nahm einen stürmischen Verlauf. Das Mitglied der äußersten Rechten Shul gin wandte si an die Sozialisten und sagte: „Sie protestieren gegen die Todesstrafe, aber, sagen Sie mal ofen, haben Sie nicht eine Bombe in der Tasche? Hierauf erhob sich ein un-- beshreibliher Lärm. Der Vizepräsident Posnansky stellte mit Mühe die Ruhe wieder her.
__ Die Sozialdemokraten verzihteten sodann auf die Dringlich- keit der Jnterpellation, die der Kommission überwiesen wurde. Die Duma beschloß mit großer Mehrheit, den Abg. Schulgin enen Beleidigung von Deputierten von der Sigßung aR schließen, lehnte sodann die Ae für die Jnterpella- tion über den Ausstand in Baku und über Nèpre maßnahmen in der Provinz, Kutais ab und verwies
sie an die genannte Kommission.
Der Abg. Maklakow as Erläuterungen über die Interpellation, betreffend die Kassierung etnes Urteils des Feldkriegsgerihts dur den Generalgouverneur von Moskau Hershelmann. Das Kriegsgericht hatte vier Personen, die des Versuchs angeklagt waren, einen Polizeibeamten zu ermorden, zu lebenslängliher Zwangsarbeit verurteilt. Hershelmann hat entgegen der Zirkularverfügung des Ministerrats, die endgültig die Kassierung von Urteilen der Feld- krieg8gerihte verbietet, dieses Urteil kassiert. Ein anderes Kriegs- gericht hat die vier obenerwähnten Personen zum Tode durch Erhängen verurteilt. Das Urteil ist vollstreckt worden.
_ Der JInterpellation über Mißbrauh der Amtsgewalt seitens Hershelmanns wurde einstimmig zugestimmt und die Sigung darauf geschlossen.
— Eine aus Vertretern der verschiedenen Verwaltungs- zweige zusammengeseßte Kommission ist vom Handelsminifster ins Leben gerufen worden, um Maßnahmen zur Erschließ ung des russishen Teiles der Jnsel Sachalin auszu- arbeiten. Die Kommission wird sich mit Plänen einer Kolonisation, des Baues von Wegen und Häfen und der Hebung der Bergwerksindustrie sowie des Handels im all- gemeinen zu beschäftigen haben.
Niederlande.
In der Ersten Kammer verlas der Ministerpräsident de Meester gestern eine amtlihe Erklärung über den Ver- lauf der Ministerkrisis, in der 65, „W. D. B.“ zufolge heißt, daß der Präsidént der Ersten Kammer der Königin mit- geteilt habe, daß fein gee Grund zur Bildung eines Kabinetts aus Mitgliedern der Rechten vorliege. Der neue Kriegsminister, General van Rappard werde von neuem den Gesetzentwurf über die Abschaffung des permanenten N AIEAeS sowie das definitive Heeresbudget für 1907 vorlegen.
Montenegro.
Das Kabinett Nadowitsch hat, E D D dem Fürsten das Entlassungsgesuh überreicht, Genehmigung bereits erfolgt ist.
Afrika.
Wie aus Tanger gemeldet wird, wird der Kriegsminister El Gebbas demnächst nah Fez ran werden, um seine Ansicht über die Möglichkeit der Anwen ung der Verträge von 1901 und 1902 auszusprehen. Der „Liberté“ zufolge halte El Gebbas persönli dafür, daß der Machsen niht in der Lage sei, diese Verträge anzuwenden, da ihm alle Stämme an der al erisch-marokkanischen Grenze feindlih gesinnt seien. Der Machsen würde unter diesen Umständen eine nebensächliche und demütigende Rolle spielen, sodaß es im Jnteresse seiner Würde läge, sich überhaupt jeder Intervention zu enthalten.
zufolge, dessen
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberihte über Reichstags und des Hauses sih in der Zweiten und Dritten
die gestrigen Sißungen desg der Abgeordneten befinden Beilage.
Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern Dr. Graf von Posa- dowsky-Wehner beiwohnte, wurde die Beratung des |Spezialetats des Reichsamts des Jnnern bei den Ausgaben für das „Reichsgesundheitsamt“ fortgeseßt. ZU diesem Kapitel liegt eine Reihe von Resolutionen vor. 1) Von den Abgg. Baumann-Dahlem-Dasbah-Spindler u. Gen. (Zentr.): Die verbündeten Negtierungen zu ersuchen, möglihst noch in dieser Session des Reichstags eine Revision des Gesetzes über den Verkehr mit Wein vom 24. Mai 1901 in der Weije herbcts zuführen, daß ; i i a. bis zur reidchsgeseßlihen einheiiliden Regelung der Beguf- sichtigung des Verkehrs mit Nahrungs- und Genußmitteln einst- weilen zur wirklihen Ausführung des Weingesetzes und zur Ueber- wahung des Weinbaues und Weinhandels in jedem Bundesstaat besondere Beamte im Hauptamt anzustellen sind und jede Weinhandlung der zuständigen Verwaltungsbehörde anzumelden it b. die sfändige Führung eines Lagerbu ch8 zur Pflicht ge- macht wird, welches eine genaue Kontrolle über den Eingang und Ausgang aus den Lagern ergibt ; ; c. der Zusaß von Zuckerwasser wirksamer einges{chränkt und zeitlih und räumlih begrenzt wird; d. die Deklarationspflicht für den Verschnitt von Not- wein wit Weißwein festgeseßt wird; 6. jede absihtliche Uebertretung des Geseßes mit Freiheits- und Geldstrafen geahndet wird. Dr. Hitze, Dr. Faßbender
2) Von den Abgg. Dr. Jäger,
— n Dex heutigen 31.
und Genoffen (Zentr.): In Ausführung der Reichsverfassung dem Reichstage einen Gesetzentwurf __ vorzulegen, durch den allgemeine Vorschriften zur Verbesserun g der Woh- nung8verhältnisse der minder bemittelten Volks-
Tassen erlassen werden, mit der Verpflichtung ter Einzelstaaten, die Durführung dieser allgemeinen Vorschriften dur spezielle Ver- ordnungen unter Anpassung an die besonderen Verhältnisse von Stadt und Land zu regeln und durch Anstellung von besonderen Aufsichts- beamten, set es des Staats, sei es der Gemeinden, jedoch unter Ober- aufsiht von Staatsbeamten, zu sichern.
