1907 / 107 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 May 1907 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. Ee (w. Vgg.) bittet, bei der Ausführung des

Kanalbaues die deutshe Steinindustrie möglihst zu berücksichtigen.

Die Regierung habe allen Anlaß, dieser Industrie Ju stärken.

Abg. Gräfe (d. Reformp.): Wir werden ebenfalls dem Antrage auf

Kommissionsüberweisung zustimmen. Seinerzeit ist der Bau zu einem

groben Teile mit ausländishem Material ausgeführt. M möchte u

ringend darum bitten, dieses Mal unsere deutshe Steinindustrie aus-

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f ließlih zu berüdcksihtigen, die bei dem schwedishen Pas ehr

chlecht fortgekommen ist. Wenn es gungen ist, bei den leßten Wablen den nationalen Schwung in die Reihen der Arbeiter zu tragen,

so ift es Pflicht, auch für sie zu sorgen.

Staatsminister, St@atssekretär des Jnnern Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Aus den Aeußerungen der Herren Redner aller Pars teien habe ih entnommen, daß das hohe Haus einstimmig mit dem Kanal- projekt als solhem einverstanden ist und damit die Notwendigkeit der Erweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals anerkennt. Es ist gesagt worden, man hätte nicht die nötige Voraussicht geübt, als man seiner- zeit den Kanalentwurf ausführte. JIch glaube aber, bätte man bei dem damaligen Umfang der Schiffsgefäße dem hohen Hause einen Kanal vorgeschlagen in den Ausmessungen, wie er sie jeßt erhalten foll, fo wären wir auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen, und mit Net. Man würde erklärt haben, daß die Ausmessungen gegen- über dem vorhandenen Verkehr und gegenüber den bisherigen Aus- messungen der Schiffsgefäße viel zu groß seien, und daß in unproduktiver Weise Neichsmittel verausgabtwürden, und wenn die Herren die Güte haben wollten, sich die Gegenrechnung zu machen, seit wann der Kanal be- steht, wieviel Mehrkosten wir hätten ausgeben müssen, wenn wir die Schleusen und das Kanalprofil nah dem jeßigen Vorschlag ausgebaut hätten, und wieviel Zinsen wir dadur gespart haben, daß wir zu- nächst den Kanal in kleineren Ausmessungen ausgeführt haben, #o würden alle Herren zugestehen, daß wir auch vom wirtschaftlichen und finanziellen Standpunkt aus, ganz abgesehen von den tehnishen Gesichtspunkten, damals richtig gehandelt haben. Ein Fehler war es und das gestehe ih ofen zu —, daß man nur einen Radtus von 1200 Metern gewählt hat, statt eines Nadius, wie er jeßt vor- geshlagen ist, von 1800 Metern.

Meine Herren, man hat auch von Prinzipalleistungen gesprochen. Zunächst wurde von Prinzipalleistungen Hamburgs gesprochen und demnächst von solhen Preußens. Ih werde mir die Ehre geben, in der Kommission auf diese Frage zurückzukommen, nehme aber an, daß namentlich auch Hamburg, auf das zuerst hingewiesen worden ist, die Gesichtspunkte geltend machen wird, die gegenüber dieser Forderung geltend zu machen sind. Man hat auch den Wunsch ausgesprochen, daß vor allen Dingen die heimishe Industrie und die deutschen Arbeiter bei der Ausführung des Kanals berücksichtigt werden sollten. Meine Herren, das halte ich für ganz selbstverständlih, daß man sowohl, soweit es mit den finanziellen Ansäten irgendwie vereinbar ist, in erster Linie das deutsche Material benutzt, und ebenso, daß man alle Bemühungen ernstlich anwendet, auch in erster Reihe deutsche Arbeiter zu beschäftigen. Es ist ein großes nationales Werk, das wir jeßt ausführen, und ih glaube, es ist ein berechtigter Anspruch, daran zunähst und vorzugsweise die deutsWe Industrie und die deutsche Arbeitskraft zu beteiligen.

Es ist auch gewünscht worden, daß bei der Ausführung dieses Unternehmens und bei der Verausgabung dieser gewaltigen Summe besonderer Wert auf die Förderung fozialpolitischer Einrichtungen ge- legt werden solle. Es ist von höôchster Stelle das Wort gefallen, und mit Recht, daß die Anstalten des Reichs und des Staats Musteranstalten au auf fozialpolitischem Gebiet und ein Vorbild der Privyatindustrie sein sollen. Jch koffe und werde dafür sorgen, daß au in dieser Richtung alles geschieht, was auf sozialpolitischem Ge- biet nüßlih is und auf den Erfahrungen der Vergangenheit beruht. Diese großen Arbeitermassen angemessen unterzubringen, ihre Lohn- verhältnisse gerecht zu regeln, für die Erhaltung ihrer Gesundheit, für ihre Wohlfahrt in Krankheitsfällen zu sorgen, sie während ihrer Arbeitéleistung vor den Gefahren des Betriebes zu \{chüßen, das wird selbstverständlich eine der vornehmsten Aufgaben der Behörde sein, die an Ort und Stelle den Ausbau des Kanals zu leiten haben wird, und was in meinen Kräften steht, werde ih tun, um diesen Wünschen Rechnung zu tragen. (Bravo !)

Der Antrag Spethmann auf Einsezung einer besonderen Kommission wird gegen vereinzelte Stimmen unter Heiterkeit des Hauses abgelehnt. Die Vorlage geht an die Budget- kommission.

In erster und zweiter Beratung wird der Vertrag mit der Schweiz über die Beglaubigung öffentliher Ur- kunden ohne Diskussion erledigt.

Darauf seßt das Haus die Spezialberatung des Etats der Post- und Telegraphenverwaltung fort und nimmt die an das „Staatssekretärgehalt“ und an die dazu ge- stellten Resolutionen geknüpfte Debatte wieder auf.

Den Resolutionen is inzwishen noch die Resolution Ablaß hinzugetreten, die das Postgesey von 1871 durch einen Ausnahmetarif für N und Schriftstücke in Blindenschrift ergänzen will, sodaß die evER für derartige Sendungen zwischen 100 g und 5 kg innerhalb des Reihs- gebiets niht über 10 beträgt.

