reichsshaß- amts Freiherr von Stengel beiwohnten, wurde der Geseß- entwurf, betreffend den Hinterbliebenenversiherungs- fonds und den Reichsinvalidenfonds, ohne Diskussion unverändert definitiv genehmigt.

Darauf wandte \fih das Haus zur zweiten ‘Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Vornahme einer Berufs- und Betriebszählung im Fahre 1907, auf Grund der Vorschläge der VI. Kommission.

In Paragraph 3 des Gesetzes hat die Kommission in die vorliegenden Fragen auch die über die Religion eingeschaltet ; von den Abgg. Dove und Dr. Doormann is beantragt, diese Einschaltung wieder zu beseitigen. Die Kommission schlägt ferner folgende Resolutionen vor:

a. den Herrn Netcßskanzler zu ersuhen, Vorkehiungen zu treffen, daß für die Folge . die Berufs- und Betriebszählung nach Ablauf von böchstens 10 Jahren vorgenommen werde;

, den Herrn Reichskanzler zu ersuczen, in dem Gewerbeformular und Gewerbebogen / bei Angabe des Lebensalters zu unterscheiden ¡wischen folchen, welche weniger als 14 Jahre und solhen, welche 14—1s Fabre alt find;

e. den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, Erhebungen über die Eigentumsverteilung der land- und forstwirtshaftlich benußten Bodenflächen im Deutschen Reihe unter Berücksichtigung der Art der Bewirtschafiurg, der Zahl und Größe der Betriebe usw. zu veranstalten.

Von den fozialdemokratishen Abgg. Albrecht und Ge-

Die verbündeten Megierungen zu ersuchen, bei der Berufs- und Betriebszählung im Jahre 1207 felgendes fesistellen zu lassen:

a. Bet der Berufszählung: Ob die Befragten eine fahgemäße Ausbildung durchgemaht haben und in welchem Beruf;

b. Bei der landwirtschaftlißen Betriebszählung: Wer Eigen- tümer der landwirtschaftlih ausgenußten Grundfstüde ift;

c. Bei der gewerblihen Betriebszählung: 1) wie groß die Zahl der Arbeiter ist, die im Haushalt ihres Arbeitgebers Koît und Logis haber; 2) wie groß die Zahl der regelmäßigen Arbeitsftunden pro Woche in den gewerblihen Betrieben ist.

Abg. Dr. Dröscher berichtete über die Verhandlungen der

Nbg. Dove (fr. Vag.): Unser Antrag zum § 3 beabsihtigt

Erfolg gerechtfertigt

festzustellen. Hier bei der Berufs- und VBetriebs- zäblung handelt es fih doch aber lediglich tarum, festzustellen, was von twirtshaftlihem und sozialpolitis@em Interesse ift. úIn dieser Beziehung kann aus der Zugehörigkeit zu ciner Religions- genofsenschaäft keinerlei Schluß gezogen werden in bezug auf die Betätigung im wirischaftlihcen Leben. Auf dem Gebiete der Sozial- políti? muß doch auch der erste Grundsaß der Religion sein die Betätigung des barmherzigen Samariters. Für etwaige gesetz- geberischc Maßnahmen darf ledigli das soziale Bedürfnis und die Hilfsbedüftigkeit maßgebend sein. Es ist deshalb nicht anzunehmen, daß die Frage nah der Religion irgend welhes sozialpolitish ver- wertbares Material liefert. Dozu kommt, daß durh diese Frage das

GSesichtäpunkt fällt ins Gewicht, denn in der Kommission ist uns von der Regierung vorgerechnet worden, daß die Stellung

erhöhen würden. Eine Verzögerung des Zählungsgeschäfis müßte in jedem Falle beklagt werden. Ih hoffe, daß auch das Zentrum für unsern Antrag slimmen wird, denn es hat in seinem wieder-

lihe und kommunale Behörden noch der Religion nur fragen dürfen, wenn es si um die Geltendmachung rehtliher Verpflihtungen und Befugnisse handelt, die von dec Zugebörigkeit zu einer bestimmten Religtonsgemeinshaft abhängt. Hier aber werden staatlihe und fommunale Behörden ausdrüdlih aufgefordert, folhe Nachforschungen anzustellen. Jch bitte daher, unseren Antrag anzunehmen.

Gegen die Stimmen des Zentrums und der Polen wurden im §8 3 die Worte „und der Religion“ nach dem Antrage Dove gestrichen und im übrigen der Paragraph angenommen. Auf Midersprüche von der rehten Seite, wo man die Fragestellung nicht verstanden hatte, stellte der Präsident Graf zu Stolberg anheim, eventuell bei der dritten Lesung darauf zurüczukommen. ; :

Im übrigen wurde die Vorlage unverändert angenommen.

