1886 / 306 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Dec 1886 18:00:01 GMT) scan diff

rüfter Apparate (Fedèrn, Maßstäbe u. \. w.), sowie auf die Ge Prüfung einzelner Apparattheile (Federn, Maß- stäbe u. st. w.) erstreckt werden. S Als ry wird für einen ganzen Apparat der Saß von 20 bis 120 M bestimmt, für die Nachprüfung einzelner Theile eines bereits geprüften Apparates der Saß von 10 bis 20 M, für die Prüfung einzelner Theile eines no nicht im Ganzen geprüften Apparates der Saß von 20 bis 60 M Berlin, den 23. Dezember 1886. : Königliche Kommission zur Beaufsichtigung der technischen Versuchs-Anstalten. Schult.

Bekanntmachungen auf Grund des Reihsgeseßes vom 21. Oktober 1878

Auf Grund des §. 12 des Reichsgefeßes gegen die gemein- gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß die vom 4. und 18. Dezember 1886 datirten Nummern 3 und 4 der in London erscheinenden periodischen Dru LLYEE „Die Autonomie. Anarchistisch - kommuni tisches Organ“. Gedruckt und herausgegeben von R. Gunderfon, 96 Wardour Street, Soho Square, London W., nach §. 11 des gedachten Geseßes dur den Unterzeihneten von Landes- polizeiwegen verboten worden sind.

Berlin, den 29. Dezember 1886. /

Der Königliche Polizei-Präsident. Freiherr von Richthofen.

Nichtamiliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 28. Dezember. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nahm gestern Vormittag 111/, Uhr militärishe Meldungen R N S und ertheilte darauf dem Königlich sächsischen Geheimen Regierungs- Rath Dr. Hassel eine Audienz.

Abends wohnten die Kronprinzlichen Herrschasten der Vorstellung im Deutschen Theater bei.

Diejenigen Personen, welhe Fhrer Majestät der Kaiserin und Königin aus Veranlassung des eintretenden Sahreswechsels ihre Glückwünsche darbringen möhten, haben ihre Karten am 31. d. M. bei der Ober-Hofmeisterin, Gräfin

von Perponcher, abzugeben.

Für diejenigen Personen, welche Jhren Königlichen Hoheiten dem M ibn und der Frau Prinzessin Wilhelm anläßlih des Jahreswechsels ihre Glückwünsche darzubringen beabsihhtigen, werden am Neujahrstage in Berlin im Königlihen Schlosse Wartesalon Portal 1V und in Potsdam im Königlichen Stadtschlosse, von 8 Uhr Morgens ab, Meldebogen ausliegen.

Die erhöhte Haftpflicht wegen Unfälle beim Betrieb einer Eisenbahn (8. 1 des Reichs-Haftpflichtgeseßes) erstreckt fih nah einem Urtheil des Reich sgericht s, II. Civilsenats, vom 16. November d. J., auch auf unterirdishe Förderbahnen in Bergwerken und Gruben, bei welchen eine Reihe von Wagen, gezogen von einem Pferde, sich hintereinander auf eisernen Schienen fortbewegen und der Gefahr der Entgleisung ausgeseßt sind.

nah

—- Das nhalt des Ministerial-Erlasses vom 8. Januar 1883, betreffend die Jnstradirung der Remonte- Schlepp-Kommandos, mit der Militärbehörde vereinbarte Verfahren, wonach die Remonte-Ankaufs-Kommissionen von nothwendig werdenden Abänderungen der ursprünglih fest- gestellten Märschroute den Regierungs-Präsidenten u. f. w. telegraphish Kenntniß geben jollen, hat sich insofern nicht bewährt, als es nah den in einzelnen Bezirken gemachten Erfahrungen niht möglih gewesen is, auf Grund dieser telegraphishen Mittheilungen die dana erforder- lihen Abänderungen der ursprünglih festgeseßten Marsch- route im laufenden - Geschäftsgange zur Kenntniß der Betheiligten zu bringen. Der Kriegs-Minister hat sih daher, dem Vorschlage des Ministers des {Fnnern entsprechend, bereit erklärt, Anordnung zu treffen, daß die Seitens der Remonte- Ankaufs-Kommissionen zu machenden telegraphishen Mit- theilungen fortan an die betreffenden Landräthe und in be- sonders s{hleunigen Fällen direkt an die betheiligten Orts- behörden gerichtet werden. Von der Mittheilung kleiner Aenderungen in der Mannschastsstärke wird dabei Abstand enommen werden, da aus dem Umstande, daß einige ‘Mann- halten mehr oder weniger, als angemeldet worden, unter- zubringen sind, Schwierigkeiten für die zu bequartierenden Gemeinden nicht entstehen dürfen.

Der heutigen Nummer des „Reihs- und Staats--

Anzeigers“ ist eine „Befondere Beilage“ (Nr. V enthaltend Entschéidungen des Reichsgerichhts, nebst Titel und Jnhaltsverzèihniß 1886 beigefügt. ;

Stettin, 29. Dezember. E T. B.) Der dritte große Reichs-Postdampfer ist ige Mittag 12 Uhr auf der Werft des „Vulkan“ glücklih von Stapel gelassen worden. Die Taufe vollzog die Gemahlin des sächsischen Gesandten in Berlin, Grafen von Hohenthal und Bergen. Der Dampfer erhielt den Namen „Sachsen“.

Württemberg. Stuttgart, 28. Dezember. Wie der „St.-A. f. W.“ vernimmt, wird sihch der kommandirende General von Alvensleben am 30. d. M. nah Berlin begeben, um am 1. Januar 1887 Sr. ‘Majestät dem Kaiser die Glückwünsche des Armee-C oxps zu Allerhöchstdessen 80jährigem Militär-Dien stjubilä um darzubringen.

Oesterreih-Ungarnu. Wien, 26. Dezember. (Wn. Ztg.) Der Vorarlberger Landtag wird bald- nah seinem Wiederzusammentritt, am 3. Januar, die Berathung des Landesverthe idigungs - Gesezes beginnen. Man hat hier absichtliG gewartet, bis das Gesey den

Tiroler Landtag passirt habe; selbst das mit der Vor-

berathung betraute Comité ging eigentlich nicht über die Konstituirungssißung hinaus. Es ist kein Zweifel, daß die Vorlage in der von den Tirolern acceptirten Textirung auch hier angenommen wird. Das von der Regierung ein- gebrahte Jagdgeseß beabsichtigt der Vorarlberger Landtag dur einen Paragraphen zu bereichern, durch welchen die Aus- übung der 0agd an Sonn- und Festtagen verboten wird.

