1887 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 May 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Der Abg. Siegle empfahl die Annahme der Vorlage, welche die deutshen Jmporte in Folge der Aufrechterhaltung der Meistbegünstigungsklausel ebensogut stelle wie die anderer Staaten. Der deutsche Handel sei in steigendem Maße an dem rumänischen Verkehr betheiligt... Es wäre zu wünschen, daß die Regierung jeßt hon die Zusicherung geben könnte, daß das Vertragsverhältniß über 1891 hinausdauern werde.

Der Geheime Regierungs-Rath Huber wies an den einzelnen Positionen nah, welhe Vortheile Deutshland aus dem neuen Vertrage erwüchsen; gerade die Zollsäße für die dn Exportartikel nah Rumänien seien erheblich ermäßigt worden.

Der Abg. Broemel hob hervor, daß die Lage des deutschen or nah Rumänien früher eine bessere gewesen sei, als neben dem älteren deutshen Vertrage der umfassendere Vertrag mit Oesterreih-Ungarn bestanden habe, dessen Vortheile wegen der Meistbegünstigung au Deutschland zu gute gekommen seien. Jn halb Asien habe man sih die Weisheit von dem Schuße der nationalen Arbeit angeeignet. Die ganzen unsicheren Vertragsver- hältnisse Deutschlands wiesen darauf hin, daß der Abschluß von Konventionalverträgen nothwendig sei. Namentlich fehle es an einem Vertrage mit Oesterreih-Ungarn, an welchem alle deutshen Jndustrien ein Fnteresse hätten. Wenn Deutshland nicht in seinem Zolltarife Konzessionen machte, würde es zum Abshluß eines solhen Kon- ventionaltarifes nicht kommen. Rumänien sei ein Land, welhes landwirthschaftlihe Produkte erportire. Wenn Deutschland seine landwirthshaftlihen Zölle erhöhe könne sich ein Export deut]cher Jndustrie - Artikel nah Rumänien nicht ausbilden. Eine Erhöhung der Getreidezölle in dem Augenblicke, wo Deutschland mit Rumänien zum zoll- politishen Friedens\{luß komme, wäre sehr unklug. Diese steten Zollerhöhungen könnten die übrigen Staaten nur be- S V machen, mit Deutschland ein Vertragsverhältniß ein- zugehen.

Bei Schluß des Blattes erhielt der Abg. von Kardorff das Wort.

Der S@hlußbericht über die vorgestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

Fn der uen (50.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Minister des Jnnern von Puttkamer, und mehrere Kommissarien beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung die Fortsezung der zweiten Berathung des Gesegentwurfs, betreffend die Theilung von Kreisen in den Provinzen Posen und Westpreußen.

Zunächst erfolgte die Abstimmung über die Theilung des Kreises Pleschen in die Kreise Jarotshin und Pleschen.

Die Kommission schlug vor, zu dem ersteren Kreise mehrere Gemeinden und Gutsbezirke des Kreises Schrimm sowie die Stadtgemeinde und den Polizeidistrikt Zerkow vom Kreise Wreschen zu legen.

Der Abg. von Stablewski beantragte, die Stadtgemeinde und den Polizeidistrikt Zerkow beim Kreise Wreschen zu belassen. _

Dieser Antrag wurde angenommen; im Uebrigen stimmte aus dem Kommissionsantrage zu.

Ferner wurde die Theilung des Kreises Schildberg in die

Kreise Kempen und Schildberg beschlossen.

Gegen die Theilung des Kreises Krotoschin in die Kreise Krotoschin und Koschmin erhob der Abg. Dr. von FJazdzewski Widerspruch, indem er meinte, die Hauptabsicht sei dabei, wie man aus der künstlihen Theilung ersehen könne, einen deutschen Kreistag zu schaffen.

Die Abgg. Dr. Wehr S von Rauchhaupt und Hobrecht wiesen darauf hin, daß die Polen selbst in der Kom- ten sahliche Bedenken gegen diese Theilung niht erhoben

ätten.

Der Regierungs-Kommissar, Geheime Regierungs-Rath Dr. von Bitter bemerkte, daß der Widerspruch der Polen gegen die Bildung deutsher Kreistage gerade die Nothwendigkeit O Gegengewichts gegen das polnische Element eweise.

