1907 / 71 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Verichte von deutschen Fruchtmärkten. Zusammengestellt im KoaiserliSen Statistischen Amt.

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DurhsHniits- Am vorigen p

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

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Schneidemühl . A : Braugerste Arevura L S. a e :

Hagen i. W. i: Schwerin i. Mecklb. ;

Allenstein.

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Schneidemühl L Neustadt O.-S. Hagen i. W. G.

Sch@werin tî. Mecklb. Saargemünd

= « Ss

16,80 17,00

16,00 16,80 17,30 16,90 17,20 17,80 18,50 19,44

15,40 15,40

15,40 14,80 15,50 14 50 15,80 15,20 16.90 16,50 17,03

13.00 13,50

15,60 13,00 16 00 14 50 15,00 14,60

17,00

15,00 15,20 15,60 16,00 15,70 14 60

15 80 18 00 17,50 18,60

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E

19,50 18 09 18,50 17 00 17 30 17,70 16,90 17,70 18,10 19 50 19,72 18 70 18 00 19,25

Noggen.

16,70 16 00 17,00

15,80

15,30 15,90 15,50 16,00

15,90

17,20

17,50 17,34

16,80 18/25

Ne

16,00 14,50 14,90 16,00 13,60 16,60 16 40 15,50 15,90 18,50 15,65 18,00

17,00 r. 17,00 16,00 17 00 16,00 16.40

16,10

15,60

n

Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf vole Mark abgerur Ein liegender Strih (—) in den Spalten für Preise bat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niŸt vor

19,50 18,09 18 80 17,00 1810 18,10 17,90 17.80 18,20 20,00 19 72 18,70 18,00 19,25

16.70 16 09 17,30 15,80 16.30 16 30 16.00 16,00 16.00 17,40 18.00 17,34

17.00 18,25

16,00 14,50 15,20 16,00 14 00 17,00 16,80 16,09 16,03 19,50 16,35 18 50

17,00

17,00 16,00 17,29 16,00 16 80 16,50 16,10 16,60 16 60 19,69 17,20 18,00 18 00 17,60 20,00 17,00 19,25

det mitgeteilt. De: Darhshnitt8preis wird auz den unabzerundeten Zahlen berehnet. gekommen ist, ein Punkt (.) in den legten sech8 Spalten, daß entfvreYender Bericht fehl t.

Grof:handelspreise von Eetreide an deutschen und fremden Vörsenplätzen für dic Wo che vom 11. bis 16. März 1907

nebsi entsprehenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nit etwas anderes bemertt.)

Woche | Da-

Roggen, guter, gesunder, mindestens

Mannheim.

Roggen, Pfälzer, russisher, bulgarischer, mittel Weizen, Pfälzer, russischer, amerik Hafer, badischer, württembergischer a fälzer, mittel .

rumän., mittel ,

ester Boden afer, ungarischer L i: erste, slovalisYe . ,

Mêèai9, ungarischer . . . s Budapest. Mittelware .

erste, Futter- ; is

Roggen, 71 bis 72 k Weizen, Ulka, 75 bis

6 kg das hl

Roggen, 71 bis 72 kg das hl .

L. °;. Wetzen, 75

Roggen |

T

Î

Hafer, englischer, weißer Gerste, Futter- |

Mais |

Beizen Antwerpen. . Donau, mittel

Kansas Nr. II

Mittelpreis aus

roter Winter- .

A

amerikanische /

amer fan, ‘bunt La Plata, gelber

lieferbare Ware des laufenden Monat

N (Mark Lane) . .,

Getreide,

196 Marktorten

Gazette averages) g

Liverpool.

D

Chicago.

Weizen, Lieferung8ware “éin

Neu York. roter Winter- Nr. 2

Lieferungs8ware |

September .

Buenos Aires. è Durtschnitt8ware

1) Angaben liegen nicht vor.

Bemerkungen.