Der „Wiener Abendpost“ zufolge wird sih der nieder- österreihishe Landtag am 29. und eventuell am 30. d. M. mit dem Landesbudget beschäftigen.

Belgien. Brüssel, 28. Dezember. (W. T. B.) Der Schwurgerihtshof| hat den Verfasser des „Grand Catéchisme du peuple“, Defuisseaux, welcher flüchtig ge- worden ist, zu 4 Jahren Gefängniß und 1000 Fr. Geld- buße verurtheilt. Der Drucker des „Catéchisme“, Maheu, und Dewit, welcher den „Catéchisme“ ins Vlämische überseßte, wurden zu je 2 Monaten Gefängniß und 500 Fr. Geldbuße verurtheilt.

Großbritannien und Jrland. London, 27. Dezember.

A. C.) Zum ersten Mal feierte die Königin seit mehreren ahren das Weihnachtsfest im Schlosse Windsor, statt ic Osborne. Am Mittwoch wird die Königin nah Osborne abreisen.

Dem Vernehmen nah wird morgen ein Ministerrath stattfinden und hofft man, daß Lord Hartington bis dahin in London eingetroffen is. Eine Konferenz der libe- ralen Unionisten wird wahrscheinlih auch in den nächsten Tagen abgehalten werden. Sobald das Kabinet zu einem Beschluß gelangt ist, wird sich Lord Salisbury zu der Königin nah Windsor begeben. -

Aus Jndien und Birma liegen folgende Meldungen des „Reuter’shen Bureaus“ vor :

Calcutta, 26. Dezember. Die „Lahore and Military Gazette“ erfährt, daß die gegen den Emir gerihtete Ghilzai-Bewegung noch immer stark sei und nur der Winter den Ausbruch verhindere.

Mandalay, 2%. Dezember. Der buddhistishe Oberpriester stattete, begleitet von einer Anzahl hervorragender Geistlichen, dem General Roberts einen Besuch ab. Im Verlaufe der Unterredung zeigte sih derselbe erbötig, die Engländer in jeder Weise zu unter- stützen, und versicherte dem General, daß dessen Bemühungen, dem Lande wieder geordnete Zustände zu geben, bereits von Crfolg ge- krönt seien. i

926. Dezember. General Stewart telegraphirt von Sagadoung, daß die Vorposten des Feindes auf die nah den Rubinen- gruben entsandte Abtheilung feuern, daß die Hauptmacht aber ihre Stellung aufgiebt und sich vor den anrückenden englischen Truppen zurückzieht. Burges\ wird am 3. Januar mit einer starken Ab- theilung zur Niederwerfung der Wontho Tsawbwa vorrücken.

Rangun, 22. Dezember. Außer den kürz;lich nah Birma ge- sandten 5 Regimentern ist jeßt 1 Regiment Hyderabad-Infanterie und 1 Regiment Madras-Infanterie dahin unterwegs, Die Streit- macht der Enaländer daselbst beträgt gegenwärtig 65 000 Mann.

27. Dezember. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah beabsihtigt Lord Salisbury, falls die Verhandlungen mit Lord Hartington wegen dessen Eintritts in das Kabinet scheitern sollten, der Königin die Auflösung des Parla- ments anzurathen.

Ftalien. Rom, 28. Dezember. (W. T. B.) Der österreihishe Botschafter, Freiherr von Bruck, hat heute dem König sein Beglaubigungs|schreiben überreicht.

Türkei. Konstantinopel, 25. Dezember. (R. B.) Der diesseitige Gesandte att Hofe von St. Petersburg, Schakir Pascha, welcher am 23.4». 4M. von hier nah Rußland zurück- reiste, ist der Ueberbringer eines eigenhändigen Schreibens des Sultans an den Zaren.

Zeitungsftimmen.

Wie „Die Post“ mittheilt, haben Wähler aus dem 15. Hannoverschen Wahlkreise, welher durch den Grafen zu Bernstorff im Reichstage vertreten wird, folgende Resolution einstimmig angenommen: (

Wenngleih man sonst im hiesigea Kreise niht gewohnt ift, politishe Meinungsäußerungen kund zu geben, so halten wir es ange- ichts. der bedrohlihen Weltlage und der gefaßten Beschlüsse in der Militär-Kommission für Pflicht eines jeden Deutschen, öffentlich aus- zusprehen, daß die Mehrheit des deutfcen Volkes in dieser ernsten ee unbedingt hinter der Reichsregierung steht, und den hohen Reichstag bittet, die Militärvorlage, deren Annahme das Vaterland zur Aufrechthaltung seiner Macht und Größe in \{hweren Zeiten bedarf, unverkürzt zu genehmigen. Indem wir bemerken, daß wir nicht nur einer politishen Richtung angehören, aber der Ueberzeugung sind, daß, wenn es sich um die Sicherheit des Reichs und seiner Bürger handelt, alle Parteien einmüthig um die Reichs- regierung sih zu \haaren haben, ersuchen wir Sie, hochgeehrter Herr Präsident, dieses ergebene: Schreiben zur Kenntniß des hohen Reihs- tages geneigtest bringen zu wollen.“ Ferner wurde beschlossen, Sr. Excellenz dem Herrn Kriegs-Minister Bronsart v. Schellendorff Fol- gendes per Depesche zu übermitteln: „Ew. Excellenz senden die heute im Kursaal der Victoriaquelle zu Hitßacker zahlreich versammelten Ein- gesessenen aus dem Wahlkreise Dannenberg die ganz ergebenste Bitte, festzuhalten an dem, was Ew. Excellenz zur Sicherheit unseres Vater- landes für nothwendig befunden haben."

Eine Abschrift der Resolution soll dem Vertreter im Reichstage mit der Bitte übersandt werden, die unverkürzte Militärvorlage ge- nehmigen zu wollen.