Abg. Bruhn (d. Nfp.): Leider kommt meine Partei so spät zum Wort, daß ihr nur éine Ale übrig bleibt. Der Antrag Ablaß wegen der Ermäßigung der Tarife für Sendungen in Blindenschrift hat unsere Zustimmung, ebenso die Resolution, die dahin geht, daß der im Postbetriebsdienst nach 8 Uhr Abends und an Sonn- und

esttagen abzuleistende Dienst auf die Arbeitszeit der Post- und elegraphenbeamten jowie Unterbeamten anderthalbfach in Anrehnung gebracht wird. Wiederholt haben wir gewünscht, daß bei Auf- trägen und Lieferungen der Post- und Telegraphenverwaltung das andwerk in größerem Maße als bisher berüccksihtigt werde. ir haben uns aus darüber beshwert, daß die Postbeamten noch immer genötigt sind, ihre Uniformen von der Firma Sachs zu beziehen. Der taatssekretär hätte hier eine s{chöne Gelegenheit, Mittel- standspolitik zu treiben und den Intentionen des Reichskanzlers zu entsprechen. Der Redner tritt dann noch für vershiedene Wünsche der L auf Erhöhung ihrer Gehälter ein. Die Postarbeiter müßten mindestens e uo ut bezahlt werden, wie die Arbeiter in der ia Die Landbriefträger verdienen besondere Be-

rüdsi Laus. : bg. Örtel 2: Meine Freunde haben die Resolution ein- gebraht, den Reichskanzler zu ersuhen, für die unteren und mittleren Reichsbeamten in den Provinzen Posen und Benn teunen dieselben Gehaltszulagen in einem Aa: zu gewähren, die den preußishen Beamten gewährt sind. Ih kann Jhnen diese Resolu- tion nur empfehlen. Bei dieser Gelegenheit muß ih namens der Lehrerschaft pu euen Protest erheben gegen die Verdächtigung, die neul n Mitglied der polnischen Fraktion gegen sie gerichtet hat.

Abg. Frißzen- Düsseldorf (Zentr.): delte es sih hier um eine Teuerung na o würden wir gegen die Zulage nihts einzuwenden aben. Wir erblicken aber in dieser Zulage nur ein Glied in der ette der Polenpolitik, die wir aus Pren Gründen nit unter- [pen konnten und nicht unterstüzt haben. Der Antrag Pachnike, er die Zulage im ua zu Preußen unwiderruflichß machen will, ift allerdings eine Verbesserung und wir werden dafür stimmen, aber ichließliG gegen die ganze Forderung. Es werden bei Annahme des Antrags Pachnike zwei Beamten- kategorien feltasen, \solhe Beamte, Reichsbeamte, die die Zulage unwiderruflich erhalien, unb die preußishen Beamten, die sie wider- ruflih erhalten, und über diesen würde das Damoklesschwert der Ent- ziehung s{chweben. Ih möchte auch darauf aufmerk|am machen, daß 1904, als die Forderung im Etat stand, der damalige freisinnige Vertreter erklärt hat, seine Freunde würden gegen die Zu- lage stimmen, mag sie widerruflich oder unwiderruflich sein. Der Resolution Ablaß, betreffend die Aenderung der Personalordnung für die mittlere Beamtenlaufbahn, zuzustimmen, würde ih nicht den Mut finden. Ih habe nachträglih gefunden, daß diese Forderung einer Eingabe von mittleren Postbeamten entnommen ist. So aus dem Handgelenk kann man die Sache doch niht mahen. Ich kann au niht finden, daß der Antrag eine Verbilligung zur Folge haben würde. Wenn der Antrag so gefaßt würde, n die Negterung nur zur Erwägung aufgefordert würde, so ließe sich über die Sache reden. Jedenfalls müßte au der Staatssekretär erst dazu Stellung nehmen. Da der Abg. Eickhoff mir eben zuruft, daß dex Antrag so gemeint ist, so ziehe ih meinen Widerspruch zurü.

Abg. Dr. Neumann-Hofer (frs. Vgg.): Der Vorredner hat die Stellungnahme der freisinnigen Parteien zur Ostmarkenzulage ange- griffen. Es ist doch Tatsache, daß zwishen den Reihs- und den preußishen Beamten in den ehemals polnischen Landesteilen ein Unterschied bezüglih des Bezugs dieser Zulage besteht, der unmöglich länger aufrecht erhalten werden kann. Da haben wir geglaubt, in der Gewährung der Zulage als „unwiderruflihe“ den Weg zu finden, der uns die Zustimmung zu diesen Ostmarkenzulagen ermöglicht. Der Forderung auf Herabsezung der a für die Land- bewohner kann ih mich günstig gegenüberstellen. Die Ausdehnung der Fern p auf dem Lande hat auch einen außerordentlichen ulturellen Wert. Was die Gehälter und Bezüge der Postbeamten angeht, so sind in erster Linie die Entschädigungen der Postagenten einer Erhöhung bedürftig. Der von dem Staatssekretär am Sonnabend erwähnte Artikel aus der „Deutschen Postzeitung“, der der Ver- waltung Tatsachenvershleierung dem Reichstage gegenüber zum Vor- wurfe machen foll, ist lediglich ein unter der Zeitungsshau wteder- (Sen Abdruck eines Artikels aus einer Berliner Wochenschrift ; ch habe mir erlaubt, ihn auf den Ti1ch des Hauses niederzulegen. Das Verbot des Zusammenschlusses von Beamten in einen über das ganze Reich ausgedehnten Verband ist ein Mißbrauh der Macht der Verwaltung; man follte doch endlich den Unterbeamten, die jeßt in einer Menge kleiner Vereinen organisiert find, diesen Verband gestalten ; Besirebüngen auf Untergrabungen der staatlichen Ordnung find bei ihnen noch nirgends und nie zu Tage getreten. Unsere grundfäßlihe Stellung zur ¿Frage der Erhöhung der Beamten- gehälter ist ja bekannt; ih beshränke mih daher auf den Aus- spruch der Hoffnung, daß die Verwaltung den berehtigten Wünschen der verschiedenen Kategorien in befriedigender Weise entgegenkommen möge. Mit der Personalreform sind die mittleren Dn niht so zufrieden, rote der Staatssekretär glaubt. Die Postsekretäre müssen mit den entsprehenden Kategorien in Preußen gleih- gestellt werden. Die Dberpostassistenten beschweren \sich darüber, daß thnen für die Vorbereitung auf die Sekretärprüfung eine zu kurze Zeit gewährt worden ist. Jn bezug auf die Grundsäße für die Gewährung des Wohnungsgeldzushufses stimme ih mit dem Kollegen Hamecher im wesentlichen überein. Mit dem System der ge- hobenen Stellen muß gebrochen werden, denn es gibt keine Garantien, daß nur der tüchtigste und brauchbarste Beamte in eine gehobene Stelle kommt. Ich bedauere daher außerordentli, daß der Staats- sekretär erklärt hat, dieses System noch weiter pflegen und ausbauen zu wollen. Bei den Telegraphenvorarbeitern sind bezüglih der An- rechnung der Dienstzeit bei der Anstellung vershiedene Methoden ein- eshlagen worden, was bei den ungünstiger Gestellten naturgemäß

ißstimmung erregt hat. Um eine möglichs einstimmige Annahme unserer Resolution, beireffend die Personalreform der mittleren Post- beamtenlaufbahn, zu erzielen, haben wir den Eingang dahin geändert, daß die Verwaltung ersucht werden soll, in Erwägung darüber ein- zutreten, ob diese Neform nah den von uns boraelWladenen Grund- säßen erfolgen foll. Was der Staatssekretär gegen diese Vorschläge an ih eingewendet hat, können wir nicht als entscheidend erachten. Ich bitte Sie, unserem Antrage zuzustimmen.