1 Iraperial Quarter ift für die Weizennotiz an der Londoner Pro ebnet; fúr die aus den Umjäge ermittelten Durchshnittspretie f! Imperial Quarter

duktenbörse = 504 Pfund engl. an 196 Marktorten des Königrei ; einbheimis@es Getreide (Gazotts avarages) ift ; a Weizen =— 480, Hafer = 312, Gerste = 409 Pfund engl. ange 1 Bushel Weizen = 80, 1 Bustel Mais = 56 Pfund 1 Pfund englisch = 453,6 g; 2400, Mais = 20900 kz. Bei der Urnrehnung einzelnen Tagesa wöchentlihen Dur&schnitt8wechfselkurse an 5 Grunde gelegt, und ¡war für Wien und Budapest die Kurse aus inb f Liverpool die Kurse auf London, für Chicago r, Kurse auf Neu York, für Odefsa und Riga die Kurse für Paris, Antwerpen und Amsterdan die in eise în Buenos Aires unter Berücksichtigung

1 Laft Roggen = 2100, Weizen =

der Preiîe in Reichswährung sind

: en ngaben im er“ ermittelt

der Berliner Börse i!

für London und Neu York die

Goldprämie. Berlin, den 20. März 1907. Kaiserliches Statistisces Amt. van der Borght,

Deutscher Reichstag. 22. Sißung vom 19. März 1907, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Tagesordnung: Gesamtabstimmung über den Geseß- entwurf, betreffend die Vornahme einer Berufs- und Betriebszählung im Jahre 1907, erste und event. weite Beratung des Vertrags As dem Deutschen

eihe und Luxemburg vom 2. März 1907 über den Beitritt Luxemburgs zur norddeutschen Brausteuergemeinschaft,

ortsebung der Besprechung der Interpellation der Abgg.

[breht und Genossen, betreffend Eingriffe von Be- hörden 2c. bei der Reichstagswahl, und Interpellation der Abgg. Seyda und Genossen, betreffend Ausweisung polnischer hüler von höheren und mittleren Lehranstalten.

Nah dem Abg. Liebermann von Sonnenberg (wirish. Vgg.), dessen Rede auszugsweise in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden ist, ergreift das Wort der