Der „Berliner Börsen-Zeitung“ schreibt man aus Kassel, u. d. 26. Dezember:

Vorige Woche theilte ih Ihnen mit, daß der hiesige nationalliberale Wahlverein in einer zahlreih besuchten Versammlung sich einstimmig für Annahme der Militärvorlage ausgesprohen habe. In Verfolg dieses Beschlusses hat nun der Vorstand des Vereins an den Reichstag folgende Petition gerichtet:

Hoher Reichstag! A

Nachdem der erste Theil der gegenwärtigen eon zu Gnde ge-

gangen ist, ohne daß die bestimmt ausgesprochene Hoffnung der ver- ündeten Regierungen auf Annahme der Militärvorlage vor den Weihnachtsferien sih erfüllt hat, wollen wir als die Mitglieder des Vorstandes des hiesigen nationalliberalen Wabhlvereins nicht unterlassen, auch unsererseits, und zwar in Uebereinstimmung mit den in der Versamm- Tung unseres Vereins As kundgegebenen Anschauungen auszu- \sprehen, daß wir ' dieses Ergebniß auf das Tiefste beklagen. Wir müssen bezeugen, daß man in den weitesten Kreifen unseres Volkes die von der Reichskags-Kommission eubte Behandlung einer Vor- lage nicht versteht, dere unbedingte Nothwendigkeit von der Reichs- regierung in ernster Stunde mit ernsten Worten wiederholt klar- pe egt worden ist. Im festen Vertrauen, daß die deutsche Heeres- Teitung dem deutshen Volke nur solhe Opfer zumuthet, welche unerläßlich sind, um der Nation das kostbare Gut ‘des Friedens zu erhalten, oder, wenn £s fein! muß, das noch kostbarere Gut der Chxe: und Unabhängigkeit derselben siegreich im. Kampfe zu tfin, müssen wir es worwiegend als die den Interessen der Wähler allein entsprehende Aufgabe der Volksvertreter erahten, die wohl-

erwogenen Forderungen der Reichsregierung ohne Verzögerung dur, ihre Zustimmung zum Geseß zu erheben. In dieser Üeberzeugun wissen wir uns eins mit dem überwiegenden Theil der biesige: Wähler, und wir glauben und hoffen, daß gerade der Hinweis auf diese Thatsache, in Verbindung mit ähnlichen Kundgebungen aus dey Vaterlande, der Bitte Nachdruck verleihen wird, die wir hiermit aus. \sprehen: „Hoher Reichstag wolle der ihm zugegangenen Militärvor. lage in thunlichster Beschleunigung die verfassungsmäßige Zustimmung ertheilen.“ (Folgen die Unterschriften.) Die Petition ist dem Abg Dr. Oetker zur Vorlage an den Reichstag übergeben worden. 4

Im „Hannoverschen Courier“ lesen wir:

Es ist reht charafteriftisch, daß gerade diejenigen Parteien, wel das Zustandekommen der Militärvorlage möglichst erschweren und deren ablehnende oder doch widerwillige Haltung die Vorlage zum Seitern zu bringen droht, jeßt so eifrig die Frage erörtern, guf welche Weije die Mittel zur Durchführung der in der Militärvorlage vorgeschlagenen Maßregeln aufgebraht werden sollen. Besteht etwa die Absicht, der weiteren Förderung der Vorlage neue Schwierigkeiten in den Weg zu legen, ihr so zu fagen einen neuen Knüyte[ zwischen die Beine zu werfen? Hatte vielleiht der Staatz, sekretär des Innern doch fo unreht nicht, als er in der leßten s erregten Reichstagsdebatte den Vorwurf systematisher Verschleppung der Vorlage deutlih genug erhob und in der von dem Abg. Windt: horst geäußerten Absicht, in der Militärkommission au die finan politishe Seite der Frage zur Erörterung zu bringen, nichts Weiterez fah als ein neues Mittel, den baldigen und raschen Abschluß der Kom: missionzarbeiten zu verhindern? Unseres Erachtens hat jedenfalls die Meilitärkommission nicht die Aufgabe, auch jene Frage zum Gegenstand ihrer Berathungen zu machen, sie hat lediglich zu prüfen, ob die in der Meilitärvorlage gestellten Forderungen für die Erhaltung der Wehrkraft und für die Zwecke der Landezvertheidigung nothwendig sind. Wird diese Frage bejaht, dann fann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Reih auch im Stande sein wird, die für die Aufrechterhaltung seiner Mat und Ehre nöthig gewordenen Geldsummen aufzubringen. Die Frage wird erst dann prafktishe Bedeutung erlangen, wenn nah Erledigung der Militärvorlage der dur sie nöthig gemachte Nachtrags-Etat ein; gebraht und mit den übrigen allerdinas nit schr erbaulichen Ergeb- nissen des diesjährigen Etats zufammengestellt werden wird. Die Budget-Kommission wird sih allerdings nicht mit der Erörterung der Frage beschäftigen, wie die Mitte! zur Deckung des Fehlbetrages zu beschaffen sind...

Die „Kölnische Zeitung“ äußert :

._., Wir freuen uns, daß die guten Aussihten der deutschen Militärvorlage, was die Heeresziffer betrifft, bereits ihre guten Wir kungen gerade an derjenigen Stelle zu äußern beginnen, wo fie am er- wünshtesten sind. Wenn in Deutschland diese Seite der Militär- vorlage gebührend gewürdigt wird, so kann ein Reichstag, der seiner Verantwortlichkeit sih vollbewußt ist, das Richtige nicht verfehlen; er wird der Heeresverwaltung das Unerläßliche bewilligen müssen, nah Zahl und nah Zeit. Letzteres ist für die erwünschten politishen Wirkungen des Gesetzes niht minder wichtig als für die militärishen. Es matt einen ganz andern Eindruck, wenn das Ausland weiß, daß für sieben Jahre die deutshe Armeeleitung sich unbehindert einrihten fann, als wenn man dort die Hoffaung nährea darf, nah drei Jahren oder gar nah einem Jahre sei wieder Alles in Frage ge stellt. Wenn nun der jetzige Neihstag wie es ja den Anshein gewinnt sich von der Nothwendigkeit der geforderten Vermeh rung überzeugt hat, so kann er sich auch der andern Erkenntniß niht verschließen, daß diese Nothwendigkeit in den nächsten sieben Fahren noch niht {winden wird. Die Folge hieraus ergiebt sih ohne weiteres. Der Einwand, man dürfe dem nächsten Reichstage nicht vorgreifen, ist hinfällig und oft genug widerlegt worden. Mit jedem Geseße wird dem nächsten Reichstage vorgegriffen und wie jeder Reichstag im Verein mit den andern Faktoren der Gesetzgebung ein bestehendes Gese ändern kann und wie der jeßige Reichstag dai bestehende Septennat ein Jahr vor seinem Ablauf ändert, fo könnte der nächste das neu zu beschließende gleihfalls verkürzen und ändern, Man wird freilih, wie die heutige Weltlage iît, an eine Aenderung zum Bessern in kurzer Zeit niht denfen können; daraus folgt abe wiederum nur, daß man für die nächste Zeit unsere Armeeleitung nicht vor das Ungewisse stellen darf. Die Bedenken gegen das Septennat sind im Vergleich zu den s{hwerwiegenden Vermeinen der Heeres: ziffer so vershwindend gering, daß wir noch immer der Hoffnung bleiben, an der Zeitdauer dürfe und werde das Gese nicht seitern,