Abg. H ug (Zentr.) empfiehlt dem Staatssekretär eine Besserstellung der Reichspostbeamten nah badishem Muster, wo die Gehalts- und Ren der Beamten besser geregelt seien als im

eich.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Ih möchte ein paar Worte zu der Resolution 394 sagen. Es handelt fich um einen Gegenstand, der neulich schon er- wähnt worden is, nämlich eine Bevorzugung zu s{chaffen für Sen- dungen der Blindenanstalten. Der Gegenstand felbst ist von keiner großen Tragweite; er ist auch bereits in der Petitionskommission be- handelt worden, und nach den Angaben, die Sachverständige der Blindenanstalten gemacht haben, handelt es ch um etwa 2000 Pakete jährli. Die Erleichterung, die Sie beantragen, bedeutet also nur einen Ausfall von 820 ( für die Sendungen hin und von ebensovtel zurück. Nun möchte ih aber doch vor einem folhen Schritt warnen, nit, * weil ich für die Blindenanstalten nichts übrig habe, sondern weil es sich hier darum handelt, ein System zu durhbrehen, welches wir bisher beobahtet haben. Es handelt sich darum, für Sendungen für Blinde eine Ausnahme von der allgemeinen Regel zu machen. Es ist unausbleibliß, wenn man mit solcher Ausnahme erst einmal anfängt, daß dann bald auch andere für die Lahmen, Tauben und für Wohltätigkeitsanstalten kommen werden. (Sehr rihtig! in der Mitte.) Nun i} den älteren Herren ja gegenwärtig, daß derartige Ausnahmen bestanden haben. Man ift glücklich gewesen, fie abzuschaffen, und ich möchte davor warnen, auf dem Gebiete des Ver- kehrs hier von neuem einen solhen Schritt zu tun, zumal es sich für die Beteiligten um sehr wenig Geld handelt. Es ist in der Petitions- kommission hervorgehoben worden, daß die 1600 4 zum großen Teil staatlichen und kommunalen Anstalten zum Vorteil gereihen würden, und da möchte ich Ihnen doch zur Erwägung geben, ob es nicht rihtiger ist, daß die Herren in den Einzelstaaten beantragen, daß für derartige Unternehmungen die paar Groshen denn anders kann man es nicht bezeichnen, wenn wir auf das ganze Reih die Summe von 1600 M verteilen von Staats wegen gewährt werden, anstatt daß Sie hier ein System durhbrechen, welches wir glücklich sind bei uns zu haben.

Ich möchte dann noch kurz zu einzelnen Punkten sprechen, die von den Herren Vorrednern erwähnt worden sind, und möchte in erster Linie die Angabe richtigstellen, die einer der Herren Vorredner ich glaube, es war der Herr Abg. Bruhn gemacht hat, in dem Sinne, als wenn ih neulich unrichtige Zahlen mitgeteilt hätte. Ih habe neulich gesagt, daß sowohl in Berlin wie in anderen größeren Städten, Hamburg, Bremen, Leipzig, Dresden usw. der geringste Tagelohn 2,70 # betrage und daß von zwet zu zwei Jahren 20 H mehr bezahlt werden und daß danach der Meifstsaß zur Zeit 3,50

betrage. Diese Angabe ift zutreffend. Jh möchte dann bei dem Ver- gleich mit den Arbeitslöhnen au immer noch darauf aufmerksam madhen, daß es si bei dem Sold, den der Postunterbeamte empfängt, um 7 Tage in der Woche handelt, während der Arbeitslohn nur für 6 Tage gezahlt wird. Sodann möchte ih einer Auffaffung entgegen- treten, die heute hier Ausdruck gefunden hat und die auch manchmal in Be- amtenkreisen zum Ausdruck gekommen ist, nämlihdie Shlußfolgerung aus dem Uebershuß der Reichspost- und -Telegraphenverwaltung, daß nun die Beamten dieser Verwaltung Anspru darauf hätten, besonders honoriert zu werden. Das is ein Grundsay, meine Herren, den ih bei allem Interesse für die Beamten meiner Verwaltung für falsch erkläre; denn wenn das rihtig wäre, dann würden die Polizeibeamten, die Gerihtsbeamten, also die Beamten aller Verwaltungen, die keine Vebershüsse haben, überhaupt nihts zu bekommen haben. (Sehr richtig! rechts.) Es kann \sich doch bloß darum handeln, daß im Reich

und in den Einzelstaaten die Beamten, die gleiher Kategorie sind,

gleichmäßig honoriert werden. Jeder Beamte, niht bloß der Poft- beamte, tut seine Schuldigkeit und wird dafür bezahlt und da kann man niht danach gehen, ob eine Verwaltung viel Uebershüsse hat oder nit.

Dann mö(hte ih auf den einen Punkt noch einmal zurück- kommen, der von verschiedenen Rednern wieder angeführt ist. Es handelt sich um die Anfertigung der Dienstkleidung. Es ist hier {on mehrfach erklärt worden, daß die NReichg- postverwaltung auf dem Standpunkt steht, die Dienstkleider an die geeignetsten Unternehmer zur Anfertigung zu vergeben, und ih möthte die Herren darauf aufmerksam machen, daß die Lieferung immer nah bestimmten Jahren neu ausgeschrieben wird. Es würde mich sehr freuen, wenn sich die Genossenschaften dann melden und Angebote machen würden. Seitens der Verwaltung \teht nichts entgegen, sie zu berücksihtigen; im Gegenteil, ih würde dies gern tun. Ich kann im übrigen sagen, daß die Oberpostdirektionen vor etwa etnem Jahre aufgefordert worden sind, Vorschläge darüber zu machen, wie die im Jahre 1909 bevorstehende neue Ausschreibung der Kleiderlieferung am ¿weckmäßtigsten erfolgen soll.