Abg. Bebel (Soz.): Wir zweifeln gar niht, daß, wenn die Dinge sid so weiter gestalten, wie bisher, wir bei den nächsten Wahlen die gesamten bürgerlißhen Parteien in einer einzigen Front gegen uns werden stehen fehen. Damit haben wir ja auch s{hon früher gerehnet. Wir rechaen mit der Tatsache und richten uns darauf ein, daß wir bei den nächsten Wahlen auf kine der bürgerlichen Parteien angewiesen sein werden, sondern aus eigener Kraft unsere Ideen verfehten müssen. Die lanae Rede des Abg. Fischer erklärt sfih aus der Unmenge von An- griffen, denen wir ausgeseßt gewesen sind. Wir meinen, daß diese Verhandlungen eine sehr große Bedeutung haben. Noch niemals, so- lange das Meich beziehungsweise der Norddeutsche Bund besteht, baben sh Ereignisse zugetragen während des Wakhlkampfes wie bei der letzten Wabl. Eingriffe der Regierung haben ja {on früber stattgefunden, aber wir bekamen darüber uicht ein folches Material in die Hände wie diesmal und die Maßregeln der Regierung hatten nit diesen Umfang. Aufklärungen der Regierunz verargen wir ihr gar nit, im Gegenteil, wir haben oft zu wünschen Ürsache gehabt, daß die Regierung mit ihren B-richtigungen rascher bei der Hand gewesen wäre. Es kann dagegen au gar nihts eirgewendet werden, wenn diese Er- flärungen in fsahlider, rubiger, der Regierung würdiger Weise obne Provokation gegen irgend eine Partei erfolgen. _Wir klagen aber den Reichskanzler gerade wegen der Art und Weise an, wie er diese Erfiärungen hat erfolgen lassen, wie er gegen die einzelnen Parteten provozierend aufgetreten is. Wenn z. B. in dem Schlusse des Silvesterbriefes direkt dem Zentrum, den Polen und den Sojîtal- demokraten als den antinationalen Parteien der Krieg erklärt wird, so ist das eine Provckation fo beleidigender Art, daß dagegen kein Vort der Abwehr zu scharf ist. Der Reid&skanzler bätte die Sache der Regierung in würdiger Weise führen _kônnen, bier ist das nit geschehen. Und so etwas wird an den Chef des Neichélügenverband:8, den General von Liebert geshrieben. Wenn früher ein Gemeinde- diener oder ein Landrat in die Wahlen ein rif, so erflärte der Reichstag eine daraufhin zustande gekommene Wabl für ungültig; wie will man jeßt prozedieren, wo der Reichskanzler nicht für eine Einzelwabl, fondern für das ganze gegenwärtige Negierungssvystem, um es zu verteidigen, die Wahlen in dieser unerhörten Weise be- einflußt hat ? Der Vorredner meint, die Regierung wäre auf dem Posten gewesen und hätte ihre Schuldigkeit getan. Damit wird zu- egeben, daß ein ungeseßliher, biöher nit erbörter Eingriff in die Vahl freiheit stattgefunden hat. Der Reitskanzler hat aber überdies fic Wablzwecke Gelder gesammelt, eine Sammelstelle dafür er- ijtet und sih bereit erklärt, solhe Gelder anzunehmen. Die Nord- jutsbe Allgemeine Zeitung hat ja das ganz offiziell zugegeben ; r Fürst Salm, Präsdent des Flottenvereins, hat vom Kanzler Nittel zur Führung des Wablkampfes zur Verfügung gestellt erhalten, Yarum greifen wir den Flottenverein an? Wre er ein politiscer Verein wie andere au, dann würden wir kein Wort sagen; er nill aber kein politischer Verein fein, er bestreitet es aufs allerentshiedenste. Der Kanzler aber gibt offen zu, daß der Verein ein volitisGer ist, und stellt iém für Wahlzwecke Mittel zur Verfügung. Sie