1907 / 68 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Alle Kollegen aus dem Königreich Sachsen werden mir bezeugen, erade die sächsishe Regierung und ihre Verwaltungsbeamten

ch ganz forreft und tadellos verhalten haben, taß fie Licht und Scatten nah beiden Seiten ganz gleihmäßig verteilt haben. Nun hat der Abg. Fischer die traurige alte Kamelle wieder vorgeführt von meiner China- und Afrikasahe, um zu zeigen, wie man Gouverneur wird. Was er vorbrahte, beruhte auf vollftändiger Unkenntnis der Verhältnisse. Mein Freund Arendt hat das bereits früher vollständig klar widerlegt. Es handelte sich um zwei Dinge : um meine Entsendung als Instrukteur chinesisher Truppen nah Peking, und anderseits war ich in Auésiht genommen als Gouverneur von Ostafrika. Jch wurde dann zum Gouverneur von Ostafrika ernannt. Gbenfo irrtümlich waren die Auseinandersezungen des Abg. Fischer über die Station Kweit. Ein Gouverneur legt keine landwirt- schaftlichen Stationen an, dazu hat er seine Leute, seine Beamten. Es gibt aber Herren genug, die die Station in sehr gutem Zustande gesehen haben. Die Sache hat Geld gekostet, aber fie hat si glänzend bezahlt. Die afrikanishe Kompagnie ist gegründet nach dem Vorbild der Kompagnie des Großen Kurfürsten. Wenn mir aber nun vorgeworfen wird, ich \{chwärmte und arbeitete bloß für die Kolonien, um dort Geld zu verdienen, fo weiß ih in der Tat nit, was ih dazu fagen soll. Seit 20 Jahren gebe ih mein ganzes H-:rzblut für die Kolonien hin, jeßt erst babe ih mi be- stimmen lossen, in eine Kautschukgesellshaft einzutreten, und da wird mir der Vorwurf gemacht, ich azbeite nur dethalb für die Kolonien, um Geld zu verdienen. Das is recht schwach. Was die Frage binfihtlih de3 T appens betrifft, so spielt sie ja jeßt vor Gericht. Ich habe den Abg. Schöpflin sofort in Leipzig wegen s{werer Beleidigung verklagt, seine Worte lassen gar keine andere Auslegung ¿u als die, daß mit der Flagge unsere chwarz-weiß.rote gemeint ift ; im übrigen wird ja das Gericht entsheiden. Ein paar Worte über die nationalen Vereine. Die Kolonialgesellschaft hat si allzu vornehm und vorsidtig verhalten. Sie bätte die Pfliht gebabt, die Massen des ganzen Deutschen Reiches über die \chwebenden Fragen aufzuklären. Der Flottenverein hat anders gehandelt; er ging davon aus, daß man im Reichstage mit der Reichsregierung niht über nationale Fragen der auswärtigen Politik feilschen dürfe, sondern daß man dem Kaiser geben müsse, was des Kaisers ift. Diese Frage mußte doch entschieden werden. Darum dreht fih die ganze Tätigkeit des Flottenvereins. Bekanntlich strebt er einen beshleunigteren Auëbau unserer Flotte an, damit unsere Flotte, im Falle uns eine große Seemacht überfällt, niht in Grund und Boden gebohrt werden kann. In diesem Sinne hat der Flottenverein bei den Wablen gearbeitet. Das Wie babe ih nicht zu vertreten. Die Kriegervereine sind keine politishen Vereine, aber man fann es den alten Soldaten niht verdenken , daß sie national füblen, si benehmen, handeln, wählen. Handelt es sh doch bei den Wablen au um militärische Fragen, und sie waren verstimmt, als die Kommandogewalt des Kaisers angetastet wurde. Ueber alle diese Fragen kann man ja verschieden denken, aber ih verstehe niht die Logik, wona unsere Truppen, die vor dem Feinde standen, zurückgerufen werden sollten, und daß, wenn der Aufstand wieder auf- loderte, neue Truppen wieder hinausgescickt werden follten. Ih weiß nicht, ob das juristische oder kirblihe Lozik ist. Jch komme nun zu dem viel geliebten und gehaßten Reitsverband gegen die Sozial- demokratie. Der hat nun die Wahlen son lange vorbereitet gehabt und bei den Wahlen seine Schuldigkeit getan. Der Reichsverband steht gänzlih unabhängig von der Regierung da. Der Reichskanzler bat mih persönli gar nicht gekannt und i habe erst im Februar die Ehre gehabt, ihm vorgestellt zu "werden, und ich bin stolz darauf, daß er mir den Silvesterbrief ges{hrieben hat. Nun ift hier von der linken Seite mehrfah das Wort: „Der Reihs- [ügenverband“ gefallen, gegen das ih protestieren muß. Unter einer Lüge versteht man bekanntlich eine bewußte Unwahrbeit, ein Vorwurf, den man sonst einem Gegner nit mat, so etwas geshiebt unter Ehrenmännern nicht. Wir sind aber gern bereit, aus diesem Namen einen Ehrennamen zu machen. Wie si die Geusen, das beißt, die mit dem Bettelsack, sich den Spaniern furhtbar machten, so wollen auch wir es tun. Wir sind dann der Verband, der das Reih gegen die Lügen der Sozial- demokratie verteidigt. Daß ein folher Verband notwendig ift, dafür haben die leßten Wahlen einen ganzen Aktenstoß von Beweisen geliefert. Was sih die Sozialdemokratie an Wabllügen geleistet hat, übersteigt wirklich alles Maß. Der „Elsäfser Kurier“ bespribt z. B. eine Tendenilüge eines fozialdemokratischen Blattes über „Maria hilf“ und erklärt jene Behauptungen für in allen Teilen erlogen und in jedem Sage unwahr. Als einen freben Schwindel bezeihnet ein anderes fatholishes Blatt die Zufammen- ftelung des Vorwärts über die Zahl der Versicherten. Derselbe „Vorwärts“ hatte 1906 gesagt, die Demonstrationéversammlungen wären von 50 000 Personen befucht worden. Es ist aber festgestellt worden, daß in jene 22 Säle eigentlich nur 16 000 Personen hbineingingen. Tatsählih sind 21 500 Personen darin gewesen, 28500 waren zugelogen. Auf die sozialdemokratische Wablrechtelüge will ih bier niht näher eingehen. Wir fteben alle auf dem Boden des allgemeinen und geheimen Wablrehts. Ebenso erlogen ist auch die Nachriht, daß die bayerische Regierung oder der Hof an eine Aenderung des Reichstagswablrechts denke. Ein anderer freher Wablshwindel des „Vorwärts“ war die Nathricht, daß für Mitte Januar 30 000 Landwehrleute eingezogen werden würden, um eine Zahl von Wählern um ihr Wablreht zu bringen. Daß Mannschaften in Schbnee und Eis üben sollen, ist für jeden Kenner der Verhältnisse ein barer Unsinn. Der Abag. Scheidemann bat es für eine alberne Lüge erklärt, daß der Abg. B bel die Lantwirtschaft beshimvyft babe. Es ift aber das Wort gefallen: „Es gibt keine egoistisheren und rüdsibts- loseren, feine brutaleren Menschen, wie die bäuerliGe Klafse.* Das jagte Bebel auf dem Parteitage in Mürchen und damals wurde auch Sebr richtig! gerufen. Daß man auch in sozial-

