1930 / 25 p. 13 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Jan 1930 18:00:01 GMT) scan diff

Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 25 vom 30. Januar 1930, S, 4,

bäder gesprohen und gesagt habe, die Angelegenheit scheine nun mehr einer Lösung entgegengeführt zu sein, Sie nicht die ge ringste Hoffnung dazu hätten. Da haben Sie wieder ein Wort ausgesprochen, das im geraden Verhältnis zu Jhren gesamten Ausführungen stand. Wir sind mit der Firma Siemens in Ver- Handlungen getreten, aber die Vepndlungen stoßen nur des- halb auf Schwierigkeiten, weil ich die großen Auflagen, die die Firma Siemens machen will, nicht zu erfüllen in der Lage bin.

Was Sie dann über Homburg ausgeführt haben, gehört in keiner Weise hierher. Das isst eine Angelegenheit, die Sie bei dem Etat des Finanzministers vorzubringen haben, aber nicht hier. Sie haben wohl die Gelegenheit dazu benußen vollen, der- artige Ausführungen zu machen, weil der Finanzminister nit da ist.

Sie haben dann weiter Ausführungen über Wildungen gemacht, die wiederum niht in richtigem Verhältnisse zu den Tatsachen stehen. Jh habe ausdrücklih gesagt, daß das Kur- haus gebaut werden soll, daß man sih aber über die Art, wie es gebaut werden soll, noch nit einig sei. Jch habe ausgeführt, daß die Verhandlungen daxüber im Gange seien, daß einige Zeit notwendig sei, und wenn ih Jhnen sage, meine Damen und Herren, daß wir für Bad Schwalbach zwei Fahre gebraucht haben, daß wir mindestens zwei Jahre für Norderney gebraucht haben, dann werden Sie auch begreifen, daß man einen solchen Bau nicht aus dem Aermel s{chütteln kann. Wenn man von einer Sache nichts versteht, dann muß man sih in bezug auf seine Ausführungen dasjenige Maß auferlegen, was im Jnteresse der Sache geboten ist. (Lärm bei der Wirtschaftspartei.)

120. Sißzung vom 29. Januar 1930, 12 Uhr 15 Min. (Bericht d. Nachrichtenbüros d. Vereins Deutscher Zeitungsverleger.)

Das Haus beginnt am Mittwoch die zweite Beratung des Haushalts des Wohlfahrtsministeriums.

Die allgemeine Aussprache erfolgt getrennt nach den drei Abschnitten „Ministerium und Volksgesundheit“, „Allgemeine Volkswohlfahrt“ und „Wohnungs- und Siedlungswesen“. Mit der Beratung verbunden is eine Reihe von Anträgen zur Hebung der Volksgesundheit, auf Maßnahmen zur Milderung der Not dex Erwerbslosen und auf Aenderung der geltenden Wohnungs- und Siedlungsgeseße.

Abg. Dr. Stemmler (Zentr.) erstattet den Bericht des Haupt- aus\chusses über den Gesamthaushalt des Wohlfahrtêministeriums, Er gibt zunächst einen allgemeinen Ueberblick über die Abschlußzahlen des Haushalts und verbreitet sich dann des näheren über den Ge- sundbeitszustand des deut)hen Volkes. Es sei testzustellen, daß die Sterblichkeiteziffern im Jahre 1929 ganz gewaltig gestiegen seien. Jm ersten Vierteljahr 1929 sei die Sterblichkeitsziffer in Preußen aut 17.82 pro Tausend gestiegen gegenüber 13,30 pro Tausend im gleichen Zeitraum des Jahres 1928. Auch der Geburtenüber|chuß sei in er)dreckendem Maße zurückgegangen, wobei die Säuglin@éesterblich- keit keinen Einfluß auf diele Entwicklung ausübt. In Berlin und anderen Großstädten seien sogar bereits mehr Sterbefälle als Geburten zu verzeichnen. Wenn die ärztlihe Kunst nicht auf einer so außer- ordentlichen Höhe stände, wären wir bereits allgemein ein . ab- sterbendes Volk.

Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer nimmt hierauf das Wort. Seine Rede wird nach Eingang des Stenogramms veröffentlicht wérden.