Dann ist. besonders die Telephonleitung von Manuheim nach Hamburg erwähnt worden. Der Herr Vorredner hat recht, daß es sich hier um eine wichtige Sache handelt, aber ich kann leider nit in Ausficht stellen, daß die Leitung noch in diesem Jahre gebaut werden kann, und zwar deshalb nicht, weil die Kupferpreise so außer- ordentli gestiegen sind, daß wir den Bau verschiedener Linien zurück- stellen mußten, und dazu gehört auch die Leitung Mannheim —Ham- burg. Ih kann aber versichern, daß wir die Sahe im Auge be- halten und, sobald \sich die Möglichkeit bietet, in Angriff nehmen werden.

Dann möchte ich noch kurz auf die von verschiedenen Rednern berührte Frage der Oberpostpraktikanten eingehen. Bei der in Aussicht genommenen Regelung des Besoldungsdienstalters handelt es si darum, den Beamten das Gehalt zuzuwenden, das thnen zum 1. April 1907 zustehen würde, wenn zu der Zeit, als sie in die Stelle ein- gerüdt sind, die neuen Gehalts\äße bereits bestanden hätten. Mehr kann man nit verlangen; namentlich ist es unmögli, für einen bestimmten Zeitpunkt, z. B. *, Jahre nach der Prüfung, wie der Herr Abgeordnete Hug vorschlug, ein Anrecht auf Beförderung oder einen bestimmten Gehaltssaß zu geben. Das würde ein Unrecht sein gegenüber den Beamten, die {nell in eine solche Stelle einrücken. Es sind Beamte vorhanden, die vielleicht nur ¿ Jahr gewartet haben, und die würden nun benacteiligt werden. Im großen und ganzen glaube ih aber sagen zu können, daß die Beamten, die zur rehten Zeit thr Examen gemacht haben, auch dann noch etne Verbesserung ihres Besoldungsdienstalters erfahren werden, wenn sie unter ungünstigen Beförderungsverhältnissen eine längere Wartezeit haben durchmachen müssen.

Wenn dann angeführt worden ist, daß die Näte und namentli die Aufsichtsbeamten stark beschäftigt sind, fo ist das eine Erfahrung, die nicht nur bei der Postverwaltung, sondern überall gemacht wird ; die Beschäftigung der Beamten wird um so stärker, je höher fis steigen, und die Herren dürfen überzeugt fein, daß viele von meinen Kollegen niht nur 10, sondern 12 bis 14 Stunden arbeiten müfsen.

Was die Urlaubszeit betrifft, so darf man nit sagen: für jeden, der Urlaub hat, muß ein besonderer Vertreter eingestellt werden. Der Urlaub fällt meist in eine Zeit, wo der Verkehr {wächer ist, und da ift es nit nur bei der Posiverwaltung, sondern überall im Reichsdienst üblich, daß die Vertretung des Beurlaubten von den anderen Kollegen über- nommen wird. Wenn aber der Urlaub in eine Zeit fällt, wo der Verkehr nicht nachläßt, dann werden nah Möglichkeit Vertreter für die Beurlaubten eingestellt.

Betreffs der viel erwähnten Frage der Postagenten möhte ih die Herren, die sih dafür interessieren, bitten, auf ältere Vorgänge zurückzugehen; ich glaube, es würde sich damit die Diskussion über diesen Gegenstand sehr vereinfahen. Schon 1899 is die Frage der Berwoilligung von Pensionen an die Postagenten gründlih behandelt worden und es befindet stch in den Drucksahen darüber ein Bericht Fhrer Kommission. Aber auch in neuerer Zeit, in den Jahren 1905 und 1906, ist die Frage der Besoldung der Postagenten verhandelt worden und damals ist Ihre Kommission zu der Ueberzeugung ges kommen, daß die Sache sich zur Erörterung im Plenum nit eigne.

Ih möchte noh bezüglih der Steuern in den Einzelstaaten, die auch in der Kommission hon erwähnt sind, folgendes mitteilen. Es ist ganz richtig, die Besteuerung in den verschiedenen Staaten des Deutschen Reiches ist eine ganz verschiedene, es handelt fih bei der ganzen Frage aber nicht nur um Steuern, sondern auß um Schulgeld und vieles andere. Nun darf aber niht übersehen werden, daß in den Einzelslaaten meist Landeskinder beschäftigt werden und nur vereinzelt Beamte aus anderen Bundesstaaten. Es kann doch unmögli in Ihrer Absicht liegen, den eingeborenen Beamten eine Zulage dafür zu geben, daß sie in ihrem eigenen Lande dienen. , Würden Sie aber bloß den von auswärts kommenden Beamten eine Zulage geben, dann würden Sie diese wieder besser stellen als ihre Kollegen, die dort ge- boren sind. Welche Zulage wollen Ste denn auh geben? Der eine hat das Glüd, an einem billigen Ort zu leben, der andere muß an einem teureren tätig sein. Ich glaube nicht, daß diese Frage so schr einfach ist.

Die Diskussion wird geschlossen und das Gehalt des Staatssekretärs bewilligt.

Die Abstimmung über die Resolutionen wird morgen zug Beginn der Sißung vorgenommen werden. i

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Die übrigen Besoldungen für die Zentralverwaltung werden ohne Debatte bewilligt.

Es folgen die Ausgaben für die Betriebsverwaltung.

Bei den Ausgaben für die Unterbeamten bei den Oberpostdirektionen erklärt der

Abg. Linz (Np.), daß die von der Budgetkommission befür- wortete Erhöhung des Höchstgehalts dieser Unterbeamten von 1500 auf 1600 A keine gerechte Berücksichtigung der Wünsche dieser Beamtenkategorie darstelle. Es sei durhaus unstatthaft, das An- fang8gehalt dieser Unterbeamten auf 1000 Æ stehen zu laffen. Dies Anfangsgehalt sei niedriger als der ortsüblihe Tagelohn der Arbeiter, der Näherinnen und Wäscherinnen; damit können fie eine Familie nicht in Ehren ernähren. Es sei Me verfügt worden, daß die erste Zulage um einen Teil der LTeuerungszulage verkürzt werde. Damit werde die Zulage für die ersten neun Jahre illusorisch. Der gegenwärtige Wohnungsgeldzuschuß entsprehe nicht entfernt den jeßigen hohen Mieten. Das Anfangsgehalt der unteren Postbeamten müßte 1200, das Gndgehalt 1800 # betragen und die etatsmäßige Anstellung etwa im 30. Lebensjahre erfolgen. Die Ver- waltung sollte sih dieser Unterbeamten mit Liebe annehmen; sie müsse eine zufriedene Beamtenschaft haben.