daß

demokratischen Kreisen den Ton des „Vormæärts* und der „Lipziger | mehreren Kundgebungen

Volkszeitung“ satt hat, wifsen wir aus d der Buchdruckerversammlungen usw. Ich muß auch den Hagemann und mir gemachten Vorwurf zurückweisen, als wären wir irgendwie

für die Flugblätter verantwortlich. Wir waren beide 6 Wehen von !

Berlin abwesend und batten auf die Flugblätter niht im mindesten Ginfluß ausüben können. Warum unterbaliten wir uns beute überbaupt über diesen Gegenstand? Weil das devtihe Volk seit 40 Jahren

¿zum erften Male sh des allgemeinen Wablrechts wirklih bedient i Watblrecht | soll ; Ich muß aber die | l | nicht deuts verstehen, steht nur auf dem Papier; in der

das und da

hat, weil bisher nur die Sozialdemokratie

wirilich ausgeübt hat. Daher die Ueberrashung es auf einmal die Regierung gewesen sein! Herren von der Linken durchaus bitten, sich mit der Lage, wée sie einmal vorhanden ift, vertraut zu machen ; spitzen, bier muß gepfiffen werden. Macht bewußt geworden. Wenn es Willen dur. unsfterblih blamiert durch ihr Vorgehen gegen die Kolonia!politik des Reis. Das deutshe Volk hat einen feinen Irstinkt für des Reiches

will, sezt es

Macht und Größe und für seine zukünftige Entwicklong und es war

geradezu lahaît, wie man uns Afrikanern im Wahlkampf mit Brocken aus Bebelschen Reden gegenübertrat.

stebt fest zu Kaiser und Reih und wir werden nach wie vor die

Wähler aufklären und in diesem Sinne die Wablen beeinflufsen. |

Abg. Brejski (Pole) kann fih bei der eintretenden großen Unruße nur s{wer verständlich machen,

wiederholt laut um Nube bittet.

Beamten îin den polnischen alle ihre Kraft für die offiziellen Kandidaturen und zur Bekämvfung der polnischen einseßen müssen. In seirem Tborn-Kulm- Briesen seien bei der Nacttwabl, die dur die Ka'sierurg seiner Wabl notwendig wurde, sogar VMilitärpersonen in diese amtliche Agitation hineingezogen worden, indem man die (Sholera eine gewihe Rolle in der Wah'zcit Habe spielen in gewisse

bier gibt es kein Mund- | Las deutsche Volk ift fi seiner ! auch feinen j Die Sozialdemokratie hat sich bei den Wahlen |

Das deutsche Volk | l * tragen, in eine andere Schule übergeht, wo kein deutsher Untecricht

obwohl der Präsident Der Redner brirgt eine Reihe von | Beschwerden und Anklagen gegen die Wablagitation der deutschen | Landet teilen vor, diese Beamten hätten ! | Kreisshulinspektoren den deutshen Unterriht selbst in der Unter- früheren Wahlkreise ;

in H laffen und j Orte Militär legte, welches sofort wieder zurüdgezogen '

worden sei, nachdem der offizielle deutsche Kandidat gesiegt bätte. Die gewohnte Ungeseßlihkeit des unberechtigten Verbots von Ver- fammlungen sei auch bei den leßten Wahlen sehr stark zu Gurften der deutschen Kandidaten fruktifiziert worden. Die Polizei habe das FUERT en von Plakaten verboten, auf welchen die Kathcliken zur

ahl eines fkatholishen Kandidaten aufgefordert wurden, und sei egen die Träger sogar wegen groben Unfugs eingeschritten. in größerer Unfug sei wohl im Deutschen Reibe noh niht vorgekommen. Die Wählerlisten seien außerordentlich un- vollständig gewesen ; derjenige polnische Arbeiter, der etwa die Listen einjehe und sih nachtragen lasse, werde bei der nähsten Ge- legenheit als Krakeeler entlassen. Aehnliche Beshwerdepunkte trägt der Redner noch eine Anzahl vor ; insbesondere sucht er naczzuweifen, daß die Behörden den gefellshaftlihen und wirtstaftlichen Boykott der Polen begünstigen und sogar organisieren. Auch die Personen der polnischen Kandidaten, die der Regierung nicht genehm seien, würden in der unerbörtesten Weise von den Beamten und Behörden als „Spizbuben“ usw. beschimpft. Neben den eigent- lihen Beamten täten si au die Lehrer in dieser Hinsicht hervor. Alle diese Beamtenpraktiken bei den Wahlen müßten vers{chwinden, eher werde es nit besser werden.