Der Professor Dr. Krümmel hat am 18. d. M. im Nationalliberalen Verein zu Kiel über die Militärvorlage einen Vortrag gehalten, in welchem er, nah einem Berit des „Hamburgischen Korrespondenten“, u. A. Folgen des ausführte : ;

Wie viel bringen wir Deutschen zur Vertheidigung unjere Grenzen auf? Zieht man nur die Ausgabe für die Landarmee 1 Frieden8zeiten, niht für die Flotte, in Betracht, so giebt Deutschland 385 Millionen Mark für das laufende Jahr aus ; bei 46,8 Millionen Einwohnern in Deutschland macht das für jeden Kopf der Bevölkerung 8 M6 A aus. Wird diese Ausgabe vertheilt auf den Meter Grenze, so kommen 68 Æ auf jeden zu deckenden Meter. Jn Frankreich entfällt an Ausgahe für die aktive Landarmee in Friedent zeiten 12 M 84 - auf jeden Kopf der Bevölkerung, also etwa 4 80 mehr als in Deutshland. Großbritannien, das von Bayer, wenn cs sein Nachbar wäre, aus dem Felde geschlagen werden könnte, giebt 9 A 20 § auf jeden Kopf der Bevölkerung für die aktive Landarmee aus, also fast 1 (A 20 A4 mehr als Deutschland. Jn Oesterreich entfallen auf den Kopf der Bevölkerung an Ausgabe für das stehende Landheer 7 #, in Italien 5 4 68 s, in Rußland (wenn man den Rubel zu 3 # rechnet) 7 M 52 s.

Bildlich kann man ih so ausdrücken: Deutschland legt zut Schutze seiner Sicherheit 68 4 auf jeden Meter Grenze, Frankräd dagegen 112 M 5 S, Großbritannien (die Hauptinsel) 74 H, Italien 45 M, ODesterreich 36 M, Rußland hat nur die Westgrenze vol Bottnischen Golf bis an die Küste des Shwarzen Meeres, 8000 kn Grenzlinie, zu vertheidigen, und giebt für jeden Meter Grenz 952 Rubel gleich 76,5 X aus, also auch mehr, als Deutschland au feine \chwahen Grenzen verwendet. E

Im Großen und Ganzen können wir uns nicht beklagen, daz wi übermäßig viel aufbringen zur Landesvertheidigung, im Bergleich) anderen Staaten. Zahlen wir für die Neuformation 23 Millionen Mark mehr, so macht» das auf jeden Kopf der Bevölkerung von rund 47 Millionen nur 59 & mehr also 8 M 56 - würden wir fi! das Heer zahlen. Ueberdies sollte nicht vers(wiegen werden, daß in Deutschen Reiche die Militärausgaben auh nicht entfernt im Ver’ hältniß zum Wachsthum der Bevölkerung gesteigert sind. (l haben in dieser Hinsicht niht nur keine Zunahme zu konstatiren, fondern das Gegentheil liegt vor. Deutschland zahlte 187 hel 43 Millionen Einwohnern pro Kopf der Bevölkerung 8 H 43 H, heut? hat es 47 Millionen Einwohner und zahlt nur 8 A 6 -Z, wir gabs heute also weniger als 1877. Deutschland bildet in dieser Hinsid in Europa cin Unikum. Ueberall im Auslande nämlich haben sich d! laufenden Ausgaben für die Landarmee ganz erheblich seit 10 Jahr gesteigert. In Großbritannien sind sie von_ 8 4 82 auf 9 M 24 in Italien von 5 4 53 A auf 7 1, in Oesterrei von 5 H 39 5 auf 5 M 68 A, in Frankreich von 11 4 84 4 auf 12 t (liegen, Jeder Franzose zahlt also 4 4 mehr als der Deuts

ie ebengenannten Ziffern fallen umsomehr ins Gewicht, als dos zweifellos der Wohlstand in Deutschland seit zehn Jahren erheblid) t wachsen ist. Die Franzosen haben für die Armee an laufenden Ausg, weit über eine Milliarde mehr ausgegeben seit 1870 als wir. R Deutschland in demselben Maßstabe wie Frankreich seine Armee vergröße! wollen, so hätte unser Budget anstatt 383 Millionen Mark laufe? Ausgaben 600 Millionen betragen! Wir Deutschen haben also i hinlängliche Ursache, wegen großer Ueberlastungen aus dem Mili L Etat Beschwerde zu erheben. Aber nicht nur die Segel sonde alle übrigen Staaten leisten für ihre Armee mehr als wir für 4 unsrige. Wenn ein gewisser Theil unserer Volksvertreter fo viel

er eigenen „Würde“ zu reden weiß,

1! 1 fo kann man nur sa ß gerade diese Würde erheischen sollte, lagen, daß es

anftandslos das zu bewilligen,

Las die Sicherheit des Vaterlandes erheischt !

Demselben Blatt geht nachstehende Erklärun i gischer Gewerbtreibender über die Militärvorlage as e

hur Ver

bentliGung zu t Vorständ

„Wir unterzeichnete Vorstände gewerbliher Vereinigungen Ham- hurgs hatten beabsichtigt, behufs einer öffentlichen Rati M Gunsten der Militärvorlage eine Versammlung einzuberufen. Wir hatten uns dabei auf die Einladung der uns zunächststehenden Ge- nossen des Handwerkerstandes beshränken wollen, {hon weil der von uns gemiethete größte Saal Hamburgs sonst s{werlich ausgereicht hâtte, die Zahl der gleihgesinnten Erschienenen zu fassen. Nachdem jedo diese Versammlung die auf Grund des Sozialistengesetes er- forderliche Genehmigung der Polizeibehörde niht erhalten hat, haben wir beschloffen, der in unseren Kreisen herrs{henden Ueberzeugung und Gesinnung auf diesem Wege Ausdruck zu geben, in der zuversihtlichen Gewißheit, daß nachstehende Erklärung von der Versammlung unserer Gewerbsgenofsen einmüthig gutgeheißen worden wäre.

: „Erklärung.