Die Resolutionen déèr Kommission wurden. gesondert ver- Die Resolution a wurde ohne Debatte angenommen, ebenso die Resolution h. Die Diskussion über die Resolution c wurde mit der Resolution b (Albrecht und Genossen) sub b

Abg. Scheidemaun (Soz) befürwortete die Annahme der Resolution Albre&t. Erschöpfende Aufklärung über die Eigentums- verteilung der land- und forstwirtschaftliÞh benußten Bodenflächen

können. Nur auf diesem Wege würde au fesigestellt werden k wie es mit. der Aufsaugung des kleinbäuerlihen Besißzes durch Großkäbital stehe. Die Landwirtschaftskammern kbäiten ja für v atfahe eine Fülle von Material geliefert, und ein Antrag der Q êse bündler, der im preußishen Abgeordnetenhause vorliege, gehe von T selben Vorausfeßung aus. Da müsse die Frage nah dem Eigentü (Ie gestellt werden, um wenigstens einige Klarheit in diese Verbältute in dba, Dr. Will-St ßburg (Zentr.): Wi 2 a: Dre ill -Straßburg (Zentr.): r gehen i Punkte noch weiter, als der Antrag der S aria will M möchten auch die Besißer der forstwirtschaftliden Grundstüte fest gestellt wissen. Der Fragebogen würde dann aber zu sehr belastet werden, und eine ab}olute Garantte für richtige Angabe wäre dod nit vorhanden. Wir vertreten demnach den Gedanken der Anstel A einer besonderen Erhebung im ganzen Deutschen Reihe über die Per sonen der Eigentümer. :

(Schluß des Blattes.)

gn der heutigen (35.) Sißung des Hauses dex Abgeordneten, welcher der Minister der geistlihen 2 Angelegenheiten Dr. von Studt beiwohnte, teilte der Präsident von Kröcher zunächst mit, daß der Justizminister dem Hause das Urteil des Gerichts in Erfurt, das gegen sozial: demokratishe Redakteure wegen Beleidigung des enb hauses L tnenien vechängte, mitgeteilt hat. Auf Vor- \hlag des Präsidenten wurde das Schreiben der Geschäfts: ordnungskommission überwiesen zur Vorberatung der Frage ob von der Ermächtigung, das Urteil öffentli bekanntmachen zu lassen, Gebrauch gemacht werden soll.

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Sodann wurde die Beratung des Etats deg Ministeriums der geistlihen, Unterrichts- und Ra, andel aGinaiten fortgeseßt, und zwar zunätst

die Besprehung des Antrags der Abgg. Hobrecht (nl) Freiherr von Zedliß und Neukirch (fr. kons.), Fishbeck (fr. Volksp.) und Broemel (fr. Vgg.):

„die Reaierung zu ersuchen, im Bolkss\chulwesen auf die allgemeine Einführung der fachmännishen Schulaufsict Bedacht zu nehmen.“