Abg. Dr. Chajes (Soz.) begrüßt in der allgemeinen Aus ¡sprache die Vermehrung der Ausgaben für die Volksgesundheit, wenn auch die Gesamtsumme lächerlich gering sei. Die katastro- phale Wirtschaftslage habe zu weiterer Vershlechterung der Bolks- gesundheit geführt. Die Arbeitslosen bedeuteten eine große Be- lastung der Wohlsahrts- und Gesundheitspflege. Das Schimpfen auf die Mißwirtschaft in den Kommunen sei da nicht berechtigt. Sie seien gezwungen, gewaltige Opfer zu bringen, um die Arbeits- losen und hre Familien vor dem Hungertode zu bewähren. Der Redner bedauert die Verkürzung der Mittel für Schwangeren- fürsorge, für die Kinderspeisungen, Trinkerfürsorae und andere Wohlfahrtseinrihtungen, für die einfa feine Miitel vorhanden seien. Auch in den Berliner Krankenhäusern, die bisher als beste in der ganzen Welt galten, mußten bedauerlicherweise Spar- maßnahmen angeordnet werden, so bei der bakteriologischen Untersuchung, bet den Röntgenuntersuhungen usw, Hier dürfe Sparsamkeit niht am falschen Playe geübt werden. Den Fmpf- gegnern dürfe man keinen Grund zu ihrer Agitation dur Bwangsmaßnahmen usw. geben. Auch bei den Stellen der Medi- zinalreferenten dürfe nicht übermäßig und nicht an falscher Stelle

espart werden. Die Erweiterung des gewerbeärztlichen Dienstes

fei zu begrüßen. Das schwierige Problem dexr Aerzteversorgung sei im vergangenen Fahre leider nicht weiter gekommen, Mit bloßen Warnungen vor dem Medizinstudium sei es nicht getan Wir würden do zu einem gewissen numerus clausus der Kassen- ärzte kommen müssen, Ein numerus clausus dex Medizia- studierenden nüße nihts, es müsse eine Einschränkung der Frei- zügigkeit der Aerzte kommen. Hungernde Aerzte könnten der Volksgesundheit niht in der rechten Weise dieaen. Auf dem Ge- biete der gewerbeärztlichen Tätigkeit müßten hon den Studieren- den verbreiterte Grundlagen gegeben werden. Der Redner stellt est, daß infolge seiner im Vorjahre gemachten Ausführungen die Gleise für samtliche Diphtheriesera um 40 vH herabgeseßt worden sind.

Hierauf wird die Beraiung zwecks Vornahme der Ab- stimmungen zum Domänenetat unterbrochen.

Angenommen wird eine große Anzahl von eigen des Hauptausschusses, die u. a. fordern: Besondere Hilfsmaß- nahmen zur Stüßung der Domänenbetriebe in den besonders gefährdeten Gebieten Ostpreußens, Pommerns, der Grenzmark und Schlesiens durch Revision der Pachtrückstände; Nachprüfung der Pachtzinsen und Pachtrückstände für Oberschlesien und Be- reinigung insofern, als untragbare Lasten durch die Aufstands- schäden und die völlige Veränderung der Absaßverhältnisse so- wie die overschlesishen Verhältnisse überhaupt eingetreten find; Abnahme der den Domänenpächtern durch die Auflösung der Gutsbezirke entstandenen Erhöhungen der _steuerlichen Lasten und jonstigen Mehrbelastungen, insoweit die Domänenpächter dadur unbillig belastet werden; bevorzugte Berücksichtigung der kleinen und mittleren Landbedürftigen bei Verpachtung von domänenfiskalishen Streuparzellen; nachdrücklihe Förderung des Baues von zeitgemäßen Landarbeiterwohnungen auf den staatlichen Domänen und Entziehung jeder Vergünstigung, falls Domänenpächter den üblichen Kostenbeitrag zum Bau von Landarbeiterwohnungen unberechtigt ablehnen. Umgehende Vor- legung eines Geseßentwurfs, der fünf Millionen Reichsmark F den Bau von Arbeiterwohnungen auf den Staatsdomänen

ereitstellt; Abhilfe der mangelhaften Einrichtungen {n Bad Rehburg und in Bad Nenndorf; Errichtung eines weiteren _Badehauses in Bad Nenndorf und Herabseßung der Preise für Schlammbäder in dirsem Bade; ferner Erbauung eines neuen Schlammbadehaufes in Bad Nenndorf