3) Von den Abgg. Brandys und Genossen (Polen): Die ver- bündeten Regierungen zu ersuchen, veranlafsen zu wollen, daß sämt- lihe Unfallverhütungsvorschriften und Verordnu ngen zum Schuße von Leben und Gesundheit der in Bergwe1ken, Eisen-, Blei-, Zinthütten und ähnlihen Betrieben beschäftigten Arbeiter den- selben in ihrer Muttersprache zur Kenntnis gebraht werden.
(Schluß des Blattes.) Das
Quas der Abgeordneten nahm in der heutigen (45.) Sißung, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr, von Studt beiwohnte, zunächst in dritter Beratung den Gesetzentwurf zur Abänderung
eyes, betreffend den Erlaß polizeiliher Straf- Jungen wegen Uebertretungen, von 1883 und Gesehentwurf, betreffend die Bildung von [verbänden in der Provinz Schleswig- olstein, ohne Debatte an Und seßte dann die s Beratung des Etats des Ministeriums der geist- lichen, Unterrihts- und Medizinalangelegenheiten in dem Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ bei den dauernden Ausgaben für die Königlichen Museen in Berlin und der einmaligen Ausgabe von 100 000 4 zur Vorbereitung von Erweiterungs- und Neubauten für die Museen in Berlin fort.
Abg. Graf Prashma (Zentr.): Jn der Frage der Dezentralisation unserer Museen Jebe ih vollständig auf dem Boden des Kollegen Cassel. Nah Berlin gehört das Beste vom Besten. Die anderen Provinzen dürfen aber au nicht zu kurz kommen ; was historish den Provinzen eigentümliß ist, sollen diese bekommen. ür vollständig verfehlt würde ih es halten, wenn das Völkermuseum nah Dahlem verlegt würde. Es erweckt ein erhebendes Gefühl, wenn man mit Ausländern, die Kunst- sammlungen der ganzen Welt gesehen haben, die Museen hier be- sichtigt und von thnen das Urteil hört, wie reihhaltig unsere Museen Begicites find. Ich kann nur wiederholen, daß sie das Beste vom Besten in sich vereinigen und noch weiter ausgebaut werden möchten.
Sh Dr. Dahlem (Zentr.) wünscht die Nestaurierung der St. Johanneskirhe am Ausfluß der Lahn, die cinen großen historischen Kunslwert besige und durh Kriege mitgenommen fei, einmal sogar als Festung gedient habe.
Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. von Studt sagt tunlichste Berücksitigung dieses Wunsches dur Bereitstellung von Mitteln zu.
Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) bemerkt, daß dur die Neichserb- schaftôsteuer bei Zuwendungen für künstlerisGße und wissenschctttite
wee eine gewisse Beeinträchtigung stattfinde. Dies könne auf viele, die
eshenke geben wollen, abs{chreckend wirken. Eine Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes der völligen Steuerfreiheit solher Zu- wendungen zu idealen Zwecken sei dringend erwünscht.
Ein Negierungskommissar erwidert, daß darüber Statistik aufgenommen und der Budgetkommission werden soll.
Die Ausgaben für die Berliner Museen werden bewilligt.
Bei den Ausgaben für das Kunstgewerbemuseum in Berlin bringt
Abg. Dr. Friedberg (nl.) die Verhältnisse dec Lehrer an der Unterrihtsanstalt des Kunstgewerbemuseums zur Sprache. Er mat darauf aufmerksam, daß den nur 18 etatsmäßigen Lehrerstellen etwa 34 nit etatsmäßige Stellen gegenüberständen. Aber au die etats- mäßigen Stellen seien nur mit fünf Lehrkräften beseßt, sodaß die meisten Lehrer einer gesicherten Anstellung vollständig entbehrten. Dies müsse natürli ihre en vermindern und sei auf die Dauer ein unhaltbarer Zustand. r bitte den Kultusminister, eine anderweite Regelung der Anstellungsverhältnifse der Lehrer in en Sinne einer gesicherten Position in wohlwollende Erwägung zu ziehen.
Geheimer D peegierungorat Dr. Schmidt gibt das Bestehen von ZMONIA zu, die aber daraus zu erklären seten, daß die Unter- rihtsanstalt fi fortwährend in einem Uebergangsstadium befunden habe, namentlich au infolge des Todes des Direktors Ewald, für den Ersatz zu hafen nur ‘sehr {wer möglich gewesen sei. Nachdem dieser Ersay gefunden, sei Aussicht vorhanden, daß eine definitive Regelung ein- treten werde. Er glaube in Ausficht stellen zu können, daß bis zum näcsten Jahre die ‘an sih berehtigten Klagen erledigt würden.
Zu den Ausgaben. für die Köwialiche Bibliothek in Berlin liegt R D tion der | er fénten Hoffmeister und Genossen in Berlk-um Geha#s&g- ung für die Erpe- dienten an der Königlichen Bibliothek in Berlin und an den Universitätsbibliotheken vor.
Berichterstatter Abg. Dr. Berndt beantragt namens der Budget- lommission, die Petition der Regierung als Material zu überweisen.
Abg. Lusensky (nl.) tritt für die Wünsche der Petenten ein, die ihm niht unbegründet erschienen, und bittet die Regierung, das Petitum wohlwollend zu prüfen.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. wesentlihen feine in der Kommission abgegebene ablehnende Er- klärung. Seiten die Betreffenden den an Subalternbeamte zu stellenden Anforderungen gewachsen, so werde ja geprüft werden, ob fie niht mit der Zeit auch in entsprehende Stellen aufrücken können.
Ueber die Petition beschließt das Haus nah dem Kom- missionsantrage.
Bei den Ausgaben für Remunerierung von Hilfs- bibliothekaren, Assistenten usw. begrüßt
Abg. Lusensky mit Freude, daß die Bibliothekverwaltung neuerdings dazu übergegangen sei, Damen in der Verwaltung zu be- schäftigen. Das Damenpersonal set aber zur Zeit nur auf Kündig ung
eine mitgeteilt
Schmidt wiederholt im
angestellt. Der Redner bittet, auch diese Stellen etatsmäßig zu machen. Geheimer Oberregierungsrat Dr. Schmidt: Die in der
Bibliothekverwaltung anzustellenden wissenschaftlichen Beamten müssen natürlih auch die Vorbedingungen, sveziell hinsihtlich der Vor- bildur g, erfüllen. Diese Anforderung würde auch auf die Damen an- zuwenden sein. Diese Frage müsse der weiteren Entwicklung über- lassen bleiben.