Hierauf vertagt sih das Haus.

Persönlich bemerkt der

Abg. Gyßlin g (fr. Volksp.): Die von dem Abg. Kreth erwähnte Bemerkung des Vorsitzenden einer Königsberger Versammlung ist von diesem in der Form, wie sie die konservative Presse wieder- gegeben hat, nicht getan worden.

Schluß 61/2 Uhr. Nächste Sißung- Sonnabend 11 Uhr. (Zweite Lesung des E betreffend die Berufs- und BVetriebszählung, erste Lesung der Vorlagen wegen Kontingen- tierung der landwirtschaftlihen Brennereien und betreffend Maßnahmen zur Verhütung des Rückganges der Erträge der Maischbottichsteuer, Fortsegung der eben abgebrohenen Be- sprehung.)

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 33, Sigung vom 14. März 1907, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Das Haus seßt die zweite Lesung des Staats haus- haltsetats für das Rehnungsjahr 1907 bei demEtat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten fort. :

Die Beratung beginnt bei den dauernden Ausgaben; vor der beim ersten Ausgabetitel „Gehalt des Ministers“ üblihen allgemeinen Besprehung des ganzen Spezialetats findet zunächst eine besondere Erörterung des polnischen Schulstreiks statt.

Berichterstatter Abg. Dr. Wolff-Gorki referiert über die Kommifsionéverbandlungen.

Abg. Stychel (Pole): Die Staatsregierung mat beständig mit den Volksschulen in den polnischen Landesteilen politische Experimente. Ginem Teil der deutshen Presse und der deutschen Bevölkerung er- scheint alles gut, was von der Regierung kommt; aber in der unab- bängigen Presse, in der freie Manneéäußerung zu finden ift, fowie in der gesamten zivilisierten Welt hat diese Politik Verurtet- lung gefunden. Der Bewegung des sogenannten polnischen Schul fireiks liegen nit frivole Motive zu Grunde, fondern sie ift die noiw?ndige Abwehr eines G:waltakts der Regierung. Dec Kultusminister sagt, die ganze Bewegung sei aus politischen Gründen fünstli* hber- vorgerufen worden. Wir werden ja fehen. Die „Frankfurter Zei- tung“, die der allgemeinen Meinung Auêdruck gibt, hat sih mit der Sawhe in einer Reibe von Artikeln befaßt; sie fagt: Daß auf deuischer Seite die Veranlassung zu dem Streik liege, könne mit Fug nicht bestritten werden. Die Bewegung sei auf polnisher Seite durhaus ethischer Natur. Das Alipolentum sei nit die Ur- sade der preußishen Politik, sondern umgekehrt. (Der Redner verliest längere Auszüge aus diesen Artikeln im Wortlaut.) Die Situation if in der „Frankfurter Zeitung“ fehr präzis be- zeihnet. Man fragt, warum der Sculstreik nit {on früher aus» gebrohen ist; die Langmut des polnishen Volkes ist ja bekannt, aber einmal muß die Sache zum Klappen kommen. Die Regierung hatte früher gerechtere, vernünftigere pädagogise Gcundsäße für den Religionsunterriht, davon empfinden wir nichts mehr. Die Schule ist doch nur die Vertreterin der Eltern und soll die Erziehung fortseßen. Die Schule ist eine Erziehungéanstalt, aber kein Drillinstitut. In Ungarn is troß der magyarishen Amts- sprahe der deutshe Religionsunterriht für deutsche Kinder nah einem Erlaß des Ministers Apponyi zugelassen. Es ift gar niht anders mögli, als daß der Religionsunterri&t in der Muttersprache erteilt werden muß. Die Regierung will aber die pol- nishe Muttersprache aus der Schule verdrängen, damit die fremde, die deutsde Sprahe auch in das Familienleben hineingetrieben wird. Wo sind da die politischen Motive, auf unserer S-ite oder auf der Seite der Regierung? Der Kultusminifter bat sh erlaudst, zu be- haupten, daß wir die pädagogishen Grundsätze mit Füßen treten. Aber der Staat ist es, der dies in Wahrheit tut. Die Erlasse der Regierung über die Einführung der deutshen Sprae im Unterri{t find im Prinzip falsch und unpädagogisch. Den Religione- unterriht kann das unertwickelte Kind nur in der Mutter- \svrahe erfassen, in anderen Fähern kann man die deutsche

| Spratde dur den Arshauungaunterriht unterstüßen, man ftann da-

mit alle Gegenstände darstellen, aber Barmberzigkeit kann man dur keinen Anshauungsunterriht darstellen. Als ein Lehrer den Kindern den Anfang der Welt darstellen wollte, saate er: dies ist eine S@ulbank, dies hier der Anfang und dies tas Ende, dana ift nichts, und dann antworieten die Kinder auf seine Frage: „Im Anfang {uf Gott cine Bank.“ Um den Begriff „wüst und leer“ Élar zu machen, zeigte der Lehrer einen vollen Topf, goß ihn aus und zeigte daran, daß es nicht ein leerer Topf war; da antworteten die Kinder auf seine Froge: „Im Anfang war ein Lehrer und ein Topf.“ Die Kinder batten also überhaupt nicht be- griffen, daß er ihnen den Begriff „leer“ erklären wollte. Daß der Uxterricht polnisch erteilt werden soll, wenn die Kinder raris ist der deutsche Unterricht nicht eine Ausnahme, sondern die Regel. In Oberschlesien gibt es keine Volksshule, wo nicht deutscher Unterricht ift. So . ist es auch in Westpreußen. In Posen wird mehr als der Hälfte der polnishen Kinder der Relicion8unterriht in deutscher Sprache erteilt. In der Oberstufe wird der Unterricht deutsch in 120 Schulen erteilt, in der Mittelsiufe in 148 Schulen und in der Unterftufe sogar in 65 Schulen an tie 6—7 jährigen Kinder, die keine Ahnung von der deutsher Sproche haben. Wenn ein Kind, defsen Papiere den Stempel „d/k“, d. h. „deutsch-katholisch“