Ne den Ausgaben für die Post- und Telegraphenämter bittet der

Abg. Eickhoff (fr. Volksp.), auch den Wünschen der Post- direktoren und Oberpostinspektoren auf Gehaltserhöhung Rechnung zu tragen und beide Kategorien entsprehend einer vom Reichstag beschlossenen Resolution in Rang und Gehalt gleichzustellen. Die Revision der Betriebsämter sollte von mit den Verhältnissen des Betriebs vertrauten Direktoren vorgenommen werden.

Abg. Bruhn A Refp.) bittet den Staatssekretär, \sich darüber zu äußern, ob nicht die Assistenten und Oberpostassistenten zum zweiten Male zur Seckretärprüfung zugelassen werden könnten.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Ich kann nur wiederholen, was ih {hon öfter vor diesem Hause ausgesprohen habe, daß es nicht in meiner Absicht liegt, eine Aenderung der Vorschriften über die Examina eintreten zu laffen, daß es also dabei bleibt: Wer zweimal durchgefallen ist, für den ist die Saße zu Ende; zum dritten Male kann er das Examen nicht

machen.

Abg. Hamecher (Zentr.) empfiehlt au bei dieser Gelegenheit die Gründung von Postbeamtenverbänden. Von einer Nebenregierung, von der der Staatssekretär gesprochen habe, könne da keine Nede sein. Streitigkeiten zwischen Militär- und Zivilanwärtern habe der Verband deutscher Post- und Telegraphenassistenten von dem Bereich seiner Wirksamkeit fernzuhalten gewußt. Das beweise, daß Beamtenverbände auch segensreich wirken. Um eine Machtfrage handelt es sich in dieser Beziehung nicht. Die leßten Reichs- tagswahlen haben gezeigt, daß die Postbeamten durhaus auf dem Boden der staatlihen Autorität und Ordnung stehen.

Abg. Werner (d. Rfp.) führt Beshwerde über die Vershlech- terung des Dienstplans auf dem Haupttelegraphenamt in Berlin, wo- durch die Beamten überlastet werden. Die Beamten fühlen fih auch beshwert durch das dort herrschende Ueberwachungs\ystem ; der Ober- behörde seine cs unbequem zu sein, wenn nit zahlreihe Anzeigen kommen; das erzeuge ein Spionagesystem, das höchst bedenklich \et. Auch der Sonntagsdienst sei \{chlecht geregelt; es komme vor, daß Beamte fünf Sonntage hintereinander E Dienst tun. Die Telegramme des Wolffshen TLTelegraphen - Bureaus werden ungebühclih bevorzugt. Alles bleibe liegen, bis diese, in und außer der Reihe, béfördert wären, und wehe dem, der es nicht tue, er könne gewärtig sein, daß unweige:lih eine Anzeige von Wolf erfolge.

Abg. Dr. Görcke-Brandenburg (nl.) verweist auf die ungleich- mäßige Verteilung der gehobenen Unterbeamtenstellen in einzelnen fleinen Städten Brandenburgs8, wodurch eine Quelle der Unzufcieden- heit unter den Unterbeamten eröffnet set.

Abg. E ickhoff (frs. Volksp.) macht darauf aufmerksam, daß der Wohnungsgeldzushuß troß der vocjährigen Erhöhung um 5009/6 für die in- dustriellen Bezirke des Westens durchaus unzulänglih sei und in keinem Verhältnis zu den Mietspreisen stände. Gr hoffe, daß der Geseßzentwurf über die Wohnungsgeldzushüsse, der dem Reichstag vorgelegt werden solle mit Wirkung vom 1. April 1908, mit Nücksicht auf die hohen Mietspreise in vielen Orten auch für die Unterbeamten eine Erhöhung bringen werde. Ferner sei empfehlensweit, die Trage- zeit- der Dienstkleider zu verkürzen. Vielleicht sei es auch möglich, die freie Aerztewahl für die Unterbeamten einzuführen und ihnen die Medikamente unentgeltlich zu liefern, überhaupt Postkranken- kassen zu gründen. Die Bezüge der Postboten müßten erhöht werden. Im übrigen dürfe der Staatssekretär von der guten Ge- finnung der Unterbeamtenvcrbände überzeugt sein. Er, Redner, habe si felbst davon in einer Versammlung von Unterbeamten überzeugt. Man dürfe den Unterbeamten nicht verwehren, sich mit den Abge- ordneten über ihre Wünsche in Verbindung zu seßen. Abge- ordnete, die sich ihrer Verantwortung bewußt seien, würden O nur folhe Wünsche empfehlen, die sie für berechtigt alten.

Abg. von Treuenfel s (d. kons.) weist darauf hin, daß die Warte- zeit der Schaffner und Briefträger in verschiedenen Oberpost- direktionsbezirken_ verschieden sei. Im Bezirk Berlin dauere sie 10 bis 11, im Osten 14, in Mecklenburg 18 Jahre. Die mecklen- burgiscken Beamten seien gesinnungstreue Beamte. Die Beamten müßten fo gestellt werden, daß sie in ihrer Heimat bleiben wollten. Die von der Kommission für die Landbriefträger vorgeschlagene Gehaltserhöhung sei niht ausreihend. Jhr Minimalgehalt müsse mindestens 900 bis 1200 M betragen. Sehr viele Unterbeamten seien sehr geaen solchen Dienft zu versehen, der bisher von Assistenten esorgt werte. Dies sei ja {hon geschehen, aber diese Dienstleistungen müßten noch erweitert werden. Dadurh wäre die Möglichkeit gegeben, daß diese Beamten in eine bessere Stellung kommen und ihre Liebe zum Beruf und ihre Schaffensfreudigkeit er- höht werde. Die Beförderung der Unterbeamten in gehobene Stellen geschehe jeßt durch die Oberpostdirektion auf Grund eines Gutachtens der Amtsvorsteher. Das habe vielfah Mißtrauen erregt und die Unterbeamten haben deshalb die Sehr einer Prüfung vor- geshlagen. Vielleiht prüft die Verwaltung diesen Wunfh.

Abg. Kirsch (Zentr.) {ließt sich den Ausführungen des Abg. CGickhoff über die Erhöhung des Wohnungsgeldzußhusses für die Postunter- beamten an. Gerade in den Industriebezicken stehen sich die Unter- beamten sehr {chlecht. Sie führen au über die Art der Verteilung der Weihnachtsgratifikationen Klage. Die gehobenen Stellen sollten ganz abgeschafft und die Gehälter erhöht werden,

Abg. Nogalla von Bieberstein (d. kons.) tritt nachdrücklich für die Foltagenten ein. Ste wünschen eine Erhöhung ihres Gehalts, ein \chnelleres Aufsteigen, Gewährung eines jährlihen Urlaubs von

Tagen und eine anderweite Regelung des Sonntagsdienstes.

