1907 / 112 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 May 1907 18:00:01 GMT) scan diff

bervorgehobenen Uebelstände zu mildern oder zu beseitigen. Ich kann das eine erklären, daß die Staatsregierung sh keineswegs der Auf- gabe entzieht, den hervorgehobenen Bedenken nahzugehen und Abhilfe zu s{chaffen, soweit es in ihrer Kraft steht und sie es für richtig hält. Es ist nicht erft seit kurzer Zeit, daß man sih mit der Frage beschäftigt hat, was reformbedürftig sei. Schon meine Amtsvorgänger haben damit begonnen, und alle Juristen, die berufen sind, hierbei mitzuwirken, haben h eingehend damit beschäftigt. Wenn der Herr Vorredner hervor- gehoben hat, daß seine Erörterungen im vorigen Jahre dazu geführt haben, die Prüfung aller dieser Fragen in weitere Kreise zu tragen, so erkenne ih das ohne weiteres an und sehe darin ein hohes Verdienst des Herrn Vorredners; denn die Ausführungen des Herrn Ober- bürgermeisters haben eine große Zahl von Metnungsäußerungen hervor- gerufen. Alle diese Aeußerungen können der Staatsregierung nur er- wünscht sein, weil sie berufen ist, aus den verschiedenen Ansichten, die #ch bilden, das nah ihrer Meinung Richtige herauszusuhen und für die Geseßgebung zu verwerten. Darum sind die Anregungen des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Adickes heute w'e damals dankenswert, die Regierung wird die Erörterung in diesem hohen Hause als be- sonders gewihtig bei ihren Erwägungen mit ins Auge zu fassen haben.

Ein großér Teil dessen, was der Herr Vorredner als wünschens- wert hingestellt hat, ift ja {hon auf dem Wege, bestimmte Gestalt anzunehmen. Weit angelegte Pläne sind vorhanden, und ihre teilweise Ausführung ift bereits im Gange. Also ih kann erklären, daß die Staatsregierung mit voller Kraft bemüht ift, zu bessern, wo sie es für nôtig hält. Daß ih dies überall mit dem decken wird, was der Herr Vorredner für angezeigt erachtet, kann ih aber selbstverständlih nihcht erklären. Es ift bei der großen Verschiedenheit der Meinungen, die sich herausgebildet haben, ganz ausgeshlofsen, daß etner allein das Richtige gefunden haben sollte. Das begehrt auch der Herr Vor- redner nit.

Ich kann also für heute nur erklären, daß voraussihtlich {hon in der nächsten Session des Reichstags ein Geseßeniwurf vorgelegt werden kann, der einige der wichtigen Fragen, namentlich für das amts- gerihtlihe Verfahren, hoffentlich in glückliher Weise regeln wird, und die Königliche Staatsregierung wird ferner zu erwägen haben, ob nit im Anschluß an die ersten Reformen weitere zu beginnen sein mögen. Ich biite also das hohe Haus, davon überzeugt zu sein, daß von seiten der Königlichen Staatsregierung nihts verabsäumt wird, um alle diese wichtigen Fragen eingehend zu prüfen und zu fördern. (Bravo!)

Professor Dr. Dernburg: Die Rede des Herrn Dr. Adickes vom vorigen Jahre, in der er die englishe Justizpflege als Muster hin- stellte, hat Erstaunen bei den Sachkennern erregt, selbst in England, wo man die Rechtspflege als veraltet empfindet. Mir müssen manches mit Mißtrauen betrahten, was von England kommt. Die Prozeß- führung in Deutschland ist viel volksfreundliher. Die Gärung ist \{chon stark genug in Deutschland, warum wollen wir rütteln an den positiven Grundlagen des Staates und unserer Mey allet? Gewiß kann manches vereinfacht und verbessert werden im Rechtsverfahren, aber unsere Richter selbst genießen höchstes Ansehen und Vertrauen in Deutshland und in der ganzen Welt. Halten wir fest an den Grundlagen unseres Justizwesens !

Zum Etat der Justizverwaltung hat D. Graf von Zieten-Schwerin beantragt:

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, abgesehen von der in Angriff genommenen allgemeinen Revision der Reichs\trafs- ese bung, aut eine baldige Verschärfung der Sitraf- bes mmungen und eine Aenderung des Verfahrens für ehrenrührige Beleidigungen und Angriffe hinzuwirken.“ : :

Der Antragsteller führt aus: Mein Antrag berührt einen wunden Punkt. Besonders kleine Leute sind gewohnt, bei Be- [eidigungen zur Selbsthilfe zu greifen, und so vergehen sie sih gegen göttlihes und menschlihes Neht. Beleidigungen, die aus Reizbarkeit entsprungen sind, lassen sih ja leiht durch Ehrenerklärungen, die der Richter vorschreibi, resp. durch Ehrengerichte aus der Welt schaffen. Anders is es mit frivolen, vorsäßlihen Beleidigungen. Diese müssen \{chwerer und schneller bestraft werden, event. durch Verlust bürger- liher Ghrenrehte. Vor allem muß die Prozeßführung in Be- leidigungssachen eine shnellere werden. Nehmen Sie meinen Antrag an!