wissen, daß die sozialdemokiatishe Fraktion bder deren Vorstand von der Staats- anwaltshaft verfolgt werden soll, weil am leßten Sonntag bier im Reichstage unter Teilnahme von Nichtmitgliedern eine Konferenz in sozialdemokcatis{en Preßangelegen heiten stattgefunden hat. Was immer daraus wird, ih konstatiere, daf eine solche Konferenz, die sih auf ge- laden? Personen bes{hränkte und im kleinen K-eite stattfand, sofort die Staatsanwaltschaft mobil macht, weil €s sich um Sojzialdemo- fraten handelt, während der Fiottenvercin und unzählige andere Ver- eine im Wahlkampf agitieren dürfen, währerd im ganzea Deutschen Reihe kein Staatsanwalt danaw fräht. Der Staatsanwalt it allo nur für sozialdemokratishe Verfolgungen da, es ist damit ‘abermals bewiesen, daß cs Recht und Gerechtigkeit in Deutschland für die Arbeiterklass-n nicht gibt. Dec Reichtkanzler hat nicht immer für Geldsammlungen, die von Ministerien ausgehen, den gleihen Standyunkt vertreten. Es fann auf diese Vorkommnisse à la 12 009-Mark-Sammlungen vor 8 Jabren nicht enug hingewiesen werden. Damals stellten die Industriellen diese Summe für Zwecke der Propaganda für die Zuchtbausvorlage zur Ver- sigurg. Damals kam auf Interpellation von unserer Seite der Kanzler hierher und spra rückbaltlos und ofen seine herbste Mißbilligung über diese Sache aus; er erklärte, schon die Fruktifizi:-rung der Sache durh die Sozialdemokraten müsse ihn bedenklih machen über die Rihtigkcit des eingeshlagenen Weges; die teuische Negierung habe das Wobl der Gesamtheit ins Auge zu fassen, und die Regierung mühle sogar den Anschein vermeiten, als itebe sie in Abhängigkeit bon irgend weihen Gruppen oder Sonderinteressen, darum müsse er tro 5 guten Glaubens der Beteiligten den eingeschlagenen Weg als cinen

ißgriff bezeichnen ; wäre er {on Kanzler gewesen, so würde er dadon

haben. Derfelbe Reichskarzler von 1900 is auch der Neichs-

lanzler vom Silvester 1906; der erstere bat den leßteren moralisch tot- e|hlagen. Wenn die Beamten den Silvesterbrief zu Lesen bekamen, mußte au der Dümmste unter ihnen sich sagen, es handele fi um Parteien, gegen die sie in den Wahlen unbedingt Stellung nehmen müßten; es wurte aiso das ganze Beamtentum in seiner Zahlfreiheit aufs \{werst- beeinträchtigt. Ging man doch im Wahlkampfe so weit, die 124 000 Sgzullehrer zum Kampfe gegen die ligmetisierten Ernen aufzufordern, und ist doch ein großer Teil bon ihnen dieser Aufforderuna gefolgt uvd hat für die Wahl- igitation des Flottenvereins Bureau- und andere Dienste geleistet. M zehntausend Schulen ist der Üvterriht eingestellt worden, damit die Lehrer dem Flottenverein am Wakbltage zur Verfüguna standen. “benfo hat man die Studenten in den Universitätstädten zu Schlepper- dienften herangezogen! Wenn Studenten dec Sozialdemokratie zu ilfe kommen, dann find es grüne Jungen; hier aber haben die

ltaatserhaltenden Parteien sih die Dienste dieser grünen FJunzen sehr fern gefallen lassen und sie direkt in A-spruh genommen]! Daduch, der Silvesterbrief an den Neprätentanten des Verbandes unter

erleumdung der Sozialdemokratie gerihtet war, daß diese Vercinigung

Unter der Führung des Generals von Liebert zur offiziellen Vertretung der eglerungépolitik erhoben wurde, öffneten ih ihm natürli alle Türen, und