Der Dispositionsfonds zu Beihilfen und Unter- stüßungen für Kunst- und wissenschaftliche Zwedcke sowie für Künstler, Gelehrte und Literaten und zu Unter- stüßungen behufs Ausbildung von Künstlern ist in diesem Etat um 62000 M auf 492230 M erhöht worden. Von dem Mehr sollen 40 000 4 zur Förderung der Beziehungen der deutshen Wissenschaft zum Auslande Verwendung finden, 10 000 M zur Ucbernahme der Reichserbschaftssteuer im Falle von Stiftungen und Schenkungen, die mit dem Vorbehalt der Steuerbefreiung gemacht sind, endlih 12000 /(( zur Ver- stärkung des Fonds.
Abg. von Böhlendorff-Kölpîn (kons.) \priht bei dieser Gelegenheit den Wunsch aus, daß die nah dem Viktoria-Nyanza auszusendende Expedition, für die etne Dauer von 2 Jahren in Aus- siht genommen sei, glücklih heimkehren und eine reihe Ausbeute MEriigea möge, die auh dem Völkermuseum zugute kommen würde.
Abg. Dr. Berndt (nl.) bittet die Staatsregierung um Förde- rung der von seiten des Museumsvereins in Hamm geäußerten Spezialwünsche auf diesem Gebiet.
Abg. Sey del- Hirschberg (nl.): Das Denkmal der Gräfin Reden, das König Friedrih Wilhelm 1V. im Jahre 1856 bet der Kirche Wang im Riesengebirge habe errichten lassen, sei dem Verfall ausgesetzt : die Wiederherstellungskosten seien auf etwa 1800 berechnet. Es frage sich, wer für diese aufzukommen habe. Der Staatskonservator Lahe sich dahin ausgesprochen, daß dies Sache des Kreises, der Provinz oder des Riesengebirgsverecins sei. Dem fet nicht zuzustimmen, da es si hier um ein Denkmal handle, das einer unserer Köntge habe errichten lassen, um, wie es auf der Inschrift des Denkmals helße, „scine un- verwelklihe Liebe, Anerkennung und Dankbarkeit der Gräfin Reden zu erweisen." Von dritter Seite könne die Hand zur Wiederherstellung des Denkmals nicht angelegt werden, bevor niht von der Stelle aus,
die den Allerhöchsten Dispositionsfonds zu verwalten- habe, unzwei- |!
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deutig erklärt worden, daß sie an dem Schicksal des Denkmals keinen weiteren Anteil nehme. Der Minister werde gebeten, seinen Einflu dahin geltend zu machen, daß das Denkmal auf Staatskosten wieder, hergestellt werde.
Minister der Ee 2. Angelegenheiten Dr. von Studt sagt möglichste Erfüllung dieser Wünsche, soweit sein Ressort in Betracht komme, zu.
Zu den S für die Akademie der Wissen- schaften in Berlin bemerkt
Abg. Münsterberg (fr. Vgg.) : Die alten Bestrebungen, die auf Schaffung einer Akademie der deutshen Sprache gerichtet find, haben unseren Kaiser egan zum 200 jährigen Jubiläum der Akademie der Wissenschaften drei neue akademische Stellen für Arbeiten auf dem Gebtete der deutshen Sprache ins Leben zu rufen. So ist die „Deutsche Kommission“, der die Germanisten Burdah, Nöthe und Erih Schmidt angehören, entstanden. Es ist aber dringend erforderli, daß der Staat seinen Zuschuß auf 30000 M erhöht, denn für ihre großen Aufgaben kann die „Deutsche Kommission“ mit den bisherigen 15000 Æ nicht auskommen.
(Schluß des Blattes.)
Bei der gestern im Stadt- und Landkreise Königs- berg und im Kreise Fishhausen erfolgten Ersaßwahl eines Mitglieds des Hauses der Abgeordneten wurde, nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus A an Stelle des bisherigen Abg. Posseldt, der aus Gesundheits- rücksihten sein Mandat niedergelegt hat, der Schriftsteller Pachnicke-Berlin (freis. Vgg.) mit allen abgegebenen (674) Stimmen gewählt.
Statiftik und Volkswirtschaft,
Die deutsche überseeishe Auswanderung im März 1907 und in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Es wurden befördert deutsche O im Monat März
über 19 1906 Bremen . . 1201 1755 Hamburg . e 775 861 deutshe Häfen zusammen . . 1976 2616 fremde Häfen (soweit ermittelt) 248 656
überhaupt . 2224 0212,
Aus deutschen Häfen wurden im März 1907 neben den 1976 deutschen Auswanderern noch 45 398 Angehörige fremder Staaten befördert, davon gingen über Bremen 28 843, über Hamburg 16 555,
Zur Arbeiterbewegung.
Die bisher immer ergebnislos gewesenen Verhandlungen in der Schlichtungskommission im Lohnkampf der Nreinlever Berlins haben, noch ebe das Eintgungsamt des Berliner ewerbegerihts einen Schiedsspruh fällen konnte, zu einer Verständigung geführt. Die vor einigen Tagen unter dem Vorsiß des Magistratsrats von Sulz tagende Schlichtungskommission einigte sih auf folgender Grund- lage: „Sämtliche Arbeiterklassen (Steinseßer, Rammer, Steinschläger und Hilfsarbeiter) erhalten eine sofortige Lohnzulage von 5 p die Stunde. Nach drei Jahren — vom 31. März 1910 ab — tritt eine Verkürzung der Arbeitszeit um è Stunde, von 9 auf 84 Stunden ein, sowie eine nohmalige Lohnerhöhung um 5 4 die Stunde. Der Tarif hat- rückwirkende Kraft bis zum 1. April d. J., foll vor- behaltlich der Zustimmung der Innungen und der Arbeitnehmer für die Provinz Brandenburg Geltung haben und vier Jahre bestehen
bis zum 31, März 1911.“ meldet, der Ausstand der
In Paris i, wie „W. T. B.“ Bäcker in der Abnahme begriffen. Gestern morgen zählte man nur
451 Ausftändige. 18 Ausständige sind wegen Behinderung der Freiheit der Arbeit festgenommen worden. Ausftändige Bäder haben in der Nacht zum Dienstag durch das Keller- loch einer Bäckerci auf an dem Backofen Arbeitende
Vit riol geschleudert, wodurch ein Arbeiter leiht verlegt worden ist. Eine Untersuchung ist eingeleitet worden. — Die Kellner hielten in vergangener Nacht eine Versammlung ab, in der sie sih für dèn Gesamtausstand aussprachen, der im geeigneten Augenblick ins Werk geseßt werden soll. j
In der Zuckerraffinerie Say sind gestern, dem „W. S. B,° zufolge, an tausend Arbeiterinnen in den Ausstand getreten.