Abg. Gickhoff (fr. Volksp.) unterstüßt diese Wünsche.

Der Rest des Ordinariums wird ohne Debatte genehmigt.

Bei den einmaligen Ausgaben wünscht der

Abg. Günther - Sahsen (fr. Volks ? die Errichtung eines ueuen selbständigen bo l am Bahnhof in Plauen, um den ge- wahsenen Paketyerkehr bewältigen zu können.

ur Erwerbung eines Grundstücks in der Französischen Straße in Berlin werden als erste Rate 691 069 (4 gefordert. Die Position wird ae Debatte bewilligt.

Der Rest der einmaligen Ausgaben wird ohne Debatte

genehmigt, ebenso die Einnahmen im ordentlihen Etat. Jm

außerordentlihen Etat wird auf i! des Abg. Beck- : 000 M

eidelberg (nl.) die Einnahme von aus dem ebergang des Kabels Sylt—Arendal in das Eigentum der norwegischen Telegraphenverwaliung auf 324 000 # ermäßigt.

Abg. Pfundtuer (fr. Volksp.) begründet eingehend die zu den Daran gestellte 1 M iR Resoltion betreffend den Eifladen: orTotaris[.

Schließlih werden auch -die auf die Post- und Tele- graphenverwaltiung entfallenden Positionen des Ergänzungs- neßes bewilligt. Eine große Anzahl T onen wird nah den Anträgen der Budaetkomitaission erledigt.

Die Etats der Neichsdruckerei und des Rechnungs- hofes passieren ohne Debatte. l ;

_ Der Etat des Reichs militärgerihts wird für morgen zurückgestellt. :

Jm Etat des allgemeinen Pensionsfonds wird auf Antrag des Abg. Grafen Oriola (nl.) der Fonds zu Allerhöchsten Bewilligungen an pensionierte Per- sonen usw. von 18000 auf 28000 M crhöht; im übrigen wird der Etat unverändert genehmigt.

__ Der Etat über den Reichsinvalidenfonds wird ohne Diskussion genehmigt. :

Es folgt der Etat des RNeichseisenbahnamts.

__ Abg. Wegzel (nl.) bedauert, daß die Betrieb8mittelgemeinschaft niht zu stande gekommen sei. Die fühere Neigung zu einer solchen habe sich {ließli bis zu dem Vorschlage einer Güterwagengemein- schaft verflüchtigt. Aber selbst dieser Vorshlag Bayerns \chetne auf ein totes Gleise geraten zu sein. Der Gedanke der Reichseisenbahn sei ja längst abgetan, aber man sollte doch auf eine Vereinheitlihung des Cisenbahnwesens durch ganz Deutschland hinwirken. Bei einem fo intensiven Betriebe könnten die Generalunkosten und damit die Tarife exheblich herabgeseßt werden. Unserem Reichseisenbahnwesen fehle ein energischer Mann, der im praktischen und im Wirtschafts- leben Bescheid wisse und sch über kleine bureaukratishe Hindernisse hinwegsetze. Es sei beshämend, daß einzelne Eisenbahnverwaltungen sch dem Auslande gegenüber entgegen- kommender zeigten, als benachbarten deutschen Eisenbahnver- waltungen. Wie stehe es mit der föderativen Selbständig- keit der einzelnen Eisenbahnen? Es gebe auch im Eisenbahnwesen eine nationale Politik. Aus dem Süden, speziell aus Württemberg, käme man nit als Bettler hierher, nicht als wenn man, weil man dort eine \{chlechte Eisenbahnrente habe, aus dem Topf der preußischen UVeberschüfse zehren wolle. Er konstatiere ausdrücklih, daß man im Süden in weiten Volkskreisen mehr und mehr von jenem leidigen Schimpfen auf alles, was aus Preußen käme, zurüdckgekommen fet. Man erkenne voll und ganz an, was Preußen für die deutsche Ein- beit geleistet habe. Die Herren auf der Nechten bitte er, ihre Sym- pathien für Süddeutschland dadurch zu betätigen, daß fie moralische Eroberungen dort machten. Es könne nicht Aufgabe Preußens sein, nur den Fiékalismus zu pflegen. Es gebe auch tdeale Faktoren und ein folher sei es, die politische Einheit auch im Wirtschaftsleben zu Sa Lis E auch der preußische Finanzminister sein nationales

erz entdecken.

Abg. Freiherr von Richthofen (konf.): Der Vorredner hat in seiner \chönen langen Rede niht bloß wirtschaftliße Gesicits- purkte angeführt, sondern einen hohen nationalen Ton angeschlagen. E j s glaube, er hat die Sache in einem viel zu hohen Ton be- andelt. ih nichts anderes tun, als mich auf die ausführlichen Darlegungen im preußishen Abgeordnetenhause zu beziehen. Dort, wo man doch auch Sinn für nationales Empfinden hat, find Stimmen laut geworden, die eine Betriebsmittelgemeinshaft für unzweckmäßig und undurchführbar erklären. Das Abgeordnetenhaus hat sh gegen die Vorschläge des Vorredners mit großer Mehrheit erklärt. Diese Einwendungen können doch nicht so fkurzerhand abgewiesen werden. Ich erhebe namens meiner Freunde entschieden Einspruch gegen die Verwirklihung des vom Vorredner entwickelten Pro- jektes. Jh möchte da noch die Frage des E be- rühren. Dieses Kursbuch entspriht vor allen Dingen den Bedürf- nissen der Landwirtschaft und des Viehverkchrs; soll es aber seine Aufgabe erfüllen, so müßte es von den einzelnen Eisenbahn- verwaltungen in größerem Umfange gehalten werden. Jedenfalls bitte ich den Präsidenten des NReichseisenbahnamts, dieses Kursbuch unter allen Umständen aufreht zu erhalten.

