1907 / 72 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Mar 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Schluß 5 Uhr. Nächste Sizung Mittwoch, den 10. April, 2 Uhr. (Kleinere Vorlagen, zweite Lesung des Reichshaus- haltsetats für 1907, Reichsamt des JFnnern.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 38. Sißzung vom 20. März 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die Rede, die bei der Beratung des Antrags des Abg. Dr. Freiherrn von Erffa, in dem Geseßentwurf, Heren die U des Staatshaushaltsetats les as Rechnungsjahr 1907, folgenden § 3a einzuschieben:

„Die bis zur geseßlihen Feststellung des Staat8haushalt8etats und der Arlage dazu innerhalb der Grenzen derselben geleisteten Ausgaben werden hiermit nachträglich genehmigt“,

der Finanzminister lings von Rheinbaben gehalten hat, hatte nalebenden ortlaut:

Meine Herren! Herr Freiherr von Ecffa hat seinen großen Verdiensten als Vorsißender der Budgetkommission um die Finanz- gebarung des Staats ein neues hinzugefügt, indem er einen Ausweg aus der Situation gewiesen hat, die sih daraus ergibt, daß wir leider auf eine rechtzeitige Verabschiedung des Etats nicht mehr renen können. Es wird uns durch die VollmaŸt, die er uns zu geben beantragt hat, die Möglichkeit gegeben, die Geschäfte in der gewünschten Weise fortzuführen, andererseits wird uns aber ein großes Maß von Verantwortung auferlegt.

Was zunächst die laufenden Ausgaben betrifft, so würden wir uns für ermächtigt halten, dieselben in dem Rahmen des vorjährigen Etats, des Etats für das Etatsjahr 1906, zu leisten. Schwieriger wird die Situation, soweit es ch um neue Ausgaben handelt, die erst in den Etat für 1907, der noch aicht verabschiedet ist, eingestellt sind. Ich bestätige die Auffassung des Herrn Freiherrn von Erffa, daß wir zu diesen neuen Au8gaben uns nur dann für ermähtigt er- achten werden, wenn es sich um dringlihe und notwendige Leistungen handelt, und wenn wir annehmen können, daß das hohe Haus seine Zustimmung dazu geben wird.

Das ift ja bei einer sehr großen Anzabl von Positionen der Fall, die nicht nur in der ersten Lesung, sondern bereits in der zweiten Lesung dieses bohe Haus passiert haben; nur ein Teil des Kultus- etats steht noch aus sowie der Bauetat. Auch da würden wir uns nur dann zur Leistung der betreffenden Ausgaben für ermäßtigt halten, wenn die betreffende Position in der Budgetkommission nicht angefochten ift.

Es handelt sich da vor allem um die Beseßung neuer Stellen, es handelt fich da um die Gewährung von Gehbaltszulagen auf Grund der beantragten Gehaltserhöhungen und vor allem um die Vor- bereitung von Bauten. Es würde unter Umständen ein ganzes Bau- jahr verlorén gehen, wenn man nicht mit den Vorbereitungen der Bauten alsbald beginnen könnte, wenn man niht die Beamten an Ort und Stelle s{hicken könnte, die die Verdingungen vorbereiten fönnten und dergleihen, sodaß mit der Bauausführung sofort begonnen werden kann, wenn der Etat verabschiedet ift.

Feste Regeln im einzelnen, wie wir hiernach verfahren werden, laffen sich nicht aufstellen; das muß der ressortmäßigen Verantwortung jedes einzelnen Refsorthefs überlassen bleiben. Wir werten aber be- müht sein, die Geschäfte des Landes in ordnungsmäßiger Weise weiter- zuführen und andererseits den Intentionen des hohen Hauses, wie sie bei der zweiten Lesung des Etats und bei der Beratung in der Budgetkommission sich kundgegeben haben, nach Möglichkeit zu ents- sprechen.

Bei der zweiten Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen, Unterrihts-und Mêdizinalangelegen- heiten, die im Kapitel „Elementarunterrihtswesen bei den Ausgaben für die „Schulaufsicht“ fortgeseßt wird, und zwar zu den Besoldungen der Kreisschulinspektoren bemerkt

Abg. Dasbach (Zentr.): Bei den leßten Wablen soll im Kreise Trier ein Kreisschulinspektor eine Lebrerkonferenz einberufen und die Lehrer vor der Wahl des Zentrumékandidaten gewarnt haben. Jn dem Kreise Euskirhen soll der Kreiss{hulinspektor HoWheim an die Lehrer die Mahnung gerichtet haben, sh auf ihre Königstreue zu besinnen und ihre Stimme weder einem Abgeordneten des Zentrums noch einem Sozialdemokraten zu geben; der Minister erwarte, daß die Lehrer sich an der Wabl beteiligen würden. Diese Mahnung ift zum mindesten sehr überflüssig, denn die Lehrer sind so weit gebildet, daß sie sih ein Urteil selbst bilden können, ob fie ihre Stimme ab- eben sollen oder nicht. Im übrigen protestiere ih dagegen, daß ein Königlich preußischer Kreisschulinsp-ktor sid berausnimmt, dem Zentrum die Königstreue abzusprehen. Selbst Fürst Bülow it in seinem Silvesterbriefe so weit niht gegangen; er hat die hervorragenden Verdienste des Zentrums um die Gesetzgebung ausdrüdcklich anerkannt. Auch in Kreisen, die niht dem Zentrum angehören, werden die Ver- dienste des Zentrums zugegeben, wie ein Artikel der „Evangelisch- lutherishen Kirchenzeitung* beweist. (Präsident von Kröcher: Das geht doch ein bißchen zu weit!) Jch stelle also fest, daß fie allgemein anerkannt werden.

Ministerialdirektor D. Schwartkovyff: Was den ersten Fall betrifft, so kann die Verwaltung das Verfahren des Kreitschul- inspektors nicht ganz billigen. Der Bericht über den weiten Fall ift wes niht eingegangen; es kann also darüber kein Urteil abgegeben tverden.

Die Abgg. Ernst (fr. Vgg.) und Dr. Arendt (freikon\.) befür- worten Erhöhung der Gehälter der Kreisshulinspektoren und Gleich- stellung mit den Seminardirektoren.

Der Titel wird bewilligt.