Aus Baku wird dem „W. T. B.“ telegraphie1t: Für die Schiffsarbeiter sind eine neue Arbeit8ordnung und ein Mtindest- lohnsaß aufgestellt worden, dur die die Lage der Arbeiter erbebli verbessert ist. Eine Anzahl von Schiffen ist am 15. d. M. nah Astrachan abgegangen; méc hrere Schiffe gehen mit aus Soldaten ge- bildeten Besaßzungen ab.
Kunft und Wissenschaft.
Lange Jahre hatte sih das Königliche Kupfer stihkabinett im Neuen Museum mit einem kleinen, mäßig beleuhteten Aus- stellungsraum begnügen müssen, der, zwischen dem Studiensaal und den Amtsräumen eingellemmt, dem großen Publikum wenig vertraut war. Zuletzt fand dort die reizvolle Ausstellung „Alt-Berlin“ statt. Der Neubau des Kaiser Friedrih-Museums hat auch für diese Zwecke Plaß geshaffen. Wo früher die Werke antiker Kleinkunst ihre be- sonders auf Tanagra beruhende Anziehungskraft ausübten, wo im vorigen Jahre die Schwarz-Weiß- Abteilung der Jahrhundert- ausstellung ein etwas zurückgezogenes, aber glanzvolles Dasein führte, in dieser Fluht heller und freundliher Räume des ehemaligen Antiquariums sollen jeßt die Schäße des Kupfer- stichkabinetts in regelmäßiger Folge den Freunden der graphi- shen Kunst vor Augen geführt werden. Bauliche Veränderungen waren nit nötig; nur die malerische Dekoration, die bisher zu un- rubig wirkte, ist in taktvoller Anlehnung an den Stil Shinkels und Stülers nach Entwürfen des neuen 2 useumsarchitekten, Geheimrat Messels, erneuert und verbessert worden. Es wirft ein gutes Licht auf die Kunstliebe der Berliner, daß man si genötigt gesehen hat, im früheren Vasensaal einen neuen Studienraum für die Beschäfti- gung mit den Mappen moderner Kunst einzurihten. Es findet also von le! an eine säuberlihe Scheidung statt: wen die Neigung zu Dürerschen Handzeichnungen oder Nembrandtschen Nadterungen lenkt, muß sih im bisherigen Arbeits\aal einfinden, der zur Linken des Treppenhauses gelegen ist; zur Rechten dagegen gelangt der Mar Klinger-Enthusiast zum Ziel seiner Wünsche. Das peinlihe und störende Durhwandern der Studienräume wird jeßt fortfallea.
Die erste Ausstellung in den s{chöônen Sälen is dem Schaffen Francisco Goyas gewidmet. Gerade in diesem Umkreise, wo unzählige Gipse nah der Antike, ägyptische Altertümer und Kaulbachsche Freskomalereten vielen Besuchern mehr Verwirrung und Ermüdung als künstlerishen Genuß bereiten, muß es förderlih sei, den Blick zur Konzentration zu zwingen. Und der leidenshaftlihen Kunst dieses revolutionären Akademikers fällt es nicht {chwer, die Aufmerksamkeit auf fich zu ztehen. Den Neuling wird hon das Gegenständliche in diesen Blättern fesseln: der farbige Zauber des spanischen Bolkslebens, die Stierkämpfe und die Ÿ ajas, Krieges aus der Zeit der französishen Invasion, in den fatirischen Darstellungen. Der Kenner aber bemerkt neben den in vorzüglichen Abdrücken ausgestellten großen Folgen der Caprichos, der Tauromaquia, der Proverbios und der Desastres de la Guerra, eine ganze Reihe von Einzelblättern, die, größtenteils Neuerwerbungen,
der furhtbare Hohn
die Greuel des.
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das Bild des ‘Künstlers nah vielen Richtungen neu und be- lebter erscheinen lassen. Was den Reichtum an Seltenheiten anbelangt, so nimmt jeßt die Berliner Sammlung glei hinter der Biblioteca nacional in Madrid den ersten Plaß ein, und in der Zahl der Skteindrucke, von denen nur siebzehn bekannt sind, ist sie gar allen verwandten Instituten boraus. Und gerade diese Lithographien, von denen ih nur „die andalusische Tänzerin“ erwähnen will, gehören zu den erstaunlichsten Schöpfungen des Malers eher als des Zeichners Goya. Seine fast allzu freigebige Hand hat selten diesen rhythmischen Reiz in Gang und Tanz spanischer Frauen, die Gegensäße üppigen Lichtes und tiefer, ge igte Schatten in der Beleuchtung, die Ursprünglichkeit im Affekt des niederen Volkes fo verschwenderisch ausgestreut wie hier. Die Technik des Steindrucks war damals neu; Goyas Blätter sind Versuche darin, und man glaubt ihnen die Freude anzusehen, die dem Künstler das neugewonnene Ausdrucksverfahren bereitet hat.
Außer den graphishen Blättern, deren Einfluß auf fast alle neueren Meister der Radierung ih hier niht zu erörtern brauche, sind mehrere Pinsel- und Kreidestiftzeihnungen zur Schau gestellt. Sie find nicht alle gleihwertig, aber au in ihnen waltet jenes per- sönlihste Leben, das Francisco Goya, den Granden im offnen Hemd, wie thn ein neuerer Dichter nannte, zu einem der eigenartigsten
Künstlerharaktere niht nur der spanischen Kunstgeschichte E S r. O.-B,
Die neu hergerihteten beiden großen Säle im zweiten Geschoß der Nattonalgalerie (Corneliussäle) werden von morgen ab dem Publikum wieder zugänglich sein.
Die jährliche ordentlihe Gesamtsißung der Z entraldirektion des Kaiserlihen Arch äologishen Infkituts hat in den Tagen vom 11. bis 13. April d. F. in Berlin stattgefunden. Es waren außer den in Berlin wohnhaften au alle auswärtigen Mit- glieder der Zeütraldirektion erschtenen.