Abg. Fun ck (fr. Volksp.): Der Antrag bringt nichts Neues, er enthâlt eine alte liberale Forderung und erscheint nur in dem neuen Gewande eines Antrages der konservativ-liberalen Paarung. J@ bâtte nihts dagegen, wenn alle Erzeugnisse dieser Paarung {ich in einer folchen zUluns bewegten. Nach der Ordnung des Gesetzes von 1872 hat die Kirche kein Net zur Ausübung der Schulaufsicht. Diese beruht nit auf Gesetz, sondern nur auf einer Verwaltungsmaßnahme. Zwar hat der frühere Kultusminister von Goßler, dem man sicherlihß nit vor- werfen kann, daß er in der Fürsorge für die Kirche binter irgend einem anderen Kultusminister zurückgeblieben wäre, am 21. September 1890 etnen Erlaß gegeben, wona bei der An- tellung der Schulinspektoren in erster Linie das Augenmerk auf Lehrer an den Lehrerbildungs8anstalten und an den großen Volks und Mittelshulen geri@tet werden soll. In der legten Zeit hat fih aber die Regierung von dem Geist diefes Erlasses immer weiter entfernt. Wenn der Minister Objektivität in der Besezung der Schulinspektoren- stellen für fh in Anspruch nimmt, so entspricht die tatsächlihe Be- sezung niht einer Objektivität in unserem Sinne; wir meinen viel- mehr, daß die Besezung durchaus einseitig ist. Eine Zeitungs meldung weist - nah, daß seit 1887 in Hessen-Nafsau die Sahe eine Entwoicklung genommen hat, daß jeßt nur noch drei welt lie Schulinspektoren vorhanden find. Die Tendenz geht jeden- falls im Ministerium jeßt dahin, ledigli geistlihe Stulin- \pektoren anzustellen. Wir stehen auf dem Siandpunkt, daß die E Schulaufsiht ein Anachronismus is und daß sie die Entfaltung der Volksschule, wie wir sie wünschen, hindert. Der Geistlihe hat nicht die fachmännishe Uebung, um die Aufsicht auszuführen; er ift garniht in der Lage, an Khrer- versammlungen teilzunehmen, \sich in der fachmännischen Literatur auf dem Lauferden zu erhalten usw. Der Minister meint, daß die Geistlihen auf der Universität die nötige Vorbildung erhalten, und weist darauf hin, daß in der höheren Instanz sogar Juristen die Aufsiht üben. Das ist niht richtig, die Juristen haben aber eher Gelegenhett, Ls in diese Materie hineinzuarbeiten, als gerade die Geistlichen. Wir ind ter Ansicht, daß gerade auf dem Lande die Abhängigkeit des Lehrers von Geistlichen dem Lehrer in seinem Ansehen s{ädlich if. Bei dem Uebergewicht des Geiftlihen über den Lehrer wagt der Lehrer gar nit, seine abweihende Meinung im Schulvorstand geltend zu machen. Herr Glattfelter sagt, man möge dem Lehrer elnen gewiffen Spielraum çewähren; nein, man soll ihm diesen Spielraum gewähren. Es verleßt den Stolz des Lehrers, es entstehen die peinlihsten Szenen, wenn der geistlihke Schulinspektor den Lehrer vor den Kindern rektifiziert. Der Minister führte den Mangel an Lehrern auf einen Mangel an Lehrervorbereitungganstalten zurüd. So sieht es an der Oberfläche aus. Wenn der Minister sih genauer informierte, würde er zu ganz anderen Ergebnissen gelangen. Daß die Geistlichen den besten Willen haben, bezweifle ih gar niht; aber die Geistlichen empfinden jeßt selbs das Peinliche ihrer Situation, und aus evangelis{Gen Kreisen der Geistlihen wird selbst die Aufhebung der Sgulauffi#t gewünscht. Die Schulen müssen dem Kinde das lehren, was der Kampf ums Dasein verlangt; durch die geistliche Säulaufsicht wird aber der Schwerpunkt auf die religio]e Bildung gelegt. Herr Schiffer hat gestern einen schr wichtigen Punkt nur gestreift, do hat scin Parteifreund Dr. Fried- berg bei der ersten Etatsberatung stch schon über die Besetzung der Lehrstühle an den Universitäten besGwert. Es hängt dies aud mit einer Reihe sogenannter Fälle zusammen: der Fall Cefar, der Fall Römer, der Fall Jatho. Diese Dinge lassen erkennen, daß im preußishen Kultusministerium die Auffassung über kirhlihe Gesi&ts- punkte si in orthodorxer Richtung bewegt. Und doch wird die Theologie fich bald in irgend einer Weise mit der Wissenschast abfinden müssen. Auch in der geistlihen Schulaufsicht macht sich diet orthodor? Richtung geltend. Die Väter des Volkss{ulunterhaltung®- gesetzes haben als Kompenfation der Beteiligung des filien Elements an der Schulverwaltung die Einführung der fahmännischen Schulaufsicht erwartet. Aber das Bedenklihe an diesem Seles ist, daß es geradezu zu eixer weiteren Verstärkung die Elements auffordert. Die meisten Lehrer teilen unsere Ansich Der Minister hat gestern eine Erklärung abgegeben, die unser größte! Erstaunen erregt hat. Er fagte, daß die Regierung jeyt mit großen Aufgaben beschäftigt sei, daß sie den Zeitpunkt nicht angeben könne, wo an die Regelung dieser Materie gegangen werden t0nnf- Wir meinen, daß nit gewartet werden kann, bis si die Wirkungen des neuen Volksshulgesez-s und der bevorstehenden Regelung 2! Lehrerbesoldung übersehen lassen; es muß im Gegenteil so [nei ate möglich die Schulaufsiht neu geregelt werden. Wir find mil es Verschiebung ad Kalendas Graecas nit einverstanden. Wenn 1! alsbald etwas erfolgt, werden wir mit diesem Antrage wiederkommen. ME Reichskanzler hat im Sylvesterbriefe von dem wachsenden Verständnis Liberalen für nationale Fragen gesprochen. Das ift kein Komplimen! 12 uns, und es zeigt keine Kenntnis der Dinge. Nationale Fragen lege! nach unserer Auffassung niht allein auf dem Gebiete der Arm Marine, Ko”onien usw., sondern nationaïe Fragen besteben au _ dem kulturellen Gebiete. Bei dem Zedlißschen SchulgelePen res bei der lex Heinze und bei dem vorjährigen B \chulgzesez entstand die größte Beæwegung fim Volke; _ E zeigte, daß das Volk am meisten in Bewegung kommt, wo es B die geistige Freihzit handelt. Es handelte sih bei den leßten REEN is nit aus\chließlich um Kolonialfragen ; sondern das Bürgertum mel daß jetzt eine Zeit der Freiheit, namentlih in Preußen, kommen ar A Das Wort, daß „Preußen voran gehe“, is niht wahr, aber wir men dafür sorgen, daß es wahr werde. Der Reichskarzler hat Or im Landwirt\{haftsrat gesagt, sein Vertrauensverhältniß zur preuß! ibe Landwirts{chaft werde keinen Wandel erfahren, selbs wenn er Wün1ch@

pürgerlihen Linken erfülle; ein führender und verantwortliher Siaatômana solle nit zögern, unzeitgemäße Zustände durh sahgemäße formen zu ändern. Wir werden uns also jeßt an den Minister- Ne sdenten in Preußen wenden und Reformen nah liberalen nsen verlangen. Der Reéichékanzler sagte weiter, es sei eine oße Weisheit der englishen Aristokratie gewesen, notwendige Fonzessionen rehtzeitig zu machen. Das geht auf Sie (zur Rechten) und auf das Herrenhaus. Bieten Sie uns also die Hand. Im Nolke sind jeßt gewisse Erwartungen erweck worden. Man fann deshalb die A lehnung der bescheidenen Forderung dieses I it verstehen. Jh brauche zur Verteidigung dieses Antrags, der ein ersier Versuch ift, eine Reform yraktisch ins Werk zu seßen, nichts weiter zu sagen. Herr von Payer hat im Reichstage treffend esagt, es würde für die Königlih preußishe Regierung bedenklich fein, berechtigte Hoffnungen jeßt niht zu erfüllen. Ich rihte den Appell an das preußische Parlament und auch an die Regierung: Verhalten Sie fi gegen diesen Antrag nicht ablehnend, sondern deweisen Sie, daß Sie Verständnis haben für die Forde- rungen des Tages.