Bei den Vergütungen für Reise- und sonstige Dienst- unkosten der Kreisschulinspektoren beshwert sih

Abg. Dr. Krüger (konfs.) über die Ueberlastung der Kreis\{chul- inspektoren seiner Heimat infolge der weiten Entfernungen, die sie bei

den Revisionen zurückzulegen habon.

Wirklihec Geheimer Oberregierungsrat von Prüfung dieser Beschwerde zu.

Als Entschädigungen an Ortsschulinspektoren für die Teilnahme an amtlichen Kreiskonferenzen werden 50 000 M und als Entschädigungen an Elementarlehrer und -lehrerinnen fe e Teilnahme an amtlichen Kreiskonferenzen 302 500 # gefordert.

Abg. Viereck (freikons.): Diese Konferenzen sind im hohen Grade geeignet, den kollegialen Zusammenhalt unter den Lehrern zu

tärken und Fühlung zwishen Eltern, Kindern und Lehrern

zustellen. Der geselishaftlihe Umgang mit den Wehrern wird den Rektoren und ulinspektoren Gelegenheit geben, diese

Bremen sagt

näher kennen zu lernen, als es im Amt möglich ift. Viel- [leiht könnte in dem betreffenden Titel das Wort „Kreis“ gestrichen E es ist richtiger, wenn die Konferenzen nur einen Bezirk um- assen.

Geheimer Dberregierungsrat Kloß\ch erkennt die Berechtigung der von dem Vorredner gegebenen Anregung an; die Streichung des Wortes „Kreis* sei aber nicht nötig, da unter „Kreiskonferenzen“ alle Konferenzen zu verstehen seien, an denen der Kreis\{hulinspektor teilnehme.

Abg. Hirt (kons.) regt eine Erhöhung der Entschädigung für die Ortsschulinspektion an. L j : ¡ u den Ausgaben für die höheren Mädchenschulen emertt

Abg. Dr. Ar endt (freikons.): Bei der Reform des Mädchenschul- wesens muß auch das Berechtigungswesen geregelt werden. Auch auf eine Neuorganisation des Mittelshulwesens und die Regelung der Be- \foldungsverhältnifsse der Mittelshullehrer müssen wir rehnen. Die Beihilfen zur Unterhaltung höherer Mädchenshulen betragen in diesem Etat nur 345 000 #, die zur Unterhaltung niht staatlicher Lehrerinnenbildung8anstalten nur 6000 A Eine Erhöhung hat niht stattgefunden; der Staat sollte mit stärkeren Mitteln ein-

greifen.

Minister der geistlihen, Unterrichts- angelegenheiten Dr. von Studt:

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat zu Beginn seiner Ausführungen zunächst eine nähere Auskunft gewünsht über den NReformplan für das höhere Mädchenshulwesen. Ich behalte mir vor, diese Auskunft zu erteilen bei dem Kapitel über die höheren Unterriht8anstalten, sobald es da gewünscht wird.

Was aber, meine Herren, die materielle Ausgestaltung des böberen Mädchenschulwesens anbetrifft, so kann ih doch die von dem Herrn Abgeordneten vorgebrachte Klage über eine niht genügende Be- rüdsihtigung der beteiligten Interessen nicht in vollem Umfange an- erkennen. Meine Herrea, ich habe sofort zu Beginn meiner ministeriellen Tätigkeit es erreiht, daß im Jahre 1900 der betreffende Titel um 60000 4, im Jahre 1902 um 50000 A, im Jahre 1904 wiederum um 50009 e unck im Jahre 1905 um 15 (C00 Æ terstärkt worden ist. Das bedeutet gegenüber den ursprünglihen Summen doh eine gewaltige Aufbesserung. Nun kommt noch hinzu, daß im Jahre 1904 der Titel 31b „Beihilfe zur Unterhaltung nicht staatlicher Lehrerinnen-Bildungs8anstalten“ neu eingeführt worden ift mit 50 0009 Æ und im Jahre 1905 auf 69000 erhöht worden ift.

Nun, meine Herren, ih glaube, daß diese Summen doch eine be- deutende Verbesserung darstellen; und wenn für das neue Etattjahr keine Erhöhung stattgefunden hat, so erklärt es sih daraus, daß der Abschluß der von mir im vorigen Jahre in Angriff genommenen Reform des höheren Mädchenshulwesens doch wohl angemessener Weise abzuwarten sein wird, um mit größeren Anforderungen vor dieses hohe Haus zu treten. Jh glaube, damit den Beweis geführt zu baben, daß meinerseits alles geschieht, die berechtigten Interessen zu fördern.

Ich muß aber anerkennen, daß, wenn man damit die bloßen Zahlen der Opfer vergleiht, die der Staat für die höhere Knabens- s{hulbilbung bringt, die Fürsorge für die höheren Mädchenschulen sich immerhin noch in bemerkentwertem NRückstande befindet. Diesen zu beseitigen, soll eine der wichtigsten Aufgaben der Unterrihts- verwaltung sein.

Abg. Ern fi: (fr. Vag.): Nicht Gleichartigkeit, sondern Gleich- wertigkeit der Erziehung beider Geschleckter ist das erstreben8werte Ziel. Die Reform des höheren Mädchenschulwesens darf niht weiter hinaus- geschoben werden. Ift es gerehtfertigt, das Zölibat der Lehrerinnen noch aufrecht zu erkalten? In England gibt es viele verheiratete Lehrerinnen.

Abg. Hirt (kons.): Mit Spannung sieht man den Ausführungen des Ministers über die Reform des böberen Mädchenschulwesens entgecen. Wir erwarten, daß die Reform auch den Lehrern und Lehrerinnen voll gerecht werden und ihre Besoldungsverbältnifse regeln wird.

Zur Erleichterung der Volks\schullasten sind an Beihilfen für Gemeinden 29360 000 Æ, d. st. 300 000 M mehr als im Vorjahre, ausgeworfen.

Abg. von Lucke-Büttnershof (kons.) beschwert sich über s{chwere Belastung kleiner Landgemeinden mit Schullasten urd namertlih darüber, daß im NRegierungébezirk Magdeburg ursprünglih zugesicherte Beihilfen später wieder verkürzt worden seien.