ist, wird für dieses Kinb ein besonderer deutshzer Unterrihht eingerihtet, und dann wird bald der ganze Unterricht deuts, vm die CEinheitlihfeit berzuffellen. Nah einer Verordnung der Regierung in Marienwerder soll in den national gemischten Schulen der Unterricht deuts sein, er ist es aber auch in den Schulen, die nur von polnischen Kindern besucht werden. Oft führen die

stufe „auf Probe“ ein, das ift nur eine Phrase, um die Schul- politik’ zu verdecken. Wenn selbst das Gebet deutih sein muß, dann ist es auch dana; das deutsche Gebet der polnishen Kinder ift eine Profanation, denn fie verstehen es gar nicht. Der Erbitterungéstoff in der polnis&en Bevölkerung hat sih seit Jahren angesammelt, aber das Maß wurde voll, als im vorigen Jahre auÿ in der Unter-

prehishe Scbelereris At fe E reu ra

nishen Bevölkerung. Eine so fertigung der Regierung,

eingerihtet 1 ] gegen das Naturredit y leihtsinnige und \{ h wie die in der „Norddeutschen A

Zeitung* beim Ausbruch des polnischen Schulstreiks, babe u fol &

meinem Leben nicht gesehen. Der deutsche Interesse der Kinder selbst liegen; das verstehe, wer kann polnisher Abkunft werden überbaupt nit mehr „A Von den Geistlichen verlangt man, daß sie sich auf die Negierung in diesem Kampfe stellen. Es ist aber ibre eigene die fie vertreten, wenn sie für die Erhaltung der Muttersyrgg, treten. Für das kleine Kind ist die Muttersprache die ase d liche Unterricht:sprahe, denn es versteht nur sie. Selb wachsene wi:d sein Gebet nur in seiner Muttersprache f Fürst Bismark {rieb in einem Briefe von 1851, er fonte Gebet nicht in französischer Sprache sprechen, das käme ibm ny vor. So dachte der größte Deutsche, der Diplomat. Die pre A Regierung wendet zweierlei Maß an. Anstatt umzukehren M zugeben, daß den polnishen Kindern unrecht ge\hebe, wende f Schylpraxis Gewaltmaßregeln an. Man kann sehen, mit wel&,, die Amtsgewalt von den brutalen Gewaltmitteln Gebrau ma Die Kinder, die im Streik steben, werden gegen das D über das 14. Lebensjahr in der Schule zurückbebalten, 8 blôdsfinnnig, wie die Kinder, die {on so weit denken Eönnen der Religionsunterriht in der Muttersprache erteilt werden ‘», durch die Gewaltmaßregeln demoralisiert werden. Mit g? strafen werden die Kinder belegt, die niht deuts antworten, & gehen frühmorgens ohne ein warmes Frühstück mehrere Kilometer 5 zur Schule, und sie müssen dann für die Arreststrafe Nachmittag , 1 Uhr no{mals in der Schule fich einfinden ; da können f weiten Wege niht hin und her machen, sie bleiben glei dort, g Mittagbrot zu haben. Das is barbaris. Schulversäumnitip. wurden festgeseßt, weil die Kinder krank wurden. Sogar eine Ny die thren Kindern nicht das trockene Brot in die Shule mit konnte, wurde bestraft, weil fie ihr Kind in der Winterkält nit die Schule gehen licß. Mit derselben barbarischen Luft, 6, und Roheit wird auch gegen die Lehrer vorgegangen, einem Lehrer wurde gesagt, er möôge lieber Schweine kz Niht im Interesse der polnishen Bevölkerung, s\onderz i Interesse der Humanität und der Kuliur ist es zu bedaure daß wir folche verwilderten Zustände haben, und daß derglei Brutalitäten in der Presse und noch an anderen S ibre Approbation finden. habe eine ganze Reibe lider Atteste, die zeigen, mit welher NRoheit gegen Kinder vorgegangen it, die 20, 30 Schläge in Schulstunde bekommen, sodaß sie ohnmächtig zu Boden fals In einem Attest heißt es, daß der Rücken eines Kindes Eindruck mate, als ob das Kind cegeißelt sei. Arbeiter tverden ex laffen, wenn fie ihre Kinder am Schulstreik teilnehmzn lassen; Ss vorsteher und Ortsf{ulzen werden ihres Amtes entsegt usw.: F strafen werden gegen die Eltern bis zu 30 festge]eßt, ja biz 40 , auf Grund alter, verrosteter Bestimmungen. Eltern, die ri 9 F zur Beschaffung eines deutschen Lehrbuches bergeben wol wurden wegen dieser 95 Kleidershränke, Uhren, eine Nähmastire: sogar zwei Schweine gepfändet. Und was haben dem - die Gymnasialshüler verbrocen, die wegen des Streiks ihrer Gesöni von der Schule verwiesen wurden? Die Geschichte wird die edler P tive des passiven Widerstandes der polnishen Schulkinder erkennen [zi und die preußische Schulpraxis als einen Verstoß gegen diz Nx rechte verurteilen. Die alten Lehrer wahren ihre Pflicht der E ziehung der Kinder, aber die jüngeren Lehrer, die eben aut t Sewinar herauêgekommen sind, vergessen die Aufgabe der Erzithun und lassen sih herabdrücken zu Werkzeugen der preußischen Shuls Ps und zu Denunzianten. Wir werden in diesem Kambfe aut aiten.