und Festseßung der Kurmittelpreife in der Weise, daß das Bad ¿endorf mit den umliegenden Bädern ko1 furrieren und auch die minderbemittelte Bevölkerung die sanitären Einrichtungen des Bades benutzen fann; weiter unverzügliche Ausführung der aus der Bäderanleihe zu finanzierenden Anlagen. In den ange- nommenen Anträgen wird u. a. weiter gefordert Prüfung der Frage, ob die Herstellung eines Festdammes vom Fest- land nah Norderney möglih ist; tunlichste Ermöglichung einer Seßhaftmachung der in Ostpreußen untergebrachten deutsch-rusfischen Auswanderer auf domänenfisfkalischem Besiß als freie Siedler, soweit ihre Unterbringung in Kanada nicht gewährleistet ist; Abtretung derjenigen Domänen in Ostpreußen zur Aufforstung an die Forstverwaltung, die ihres schlechien Bodens wegen feine Pächter finden. Bereitstellung eines Meliorationskredits für Meliorationen auf den Staatsdomänen in Höhe vou 5 Millionen, davon 9 Millionen sofort; Berücksichtigung der örtlichen Handwerker bei der Vergebung von Bauten; Zuführung genügender Mittel an den Darlehnsfonds der Domänenverwaltung zur Unter- stüßung bewährter, in unverschuldete Not geratener Pächter und tüchtiger Pachtbewerber mit nicht ausreihendem Ver- mögen; Einstellung von Landwirten in den Regierungen, be- sonders in Ostpreußen, Pommern, Grenzmark, Schlesien, Hannover und Schleswig-Holstein; Ausdehnung des Systems der bäuerlichen Beijpielswirtschaften auch auf die Betriebe von 10 bis 20 ha. Annahme fand au ein kommunistischer An- trag, den Pachtpreis für unterverpachtetes Land von Staats- gütern soweit zu ermäßigen, daß eine erträgliche Bewirtschaftung gewährleistet ift. 2

Abgelehnt wurde ein fommunistisher Antrag auf Ein- sezung von 100 000 4 für Zinszuschüsse für Hypotheken zum Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden der auf staatlichen Mooren angeseßten Zeitpächter und Siedler. Abgelehnt wurden weitere kon;munistishe Anträge, u. a, ein Antrag auf Heraus- nahme dauernd unterverpachteten Landes von Staatsdomänen aus dem Pachtvertrag der Domänenpächter und Verpachtung unter Hinzuziehung der Gemeinden und der interessierten Klein- vächter entweder direkt oder an die Gemeinden durch das Land Preußen zu gleichem Pachtpreis ; ferner ein Antrag auf aus- drüliche Festlegung der Gleichstellung ausländischer Arbeits- kräfte mit den einheiminhen Arbeitern bezüglich Arbeits- bedingungen, Lohnsäße usw.; auf einheitlihe Regelung der Arbeitszeit jür alle in Eigenbewirtschaftung befindliche Staats- domänen für Arbeiter, Angestellte und Beamte sowie auf Aufhebung der Landarbeiterordnung,