Wir hegen zu der Regierung unseres Kaisers das unbedingte, auf eine Bewährung ohne Gleichen gestüßte Vertrauen, daß sie die Verstärkung der deutschen Wehrkraft, wie sie die Militärvorlage in Aussicht nimmt, nur gefordert hat innerhalb der streng bemessenen Grenzen gewissenhaft erwogener, gebieterisch drängender Nothwendig- feit. Die hierdurh bedingte Mehrbelastung des Volkes erscheint uns gering im Verglei mit den ungeheuren Opfern und Einbußen, die ein Zurückbleiben hinter den Geboten dieser Nothwendigkeit zu kosten droht. Die Worte {weren Ernstes, die der greise Feldmarschall Moltke gesprochen, haben uns bestärkt in der Ueberzeugung, daß das unshäßbare Gut des Friedens nur zu bewahren ist, wenn an dem unershütterlichen Zusammenstehen der Nation mit der Regierung für die Vertheidigung von Deutschlands Sicherheit und Machtstellung dem Auslande kein Zweifel gelassen wird. Wir lebten daher in dem ruhigen Glauben, daß auch bei uns, wie bei allen übrigen Völkern der Welt, in einem Falle solcher Art die Nücksichten der Partei und

arteisucht verstummen würden vor der klaren Stimme der vater- sindischen Pflicht. | .

Durch die Verhandlungen und Beschlüsse der Militärkommission des Reichstages sind wir aus diesem Glauben aufgeschreck worden. Ueber den Eindruck, den die Art von Kritik, wie sie im Schooße dieser Kommission an der Vorlage geübt wurde, auf uns und auf alle Un- befangenen auch außerhalb Deutschlands gemacht hat, \{weigen wir. Aber unser \chmerzliches Erstaunen müssen wir auésprehen über die Leichtherzigkeit, womit die Mehrheit der Kommission sich jedes Ge- dankens ents{lagen hat an die verantwortungsvolle Aufmunterung, die der Anblick mangelnden Einmuths, selbst bei einer Gelegenheit wie dieser, unseren Feinden und Neidern bereiten muß. Gegen diesen Erfolg ihres Verhaltens würde der berehnete Schein des Entgegen- kommens verschwinden, auch wenn die Bewilligung eines Theiles des Geforderten für ein Jahr nicht ein greifliher Widersinn wäre.

Angesichts dessen legen wir Berufung ein von der Kommission an das Haus, von den Führern der beiden Hauptparteien der Oppo- sition an die große Me rzahl ihrer Genossen. Zu diesen versehen wir uns, daß sie, ein Jeder für si, in einer Sache, die so ganz cine nationale und gar niht eine Parteisache ist, nicht anders denken und empfinden als wir, als alle guten Deutschen im Reih. Wir bitten und beschwören sie, den Bann des Fraktionsgeistes zu durhbrechen und das Ihre zu thun, damit das kläglihe und gefahrvolle Schau- spiel des Feilshens um das Unerläßliche nicht weiter geführt wird. Vir erwarten vom Deutschen Reichstage die ungesäumte und unver- fürzte Annahme der Militärvorlage.“

Unterzeichnet ist das Schriftstül, wie das „Hamb. Blatt“ kon- {tatirt, von einer Anzahl von Handwerkern und Gewerbetreibenden, deren Namen zu den bedeutendsten in den betreffenden Branchen ge- ßôren. Die Erklärung soll in Cirkulation geseßt werden zur Beschaf- fung einer möglichst großen Zahl von Unterschriften.

Der „Schwäbische Merkur“ jcreibt:

Die von der deutschen Partei in Tübingen beschlossene Adresse an den Reichstag lautet : An den deutschen Reichstag. Der Beschluß des Heeresausschusses hat wie in weiten Kreisen, so auch bei uns Ecstaunen und Unwillen hervorgerufen. Das deutsche Heer foll dem- na§ nit diejenige Stärke erlangen, welche die bewährtesten Sach- verständigen, an ihrer Spitze unser siegreiher Kaiser und sein ruhn- bedeckter Feldmarschall, für unbedingt nothwendig erahten, und der Bestand des Heeres soll nur auf drci Jahre dem Streite ver Parteien entrückt sein. Und dies zu einer Zeit, in welcher das Heer die wichtigste Grundlage unserer Wohlfahrt bildet; zu einer Zeit, in der sich Rachsuht, Haß und Neid gegen das neu- erstandene Deutshe Reih erheben; zu einer Zeit, wo der Tag vielleicht nicht mehr fern ist, da es gilt, in erneutem Ringen die &benskraft unseres Volkes zu erproben. Möge der Reichstag, mögen die Gewählten des deutshen Volkes sih ihrer Aufgabe bewußt sein und durch unveränderte Annahme der Borlage ihre bessere Einsicht und vaterländishe Gesinnung bewähren. Die Unterzeichneten wenigstens wollen keine Verantwortung dafür tragen, daß die Lebens- interessen des Volkes zum Gegenstand politishen Marktens und Han- delns gemacht werden, daß das Partei-Interesse höher gestellt werde, als das Vaterland, und daß das Besserwissenwollen Einzelner das Dasein der Gesammtheit gefährde. Ernste Bilder ziehen am orizont herauf; niht nur die Zeiten des legten Krieges, der \hwere Opfer genug ge- kostet hat, können si erneuern, sondern unsäglihes Elend kann auf lange Zeit über Deutshland kommen Mögen Diejenigen, in deren Hände nunmehr die Entscheidung gelegt ist, sich besinnen, ob fie

chuld sein wollen, wenn das Ausland zum Angriff gegen uns er- muthigt wird und wenn dur die hereinbrehende Kriegsfluth mit dem Hader und der Selbstzufriedenheit der Parteien au der Frieden und das Glü des deutschen Volkes hinweggeshwemmt werden.

Demselben Blatt wird aus Heilbronn, 26. Dezember, berichtet :

Die Haltung der Reichstagskommission für das Militärgeseß hat au hier prolen Unwillen hervorgerufen. Wenn man au E ist, daß der Reichstag selbst ihren Beschlüssen niht folgen wird, o fühlt man \sih doch in seinem nationalen Gefühl verleßt und vor dem Ausland bloßgestellt. Die deutshe Partei wird daher auf

ontag, 3. Januar, eine Versammlung einberufen, die gegen die Annahme Zeugniß geben wird, als ob cine demokratishe Versammlung, die Ürzlih hier stattfand, der Ausdru der hiesigen Bürgerschaft gewesen ei, Nur darüber könnte Meinungsverschiedenheit scin, ob die Kund- gebung in einer Petition an den Reichstag, dessen Mehrheit für nationale Regungen des Volkes verschlossen ist, bestehen soll, oder in einem Beschlusse, von dem tannYallerdings auch dem Reichstage

Lainis zu geben wäre. Der erstere Weg wird wohl eingeschlagen en.

Eimmiinon

Reichstags - Angelegenheiten.