Lonnte sich von Liebert dann auch auf das besondere Entgegenkommen der lähsischen Regierung und der sähsishen Behörden berufen. Der Gener l bon Liebert verwahrte sih dagegen, daß er offizieller Negierun;t- indidat gewesen sei. Demgegenüber brauht man ja nur auf das qeMerungso gan, die „Norddeutshe Allgemeine Zeitung" zu verweisen, V aus dem Briefe des Generals Keim hervorging, taß die in dem gquedlkreise des Abg. von Liebert bisher aufgestellte antisemitische Andidatur Fritshe voa der Negterung zu Gunsten des Abg. von Liebert cim ft worden set, fragte bas ansisemitishe Komitee in Berlin an, f das wahr sei; die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" antwoitete, sie af u der Erklärung ermächtigt, daß eine solche Bekämpfung nicht olgt sei; die 2 emühung sei nur dahin gegangen, in allen

.

Wakhlkreisen und fo au in diesem auf wgre Einigkeit unter den nationalen Wählern hinzuwirken. Das also wird öffentlich zugegeben, daß man in dieser Nichtung „bemüht“ gewesen ist! Die Reichsregierung und ihre Organe haben also in ungeseßliher Weise in die Wahl ein- gegriffen. Von den Freisinnigen bat ja der Abg. ergus sih freiwillig als Regierungskandidat in feinem ahlkreise bezeihnet. Das war für seinen konservativen Gegenkandidaten natürlih eine sehr unanges nehme Sache. von Richthofen-Mershüz war hier in Berlin und hat gesagt, daß der Reichskanzler mit Hermes gar nicht verhandelt habe. Vie Konservativen hatten von der Ermättigung, von dieser Mitteilung öffentlich Gebrauch zu nahen, Gebrau gemacht. Das bat den Freisinnigen einen großen Schreck eingejagt. Es hieß nun, der Reichskanzler babe einen Vortrag von Hermes gelesen und diesen zu sih gebeten. In dieser Unterredung habe dec Kanzler seine Befriedigung über die Ausführungen des Abg. Hermes ausgesprochen und gesagt, daß eine konservative Kandidatur der Gesamtlage nit entspre en würde. Darauf vers&wand die konfervative Kandidatur. Vorher galt es allerdings als Schimpf und Schande, ein Negierungê- kandidat zu sein. Wie haben {ih die Zeiten geändert! Jn RNhein- land und Westfalen wurde darüber verhandelt, ob Zentrum und Liberale gegen die Sozialdemokratie zufammengeben follten. Die gemeinsame Aktion scheiterte an den Liberalen. Es ist inzwischen durch das Zentrumskcmitee bekannt geworden, daß auf Antrag der Ne- gierung Dr. Semler angekommen fei, um zu verhandeln. Bei der Unterredung waren au Vertreter der Regierung, auch dec Oberpräsident von Westfalen anwesend, die Verhandlungen zers{chlugen ih aber. Niemals ift regierungsseitig so in den Wakhlkampf eingegrifsen worden. Den Wahlkampf haben die Parteien und das Volk zu entscheiden, ob für oder gegen die Regi:rung; darein bat die Regierung sich nit einzumischen. ee Sonne für alle Parteien: so gehört es sich, aber niht in dieser® napoleonishea Manier. Eine ganze Reihe von Behörden, zuleßt das Ministerium des Innern von Preußen, der Oberpräsident von Sthorlemer, find diesmal eingetreten, die ganze Reihs- und Staatsorganisation, vom Ober- präsidenten bis zum leßten Polizeidiener. Hat etwa der Deutsche Kaiser dem Fürsten Salm nur aus dem Gefühl heraus sein Kompliment über den Ausfall ter Wabl gemacht? Der hohe Herr war über die Wabl sehr genau unterrichtet. Vom Schlossé herab zitierte er einen Vers aus dem Prinzen von Homburg, was bedeutet dies Zitat? Nicht auf die Art des Sieges kommt es an, ob der Kampf anständig oder unanständig war, die Hauptsache ist, daß man gesiegt hat. Was alles der Neichsverband an Verdrehung sich geleistet hat gegen die Sozialdemokratie, das zu wiederholen würde zu weit führen. Der Abg. von Liebert als Generalissimus des Verbandes kann ja nit alle Schriften des Reich8verbandes elesen haben. Aber als Präsident oder Vizepräsident eines folhen Verbandes trägt man die moralishe Ver- antwortung für diese Veröffentlichungen. Der Neichsverband hat auch meine Aeußerung über die bäuerliche Klasse gefälscht. Jm öffentlichen Protokoll des Parteitages staud etwas ganz anderes, al3 was mir unterlegt worden ist. Jch babe gesagt, es gibt keine egoistischere, rüsichtslosere und brutalere Klasse als die Agrarier. Der Reichs- verband hat weiter behauptet, daß die Redakteure des „Vorwärts“ bis zu 10 000 Æ Gehalt bekommen. Wir haben zehn Redakteure am „Vor- wärts*, der 138 000 Abonnent- n hat, davon bekommt der Höchstbezahlte 4500, nicht wie die Redakteure anderer Zeitungen 10, 15, 20, 30 000 A Hätten unsere Retakteure die Gepflogenheiten Hammer- steins . . . . ja, dann würden sie anders dastehen. Die Sozialdemokratie zahlt an Diäten 8, 10, 12 46 und Eisenbahnbillette dritter Klasse. Wir wissen genau, was die Groschen der Arbeiter bedeuten und was wir den Arbeitern zumuten