Abg. Dr. Bun di (D. Nat.) betont, daß die Basis für das deutshe Volk nach dem Versailler Vertrag so schmal geworden sei, daß schon durch das enge Zusammenpferhen der Volks- gesundheitszustand leiden müßte, (Sehr wahr! rechts.) Während aber die Großstädte immer mehr übervölkert und geradezu zu einer Hypothek des Todes würden, verödete das flahe Land, obwohl dort ein gesundes Geschlecht heranwahsen könnte. Die Schuld daran trage die falsche Sozialpolitik. Vor allem müßte die Ver- ödung des Ostens, wie überhaupt des flahen Landes, durch bessere Fürsorge bekämpft werden. An den Ostgrenzen spreche für die Notwendigkeit dieses Vorgehens auh ein wichtiges nationales Moment, denn die kultuxell tiefer stehenden Polen ständen zum Eindringen bereit, Wix müßten eine Familien- politik auf biologischer Grundlage treiben, Siedlungs- und Wohnungspolitik mit größeren Mitteln und unter Beachtung des Ausleseprinzips. So könnten wir au die Gefahr abwenden, daß wertvolle Volfksteile auswanderten. Es sei sehr bedauerlich, daß 10 vH der amerifkfanischen Truppen ursprünglich deutschen Gebslüts waren. (Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.) Die finder=- reihen Familien seien steuerlich zu bevorzugen, vor allem aber eine solche Agrarpolitik zu treiben, daß der paradoxe Zustand auf- höre, daß bei Verengerung des Lebensraums des deutschen Volks in wertvollen Landesteilen keine ausreichende Bevölkerung qge- halten werden könne. Dabei wisse man, daß eine Landfamilie gewöhnlich in der Großstadt schon in der fünften Generation aus- sterbe, Ex beantrage, den Etattitel zur Bekämpfung der Tuber- fulose von 800 000 auf eine Million zu erhöhen. Festzustellen sei U, 6. - now, daß die Erkrænkungen nah Aborten und Fehl- geburten außerordentlich zahlreih seien und gerade die Frauen gefährdeten, die wix zum Kampf gegen den Geburtenrüdcgang brauchten, Deshalb sei er entschieden gegen die Beseitigung des Abtreibungsparagraphen, ebenso gegen die Milderung der- Aus- bildungsvorschriften für Hebammen. Besonders sollte sich der Minister ferner dafür einseßen, daß die Kanalisationsverhältnisse in den kleinen und mittleren Kommunen gesundheitlicher gestaltet werden. Mit ihrem Wunsche für die Medizinalbeamten wollten die Deutschnationalen angesihts der schweren Finanzlage des Staats dieses Fahr zurückhalten. Es sei aber verschiedentlih möglich, Wünsche der Beamten ohne neue Ausgaben zu be- friedigen.… Der Redner \chlägt einige solche Wünsche vor, um deren Erfüllung er bittet. Vor allem müsse das Ministerium die Arbeit der privaten Wohlfahrtsfürsorge fördern, denn sie arbeite besonders individuell und niht bürokratisch, sondern mit warmem Herzen und persönlichem Mitgefühl. (Bravo! bei den Deutsch- nationalen.) Endlich müsse ein Kleinrentnergeseß jenen Leuten einen Rechtsanspruch geben, die ihr Vermögen durch das Unglück des Vaterlands verloren hätten. (Sehr wahr! bei den Deutschnationalen.) Die Kleinkinderfürsorge sei überall unter ärztliche Aufsicht zu stellen und bei alledem zu bedenken, daß das flache Land die Ur- quelle der Volfkskraft immer sein werde. Der Redner weist unter Hinweis auf eigene genaue Kenntnis dex Materie die Vorwürfe gegen cine Ausbeutung der Arbeitskraft der Geisteskranken in den Anstalten zurück und beantragt, die 10 000 Mark für die Krüppelfürsorge wieder in den Etat einzuseßen. Mit das Aller- wichtigste bei der Volksgesundheit sei die seelishe Aufklärung des Volks darüber, daß die Menschen niht nur ein Recht auf die staatlihe Fürsorge für dîe Gesundheit, sondern die Pflicht dazu hätten, sih selbst gesund zu erhalten. Jn dieser Hinsicht sollten vor allem auch die Eheberatungsstellen wirken. Der Redner {ließt mit dem Wunsche, die Mediziner als Hüter der Volks- gesundheit nicht nur zu Wissenschaftlern, sondern vor allem auch zu sozialen Prafktikern auszubilden. (Beifall bei den Deutsch- nationalen.)

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.) teilt die Bedenken der Vorredner gegen die Sparabstriche beim Gesundheitsetat. An der Volksgesundheit sollte IEVENOS zulegt gespart werden, denn: rimus est timere. Vor allem seï der Geburtenrückgang zu be- lagen, der, wie u. a. Spengler mit Recht beklagte, in erotischer Literatur, Fikm- und Theatervorstellungen propagiert werde. Es unterliege auch keinem Zweifel, daß durch solche Bestrebungen die Prostitution zum _ Schaden der Bevölkerungspolitik gefördert werde. Der Minister müsse diese Machenschaften energisch be- kämpfen. Dahin gehörten auch die Anstürme gegen den Ab- treibungsparagraphen. Hur Frage der Bekämpfung des Krebses zitiert der Redner englishe neuere Literatur für die Auffassung, daß der Krebs als eine Krankheit der Zivilisation neuerli zahlenmäßig wachse und auch bösartiger werde. Der Krebs trete bei den einzelnen Berufsgruppen verschieden auf. Es sei fest- gestellt, daß Amerika unter Beachtung dieser Gesichtspunkte für die Ausbreitung der natürlihen Ernährung gesorgt habe. Es sei zu begrüßen, daß auch der deutshe Reihsernährungsminister Dietrih Fachleute einberufen habe, die die Förderung der natür- lihen Ernährung beraten sollten, besonders die Verbreitung des Genusses des reinen Roggenbrotes. Angesichts der Tatsache, daß bei uns Roggen in Mengen, mehr als Weizen, vorhanden sei, se?

