1907 / 105 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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Störung dieses Bestrebens der Annäherung, sie möge kommen, von woher fie e wix verlangen eine ruhige, stetige, freundlihe und würdige Politik Frankreich und allen Mächten gegenüber, eine Politik, welhe die Gefühle anderer sont, wie wir die gleiche Schonung für unsere Gefühle verlangen. Die Idee des Friedens ist das leidenschaftlihe Verlangen b E e n wird ihrer kulturellen Entwicklung erst noch ungeahnten Antrieb geben.

Abg. Hebermanu von Sonne nbe ra (wirtsch. Vagg.): Dau leßten- Worten des Vorredners kann man cum grano sa i by aber die Tätigkeit der Sozialdemokratie wie sie si bei uns, wie in aller Welt darstellt, führt nit zu diesen Zielen. Wenn der Vorredner für die gegenwärtige ernste Lage in der Welt die Fehler unserer. Negierung verantwortlich gemaht und darauf hin- gewiesen hat, daß man in Frankreich ein falsches Bild unserer Zustände dadur erzeuge, daß man die Sozialdemokratie den inneren Feind nenne, so würte es mir ein [eihtes sein, aus dem Gedächtnts eine lange Neihe von Preßäußerungen der Sozialdemokratie, von Reden innerhalb und au chaib dieses Hauses ihnen vorzuführen, aus denen die Beo rehtigung dieser Bezeichnung sih wohl beweisen ließe. Ich will das nicht, weil ich wünschte, daß die Verhandlungen in diesem Hause heute genau so verliefen wie bei der Heeresvorlage. Der Abg. von Vollmar wolle bedenken, daß vor den Wahlen man es anders las und anders spra als heute. Wenn der Abg. Noske neulich bei der Beratung der Heeres vorlage mit beinahe begeistert klingenden Worten die Bereitwilligkeit der Sozialdemokratie erklärte, teilzunehmen an einem Kampfe, der Deutschland aufgezwungen würdé, so wollen wir das ruhig einmal vollständig ernst nehmen als einen Anfang zur Besserung. Wenn diese Besserung in nationaler Be- ziehung bei der Sozialdemokratie anhält, dann wird man au fürderhin sie niht als den inneren Feind bezeichnen. Der Abg. von Vollmar hat in der ihm eigenen On S Weise die „persönliche Politik“ verantwortlich gemaht für die Stellung, die wir heute in der Welt einnehmen, für den Mangel an Freundschaft. Ich glaube, daß ein jeder, der eine Persönlichkeit hat und in der Lage wäre, seine Ansichten durchzuseßen, bemükt sein würde, auch der Abg. von Vollmar, seine Anschauungen vorzutragen, in der Ueber- zeugung, daß sie richtig sind. Soll nun der einzige, der von Gottes und Rechts wegen in Deutschland persönliche Politik treiben darf, etwa daran verhindert werden? Es hätte ja manches anders gemacht werden fönnen, aber das muß man doch um der Gerechtigkeit willen zugestehen, daß diese „persönlihe Politik“ niemals das ver- \äumt hat, worauf das Volk Anspruch hatte, nämli uns fkriegsbereit und waffenfähig zu erhalten. Nach dieser Nichtung ist nichts versäumt und so wollen wir nicht über die Ur- sahen nachdenken, sondern die Verhältnisse nehmen, wie sie sind. Wenn Deuschland fich an den Debatten über die Nüstungen im Haag beteiligte, so würde das herbeigeführt werden, was der Abg. voa Vollmar vermeiden will. Wir durhschauen das Spiel und machen es nicht mit. Beteiligten wir uns an den Debatten, so würde es zur Ab- lehnung kommen, und dann würde man versuchen, uns etnen Strick zu drehen. Wir können dem Reichskanzler dankbar sein für die Erklärung, daß man die p im Haag in der Ab- rüstungsfrage unter \ich lassen und sle auf einen toten Strang laufen lassen will. Zur Resolution des Grafen Hompesch können wir noch nicht Stellung nehmen. Es wäre ja ganz gut, wenn uns periodisch Mitteilung gemaht würde über den Stand der auswärtigen Dinge. Im ganzen aber ist die Forderung nicht erfüllbar. Man weiß ja, was es mit solhen Weißbüchern auf sich hat. Man bekommt nur das zu lesen, was man mitteilen kann. Es sind zum Teil fremde Geheimnisse, die man nicht preisgeben will. Ebenfo wie der Chef einer Firma seinen Untergebenen nicht plößlich seine Geheim- bücher vorlegen wird, so kann auch der Chef einer Regierung unmögli alle Einzelheiten mitteilen. Unser Volk ift ent- \{lossen, gleich weit entfernt von Kleinmut und UVebermut, roenn es sein fann, im Frieden, wenn es sein muß, auch im Kriege seinen hohen Zielen zuzuschreiten. Jch glaube, daß die Nuhe, mit der der Reichstag die leßte Rede ändert daran nichts den Dingen ins Auge schaut, erfreulich wirken wird. Der Vorredner weiß sehr wohl, wie man vor dem Kriege von 1870 in Frankreich es verstanden hat, die Leidenschaften zu einem Kriege zu entfesseln. Aehn- liche Symptome können wir auh heute bemerken. Erinnern Sie sich an die Leichtsinnigkeit, mit der die französische Regierung 1870 die verständigen klaren Ausführungen ihres damaligen Militärbevoll- mächtigten Stoffel über den Zustand der deutschen Armee einfa un- gelesen liegen ließ. Denken Sie auch an die Brüskierung des Auslandes. Es wäre bedauerlih, wenn zwei Völker in einen Krieg gerieten, die, wenn sie einig wären, die sicherste Garantie für den Meltfrieden wären. Der Abg. Semler hat das Wort vom Krieg einmal ausgesprochen und da sollte Frankreich doch wenigstens dem Rechnung tragen, daß man hier darüber nahdenkt. Es jollte auch die Konsequenzen bedenken, daß, wenn von einem Zweibunde der eine Partner uns angreift, man sich dann an den anderen Partner halten könnte. Der berühmte kcanke Mann in Europa ist wohl jeßt der Nachbar im Osten. Jn einem Koalitionskriege wären wir mit dem größten Teil unserer Kräfte frei für den Westen. ODester- reih ist troy aller Wirren im Innern im Falle eines Krieges für uns ein sehr wertvoller Bundesgenosse. Die österreichishe Armee reiht vollkommen aus, uns die Hände gegen einen Gegner frei- zuhalten. Gott bewahre uns vor der Zeit, wo wir hier im Parlament etwa verantwortlich für die auswärtige Politif wären. Denn so ernste und wichtige Fragen sind nicht von einer Vielheit zu entsheiden. Mir ist von der Friedenszgesellshaft heute ein Traktätchen zugeshickt, dessen serttimentaler Auffassung ih mih nicht arschließen kann. Da halte ih mich lieber an den heute zitierten Aus\spruch tes Präsidenten Roosevelt und an Schillers Wort: Auch der Krieg hat seine Ehre. Wenn das Traktäthen aber weiter davon spricht, daß im Falle eives Krieges unsere Küsten blockiert würden und daß wir dann keine Nahrungsmittel haben würden, so sind doch nach der Weisheit der Regierungen und der Entschlossenheit der Mehrheit dieses Hauses unsere Getreideproduktion und Viehproduktion siher- gestellt. Den Waffen der Feinde werden wir nicht erliegen, dem Hunger hätten wir erliegen können. Jeßt aber ist dafür gesorgt, daß wir den nôtigen Unterhalt sür unser Volk im Jnlande erzeugen fönnen. Fa diefer Beziehung können wir einem Weltkrieg ruhig entgegen- sehen. Die Friedensliehe unseres Kaisers steht fest. Wenn man im Ausland etwa der tôörihten Ansicht ist, daß wir dur innere Fehden in der Verteidigung des Landes gestört wären, so wird man sich darin