A. F. Die Angelegenheit der Denkmalpflege, der Natur- wie der geshichtlichen Denkmale, deren eifriger Förderer, Professor Dr. Conwenß- Danzig, in der Januarsizung der „Branden- burgia" einen darauf bezüglihen Vortrag gehalten hatte, ist seit- dem niht von der Tagesordnung der Gesellschaft für Heimalkunde ge- s{chwunden: ein erfreuliches Zeichen von der großen Teilnahme, die für den Gegenstand zunächst wenigstens in städtischen Kreisen erwedckt ist. Nod in der leßten Sitzung vor der Feier des Stiftungsfestes fand darüber eine lebhafte Erörterung statt, in der hauytsählich geltend gemacht wurde, daß auf dem Lande mehr als bisher für die Belebung des Interesses gewirkt werden müsse. Das könne auf ver- schiedenen Wegen erreiht werden : anfangend mit der Gewinnung der seminaristisch gebildeten Lebrer für die Zwecke der Denkmalpflege, besonders in systematisher Weise des jüngeren, noch auf den Seminaren in Ausbildung begriffenen Nahwuchses, und daran anshließend dur Wanderlehrer, die in größeren Ortschaften in der mustergültigen und für die Sache erwärmenden Art, wie Professor Conwenßt ein Beisptel gibt, Vorträge zu veranstalten haben würden. Auch wan@en Geistlichen auf dem Lande ist — wovon Beispiele erzählt wurden — ein größeres Interesse an der Vergangenheit ihrer Um ebung, deren O und Erinnerungen sehr zu empfehlen. Hand in Be damit wird allerdings eine maßvolle Dezentralisation zu gehen haben, welcher eine für den beabsichtigten Zweck bisher allzu strafe Zentralisation Plaß zu machen baben würde, durch die unsäglihe Verschleppungen und s{ließlich Unmut und Gleichgültigkeit gegen Betätigungen auf diesem Gebiet entstehen. Es wird getrost der bisher streng ge- handhabte Instanzenweg, z. B. in Angelegenheiten prähistorischer
unde aufgegeben und bestimmt werden können, daß die provinziellen nstitute alle Entscheidungen in diesen Dingen zu treffen haben, die ih gegebenenfalls als notwendig erweisen. Damit würden au für die provinziellen Sammlungen, wie das Märkische Provinzial- museum, viele Weitläufigkeiten und Erschwernifse in Wegfall kommen. Viel Interesse erregten etwa 20 vom Kunstmaler lata vor- geführte Aquarelle, Teile derjenigen Straßen des ältesten L erlins dar- stellend, die wegen Anlage der Uferstraße in nächster Zeit einem vollständigen Umbau unterliegen werden. Die mit großer Treue ausgeführten, im Kolorit besonders e gelungenen Blätter zeigen u. a. die Cckhäuser der Stralauer und kleinen Stralauer Straße, das Haus Stralauer Straße 42 mit der Jahreszahl 1687, das wohl 250 Fahre alte Haus mit dem engen Dur@(hlaß Stralauerstraße 35, die Waisen- kirhe mit einem Teil der Waisenbrücke, die ältesten Teile der merk- würdigsten Berliner Gasse, genannt Krögel, der \sich vom Molken- markt zur Spree hinabzieht (Durchlaß vom 1. zum 2. Teil des Krögel, feltsamer, auf Holzsäulen rubhender Ueberbau); ferner gewähren sie Einblicke in die langgestreckten Höfe der Häuser auf der Südseite der Stralauer Straße, die zur Spree hinabgehen und ursprüngliß meistens zu Gerbereien gehörten, denen hier erheblihe Gerehtsame eingeräumt waren. Kustos Buchholz gab zu diesen Bildern noh interessante historishe Erläuterungen, u. a. er- wähnend, daß in der Kleinen Stralauer Straße die früheste Grenze deg ältesten Berlin entdeckt sei, wie es von 1220—1275 bestanden hatte, begrenzt nah der Lands\eite dur die Klosterstraße und die Königstraße bis zur Langen Brüde. Gegenwärtig ist das Interesse für die Umgestaltung dieses Teils von Alt-Berlin dur die Frage in Anspru genommen, ob es gelingen wird, durch Entfernung oder Umbau des in das Gesamtbild gar nicht hineinpassenden ÎInselspeichers eine zur beabsichtigten Anla ze der Uferstraße passende, stilvolle Um- gebung zu schaffen. Das Schicksal des Krôgels is jedenfalls durh die neue Baufluchtlinie bedroht. Deshalb liegt die E wpfehlung nahe, dies beinahe leßte Stück des mittelalterlichen Berlin noch zu betrachten, ehe es dem Abbruch verfällt. In jedem Falle ist das Unternehmen des vorgedachten Künstlers sehr zeitgemäß und dankenswert. Hoffentlich finden die Bilder einen Plaß im Mä kischen Provinzialmuseum. — Mit einer bisher für \pezifish märkis gehaltenen Merkwürdigkeit, der «Torkeule“, beschäftigte sich ein Vortrag des Oberlehrers Dr. Fuchs. Das bekannteste Exemplar dabon befindet fich in Müncheberg mit der Inschrift : „Wer setnen Kindern gibt das Brot und leidet selber Not, den {lag ih mit dieser Keule tot“. Es dürfte aber weniger bekannt sein, daß ih mit oder ohne Inschrift die Torkeule teils heute noch befindet, teils nah glaubhaften Zeugnissen bis in die neueste Zeit befunden hat, au in einer Anzahl bon Skädten der Mark und der benahbarten Provinz Pommern; nämli u. a. in Jüterbog (wo jedes der drei Tore damit versehen ist), in Woldenberg, Sternberg, Treuenbrießen, Sorau, Krofsen, Köntgswusterhaufen, Guben (wo die Keule aus der Wurzel eines Rebstockes, glei der Münchebergs, gebildet ist), in Wendisch-Buch- olz, Stargard, ja selbst in Frankfurt a. O. Was war wohl nun die bsicht und der Sinn dieser öffentlichen Bedrohung der gegen ihre tern undankbaren Kinder? Es ist nah Ansicht des Vor- tragenden kaum anzunehmen, daß die Drohung auszusprechen, der alleinige oder auch nur der Hauptzweck war. Sehr wahrscheinlih dünkt ihm fogar, daß ih dieser Zweck viel später erst hinzugefunden hat und hineingedeutet worden ist, als die ursprüngliche Bedeutung verblaßt oder vergessen war. Dr. Fuchs findet eine Bestätigung seiner Vermutung in der urkundlih beglaubigten Nachricht, daß die Krossener, als ihnen Heinri 1V. von Glogau 1330 alle ihre Freiheiten bestätigt hatte, an ihrem Rathaufe eine Keule anbrahten. Die Keule gilt hm daher als Wahrzeichen der städtischen etgenen Gerichtsbarkeit. Fn der ih anschließenden Ditkussion wurde eingeräumt, daß die Erklärung des Vortragenden das RNichtize treffen önne, und daß fehr wohl, nahdem eine Stadt den Anfang damit
gemacht, einem alten Wahrzetchen, dessen ursprüngliche Bedeutung den
ebenden niht mehr gegenwärtig war, eine viel engere Auslegung zu geben, es Mode geworden sein könne, gleihes au an anderen Orten iu tun. Dafür \precke auch die Anbringung der früher wahrscheinli an den Rathäusern angebraht gewesenen Keulen an den Stadttoren. Der die Keule begleitende Spruh dürfe als eine Warnung an die
Landleute gelten, die zur Stadt kamen, um Recht zu suhen. Denn nirgends mehr als in ländlihen Kreisen sei heute noch die Mahnung vonnôten, die ins Altenteil gegangenen Eltern liebevoll zu behandeln.