Minister der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal angelegenheiten Dr. von Studt:

Der Herr Abg. Siy§hel bat zu Beginn seiner Autführunge die Waffen zur Bekämpfung der preußischen Swhulyeliik dem Arsenal unserer eigenen Presse hergeholt: das ist a sich ¡u bedauern, zu verwundern ist es aber nit. E if stets so gewesen und wird für absehbare Zeit leider auß | bleiben. Meine Herren, der Zufall will es, daß heute 24 Jahren, am 14. März 1883, dur den damaligen Abgeordne den späteren ErzbisGof Dr. von Stablewski, dieselben Argumente die heute hier ins Gefeht geführt werden zur Bekämpfung preußishen Sqhulpolitik, bereits geltend gemacht worden sind aber mit dem sehr viel weiter gehenden Ziele, daß nid blos im Religionsunterriht die deutsche Sprache völlig seitigt werde gegenüber den polnishen Kindern, sondern übt baupt der gesamte Schulurterriht wieder in polnisher Sprad hergestellt werde. Meine Herren, damals if der Antrag mit eint großen Mehrheit abgelehnt worden. Ih hoffe, daß au beute n beinahe einem Vierteljahrhundert dieselbe Mehrheit sich finden wir um die der Königlichen Regierung durch die national-polni) Agitation aufgedrungenen Maßnahmen zu unterstüßen. (Heiterkeit den Polen.)

Meine Herren, auf die alten Beispiele von dem mangelt Verständuis, die der Abg. StyYel sowohl in diesem hohen h wie in unzähligen Volksversammlungen zum so und fo vieltea vorgetragen hat, möhte ih nicht eingehen. Durch sultehni Darlegungen könnte ich Ihnen beweisen, daß derartige Sw keiten bei jedem Sprahunterciht vorkom:nen. (Heiterkeit bei d Polen.) : Längst widerlegt ist insbesondere au die vorgebradte hauptung, daß grundfäglih keine polnisWen Lehrer angel® werden. Meine Herren, wie der Herr Abgeordnete dazu foms di:se Behauptung heute wieder aufzufciihen und genau ms selben Fafsung, mit der sie wiederholt hier und aych în Dou versammlungen vorgebracht ist, nachdem sie wiederkolt E widerlegt worden ist, das ist mir nit recht verständlich. 8 * Herrn Abgeordneten {einen übrigens ebensowenig polnisde K2 zu existieren, di: von Anfang an die deui she Sprache beherrschen oder oder minder anzuwenden in der Lage sind, wie die Kinder der A N Katholiken. Sonst würde er nicht von dem Eindringen der Won Sprache in den polnisch katbolishen Gottzédienft |[prechen. Sr t eben alles ausshließlich von seinem polnish-national-n ut punkt. Der Herr Abgeordnete vergißt dabei, daß die Regle U durch die traurige Erfahrung der stetigen Palmer, Tausenden deutscher Katholiken genötigt ist (Widerspruch und N 5 bei den Polen), vollkommen richtig! (sehr richtig! rey zuläsfigen Mittel anzuwenden, um den Fortgang dieses Prot verhindern. Die Regierung würde ihre Pflicht der S ge nationalen Ehre und der nationalen Interessen auf das wed u lezen, wenn sie diesem Prozesse nit mit voller Kraft entgegen wollte. (Sehr ritig! rets.)

Unterricht

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(Fortsetzung in der Zweiten Beilagesz)

iherung

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußishen Staatsanzeiger.

Zweite Beilage

Berlin, Sonnabend, den 16. März

1907.

8 68. E R

(Fortseßung aus der Ersten Beilage.)

Der Herr Abgeordnete hat zum Schlusse seiner Rede gesagt:

gunken Sie nit, daß wir gegen den preußischen Staat an \ich find.

Meine Herren, das ift rihtig und bestätigt sich täglich dadurch, daß die zahlreihen Wohlitaten, die der preußische Staat der polnischen Bevölkerung entgegenbringt (Abg. Korfanty: Wir danken für Ihre Mobltaten, die Wohltaten werden zur Plage!) in Form ‘bon mzähligen Millionen, von Beihilfen zu allen möglichen fultur-, Meliorations-, Verkehrs- und anderen Zwecken mit dem ößten Vergnügen genommen werden, aber die Erfüllung der weiteren E iht, der allgemeinen staatsbürgerlihen Pflicht, die sich aus der Zu- gehörigfeit zum Deutschen Reiche und zum preußischen Staate ergibt, seht auf einem anderen Brett. (Sehr rihtig! rechts.) j

Nun, meine Herren, wollen Sie mir gestatten, gegenüber den siebevollen Urteilen, die der Herr Abg. Stychel über die preußische Shulverwaltung auszusprechen fich bemüßigt befunden hat, wie „roh“, „blôödsinnig“, „brutal“, „barbarische Maßnahmen“, (Schr richtig! bei den Polen.) (Glocke des Präsidenten.) Sollen Sie mir gestatten, Ihnen die Zusammenstellung derjenigen Maßnahmen vorzulesen, welche beim Schulstreik zu beobahten find und die als Instruktion den einzelnen Lehrern übermittelt sind: :

Wo das gemeinsame Sprehen des Schulgebets zu Shwierig- keiten führt, ist der Lehrer ermächtigt, das Schulgebet allein zu sprechen. Wo Schwierigkeiten für die Schulzuht nicht entstehen, bleiben die widerspenstigen Kinder in der Religionsstunde anwesend und werden unter Aufrehterhaltung der Schulzußt mit anderen Arbeiten, die den Religionsunterriht niht stören wie ¿. B. mit Deutshschreiben e beschäftigt. Um den erzieherishen Einfluß der Schule auf die

durch ihre Eltern zum Ungehorsam gegen die Schulordnung aufs geheßten Kinder

(ünruhe und Zurufe bei den Polen) N wirksamer zur Geltung kommen zu lassen, erhalten fie für jede Religionsftunde eine Zusaßstunde in einem anderen Lehrgegenstande. Bei Festseßung der Ersaz- und Zusaßstunden sollen Härten, die zu berechtigten Vorwürfen gegen die Schhulverwaltung Anlaß geben, insbesondere die Gesundheit der Kinder gefährden könnten, ver- mieden, besondere Verhältnifse, wie z. B. weite Schulwege, auch berüdäsihtigt werden.

(Zurufe und Lachen bei den Polen.)