Ministerialdirektor D. Schwartkopff: Die Lehrer haben einen Rechtsanspruch auf ein ganz bestimmt firiertes Dienst- einkommen, und die Staatsregierung muß sch an die durch das Lehrerbesoldung8gesez gezogenen Grenzen halten. Nun ist seinerzeit im Etat eine bestimmte Summe zur Verfügung ge- stelt worden, um derjenigen Gemeinden, welche leistungëunfähig find, zu Hilfe zu kommen. Es follte bei der Prüfung der Leistungs- fäbigkeit mit der äußersten Vorsicht vorgegangen, und Gemeinden und Gutsbezirke sollten gleihmäßig b-bandelt werden. Wenn nun im Bezirk Magdeburg diz Leistungäunfähigkeit anerkannt und nachher eine Kürzung der Beihilfe angeordnet worden ift, so ist mir der spezielle Fall nicht bekannt. Der Minister wird sehr gern bereit sein, in eine P:úfung dieses Falles einzutreten. Generell läßt sih die Sache niht regeln, sondern es muß von Fall zu Fall entschieden werden. Sollten etwa generell in allen Teilen des Bezirks Magdeburg die Beihilfen um einen bestimmten Prozentsatz verkürzt werden, fo würde das niht im Interefse der Biligkeit liegen. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als die einzelnen Beshwerdefälle zu prüfen.

Abg. von Pappenheim (konf.): Wir werden in der \{chwierigen Frage der Leistungéfähigkeit der Gemeinden niht eher zu einem günftigen Refultat kommen, als bis man die bisherige Praxis verläßt. Es ist unmögli®, von der Zentralinstanz aus die Leistungsfähigkeit der kommunalen Verbände richtig abzuwägen. Wir haben hon bei der Emanierung des Schulunterhaltungcsgesetzes darauf bingewiesen, daß nur die unteren Instanzen, womöglih der Kreisausschuß, die Leistungsfähigkeit der Gemeinden beurteilen fönnen. Gs fommt doch immer darauf an, wie die steuerlihe Be- lastung überhaupt entstanden ift. Wenn z. B. eine Gemeinde große Ausgaben für Wafferleitungen und für alle möglihen technischen Zwedcke macht, so werden dadurch die Ausgaben des einzelnen außer- ordentlih berabgesezt. Die Bewohner brauchen das Wasser nicht mehr von weit ber heranholen zu laffen, keine tiefen Brunnen zu graben usw. Darüber können nur die nähftliegenden Organe ent- icheiden, und diese find für die fleinen kommunalen Verbände die Kreisaut\chüfe. Solche krafsen Fälle, wie sie der Vorredner angeführt hat, baben wir auch în anderen Provinzen. Sehr oft wird auf Grund von Trugschlüfsen die steuerlihe Belastung der einen Gemeinde zu hoh und bei der anteren zu niedrig bemessen, und die Beiträge werden nicht richtig abgeshäßt. Das Allerbedenklichîte ist aber, daß eire Gemeinde unter Zusicherung staatlicher Leistungen dauernde Lasten übernehmen muß und dann die Staatshilfe verkürzt wird. Wenn z. B. eine ¡weite Schulstelle 0g TDE werden foll, und die staatlihe Unter- stüßung zwar niht juristisch zugesichert, aber in sichere Aussicht gestellt wird und dann, wie es oft vorkommt, diese Leistungen zurück- gezogen werden auch in meiner nächsten Nähe, in meiner Provinz

st das bekannt geworden —, so muß darunter natürlich die staatliche Autorität außerordentlih leiden. Wenn eine Gemeinde eine zweite Schulstelle gründet, und ihr die Unterstüßung in sichere Aussicht gestellt wird, und wenn leßtere nachher nicht eintritt oder zurückgezogen

und Medizinal-

wird, fo leidet weniger das Ansehen des Landrats, denn dieser f

sagen: ih habe mit bestem Wissen und in der sicheren Ho Inn

geg daß A so Tone wird 7 ; s Ee Beihilfe va er eren anz zurückgezogen wird, so muß das

e Roi 5 S ): Die Stadt B n g. Rosenow (fr. Volksp.): Die Sta erli

Enormes für neue Scbulgebäude, es find unzefähr 250 Set rit

Berlin mit 9000 Klassen. Wir sind dauernd bestrebt, den ÜUebe

ständen abzuhelfen. l,

Der Titel wird bewilligt.

Nach Titel 34 sind an Beihilfen an Schulverbände we Unvermögens für die laufenden Ausgaben der Schulverwaltye! 17 492893,24 M, d. #. 320588 mehr als im Vorjahre ausgeworfen. :

Hierzu hatten die Abgg. Freiherr von Zedli Ne ukirch (freikons.) und Genossen beantragt: d Und die Staatsregierung zu ersuchen, 1) bis zur Neuregelung be Lehrerbefoldungen allen Lehrern mit weniger als 1200 « Grundgehalt einen Zushuß von jährlih 100 4% aus Staatsmitteln zu gewähren ; 2) der entsprehenden Erböbun des betreffenden Fonds hon für das Etatsjahr 1907 zuzustimmen,

Die Abgg. Dr: Jderhoff (freikons.) und Genossen hatten beantragt:

die Regierung zu ersuchen, bei der Erhöhung der Grund, gehälter und Alterszulagen der Volks\{ullehrer, die durch die unter Tit. 34 Kap. 121 der Ausgaben des Etats der geistlichen, Unter- richt3s- und Medizinalangelegenheiten ausgeworfenen Mittel ermg: liht wird, die Inbaber der mit einem Kirchenamt verbundenen Stellen in gleiher Weise wie die anderen Lehrer ohne Nütksiht auf a E für das Kirchenamt gewährte Entschädigung zu berüg:

igen.

Der leßtere Antrag ist inzwishen dahin geändert worden daß hinter „gewährte Entshädigung“ einzuschalten ist : welte von der Schulaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der kir: lichen Behörde festgestellt ist“.