täuschen. |

Ves, Schrader (fr. Vgg.): Ih will mih auf einige kurze zusammenfassende Bemerkungen beschränken. Von allen Seiten ist die Friedensliebe Deutschlands betont, auf der anderen Seite aber seine Wehrhaftigkeit. Letztere ist sogar mit besonderer Swärfe hervorgehoben worden. Auch der Abz. voa Liebermann hat vom Frieden gesprochen, aber mit Kriegswogen ges{lossen. Ich glaube, bei der heutigen politishen Situation ist das niht ange- messen. Nicht die Völker sind es, die Krieg wollen, fondern nur einzelne. Erfreulich ift es, daß heute von allen Seiten die Kritik zurückgestellt ist. Auch wir haben gewiß dieses oder jenes an der auswärtigen Politik auszuseßen, aber wir wollen bei dieser Gelegenheit nur das hervorkehren, worin wir einig sind, daß nämlich unser Vaterland eine feste und unangreifbare Stellunz hat und daß wir uns nicht über alle kleinen Ereignisse und Angriffe, die h in der Presse zeigen, zu ereifern brauchen. In gewissem Sinne steht Deutschland allerdings ifoliert da, aber alle Aktionen, die in leßter Zeit vorgenommen find, betrafen Dinge, an denen wir ein unmittel- dares Interesse niht haben. Man hat u. a. von Persien gesprochen. Die Hauptsache sind und bleiben für uns doch die Verhältnisse in Europa. Unser Erdteil blieb von Kriegen verschont; die Kriege, welhe ausgefohten worden sind, haben sih in fernen Gebieten abgespielt und kcine meiklihe Wirkung a-f Europa gehabt. Aber es bleibt bestchen, daß ein Krieg das größte nationale Unglück wäre, welches uns treffen könnte. Darum fürchte ih au die Haager Konferenz niht; sollte Deutschland es ab- lehnen, die A S Ie zu diskutieren, so wird auch daraus fein Unglück entstehen. Bisher ijt keine Formel gefunden worden

und es denkt auch keiner daran, sie zu finden, die irgendwie auf die Rüstungsverhältnisse der einzelnen Mächte angewendet werden könnte. Dem Standpunkt, den der Kanzler in der Frage nun einmal eingenommen hat, entgegenzutreten, halte ih niht für richtig. Allerdings hätte ja eine Verhandlung darüber vtelleiht den einen Erfolg, die Einsicht zu stärken, daß man auf Schiedsgerichte, auf Vermenschlihung des Seekrieges mit aller Kraft hinarbeiten muß. Ueber die äußeren politishey Verhältnisse hat der Kanzler manches gesagt und manches nit gesagt. Nicht alles kann in jedem Augenblick gesagt werden, das geschieht in keinem Lande. Der Antrag des Zentrums verlangt aber auh gar nicht eine Offenlegung in diesem absoluten Maße. Ih meise nur darauf hin, daß z. B. in England doch in viel umfassenderem Maße über die diplomatischen Angelegenheiten das Parlament unterrichtet wird. Wir sind im Reichstage in der allergrößten Mehrheit mit der Negterung einig in der Beurteilung desen was ist und was geschehen soll; und selbst die Sozialdemokratie hat durch ihre Haltung dargetan, daß innere Schwierigkeiten uns beim Ausbruch eines Krieges nicht entgegentreten würden. Das is eine Aenderung des alten soztaldemokratischen Standpunkts, die übrigens \{chon seit längerer Zeit erkennbar geworden is. „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern." Auch der Abg. Liebermann von Sonnenberg is nicht mehr fo kriegerisch wie früher aufgetreten. Mit einer ruhigen, stetigen Politik werden wir \hließlich erreihen, was wir erreihen wollen, die möglichste Sicherung des Friedens. /

Ma Zimmermann (d. Reformp.): Nachdem der Reichékanzler über die Shädlichkeit des vielen Nedens gesprochen hat, werde ih mi äußerst kurz fassen. Ih bin im wesentlihen mit dem Vorredner einverstanden ; aber ich glaube offen aussprechen zu müssen,

daß es niht bloß Sozialdemokraten und Chauvinisten find, Lide die auswärtige Politik Deutschlands mit Miß- trauen verfolgen, sondern noch weite gebildete Kreise des

Volkes, die wiederholt ernste Bedenken haben äußern müssen, ob nit dur die Fehler, Unzulänglichkeiten und Plöglichkeiten unserer heuttgen Diplomatie jene politische Konstellation herbeigeführî worden ist, die wir heute beklagen und die jene politische Einkreisung Deutsch- lands zur Folge gehabt hat. Wir sehen uns noch immer der Zidzackpolitik gegenüber. Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik hat si die Geschlossenheit und das Zielbewußtsein der Ne- gierung niht so gezeigt wie bei den leßten deutschen Neichstag8- wahlen. Tlefgehende Unzufriedenheit ist ins Volk hineingelragen worden durch die Verlethung des Schwarzen Adlerordens an den Fünsten von Monaco. Wenn der Fürst #sch in Frank- reih als unseren diplomatishen Vermittler aufspielt und wenn das der Wahrheit enispriht, so muß ih doch sagen: wie herrlih weit baben wir es doch gebracht! Wir glauben an die deutshe Volkskraft und daran, daß im Notfalle auch das deutshe Schwert den Knoten zershneiden kann, den diplomatische Ränke gegen den unbequemen Emporkömmling knüpfen. Der Resolution des Grafen Hompesh werden wir zustimmen. Der Reichstag ist früher mehr als billig ausgeschaltet worden, er muß darauf dringen, daß ihm mehr als früher Material über die internationalen Beziehungen zugeht. Die Haager Friedenskonferenz mag vielleiht eine verdienstlihe Sache sein; wenn aber uns da ungebührlihe Zumutungen gestellt werden, dann muß der deutshe Vertreter niht bloß schweigen, sondern es aussprechen, daß er diese Heuchlerpolitik durhschaut. Wir wollen den Frieden, aber wir wollen uns der Waffen, thn auf- recht zu erhalten, niht begeben. Der Kanzler hat heute eigentlich sehr wenig gesagt; ih übe daran keine Kritik, {lie mich vielmehr seinem Programm einer ruhigen, stetigen auswärtigen Politik an. Von einex folchen haben wir in den leßten Jahren recht wenig gemerkt ; hoffentlih wird fle jeßt bei uns einfkehren, das wird für unseze Entwicklung von \segenßreihster Bedeutung fein, denn wir knüpfen dann an an jene große Zeit, von der Felix Dahn sagte: „Einst trieb anders man das Spiel ; wir sprachen wenig, taten viel!“ 4