Graf Prashma: Die vortrefflihe Begründung des Antrages erspart es mir niht, dabei die Duellfrage aufzurollen. Jm Neichs- tage ist diese überaus wichtige Frage öfter behandelt worden. (s ift niht zu leugnen, daß der Abg. Bebel mit Gewandtheit und Logik nachgewiesen hat, daß unser Duellunwesen weiten Kreisen Ge- legenheit gibt, die Staatêgeseße mißahten zu können, darauf zu „Pfeifen“, wie einer der Genossen höhnisch bemeikte. Die Sozial- demokratie befindet \sich in Uebereinstimmung mit der Reichs- regierung. Das macht es erklärlich, wenn sie so durch unsere Febler wächst. Viele hervorragende Hohenzollern und Fürsten "haben {ih gegen das Duell ausgesprochen. Das Duell if keine germanische Urart, es is uns von Frankreih gekommen. Das Duell ist gegen Gottes Gebot, das niemals gegen die Vernunft ist. Warum is} es so hrer, dieses allgemein anerkannte Uebel zu beseitigen? Von liberaler Seite wird sür die Aufhebung des Duells plädiert, ohne ein Grsatmittel zu schaffen. Der höhere Chrbegriff der gebildeten Klassen kann niht wirksam ges{chüßt werden. Das ist das Haupthindernis für die Beseitigung des Vuells. Ein weiteres Hindernis ist der falsche Ehrbeguiff. Die Ehre selbst kann niht durch einen anderen verleßt werden, man fkann fle s{ch nur selbst durch eine unsittlißhe und unehrenhafte Handlung + verletzen. Ft aber im Duell der Tod des Beleidigers eine wirklihe Sühne ? Das Duell ift nah göttlihen und staatlihen Gesetzen verboten, ein dunkler Ehrenmann wird noch dazu durch das Duell unter Umständen ¡um Mörder. Wer aber das Duellverbot a!s Offizier befolgt, wird aus seiner Gesellschaftsklasse au?gestoßen. Das ist mehr als mittel- alterliß und barbarisch. Zum Duell gehört nur dcr Mut des Mäubers und Selbstmörders, zur Befolgung des ODuellyerbots ebôrt ein viel höherer sittlißer Mut. Der Reichskanzler hat eine

evision der Duellbestimmungen verheißen nah dem Fall Koge, bisher ist nihts erfolgt. Die Befürchtung, daß nach Aufhebung des Duells noch mehr Streitigkeiten möglich sind, heißt den Teufel dur Beelzebub austreiben wollen. Leider ift unsere Geseßzgebung nicht imstande, eine wirklihe Sühne zu geben, Wenn heute ein Offizier beshimpft wird, muß er, um fatisfaktionsfähig zu bleiben, den Be- leidiger niederstehen; wenn aber dem Offizier die Brieftasche entrissen wird, übergibt er den Näuber einfach dem Strafrihter, ohne daß er irgendroïe in seiner Ehre verleßt gewesen ist. Nach meiner Ansicht bedürfen die Ehrengerihte nur einer Anweisung, das Duell zu ver- bieten, einer Erweiterung ihrer Kompetenz zum Zweck der Sühne. Die Duellanten müßten aus dem Offizterkorps dur die Ehrengerichte ausgestoßen werden. Ich bitte den Justizminister, zu erklären, wann die allgemeine Revision der Neichostrasgeseßgebung erfolgt, wenn unser Antrag nicht vorber Berücksichtigung finden kann. Unser Antrag würde eine wahrhaft christlihe Kulturtat einleiten.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Der Antrag, der hier vorliegt, beschäftigt sich nur mit ehrenrührigen Beleidigungen. (Sehr richtig!) Ih möhte hervorheben, daß mit den Worten „ehrenrührige Beleidigungen“ cigentlich zu viel gesagt wird. Dern jede Beleidigung i} ehren-

rührig. Also die Verstärkung, die in diesen Ausdruck „ehrenrührige Beleidigung" gelegt werden soll, ift, glaube ih, von juristishem

Standpunkte aus niht von Bedeutung. Dieser kurze Antrag enthält aber, wie er gestellt ift, sehr weitgehende Fragen, das muß ih {on aus seiner Fassung ersehea, und ich bin darin durch die Aus- führungen der Herren MNedner, die bisher das Wo:t er- griffen haben, nur bestärkt worden. Es wird davon nicht bloß der Abschnitt des Strafgeseßbuhs über Beleidigungen berührt, sondern auch der über das Duell. Es wird ferner davon berührt der allgemeine Teil des Strafgeseßbuchs, insofern es sich um die Frage handelt, inwieweit Strafen auf Ehrverlust ergehen können, und in bezug auf die Duelle, inwieweit die Teilnahme an ihnen mit in Er- wägung kommen wird. Also alles sehr weitgehende Punkte, die jeßt zu entscheiden und dazu bestimmte Stellung zu nehmen, für die NRe- gierung nicht möglih ift, angesihts der vom Herrn Vorredner er- wähnten, bereits im Gange befindlihen großen strafrechtlichen Neu- organisation. Wie foll es mögli sein, zwei ganze Abschnitte des Strafrechts und Verschiedenes aus dem allgemeinen Teil herauszunehmen und darüber jeßt ein Gesey zu machen, während, wie ich weiß und versichern kann, seit Jahren und jeßt mit besonderem Eifer daran gearbeitet wird, das allgemeine Strafgeseßbuh neu zu gestalten? Ih möchte nur auf die großen Schwierigkeiten, die darin enthalten sind, aufmerl® sam machen, indem ich kurz die Punkte hervorhebe, welche dabei zu erwägen sein werden. Ich will das tun, ohne auf die Streitfrage selbst einzugehen, ich kann zu ihnen hier noch keine Stellung nehmen- Denn das sind Fragen, die von der Regierung vorher erwogen und festgestellt werden müssen. Jch beginne damit, wie es mit den Strafen wegen der Beleidigungen gehalten werden soll, Wir haben niht nur etnen Paragraphen, in dem es heißt: Die Beleidigung wird bestraft, sondern die Beleidigungen sind in vershiedenen Unter- stufen gruppiert. Wir haben die Beleidigung, die üble Nachrede, die Kreditbeleidigung, alles Begriffe, die sorgfältig geprüft und in ihren Unterschieden herausgehoben werden müssen. Wie soll denn da bei einer geseßlihen Regelung ganz allgemein eine ehrenrührige Be- leidigung herausgenommen werden? Das is nah meiner Auffassung ganz unmöglich.