Das dem Reichstage vorgelegte Gese, betreffend die unter Aus\chluß der Oeffentlichkeit stattfindenden erihtsverhandlungen, hat folgenden Wortlaut :

Vir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c.

| verordnen im Namen des Reichs, nah erfolgter Zustimmung des

Bundesraths und des Reichstages, was folgt:

E L Die V8. 174 bis 176 des Gerichtsverfassungsgeseßes werden dur stehende Bestimmungen erseßt:

; S. 174. E öff: s Verkündung der Urtheilsformel erfolgt in l jedem Falle entlich.

S. 175. i

Ueber die Aus\hließung der Oeffentlichkeit wird in nicht öffent- liher Sitzung verhandelt. Der Beschluß, welcher die Oeffentlichkeit aus\{ließt, muß öffentlich verkündet werden.

__ Das Gericht fann den bei der Teautlans anwesenden ata die Geheimhaltung des Inhalts bestimmter Theile der Verhandlung besonders zur Pflicht machen, sofern von dem Bekanntwerden desfelben eine Gefährdung der Staatssicherheit zu befürchten ist. Der Beschluß ist in das Sigungsprotokoll aufzunehmen.

Der Zutritt zu öffentlihen Verhandlungen ïann unerwawsenen

d folchen Personen versagt werden, welche sich nicht im Besiße der

birgerlihen Ehrenrehte befinden, oder welche in einer der Würde des

E-richts niht entsprehenden Weise erscheinen. ¿R TE

_ Durch die Auéschließung der Oeffentlichkeit wird das aus der

Dienstauf\siht fliegende Ret, Gerihtsverhandlungen beizuwohnen, nicht berührt.

Artikel I.

_ Wer die nah §. 175 Absaß 2 des Gerichtsverfafsungsgesetzes ihm auferlegte Pflicht der Geheimhaltung durch unbefugte Mit- theilung verleßt, wird mit Geldstrafe bis zu Eintausend Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

: Artikel III.

Ueber Gerichtsverhandlungen, welche unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattgefunden haben, dürfen Berichte durch die Presse nicht veröffentliht werden. Zuwiderhandlungen unterliegen der im Artikel T1 bestimmten Strafe.

_ Zufolge der Bestimmung im §. 28 Absaß 2 des Gesetzes gegen die gemeingefährlihen Bestrebungen der Soztaldemo- fratie vom 21. Oftober 1878 (Reichs-Geseßblatt S. 351) ist dem Reichstage über die Anordnungen Rechenschaft zu geben, welche von der Königlich preußischen Regierung auf Grund des 8. 28 jenes Geseßes unter dem 16. d. M. mit Genehmi- gung des Bundesraths getroffen"? und im „Reich8-Anzeiger“ vom 17. d. M. bekannt gemacht worden sind. Der Bericht lautet:

Das Königlich preußishe Staats-Ministerium hat auf Grund des 8. 28 des Gefeßes gegen die gemeingefährlihen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 mit Genehmigung des Bundesraths für den Stadt- und Landkreis Frankfurt a. M., den Stadt- und Landkreis Hanau, den Kreis Höchst und den Ober-Taunus- fre!s unter dem 16. d. M. die in der Anlage enthaltenen Anordnungen getroffen.

__ Dieselben sind in Nr. 297 des „Reichs-Anzeigers“ und auf die für landespolizeilihe Verfügungen vorgeschriebene Weise bekannt ge- macht worden. Sie beruhen auf folgenden Gründen:

__ Die Stadt Frankfurt a. M. und ihre näheren Umgebungen bilden feit etwa 12 bis 15 Jahren einen besonders bemerkens8werthen Mittelpunkt für sozialdemokratische Agitationen. Die propagandistische Thätigkeit, welche in West- und Süddeutschland für die sozialdemo- kratishe Partei betrieben wird, hat hier ihre Leitung, welche zugleich die Ausbildung jüngerer Kräfte zu geschickten und gefährlichen Agi- tatoren sich zur Aufgabe gestellt hat

Unablässig werden die in Frankfurt a. M. seit seinem induftriel- len Aufshwunge angesammelten großen Ärbeitermassen gegen die be- stehende Staats- und Gefellshaftsordnung aufgewiegelt. Zahlreiche gewerk schaftliche Organisationen und Unterstüßunaskassen, welche unter dem Deckmantel unpolitischer humanitärer Bestrebungen lediglih auf die Stärkung und Förderung gemeingefährlicher, sozialdemokratischer D OOeA berechnet sind, fommen dem Agitationsbetriebe zu gute.

Der Glaube an eine nahe bevorstehende foziale Revolution hat in den Arbeiter- und Handwerkerschichten immer zunehmende Ver- breitung gefunden. Oeffentlihe Kundgebungen revolutionärer Denk- weise, wie das Tragen rother Blumen bei Bestattung von Partei- genossen, das Aufhissen rother Fahnen zur Erinnerung an frühere Aufruhrbestrebungen u. |. w. wiederholen sich von Zeit zu Zeit. Andere Anzeichen, wie die planmäßige massenhafte Verbreitung des Züricher „Sozialdemokrat“ und anderer wegen ihres gemeingefährlihen Charakters verbotenen Druckschriften deuteten \chon seit längerer Zeit auf eine vollklommen planmäßig angelegte, weitverzweigte Organisation der sozialdemokratishen E in Frank- furt a. M. hin. Die neueste Zeit hat über das Bestehen einer solchen Organisation Gewißheit vershaft. Danach is die Stadt und ihre Umgebung in kleine, einer Oberleitung unterstellte Bezirke eingetheilt. Jeder dieser Bezirke besitzt eine wohl zusammengeseßte Erekutive und Plnagiverwa iung und besorgt die planmäßige Sammlung von Geld- ge und die e des „Sozialdemokrat“.

Von jeher fand in Frankfurt a. M., begünstigt durch seine Lage und seine zahlreihen Eisenbahnverbindungen, ein reger perfönlicher Verkehr zwischen cinheimishen und fremden Parteigenossen statt. Jahr aus Jahr ein traten hier durchreisende Agitatoren in öffentlihen und Vereinsversammlungen als Redner auf und übten au font Einfluß auf die Bewegung aus. E

Wenn nah den in Frankfurt a. M. mit Hülfe und Beistand Einheimischer verübten Gewaltthaten dem Versuch einer Dynamit- Sprengung des Poli:eigebäudes am 29. Oktober 1883 und der Er- mordung des Polizei-Raths Dr. Rumpf am 13. Januar 1889 {chon erbeblihe Zweifel darüber auftauchen mußten, ob die den Be- hörden durch das Geseg vom 21. Oktober 1878 verliehenen Machtmittel ohne eine Anwendung der im §. 28 vor- gesehenen Anordnungen für eine wirkungsvolle Bekämpfung der sozialrevolutionären Bestrebungen ausreihend seien, fo lassen die seitdem und besonders in neuester Zeit gemachten Erfahrungen diese Zweifel zur Gewißheit werden, und die Noth- wendigkeit leuchtet ein, der Sicherheitsbehörde die Befugniß in die Hand zu legen, durch zwangsweise Entfernung der Hauptführer der \ozialrevolutionären Organisation in Frankfurt a. M. nach Möglichkeit ihren Halt- und Vereinigungspunkt zu nehmen. Zugleich ift es erfor- derlich, den Besiß, das Tragen, die Einführung und den Verkauf von Waffen zu beschränken beziehungsweise an bestimmte Vorausseßungen zu knüpfen. Die getroffenen Anordnungen erftrecken sich daher nur auf die unter Ziffer 3 und 4 des §. 28 cit. vorgesehenen Machtmittel.

Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der im §8. 28 cit. bezeichneten Maßnahmen liegen nicht allein für Frankfurt a. M, fondern au für seine in dem Antrage bezeihneten Umgebungsgebiete vor. Für die Wirksamkeit der getroffenen Anordnungen erscheint es aber unerläßlich, daß dieselben zugleih in den Umgebungsgebieten zur Anwendung gelangen.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlihungen des Kaiserlihen Gesund- heitsamts sind in der Zeit vom 12. bis 18. Dezember cr. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurhschnitt berechnet, als gestorben

emeldet : tn Berlin 22,3, in Breslau 29,8, in Königsberg 23,7, in Köln 6,1, in Frankfurt a. M. 16,8, in Wiesbaden 17,8, in Hannover 19,4, in

Kassel 16,2, in Magdeburg —, in Stettin 27,2, in Altona 31,8, in Straßburg 25,5, in Mey 27,9, in München 24,8, in Nürnberg 30,3, in Augsburg 23,7, in Dresden 19,4, in Leipzig 16,8, in Stuttgart 15,5, in Karlsruhe 11,1, in Braunschweig 19,5, in Hamburg 37,7, in Wien 25,7, in Pest 36,8, in Prag 27,2, in Triest 31,5, in Krakau 20,3, in Basel 14,7, in Amsterdam —, in Brüssel 24,7, in Paris 24,5, in London 18,8, in Glasgow 27,0, in Liverpool 27,6, in Dublin 29,6, in Edinburg 18,2, in Kopenhagen 21,4, in Stockholm 22,2, in Christiania 19,5, in St. Petersburg 24,0, in Warschau 27,6, in Odessa 29,0, in Rom 26,1, in Turin —, in Venedig 22,5, in Alexandria 38,1. Ferner in der Zeit vom 22, bis 27. Dezember cr.: in New-York 26,1, in Philadelphia 22,2, in Baltimore 15,9, in Kalkutta 32,7, in Bombay 22,4, in Madras 34,0,

Die veränderlihe naßkalte, in der Berichtswoche vorherrschende Witterung übte auf die Gesundheits- und Sterblichkeitsverhältnisse der meisten Großstädte Europas keinen günstigen Einfluß aus, obwohl eine größere Zahl, besonders von deutshen Städten, wie Berlin,

München, Dresden, Leipzig, Frankfurt a. M., Wiesbaden, Bremen, Stuttgart, Aachen, Braunschweig, Mainz, Kassel, Karlsruhe, Mann- heim, von außerdeutschen Orten Basel, Krakau, London, Christiania, Edinburg, Venedig u. a. kleinere Sterblichkeitszahlen mittheilten. Insbesondere traten fkatarrhalishe und akute Entzündungen Athmungsorgane in fast noch gegen die Vorwoche gesteigerter Zahl zu Tage und riefen vielfah noch mehr Sterbefälle hervor als in der vorangegangenen Woche. Dagegen wurden Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder seltener Todesursachen, auch war die Theil- nahme des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit im Allgemeinen eine kleinere als in der Vorwoche. Von 10 000 Lebenden starben auf das Jahr berechnet: in Berlin 59, in München 87 Säuglinge T Von den Infektionskrankheiten zeigten Masern und Scharlach im All- gemeinen ein etwas selteneres, Diphtherie, txphöse Fieber, Keuchhusten und Pocen ein etwas häufigeres Vorkommen. So wurden Sterbefälle anMasernaus Hamburg, Bremen, Paris, London, Liverpool,St.Peters- burg in kleinerer, aus Berlin, Breslau und Prag in gleicher, aus Barmen, Mülhausen i. E. in größerer Zahl in der Vorwoche gemeldet. In den genannten Städten waren aber auch, sowie in den Regierungs- bezirken Aachen, Aurih, Düsseldorf, Königsberg, Marienwerdec, SSledwig, Erkrankungen an Masern noch sehr zahlreich. Todes- fälle an Scharl a ch wurden aus München, Hamburg, Köln, Hannover, Chemnitz, Wien, Pest, Odessa in geringerer, aus Berlin, London, Liverpool, St. Petersburg, Warschau in gesteigerter Zahl mitgetheilt ; auch in Edinburg und Christiania waren Erkrankungen an Scharlach nicht selten.—Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Hamburg. Leipzig, Königsberg, Frankfurt a. M., Nürnberg, Altona, Wien, London, Kopenhagen, St. Peterêburg, Warschau, Odessa eine gesteigerte, in Breslau, Stettin, Hannover die gleiche, in München, Dresden, Danzig, Stuttgart, Braunschweig, Prag, Paris, Kopenhagen, Christiania, St. Petersburg, Warschau eine verminderte. Typhöse Fieber wurden besonders in Hamburg, Paris, St. Petersburg häufig Todesveranlassung, in Berlin und London zeigten sie sh in beschränkter Zahl. Neue Er- krankungen wurden aus Hamburg etwas weniger als in der Vorwohe gemeldet. Einzelne Todesfälle an Flecktyphus kamen aus Krakau, London, St. Petersburg und Odessa, aus St. Petersburg auch 2 Erkrankungen zur Mittheilung, ferner wurten aus Berlin 1, aus St. Petersburg 8 Erkrankungen an Rückfallsfiebecr gemeldet. Aus dem Regierungsbezirk Marienwerder wird 1 Crkrankung an epidemischer Genistarre berichtet. Dem Kindbett- ficber erlagen in London 9 Frauen. MRofena-* Fntzündungen des Zellgewebes der Haut kamen im Ganzen feiteicr, Berlin etwas häufiger zur Kenntniß. Todesfälle an Poctea wurden aus London 1, aus Königsberg (Stadt) und Venedig je 2, aus Poris 3 aus Warschau 6, aus St. Petersburg 8, aus Wien 9, aus Reu 1% aus Pest 62 gemeldet; Erkrankungen an Polen aus Berlin 1, aus Breslau 4, aus, Hamburg und den Regierungsbezirken Königsberg und Shleswig je 5, aus St. Petersburg 8, aus Wien 11, aus Pest 164. In Pest ist die Cholera als erloschen anzusehen, dagegen kamen in vershiedenen Orten Ober-Ungarns in der ersten Dezemberwohe uod vielfach neue Erkrankungen vor. Aus Slavonien (Esseg) weiden von der Mitte Dezember noch mehrfache Cholerafäll? mitgetheilt