Abg. Dr. Semler (nl.): Der Abg. von Vollmar begegnet sich in der Angst vor dem Auss\prechen einer offenen Meinung ledigli mit der offiziósen Presse. Als der französishe Journalist mir bekannt ge- macht wurde, dai ih mich ja entschließen können, gar nichts zu sagen, aber yon allen Seiten ift ja dem Herrn eine Meinung gesagt worden und ich habe auch in der politishen Situation keine Veranlassung gesehen, meine Meinung nicht zu sagen, und dann habe ih es natürlich auch offen getan. Der Abg. von Vollmar kritisiert, was von meiner Aeußerung überseßt und nicht genau im „Berliner Tageblatt* gestanden hat. Er meinte, wie kann man so aufreizend reden? Ih werde den Text veröffentlichen lassen, dann wird man bei etwas Nachdenken finden, daß gerade der Wunsh nah Frieden der Vater dieser meiner Aeußerung ist; ih habe damit keineswegs „Oel ins Feuer gegossen“. Fn Deutschland ist es immer noch erlaubt gewesen, ein offenes Wort zu sagen, das nehme ich auch für mi in Anspruch, gleichviel, ob es rem Abg. von Vollmar oder der offiziósen Presse nicht gefällt.

Vizepräsident Kaempf: Die Liste der Redner, die [ih zu diesem Teil zum Wort E haben, if erschöpft. (Abg. von Vollmar bittet ums Wort.

Abg. von Vollmar (Soz.): Ich stelle dem Abg. Semler gegen- über fest, daß ih allerdings niht nah dem französishen Original zitiert habe, aber aus dem einfahen Grunte, weil das Original hier nit zu haben ist, sondern nah dem Bericht des „Berliner Tage- blatts", der nur einige Auslassungen enthält, im übrigen aber, wie mir versichert wird, das Richtige trifft. Ih habe niht das Wort gebraucht, daß der Abg. Semler die Tendenz hätte, zu beßen oder aufzureizen, sondern einfach von der Tatsache gesprodhen, daß feine Nede als aufreizend in Frankreih empfunden worden wäre.

Damit schließt die Diskussion über die auswärtige Politik, Nach 6 Uhr wird die Fortseßung der Beratung auf Mittwoch 1 Uhc vertagt.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 56. Sigzung vom 30. April 1907, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sihung, in der die erste Beratung des Entwurfs eines Eisenbahnanleihegeseßes (Sekundärbahnvorlage) in Verbindung mit der Besprehung der Denkschrift über die Entwicklung und Förderung des Kleinbahnwesens fortgeseßt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Eickhoff (fr. Volktp.) macht, wie kurz wiederholt sei, auf den Zusammenstoß eines Güterzuges mit einem Arbeitszuge auf der Holzdorf-Rittershausener Strecke aufme:ksam; die Streke sei abschüssig, und infolgedessen sei das Blocksignal überfahren worden. Namenloses Unglück hätte ges{hehen können, wenn es sich um Personenzüge gc- handelt hätte. Die dort befinslihe Brücke müsse mit einem dritten Gleise ausgestattet werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Breitenbach:

Die Untersuhung über den traurigen Unfall bei Langerfeld ist noch nicht abgeschlossen. Soweit es in der Zentralstelle bekannt iste hat er si aber im wesentlichen so zugetragen, wie es der Herr Abg, EiLhoff dargestellt hat. Es ist ein Güterzug mit einem Arbeitszug zusammengefahren, der aus einer anderen Richtung anlangte, und dieser Unfall hat sich hart vor dem Viadukt, zum Teil auf dem Viadukt selber abgespielt.

Welche Maßnahmen zu treffen sein werden, um derartigen Vor-

kommnifsen vorzubeugen, kann heute noch nicht bestimmt ausgesprochen

werden. Jedenfalls werden die Anregungen, die der Abg. Eickhoff gegeben hat, mit in den Kreis der Erwägungen gezogen werden.

Was den Ausbau des zweiten Gleises für die Strede Remscheid— Solingen betrifft, so sind die Mittel hierzu im vorigen Jahre be- willigt, und wenn der Angriff der Arbeiten bis heute noch nicht erfolgt ist, so beruht das auf Schwierigkeiten, die bis jeßt noch nicht zu über- winden waren. Der Ausbau wird aber mit allen Kräften gefördert werden.

Abg. Wallenborn (Zentr.) bittet um Erschließung der Eifel durch Eisenbahnlinien.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach:

Herr Abg. Wallenborn hat sih durchaus einverstanden erklärt mit einem der Hauptgrundsäge, der allen Vorlagen der Staatsbahn-

verwaltung wegen Grweiterung des Staatseisenbahnneßes zu Grunde .

gelegen hat, daß in erster Linie die verkehrsärmeren Gegenden berüd- sichtigt werden sollen. Herr Abg. Prieße hat es seinerzeit unter einer fritishen Würdigung der Vorlage bemängelt, daß volkreihe Gegenden nit so berücksihtigt werden wie volksarme und hat sich damit in gewissen Gegensaß gebracht zu Herrn Wallenborn. Ich muß den Ausführungen des Herrn Abg. Prieze entgegentreten. äIch glaube, daß die Staatseisenbahnverwaltung auf dem richtigen Wege gewesen ist, wenn sie vorwiegend und an erster Stelle prüft, welche verkehrs- ärmeren Gegenden zu berüsihtigen sind. Da kommen zunächst in: Frage die Gebirgsgegenden, die Hohe Rhön, für die die diesjährige Vorlage die Strecke Geisa—Tann vorsieht, die Eifel, der Westerwald und unser Osten. (Sehr rihtig!) Wenn ih gestern mit- teilen konnte, daß von den umfangreichen Bahnbauten der leßten Jahrzehnte 60% auf die sechs ostlihen Provinzen entfielen, so beweist das, daß gerade der Gesichtspunkt, daß die verkehcsärmeren Gegenden berücksihtigt werden sollen, immer entscheidend gewesen ist. Dabei wird auch die Staa1sregierung ver=- bleiben bei den ferneren Vorlagen zum Segen des Landes. (Bravo!)