Den widerspenstigen Kindern is die Rückkehr zum Gehorsam tun-

lidft zu erleihtern. i:

Nun, meine Herren, hat der Abg. Styhel nach bewährten Mustern heute wieder einzelne Fälle von Mißhandlungen von Schul- lindern hier vorgetragen. Aber, meine Herren, die Statistik der gerihtlihen Bestrafungen wegen Ueberschreitung des Züchtigungs- rechts ergibt das Gegenteil. (Lachen und Zurufe bei den Polen.) Ja, meine Herren (zu den Polen), Sie kommen hier sehr häufig nit dem Spruche: il y a des juges à Berlin (Abg. Korfanty: Non! Non!) ; fobald man Ihnen aber eine gerihtliße Entsheidung anführt, die Ihnen nicht paßt, dann heißt es immer: die preußischen Gerichte fällen unzutreffende Urteile. (Sehr rihtig! rechts.)

Nun, meine Herren, daß in einzelnen Fällen die Lehrer, sicher gegen ihren Wunsch, zu ernsten Züchtigungen haben greifen müfsen, fann bei der Verheßung der Schulkinder kein Wunder nehmen. In wldher Lage fih die Lehrer mehrfach befunden haben, dafür möthte ih Ihnen nur folgenden Fall hier vorführen.

In einer Volksschule im Kreise Shubin brach der Sculstreik hon Ende August aus. Er wurde von einem ebenso frechen wie käftigen Jungen dadurch eingeleitet, daß er die übrigen Kinder durch Yrügel zwang, die deutschen Antworten zu verweigern (hört! brt! bei den Nationalliberalen) und die deutschen NReligions- üher zurückzugeben. Einzelnen Kindern riß er gewaltsam de Bücher aus der Hand oder aus der Schultashe heraus. An in die Klasse eintretenden Lehrer schrie er mit dem dolnishen Gruß so laut an, daß sein Schreien die von den übrigen sindern deutsch gesprohenen Grüße übertönte. Als der Lehrer ihn vegen seines Verhaltens zühtigen wollte, floh er über die Bänke, mnd als der Lehrer ihn faßte, warf er sich zur Erde und den Lehrer so ftark ins Bein (Heiterkeit bei den Polen), ß dem Lehrer das Blut in die Stiefel floß. (Hört! hört! tchts und bei den Nationalliberalen. Heiterkeit bei den Polen.) Koh nach 8 Tagen hatte der Lehrer, wie durch den Arzt festgestellt worden ist, eine deutlih sichtbare Bißwunde. V der Junge si vollständig fest gebissen hatte (Heiterkeit bei den Polen) und dur Ziehen nit los zu bekommen war, blieb dem Lehrer ühts weiter übrig, als den Knaben dur kräftige Züchtigung im Loslafsen zu zwingen. Daß dabei einzelne Schläge auch einen îinderen Körperteil trafen als den, für den sie bestimmt waren, (Heiterkeit) ist leiht erklärlih. Selbstverständlih wurde dieser Vor- fang aber vom „Leh“ das ist ein bekanntes polnishes Blatt kinußt, um die Bevölkerung gegen den betreffenden Lehrer wegen an- (ebliher Mißhandlung des Jungen aufzuheten.

Das ist bloß eins von vielen Beispielen. Es ist mehrfah vorge- bmmen, daß kräftige polnische Jungen die ganze Sculklasse unter ihrem

orismus gehalten und die Widerstrebenden mit Fäusten derartig bearbeitet haben, daß entgegen dem Wunsche der Kinder und au teilweise entgegen dem Willen der Eltern der Streik ausgebrochen ist ind sich so lange fortgeseßt hat, bis endlich der terroristishen Herr- haft dieser jungen Herren ein Ende gemaht wurde.

Der Herr Abg. Stychel hat nun seine Rede mit der Behauptung tingeleitet, daß es sich um eine Abwehrbewegung gegen politische Naßnahmen der Regierung handle. (Sehr richtig! bei den Polen.)

tine Herren, gerade das Gegenteil ist der Fall, wie ich Ihnen uhher nahweisen werde.Gestatten Sie, daß ih nunmehr die Rolle des

Ich muß das in einer längeren Darlegung tun und bitte um Nath- sit, meine Herren, wenn ich Ihnen diese Darlegung verlese, da eine Menge Einzelheiten darin enthalten sind, die sonst wohl verloren gehen würden.

Meine Herren, die bestehenden Vorschriften über die Unterrichts- sprahe in den gemischtsprahigen Landesteilen sind in diesem hohen Hause so oft Gegenstand der Erörterung gewesen, daß ich über diesen Punkt mich auf nachfolgende kurze Mitteilungen wohl beschränken darf.

Auf Grund der , betrübenden Erfahrungen, die man mit den abweichenden Vorschriften aus den vierziger Jahren gematht hatte, ist im Jahre 1873 auch in den Volkss{hulen der gemishtsprachigen Landesteile als einheitlißhe Unterrihtssprache die deutsche eingeführt worden. “Eine Ausnahme wurde nur bezüglich des Religionsunterrihts gemacht, der in den Provinzen Westpreußen, Ostpreußen und Schlesien auf der Unterstufe, in der Provinz Posen dagegen regelmäßig auf allen Stufen den Kindern in ihrer Mutter- sprahe erteilt werden sollte. Nur wo die Schulkinder in der Kenntnis der deutschen Sprache so weit vorgeschritten sind, um auch den Religionsunterriht in dieser Sprahe mit Erfolg empfangen zu können, soll auch die Religion in deutsher Sprache gelehrt werden.