Präsident des Neichseisenbahnamts, Wirkliher Geheimer Nat Dr. Schulz: Wie der Abg. Freiherr von Richthofen, so möchte auch ich es mir versagen, auf die Ausführungen des Abg. Weßel ‘ungeachtet ihres hochpatriotischen Tons näher einzugehen. Dagegen gestatten Sie mir einige Worte bezüglich der Anregung des Vor- redners in bezug auf die fortgeseßzte Herausgabe des Viehkurs- buhes für den Güterverkehr. Der Herr Abgeordnete hat seine Anerkennung dafür ausgesprochen, daß dieses Kursbuch ten Bedürfnissen der Landwirtschaft und des Viehverkehrs entspriht. Er hat ferner angeregt, daß das Neichseisenbahn- amt dahin wiken möge, daß das Viehkursbuch von den Eisenbahnverwaltungen in größerem Umfange gehalten werde. Das Netchseisenbahnamt hat in diesem Sinne bereits Schritte getan und die preußishe Eisenbahnverwaltung ersuht, das Vieh- kursbuch für den Viehverkehr auf allen den Stationen zu halten, die für den Viehverkehr eingerihtet find. Außerdem hat es sich auch bereits gewandt an die Vertreter des Viehhandels, die ein wesentlihes Interesse an der Herausgabe dieses Kursbuches haben. SWlteßlichß aber ist dieses Kursbuch ein buchhändlerishes Unter- nehmen wie jedes andere. Das Reichseisenbahnamt gibt jährlih dafür rund 20000 A und das if für einen einzigen derartigen Zweck bereits eine ziemlih reihlite Aufwendung. E2 ?5mmt eben darauf an, daß das Kursbuch mehr Aufnahme findet, und ih freue mi, daß die Deutsche Landwirtschafts»Gesellshaft mit gutem Beispiel voran- egangen ist und für mehrere Jahre Mittel in ihren Etat eingeseßt at. Von seiten des Reichseisenbahnamtes wird alles gesehen, um das Kursbuch dauernd herauszugeben.

Um 71/4 Uhr wird ein Vertagungsantrag abgelehnt.

Abg. Dr. Müller-Meiningen (fr. Volksp.): Auch ih möchte auf die begeisterte Nede des Abg. Wetzel niht eingehen. Er hat feine Ausführungen überhaupt an eine falshe Adresse gerihtet. Wir Liberalen Bayerns sind wie er der Anschauung, daß eine Betricbs- mittelgemeinshaft für alle Eisenbahnverwaltungen, auch für die bayerische, ein wahrer Segen wäre. Im Gegensaß zu den Aus- führungen des Freiherrn von Richthofen bin ih der Anschauung, daß man bei einigermaßen gutem Willen auch dahin kommen könnte. Auch ich bin der Ueberzeugung, daß ein Partikularismus auf keinem Gebiete verkehrter ist als auf dem der Verkehrspolitik. Der konservative Abg. von Erffffa hat es vorgestern für angemessen und ritterlich gehalten, mich im reu Fen Abgeordneten- hause wegen eines Artikels über die preußische fiska O Eisenbahnpolitik in rgen in geradezu hämisher Weise anzugreifen. Ich verzichte bei der Geschäftslage des Hauses auf etne eingehende Erwiderung. Jh möchte aber den Herrn nur daran erinnern, daß der Abg. von Kardorff, als wir seinerzeit diese Klagen über die figkalishe Eisenbahn- politik Preußens vorbrahten, den Grundsaß vertrat, daß Drenuen das noblesse oblige gegenüber den leinen Staaten unter allen Umständen beobachten müsse. Ein Blick in die Frese aller Parteien zetgt, daß die öffentliche preamo in den kleinen thüringischen Staaten ums dahin geht, daß dieser Grundsay bis jeßt in keiner Weise Pla gegr ffen gal Ich werde nah wie vor troy aller An- arte die fta he Eisenbahnpolitik Preußens nach Pflicht und Ge- wissen kritisieren.

Abg. Pichler (Zentr.): Der Reichskanzler wird ja wohl von der Rede des Abg. Wegel Kenntnis erhalten, aber auch hören, daß die Vertreter anderer Parteien ganz andere Gedanken hier zum Ausdruck ebraht haben, hinter denen mehr stehen als hinter der: württem- ergischen deutschen Partei. Wer im Kastanienwäldchen wohnt, ist in solchen Dingen recht wenig von JIdealen getränkt ; der weiß sehr gut, daß darin die nüchterne Berehnung und trockene Ueberlegung am weitesten führt. Dann möchte ih aber den Kollegen aae ob er wohl diese Rede gehalten hätte,

Ih möhte fie nüchterner betrahten und da kann

wenn Württemberg 7 %/ und Preußen nur 30/6 Gisenbahnrente ha? en würde. Jh gebe dem Vorredner ganz recht, daß hier nicht der Unterschied der Konfession in Betracht kommt, aber der Unterschied der Parteien igt sih sehr deutlich und am fortgeschrittensten in dieser Be- ziehung i die deutshe Partei in Württemberg. Erst lange danach kommen die übrigen Parteien, die niht an- nähernd so weit gehen, als der Abg. Wezel es ausgesprochen hat. Auch die Nationalliberalen in Baden, die es durhaus mit dem ortfritt halten, tehen ganz und gar nicht auf dem Boden des

orredners. Auch in Bayern spielt die Betrieb3mittelgemeinsckaft eine große Rolle. Aber wenn bei der Agitation für die bevor- stehenden Landtagswahlen bei uns in Bayern die Nationalliberalen die Gedanken aufrecht erhalten wollten, die der Kollege ausgemalt hat, so würden sie sehr \{chlechte Geschäfte machen. Jh danke \{chôn für einen Besig, bei dem ich absolut nichts mehr zu sagen habe und über den ein anderer vollständig zu verfügen hat. Der Vorredner hat die Worte unseres bavacisWer Eisenbahnministers zitiert, die Betriebsmittelgemeinshaft sei undurchführbar. Der Minister hat aber auch noch ein anderes Wort gebraucht, daß nämlich jezt über die Betriebsmittelgemeinshaft sehr viele Leute sprechen , die meisten aber nicht wissen, was dies eigentlich be- deutet. Ich fkonstatiere, rf der“ Minister dies vor der Rede des Abg. Weyel gesagt hat. Letzterer forderte gemeinsame Wagen, Werkstätten, Betriebsmaterialien, gemeinsame Kassen, ge- meinsame Ausgaben und Einnahmen. Das geht natürli über die Betriebsmittelgemeinschaft hinaus. Aber in den gemeinsamen Ginnahmen und Ausgaben liegt ja gerade die Schwierigkeit. Wer ist denn der Eigentümer derselben und wie sollen diese Einnahmen und Ausgaben verteilt werden? Das ist der Hauptpunkt, über den sih die Verwaltungen, abgesehen von organisatorishen Maßnahmen, nicht einigen konnten. Niemand wird dem preußishen Finanz- minister zumuten können, L er von den Hunderten von Millionen, die er ehrlih aus seinen Eisenbahnen erübrigt, großmütig etwas an die Württemberger abgibt. Eine Hauptsahe wäre die Herab- seßung der Generalunkosten durch den Großbetrieb. Preußen hat einen Großbetrieb in seinen Eisenbahnen und dieser allein bringt ihm die Uebershüsse niht. Der Haupt- untershied zwischen den großen Einnahmen Preußens und den geringen Württembergs und Bayerns ist in den ganzen wirtshaft- lihen Verhältnissen begründet. Wenn Württemberg das Ruhrgebiet bätte und die Großindustrie und die unmittelbaren Zugänge zu den Seehäfen wie Preußen, so hätte es genau dieselben glänzenden Eisenbahneinnahmen. Der ganze finanzielle Gewinn aus einer Betriebs- mittelgemeinshaft wurde auf jährli 10 Millionen berehnet, aller- dings von der Eisenbahnverwaltung, die freilih nit die idealsten Berechnungen dabei gemacht hat. Was würde wohl von diesem Betrage für Württemberg herausgearbeitet werden ? Der Leerlauf der Güterwagen is jeßt ein Hauptshade. Der aber würde nit beseitigt werden und findet sich in Preußen genau fo. Jh möchte Sie nach alledem bitten, daß wir au diese Frage in der nüchternsten Ruhe betrachten. In solhen Dingen kommt man nicht mit idealer Begeisterung und auch nicht mit nationalen Gedanken vorwärts, sondern ledigli mit ruhiger Ueberlegung und kaltem, nüchternem Verstand.