Nun die Duellfrage. Darüber bestehen sehr verschiedene An- fihten. Soll überhaupt eine Strafbestimmung für das Duell ge- troffen werden? Dann weiter: Wie hoh soll die Strafe bemessen werden? Soll fie die Ehre treffen, oder soll sie bloß gegen die Freiheit oder vielleicht auch bloß auf Geldstrafe gerichtet sein? Ich möchte dem Herrn Vorredner nur eins bemerken. Nah den langen Er- fahrungen, die die Strafgeseßgebungen gemacht haben, ist das Straf- geseß nicht imstande, eine Duellsitte zu brehen. (Sehr rihtig!) Wir haben die s{chwersten Strafen auf die Duelle gehabt, und si: sind dech nicht verhindert worden. (Sehr richtig!) Wir haben sie auch gehabt zu Zeiten, in denen Duelle in großer Zahl stattfanden. Also selbst strenge Strafen vermochten nichts dagegen auszurihten. Das ist eine Tatsache, mit der die Gesezgebung zu rechnen hat, und wenn dem Stafgeseßzgeber die Aufgabe gestellt werden sollte, durch Geseßzesformulierung das Duell zu beseitigen, so, glaube ih, daß dies unausführbar sein würde. (Sehr richtig!) Die Frage, ob das Duell unhaltbar sei oder nicht, kann die Regierung vom Standpunkt des Strafrehts aus nit lösen; diese Lösung liegt auf anderem Gebiete. Solange die Sitte das Duell fordert, wicd das Strafrecht versagen. (Sehr rihtig!) Also die ganze Frage ift keine solche, die hier bei der Erledigung und der Erörterung des Justizetats geprüft werden kann; ich kann darauf niht näher eingehen, und ich muß es ablehnen, irgendwie eine Stellung dazu zu nehmen. Das würde meine Aufgabe durchaus überschreiten.

Ich möchte noch auf eins aufmerksam machen. Wenn häufig gesagt wird, das Strafrecht müsse nahdrücklich\t einschreiten, so muß ih demgegenüber bemerken: die Strafen, welhe der Gesetzgeber ver- hängen kann bis zu den allershwersten, können immer nur folche sein, die die Tat als solche treffen sollen. Nun ist aber doch nicht zu ver- kennen, daß das Duell bei uns jeßt niht kediglih darauf beruht, daß die Ehre verleßt wird, sondern mittelbar auch darauf, daß die Mann- haftigkeit des Verleßten angegriffen wird, und daß er nun in dem Duell eine Wiederherstellung seiner angezweifelten Mannhasftigkeit suht. Wir würden aber keine Strafe finden können, durch welche ausgesprohen würde, daß die angezweifelte Mannhaftigkeit wieder anerkannt sei. Allerdings können die Strafen streng sein und auh dazu führen, daß die Duelle vermindert werden; aber die Beseitigung des Duells durch das Strafgeseßbuch wird niht gelingen. (Sehr richtig !)

Also, meine Herren, ih glaube, daß ich vom Standpunkte der Justizverwaltung aus jedenfalls nihts anderes in Ausficht stellen kann, als daß alle diese vielen Fragen, die ih kurz berührt habe, ohne, wie ih wiederhole, hier eine etgene Ansicht zur Geltung bringen zu wollen, geprüft werden sollen bei der bevorstehenden Neugestaltung des Straf- gesebbuhs. Sie müssen geprüft werden, denn sie drängen sich ohnehin {on dur unser geltendes Reht auf. Es wird Sache der preußischen Staatsregierung sein, ih darüber {lüssig zu machen, und die ver- bündeten deutshen Regierungen werden Stellung zu nehmen haben. S{hließlih wird es auf die Verhandlungen im Reichstag ankommen, wie die Fragen gelöst werden sollen. Aber das möchte ih nochmals hervorheben: über die Duellfrage im allgemeinen kann ich mtich hier niht des näheren auslassen, sondern es ift abzuwarten, wie sie sh im Volke entwickeln *wird und welhe Auffassungen zur Geltung kommen werden, namentlich ob es mözlich sein wird, irgendwie dahin zu wirken, daß tie Sitte nahläßt oder {chwindei. Aber die Iustiz- verwaltung oder die Strafgeseÿgebung allein wird das, was die Herren Vouxredner erreichen wollen, nicht zuwege brin zen. Beifall.) ;

Graf von der Shulenburg-Grünthal: Ich bin auch der Meinung, daß manches noch geschehen kann zur Vermeidung der Duelle. Aber es wird mir unvergeßlih sein, wie ich erfuhr von jener herclihen Allerhöchsten Order, in der es nicht heißt, in der Er- wartung, daß Duelle niht vorkommen, sondern in dcr bestimmten Erwoartung, daß Ehrenhändel mehr und mehr abnehmen werden; es | heißt weiter, daß jeder Offizier in der Armee niht geduldet werden soll, der die Ghre eines anderen angreift, aber auch der nicht, der ne Ghre nicht zu wahren weiß. Der Redner {ließt mit erhobener tarker Stimme: Es gibt gewisse Arten von Beleidigungen, diese fönnen nit gesühnt werden durch Richter und Geseße, sondern nur einzig und allein mit der Waffe in der Hand.

Generalfeldmarschall von Hahnke: Nah den Worten des Vor- redners hätte ih eigentlich nich1s mehr zu sagen. Aber ih muß doch Herrn Grafen Prashma entgegenhalten: wenn man von einem Offizier verlangt, daß er sein Leben emen falls | König und Vaterland es verlangen, so muß er sein Leben auch einsetzen, wenn seine eigene Ehre es verlangt. Wir Offiziere

denken nicht daran, diese Fälle unnötig herbeizuführen, sie

werden uns aufgedrungen. Handelt es sch um einen solhen Fall, so ist dieser durch unsere Königlichen Verordnungen über das Duell geregelt; die Durhführung dieter Verordnungen in unserer Armee hat keine Schwierigkeiten und Mißhelligkeiten verursacht.

Graf von Mi rbac erwidert gegenüber einer Bemezkung des Grafen von Zieten-Schwerin, daß man nicht die studentischen Mensuren au als Duelle ansehen möhte.