Ich bin auch mit Herrn Pruiege nah anderen Richtungen nicht cin- verstanden. Er wollte die Staatseisenbahnverwaltung dafür verant- wortlih machen, daß die Zechen, weil wir nicht die Bahnen bauen, die zum Aufschluß der Gegend erforderli find, an Arbeite: - mangel leiten und außer stande sind, die erforderlihe Eisenbahn- betriebsfohle zu liefern. Meine Herren, ih glaube, wenn Sie im Saarbrücker Revier eine Umschau halten, und wenn Sie gerade nach dem Hunsrück s{hauen, werden Sie finden, daß die Staatsregierung. in reihem Maße in dieser Beziehung thren Verpflihtungen nach- gekommen ist. (Sehr richtig!) Wir müssen selbstverständlich alljährlich eine sharfe Sichtung der zahlreichen Wünsche vornehmen, die an uns wegen des Baues von Bahnen herantreten. Es ift nit leiht, objektiv das Richtige zu treffen. Sie können aber sicher sein, daß die Staatseisenbahnverwaltung auf das äußerste bemüht ist, wirklich den Bedürfnissen des Landes enitsprehend vorzugehen. Auch muß ih die Königlihe Eisenbahndirektion Saarbrücken da- gegen in Schuy nehmen, daß fie den Projekien im Saars- brüder Revier lau gegenüberstehe. Ebenso muß ich in Abrede stellen, daß die mangelhafte Förderung der Projekte darauf zurückzuführen sei, daß ein Mangel an tehnischen Arbeitskräften vor- handen sei. Jn dieser Beztehung is seitens der Staateeisenbahn- verwaltung mit allen Mitteln nahgeholfen worden. Wir haben die Direktionea so weit mit Arbeitskräften ausgestattet, als sie verlangen konnten. (Beifall.)

Abg. von Bülow - Homburg (nl.) wünsht ten Bau einer Eisenbahn Weßlar—Albshausen—Grävenwiesbach.

Abg. Stanke (Zentr.) bedauert, daß die Linie Annaberg—Hultscin,. deren Notwendigkeit er \{chon mehrmals betont und A eies habe, auch in der diesjährigen Vorlage noch nit enthalten set.

Abg. Gerha rdus (Zentr.) empfiehlt zur Verbindung der Wester- wa!dbahn mit der Ruhr-Siegbahn eine Linie Daaden—Marienberg oder Korb—Wissen. Große Mineralshäßze des Westerwaldes harten noch der Erschließung.

s Abg. Wes a (nl.) wünscht den Bau der Linien 1) Bossel— Witten, 2) Langendreer—Merklinde, 3) Casftrop—Ranseel— Datteln zwecks ciner direkten Verbindung des Wuppertaler Industriebezirks und des Castroper Kohlenreviers mit dem Dortmund-Emskanal und der Erleichterung des Güterwagenausgleichs zwishen Norden und Süden, im öôstlihen westfälishen Jndustriebezirk unter Entlastung der Bahn- höôfe Hagen, Bochum und Dortmund. : i

Abg. Glazel (nl.) empfiehlt erneut den Bau einer vollgleisigen Nebenbahn von Koadjuthen über Peteraten, Timfstern, Nattkischken, Mantwillaten nah Gudden. Wenn er (Redner) Eisenbahnminister wäre, würde er die Bahn sofort bauen, so wichtig sei die Er- \{ließung der äußersten Bezirke Ostpreußen

Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) weist wie in früheren Jahren auf die Reformbedürftigkeit der Verkehrsverhältnisse des Kreises Büren hin und empfiehlt eine Linie Büren—Fürstenberg—Lichtenau; au die Stadt Lippstadt müsse nah Paderborn besscre Verbindung erhalten.

Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) wünscht im allgemeinen ein rascher 8 Tempo für den Ausbau von einmal projektierten Bahnen und empfiehlt im \pezfellen Verbindungen der Westerwaldbahn nah Lahn und Rhein.

Abg. von Schmeling (kons.) empfiehlt eine Bahn Stolp- münde—Schlawe.

Abg. as Witt (Zentr.) regt zur Hebung der Verkehrsverhältnisse des Kreises Iblenbüren eine Linie von Bergish-Gladbah nah Wipper-

ürth an. | ‘Abg. Cabensly (Zentr.) wünscht den Ausbau der Strecke Laubus- Eshbah nah Oberbrechen, ebenso eine Verbindung von Oberbrecen nach Lauborn über Kirberg, weiter Fortführung der Strecke Wester- burg— Montabaur durch das Gelbachtal nah Nassau. i

Abg. Spilgies (kons.) bemerkt, daß man die innere Kolonisation des Ostens durch nichts so befördern könne wie durh Bahnbauten;

in Ostpreußen hätten die chwierigen Verhältnisse {hon zu einer Ab- E

wanderung geführt.

Mp Strombeck (Zentr.) wünscht Aufschließung des Nordens und Ostens der Monarchie durch den Bau von weiteren Nebenbahnen; im besonderen empfiehlt er Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Kreise Worbis.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenba ch:

Dem Herrn Vorredner darf ih mitteilen, daß für Heiligenstadt— Schwebda ausführlihe Vorarbeiten angeordnet werden zur Gewinnung

einer sieren Grundlage zur Beurteilung des Projekts, ferner daß für E

Bodungen—Worbis allgemeine Vorarkeiten stattfinden sollen.

Abg. Scher e (freikons.) richtet an den Minister die dringende Biite, für seinen heimatlichen Kreis Elkartsberga einzutreten, der bisher gans, F

ohne Bahnen sei.

Aba, Dr, Babn (B. d. Q) befürwortet lebhaft die Weiterführung: [F der Sabahn eestcmünde—Bederkesa über leßteren Ort hinaus, un F

nellere Verbindung nah Kiel zu erhalten. : 1 ‘Abg. Graf von St rachw|i4-Bertelsdorf (Zentr.) bittet für Stadt. und Kreis Groß-Strehlitz, von dieser Stadt aus eine Bahn nah Kandrzin

zu führen, damit der Kreis eine Verbindung an die Breslau-ODder-.

berger Bahn auh nah der anderen Seite hin erhalte.