Bon einer Seite wurde auch noch darauf aufmerksam gematt, daß
die Keule, wie die auf Keulen sich stüßenden wilden Männer im preußishen Staatswappen beweisen, ein Herrschafts- und Machtsymbol bedeute. Dem wurde allerdings widersprochen,
denn der Träger der Gewalt werde im ganzen deutshen Mittelalter beinahe aus\chließlih durch den Stab bezeihnet, wie u. a. die vielen im Märkischen Museum vorhandenen, zum Teil wunderbar gestalteten Stäbe beweisen, deren Nechtsbedeutung zweifellos sei. Noch wurde hervorgehoben, daß zuweilen geheimnisvolle \ymbolishe Bedeutung bon Gegenständen gesuht werde, die zu sehr vielen Zwecken bestimmt seten, wie z. B. durhbohrte Steinbeile, die man hin und wieder in alten Bauwerken zum Zwecke der Benußung bei ausbrehendem Feuer aufgehängt sinde. — Noch \prach in längerem, durch viele Lichtbilder begleitetem Vortrage Dr. Friedrih Solger über „Die geographishe Lage der Mark“. Das von dem Redner in geistvollem, freiem Vortrag entwidckelte Gesamtbild der Mark Brandenburg, deren kulturelle Wesenheit von ihm als das Produkt ihrer Lage zwischen dem 51. und 53. Grade nördlicher Breite, ihres Klimas, ihrer Bodengestaltung und Boden- beshaffenheit, ihrer Nachbarschaft mit den deutschen ittelgebirgen bezeihnet und erläutert wurde, fand die lebhafteste Zustimmung der Versammlung. Es mußte in der Tat überrashend wirken — um von der Betrachtungsweise des Vortragenden eine Mee zu geben —, darauf hingewiesen zu sehen, wie zweimal zu ganz verschiedenen Zeiten und in gani berschiedener Art das Land großen Bewegungen ein zu ihrem
tillstande führendes Hindernis entgegenstellte und dadurch selbst eigenartige Gestaltungen und Gntwicklungen erfuhr: das eine Mal in der Glazialzeit, wo Vergletsherung und deren Begleiterscheinungen hier ¿zum Stillstande kamen; das andere Mal, als in der Zeit der Völkerwanderung das Nachdringen slavisher Steppenvsölker hier sein Ende erreihte. Jn beiden Fällen hat die Nähe der deutschen Mittelgebirge mitgewirkt. Aus beiden Ursachen hat die ge{chichtlige Entwidklung gerade die von ihr genommenen Wege eingeschlagen, der Volkëcharakter As die thn kennzeihnente Eigenart gewonnen. Denn die Scholle, ie die Eiszeit hinterlassen , erforderte, um fie ertragsfähig zu machen, Mut, Geduld, Zähigkeit und unverdrossene Arbeit, und zu leichen Betätigungen spornte der mehrhundertjährige Kampf der hier Vert nebeneinander wohnenden germanischen und slavishen Bevslke- rungen an, als die in der Völkerwanderung erfolgte Bewegung rück- läufig wurde.
In der April - Sitzung erfreute der Vorsißende, Geheimrat Friedel zunähst durch interessante Mitteilungen über den merk- würdigen Gebrauch des Suchens und Schenkens von Ostereiern und der sich daran knüpfenden Mär von dem Osterhasen. Die Sitte wie die Mär sind weiter verbreitet, als man denkt. Man begegnet ihnen bei den Arabern in Tunis sowohl als im höchsten Norden unseres Erdteils. Letzteres ging u. a. aus einem vorgelegten \{wedischen Schriften hervor, das unter Beifügung vieler Bilder von Ostereiern und Ostergebäck handelt. Gigentümlih berührt daran, daß, abweichend von allen anderen germanishen Sprachen, die s{chwedische Sprache Ostern mit dem romanishen Namen benennt.
E. T. offmanns Berlinishe Erzählungen. Es hätte der Erinftêrung an den Namen dieses hochbegabten Mannes dur die gegenwärtig häufige Aufführung der Offenbachschen Oper „Hoffmanns Erzählungen* in einem Berliner Theater nit bedurft, so führte der Vortragende aus, um dazu anzuregen, die engen Beziehungen Hoffmanns zu Berlin einmal vor Augen zu führen, denn mehr als durch jene im losesten Zusammenhange mit Hoffmanns Persönlich- keit stehende, seit 1881 bekannté Oper ist aus anderen Gründen das Interesse an Hoffmanns Werken in den lezten Jahren neu erwatht, nachdem es lange geschlummert hatte. An leßterem Umstande hat wohl die Eigenart der Hoffmannschen Erzählungsweise die Haupts- {huld getragen. Die romantishe Schule, der er zeitlih ebenso an- ehört, als nah der seinen Erzählungen eigenen phantasievollen Be- Fable, die Hoffmann zur anderen Natur geworden war, hat lange in Deutschland weniger Geltung gehabt als gegenwärtig, wo diese Richtung aufs neue gewürdigt zu werden anfängt. So nur erklärt sih das vermehrte Interesse für den Dichter, dessen bestes Schaffen in die Jahre 1816 bis 1822 fällt, in denen er in Berlin gelebt hat. Im Jahre 1776 in Königsberg in Preußen geboren, verlor der Dreißizjährige als preußischer Nichter im damals preußischen Warschau dur die Ereignisse von 1806 seine Stellung und fah si zwei Jahre lang bitterer Not preisgegeben, bis es ihm gelang, seine hohe musikalishe Begabung erst in Bamberg und später in Dresden als Kapellmeister zu verwerten. Nicht früher als 1816 erfolgte Hoffmanns Wiederanstellung im Justizdienst in Berlin. Als Untersuhungsrichter machte er damals