Die Theilung des Kreises Krotoschin wurde darauf nah dem Kommissionsantrage beschlossen , ebenso die Theilung des Kreises Kosten in die Kreise Kosten und Schmiegel. Der Land- kreis Posen soll in zwei Kreise, Posen (Ost) und Posen (West), getheilt werden, und zwar jollte der Kreis Posen (Ost) nah der Regierungsvorlage bestehen aus :

der Stadtgemeinde Schwersenz, dem Polizeidistrikt Owinsfk, dem Polizeidistrikt Posen I, vom Polizeidistrikt Posen TT den Gemeinden Gorczyn, JIersit, St. Lazarus, Naramowice Dorf, Naramowice - Hauland, Strzeszyno, Su(ylas, Ober-Wilda, Unter-Wilda und Winiary, sowie den Gutsbezirken Golentshin, Naramowice, Piontkowo, Schönherrnhausen, Sedan und Solacz. Die Kommission schlug vor, daß den Kreis bilden sollten : vom bisherigen Landkreise Posen: die Stadtgemeinde Schwersenz, sowie die auf dem rechten Ufer der Warthe belegenen Gemeinden und Gutsbezirke ; vom Kreise Schroda: die Stadtgemeinden Kostrzyn und Pudewit, der Polizeidistrikt Pudewit, vom Pol'zeidistrikte Kostrzyn die Gemeinden Glinka herrs, Glinka geistl.,, Gowarzewo, Jagodno, Izdebno Kol., Vor- werf Kostrzyn, Libartowo, Patschkowo, Sarbinowo, Siekierki (Kleins-) mit Tulipow, Sokolniki, Gwiazdowskie, Strumiany, Szewce, Taniborz, Tulce, sowie die Gutébezirke Buschkowiec, Gowarzewo mit Vorwerk Synowice, Gwiazdowo b. K. mit Hufen, Libartowo, Puszczykowo, Sarbinowo, Siekierki (Groß-), Strumin Königlihe Domäne, Tarnowo, Tulce mit Vorwerk Zademby. Der Abg. Graf Hue de Grais beantragte hierzu: statt der Worte „sowie die auf dem rechten Ufer der Warthe belegenen Gemeinden und Gutsbezirfe“ zu setzen:

der Polizeidistrikt Posen I.,

von dem Polizeidistrikte Vwinek die Bolechowo, Bolechowko, Czerwonak-Dorf, Czerwonak-Hauland, Dembogóra, Heinrichsfelde, Kitshin, Kliny, Mienkowo, Praemrißtz, Skorzentschin und die Gutsbezirke Bolehowo, Owinsk I, Owinsk 11, Wilczenica und Wilczonka.

Der Abg. Seer bat, die Zutheilung der Stadt Kostrzyn und einzelner Ortschaften des Polizeidistrikts Kostrzyn zum Landkreije Pojen (Dst) abzulehnen eventuell für den Fall der Abtrennung von Kostrzyn nebst Umgegend dem Kreise Posen (Oft) zuzulegen :

1j vom Distrikt Owinsk die Gemeinden Chludowo, Choynica, Glinienko, Lagiewnik, Neudorf- Hauland, Radojewo und Trzuskotowo und die Gutsbezirke Chludowo, Choynica, Glimno, Knyschin, Lagiewnik, Morasko, Neudorf bei Radi- jewo, Radojewo, Trzusfotowo,

das

Gemeinden Barcinek,

nach Erbach, ohne Diskussion dem Auss{huß zur

2) vom Distrikt Noten IT die Gemeinden Naramowice Dorf, Naramowice- Alt- und Neu-Hauland, Strzeszyno, Suchylew und Winiary, sowie die Gutsbezirke Golencin, Naramowice, Piatkowo, Schönherrnhausen, Sedan, Solacz.

Den Landkreis Posen (West) sollten nah der Regierungs- vorlage bilden:

die Stadtgemeinde Stenscewo,

der Polizeidistrifkt Komornik,

vom Polizeidistrikte Posen Il die nüicht dem Kreise Posen (Oft)

zugelegten Gemeinden und Gutsbezirke, der Do ciie Sady, der Polizeidistrikt Stenschewo.

Nach dem Kommissionsvorschlage: :

die Stadtgemeinde Stenschewo, sowie die auf dem linken Ufer der Warthe belegenen Gemeinden und Gutsbezirke.

Hierzu beantragte der Abg. Graf Hue de Grais:

statt der Worte „sowie die auf dem linken Ufer der Warthe belegenen Gemeinden und Gutsbezirke“ zu seßen:

die Polizeidistrifte Posen II, Komornik, Sady und Stenshewo,

sowie von dem Polizeidistrikt Owinsk die nicht dem Kreise Pofen

(Oft) zugetheilten Gemeinden und Gutsbezirfe.

_ Der Abg. Czwalina endlich stellte den Antrag, sämmtliche die Theilung des Landkreises Posen betreffenden Anträge an die Kommission zurück zu verweisen.