Abg. Holtz (freikons.) empfiehlt eine direkte Verbindung zwischen Schwe q D askowiß, die im wirtschaftlichen a R Died geboten set.

Abg. Dr. am Zehnhoff Gie weist auf die Mang Nerkehrsverhältnisse des armen Eifelgebirges hin und bittet lebhaft um eine gründliche Reform derselben.

Abg. Dr. Bos (nl.) erbittet den Bau der Strecke Tarnowitz— Gleiwiß. Die diesmalige Vorlage werfe für Neubeschaffung von Betriebsmitteln nur 21 Millionen aus, das sei doch angesihts des Güterwagenmangels ungenügend. Wolle man erst wieder auf Kalami- täten warten? Wenn es sein müsse, so dürfe man niht davor zurückshrecken und müsse 150 Millionen ausfeßen. :

Abg. Dr. Lotichius (nl.) bemerkt, daß die Bahn von Nastätten nach dem Rhein und der Lahn sih {hon zu rentieren beginne.

ei er (freifons.) empfiehlt eine Bahn Herleshausen—Uslar nhagen.

Abg. Fink (nl.) regt eine direkte Verbindung zwishen Hannover und Celle an, um den fon längst notwendigen direkten Schnellzugs- verkehr Hannover—Hamburg zu ermöglichen. Auch zwishen Hannover und Hildesheim gebe es keine direkte Bahnlinie.

Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) kommt auf die gestrigen Angriffe des Abg. Freiherrn von Erffa gegen den Reichstag8abgeordneten Dr. Müller-Meiningen zurück, der die Vernahhlässigung der thüringischen Bahnverhältnisse beklagt hatte; der Abg. Dr. Müller werde Gelegenheit nehmen, fi dagegen zu verwahren. Weiter wünsht Redner, daß die Verbindung zwischen Hirshberg und Liegnitz, die jeßt einen großen Umweg bedeute, direkt über Goldberg durch Bau etner Bahn Hir|ch- b:rg—Goldberg geführt werde.

Abg. Linz (Zentr.) tritt für die Ershließung des Kreises Cochem, und zwar sowohl nach der Mosel wie nach der Eifelbahn zu, ein.

Abg. Nehbel (kons.) wünscht eine Linie von Neidenburg nah Gilgenburg.

Abg. Mezner (Zentr.) beklagt die Verkehrsverhältnisse auf der von der Firma Lenz betriebenen Bahn Gogolin—Neustadt, wo man für 42 km 4 Stunden brauhe. Im Interesse der Allgemeinheit müsse der Minister datenen einschreiten. Ferner bittet er, daß zur Verbindung zwischen Neisse und Neustadt das alte Projekt festgehalten und nickcht zu Gunsten etnes Privatunternehmers eine neue Trace Neisse—Steinau—Zülz geführt werde.

Geheimer Oberregierungsrat Kabierske entgegnet, daß ein Projekt Neisse—Zülz nicht vorliege ; selbstverständlih werde die Eisen- bahnverwaltung niemals lediglich zu Gunsten eines Unternehmers ein Projekt umändern.

__ Abg. von Brockhausen (kons.) macht auf die Verkehrsverhält- nisse Hinterpommerns aufmerksam, wo nur eine einzige Vollbahn bisher existiere. Im besonderen bittet Redner um den Bau einer Linte Negenwalde- Schivelbein.

Minister der öffentlihen Arbeiten Breitenbach:

Wenn ih gestern einleitend darauf hinweisen durfte, in welhem Umfange die Staatseisenbahnverwaltung in den leßten Jahrzehnten vorgegangen ist, um das Staatseisenbahnney auszubauen und zum Nußen der einzelnen Lantesteile neue Bahnen zu shaffen, so bin ih durch den Verlauf der Debatte gestern und heute darüber belehrt worden, sofern ich es nicht bereits war, daß diese Aufgaben der Staatseisenbahnverwaltung noch lange nit erfüllt find (sehr richtig! recht8), daß sie fie noch Jahrzehnte beschäftigen werden, und daß wir vorauésichtlich zu einem wirklihen Beharrungszustande angesihts des fortshreitenden Verkehrs und der sich steigernden Bedürfnisse kaum gelangen werden.

Wenn ih auf die einzelnen Wünsche, die hier überzeugend vor- getragen wurden, nicht geantwortet habe, so ergibt fich das aus der Natur der Sache. Sie können aber siher fein, meine Herren, daß alle diese Wünsche einer sehr eingehenden Prüfung und Würdigung unterzogen werden, und Sie können aus der Vergangenheit wohl die Hoffnung \{chöpfen, daß überall dort, wo ein Verkehrsbedürfnis yor- liegt und nachgewiesen wird, auch eingegriffen werden wird. Sie können ferner das Vertrauen haben, daß bei der Auswahl der Pro- jekte die Staatsregierung wie bisher bemüht sein wird, sahlich zu prüfen und zu handeln. (Lebhafter Beifall.)

Die Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen. Damit ift die Tagesgrdnung erschöpft.

Schluß gegen 3/4 Uhr. Nächste Sißzung Mittwoch al E (Pensionsgeseß; Richterbesoldungsgeseß; Petitionen ; nträge.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstage ist nachstehender Entwurf eines Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen zugegangen:

Erster Abschnitt. i Geltungsbereih des Gesetzes

8& 1. In den dur landesberrliche Verordnung bestimmten Ge- meinden findet im Falle eines Neubaues zu Woh=1- oder gewerblichen ZweckFen eine Sicherung der Bauforderungen nah den Vorschriften dieses Gesezes statt. Neubau ist die Errichtung etnes Gebäudes auf einer Baujtelle, die zur Zeit der Erteilung der Bau- erlaubnis unbektaut oder nur mit Bauwerken untergeordneter Art beseßt ist und sh während der leßten drei Jah1e in dem gleichen Zustande befunden hat. Verzögert sich der Wiederaufbau eines zer- 11örten Gebäudes derart, u ein Neubau im Sinne des Abs. 2 vor- liegt, so kann, wenn das Gebäude gegen die Zerstörung versihert war und der Versicherer nach den Versicherungsbestimmungen nur ver- pflichtet ist, die Entshädigungssumme zur Wiederherstellung des ver- sicherten Gebäudes zu zahlen, die Landeszentralbehörde bestimmen, daß die Vorschriften dieses Gesetzes auf den Wiederaufbau keine An- wendung finden.