Abg. Dr. Iderhoff . (freikons.): Namens meiner Freunde

babe ih zu erklären, daß wir den gestellten Antrag Zedlig hiermit zurückziehen, nachdem der Minister das Lehrerbesoldungs geseß für nächstes Jahr in Aussiht gestellt hat. Zur Durchführung der an leistungsschwache Gemzginden zu Qt währenden Beibilfen, um den ersten und“ alleinstehenden Lehrern ein Mindestgehalt von 1100 A zu ermöglihen hat der Minister eine Verordnung an die Königlichen Regierungen erlafsen, wonach die Inhaber solcher Lehrerstellen, die ein damit organisch verbundenes Kirchenamt ausüben und dafür eine Enschädigung erhalten, dieser Beihilfe nit oder nur teilweise teilbafiig zu werden brauen. Unser Antrag will hier eine Aenderung \chaffen. Wenn ¿- B. in einem Falle ein Lehrer, der ein Kirhenamt ausübt, 1500.4 insgesamt erbält, so werden 10€0 M als Lehrergehalt und 500 (als Ent- schädigung angesehen; Entschädigungen für Mähewaltungen für ein kfirhlihes Amt über 400 (A hinaus werden nun dem Gehalte ju, ge[Maten und so au in diesem Falle 1100 4 Einkommen aus ehrergehalt als gegeben . angesehen. Eine derartige Verrehnung widerspriht aber den klaren Bestimmungen des Lehrerbesoldungs- gesetzes, worin die Entschädigungen für Mühewaltung in einem kirh- lichen Amt ausdrücklich von dem Lehrergehalt geschieden werden. | Man hat auch diefe Verfügung ohne NRücksicht auf die verschiedenen Verhältnisse zur Anwendvng gebracht und nicht unterschieden, für welche kichlihen Aemter diese Mühewaltung stattfindet. Auch der vorläufige Charakter dieser Beihilfen kann an unserer Auffassung nichts ändern. Zuleßt würde es mögliherweise auch dahin kommen, daß für diese Kirhenämter kaum noch Lehrer zu haben sein werden, weil sie durch diesen Modus der Verrechnung sich nicht wesentlich besser stehen werden als die Lehrer, die eine Bethilfe erbalten. Die Anrehnung der Entschädigung für das kir{chliche Amt auf de Lehrergehalt widerspriht dem, was beim Volks\{ulunterbaltungl- gese beschlossen ist. Die Sache hat eine sehr große prinzipielle Be deutung, die Shulverwaltung hat sih über die Mitwirkung de Kirchenbehörde hinweggeseßt. Jch bitte, dem Antrage einstimmig zw zustimmen.

Ministerialdirektor D. Schwarbhkopff: Der Vorredner ift im Irrtuw, es handelt \ich hier gar niht um die Ausführung des Lebrer besoldung8geseßes und die Anrehnung des kirchlihen Gehalts. Der edler des Vorredners liegt darin, daß es sich hier um eine provi- orishe Aufbesserung einiger notleidender Lehrer handelt ; nur dabin ging der frühere Beschluß des Hauses. Es soll nur, wo ein Lehrer nicht genug bekommt, provisorisch durch Hergate weiterer Mittel geholfen werden. Die Unterrihtsverwaltung hat sih nun gesagt, daß da, wo das Grundgehalt schon 1500 #4 be trägt, eine Aufbesserung niht notwendig is. Wir wollten bloß da belfen, wo die Gefahr einer Landflucht der Lehrer wegen un- genügenden Einkommens vorlag. Ein Lehrer, der {hon 1500—2000 Gerundgehalt hat, unterliegt dieser Gefahr aber niht. In dem Mc- ment, wo die Revision des Lehrerbesoldungsgesetzes bevorstebt, baben wir keine Veranlassung, die von dem Antragsteller erwähnten Stellen beraus8zugreifen, um fie zu verbessern. Man würde damit nur den Lehrern Mittel nehmen, wo sie sie nôtig haben, und sie denen über- tragen, die sie niht nôtig haben. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen. :

Abg. Dr. Iderhoff: Wenn ein Grundgehalt von 1500 bor- liegt und 5C0 # auf das kiuchlihe Amt entfallen, fo fehlen an dem Grundgehalt von 1100 A noch 100 A Dieser Fall ift in dem Erlaß vorgesehen, das entspricht aber niht dem Beschluß beim Sthul- unterbaltungsgeseß. H

Ministerialdirektor D. Schwarßkopff: In dem Erlaß ist wellerz nihts gesagt, als daß da, wo 1500 M vorhanden sind, wir uns u diese Stellen gar nicht kümmern sollen. Es sind infolgedeften über- haupt nur 4,5 % der Stellen niht berücksihtigt worden. G Mittel sind bereits verwendet worden für die notlciteaden Stellen, ist jeßt niht möglih, ihnen wieder etwas zu nehmen.

Abg. Ernst (fr. Vag ): Die Ausführungen des Abg. Iderhoi haben mich mehr überzeugt als die des Ministerialdirektors. A Freunde werden für den Antrag Iderhoff stimmen. Seinerzel J beshlofsen worden, daß das Grundgehalt der ersten Lehrer 1100 A und das der alleinstehenden Lehrer auf / 1000 r 2 werden sollte, aber das Kirhenamt ist dabei gar nicht in Frage 8 kommen. Man hat an manchen Stellen einfach das Brennmaler® um 100 4 böher angeseßt, das entspricht aber nüt den WN des Hauses. Der Lehrer hat Anspru auf sein valles Lehrergeyatt was ec nebenbei hat, muß besonders formuliert werden.

ire vraktishe Folge wird Eine pra tisdle s

erbesoldungé- Lehrer n aud Aber dié

Abg. von Pappenheim (konf.): der Antrag Iderhoff nicht haben, da die Vîitt sind. Wir hoffen, im nächsten Jahre ei geseßp zu stande zu bringen, und damit die praktishen Wirkungen des Antrages ‘n. i beim Tendenz des Antrages, die Entschädigung für /das Kirchenam ortet. Lehrergehalt niht zu berüdsihtigen, haben {wir au befürwor Bei der ganzen Beratung des Schulunterhaltuplgsgeseßes ist von E ju Freunden mit besonderer Vorsicht vermieden worden, Makre0t i s treffen, die - eine Trennung des Kirchenamtes von dem L s io Folge baben könnten. Mit der Tendenz dcks Antrages find Tat durchaus einverstanden und aus dieser Rücksidht geneigt, für den

zu stimmen.

(S{hluß in der Zweiterz Beilage.)