Daß die Bezirksregierungen der Provinz Posen hinfihtlich der Einführung der deutshen Unterrihts\prahe in der Religion erst nah eingehender Prüfung und mit der gebotenen Vorsiht vorgegangen find, mögen Sie daraus entnehmen, daß im Regierungsbezirk Posen in 822 Volksshulen von insgesamt 1392, die überhaupt von Polnisch sprehenden Kindern besucht werden, der Religionsunterriht noch auf allen Stufen in polnischer Sprache erteilt wird (Lebhafter Widerspru bei den Polen). Wenn im Regterungsbezirk Bromberg dagegen in der Mehrzahl der von polnischen Kindern besfuchten Schulen der Religionsunterriht auf der Ober- und Mittelstufe und an einigen auch auf der Unterstufe in deutscher Sprache erteilt wird, so beruht dies darauf, daß der Regierungs- bezirk Bromberg, wie hon die Ergebnisse der Volkszählung beweisen, in so hohem Maße von Deutsch sprechender Bevölkerung beroohnt ift, daß Tausende von polnischen Kindern {hon mit einem solchen Verständnis für die deutshe Sprache in die Schule eintreten, daß sie nit als rein polnische, sondern als gemishtsprahige bezeichnet werden können.

Meine Herren, die Vorschriften über die Unterrichts\prache der Volks\hule in der Provinz Posen sind, wie gesagt, seit mehr als einem Menschenalter in Kraft. Sie find wohl von polnisher Seite im nationalen Interesse wiederholt an- gefochten worden, haben aber bisher doch noch niemals zu einer solhen Massenbewegung Anlaß gegeben, wie wir sie in dem jeßt herrshenden Schulstreik vor Augen sehen. Schon dies beweist, daß wir es mit einer im großen Maßstabe künstlih organisierten Be- wegung zu tun haben.

Meine Herren, von polnisher Seite wird zwar in Volks- versammlungen und in der Presse geflifsentlih das Märchen ver- breitet, daß der sogenannte Schulstreik der polnischen Kinder ohne jede- äußere Anregung von selbst aus den Herzen der Eltern und Kinder entsprungen sei. Was es mit dieser Fabel auf sh hat, mögen Sie aus folgendem ersehen:

Schon im Frühjahr 1905 wurde bekannt, daß die Leiter der groß- polnishen Bewegung im Auslande infolge der veränderten Lage in Nussish-Polen ihr Hauptaugenmerk auf Preußen gerichtet und u. a. die Entfachung eines möglihs umfangreichen polnischen Schülerstreiks ins Auge gefaßt hätten. Kurz darauf erschienen aber in der polnishen Presse des In- und Auslands Artikel, in denen von cinem solchen Unternehmen entschieden abgeraten wurde. So be- zeichnete der Vorsißzende der Polenfraktion dieses hohen Hauses, Dr. Szumann, in einem im Sommer 1905 im eDjiiennik Pojnanski“ ershienenen Artikel den Schulstreik als fine „krankhafte Er- \cheinung“ und als eine „ungeshickte Demonstration“. Auch in der ausländischen Presse, z. B. in dem in St. Petersburg herausgegebenen Kraj, wurde von der Veranstaltung eines solhen abgeraten. Der Plan, troy allen Widerspruchs die Shulkinder in den Streit der Nationalitäten mit hineinzuziehen, ja fie zum Sturmbock für die groß-

polnishen Zwecke zu machen, scheint in den maßgebenden polnischen Kreisen erft im Frühjahr 1906 feste Gestalt gewonnen zu haben.

von Gnesen und Posen am 12. Mai 1906 an die Dekane erlafsenes Rund- schreiben über die deutshe Unterrichtssprae im Religions8unterricht,

Bevölkerung gegen die bestehende Schulordnung aufzubegzen. Dabei

überbaupt zurückzuhalten. Dieser Gedanke fand aber S eralrat Se Anklang, weil ein folhes Verbalten natur- gemäß zu Sculversäumnisstrafen gegen die beteiligten Eltern führen mußte. Da erschienen Anfang Juli in der bekannten Gazeta Grudziagdzka,

die ypolnishen Eltern zu tun bis zu dem Moment, wo der Laut Via Erzbischof und die hochwürdigsten Herren Bischöfe den deutschen NReligionsunterriht verboten haben werden?" und „Was hat das polnishe Volk noch mehr zu tun in Sachen

eutf{chen Religionsunterrihts ?" a ai y s daß ein Zurückhalten der Kinder vom deutschen Religionsunterriht des staatlihen Shulzwanges wegen unaus- führbar fei; wohl aber könnten die Eltern ihren Kindern befehlen, die Religion niht in deutsher Sprache zu lernen. Ste hätten die Pflicht, dies zu tun und die Lehrer von dem erteilten Verbote \{riftlich in Kenntnis zu seßen, wenn sle niht „die furchtbare Schuld auf sh laden wollten, die Seelen Zehntausender polnisher Kinder der gräßlihen Gefahr des Verlustes des Seelenheiles auszusehen." Außerdem sollten fie einen

flägers übernehme gegenüber der Rolle, die der Herr Abg. Stychel der erften Lesung des Etats sowohl wie heute hier gespielt hat.

„donnernden Protest glei einem Sturme dem Unterrichts-

Sie benutten für ihre Zwecke zunätst ein von dem verstorbenen Erzbischof |

um in zahlreihen Preßartikeln und Volkêversammlungen die polnische |

wurde den Eltern nahegelegt, ihre Kinder vom E n der

vorigen Jahres | dem polnischen |

Hetblatt {ärfster Tendenz, zwei Artikel mit der Ueberschrift : „Was

In diesen Artikeln wurde |

in die Ohren brüllen.* (Heiterkeit.) Muster sowohl für die Mitteilungen an Lebrir wie für diesen Protest wurden in den Artikeln abgedruckt. Auch wurden Protestformulare zur Bequemlichkeit der Absender durch den Druck vervielfältigt. Infolge dieser öffentlihen Aufforderung, die auch von anderen politishen Blättern wiedergegeben wurde, sind viele Hunderte von Protesten bei den Regierungen und bei der Zentralinstanz eins gelaufen. Obwohl der SHlußsaß dieser formularmäßigen Proteste

lautet:

minister

S; Le

Wir teilen Euer Exzellenz mit, daß wir unseren Kindern ver- boten haben, während des Religionsunterrihts Deuts zu beten und die deutshen Fragen des Lehrers zu beantworten.

find zahlreihe derartige Proteste auch von Eltern unterschrieben worden, welche gar keine \{ulpflihtigen Kinder besitzen (hört, hört! rechts), auch von unverheirateten, kinderlosen Personen (hört, bört! rechts), von Deulschen, ja von Sculkindern selbst. (Hört, hört! rechts.) Man hat sich sogar niht gescheut, die Namen bon Leuten, die im Irrenhause oder im Zuchthause sigen, ja in eintgen Fällen selbst die längst Verstorbener unter die Proteste zu setzen. (Heiterkeit Hört, hört! rehts Nufe bei den Polen : Namen nennen!) Also selbst vor derartigen offensihtlihen Fälshungen hat man si nicht gescheut.