2. Die Vorschriften dieses Gesehes finden keine Anwendung auf Grundstücke des Fiskus und solche Grundstücke, welhe einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlihen Rechts ge- bören oder einem dem öffentlihen Verkehre dienenden Bahn- unternehmen gewidmet sind, sowie auf Grundstücke, die nah landesherrliher Verordnung ein Grundbuchblatt nur auf Antrag erhalten. Das Gleiche gilt von den Grundstücken eines Landes- herrn und den Grundstückcn, welche zum Hausgut oder Familiengut einer landesherrlihen Familie, der Fürstlihen Familie Hohenzollern, der Familie des vormaligen Hannovershen Königshauses, des vors- maligen Kurbessishen, des vormaligen Herzoglih Nassauischen oder des Herzoglih Holstetnishen Fürftenhauses gehören.

Zweiter Abschnitt. Baubeginn.

8 3. Vor dem Beginne des Baues ist auf dem Grundbuchblatte der Baustelle der Vermerk, daß das Grundstück bebaut werden soll (Bauvermerk), einzutragen. Bildet die Baustelle nur einen Teil eines Grundstücks, fo is sie von dem Grundstück abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen. Mit der Eintragung des Bau- vermerkes erwerben die Baugläubiger den Anspruch auf Eintragung einer Hypothek für ihre Bauforderungen (Bauhypothek); der Bau- e die Wiikung einer Vormerkung zur Sicherung dieses

nspruch3.

§ 4. Die Eintragung eines Bauvermerks unterbleibt, w?enn in Höhe eines Betrags, der nah dem Ermessen der Baupolizeibehörde den vierten Teil der voraus\sihtlich entstehenden Baukosten erreicht,

E durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren gee eistet ift.

§ 5. Die Baupolizeibehörde darf die Bauerlaubnis nur erteilen, wenn nah § 4 Sicherheit geleistet i| oder wenn der Bauvermerk eingetragen ist und entweder die dem Bauvermerke vorgehenden Be- [lastungen den Baustellenwert niht übersteigen oder in Höhe des Ueber\husses Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Wert- papteren geleistet ist.

8 6. Bei der Seseueg der Belastungen kommen nur in Ansatz: 1) Hypotheken und Grundschulden mit ihrem Kapitalbetrag und zwoeiljähr a Zinsen; 2) Rentenshulden und solche Reallasten, welche die Leistung von Geldrenten zum Gegenstande haben, mit ihrer Ablösungssumme; 3) nicht ablösbare Geldrenten mit ihrem nach § 9 der Zivilprozeßordnung zu berehnenden Werte; 4) die nach dem öffentlichen Nechte auf dem Grundstücke lastende Verpflihtung zur Leistung von Beiträgen für die Kosten der Herstellung einer Straße oder eines Abzugskanals; der Betrag dieser Lasten wird von der Baupolizeibehörde geschäßt sofern ex 233t bereits in einem amtlihen Verfahren festgestellt ist. Rechte, die durch Ein- tragung einer Vormerkung oder eines Widerspruchs gesichert sind, stehen eingetragenen Rechten gleih. Zu einer Rangänderung, dur die dem Bauvermerke der Vorrang vor anderen Rechten eingeräumt wird, genügt an Stelle der Einigung des zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten die Erklärung des zurücktretenden Berechtigten gegenüber dem Grundbuchamte.

§ 7. Die Grundsäße für die Bemessung des Baustellenwerts und das Feststellungsverfahren werden durch landesherrliche Ver- ordnung bestimmt, «

8. Die Eintragung des Bauvermerkes erfolgt auf Ersuchen der Baupolizeibehörde. Von der Eintragung hat das Grundbuchamt der Baupolizetbehörde Fen zu machen. In der Mitteilung ist der Gesamtbetrag der im § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten, dem Bau- vermerke vorgehenden Belastungen anzugeben.

8 9. Der Bauvermerk wird gelöst, wenn dem Grundbuhamt eine Bescheinigung der Baupolizeibehörde vorgelegt wird, daß vor dem Beginne des Baues die Bauerlaubnis erloschen oder daß nacträglich vor dem Beginne des Baues gemäß § 4 Sicherheit geleistet worden ist. Das Gleiche gilt, wenn die e das auf Ein- tragung des Bauvermerkes gerichtete Ersuchen vor dem Beginne des

Baues zurücknimmt, Dritter Abschnitt. Baugläubiger.

& 10. Baugläubiger sind die an der Herstellung des Gebäudes"

auf Grund eines Werk, oder Dienstvertrags Beteiligten sowie die- jenigen, welhe zur Herstellung des Gebäudes Sachen geliefert haben, Fofern die Werk-, Vienst- oder Lieferungsverträge von dem Eigen- tümer der Baustelle oder für seine Nehnung geschlossen worden find. Dem Eigentümer der Baustelle steht glei, wer den Bau mit Zu- stimmung des Eigentümers als Bauherr ausführt.

§ 11, Hat der Eigentümer die Herstellung des Gebäudes oder eines einzelnen Teiles des. Gebäudes einem Unternehmer übertragen und war ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, daß dem Unternehmer die zu der Herstellung erforderlißen Mittel niht zu Gebote standen oder daß dieser nicht die Absicht hatte, die aus der Herstellung für thn erwachsenden Verbindlichkeiten in vollem Umfange zu erfüllen, fo sind die im § 10 Saß 1 bezeichneten Personen auch dann Baugläubiger, wenn die Verträge von tem Unternehmer oder im Falle der Weiterübertragung der Herstellung an andere Unternehmer von einem solchen Sen worden sind. Den von einem Unternehmer geen Verträgen stehen Verträge gleich, die für seine Rechnung ge\ch{lossen worden sind. Diese Vorschriften finden entsprehende Anwendung, wenn ein Bauherr, der ten Bau mit Zu- \slimmung des Eiçcentümers ausführt, die Herstellung des Gebäudes oder eines Teiles des Gebäudes einem Unternehmer übertragen hat ; es genügt jedoch, wenn dem Eigentümer einer der im Abs. 1 Sah 1 bezeihneien Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit un- bekannt war.

& 12. Als Bauforderun gilt nur der Anspru eines Bau- gläubigers auf die in Geld vereinbarte Vergütung; der Anspruch kommt nur insoweit in Betracht, als die Leistung in den Bau ver- wendet, worden ist. It diese Verwendung nicht vollständig erfolgt, so ist die vereinbarte Vergütung in dem Verhältnisse herabzusetzen, in welchem bei dem Abschlusse des Vertrags der Wert der vereinbarten Leistung zu dem Werte der in den Bau berwendeten Leistung gestanden haben würde.

8& 13. Wird bei der Vereinbarung einer Vergütung die übliche Vergütung offenbar in erheblihem Maße überschritten, so kann jeder Beteiligte verlangen, daß die Forderung als Bauforderung nur in Si p, Betrags berüdsihtigt wird, welher dem üblichen Preise ent|prit.