M 72.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wir {ließen uns den Ausführungen des Antragstellers und des Abg. Ernst an und stimmen auch für den Antrag. Bezüglich der Ausführung des Bremserlasses sind uns eine anze Reihe Zuschriften zugegangen, die zum Teil weitvolles Material bieten, mit denen ich mich aber doch nicht ganz identifizieren kann. Nur zwei Fälle daraus muß ich erwähnen. Der Landrat des Land- freises Düsseldorf hat an den Bürgermeister eine Verfügung erlassen, wonach den Gemeinden, welche die Alterszulazen der Lehrer über 180 M diy d die widerrufliGen Staatszushüsse entzogen werden follen. erner hat der Landrat des Landkreises Dort» mund, nah der „Westdeutshen Lehrerzeitung“, angcordnet, daß ihm alle Anträge der Schulvorstände auf Erhöhung der Lehrergehälter zunächst eingereiht werden sollen. Ih möchte fragen, ob dem Minister diese Fâlle bekannt find?

Ministerialdirektor D. Schwarbkopff: Das Vorgeben des Land- rats im Landkreise Dortmund is uns nicht bekannt und noch nit hei uns zur Sprache gekommen. Jch kann mir gar nit denken, daß die Sache so liegt, wie in der Zeitung dargestellt ist. Es muß ein Mißverständnis vorliegen. Solche Mißverständnisse kommen in Ge- haltsfragen sehr leiht bor; ih bin aber bereit, in eine Prüfung des Falles einzutreten. Wie leiht Mißverständnisse vorkommen, beweist das, was dem Abg. Cassel über den Fall Löwenberg zugegangen ist, den Herr Cassel bei der Debatte über den Bremserlaß als besonders gravierend hervorhob. Er verlangte damals Aufklärung darüber, ih fann sie erfreuliherweise heute geben, indem ich den Brief des Magistrats der Stadt Löwenberg verlese, welchen dieser dem Abg. Cassel ges{chickt und dem Minister abschriftlich eingereiht hat. Das Sgreiben lautet : „Infolge falsher Inforination haben Sie nach über- einsitmmenden Zeitungéberihten in der Sißung des Abgeordneten- hauses vom 9. Februar 1907 Erklärungen über die Erböhung der Gehaltssäte der städtishen Lehrer in Löwenberg und über die angebliche Ver)agung der Genehmigung der von den städtishen Körper- haften gefaßten Beschlüsse seitens der Königlichen Regierung in Liegniy abgegeben, die mit den Tatsachen niht übereinstimmen. R@tig ist nur, daß die Stadtverordnetenversammlung die Erhöhung des Grundgehalts um 50 # und der Alterszulagen um 70 M be- {lossen hat. Auf Anfrage des Magistrats wegen der Stellungnahme der Königlichen Regierung hat diee unter dem 18. Januar 1907 dem Magistrat folgendes eröffnet : „Welhen Standpunkt wir zu einem eiwaigen Beschluß der städtishen Körperschaften einnehmen werden, können wir zur Zeit nit sagen.“ Von einer Nichtgenehmigung war in diesem Passus niht mit einem Wort die Nede. Da der Magistrat und die Schuldeputation hohes Gewicht darauf legen, die Gehaltsfrage der Lehrer ¿um endgültigen Abschluß zu bringen, haben wir dann in nohlverstandenem Interesse der Lehrer die Erhöhung des Grundgehaltes um 70 F und der Mietëents{ädigung um 60 # beschlossen. Diesem Beschluß hat die Stattverordnetenversammlung am 1. Februar einstimmig ¡ugzestimmt. Nach diesem einstimmigen Beschluß der städtishen Körper- \hasten beträgt jeßt das Grundgehait 1200.46 und die Mietéentshädigung M Diese Beschlüsse sind nun erst der Königlichen Regierung zur Ge-

nbnigung vorgelegt worden, ein Bescheid darauf ist bisher nicht «netroffen.“ Jch darf hier einshalten, daß diese Genehmigung in- jvischen ausgesprochen ist. Der Magistrat \chreibt weiter: „Wir bofen, daß Sie Ihre Aeußerungen auf Grund dieser authentischen Ingaben im Abgeordnetenhause baldigst richtig stellen werden, und dürfen wohl einem gefälligen Bescheide, wann dies geschieht, demnähst entgegensehen.“ Dem Abg. Caffel sind also auh ganz urrichtige Nachrichten zugegangen, und er wird sie hoffentlih ritig stellen. Man muß also in der Verwertung von Nathrichten in der Presse sehr vorsichtig sein. Ich empfehle dringend, solche Fälle genau ju prüfen ; soweit die Negierung es kann, wird sie gern das erforderliche Material zur Verfügung stellen. Das Vorgehen des Landrats im Landkreise Düsseldorf, wonach die Zurückziehung der Staatsbeihilfen für den Fall einer Erhöhung der Alterszulagen oder des Grundgekbaltes gewissermaßen angedroht ist, würde mit den Intentionen der Regierung niht übereinstimmen. Aus Anlaß eines anderen Falles hat der Minister ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die einmal gewährten Staats- beihilfen nur dann zurückgezogen werden, wenn sih in den Verhält- nissen der leistungsunfähigen Gemeinde etwas ändert. Daß eventuell für die Genehmigung einer Gehaltserhöhung in einer Gemeinde, die als leistungsunfähig zu erachten ist, die Leistungsfähigkeit geprüft werden muß, wird auch Herr Dr. Friedberg zugeben, aber die An- drohung einer Zurückziehung entspricht nihcht unseren Intentionen.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) meint, daß nah den Bestimmungen des Lehrerbesoldungêëgeseßes dem Antrage Iderhoff niht stattgegeben werden könne.

Ministerialdirektor D. Schwarbkopff: Jch teile den Stand- punkt des Abg. von Pappenheim insofern, als auch ih meine, daß bei der endgültigen Regelung der Lehrergehälter eine Anrehnung der Mühewaltung für kirhlihe Aemter auf das Geha!t nicht statthaft sein soll, vorläufig aber müssen wir dabei bleiben.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) bringt einen weiteren Fall zur Sprache, in welhem einer Gemeinte die beabsichtigte Lehrergehaltserhöhung unterbunden wurde.

Auf eine Bemerkung de? Abg. Cassel (freis. Volksp.) erwidert

Ministerialdirektor D.Schwar bk opff, daß dur den sogenannten Breméerlaß des Ministers nicht die Königlichen Regterungen follten berbindert werden, Anträge von Gemeinden auf Lchrergehalts- ecbôhungen überhaupt erst dem Minister vorzulegen ; die Gemeinden llten zumeist aus eigener Initiative darauf verzichtet.