dürfen. Der Redakteur bei uns ist zugleih Auitator, muß Vorträge halten und wird nit ertra dafür bezahlt. Eine infame Lüge und Verleumdung war es auch, daß man Liebknecht untergeleat hat, daß er von zweibeinigen Tieren als von Soldaten gesprochen hat. Das alles ist widerlegt worden; troßdem verbreitet die bürgerliche Presse solhe Lügen. Die Zeitungen brachten die Lüge von dem Champagnergelage Singers und meiner Person im „Roland“ von Berlin. Wir beide haben sie nacheinander dementtiert. Es wurde diese Lüge weiter verbreitet im Inland und Ausland. Als einer unserer Leute die „München-Gladbacher Zeitung“ auf meine Berichtigung hinwiea, da hatte das Blatt die Shamlosigkeit, die Berichtigung auf- zunehmen, aber gegen Erlegunz ven 20 A Es ist ja Zweck und Aufgabe des Reichsverbandes, unter Verleumdung der Sozialdemokraten, namentlich die Führer der Partei durch sfolche Mitteilungen zu diskreditieren. Es haben fih Beauftragte des Verbandes in die Hotels begeben, wo ih gewohnt hatte, und ge- fragt, was ih gegefsen, wieviel Trinkgelder ih gegeben hätte usw. ; so wird geschnüffelt. Lorenz, der Herazbteber der „Anti- sozialdemokratischen Correspondenz*, ein ehemaliger Sozialdemoktat, der sih lange für den Reichsverband bemüht hat, die Sozial- demokratie tot zu machen, hat mitgeteilt, daß er für den Reihsverband arbeiten sollte; er tat dies, aber kald wurde ihm bedeutet, er follie niht fahlide Artikel schreiben, sondern setne Aufgabe sei, Material gegen die führenden Persönlichkeiten zu bringen; also persönlite Verdähtigungen und dergleichen Niederträchtigkeiten wurden von ihm verlangt! Eine lottrigere, _oberflählihere Arbeit ist mir niemals voraekommen, wie die Schrift des Nbg. Liebert zur Orientierung der Offiziere, beziehungsweise zur Fernhallung der soztal- demokratishen Agitation von der Armee. Liebert hat aub in einer Versammlung in Pegau Singer, mich und ardere Parteiführer aufs schäârfste per)önlih angegriffen; erst nah langem Bemüben meiner Parteigenossen gab er nah eixer Reihe von Tagen Gelegen- heit, diesem Angriff in einer anderen Versammlung enkgegens zutreten! Unter diefen nieterträhtigen Verleumdungen befand fi au die infame Lüge gegea Singer, er habe in seinem Mäntelgeshäft gegen eine Arbeiterin, die um höheren Lohn einkam, die Aeußerung getan: „Gehen Sie doch auf den Strich!“ Diese Lüge ist jeßt 20 Jahre alt, sie wird noch immer gegen Singer ausgebeutet, obwohl das Wort nicht von ihm, fondern von setnem Kompagnon gesprohen war. Was kann Singer dafür? Troßdem wurde er wiederum damit ver- folgt. Natürlich, denn wer ist Rosenbaum? So hieß der Schuldige ; Nosentäume gibts Tausende und dieser Nosenbaum war ein ausgesprohener Gegner der Sozialdemokratie. Und die Hercen, die von Adel und Vermögen, von großer Bildung und von ganz besonderem Ehrgefühl sind, gerade sie fallen în dieser Weise über die Sozialdemokcati- her und nicht bloß draußen, sondern au hier im Hause, wie di:ser Tage der Abg. von Dirksen, der uns im Hause ganz direkt den Vorwurf gemacht - hat, wir erpreßten die Arbeitergroschen! Als er in die Enge getrieben wird, leugnet er einfa, diese {were Beschuldigung ausgesprohen zu -haben, und als der Genosse Kaden ruft: „Schon wieder gelogen!*“ wird nicht der Ahg. von Dirksen, sonte: n Kaden zur Ordnung gerufen. Jch fordere, daß der Prásident von dem Stenogramm Kenntnis nimmt und dea Abg. von Düirksen nachträglich zur Ordnung ruft. Das geschieht von cinem Herrn von Dirkscn, einem Geheimen Legatiorsrat a D,, einem außecordentlihz¿n Gesandten und bevoll- mächligfen Minister, also etnem Mann von hoher Bildung und von hober gesellshaftliher Stellung. Ih habe mir allerdings in meinem Leben s{on längst abgewöbnr, wenn ein Mann alle diese Eigenschaften bat, ihn “deshalb allein für einen anständigen Menschen zu halten; unter diesen äußerlichen Eigenschaften verbirgt \s\ch häufig nur zu sehr die Roheit und die Gemeinhecit der Gesinnung! Das Blatt des Abg. Stöcker „Das Neich" bringt Vershen über Rosa Luxemburg, welhe in threr bodenlosen Gemeinheit und Liümmelhaftigkeit einzig dastehen, Es harafterisiert gewisse Parteten im Reichstage, wenn sie sich bei folhen Gemetnheiten aimüsieren. Ja der „Post" schreibt angeblich eine Frau gegen uns und unser Auftreten und droht am Schlusse, wir follten auf der Hut sein, es gäbe auch unter den deutschen Frauen manche Charlotte Corday. Jch habe an den „Vorwärts“ geschrieben, er hat es leider nit aufgenommen; bekanntli wurde Marat im Bade ermordet —, ih sei bereit, der Dame mitzutetlen, wann sle mich im Bade treffen könnte. Man hat uns untergeshoben in der Agitation, wir hätten von dem YNeichstag als „Bande“ gesprohen. Wer hat die Depesche aus Glückse