(Schluß des Blattes.)

Kunft und Wissenschaft.

v. A. Der französishe Plakatmaler und Lithograph Henri de Toulouse-Lautrec war in Deutschland bisher nicht allzu bekannt. Kurz vor feinem Tode, im Winter 1902/03 brahte die Berliner Sezession in etner ihrer Schwarz-Weiß- Ausstellungen eine Anzahl seiner Zeichnungen und Lithograpbien, und auch das Berliner Kupfer- stihkabinett hat mehrere seiner Arbeiten erworben, unter anderem hesizt es seine Illustrationen zu Geoffroys Yvette Guilbert, die in threr rotesfen Uebertreibung und Verzerrung besonders bezeihnend für seine ‘lt find. Jett hat der GurlittscheKunstsal on hiec die erste wirkli umfassende Ausstellung der Arbeiten von Toulouse-Lautrec eröffnet, die außer den Lithographien auch noch eine Reihe von Zeichnungen, Pastellen und Oelgemälden enthält. Toulouse-Lautrec ist sicher eine der eigentüumlihsten Erscheinungen aus dem Pariser Kunstleben. Er gehört zu der Gruppe der Steinlen und Vöber, ift wie jene ein Sittenshilderer, der nicht vom Pariser Straßenpflaster fortkommt, aher alle Erscheinungen des Lebens, an die er herantritt, sind thm eigentlich nur der Grundstoff für dekorative, phantastishe Spielereien. @ kommi ihm nirgends auf das Bild des wirklichen Lebens an, sondern auf das Gestalten seiner oft grausigen und verworrenen Eindrücke, die wild phantastisch und ver- ¡errt an uns vorüberziehen. Es ist ein wunderlihhes Gefühl fast des Schwindels, das einen überkommt, wenn man diese entweder införmigen oder übertrieben hageren Geshöpfe betrahtet, mit höhnisch häßlihem Ausdruck, wild betonter Gebärde, scelisch und geistig fo

E hsolut abstoßend, technisch mit einem Raffinement, ja mitunter mit

einer zarten Erlesenheit gegeben, die zuweilen das Widerwärtige ver- gessen läßt und zu rein künstlerisher Bewunderung zwingt. Es ift aber so, als ob Toulouse-Lautrec Sinn und Blick nur für das Häß- lide, Entartete, Beleidigende hätte, Mitunter möchte man ihn mit Kîte Kollwitß vergleichen, die auch zu den Naturen gehört, die nit von dem erhöhten, sondern von dem erniedrigten Leben angezogen werden. Aber in ihr ist es der Sinn für menshliches Erleben, was sie in diefe Dinge führt; durh die Häßlichkeit und Verzerrung der Formen leuGtet doch noch immer seelisches Leben. Teulouse-Lautrec \{ildert mit einer geradezu teuflishen Freude gerade die seelische Ver- derbnis, und er ift unendlih reich an Variationen und Nuancen, um immer neuen Ausdruck dafür zu finden. Die Bilder legen sid wie ein atemraubender Alp auf den Beschauer, so merkwürdig kommen Bosheit und Hohn darin zum Ausdruck. Ganz besonders interessant find die Blätter, in denen der Künstler das Auftreten der Yvette Guilbert s{ildert. Hier ereignet sih das seltene Zusammentreffen, daß dem Zeichner im Leben die Erscheinung entgegentritt, die lebendig ewordener Ausdruck seiner Kunst s{heint, und daß eine so markante Yasinliheit wie Yvette Guilbert einen Künstler findet, der ihrer Eigenart voll gereht zu werden und sie in ihrer ganzen sprühenden Veränderlihkeit und merkwürdigen Ausdrucksfähigkeit fest- ¡uhalten vermag, Man merkt, welch ein Fest es ihm ist, dem blitz- nellen Wechsel ihres Ausdrucks zu folgen, dies Gassenbubengesiht bald als höhnische Frage, bald von tragisher Bitterkeit erfüllt zu ¡eihnen, die eckige Gestalt mit ihren abrupten Bewegungen mit kecken Strihen zu umreißen. Technisch verleugnet Toulouse - Lautrec nirgends den Einfluß der Japaner. Geistreih behandelie Fläche, wenig aber ausdrucksvoll gegebene Linien, sparsam aufgetragene Farbenflecken, die aber an ihrer Stelle von größter Wirkung \nd. Vet allem zwiespältigen Empfinden, das er einflößt, muß man seine Technik doch unbedingt anerkennen. Sein eigentlihes Gebiet ist die Uthographie, die er mit zauberhafter Leichtigkeit behandelt ; in seinen Gemälden ringt er mehr mit dem Material und findet nicht immer so restlosen Ausdru.