Abg. Dr. Jderhoff: Bei unserem Antrag handelt es si nit im Zuschüsse für Lehrer, sondern für leistungsshwahe Gemeinden, damit diese in jedem Falle 1100 A Grundgehalt garantieren fönren. Nah der Verfügung des Ministers brauchen selbst leistung6fähige Gemeinden bei 1500 4 insgesamt ihren Lehrern keine Erhöhung des Lehrergehaltsanteils auf 1100 M. tatsähli zu gewähren. Die Ge- aliserhöhung bleibt eine rein renerise. „… Mioisterialdirektor D. Schwarykopff entgegnet, daß die Ne- gierung da, wo ein Gefamteinkemmen von 1500 4 vorliege, auch fine provisoris@e Notwendigkeit der Erhöhung des Lehrergehalts- anteils von 1000 auf 1100 G nicht anerkennen könne.

d Nachdem Abg. Dr. Dittrich erklärt hat, nunmehr für R Antrag Jderhoff stimmen zu müssen, wird nah weiteren en Bemerkungen der Abgg. Bus (Zentr.), Cassel und ‘s Ministerialdirektors D. Shwarßkopff der Antrag Jder- of der Budgetkommission überwiesen.

An widerruflihen persönlichen Zulagen für Volklsshul- ehrer und -Lehrerinnen in den Provinzen Posen und West- preußen behufs besonderer Förderung des deutschen Volks- lhulwesens sind 1150 000 M gefordert.

Die Abgg. Ernst (fr. Vgg.) und Lusensky (nl.),be- întragen, diese persönlihen Zulagen nach 5 Dienstjahren ia 300 M, nah 15 Dienstjahren ar 400 M zu erhöhen und 1h damit einverslanden zu erklären, daß diese Forderung shon

Mae vorliegenden Etat dur entsprehende Echöhung Geltung e,

Zweite Beilage zum Deutshen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 21. März

1907.

Die Abgg. von Staudy (kons.) und Viereck (frkons.) beantragen, diese Zulagen nah fünfjähriger Dienstzeit vom 1. April 1908 ab auf 300 #, bei einem die Summe von 3000 H übersteigenden Diensteinkommen aber auf 10 v. H. dieses Diensteinkommens zu erhöhen.

_ Abg. Viereck (frkons.): Unterdem Eindruck der besonderen Shwierig- keiten, welch:n die deut|che Lehrerschaft in Posen und Westpreußen dur den sogenannten Schulstreik ausgesezt ist, und wegen der be- fonderen Leistungen, die sie zu vollbringen hat, hatte ih mit meinem Freunde Gamp in der Budgetkommission den Antrag gestellt, eine Erhöhung der sogenannten Ostmarkenzulage für die Lehrer und Lehrerinnen {hon für dieses Jahr vorzunehmen. „Wir haben uns aber in der Budgetkommission eines anderen überzeugen lassen und stellen jeßt mit dem Abg. von Staudy den Antrag, eine Erhöhung dieser Zulagen für Lehrer von 120 auf 390 ( nach fünfjähriger Dienst- tâtigkeit erst im Etat für 1908 vorzunehmen. Wir wollen dadurch der Lehrerschaft im Osten einen gerechten Ausgleih {hafen für die be- sonderen Schwierigkeiten ; wir wollen weiter dadur für den Osten tüchtige Lehrkräfte gewinnen und sie festhalten. Die Lehrerschaft im Osten hat nicht bloß mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß die Kinder nicht deutsch sprechen können, sondern auch damit, daß sie nit einmal deutsch antworten wollen, wenn sie es können. Die Klassen sind dort au vielfa überfüllt, 80 und 90 Schüler und mehr kommen wieder- holt vor ; die Lehrer haben auch vielfach Vertretungen zu übernehmen. Es kommt dazu, daß die Lehrer fast gar keinen Verkehr haben können und fehr angefeindet werden; erst neulih las i, wie cin Kreis\{huls- inspektor dur eine_aufgeregte Volksmenge förmlih belagert wurde. Wir müssen unsereOstmarkenzulagen steigern, damit wir unsere Lehrer nit verlieren. Schon äuferlih bleibt die Ostmarkenzulage für die Lehrer weit hinter der für die anderen Beamtenkategorien zurück, obgleih gerade die Lehrershaft am meisten im Kampfe um das Deutschtum stehen muß. Jch empfehle Ihnen unseren Antrag zur Annahme.

Abg. Lusensky (nl.): Die Erörterungen der leßten Tage haben gezeigt, unter welch s{chwierigen Verhältnissen die Lehrer in den Ost- marken zu kämpfen haben. Nicht nur die widerspenstigen Kinder erschweren den Unterricht, sondern auch die fanatisierten Eltern, die in die Schulräume eindringen und den Lehrern Vorhaltungen machen. Mir liegt eine Reihe von Drohbriefen vor, die von folchen Eltern geschrieben sind. Es heißt darin u. a.: wenn du den katholt- {en Glauben antastest, sollst du ein Ende nehmen. Weiter: wenn du weiter mein Kind mißhandelst, du glaubenslofe Seele, du Glaubens- brecher, so werde ih dih tôten, wo ih di treffe. Ferner auch Aus- drüde wie: du gemeines Geshöpf. Einer schreibt: Hurra, Polen lebt ; der Tod droht dir, du Judas, wir shlagen dih, hurra! Polen lebt. Derartige Briefe kann man im allgemeinen allerdings nicht besonders tragish nehmen, aber hier ift zu bedenken, daß in der Provinz Posen roße Aufregung herrs{cht, und deshalb ist die Sache doch ernster. Es ind Mißhandlungen der Lehrer vorgekommen, sie werden bedroht, und es werden ihnen die Fenster eingeschlagen. Jh habe Berichte aus meinem Wahlkreise bekommen, wonach die Lehrer mit Mißhandlungen bedroht worden sind; fanatisierte polnishe Kaufleute weigern \ih, den Lehrern Waren zu verkaufen, ein polnisher Milchhändler wollte einem Lehrer nicht mehr „polnishe Milh* für seine Kinder geben. Es ift doch bedenklih, wenn tatsählich die Abgabe von Lebens- mitteln verweigert wird. Die Lehrer sind also in \chwerer Lage in den gemishtsprachigen Gebieten. Deshalb ist es gerecht- fertigt, ihre Zulage etwas reihliher zu bemessen. Es ist nicht zu befürchten, daß hieraus Folgerungen für die anderen Beamtenklassen gezogen werden müssen, und die Lehrer stehen mit der Bevölkerung in viel näherer Berührung als die anderen Beamten. Die in Aussicht stehende allgemeine Regelung der Besoldung der Lehrer sollte uns nicht abhalten, sofort etwas für diefe Lehrer zu tun. Wir glauben, daß unser Antrag vorzuziehen ist, wir werden aber, Bi er abgelehnt werden sollte, auch für den Antrag von Staudy

immen.