Oberbürgermeister Dr. Bender-Breslau: Das Duell ift in anderen Ländern abgeschafft, die genau dieselben Ehrbegriffe haben wie wir, es wird auch bei uns abgeschafft werden. Die Möglichkeit des Duells begünstigt die Streitsuht. Auf einem Fest in Hand- werkerkreisen läuft man wentger Gefahr als auf einem Fest in gebildeten Kreisen, besonders wenn dort die Stimmung warm ge- worden ift.

__ Der Antrag des Grafen von Zieten-Schwerin wird mit großer Mehrheit angenommen. ürst Radziwill bringt einen aegtes in Schneidemühl zur Sprache, wo ein Güteragent wegen Betrugs angeklagt worden sei, der ih eines sogenannten Strohmannes bedient baie, um ein Gut aus deutsher Hand zu erhalten. Die Angeklagten, bemerkt der Redner, wurden freigesprohen, aber die Ironie des Schicksals wollte es, daß die Königliche Ansiedlungskommission moralish auf die An- klagebank kam, indem festgestellt wurde, daß sih diese Behörde der Praktiken bedient hatte, wegen deren die Anklage gegen den Güter- agenten erfolgte, Diese Tatsache hat mir recht gegeten für meine damalige Verurteilung der sogenannten Polenpolitik. Solche Vor- gänge wie in Schneidemühl können das Ansehen der Staatsregierung nicht erhöhen. Jn Anlehnung daran möchte ih fragen, ob die Form der sogenannten Polenpolitik des orben Bülow nicht eine suggestive Wirkung auf die Beamten im Dsten ausüben wird, auch auf die Richter. Der Themis wird die Binde von den Augen genommen, und das Schwert der Gerechtigkeit wird zum Schwert des Brennus: „Wehe den Besiegten!®" Der Redner wendet \sich zur kritishen Be- sprehung einzelner im sog. Schulstreik ergangener Rechtsurteile.

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Der erfte Fall, welhen der hochverehrte Herr Vorredner berührt hat, ist mir nur aus den Zeitungen bekannt ge- worden. Ih bin deshalb selbstverständlih nicht in der Lage, mir etn Urteil darüber zu bilden, ob die Entscheidung des Gerichts, welche bei jener Untersuhung ergangen ift, rechtlich rihtig oder unzutreffend sei. Jh muß aus dem, was angeführt worden is, entnehmen, daß das Geriht den Tatbestand des Vergehens des Betruges, um den es ih handelte, nit festgestellt hat, und das konnte aus ver- schiedenen Gründen der Fall sein. Daß die Entscheidung des Gerichts ergangen ist, wie gesehen, kann den Wünschen und Anschauungen des Herrn Vorredners nur entsprechen.

Des weiteren ist hervorgehoben worden, daß die Richter unkewußt durch die ganze Atmosphäre beeinflußt würden, welhe sfich in ihrem Wirkungskreise gebildet habe. Jch muß den Standpunkt auf- recht erhalter, den ih \chon an anderer Stelle vertreten habe, daß diese Anschauung nicht zutreffend sei, denn soweit ih imstande bin, die Vorgänge zu beobachten und zu verfolgen, habe ih nihchts gefunden, als daß in jenen Gegenden, von denen der Herr Vorredner spricht, ebenso wie in den übrigen Teilen des Staates das Necht mit aller Gewissenhaftigkeit und auf Grund voller Ueber- zeugung gesprohen wird. Ich möchte au das soeben erwähnte Urteil hierfür anführen, denn es zeigt, daß die Richter die Tatsachen objektiv zu würdigen wissen, wenn die Angeklagten au solche sind, gegen welche nach der Ansicht des Herrn Vorredners eine gewisse Voreingenomnmenheit besteht. Endlich habe ih aber hervorzuheben, daß, nahdem von feiten der Staatsregierung mit großem Nachdruck betont ist, daß sie gegenüber allen Bestrebungen, welhe Bestand und Einrichtungen des Staates bedrohen, eine feste und energishe Haltung einzunehmen gedenkt, daran durch die Justizverwaltung sicherlih nichts geändert werden kann, sondern im Gegenteil, wenn das Geseyz verleßt ist, muß die Strafe erfolgen (sehr rihtig!) das ift ja gerade die Pflicht der Gerichte ; wenn die Verleßungen der Geseße aufhören werden, werden auch die Verurteilungen niht mehr stattfinden.

Das Neichsgericht hat eine Entscheidung getroffen, welche die Billigung des Herrn Vorredners nicht gefunden hat. Ich kann von dieser Stelle hierüber keine Kritik üben, denn ih habe das Urteil nicht gelesen, sondern nur heute gehört, was in den Gegenerklärungen vorgebracht worden ist. Jh muß mich jedes Urteils enthalten, anders kann ih {on von dem Grundsaße nicht, daß die Justizverwaltung Einfluß auf die Rehtsprehung der Eerihte niht hat. (Bravo!)

Auf eine erneute Anfrage des Fürsten Radziwill bemerkt der

Justizminister Dr. Beseler: Ich darf das, was der Herr Vorredner soeben ausgefühzt hat, nicht unwidersprcchen lassen. Es steht durhaus nit fest, daß von

(Lebhafter ‘-

| währen sind.

seiten der Staatfverwaltung irgend etwas angeordnet worden sei, was sie auf der anderen Scite getadelt hätte. Ih bin ganz außerstande, anzuerkennen, daß derartiges zuträfe; ih habe ausdrüdlih erklärt, daß ih nicht informie;t bin über jene Vorgänge. Wäre ih aber au darüber informiert und in der Lage, darüber Auskunft zu geben, so würde ih es troßdem ablehnen müssen, dies an dieser Stelle zu tun, weil ih es dem betreffenden Herrn Ressortminister überlassen müßte.

Dr. Freiherr von der Golß beschwert sich in Anlehnung an einen bestimmten Fall über die Höhe der Gebühren und Gerichtskosten.