__ In einem ret eigentümlichßen Gegensaß zu diesem französischen Klnstler, der niht müde wird, mit \{rillen Dissonanzen zu wirken, und desto mehr in seinem Element scheint, je greller fie sind, steht der ¡weite Künstler, von dem der Gurlittshe Kunstsalon eine Kollektiv- wêtellung bringt. Das ist Paul Thiem, der am Starnberger Lee lebt und in sanften, klaren Bildern den Zauber süd- deutsher Natur \{childer. Paul Thiem ist keine Natur von ungewöhnlich starkem Gepräge, aber er beschränkt sch auf ein Gebiet, das er beherrscht, und er durhdringt die Bilder, die er afft, mit innigem und weihem Gefühl. Hier und da ecinnert er un shottishe Künstler in seinen weihen und gedämpften Farben, do lheint hier auch der Einfluß von Dill mitzuwirken. In den Natur- limmungen, die er gibt, fehlt es ihm nicht an einem großen Zug, 10 if immer besonders \{ön die Behandlung der Wolken und Bäume. Sein Bestes aber gibt er doch in der Schilderung [kleiner, malerish gelegener Städte, menscenerfüllter Straßen, eng und malerisch zusammengebrängter Häuser. Ein wohltuender Frieden geht von den Bildern aus. Man fühlt, wie empfänglih der Maler für l Reiz warmer und stiller Stimmungen is, und aus dem fried- chen Grundton, der ihn erfüllt, geht ein wenig auch auf den Be- dauer über. In seinen wenigen Bildrissen ist Paul Thiem sehr liht und sahlichß. Man meckt ihm das Bemühen an, {ih treu und ar dem Gegenstand unterzuordnen und ihn rein wiederzugeben.

E, Grabstätte Kants am Dom in Königsberg i. Pr. ita wie die „K. H. Z." erfährt und wie gestern hon kurz Grell wurde, voraussihilich in kurzem nicht mehr sein; s nigstens nicht mehr in der altersgrauen Form, in der drei Ge- eter fle kannten und ehrten. Die Stoa Kantiana wird, nahdem tglih ibrer Erhaltung vershiedene Pläne erwogen, aber immer d g verworfen worden sind, der geplanten Erneuerung des Doms gn pfer fallen. Die Gebeine dcs größten Sohnes der Stadt, dem ontgöberg seinen weltbekannten Beinamen verdankt, werden in ge-

| veihte Erde übergeführt werden. Die irdishen Reste Kants sollen im

er Magtost, an der Ostseite des hohen Chores, beigeseßt werden in S îhe der weltlihen Machthaber des Preußenher:ogtums, die dort h emsärgen der Auferstehung entgegens{lummern. Vie Srabstätte soll werd eicher Weise wie die Herzogskatafalke mit Epitaphicn geschmückt Meiste; Es wird dies eine fünstlerishe Aufgabe sein, wert eines großen de ers, der au die geistige Bedeutung der Persönlichkeit und des vermverkes Kants, aore perennius, in den Stein zu meißeln notw 9 Dem Vernehmen nah sind größere Mittel zu diesem Zwecke aro endig und gesichert, sodaß man imftande sein wird, eine wirklich e {chöpferische Kraft mit dem Weike zu betrauen.

Das Wiener Operateurinstitut beging, wie „W. T. B.“ meldet, gestecn die Feier seines hundertjiährigen Bestehens, verbunden mit der Feier des ahtzigsten Geburtstages des Begründers der modernen Chirurgie Sir Joseph Lister.

Land- und Forftwirtschaft.

XXXV. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrats.

In der gestrigen, vierten und leßten Sißzung gelangten als erster Gegenstand der Beratung Maßnahmen zur weiteren Steige- rung der deutschen Vieh- unt Fleishproduktion und zur Verbilligung der städtischen Fleischversorgung zur Er- örterung. Es lagen dazu die folgenden sechs Anträge der Referenten vor.

Betreffs der volkswirtschaftlihen Lage der deutschen S chversorgung stellte der Berichterstatter, Professor

r. Oldenberg-Greifswald die nachstehenden Leitsäßge auf: „1) Es ist Pflicht der deutschen Landwirtschaft, in den Grenzen des Möglichen die Volksernährung vom Auslande unabhängig zu machen. 2) Obwohl die deutsche Fleischproduktion im 19. Jahr- hundert der Bevölkerungszunahme weit vorauseilte, ist in den letzten Jahrzehnten zur Deckung des deutschen N Is immerhin noch eine mäßige Einfuhr von Vieh und Viehprodukten und besonders von Futterstoffen erforderliß gewesen. 3) Bei fortschreitender Industrialisierung einer Volkswirtshaft wächst der Fleisch- bedarf tnfolge der veränderten Lebensweise des Industriearbeiters, auch ohne daß der Ernährungszustand sich verbessert. 4) Im 19. Jahr- hundert wurde die Vermehrung der Fleishproduktion international durch vershiedene Umstände erleichtert und dadur eine internationale

[eishteuerung, die bei fernerem Vordringen der Industrie zu efürhten steht, noch hintangehalten. 5) In Zukunft ist deshalb mit allen Mitteln * nicht nur eine Verstärkung der Fleish- produktion aus deutschem Futter zu erstreben, sondern auhch größere Unabhängigkeit der Fleischlieferung und der Fleishpreise von den Schwankungen der Futterernte. 6) Zur Erreichung dieser Ziele müssen die Fortschritte der Lahdwirtshast, der Industrie (z. B. Kartoffel- trocknung) und der organishen Chemie zusammenwirken. 7) Das Reich hat diefe Fortschritte planmäßig zu fördern.“