& 14. Sobald festgestellt ist, daß baupoltzeilihe Bedenken, das Gebäude in Gebrauch zu nehmen, nit bestehen, hat die Baupolizei- behörde dies binnen zwei Wochen in dem für ihre Bekanntmachuvgen bestimmten Blatte zu veröffentlihen. In gleicher Weise hat die Bau- polizeibehörde, wenn auf Antrag eines Beteiligten festgestellt ist, daß die Bauerlaubnis nah dem Beginne des Baues erloschen ift, dies zu veröffentlihen. Ist ein Bauvermerk eingetragen, so bat die Bau- polizeibehörte die gemäß Abs. 1 erfolgte Veröffentlihung dem Grund- buhamt unverzüglich mitzuteilen. Innerhalb einer Frist von zwet Monaten, die mit der Einrückung der Bekanntmachung in das zu ihrer Veröffentlihung dienende Blatt beginnt, können die Bau- gläubiger auf Grund des Bauvermerkes ißre Bauforderungen bei dem Grundbuchamt anmelden; in der Bekanntmachung soll hierauf hin- gewiesen werden. :

8 15. Die Anmeldung einer Bauforderung i nur wirksam, wenn bis zum Ablaufe der Anmeldungsfrist die schuifiliche Zu- stimmung des Eigentümers zur Anmeldung oder eine gegen den Eigentümer ergangene, die Anmeldung zulassende einstweilige Ver- fügung bei dem Grundbuchamt eingereiht wird. Das Grundbuchamt

hat, fobald eine Anmeldung wirksam geworden ist, dem An- meldenden eire Bescheinigung über die Anmeldung zu er- teilen. Für die Erlassung der einstweilizen Verfügung ist

das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirke die Baustelle belegen ist. Glaubhaft zu maten find: 1) der von dem Anmeldenden geschlossene Vertrag; 2) die Verwendung feiner Leistungen in den Bau und bei teilweifer Verwendung der nah § 12 zu berehnende Betrag der Bau- forderung; 3) wenn der Vertrag niht mit dem Eigentümer ge- \hlossen ist, die Vorausseßungen, unter denen nah den §§ 10, 11 der Vertrag einem mit dem Eigentümer ges{chlossenen Vertrage gleichsteht.

& 16. Die Zurücknahme etner Anmeldung bedarf der für Ein- tragungsbewilligungen in der Grundbuchordnung vorgeschriebenen Form. Der Zurücknahme eirer Anmeldung steht es glei, wenn dem Grund- buchamte nahgewiesen wird, daß für die angemeldete Forderung Sicher- heit durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren eg ist. Das Grundbuchamt hat auf Antrag dem Anmeldenden eine Frist zu bestimmen, binnen welcher dieser dem Grundbuchamte die Einwilligung in die Rückgabe der Sicherheit zu erklären oder die Erhebung der Klage Wegen seiner Forderung nachzuweisen hat. Nah dem Ablaufe der Frist hat das Grundbuhamt auf Antrag die Rülkgabe der Sicherheit anzuordnen, wenn niht inzwischen die Erhebung der Klage nachgewiesen ist. Auf das Verfahren finden die Vo:schriften des Gesezes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprehende Anwendung. Gegen den Beschluß. durch welchen der Antrag auf Bestimmung einer Frist abgelehnt wird, steht dem Antrag- steller, gegen die Entscheidung Über die Rückgabe der Sicherheit beiden Teilen die sofortige Beschwerde zu; die Entscheidung über die Nük- gabe tritt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit.

Vierter Abschnitt, Bauhypothek. Baugeldhypothek,

8 17. Liegen bei dem Ablaufe der Anmeldungsfrist wirksame Anmeldungen nit vor, so wird der Bauvermerk von Amts wegen gelö\{cht. Mit dieser Löschung erlischt der Ls der Baugläubiger auf Eintragung der Bauhypothek. Sind bis zum Ablaufe der

Q Bauforderungen wirksam angemeldet, so wird für sie von mts wegen unter Löshung des Bauvermerks eine als Bau- hypothek zu bezeihnende Hypothek eingetragen. Mit der Ein- tragung entsteht die Hypothek. Die Bauhypothek gilt als Spar gt apo zer: auch wenn sie im Grundbuche nit als solhe bezeichnet ist. Bei der Eintragung der Bauhypothek sind außer ihrem Gesamtbetrage die den einzelnen Baugläubigern zustehenden Teils beträge anzugeben. Zinsen der Bauforderungen werden nicht berück- sichtigt. Ist gemäß § 5 Sicherheit geleistet, so vermindert sich der Betrag der Bauhypothek um den Betrag der Sicherheit unter verhältnismäßiger Herabseßung der den einzelnen Baugläubigern zu- stehenden Teilbeträge.

§ 18. Soweit im Falle des § 11 die von einem Unternehmer angemeldete Bauforderung die Vergütung für Leistungen mitumfaßt, für welhe auch von einem Nahmanne des Unternehmers eine Bau- forderung angemeldet ist, gebührt nur dem Nachhmann ein Anteil an der Bauhypothek. Jst ungewiß, ob hiernah dem Vor- mann ein Anteil an der Bauhypothek gebührt, so hat das Grund- buchamt für den Vormann und für den Nahmann einen Anteil an der Baubypothek und gleichzeitig einen-Widersprurh einzutragen. Wird ein Nahmann dur einen Vormann.- befriedigt, so geht in Höhe des gezahlten Betrags der Anteil des Nahmanns an der Bauhypothek auf die R des D Ge bes Bain

î ehrere bei der Eintragung der Bauhypothek berück- sihtigte Bauforderungen haben unter \ich gleihen Rang. Ver- wandelt sih ein Teil der Bauhypothek in eine dem Eigentümer des Grundstücks zufallende Grundschuld, so kann diese niht zum Nathteile der den Baugläubigern verbleibenden Bauhypothek geltend gemacht werden. Die Vorschri\t des Abs. 2 findet entsprehende Anwendung, wenn ein Teil der Bauhypothek in eine gewöhnlihe Hypothek, eine Grundschuld oder Rentenschuld umgewandelt oder wenn an die Stelle einer Bauforderung, für welche die Bauhypothek besteht eine andere Forderung geseßt wird.

§ 20. Der Rang der Bauhypothek gegenüber anderen Rechten bestimmt sich, unbeschadet der Vorschriften über Baugeldhypotheken, nach der Eintragung des Bauyermerks. Nießbrauchs- und Wohnungs- rehte stehen jedoch der Bauhypothek im Range nah. Der Rang der Bauhypothek soll bei ihrer Eintragung ersihtlich gemaht werden.