von sih reden, als er die aus politishen Nüdlsihten erfolgte Verhaftung Jahns für unberechtigt erklärte und die Frei- laffung zu erwirken wußte. Bekannt sind Hoffmanns Beziehungen zu Hizig, Contessa und Ludwig Devrient. Der erstere hat, nah Hoff- manns Tode, thm die Biographie geschrieben, der leßtgenannte wurde fast allnähtlih mit ihm in der Lutter und Wegnerschen Weinfstube ge- schen ; beide kraftgenialishen Naturen zogen einander an, und ihr Ver- hältnis war das engste, nicht zum Vorteil Hoffmanns, der in den alkoholischen Genüfscn nit Maß hielt, Max Nordau hat au von Hoffmann, wie von anderen Geistesheroen, die Behauptung gewagt, er sei nicht ganz normalen Geistes gewesen, und fich dabei auf ein Urteil Goethes über Hoffmann berufen. Wahr isl, daß Hoffmann erblich schwer belastet, nervös, oft krank war und bäufig unter dem Einfluß des Alkohols stand. Aber nit in Abrede zu stellen ist, daß wir in Hoffmann einen Meister des Stils besißen und daß eine An- zahl setner Erzählungen Perlen unserer Literatur sind. An einem anderen und dem überwiegenden Teil derselben ist allerdings die merkwürdige Mischung von Wirklichkeit und Phantasmen nicht nah jedermanns Geshmack. Professor Pniower wies nun im einzelnen nah, wie Berlin und Berliner Vorkommnisse aus älterer und neuerer Zeit den Kern jener als „Berlinische* bekannten, phantastischen, aber glänzend vorgetragenen Erzählungen bilden. Abgesehen von den „Serapionsbrüdern“, in denen Hoffmann den Freunden ein Denkmal seßte, und kleineren Erzählungen, die, wie „Doge und Dogaressa“, an ein 1816 auf der Kunstausstellung gesehenes Bild anknüpften, sind hier namentlich folhe Erzählungen gemeint, die wie „Ritter Gluck“ (1809), das „Oede Haus* (1817), „Der Teufel in Berlin“, „Vetters Gdfenster“ u. a. in Berlin spielen, Berliner Persönlichkeiten der Vergangenheit (Kurfürst Joachim IL, erraten lassen und Berliner Lokalitäten Linden Nr. 9 gebenheiten in Verbindung bringen. Aus dem Eindruck, den die kunstvoll vershlungene Darstellung, die \{alkhafte Ironie, die Schilderung dämonish-komisher Situationen auf den modernen A hervorbringen, kann man wohl begreifen, wie die Zeitgenossen über den genialen Dichter urteilten, und ein treffliher Karikaturenzeihner war. Heinrich Heine spricht von Hoffmanns Werken als von einem Katechismus der hohen Aesthetik und gibt damit den ästhetisch feinfühlenden Franzosen ret (unter ihnen vor allem H 1841 Hoffmanns Werke in vollständiger und guter Uebersezung herauêgaben, lange ehe cine vollständige deutshe Ausgabe vorlag. Professor Pniower \{chloß seinen mit Beifall aufgenommenen Vortrag mit den Worten: „Zweifellos hat Berlin unserem Ernst Th. Amadeus Hoffmann die Anregung zu Werken gegeben, welhe die Wirklichkeit mit der Romantik, ja häufig mit dem Dämonischen in Verbindung seßen. Freuen wir uns, daß unserer Stadt ein so selt- samer Herold beschieden war!" Noch set daran erinnert, daß der Ge- \penster-Hoffmann, wie ihn die Zeitgenossen nannten, 1807/08 im Hause Friedrichstraße 179 gewohnt hat, von 1816 bis zum 25. September 1822, wo er starb, dagegen Ee Charlotten- und Taubenstraße.
Im Anschluß an den im voranstehenden \kizzierten Vortrag über- raschte der Schriftsteller Hans von Müller- Potsdam dur einige Mitteilungen von bisher ungedruckten, demnächst aber zur Veröffent- lihung gelangenden Briefen Hoffmanns. Diese u. a. an eine Frau
L Woffm des Abends hielt Professor Dr. O. Pniower über |
| ers nach 26 Jahren
Thurneyfser) schildern, andere | ständig tn der Gunst des R sodaß die zweihundertste Auf-
(wie das Spukhaus unter den | und das Weber'sche „Zelt*) mit abenteuerlihen Be- |
| Philipp, Sommer,
der nebenher auch Musiker, Komponist | die Herren Shmidt, Krolop und
ofmanns Bewunderer Balzac), die schon '
, worden, da die Vorbereitungen für
von Benzau gerihteten Briefe berichten von Eindrücken, die der Schreiber auf einer Badereise gehabt, die er 1819 ers nach Warm- brunn, dann nah Landeck unternommen hatte. Sie sind nah Form und Inhalt fehr harakteristisch für den Autor. Unterhaltungen über den wunderbaren Kometen von 1811 und seinen kaum weniger wunder- baren, damals behaupteten M auf den 1811er Wein, werden mit phantastishem Beiwerk wiedergegeben. Einmal versichert der Schreiber ernstlih/ der seinem Schreibtish gegenüber befindlihe Ofen habe ibm soeben Gesichter geschnitten, und einer Sängerin will er den Rat gegeben haben, sie möge zur Steigerung der Wirkung einer Arie mehr Nelkendust in ihren Gesang legen !
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln,
Korea.
Regierungsseitig ist für die von Niutshwang und Yinkou kommenden, den Hafen von Tshimulpo anlaufenden Schiffe eine gesundheitspolizeiliche Untersuhung nah Maßgabe der koreanischen Quarantänebestimmungen angeordnet worden.
Theater und Musik.
Neues Königlihes Opernthbeater.