burg nah Berlin gesandt: „Jh werde die ganze Bande zum ufel jagen ?*“ war ein ganz ander Mann als wir. Und war es nicht der Reichskanzler, der davon gesprochen hat. daß er sich unter Umständen eine Rhinozeroshaut anlege ? Urd sprach er nicht dagzon, daß man der Regierung das „Ma»[“ verbinden wolle? Un diefe Tonart soll uns zum Muster dieren ? Das Schimpflerikon der Kasernenhöfe wird durhweg von den Edelsten und Besten der Nation benußt und bereichert. Wer im Glastaus fißt, foll nicht mit Steinen werfen; das geht gerade die Edelsten und Besten der Nation an; Rohbeit und Gemeinkbeit . . . (Vizepräsident Kaempf: Jh habe Sie eben so verstanden, als ob Sie den Mit- gliedern des Hauses persönliche Vorwürfe mahen. Als der Redner eine Pause macht, ruft Abg. von Oldenburg (tkonf.): Na, was denn?) Wenn Sie nicht zuhören wollen, gehen Sie hinaus! Was mache - ich mir daraus, ob mir ein preußisher Junker vom Schlage des Abg. von Oldenburg zuhört od:r nicht? Der Kolonitaldirektor und später der Abg. von Liebert haben mir einen Irrtum nahweisfen wollen derart, daß ich bei der Bzumwolle Tonne und Ballen verwechselt habe; tatsählih hat si der Ko!onials- direktor geirrt. Schon als der Abg. von Liebert noch eia preufischer Major Liebert war, 1890, rühmte er die Herrlichkeit der ostafrikanis{-n deuischen Besißungen als ein Paradies . . , Der Aba. ven Liebert hat scine kolontalen Bemcrkungen auch in dieser Wakbhlbeeinflussunçts- besprehung gemaht. Jh will damit nur beweisen, wie übertrieben der Abg. Liebert die Her1lihkeit Ostafrikas gepriesen, während doch selbst Dr. Peters einmal den Zweifel anregte, ob Deutih-Oitafrika die dafür gebrahten Opfer lohne. Es wird ja sehr hübs{ werden, wenn, wie der Abg. von Liebert gewünscht hat, auch dite anderen Minifter in den Wahltkampr eingreifen, in die Arena hinabsteigen werden; ih erwarte dann aber, daß sie urs auch Nede und Antwort \tchen we:den. Die Wahl hat gezeigt, daß die Masse auf der Seite der Opposition stand, das Zentrum urd die Sozial- demokraten haben 6,2 gegen 5,5 Millionen gehatt. Sind Ihre (nah rechts) ostpreußishen Landarbeiter etwa m: hr wert als die Industrie arbeiter? Der Vorwurf, den man uns macht, wir trieben Boyfkott, trifft in Wahrheit die bürgerlih+n Parteien. (Der Redner zitiert eine Neibe von solhen Fäll-n.) Ich könnte Fhnen solhe Fälle mafsenhaft anführen. Man wtüft uns biblishe Zitate* vor. Wir könnten aus der Bibel, wenn wir wollten, den Sozialismus herleiten. Der Abz. Kreth nahm die Landräte in Sbuß. In der ganzen Welt weiß man dcch nach(- g?rade, welchen Einfluß der preußische Landrat in seinem Kreise hat, welchen wohltätigen oder verderblichen Einfluß er hat. Die Treiber t der Landräte hat {on Bismarck scinerzeit gegeißelt. Der Wabl, kampf bat Deutschland und der Welt gezeigt, was von der Negterung an Wakblbeeinflussung geleistet ist, Wahlüberschreitunzen kommen ja bei allen Parteten vor; aber un}er Parteivorstand hat beim Beginn der Wahibewegung die Partei aufgefordert, den Wahlkampf fachlih zu führen, und keine Partei hat den Wahlkampf so sachlich geführt, wie die Sozialdemokratie. Ginge es nah Recht und Gesetz, fo gehörte der Reichskanzler als Hauptagitator auf die Anklagebank. Abg. Zimmermann (d. Neformp.): Der Abg. Bebel hat sih uns heute in der Rolle des Klageweibes vorgestellt. Sein Schmerz über die Wahlen it ja ebenso begreiflih, wie seine Resignation. Welchen Cio»druck erzielte er früber mit seinen Anklagen! Heute kann man sagen: „Armer Bebel, wie bast Du Dir verändert!“ Ich muß aber doch sagen, daß das Eintreten der Staatsanwaltsaft gegen die Sozialdemokrater, die hier im Reichstage neulich zusammzentraten, durhaus nicht am Plate war. Wenn dies eine Form der Versprechung des Reichskanzlers war, daß er für eine bessere Vereine- und Versammlungsfreiheit Gewähr leisten will, dann danke ih dafür. Sämtliche Parteien müssen die Rechte und Freiheiten des Neich3- tags wahren. Der Abg. Bebel gefi:l sfih wieder in U-ber- treibungen. Den deutschen Studenten kann man doch nicht ver- bieten, doß sie Wahljzettel usw. vertreiben. Die Schnüffelei gegen Bebel verurteile ich au; aber ih kann verlargen, daß mir nicht von einem fozialdemokratishen Agitator Schwelgerei vorgeworfen wird, weil ich am Tage vor der Versammlung ein &las Rotwein