Nach längerer Diskussion, an welcher die Abgg. Motty, Graf Hue de Grais, Czwalina, Seer, von Czarlinski, Hobrecht, Graf zu Limburg-Stirum, Dr. Windthorst und der Regierungs- Kommissar, Geheime Rath Dr. von Bitter sich betheiligten, wurden unter Ablehnung der Anträge der Abgg. Seer und Czwalina die Kommissionsbeshlüsse mit den sie modifizirenden Anträgen des Abg. Graf Hue de Grais vom Hause genehmigt.

Die Gestaltung der Kreise Rawitsch, Schildberg, Schmiegel, Czarnikau, Filehne, Gnesen, Witkowo und Znin wurde nach den Vorschlägen der Kommission vom Hause beschlossen.

Bei Schluß des Blattes begann die Berathung der Theilung der westpreußishen Kreise.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württembergishe Ober-Finanz-Rath Fischer, is hier an- gekommen.

Der Königlich großbritannische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Sir Edward Malet, ist vom Urlaube nah Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

S. M. Kanonenboot „Flt is“, Kommandant Kapitän- Lieutenant von Eickstedt, ist am 7. Mai cr. in Gibraltar ein- getroffen. S

S. M. Sciffsjungen-Shulschiff „Nixe“, Kommandant Korvetten-Kapitän von Arnim, ist am 8. Mai cr. in Gibraltar eingetroffen und beabsihtigt, am 23. Mai cr. wieder in See zu gehen.|

Wiesbaden, 7. Mai. Jn der gestrigen 8. Plenar- sibung des Kommunal-Landtages wurde zunächst der Bericht der Finanz-Kommission, betreffend den Erweiterungsbau des Museums hierselbst, vorgetragen und ein Antrag des Abg. Holdheim angenommen, dem Landes-Ausshuß mit dem Auf- trage zu überweisen, falls die Finanzlage es gestatte, einen entsprehenden Betrag in den nächstjährigen Etat nah vor- heriger Vereinbarung mit der Museums-Verwaltung über die Bedingungen der Hingabe einzustellen. Sodann wurde auf Bericht der Kommission für Abänderung der Nassauischen Brandversicherungs-Anstalt beschlossen: a. den Entwurf des Reglements nächst den Ausführungs- und Uebergangsbestim- mungen, mit d. vorgeshlag: n Abänderungen zu genehmigen, | aud“ bv. deg LandeSaüusshuß zu ermähtigen, die nöthigen Falls endgültige Feststellung desselben mit der Königlichen Staatsregierung zu vereinbaren. Auf den Bericht der Wegebau-Kommission zu der Eingabe des Gemeinderaths zu Roth a. d. Weil, betreffend den Ausbau des Weges von da nah Hasselbach - Kamberg, wurde die Ein- gabe dem Landes-Ausschuß überwiesen. Schließlich wurde der Bericht der vereinigten Finanz- und Wegebau-Kommission zu der Vorlage des Landes-Auss\chusses, betreffend die Uebernahme der Ortsberingsstraßenstrecken in vormals nafsauishen Gegenden in kfommunalständishe Unterhaltung, vorgetragen und nah längerer Diskussion sowie nah Ablehnung des Minoritäts- antrages der Antrag der vereinigten Finanz- und Wegebau- Kommission angenommen.

Jn der heutigen 9. Sißung des Kommunal-Landtages wurde der Antrag des Abg. Schmidt, betreffend den weiteren Ausbau des Vizinalweges von Roth a. d. Weil über No a

erüdsich- tigung überwiesen. Nach Vortrag des Berichts der S iaane Kommission über den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Kommunalverbands für 1887/88 wurden die einzelnen Etats durhgegangen und angenommen. Desgleichen der all- gemeine Etat mit der Maßgabe, daß Kap. 1 Tit 1 u. 2 für übertragbar erklärt werden. Ein Antrag auf Erhöhung des Reservefonds der Sparkasse auf 71/2 Proz. wurde dem Landes- Ausschusse zur Berücsichtigung überwiesen. Da die Ge- schäfte nunmehr sämmtlich erledigt waren, wurde hierauf die Session des 21. Kommunal-Landtages von dem stell- vertretenden Landtags-Kommissar für beendigt erklärt und von dem Vorsißenden mit einem Hoh auf Se. Majestät den König geschlossen.