Hinsichilih der technischen Mittel zur Steigerung der deutshen Vieh- und Fleishproduktion beantragte der Referent Domänenrat Brödermann-Knegendorf die folgende Resolution: „Der Deutsche Landwirtschaftsrat hat die feste Ueberzeugung, daß die deutsche Landwirtschaft den Fleishbedarf der deutshen Bevölkerung voll zu decken vermag. Derselbe empfiehlt zur Erreichung dieses Zieles 1) die Ausdehnung der leistungsfähigsten Rassen unter {chärf{ter Beachtung der relativ leistungsfähigsten Individuen folcher Rassen, 2) das volle Beachten der Gesundheit, Kraft, Lebensfrische und dauernden Leistungs- fähigkeit der Zuchtindividuen, 3) das Beachten der wertvollsten Fleish- formen bei sämilichen Tieren, 4) die kräftigste Ernährung des jungen Viehes, um Frühreife und Größe zu fördern, 5) die ständige gute Ernährung der Viehstapel, damit jedes Ausschußtier noch wertvolles Fleish dem Markte zuführt, 6) das junge Vieh nicht zu früh zu Zuchtzwecken zu gebrauchen, damit die volle Größenentwickelung nit gestört wird, 7) das Auslegen guter Jungviehkoppeln, besonders auch in Dorfgemeinden, 8) die Ausdeh- nung des Kohlrübenanbaues (Wruke), da diese Hackfrucht die ge- ringiten Arbeitskräfte beansprucht, 9) die Beachtung der rentablen Mast der Wiede:käuer dur rohe Kartoffel. Der Deutsche Landwirt» schaft3rat warnt vor einer zu einseitigen Zuchtrihßtung, die der Ge- sundheit nachßteilig werden kann und die Leistungsfähigkeit für den Fleischmarkt herabzudrücken vermag.“ Ueber denselben Gegen- stand berihtete noch der Landesinspektor für Tierzuht Dr. Aitinger-München, der folgenden Antrag stellte: „Der Deutsche Landroirtshaftsrat befürwortet: 1) das Züchtervereinigungswesen als bewährte Einrichtung zur Förderung der landwirtschaftlichen Tierzucht nach jeder Richtung zu unterstüßen; 2) Körgeseße zu erlassen oder eiwa bestehende Geseße dahin abzuändern, daß alle offentlich zur Zucht berwendeten Bullen, Eber und Ziegenböcke ciner staatlihen Körung zu unterstellen find, und die Kosten diefer Körung auf den Staat zu übernehmen; 3) die Verbesserung und Vermehrung

falls für die wissenshaftlihe Seuhenforschung und planmäßige Seuchen- tilgung größere Mittel als bisher in den Etat des Reichs einzustellen.“ _ _Vierauf berihtete Professor Dr. Dade-Berlin über die Lebens- mittelpreise in England und Deutshland. Einem Antrage desselben gemäß faßte die Versammlung den nachstehenden Beschluß: «Der Deutsche Landwirtschaftsrat erklärt: 1) Die bisherige Ent- wicklung der landwirtshaftliden und industriellen Produktion und die E eonn8 für landwirtshaftliGe und industrielle Erzeugnisse

aben ergeben, daß die Wissenschaft als praktishe Wirtschafts- politik bisher die Produktivität der Landwirtshaft unter\chäßt und die der Industrie überschäßt habe. Der Grund hierfür liegt in der wohl vielfachen Jgnorierung der beispiellosen eite in der landwirt- ea Produktionstechnik, in der Agrikulturhemie und Tierzucht eitens der nationalökonomishen Wissenschaft. 2) Die enorme Steigerung der landwirtschaftlihen Produktion in Deutschland während der Shutzollära hat es zustande gebraht, daß troß der starken Volks- vermehrung die einheimische Landwirtschaft beute no fast denselben hohen Anteil am gesamten Nahrungsbedarf deckt wie früher, während England dur die Preisgabe der Landwirtschaft in der Ernährung der Bevölke- rung fast ganz abhängig vom Auslande geworden ist, wobei bemerkens- wert ist, daß die englischen Kolonien nur einen sehr kleinen Teil der erforderliden Nahruncsmittel decken. 3) Die große Produktivität der deutschen Landwirtschaft hat weiter bewirkt, daß die Lebens- mittelpreise in Deutschland in ihrer Gesamtheit niht oder nur unerheblich böber sind als in England, daß vielmehr ver- [Ne wichtige Lebensmittel in Deutschland sehr beträhtlich niedriger

m Preise stehen als in England, insbesondere gilt dies für die wichtigste Nahrung der Kinder, die Milch. 4) Jedenfalls scheint es Tatsache zu sein, daß der Preisuntershied zwishen den Nahrungsmitteln in Deutschland und England bedeutend niedriger if als zwischen den industriellen Erzeugnissen beider Länder, ein Umstand, der wie kein anderes Moment zu Gunsten ter landwirtshaftlihen Pro- duktion in Deutschland gegenüber der Industrie sprehen würde. 5) England ist übrigens nichts weniger als ein absolutes Sn Die Zölle auf Genußmittel, wie auf

ee, Zucker, Wein, Branntwein, Tabak, Kakao, Kaffee 2c., find so hoh, daß die gesamte Zollbelastung pro Kopf des englischen Volkes noch um fast 6 höher ist als in Deutschland. Der Deutsche Landwirtschaftsrat rihtet deshalb an alle landwirtschaftliten Interefsenvertretungen die dringende Aufforderung, die weitesten Kreise, insbesondere auch die Arbeiterbevölkerung auf dem Lande über den wahren Zusammenhang in dieser politishen Streitfrage aufzuklären.“