getrunken habe. Der Aba. Bebel hat seinen Genosse Singer in Schuß genommen. Er irrt ih: es wird Singer von unserer Seite gar niht vorgeworfen, daß er die \chimpflichen Worte gesprochen hat, der Vocwurf richtet si vielmehr gegen seinen Komp1gnon. In dem Urteil gegen den Chefredakteur der eStaatsbürgerzeitung“, Bachler, ist aber festgestellt worden, daß für die Firma Gebrüder Singer die Abkängigen eigertlih nichts als Arbeitsmaschinen waren; daß sie auch Menschen waren, kümmerte die Firmx nicht. Ein folhes rein geschäftlihes Verhalten der Arbeitgeber ¿zu den Arbeitern steht im Widerspruch mit den von dem Privatkläger in seirer politishen und sozialen Tätigkeit vertretenen Grunö?sägen. Aus dem Urteil ergibt sich, daß mit Necht gegen den Ag. Singer der Vorwurf erboben werden konnte, er gebörte einer Firma an, in der die Leute ausgebeutet wurden, und daß er noch in der Fi: ma geblieben ift, als er bereits Kenntnis von dem Charakter seines Sozius Rosenbaum hatte. Was nun die Wablbh einflussun ¿en selbst anbetrifft, so hat die Neichsregierung das Necht und die Pflicht, ibren Standpunkt zu vertreten. Sie darf nur n‘cht Stellu=g ehmen zu Gunsten einer Partei. Im allgemeinen aber wird man ane: fennen können, daß diese Srenze bei dem Wahlkampfe von der Regierung eingehalten ift. Bedenken dagegen kann man haben binsihtlih des uyter dem Protektorat des Reichskanzlers gesammelten Wahl, fonds. Böse Zungen erzählten, daß er aus den Kreisen der Börse stamme, und die Quittung fei die in Aussiht gestellte Novelle :um Böisengeseß. Meine politishen Freunde würden niht in der Lage en, wenn e G um grund\äßliche Zugeständnisse handeln sollte, diese Quittung mit zu vollziehen, und wir sind auch an dem Wahlfonds vollkommen unbeteiligt. Wegen des am 15. Januar 1907 vom Generalmajor Keim an den Abz. y Liebert gerihteten Briefes, in dem letzterem mitgeteilt wird, daß von seiten der Wilhelmstraße alles getan sei, um ihm die unbequeme Konkurrenz vom Halse zu halten, Baba wir eine öôffentlihe Anfrage an die Neichsregierung g-ri&!-t Und die „Norddeutshhe Allgemeine Zeitung“ teilte als Antwo:t darauf mit, sie sei zu der Erklärung ermäthtigt, daß ein Eingriff der Reichskanzlei niht stattgefunden bab-. Der Abg. Bebel hat den weiteren Saß der eNorddeutshen Allzemetnen Zeitung" in den Bereih seiner Kritik gezogen, daß die Bemühungen der Neichskanzlei, wie in anderen Wahlkreisen, so auh hier nur auf eine Einigung der Parteien gerichtet gewesen feien, ohne jede Spitze gegen eine dieser Parteien. Daraus glaubt der Abg. Bebel einen SEEN der Reichskanzlei folgern zu können. Mir ist von solchen Bemühungen im 14. sächsishen Wahlkreise als Führer der Reformpartei nihts bekannt geworden und auch namens der übrigen Kandidaten der Reformpartei”“ kann i diese Erklärung abgeben. Die Bemühungen müssen also hôdhst einseitiger Art gewesen sein. Aber wenn cs gilt, die nationale Fahne hoch zu halten, wenn der Kampf sih gegen die Sozialdemokratie richtet, werden wir uns dessen b:wußt sein, daß wir alle Einzelinteressen zurückstellen mü} n, daß es dann das höôhere Interesse, das Wobl des ge\amten deutschen Volkes gilt. Der Abg. Bebel freilich sieht überall die SPplitter in den Augen der anderen, aber niht die Balken in den Augen der Soztaldemokratie. Wer für die Sozialdemokratie eintritt, ist der reine Engel, auh wenn er im Sauherdenton spriht. Wer aber gegen sie auftritt, ist unter allen Umständen ein nieder- trähhtiges Und verrufenes Subjekt. Ih möchte dem Abz. Bebel nah den Proben, die wir vom sozialdemokrati’chen Terrorismus und fozialdemokratisher Intoleranz haben, das eine erwidern : wenn die Sozialdemokratie erst einmal den Zukunfts\taat errihten würde, würden die regierenden Herren Sozialdemokraten noch ganz andere Töne anschlagen, als sie der Reichskanzler im Wablkampf angeschlagen hat. Dann möchte ih wi en, wie es den Andersdenkenden ergeben würde, dann würde die politische Freibeit allerdings am Boden liegen und fo gut wie aufgehoben sein. Die „Sächsische Arbeiterzeitung* vom 16. März be- innt einen Aitikel zum 18. März mit den Worten : «Die Er- ET in en des 25. Januar haben wiederum unheilyoll erwiesen, wie sehr den Deutschen die politishe Begabung mangelt.“ Wer sozialdemokratish redet, is politis begabt, wer es nicht