_— Summarische Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen vereinigten Friedrihs-Universität Halle-Wittenberg im Winter - Scmefter 1580/97. A Zin Sommer-Semester 1886 find immatrikulirt gewesen (inkl, 6 nach- träglich Immatrikulirter) 1524. Davon sind: a, versiorben. è b. abgegangen mit Exmatrikel 443, e. weggegangen, ohne fich ab- zumelden und daher gestrichen 4, d. gestrichen auf Grund des S. 15 der Vorschriften für die Studirenden 2c. vom 1. Oktober 1879 36 e. gestrihen aus sonstigen Gründen (Entfernung von der Universität) 3 Summa 489. Es find demnach geblieben 1035. Dazu sind in diesem Winter-Semester gekommen 492. Die Gesammtzahl der immatrikulirten Studirenden beträgt daher 1527. Davon zählt: Die theologische Fakultät : Preußen 524, Nichtpreußen 74, Summa 598. Die juristishe Fakultät: Preußen 103, Nihtpreußen 12, Summa 115. Die medizinische Fakultät: Preußen 278, Nichtpreußen 37, Summa 315. Die philosophische Fakultät: a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 198, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife nah §. 3 der Vor- schriften vom 1. Oktober 1879 136, c. Nichtpreußen 165, Summa 499. Gesammtzahl der in Halle anwesend gewesenen immatrikulirten Stu- direnden 1527. B. Außer diesen immatrikulirten Studirenden haben die Erlaubniß zum Hören der Vorlesungen vom Rektor erhalten : nicht immatrikulationsfähige Preußen und Nichtpreußen 58. Die Gesammtzahl der Berechtigten ist mithin 1583. Von diesen Bereh- tigten hören Vorlesungen : AA. Von den immatrikulirten Studirenden : in der theologischen Fakultät 597, in der juristischen gakultät 116; in der medizinishen Fakultät 315, in der philofophishen Fakultät 498, zusammen 1525. Vom Hören der Vorlefungen dispensirt find (wegen Krankheit beurlaubt): in der theologishen Fakultät 1, in der philo- fophishen Fakultät 1, zusammen 2. BB. Von den übrigen bereh- tigten Personen: niht immatrikulationsfähige Preußen und Nicht- preußen 56. Die Gesammtzahl der BereHtigten, welhe Vorlefungen hören, ift mithin 1581. Außerdem verweilen noch die im Nachtrag Bezeichneten, welche bereits ermatrikulirt sind, mit verlängertem akademischen Bürzerrecht auf der Universität und zwar: von der theologischen Fakultät 9, von der juristishen Fakultät 7, von der medizinishen Fakultät 45, von der philosopishen Fakultät 25, zu- sammen 87, fo daß die Gesammtsumme beträgt 1668.

Der dur seine Abhandlung „Ueber die Wanderbewegung der centraleuropäischen Bevölkerung“ bekannte Statistiker A. von Randow widmet im 5. Heft des 11. Bandes der „Statistishen Monats\chrift* einem noch wenig angebauten Zweige der Statistik seine Aufmerksamkeit, dem Vereinswesen. Wir entnehmen dem Aufsatze folgende Angaben über das österreihische Vereinswesen. Von 1867 bis 1882 ist die Zahl der Vereine in Desterreih von 4348 auf 18552 gestiegen. Von 1867 bis 1872 wurden durchschnittlich jährlich 1300 Vereine mehr begründet als si auflösten, von da ab bis 1878 nur etwa 600; 1879 und 1880* erreihte die Zunahme wieder eine Höbe von 800, 1881 und 1882 sogar 1400. Bezüglich der Arten der Vereine und ihrer Vertheilung auf die einzelnen Länder ist Folgendes angegeben. Im Jahre 1882 gab es 1580 Geselligkeitsvereine, 403 Kunst und Wissenschaft fördernde Vereine, 1316 Musik- und Gesangvereine, 1140 Biidungs- und Belehrungsvereine, 3462 Kraft und Gewandtheit fördecnde und verwerthende Vereine (eins{hließlich der Feuerwehren), 454 politishe Vereine, 399 Gewerbe und Handel fördernde Vereine, 233 Konsumvereine, 345 Sparkafssenvereine, 1175 Vorfchußvereine, 3976 Scußgemeinschaften vershiedener Art (Krankenkassen u. f. w.), 549 Aktien- und Produktionsgesellschaften, 968 Loos- und Sparvereine und 1329 Wohlthätigkeitsvereine. Die nördlihen Industrieländer Böhmen, Mähren und Schlesien, und die Donauprovinzen stehen nach der Zahl der Vereine obenan; hier entfällt auf je 800 Einwohner ein Verein. Es folgen die deutschen Alpenprovinzen mit einem Verein auf 1200 Bewohner, dann die slavishen Gebirgsländer mit je einem Verein auf 2500 Bewohner, endlih Galizien und die Bukowina mit je einem auf 5000. Im Nordwesten besitzt jedes normale Dorf einen Verein, im Nordosten niht einmal jede Landstadt.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Frankrei in Wort und Bild. Seine Geschichte, Geographie, Verwaltung, Handel, Industrie, Produktion, ceshildert von Friedrih von Hellwald. Mit 455 Illustrationen. In 50 Heften à 79 A. Leipzig. Smidt & Günther. 47.—49. Heft. In dem 47. Heft führt uns der Verfasser zunähst nah Cette, wo man, wie er mittheilt, die Ankündigung „Tei on fabrique des vins“ mehrfach) lesen könne, denn dort würden alle Weine der Welt (nas „Man brauche nur Johannisberger oder Tokayer oder Madeira zu bestellen, die Cetter Fabrikanten würden prompt liefern ; natürlich nähmen sie die s{lechtesten! ‘Weine dazu und mischten mit Veilchenpulver, Cochenille, Sonnenblumen und anderen Mittelchen die verlangten Sorten fertig und die. armen Weintrinker bezahlten dafür s{weres Geld." Die Fortseßung der Schilderung von Süd- Frankrei bringt uns ferner interessante Orte, wie Nimes mit seinen