§ 21. Wird eine dem Bauvermerk im Range nachstehende Hypothek zu Gunsten eines Gläubigers eingetragen, welcher die Ge- währung von Baugeld übernommen hat, so gelten für diese Hypothek, falls sie bei der Eintragung als Baugeldhypothek bezeichnet ist, die Vorschriften der §§ 22 bis 24. Eine Baugeldhypothek soll nur eins aa Len, wenn der Baugeldvertrag bei dem Grundbuchamt eingere ;

§ 22. Der Baugeldhypothek gebührt der Vorrang vor der Bau- hypothek, soweit durch eine in Anrehnung auf das Baugeld geleistete gbluns eine Bauforderung getilgt worden ift; das Gleiche gilt in

nsehung einer Zahlung, die in Anrechnung auf das Baugeld an den Eigentümer in Höhe einer Bauforderung bewirkt worden ist. Hat die Bauforderung nit bestanden, so gebührt der Baugeldhypothek glei{wohl der Vorrang, es fet denn, daß dem Baugeldgeber zur Zeit seiner Zahlung bekannt oder infolge grober Fahrläfsigkeit unbekannt war, daß die Forderung nit bestanden hat; dem Nichtbestehen einer Bau- forderung steht es glei, wenn ein Nahmann für dieselbe Leistung eine Bauforderung hat und der Vormann nicht überausreihende Mittel zur Befriedigung der Forderungen seiner Nahmänner verfügt oder niht die Absicht hat, diese Forderungen in vollem Umfange zu befriedigen. Der Vorrang der Baugeldbypothek erstreckt sich auf Zinsen bis fünf vom Hundert und auf die im § 1118 des Bürger- lihen Geseßbuhs bezeihneten Kosten.

§& 23. Auf Antrag des Baugeldgebers bestellt das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Baustelle gelegen ist, einen Treuhänder. Die durch Vermittlung oder auf Anweisung des Treuhänders geleisteten Zahlungen begründen den Vorrang vor der Bauhypothek. Der Treu- bänder darf die Zahlung nur vermitteln oder anweisen, soweit der Baugeldgeber nah Maßgabe des § 22 zur Zahlung mit Wirkung gegen die Baugläubiger berehtigt ist. Der Treuhänder hät die rets lihe Stellung eines Pflegers; an die Stelle des Vormundschaft8- gerichts tritt das im Abs. 1 bezeihnete Amtsgericht. Der Treuhänder ist für die Erfüllung der thm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlihch. Eine Pflicht zur Uebernahme des Amts besteht nicht. Der Treuhänder kann von dem Baugeldgeber für die Führung seines Amts eine angemessene Vergütung verlangen. Vor der Fesisezun soll das Amtsgericht den Baugeldgeber, soweit tunlih, hören. Dur Anordnung der Landesjusiizverwaltung können die dem Amtsgericht in Ansehung der Treuhänder obliegenden Verrichtungen für mehrere Amtsgerichtébezinke einem Amtsgericht übertragen werden.

§ 24. Soweit von dem Treuhänder in öffentlich beglaubigter Form bescheinigt wird, daß Zahlungen dur seine Vermittlung oder auf seine Anweisung geleistet worden sind, hat das Grundbuchamt auf Antrag des Baugeldgebers den Vorrang der Baugeldbypothek vor der Bauhypothek in das Grundbuch einzutrzgen.

8 25, Wird die Zwangéversteigerung oder die Zwangsverwaltung des Grundftücks angeordnet, ehe die Bauhypothek eingetragen ift, fo kann jeder Baugläubiger, welcher seine Eee wirksam an- gemeldet hat, Befriedigung aus dem Grundstücke verlangen, wie wenn die Bauhypotbek eingetragen wäre.

8 26. Der Versteigerungstermin darf niht auf einen früheren

O als zwei Wechen 5 dem Ablaufe der Anmeldungsfrist estimmt werden. Hatte zur Zeit der Veröffentlihung des Ver- steigerungstermins die Anmeldungsfrist noch nicht begonnen, so be- ginnt fie mit dieser Veröffentlihung. Ist eine dieser Vorschriften verleßt, so ist der Zuschlag zu versagen. Gegen die Erteilung des Zuschlags is Beschwerde zulässig.

8 27. Vas Grundbuchamt hat nach der Eintragung des Voll- streckungsvermerks und, wenn zu diesem Zeitpunkte die Anmeldungs- frist noch nit abgelaufen ist, nach dem Ablaufe dieser Frist dem Vollstreckungsgeriht eine beglaubigte Abschrift der wirksamen An- meldungen zu erteilen. Baugläubiger, für die nach der Mitteilung des Grundbuchamts eine whiksame Anmeldung vorliegt, stehen für das Vollsireckungsverfahren Gläubigern, die zur Zeit der Eintragung des Bollstreckungsvermerks im Grundbuch eingetragen waren, glei.

8 28. Soweit durch ein Urteil der Widerspruch eines Bau- gläubigers gegen die Aufnahme der Forderung cines anderen Bau- gläubigers in den Das rechtskräftig al3 begründet anerkannt ist, wirkt das Urteil für alle Baugläubiger. Der Ee IL Rennes

von diesem getilgten

Baugläubiger (kann Erstattung derjenigen Ao en, die don dem Prozeßgegner nicht beizutreiben nd, aus dem bei der Verteilung auf die Baugläubiger entfallenden Betrag

insoweit verlangen, als infolge des Widersprußs der Anteil des Prozeßgegners an diesem Betrage weggefallen oder vermindert ift. Ist der Aner ein Nahmann, fo kann die Erstattung nur den- jenigen Baugläubigern gegenüber verlangt werden, denen der Wegfall oder die Verminderung des Anteils des Nahmanns zum Vorteil

gereicht. Fünfter Abschnitt.

Sicherheitsleistung.

& 29. Eine gemäß § 4 oder § 5 geleistete Sicherheit haftet den Baugläubigern in der gleihen Weise, wie ihnen im Falle der Ein- tragung einer Bauhypothek kraft dieser Hypothek das Grundstück haftet. Im Falle des § 5 bemißt #sch der auf die einzelnen Bau- forderungen entfallende Anteil an der Sicherheit nah dem bei der Eintragung der Bauhypothek berücksihtigten Betrag auch dann me p Bauforderung nach der Eintragung zum Tei getilgt worden ist. Í

¿ 30. Js nah § 4 Sicherheit geleistet, so kann jeder Beteiligte die Cröffnung eines Verteilungsverfahrens in Ansehung der Sicher- heit beantragen, (oran die im Î 14 Abs. 1 bestimmte Veröffentlichung der Baupolizeibehörde erfolgt ist. Wird der Antrag von einem Bau- läubiger gestellt, so hat der Gläubiger die schriftliche ustimmung des

E beizubringen oder seine Bauforderung nah Maßgabe des & 15 Abs. 2 glaubhaft zu machen.