Justizminister Dr. Beseler:

Ich bin auch dex Meinung, daß das Verfahren in dem Falle der Gebührenfestseßzung, den der Herr Vorredner mitgeteilt hat, nicht richtig gewesen is. Jch glaube, daß die Angelegenheit zu abermaliger Entscheidung hätte gebraht werden können, indem man zunächst die

' noh nicht ergangene Entscheidung des ersten Gerichts herbeiführte-

Das ist nicht geshehen und in die Entscheidung der Gerichte kann keinesfalls eingegriffen werden. In der Sache selbst hat der Herr Vorredner volllommen Recht. Auh nach meiner Ueber- zeugung besteht kein Zweifel daran, daß auch diejenigen, die mit eigenem Fuhrwerk ¿u den Gerichten fahren, Gebühren dafür erhalten müssen. Es ist das nicht ganz wörtlich in

der geltenden Gebührenordnung zum Ausdruck gekommen, aber bei der

Beratung des Kostengeseßes vom Jahre 1875, worauf sie beruht, ift von einer Seite die Frage angeregt und im Sinne des Vorredners von der Negierung beantwortet worden. Jh glaube, daß, wenn anders verfahren wird, das nicht zutreffend is, vielmehr Gebühren zu ge- Meines Wissens geschieht dies au sonst allgemein.

Oberbürgermeister Dr. Struckmann fragt an, ob bald an die Vollendung des neuen Gefängnisses in Hildesheim zu denken fet.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

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zum Deutschen Reichsanzeiger und

„M 112.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Justizminister Dr. Beseler:

Die Vorarbeiten für dieses Gefängnis sind, soviel ih weiß, ziemlich Heendet, und es besteht die Absicht, im nächsten Etat die erste Rate für den Bau in Antrag zu bringen.

Damit ist der Justizetat erledigt.

eim Etat des Ministeriums des Jnnern lenkt La von Puttkamer die Aufmerksamkeit auf die geeignete Unterbringung geistesfranker Verbrecher und weiter auf die Automobil-

plage, die durch zu \hnelles Fahren der Automobile entstanden set. Dr. Freiherr von der Goltz: Die Provinzialverbände sind gar nicht in der Lage, vorläufig für die Unterbringung verbrecherischer Irren oder geistesfranfer Verbrecher so zu sorgen, daß deren Entweichen so gut wie unmöglich ist. Das ganze Streben der modernen Jrrenpflege geht auf die freie Bewegung der Kranken hinaus. Wollte man die Pro- vinzialverbände zwingen, die Verbrecher in geeigneter Weise fest- zuhalten, so müßte man zu einer Verrohung unserer modernen Ein- richtungen im Irrenwesen zurückehren. Hier muß der Staat in

ise Abhilfe schaffen. L an p Kli s bittet, die Normalsteuerordnung anläßlich des

8 vom 23. April 1906, wonach die Kreise Sankkonzessionen e können, zu Teribeven, da oft gerade diejenigen am wenigsten an Konzessionssteuern zu zahlen hätten, z. B. bei Verkäufen, die oft {fkrupulôse Geschäfte damit treiben.

Minister des Jnnern Dr. von Bethmann-Hollweg:

Dem Herrn von Klißing erwidere ih auf scine Anregung, daß wir bei der neuen Steuer, die wir für die Schankkonzessionen geschaffen haben, mit einer gewissen Vorsicht vorgehen mußten, um nicht in un- mögliche Experimente hineinzugeraten; und deswegen haben wir, der Finanzminister und ih, die wir die Mustersteuerordnung entworfen haben, es für unsere Pflicht gehalten, Maximalsäße nah oben vorzu- schreiben. Ih werde aber gern nah den speziellen Mitteilungen, die Herr von Klißing gemacht hat, erwägen, ob schon jeßt etwa eine Möglichkeit vorliegt, nah dieser Richtung hin die Mustersteuerordnung zu revidieren. Das eine möhte ich Herrn von Kligzing aber {on jeyt sagen, daß in der Mustersteuerordnung es vorgesehen ift, die Uebertragung von Schankkonzessionen an Deszendenten, Witwen usw. steuerfrei zu lasien, und daß infolgedessen au die Möglichkeit besteht, Ke zu einer niedrigeren Steuer heranzuziehen, wie die übrigen. ;

Zu der Automobilfrage bitte ih um die Erlaubnis, mich im gegenwärtigen Moment noch nicht äußern zu dürfen, da ih von zwei Herren aus dem hohen Hause gehört habe, daß fie zu dieser Frage das Wort ergreifen wollen. 5

Wenn L von Puttkamer \ih beklagt hat über die Notstände, die dadurch hervorgerufen werden, daß unvorsichtige und böswillige Menschen sich vielfah mit Waffen, Revolvern, versehen und Verbrechen oder Unfug damit begehen, so ift mir wohl bekannt, daß namentli in den industriereihen und eng bevölkerten Gegenden derartige UYebel- ftände zu beklagen sind. Wir haben dort versucht, diesen Uebelständen auf dem Wege entgegenzutreten, daß durch Polizeiverordnung das Tragen von Waffen und auch der Erwerb yon Waffen beim Waffen- händler von dem Besiy eines behördlich ausgestellten Waffenscheines abhängig gemaht worden ist. Es sind derartige Verordnungen in den beiden westlihen Provinzen, in Rheinland und Westfalen, erlassen worden, wie ih berihtet worden bin, mit gutem Erfolg, und so glaube i, daß wir auf diesem Wege wenigstens eine Besserung der bestehenden Verhältnisse herbeiführen können. Ob der von Herrn von Puttkamer gewünschte Weg der Retchsgesep- gebung, indem der Waffenverkauf an eine Konzession geknüpft wird, gangbar sein wird, möchte ih doch sehr bezweifeln. Jh kann es mir im gegenwärtigen Augenblick noch nicht recht vorstellen, daß wir ein derartiges Gese im Reichstage würden durchbringen können. Immer- hin werde ih gern bereit sein, die Sache zunächst einmal zu erwägen.