In einer Nachmittagsvorstellung wurde gestern durch H. Beer- bohm-Tree und die Mitglieder von His Majesty’s Theatre in London als einzige moderne Gabe das bekannte Sensations\tück „Trilby“ dargestellt. Paul M. Potter hat dazu, wie man von den deutshen Aufführungen her weiß, George du Mauriers hbe- kannte Novelle mit Geschick für das englische Theater verwertet. Der Bearbeiter hat Szenen voll echter, übermütiger Atelter- stimmung auf die Bühne gestellt, in die die suggestive Kraft des geheimnißvollen Svengali einen tragishen Ton hine nträgt. Nach den beiden ersten Atelierakten wird freilih die Tragik in dem Geschick Trilbys in ziemli konventionellen Auftritten in den Vorder- grund geshoben; die Gesamtwirkung der Szenen läßt na, und nur Einzelheiten hinterlassen noch ftarke Eindrücke, wie der Tod Svengalis und das Entschleiern des todbringenden Bildes des Abenteurers. Derbe Lebenslust liegt der Gesamtheit der englishen Darsteller fichtlih kräftiger im Blute als eine nervöse Empfindsamkeit, wie sie die leßten Akte erfordern. Die Inszenierungskunst Beerbohm - Trees zeigte besonders in den Atelierszenen von der glänzendsten Seite. Ob die blauen Schatten des Abends durch das breite Atelierfenster herein- dämmern oder ob der röôtliche Schein des Kaminfeuers mit warmem Glanze in das Dunkel hineinleuhtet, immer lösten sh berüdckende künstlerishe Stimmungen aus; dabei waren die Sjzenen voll des natürlihsten Lebens, bis zum Uebershäumen ausgelassen. Der Maskensherz am Weihnahtsabend mit seiner \prudelnden Laune und feinem burlesken Humor erzielte Wirkungen voll Kraft und Urwüchsigkeit, an denen die erstaunlihe Gelenkigkeit der kecken Tanzbewegungen einen überraschenden Anteil hatte. Die Rolle des Svengali spielte H. Beerbohm-Tree mit faszinierender Meisterschaft ; das Bewußtsein seiner suggestiven Kräfte lebte in dem bannenden Bli der glühenden Augen, in dem nervösen Spiel seiner Hände, in dem herrishen Spott seiner Nede. Miß Viola Tree gab der Gestalt Trilbys die natürlihe Ungezwoungenheit und leihte Beweglichkeit des jungen warmherzigen Atelierge\chöpfes; als gefeierte Sängerin {ritt - fie wie ein Bild keusher Anmut über die Bühne. Die zahlreichen übrigen Rollen waren angemessen beseßt. Der Beifall nah den Akt- shlüssen war sehr \stürmisch und galt naturgemäß hauptsächlich
. Beerbohm-Tree und Miß Viola Tree. — Jhre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron- prinzessin wohnten der Aufführung bei.
Komische Oper.
L Während der Direktor Gregor mit den Künstlern der Komischen Oper in London abwesend ist, findet auf der Bühne am Weidendamm ein Gat - spiel des Theaters des Westens statt, das gestern mit einer Wieder- aufnahme von Wolf-Ferraris musikalishem Lustspiel , Die neugierigen Frauen“ eröffnet wurde. Das Werk, das dank feiner harmlos heiteren Handlung und der Grazie seiner Musik fich seinerzeit großer Beliebtheit erfreute und ¿zahlreihe Wiederholungen
erlebte, wurde auch gestern mit so lebhaftem Beifall auf- genommen, daß es wieder für s Zeit den Spielplan beherrschen dürfte. Die Beseßung war mit wenigen Ausnahmen die
gleiche wie bet der Erstaufführung. Die Herren Stammer und Pohl, die inzwishen aus dem Verbande des Theaters des Westens ausge- schieden sind, hatten als Gäste die Nollen des Ottavio bezw. Pantalone wteder übernommen und führten sie, von einer Jndisposition abge- sehen, die Herrn Stammer stark behinderte, mit Humor und gutem Gelingen durch. Die Damen Gaston, Linda und Fischer waren im Besiß der Partien verblieben, deren trefflihe Vertreterinnen sie hon früher waren; ihnen gesellte fch das muntere Fräulein Grün- wald hinzu, die an Stelle N Doningers die Rosaura fehr an- nehmbar sang und spielte. Auch der Herrn Hansen erseßende Tenorist Felmy hielt sih als Florindo gut. _Die kleineren Aufgaben waren mit den Herren Nikow, Grebin und König angemessen belegt, Unter der Spielleitung des Herrn Grevenberg und der musikalishen Leitung des Kapellmeisters Büchel, welcher leßtere freili kein fonderli gutes Orthhester unter fh hatte, nahm die Aufführung einen voll befrie- digenden Verlauf.
Im Könitiglihen Opernhause geht morgen „Mignon“, Oper in drei Akten von A. Thomas, zum 250. Male in Szene. Fräulein Rothauser singt . die Titelrolle, räulein Dietrich die Philine, Herr Naval den Wilhelm Mei ter, Herr Hoff- mann den Lothario, Herr Nebe den Laërtes, Herr Vallentin den Friedri, Herr Krasa den Jarno. Dirigent ist der Kapellmeister Herr Blech. Die Erstaufführung des Werkes an der Des Oper fand am 10. Dezember 1868 statt mit Frau Lucca in der Titelrolle, Fräulein Groffi als Philine, den Herren Beß, Salomon, Woworsky in den übrigen L: Anfangs nur zôögernd aufgenommen (die hundertste Wiederholung fand statt, 9. Dezember 1905), wuchs die Oper
füh1ung bereits nah 9 Jahren (1. Januar 1904) folgte. Von Ver- tretern der Hauptrollen seien die Damen Hauk, Luger, Leisinger, Renard, Arnoldsen, Destinn, Farrar, Ekeblad als Mignon, die Damen Leh- mann, Herzog, Leisinger als Philine, die Herren Schott, Ernst, Jörn, Burrian als Wilhelm Meister, die Herren Bachmann als Lothario und endlich Snüpfer als Laörtes genannt.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, Donnerstag, Ernst von Wildenbruchs neues Schauspiel „Die Nabensteinerin*“ in der bekannten Besetzung wiederholt.
Die Erstaufführung des Schauspiels „Zar Peter" von Dr. Otto Erler is von der Direktion des Neuen Schauspielhauses im Einverständnis mit dem Autor auf die nächste Spielzeit verschoben das Kainz-Gasftspiel die genügende Anzahl der Proben für das Drama nicht gestattet haben.
Hebbels Tragödienfrazment „Molo“, das am Charlotten- burger Shillertheater morgen zum ersten Male gegeben wird, weist zwet vollendete Akte auf, die in ges{chlossenen Bildern eine ÜUare Vorstellung von dem ermöglichen, was der Dichter in ge- waltigem Plane verwirklichen wollte. Die beiden Akte find in den Jahren 1849 und 1850 entstanden. Die Idee des monumentalen Werkes, in dem der Dichter nihts Geringeres beabsichtigte, als die Urzustände des deutschen Volkes und damit symbolish die eines jeden Volkes überhaupt zu veranshaulihen, und aus der Er- weckung des religiösen Bewußtseins die Gntwidlung der Kultur dar- zutun, reiht freilich weit zurück. Der viertägige Brand Hamburgs
Oberhauser, Fränkel, Stammer,