_Im weiteren Verlaufe der Sitzung gelangte die Erhöhung des Einfuhrzolles auf kondensierte Mil in der britischen Kapkolonie zur Erörterung, und die Versammlung nahm folgenden Antrag des Grafen Rangau an: „Der Landwirtschaftsrat rihtet an die Reichsregierung die Bitte, zu prüfen, ob die plößlich und un- erwartet eingetretene Erhöhung des Einfuhrzolles auf kondensierte Mil in der Kapkolonie den zur Zeit zwischen dem Deutschen Reiche und Großbritannien bestehenden zollpolitisGen Abmachungen ent- sprehe. Bejahendenfalls: möze die Reichsregierung dafür Sorge tragen, daß derartige den Export kondensizrter Milch aus Deutschland nah dem Kapland geradezu unmögli machende Maßregeln rückgängig gemaht und künftig niht von neuem getroffen werden.“

Endlich berichtete der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Orths- Berlin noch über die Frage einer Vereinfahung bezw. Ver- legung der militärischen Kontrollversammlungen für die ländlihe Bevölkerung. Ein von ihm gestellter Antrag wurde indessen abgelehnt.

Alsdann {loß der Präsident Graf von Schwerir-Löwiß die 35, Plenarversammlung mit einem Hoh auf Seine Majestät den Kaiser, die hohen Bundesfürsten und die freien Städte, in das die Mitglieder begeistert einstimmten. Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. Orth dankte namens der Versammlung dem Präsidenten und Borstande für die Leitung.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

des Futterbaues durch billige Bereitstelung von Sämereien in be- dürftigen Gegenden und durch weiteren Ausbau des kulturtehnischen Dienstes zu unterstüßen; 4) die Gründung von Molkereien und Käsereien nur in folchen Gegenden zu fördern, in denen eine Schädigung der Viehzucht und namentlich eine Ein- \ch{chränkung der Nachzucht nicht zu befürhten ist; zu diesem Zwecke sollen die zuständigen landwirtschaftlihen oder Züchtervereinigungen sowie die Tierzuchtinspektoren vorher einvernommen werden; 9%) den Verkauf von Viehpulvern überhaupt zu verbieten; 6) die Anlage genofsenschaftlicher Kartoffeltrocknereien und, wo angezeigt (niedere T fe auch von Strohaufshließungseinrihtungen zu unter- ußen.“

R N Fleishversorgung beantragte der Landesinfspektor für Tierzucht Dr. Attinger-München: „Der Deutsche Landwirtschaftsrat empfiehlt : 1) nah dem Vorbilde Bayerns und der Provinz S{leswig-Holstein a. die Einrichtung von landwirishaftlihen Schlachtviehverkaufs- stellen in den Städten zu fördern, b. alle zur Förderung der Land- wirtschaft berufenen Organe (Regierungen, Landratsoberämter, Beztirkss ämter, Bezirkshauptmannschaften, amtliche Tierärzte, landwirtschaft- lie Staatsbeamte 2c.) anzuweisen, für die Organisation der | Viehverwertung auf dem Lande tätig zu sein, c. auch die landwirtshafstlihen Körperschaften (Landwirtschaftskammern, [andwirtschaftlihen Vereine, Züchtervereinigungen) sowte die Zucht- inspektoren 2c. zu ersuhen, im gleihen Sinne zu wirken; 2) Ver- ordnungen zu erlassen (soweit nicht sckon geschehen), wona es verboten ist, in etner Person Viehkommissionär und Händler zu sein (Verweigerung des Handelépatents an Vieh- fommissionäre).“ Landesökonomierat Johannssen - Hannover, der ebenfalls ein Referat über Maßnahmen zur Verbilligung der städtishen Fleishversorgung erstattete, stellte nachstehende Leit- säße auf: „Es ist T. zu erstreben: zur Beseitigung der Auswüchse des Zwischenhandels im Vieh- und Fleischverkehr eine umfassende genossenshaftlihe Organisation der Produzenten einerseits und / der Konsumenten andererseits, Il. zu fordern: a. rasche und vollständige Beseitigung der städtishen Schlachtsteuern, b. Ermäßigung der Schlachthausgebühren, c. Uebernahme der Kosten der Fleishbeschau, wenigstens teilweise, auf die Staatskaffe, d. die all- gemeine obligatorishe Schlachtviehversicherung mit Staatsunterstüßung, e. Beseitigung aller die Freizügigkeit des Fleisches beshränkenden Maßnahmen und f. eine klare, die Marktlage erfassende Preitnotierung für Schlachtvieh.“ a