es unsinnig, daß wir noch Roggenbrot in großen Mengen aus Schweden cinführten, zumal wir „Knäckte-Brot“ in besserer Qualität im Jnlande herstellen könnten. Vom Standpunkt der Volkêgesundheit könne er unmögli gegen die Einfuhr von Apfel- sinen sich wenden, aber doch gegen den Jmport der meisten anderen Nahrungsmittel, die wir durch eigene Produkte ersehen könnten. Jn größerem Maße müßten Eier und Gemüse in Deutschland produgziert und konsumiert werden. Als Produzenten sollie man dabei Kriegsverlebte als Siedler verwenden. Aller- dings hätten alle derartigen theoretishen Erörterungen keinen Zweck, wenn niht der hygienishe Unterriht in Volks- und höheren Schulen für mehr Aufklärung sorgte. Er habe das vor zwei «Fahren hon beantragi und werde beim Kultusetat den Minister fragen, ob er den entsprehenden einstimmig an- genommenen Antrag durhgeführt habe. Der Redner tritt noch für Ausbreitung der diätetishen Küche in den Krankenhäusern ein, Er ermahnt noch den Finanzminister, möglichst keine Spar- versuche bei der Bekämpfung der Geshlehtskrankheiten zu machen.

Abg. Hedwig Neumann (Komm.) erklärt, der Gesundheits- zustand werde angesichts der Lasten und Zölle und der Belastungen durch den Young-Plan wahrscheinlih noch shlechter werden. Zum Seer der Érwerbslosen kämen Tausende von Kuxrzarbeitern. Fn Berlin gebe es Betriebe, in denen schon monatelang nur zwei Tage in der Woche gearbeitet werde. Eine aroße Anzahl von Entlassungen stehe noch bevor. Alles das seien Folgen der Finanz- diktatux. Die Jndustriellen wollten jeßt auf Kosten der Arbeiter Kapital ansammeln. Die Regierung beeile sih, das Diktat der Jndustriellen durchzuführen. Das steigende Arbeitstempo verur- sache eine Zunahme der Nervenerkrankungen. Jm Jahre 1913 seien auf 100 Arbeitende 378 Erkrankungen gekommen, 1928 da- gegen 56,1. Das sei eine Folge der Ausnutung der Arbeitskraft. Dabei gingen die Krankenkassen heute sehr rigoros vor. Notwen- dige Krankenhausbehandlung werde infolge Erhöhung der Pilege- säße wahrscheinlich noch seltener von den Kassen gewährt werden. Die Kapitalansammlung sollte offenbar auch bei den Kranke:1- kassen beschleunigt werden. Die Produktionssteigerung um 30 vH gehe auf Kosten der Gesundheit der Arbeiterschaft. Die Be- treuung der Schulkinder lasse viel zu wünschen übrig. Auf 6000 Kinder komme nur ein Schularzt in Berlin, Jn den Berufs- shulen bestehe überhaupt keine s{hulärztlihe Betreuung. Die Rednerin begründet einen Antrag auf Einseßung eines besonderen Titels für die Bee und Angestelltenversicherung der Hebammen. Sie fordert die Beseitigung des Abtreibungs-Paragraphen, der eine Kulturshande für Deutschland bedeute, und empfiehlt An- nahme eines umfangreichen Antrages, der reihsgeseßlihe Bestim- mungen zum Schuß der Schwangeren und Wochnerinnen vor allem auch auf die Arbeiterinnen der Landwirtschaft und die weiblichen Angestellten ausdehnen will.