Abg. Eichhorn (Soz ): Wenn wir für die Durchführung einer gro Banggen Eisenbahnpolitik eintreten, so is dies nicht, weil wir glauben, daß damit dem Generalstabe besser Genüge geschehen würde, sondern im allgemeinen Verkehrsinteresse. Die NReichseisen- bahnen wären das Ideal gewesen, das alle die Schäden, die jeßt zu Tage treten, ausgeschlossen hätte. Wir würden auch mit einer Finanzgemeinshaft einverstanden sein, wenn es gelänge, eine solche auf ehrliher Basis zustande zu bringen. Wie sieht es denn aber mit der vielgerühmten preußisch - hessishen Betriebsmittel- gemeinschaft aus? Man lese einmal die hessishen Berichte über die Landtagsverhandlungen. Da findet man eine endlose Reihe von Klagen über Vergewaltigungen durch Preußen. Hessen hat nihts mehr zu sagen. Wenn man Selbständigkeit und Verkehrsinteressen für einen materiellen Gewinn verkaufen will, so mag man eine solche Gemein- haft mit Preußen eingehen. Bei leßterem handelt es sh vor allen Dingen um den Fiskalismus, der in den kleinen Bundesstaaten bisher vermieden ist. Es gibt keinen Staat, in dem das Personal mehr aus- genüßt wird und die Betriebsmittel liederlicher sind als im preußischen. Das müßte man alles bei einer Betriebsmittelgemeinshaft mit in Kauf nehmen. Preußen geht in feiner Eisenbabnpolitik ganz plan- mäßig vor, ein kleiner Staat nah dem anderen wird mürbe ge- macht, um so nach und nach die Selbständigkeit der Bundes- staaten im Eisenbahnwesen überhaupt zu übernehmen. Wir haben linksrheinish eine direkte Linie von Basel bis nach Berlin; wollen wir aber auf der rechten Rheinseite fahren, dann müssen wir in Frank- furt umsteigen. Das ist au einer der preußischen Tricks. Die Bekriebs- mittelgemeinschaft ist an dem Hintergedanken Preußens gescheitert, die ganze Verwaltung in Berlin zu zentralisieren, wo dann die einzelnen Bundesstaaten nichts zu sagen gehabt hätten. Bayern wollte gerade zugreifen, erst als es hörte, was Preußen im Schilde hatte, ist es \tußig geworden und sagte: Lieber nicht. Auch die Tarifreform ist nur ein Shritt auf der Bahn, die Selb- ständigkeit der Eisenbahnverwaltungen zu Falle zu bringen, ein sehr klug berehneter Schachzug der preußishen Eisenbahn- verwaltung. Für die kleinen Staaten bedeutet die Neform eine un- geheuerlize Verteuerung des Verkehrs und einen gewaltigen Einnahme- ausfall. Die Rente wird fallen und \ch{ließlich wird man ih in den kleinen Staaten sagen: Verkaufen wir uns lieber an Preußen. Die Fahrkartensteuer hat geradezu Fiasko gemaht und die Tarifreform wird einen weiteren Abmarsch in die unteren Wagenklassen herbei- führen. Hätten die süddeutshen Staaten mehr Rückgrat gezeigt, dann hätten sie vielleiht einen Damm bilden können gegen die Be- bhwar en Preußens und Norddeutshlands, bei uns den Fiskaliêmus einzuführen.

räsident des Neichseisenbahnamtes, Wirklicher Geheimer Rat Dr. Schulz: Sie werden nicht erwarten, daß ih auf die Ausführungen des Vorredners länger eingehe. Aber zwei Bemerkungen möchte ih nicht iegen laffen; er hat unter anderem gesagt, die preußische Eisenbahnverwaltun belpe die liederlichsten Betriebsmittel. Ich kann Ste versichern, daß sih die preußishen Betriebsmittel in sehr gutem Zustande befinden, sie stehen hinter deu Betriebsmitteln in den anderen deutschen Eisenbahnverwaltungen, ih kann sagen, binter denen keines anderen Landes der Welt zurück. Der Vorredner sagte ferner, wenn man auf der rechten Rheinseite von Basel nah Nords deutshland fahren wolle, so müsse man in Frankfurt a. M. um- steigen. Ih kann Sie nur bitten: bemühen Sie sich nur auf den Potsdamer oder Anhalter Bahnhof und Sie werden direkte Wagen sehen, die nah Basel gehen.

Abg. Bindewald (d. NRfp.) gibt zu, daß früher in Hessen die vreußisGe Eisenbahnverwaltung sehr \{harf kritisiert worden ift, glaubt aber, daß das Großherzogtum Hessen mit der jeyigen reu een Eisenbahngemeinschaft sehr wohl zufrieden sei.

bg. Köhler (wirtsch. Vgg.) tritt dieser Auffassung entgegen. Die Rente sei allerdings besser geworden, aber der Einfluß des Landtags und selbst des hessischen inanzministers auf den Eisenbahn- betrieb sei gleich Null. Hessen habe sich aller seiner Rechte begeben.

8 Der Etat des Reichseisenbahnamts wird genehmigt.

Séhluß 8 Uhr. Nächste Sißung Freitag 1 Uhr. (Etats des Reichsmilitärgerihts und des Reichskolonialamts.)

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