Nun komme ih zu der Frage der Unterbringung der geistes- kranken Verbrecher, über die sh Herr von Puttkamer und Freiherr von der Golh ausgesprochen haben. Meine Herren, für die Staats-

regierung liegt die Sache doch folgendermaßen: Durch Er- kenntnis des Oberverwaltungsgerihts ist festgestellt worden, daß die Provinzen die Verpflichtung haben, au für

die verbreherishen Irren, zu fsorgen, gleihgültig, ob sie bestraft worden sind oder ob eine Strafe noch nicht über sie verhängt worden ist, Von diesem Standpunkt muß die Staatsregierung ausgehen, so lange nicht die Verhältnisse durch ein neues Gesetz geändert worden find. Nun ist gesagt worden, es set zweifelhaft, ob dieses Erkenntnis des Oberverwaltungsgerihts überhaupt haltbar wäre, da die Irren- pflege, die den Provinzialverbänden übertragen worden fei, ja wesent- lid vom kommunalen Gesichtspunkt aus geübt werden foll, während 28 ih hier um die Erfüllung der staatlichen Pflicht handele, gemeins gefährlihe Irre einzusperren und unshädlih zu machen. _Das Ober, verwaltungsgeriht hat im Gegensaß zu dieser Ausführung aus- einandergeseßzt, daß nach der historishen Entwicklung unserer Nechts- verhältnisse auf diesem ganzen Gebiete die gesamte Irrenpflege den Provinzen obliege, auch wenn es sich um verbrecherishe oder bestrafte Irre handelt. \ Namentlich Herr Freiherr von der Golß hat ausgeführt, daß die Provinzen in eine außerordentlih s{wierige, beinahe unmöglihe Lage gedrängt worden seien durh die Erkenntnis des Oberverwaltungs- gerihts, durch ihre Pflicht, verbreherishe Irre unterzubringen. Meine Herren, ih kann Freiherrn von der Golß in dieser Beziehung doch nicht folgen. Untergebracht, sichergestellt müssen die verbrecherischen Irren unter allen Umständen werden. Ob wir, wie Herr von Puttkamer meint, uns auf der falschen Bahn befinden, daß wir mehr und mehr das Verbrechen als solches negieren und immer mehr die Geiftes- krankheit an die Stelle des verbrecherishen Sinnes seyen, darüber will ich mi hier niht autsprechen. Ob ein Verbrechen aus böser Absicht oder infolge geistigen Defekts verübt worden ist, ist mir für mein Ressort gleichgültig. Ich verlange nur, daß die menschliche Gesellschaft gesichert wird vor allen diesen Elementen, welche sich als unsozial erweisen und die bürgerliche

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 10. Mai

Ordnung durchbrechen ; sie sollen bestraft oder in Irrenanstalten ab- solut ficher O werden. Sie sind bisher in Irrenanstalten nicht absolut sicher detiniert worden, das muß ih zugeben; es sind vielfa derartig gefährlihe Elemente ausgebrohen und haben bann sofort neue Verbrechen begangen. Dieser beklagens8werte Zustand ist aber erklärlih. Die Provinzialverbände haben bis zum Ergehen des Er» kenntnisses des Oberverwaltungsgerihts vom Jahre 1905 fast übereins-. stimmend die Ansicht der Staatsregierung gegenüber vertreten, sie seien niht verpflichtet, die verbrecherischen Irren unterzubringen; sie haben infolgedessen niht für derartige Anstalten gesorgt. Nachdem nun vor zwei Jahren ihre Vezxpflibtung durch den obersten Gerichtshof festgestellt ist, sind im gegenwärtigen Moment, allerdings noch nicht an allen Stellen, diejenigen Anstalten vorhanden, welche erforderlich sind, um die Leute, von denen hier die Rede ist, mit Sicherheit unterzubringen; €s wird aber von mir dahin gewirkt, daß die Provinzen dieser ihrer Verpflichtung nachkomme», "nd ih hoffe, daß wir in absehbarer Zeit in den Provinzen für den fraglihen Zweck geeignete Häuser haben werden. Nun wird. demgegenüber hervorgehoben: wenn die Provinzen dazu verpflihiet werden, würde das einmal außerordentlich viel Geld kosten. Daß es Geld kosten wird, gebe ih zu; die Verpflihtung der Provinzen steht aber fes, sie werden ihr also nachkommen müssen. Des weiteren wixd eingewendet: die gesamte JIrrenpflege, wie sie gegenwärtig von den Provinzen ausgeübt wird, werde ges{chädigt, in ihr Gegenteil verkehrt, wenn die Provinz auch für eine bestimmte Anzahl von Irren lediglich von dem Gesichtspunkte ausgehen müsse, nicht die Leute zu heilen, sondern nur sicher einzusperren. Ja, meine Herren, diese Schwierigkeiten würden doch für den Staat genau in der gleihen Weise bestehen, wenn der Staat derartige Anstalten einrihten sollte; ich glaube, sie würden in noch höherem Maße bestehen, und wir würden zu noch s{chlechteren Verhältnissen kommen wie gegenwärtig. Wir würden ih habe das im Abgeordnetenhaus hon vor einigen Wochen ausgeführt —, wenn wir dem Staat die Unterbringung der geistes- kranken Verbrecher zumuten, zwei Arten von Irrenhäusern bekommen: neben den Provinzialirrenhäufern die staatlichen Irrenhäuser, wo die Leute lediglih unter dem Gesichtspunkte untergebraht werden, daß sie niht echappieren; es ist also ein ganz hoffnungsloses Unterkommen für diese Leute, und es würden JFrrenhäuser zweiter Klasse sein, während man die Irrenhäuser der Provinzen als solche erster Klasse ansehen müßte. Ich glaube nicht, daß das eine Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes sein würde; es würden auch im ganzen \{ließlich sehr viel größere Kosten aufgewendet werden, wenn der Staat derartige besondere Anstalten errichten sollte. Der Staat hat sonst keine Frrenverwaltung. Er würde aber dot in diesen Häusern auch Irren- pflege treiben müssen; er hat nit die entsprehenden Aerzte, er hat fein vorgebildetes Wärterpersonal, er würde nicht in der Lage sein, verbrecerishe Irre, die sh bessern und nah ärztlichem Urteil einer anderen Behandlung zu unterwerfen sind, in anderer Pflege unterzubringen, oder er wäre genötigt, die bon ihm ein- zurihtenden Irrenanstalten auh nach zwei Richtungen _aus- zugesialten, wie es jeßt die Provinzen einrichten müssen. Ich glaube nicht, daß das zweckmäßig sein würde. Wenn die Provinzen die Pflege der verbrecherischen Irren haben, dann können fie individualisieren unter den verbrecherishen Irren, und es ist notwendig, daß sie das tun. Die Provinzen bekommen nämli nit bloß ver- brecherishe Irre, die bestraft worden sind, welche vielleiht, wie von einigen Seiten geglaubt wird, irrtümlih für Irre angesehen werden, sondern sie bekommen auch das ganze Heer von Geisteskranken, die noch nicht bestraft sind, die aber gefährliche verbrecherishe Neigungen haben. Für die sollen sie doch auch sorgen, und wie s{wierig würde es da sein, die richtige Unterscheidnng ¡wischen denjenigen Irren zu treffen, die den staatlihen und denjenigen, welche den Provinzialausiaïten zu- zuführen wären. Das würde zu fortgeseßten Kämpfen zwischen Provinzen und Staat führen, wem der Betreffende zuzuschieben sei, und wir würden die Angelegenheit in keiner Weise bessern. Meine Herren, ih erkenne vollkommen an, daß es für die Provinzen eine sehr kostspielige und \hwierige Aufgabe ist, deren Lösung ihnen nah dem Erkenntnis des Oberverwaltungsgerihts zugemutet wird; aber ih glaube nicht, daß dieselbe Frage auf einem anderen Wege zweckmäßiger zu lôfen sein würde als auf dem Wege, der jeßt einmal durch das Erkenntnis des höchsten Gerichtshofes als der richtige festgestellt ift. | : rühjahr durziehen gewissenlose Agenten das ea n V ees Versprechungen wegzulocken. Diese Agenten erhalten eine enorme Provision. In unseren Hei katholishen Gegenden läßt allerdings der Einfluß der Geistlichke folhe Mißstände niht aufkommen. Müssen diese Nou, diese Agenten, niht irgendwo E werden ? Minifter von Miquel hatte mir A dieser Frage zugesagt, aber er war