Abg. von Staudy(kons.): Die Ostmarkenzulage hat einen doppelten Zweck, eine besondere Entschädigung für den s{chweren Dienst zu bieten und die Beamten und Lehrer länger in der Provinz Posen festzuhalten. Die Lehrer haben eine besonders s{chwierige Stelle und haben sogar Gefahren für Leben und Gesundheit zu bestehen. Bei der bisherigen Ostmarkenzulage kann man nit verlangen, daß die Lehrer lange in der O Die minimale Ent|chädigung von 120 X ist für die Scbwierigkeit der polnischen Verhältnisse bei weitem nicht genug. D habe pon vornherein einen Bétraa von 800 K für die Ostmarkenzulage als angemessen bezeihnet. Wir haben in unserer Provinz besonders mit dem Lehrermangel und dem häufigen Wechsel zu kämpfen; die Regierung muß deshalb die Präparanden- anstalten weiter vermehren. Es können nur noch finanzielle Bedenken beslehen, und diese müssen meine Freunde bei allen Maßnabmen in den Vordergrund stellen; wenn es aber niht anders geht, müssen wir die Mittel zum Schuße des Deutschtums bereitstellen. Es kann nicht so weiter gehen wie jeßt, und ih bitte, unsern Antrag möglichst ein- stimmig anzunehmen.

Geheimer Finanzrat Löhlein: Die Schwierigkeiten der Stel- lung der Lehrer in den gewishtsprahigen Landesteilen erkennt die Negierung durhaus an. Ich habe aber die undankbare Aufgabe, das Haus zu bitten, die finanzielle Tragweite der Anträge im ganzen zu bedenken. . Wenn man jetzt die Lehrer besonders bedenkt, so würde das für die übrigen Staatsbeamten außerordentlich zurücksezend [en Dec halb würde es sich empfehlen, von dem Antrage Abstand zu nehmen.

Abg. Dr, Krüger-Marktenburg (kons.) tritt dafür ein, daß die Osft- markenzulcge auh auf die fünf westpreußishen Kreise ausgedehnt werde, welche bisher von dieser Wohltai ausgeschlossen seien. Hoffent- lih werde die Regierung endli diesen Wunsch erfüllen.

_Abg. Martini (ko; f.): Die Lehrer werden von den Polen vorzugs- weise jeßt s{lecht behandelt und wirtshaftlich geschädigt. Die jetzige Zulage von 120 und 200 A ist kein ausreihender Auszleich für die größere Mühewaltung in den Schulflassen und für die Wirtschafts- schädigung durh den Boykoit. Wenn die Unter- und Subaltern beamten eine höhere Ostmarkenzulaze erhaiten können, so wäre das sehr erfreulih. Bei Ehöhung der G.hälter im nächsten Jahre ist es doch selbstversländlih, daß auh wieder eine entsprechende Erhöhung der Ostinarkenzulage stattfindet.

Abg. Dr. Vol (nl.): Die Ostmarkenzulage für die Lebrer in Posen und Westpreußen bedarf ‘in der Tat dringend der Erböbung. Da ih die shwierigen Verhältnisse, unter denen wir überbaupt in der Ostmark gegen das Gcoßpolentum zu kämpfen haben, und nament lih auch der Lehrerstand zu lämpfen hat, kenne, trete ih auch, troß dem ih Oberschlesier bin, speziell füc diese Anträge mit Wärme ein. Ich bedaure, daß die Budgetkommission dem Antrage, schon in di:sen Etat erhöhte Mittel da\ür einzustellen, nit entsprochen hat. Jch möchte deshalb in erster Linte bitten, daß das Haus sich anders be- sinnen und nah dem Antrage Ernst sofort die Mittel in den Etat einstellen môge. Jch bedauere, daß auch in diesem Jahre für Ober- schlesien den Lehrern und anderen Beamten die Zulage nicht gewährt wird, die sie bedürfen, und werde später noch darüber \prechen. Nehmen Sie wenigstens den Antrag Ernst an. Sollte dieser abge- lehnt werden, so stimmen wir auh für den Antrag Staudy. :

Geheimer Finanzrat Löhlein: Dem Antrage Ernst würde {hon deshalb nicht entsprochen werden können, weil er die erhöhten Mittel

noh in diesen Etat einstellen will. Die Regierung ist niht in der Lage, Deckungsmittel für die Aufwendungen, die aus diesem Antrage entstehen würden, in den vorliegenden Etat einzustellen.

Aba. Grnst (fr. Vag): Jch verzichte darauf, nochG weiteres Material für die \ckchwierige Lage der Lehrer hbets zubringen, aber eine Erhöhung der Ostmarkenzulage ist nötig. Auch das Zentrum würde der Erhöhung zustimmen, wenn die Zulage unwiderruflich wäre. Wir sind im Prinzip au für die Unwiderruflichkeit, aber da wir sie nicht erreihen können, müssen wir die widerruflihe Zulage nehmen. Die Negierung hat finanzielle Bedenken, aber wo ein Wille ift, ist auch ein Weg. Die Negterung will die Einheitlichkeit der Besoldung nicht becinträchtigen lassen, aber die Lehrer sind von vornherein vershieden von den Be- amten behandelt worden. Die Regierung sollte eine Statistik über das durchschnittlie Dienstalter der Lehrer in Posen und West- preußen aufstellen, ih glaube, sie würde finden, daß es e:schreckend niedrig ist. Das Dienstland können die Lehrer niht bearbeiten und müssen es verpachten, wobei sie oft Einbuße erleiden. Die Wohnunugss verhältnisse der Lehrer sind traurig. In den leßten Tagen hat man den Lehrern für _ihre Haltung im polnishen Schulstreik gea dankt. Betätigen Sie den Dank dadur, daß Sie unserem Antrage zustimmen.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) erklärt, daß die Ostmarkenzulage in der Theorie und in der Praxis viele Bedenken gegen sh habe, da sie widerruflich sei und nit allen Lebrern zu gute komme ; weil sie diese Voraussetzungen nit erfülle, seien seine Freunde niht in der Lage, für die Anträge zu stimmen.