Wie wenig im übrigen die Unterzeihner der Proteste überhaupt wußten, um was es si eigentlih bei den Eingaben handelte, erkbellt deutlich aus folgendem.

Die Proteste beginnen regelmäßig mit der Behauptung: „Unseren Kindern wird der Religionsunterriht in der ihnen unverständlichen deutshen Sprache erteilt“. (Abg. Korfanty: Das ift auch richtig!) Trotdem sind derartige Proteste aus solhen Gemeinden vielfach eingegangen, in denen noch heute beim Re- ligion8unterricht und beim Gebet die polnishe Sprache auf allen Stufen benußt wird. Ein solcher Protest ist in einer Gemeinde zu meinem Erstaunen an erster Stelle von dem mit der Leitung des Religiongunterrihhts betrauten polnishen Ortspfarrer untershrieben worden. Der Herr wußte also niht einmal, in welcher Sprache der seiner Aufsicht unterstehende Unterriht überhaupt erteilt wird. (Große Heiterkeit. Hört, hört ! rechts.) Troßdem glaubte er, sich der Protestbewegung anschließen zu müssen.

Sie werden es nur natürlich finden, daß derartige, den Stempel künstliher Mache an der Stirn tragende Kundgebungen auf die Unterrichtsverwaltung keinen Eindruck machen konnten. (Sehr richtig! rechts.) Troß der Aufreizungen der Presse und troß der fortgeseßten Bearbeitung der großen Massen in Volksversammlungen fand im übrigen der Gedanke des Schulstreiks bis zu den Herbstferien nur in wenigen Gemeinden Anklang. Die Leiter der Bewegung fahen \ih daber veranlaßt, in den Herbstferien kurz vor Wiederbeginn des Unterrichts im Oktober vorigen Jahres in Tausenden von Exemplaren folgenden Aufruf zu verbreiten :

Nette, wer an Gott glaubt!

Eltern! Erwachet!! Weckt mit aller Gewalt auch Eure Nachbarn! Seht Ihr nicht das über Euren Häuptern flammende Feuer? Seht Ihr nicht, was Euren Kindern droht? Wenn Ihr ihnen gestaltet, weiterhin die Neligion in deutscher Sprache zu lernen, so seid, Jhr Abtrünnlinge von Eurem Glauben. Der allmächtige Gott, dieser liebende Vater, aber auch gerechte Richter, wird Eu Eltern grausam bestrafen für das Abtrünnigwerden von ihm. (Zuruf bei den Polen: Der Aufruf kam gar nicht zur Verteilung! Glockte des Präsidenten.) Denn seht Ihr Blinden nicht, daß der lutherische Preuße dem fkatholisch-polnishen Kinde nicht nur die Sprache, sondern auch die Religion entreißen will? Leute! Ueberlegt! Bedenkt, rwoas durch Eure Gleichgültigkeit mit den Kindern geshehen wird! Oeffnet Ihr ihnen dohch selbst die Pforten der Hölle angelweit und stoßt Ihr sie doch in das Verderben! Oh, wie s{chmerzlich werden doch ihre armen Seelen sich beklagen über die eigenen Eltern, die Urfahe ihrer Verdamrtanis, über diese Eltern, die Gott selbst zu ehren und zu lieben befohlen hat. Diese Eltern wird er am Tage des Gerichts von sich stoßen und mit furhtbarer Stimme rufen :

Ich kenne euch nit, ich kenne euch nicht, ihr seid meine

Kinder nit!

Geehrte Eltern! Untersagt alle wie ein Mann

am 17. Oktober 1906 Euren Kindern streng, im Religionsunterricht deutsch zu antroorten ! Möge es unter Euch kein räudiges Schaf geben, das dieser Aufforderung niht gehorchte! Ihr seht, geschäßte Eltern, wie groß Ihr seid! Ihr allein habt die große Macht, diese von Gott verliehene Macht, daß Ihr ein solches Verbot an die Kinder erlassen könnt, und dieKinder müssen ihm gehorhen! Jhr seid in Euren Elternrechten mächtiger als die Minister, als die höchsten preußischen Beamten selbst! Angesihts Eures Verbots, das an die Kinder seitens aller katholisch-polnishen Eltern ruhig, einmütig, Hand in Hand erlassen wird, werden \ich die Feinde keinen Rat wissen. Nur auf diese Weise könnt Jhr durchführen, daß man den Katehismus und das Gebet in allen Schulen und in allen Klassen polnish lehren wird. Fürchtet Euch nicht! Kein Gesetz, keine Strafe wird Euch für die Verteidigung des heiligen Glaubens erreichen ! Denkt an Mittwoch, den 17. Oktober 190611! Möge Gott Euch beistehen und im Leiden trösten! Fast zur selben Zeit, nämlich am Sonntag, den 14. Oktober 1906, also unmittelbar vor dem Wiederbeginn der Schule, ließ dann der Erzbischof seinen durch die Prefse allgemein bekannt gewordenen Hirtenbrief gegen die deutshe Sprahe im Religionsunterriht von allen Kanzeln polnisch verlesen. Wenn auch in diesem Hirtenbrief nichts vom Verweigern der Antworten im s\{ulplanmäßigen