i ü t groß. Bezüglich der Automobile bin ih 2 e : aas Daß e in Städte und Bäder mit belebten

Straßen eigentlih nicht hineingehören.

Minister des Jnnern Dr. von Bethmann-Hollweg:

Auf die Frage des Herrn Grafen von Mirbach wegen der Agenten und Stellenvermittler bin ih außerstande, näher einzu- gehen, da die Frage der Stellenvermittler zum Nefsort ded Herrn Handelsministers gehört und ih nur ganz nebensählich dabei beteiligt bin. Es sind im übrigen, wenn ih richtig informiert bin, in legter Zeit vershärfte Bestimmungen von dem Herrn Handeläminister be- züglih der Stellenvermittler erlassen worden; aber wie gesagt, ih würde die Grenzen meines Refsorts überschreiten, wenn ih nah dieser Richtung hin Auskunft geben wollte, da es nicht zu meinem Geschäftsbereih gehört. |

Was die Automobilfrage anlangt, so bedaure ich aufrichtig, daf bei der Ausbildung dieses außerordentlich nüglitden und wichtigen Verkehrämittels nicht diejenige _Vorsidt wad allen Seiten angewendet wird, auf die das Publikum unmittelbar

Anspru hat. Gewiß, ih gebe zu, daß namentli innerbalb der Städte und Ortschaften vielfa mit elner

unverantwortli@en Schnelligkeit gefahren wird; ader, meine Herren,

niglih Preußishen Staatsanzeiger.

1907.