Abg. von Prittwiß und Gaffron (kons): Auch in Okerschlesien haben die Lehrec mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, und doch ist seinerzeit Oberschlesien von der Ostmarkenzulage ausgeschlossen worden, weil der Finanzminister ausführte, daß die Polenfrage in Oberschlesien nicht so nennenêwert sei, und daß es deshalb bedenklich set, die Maß regeln in Westpreußen und Posen auf Oberschlesien auszudehnen. Dieser Standpunkt der damaligen Regierung hat in weiten Kreisen Oberschlesiens Beunruhigung erregt. Wie die Reichstagswahlen gezeigt haben, war der Standpunkt der Regierung nicht rihtig, zu meiner Freude hat sie ihn aber jeßt geändert, und ih bitte deshalb, die Folgen daraus zu ziehen und die Ojimarkenzulage den Lehrern in Oberschlesien zu geben. Das ist ein Schritt der Gerechtigkeit und der politischen Notwendigkeit, da von den Lehrern ungeheuer viel verlangt wird, denn außer ihrer täg- lihen Arbeit haben sie noch für Bildungszweke in den Krieger- vereinen, für Volksunterhaltungsabende usw. tätig zu sein, und das alles ist mit Aufwand vou Zeit und Geld verbunden. Dafür ist das Einkommen der Lehrer durchaus nicht genügend, und ih bitte, sle durch Gewährung der Ostmarkenzulage zu unterstützen.

Abg. Viereck (freikons.): Die Regierung fürhtet Konsequenzen für die anderen Beamten, aber die Beamten werden doch so viel Ver-- ständnis für die Lage der Lehrer haben, um zu wissen, daß diese ganz anderen Schwierigkeiten in der Ostmark ausgeseßt sind als die übrigen Beamten, und kein Beamter wird den Lehrern diese Zulage mißgönnen. Die Lebrer ino aus s{lechter gestellt als manche mittleren Beamten. Die bevorstehende Gehaltsregelung steht einer Erhöhung der Ostmarkenzulage nit ent- gegen ; fie wird die Lehrer in der ganzen Monarchie besser stellen, aber wir wollen do gerade die Lehrer in der Ostmark besonders gut stellen. Wenn die Gehälter erhöht sind, so wird die jetzige Zulage von 120 M hinter 10 % des Gehalts zurückbleiben. Will die Negierung also die Lehrer nicht \{chlechter stellen, so muß sie die Ostmarkenzulage neu regeln. Wir wollen der Regierung den Weg dazu bahnen und sie dur diese Resolution stark machen, daß sie die Zulage fo erhöht, daß se wirksam ist. Dem Antragé Ernst stehen allerdings etatsrechtlihe Bedenken ents gegen, da er die Erhöhung {hon in diesem Etat herbeiführen will, und er ift aus diesem formellen Grunde {on für meine Freunde nicht annchmbar._ Der Antrag Ernst kann eine Mehrheit im Hause nicht erreichen, während wir die Zuversicht haben, daß unser Antrag angenommen wird.

Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Ernst wird die

Debatte geschlossen. Ï

__ Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) bittet, die Ab- stimmung über die Anträge bis zur dritten Lesung auszusetzen, da das Haus nur schwach besetzt ift.

Abg. Korfa nty (Pole) macht darauf aufmerksam, daß bisher über diese Frage ohne Rücksicht auf die Beseßung des Hauses entschieden worden sei, und wünscht deshalb sofortige Abstimmung, hält dies aber nicht aufrecht, nachdem auch die Abgg. Dr. Porsch, Ernst, Dr. Friedberg und Viereck sih für die Aus\setßzung der Abstimmung erklärt haben.

__ Das Haus beschließt demnach die Aussezung der Ab- stimmung über die Anträge. Der Titel selbst wird bewilligt.

Darauf vertagt sih das Haus.

_ Präsident von Kröcher shlägt vor, morgen die Beratung des i aan bis zum Kapitel der Universitäten einschließli fort- zuführen.

_ Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa wünsht, daß die Sißung morgen {on um 10 Uhr beginne und das Kapitel der Universitäten niht mit auf die Tagesordnung gefeßt werde, damit das Haus früh fertig werden und in dite Ferien gehen könne.

__ Abg. Drt. Friedberg ist mit diesem Vorschlage einverstanden, während Abg. Dr. Porsch glaubt, daß das Kapitel der Univer- sitäten zu großen Debatten keinen Anlaß geben werde.

_ Präsident von Kröcher bemerkt, daß er niht die Absicht gehabt bâtte, morgen vorzuschlagen, daß das Haus in die Ferien gehe; aber er verzihte auf eine Widerlegung der Gründe des Herrn von Heydebrand und sei mit dem Ausschluß des Kapitels der Universitäten einverstanden.

Schluß 41/4 Uhr. Nächste Sißung Donnerstag 10 Uhr. (Kultusetat.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Tätigkeit des Reihsversicherungsamts im Jahre 1906.

Der dem Reichskanzler alijährlich einzureihende Geschäftsbericht des Reichsversicherungsamts is für das Jahr 1906 das 22. Ge- schäftojahr des Amts erstattet worden und dem Meichstag zus gegangen.

Nach dem Beriht waren auf dem Gebiete der Unfall[« versiherung über 20,2 Millionen Versicherte vorhanden.

Die Zahl der angemeldeten Unfälle betrug nah einer vorläufigen Ermittelung 645 611, die der erstmalig entshädigten Unfälle 140 270. Die gezahlten Entschädigungen beliefen sich nah einer vorläufigen Ermittelung auf 142 900 056 K Die statistishen Arbeiten des RNeichsversiherungsamts betrafen in der Hauptsache die laufende Berithterstattung auf dem Gebiete der Arbeiterve1 sicherung, die statistischen Angaben für die den Kongressen für Versicherungsrwoissenschaft und Versiherungêmedizin gewidmeten Schriften und die Verdöffentlihungen in dem vom Kaiserlichen

Statistischen Amt berausgegedbenen Reichs. Arbeitsblatte.