Ein sechster Antrag, von dem Referenten Professor Dr. Ostertag- Berlin gestellt, betraf die veterinären Maßnahmen zur Sicherung und Vermehrung des deutshen Viehstandes und lautete, wie folgt: „Zur Sicherung und Vermehrung des deutschen Viehstandes sind erforderlih: 1) strenge Du rh- führung der bestehenden veterinärpolizeilihen Anordnungen im Inland und gegenüber dem Auslande, 2) baldigste Er- weiterung der Bestimmungen des Reichsviehseuhenge|eßes dur die in dem Entwurf einer Novelle zu diesem Geseye vor- gesehene Ausdehnung der Anzeigepflicht auf die Tuberkulose (gefährliche Formen) und die Shweineseuchen, 3) Förderung der Tierforshung in den Bundesstaaten durch regelmäßig in die Etats eingestellte Mittel nah dem Vorgang im Königreich Preußen, 4) Schaffung einer Abteilung für Tierseuchenfor|chung_ mit tierärztliher Leitung tm Kaiserlihen Gesundheitëöamt, 5) gemein faßliche Belehrungen über die Verhütbarkleit von Seuchen und parasitären Krankheiten, die zu Fleishbeanstandungen führen, «dur geeignete hygientshe Maßnahmen.“ ; L

Nach längerer Diskussion über diese fes Anträge bes{loß der Landwirtschaftörat, „von den vorgelegten Leitsäßen und Anträgen Kenntnis zu nehmen und sie dem Reichskanzler und den verbündeten Regierungen als Material und mit dem Ersuchen zu überweisen, jeden-

Niederländishch-Indien.

Durch Verortnung des Generalgouverneurs von Niederländish- Indien vom 1. Februar d. J. ist wegen Ausbruchs der Pest die Quarantäne gegen Sydney verhängt worden. Die gegen Kobe (Japan) verfügte Quarantäne wurde wieder aufgehoben. (Vergl. „N.-Anz.*“ vom 30. Dezember 1905, Nr. 306.)

Verdingungen im Auslande.

Oefterreih-Ungarn.

4. April 1907. K. K. Staatsbahndirektion Wien: Lieferung und Montierung je einer Lokomotivdreh\cheibe für die Stationen Amsietten und Gmünd. Näheres bei der Abteilung 3 für Bahbn- Os und Bau, XV, Mariahilferstraße 132, und beim „Reichs- anzetger“.

9. April 1907, 12 Uhr. K. K. priv. Südbahngesellshaft in Wien: Lieferung von 900 M.-Ztr. prima Kupfervitrtol für JIm- prägnierungs;wecke und Telegraphenzwecke. Näheres bei der Material- verwaltung, Sübdbahnhof, Administrationsgebäude, Stiege 4, parterre, Tür 27, und beim „Reichsanzeiger“.

Jtalien.

I, Ministerium der öffentlihen Arbeiten in Rom und gleih- zeitig die Firanzdtrektion in Asmara: 15. Junt 1907, 11 Uhr Vor- mittags bezw. 122 Uhr Nachmittags. Bau der Eisenbahnlinien Ghinda—Nefasit und Nefasit—Asmara in der Kolonie Eritrea. Vorläufige Sicherheitsleistung 400 000 Lire. Zeugnisse sind bis 15. Mai 1907 cinzureihen.

11, Ministerium der öffenilihen Arbeiten in Rom und gleich- zeitig das Commissariato Civile per la Basilicata in Potenza: 6. April 1907, 10 Ußr Vorm. Bau der Landstraße zwischen Nipacandida und Venosa. 115 250 Lire. Vorläufige Sicherheitsleistung 6000 Lire. Zeugnisse sind bis 29. d. M. einzureichen.

Aegypten.

Administration des Chemins de fer de VEtat: Lieferung von 35 000 kurzen Eisenbahnshwellen aus Tannenholz. Angebote bis spätestens 8. April 1907, 12 Uhr Mittags, zulässig. Lastenheft beim „Neich9anzeiger".

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause geht morgen, Sonntag, „Der Freishüßz“ von C. M. von Weber in Szene. Herr Kraus singt den Marx, Herr Wittekopf den Kaspar, Herr Hoffmann den Ottokar, Herr Nebe den Cuno, Herr Griswold den Eremiten, Herr Krasa den Kilian, Frau Knüpfer-Egli als Gast die Agathe, Fräulein Dietrich das Aennchen. Dirigent ist der Kapellmeister Blech. Am Montag wird „Figaros Hochzeit", in den Hauptrollen dur die Damen Plaichinger, Herzog, Nothauser, von Scheele-Müller sowie dur die Herren Hoffmann, Knüpfer, Lieban, Nebe und Krasa besetzt, aufs geführt. Dirigent ist der Kapellmeister Dr. Strauß

Im Köntglthen Schausptelhause geht morgen Shakespeares „Hamlet*, mit Herrn Matkowsky in der Titelrolle und den Herren Molenar, Vollmer, Staecgemann, Geisendörfer, Kraußneck und den Damen Lindner und Wahner in den anderen Hauptrollen, in Szene.

Am Montag wird „Die Welt, in der man sich langweilt*, in der bekannten Beseßung wiederholt.

Im Deutschen Theater wird am nähsten Dienstag „Der Gott der Rache*, Schauspiel in drei Akten von S&%alom Ac, zum ersten Male aufgeführt. Am Donnerstag, Freitag und nätfsten Sonntag finden die ersten Wiederholungen dieses Stückes statt. Morgen sowie am MittwoW und Sonnabend geht

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