Sie werden allein dur polizeilihe Vorschriften in dieser Beziehung

eine wesentliche Besserung nicht erreichen. Ich glaube, daß die Haft-

pflicht des Automobilbesißers für den Schaden, den er anrichtet, erft

wird Wandel \hafen können. Es ist den Herren ja bekannt, daß die

Frage der Haftpflicht der Automobilfahrer und der Automobilbesitzer

zur Zeit Gegenstand der Reichsgeseßgebung bildet. Daß das Auto-

mobil nach manchen Richtungen hin auch ein unbequemes Fahrzeug

ist für diejenigen, welche nit darin sigen, daß mancher gestört wird,

wie der Herr Graf von Mirbach vorhin angeführt hat, durch Geruch

und Lärm, das alles gebe ich zu; aber man übertreibt, wie ih

glaube, doch die Gefahr und die Unannehmlichkeiten, welche damit

verbunden \ind. Oder, wenn ih mich anders ausdrüen darf, ih habe

die Hoffnung, daß die Gefahren und Unannehmlichkeiten, die damit

verbunden sind, ch mit der Zeit von selber abschwädhen werden. Ich

erinnere Sie daran, welhe Erregung es in das Publikum hinein

brachte, als vor zehn oder fünfzehn Jahren der Nadfahrverkehr stärker wurde, und wie hat sich im allgemeinen der Radfahryerkehr in den übrigen Verkehr hineingefunden; er bringt niht mehr Unannehmli(hkeiten in dem Maße hervor, wie im Anfang. Aehnlich wird es auch, glaube ih, mit dem Automobilismus sein, und was die Gefahren der Automobile anlangt, so roird es die Herren vielleicht interessieren, wenn ich ihnen einige Zahlen aus der Unfallstatistik miiteile, die in Berlin über die Straßenunfälle ge- führt wird. Es sind im Jahre 1905 durch Automobile 77 Unfälle herbeigeführt worden, von denen 2 tödtlich verliefen, 11 {were Ver- lezungen, 64 leichte Verlezungen herbeiführten. Im Betriebe waren 1909 Kraftwagen, im Jahre 1906 waren 2410 Kraftwagen in Be- trieb. Da ist die Anzahl der Unfälle erheblih gestiegen, es ereigneten sich 451 Fälle im ganzen, darunter 10 mit töôdlihem Ausgange, 96 Schwerverleßungen, 349 Leichtverlezungen. Aber, meine Herren, im Vergleih dazu möhte ih Ihnen die Zahlen mitteilen, die dur andere Fuhrwerke hervorgerufen waren. Es sind dur die Straßenbahnen in Berlin im Fahre 1906 27 Menschen getötet, 154 s{chwer, 1406 leiht verlegt worden, in den Vor- orten von Berlin wurden 11 getötet, 69 \{chwer verleßt, 484 leiht verleßt. Also allein durch die Straßenbahn hatten wir in Berlin und in der Umgebung von Berlin 38 Todes- fälle, 223 s{chwere, 1890 leihte Verleßungen. Das war die Straßenbahn. Und nun die Unfälle, die sons durch Fuhrwerke, dur Omnibus, Droschken usw. hervorgerufen worden sind. Durch diese wurden im Jahre 1906 in Berlin 80 Menschen getôtet, 600 {wer verlegt, 1998 leiht verlegt. Es find beispielsweise durch schwere Lastfuhrwerke, aus\ließlih der Bierwagen, allein 27 Menschen getötet worden. Allerdings sind die Unfälle, die dur Automobile hervorgerufen wurden, noth viel zu zahlrei gewesen. Aber ih glaube, die Zahlen, die ih Ihnen mitteile, werden JFhnen den Beweis liefern, daß au die übrigen Verkehrsunternehmungen und öffentlichen Fuhrwerks- betriebe noch zu einer so großen Anzahl von Unfällen Anlaß geben, und man wird nit behaupten können, daß die Unfälle, die durch Kraftwagen hervorgerufen find, in einem zu ungünstigen Verhältnifse zu diesen Unfällen stehen. Sie können versichert sein, daß ih, wenn ih auf der einen Seite im vollen Verständnis für die Aufgaben, die dur den Kraftwagenverkehr gelöst werden müssen, an sich das Kraft- wagenwesen nah allen Richtungen hin unterstüße, jedenfalls die Schäden, die durch \{chnelles und unvorsichtiges Fahren damit verbunden find, voll anerkenne und, soweit ih kann, zu mildern bestrebt bin. Ih gebe Herrn von Puttkamer zu, daß nah dieser Richtung etwas absolut Durchgreifendes, etwas absolut Sicherndes niht geschehen kann, aber wie bei anderen menschlichen Einrihtungen werden wir uns freuen können, wenn wir die befsernde Hand anlegen können.

r von Koscielski: Ih hätte verschiedene Beschwerden au

on A anderen Ressorts vorbringen können, aber die Person des Ministers des Innern veranlaßt mich, es gerade hier zu e Unsere Anerkennung wird ihm vielleicht unangenehm werden, aber ih hoffe, thn nicht wegzuloben, und so \sprehe ih es aus, daß er von allen Ministern uns, wenn au nicht mit Wohlwollen, das verlangen wir ja gar niht, doch mit Gerechtigkeit entgegengetreten ist. Anläßlich des unseligen Schulstreiks fand eine Hausfsuchung statt. In dieser Sache wurde der „Schles. Ztg.“ eine Miitteilun gemacht, Lt nur durch Verletzung des Amtsgebeimnisses seitens eines Beamten möglich war. Bas zeigt, daß doch nicht alles bei uns so geschieht, daß es die oberste Behörde verantworten kann. Wir Polen follen jeßt reihsfeindlich sein. Das ist auch im Anfang das Zentrum ge: wesen, dann hat es si gemausert, jet ist es wieder auf dg - steigenden Linie. Au ‘dle Konservativen mußten h {hon den Bor- wurf der Neichsfeindschaft machen lassen. Im Abgeordnetenhause hat man es gestern bedauert, daß die Regierung noch kein Enteignungs- esez gegen uns fertig hat. Wird ein solhes Tatsache, so müßte, de- stände das Sozialistengeses noch, das ganze Gicaismintilerwn e die Anklagebank, denn es rüttelt am beiligsten Recht, E er Sozialismus. Möge der Minister es wahr machen n E Yan Wort, keine Politik der Nadelftihe treiben zu wollen. Wir mig keine 'Unzabl Torauemadas, wir haben an dem einen großen hier

n i kommunalen f pon Wartensleben: Bei der Einri tung der komm Selbirermeltung batte man si den Amtsvor teher als en Ss patriarchalis entseideaden Mann gedatt D e 5 Ÿ Brief des aroßen Kaisers an meine! . a. “Die Amtsvorsteher werden mit Akten übertaste und fte a eigentlich die unterste, An ves Ten 2e Beamten er Vas ib jeßt zugemutet wird, ge : 5 ogin Sbreibwesens könnte |hon dadurch E E daß eine Verteilungs#stelle eingerihtet wird, die den AmEDr een nue die Sachen zuteilt, die d zu erledigen an a Dine erden M ng kleinerer Am : de N vielleiht einem pensionterten ffizier über»

tragen werden könnte. z y "Den von Schoenaich-Carolath: Ih fürchte, daß dur®

| B ag der enge Zusammenhang der AmtseingeseFrnen mi leyteren cite mputhehs She könnte, und gerade wegen Ad Jo. sammenhauges hat man ja die Stellung des Ambdvorsiehers gan Zur Frage des Automobilverkehrs babe ih mi Zon mde v Jußert. Es ist richtig, daß das Automobil cin Horrem U E auf der Straße, die wir gebaut haden. Einc Ant u F Automobil liegt mir fern, es wird das Fadrevug D Di nA a nad meiner Meinung werden. Aber die Attentat 2

" ei: » H Automobilverkehrs find do so gewatditn, dik de Sin