Abg. Hetidenreich (D. Vp.) fordert angesihts derx au vom Minister nicht als glänzend bezeichneten Gesundheitsver- hältnisse, daß die zweifellos als fnapp anzusprechenden Mittel rihtig und nußbringend in der Fürsorge angewendet werden. Es gelte, besonders auch die noch gesunden Glieder des Volkes mittels diesex Fürsorge zu fördern. Eine rechtzeitige zahlenmäßige Ueber- sicht über die Gesundheitsverhältnisse sei notwendig, um darau] entsprehende Vorschläge aufzubauen. Unbedingt müsse die {hul- ärztlihe Fürsorge auf die Verufs- und höheren Schulen aus- gedehnt werden. Der Redner fordert weiter zum Bau der Wasser- leitung in Kreise Jork die erste Rate und Beihilfen für die Wasserversorgung der Bergdörfer im Kreise Pyrmont, JFm- Ein- vernehmen mit dem Landesgesundheitsrat sollte auch festgestellt werden, inwieweit die äußerst starken Vorschriften über Wohnungs- desinfektionen bei Scharlah und Diphtheritis von Nuven seien. Die Statistik erweise, daß trob härfster Durchführung dieser Vorschriften die Krankheitsfälle gestiegen sind, wogegen in anderen Ländern mit milderen Bestimmungen keine Steigerung sich zeige. Für 1931 beantrage die Volkspartei auch Einseßung von Mitteln in den Haushalt zur Erforshung der Rheumakrankheiten. Die Personalpolitik des Ministers sei angreifbar. Die Beförderung eines Ministerialdirigenten zum Ministerialdirektor bei Wegfall einer Ministerialratsstelle sei niht zu billigen. Die Personal- politik widersprehe auch der sonst vom Zentrum geforderten Parität. Von vier Ministerialdirektoren gehören drei dem Zentrum an. ‘Der Minister falle gegenüber dem Sturm der all» gemeinen Ortskrankenkassen gegen die, Jnnungskrankenkassen, die ih als die ältesten sozialen Einrichtungen bewährt hätten, dauernd um. Er ziehe gegebene Genchmigungen wieder zurü, obwohl ihm gerade auf diesem Gebiet zur Genehmigung derartiger Kassen das Geseß zur Seite stehe. Der Redner führt als Fälle, in denen dies gesehen sei, den Fall Remscheid und neuerdings die Fâlle in Wiesbaden, Haynau in Schlesien und einen Fall im Krets Msörs, an. Diese Fälle ließen befürchten, daß hier der Minister von den allgemeinen Ortskrankenkassen stets zurückweiche. Die

Fraktion stehe auf dem Standpunkt, daß es Aufgabe jeder sozialen Einrichtung sei, mit geringsten Mitteln bzw. Beiträgen höchste Leistungen für die Versicherten zu schaffe. Nur Fnnungs- und Ersaßbkrankenkassen hätten sh in dieser Richtung bisher bewährt. Jm allgemeinen müsse man trob der ungünstigen Anzeichen an- erkennen, daß unser Volk im Kern gesund sei und daß bei rihtiger Anwendung der verfügbaren Mittel au keine Besorgnis vor der Zukunft aufzukommen brauche.

Darauf wurde die Weiterberatung auf Donnerstag,

12 Uhr, vertagt.

Nr. 5 des Ministerial-Blatts tür die Preußt|che innere Verwaltung vom 29. Januar 1930 hat folgenden Fnhalt: Allgem. Verwalt. RdErl. 23. 1. 30, Anträge auf Höberstutung von Angestellten. RdErl. 23. 1. 30, Gebühren- pfliht der Veröffentli. von Bezirksveränderungen in den Reg.- Amtsblättern. Kommunalverbände. NRdErl. 18. 1. 30, Steue-verteilungen f. 1929. RdErl. 17. 1. 30, Gewerbesteuer- veranlagung f. d. Rechnungsjahr 1929. RdErl. 21. 1. 30, Ein- heitéhaushaltsplan f. Landgemeinden. P olizeiverwaltu n g. Ungültigkeitserklärung v. Prüfungs8zeugnissen f. LUchtspielvorführer. NdE1l. 20. 1. 30, Wegweiser dur die Polizei. RdErl. 17.1. 80, Wirkung des § 18 des PBG. auf d. Landjäg.-Offiziere. RdErl. 95. 1. 30, Haushaltsvermerk zur Bes.-Gr. A 10c 1 (Pol.-Oberwachtm. ). —— pu NRdErïi. 18. 12. 29 Formblätter für die Nachwoeitung der MWohnungtverhältnisse d. Landiäg.-Beamten. RdErl. 20. 1. 30,

Schlußprüfungen der T-8.-Klassen. NdErl. 21. 1. 30, Abschluß--

prütungen d. PBS. Staatsangehörigkeit ujw. RdErl. 90. 1. 30, Staatsangehörigkfeitéausweite f. Ver)orgungsanwärter. Nichtamtlicher Teil. Deutiches Institut f. wirt\haftl. Arbeit in der öffentl. Verwalt. in Berlin. Neuerschet- nungen.— Zu beziehen dur alle Postanstalten oder Carl Heymanns Verlag, Berlin W. 8, Mauerstr. 44. Vierteljährlih 1,80 RM tür Ausgabe A (zweiseitig bedruckt) und 2,40 RM für Ausgabe B (ein- seitig bedruckt).

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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