_ Bayern. Ueber die Rundreise des Prinz-Regenten bringt die M. „Allg. Ztg.“ folgende weiteren Telegramme :

_ Regensburg, 6. Mai. Der F traf Vor- mittags halb 12 Uhr in-Amberg ein und nahm bis 7 Uhr Abends dort Aufenthalt. Bei Haidhof feierte die Maxhütte die Vorbeifahrt des Königlichen Extrazuges dur ein brillant illuminirtes lebendes Bild ihres Schaffens. Der Prinz- Regent wurde von den Arbeitern mit brausenden Hochrufen begrüßt. Jn Regensburg erfolgte die Ankunft um 2/49 Uhr. Am Bahnhof war eine Ehren-Compagnie des 11. Jn- fanterie - Regiments aufgestelt. Das Eisenbahngeleise entlang standen“ Tausende, dem Erlauhten Herrn begeisterte Grüße darbringend. An der Spitze der offiziellen Welt waren zum Empfang anwesend Regierungs-Präsident von A welcher in Weiden den SUIG bestiegen hatte, alle Beamten der Kreisregierung, der Bischof Senestrey, der Bürgermeister Stobäus. Auf des Leßteren Begrüßungsrede betonte der Prinz-Regent sein lebhaftestes Jnteresse und Wohl- wollen für die Donau-Stadt. Der Einzug zur Königlichen Villa vollzog sich dur elektrish beleuchtete Straßen unter i adi inda Hochrufen der mafssenhaft angesammelten Be- völkerung.

__ Regensburg, 7. Mai. Zu den Festlichkeiten bringen die Züge noch fortwährend große Mengen von Gästen. ie Stadt hat durhweg dekorativen Festschmuck angelegt,

insbesondere das Maxthor, das Ostenthor, der Jak, thurm, der Brückenthurm, das fürjtlihe Val, der Bismarckplaz, der Kornmarkt, der Dompla der R, Lebterer war nah dem Entwurf Os echner illuminirt v.nd bot beim gestrigen Einzug éj; brillanten Anblick. Der Regent arbeitete heute Morgen von 6 9 Uhr in Regierungsgeschästen, empfing sodann zahlreiche L wartungen und nahm die Vorstellung von 70 Landbürgermeiß, entgegen. Bei der Vormittags um 11 Uhr abgehaltenen Par des 11. Jnfanterie - Regiments wurden fünf Unteroffizg dekorirt. Zur Mittags um 1 Uhr in der Königlichen Ÿz stattfindenden Tafel waren 40 Herren geladen, daryr Bischof Senestrey mit zwei roz der protestantig Dekan Rodde, Rabbiner Dr. Meyer, Präsident, Landtz Abgeordneter Bonn und Lyceal-Rektor, Landtags: Abgeordng Dr. Nittler. Um halb 4 Uhr erfolgte ein Ausflug nag Walhalla.

Regensburg, 7. Mai. Heute Nachmittag mate j

rinz-Regent eine Ausfahrt nah der Walhalla, welche in bes

ustande angetroffen wurde. Unterwegs erfolgten noth z Fuße der Walhalla begeisterte Kundgebungen. Nach der Y sichtigung begrüßten die Gesangvereine Regensburgs Stung' Heldengesang den Prinz-Regenten. Abends jzj eine Jllumination Regensburgs statt, welhe im zelnen noch Großartigeres bot, als jene Bayreuÿ Die hervorragendsten Glanzpunkte boten der Dom, das Ly thor, die Kapuziner-Kirche, der Bismarck-Plag mit dem R: rungsgebäude, das Theater. Beim Erscheinen des Regerz in der Theaterloggia wirkte die Beleuhtung der 120 3 hoh-n Fontäne mit jener des ganzen Plaßes, verbunden y einem Riesenfeuerwerk, feenhaft. Der Prinz-Regent wurde der Nundfahrt und auf dem Theaterplaze mit brausenden H rufen begrüßt. : -

Jn den telegraphishen Berichten aus Hof sind einz

Jrrthümer zu berichtigen. Bei der Begrüßung des Pri Regenten sagte der Bügermeister Mann nicht: leßte Besuch des Landesherrn, vor 21 Jahren, habe } Land aus Naht und Noth gerettet,“ fondern „Zwan Jahre sind es her, daß unserer Stadt das leßte f der hohe Besuch des Lenkers der bayerischen Lande gewor und s{chmerzlihe Ereignisse und sorgenshwere Tage lie zwischen damals und jeßt. Aber aus Naht und Noth haz Ew. Königliche Hoheit das Land gerettet in eine glüdlz Gegenwart und in eine. hoffnungsreiche sichere Zukunft, heute jauhzt unsere Stadt, die im vorigen Fahre weinte.“ Jn dem Allerhöchsten Handschreiben, das Se. Königliche Hot der Prinz-Regent beim Scheiden von Hof an den Bürgermeii Mann richtete, heißt es zum Schluß nicht „Meine wärmi Wünsche begleiten diese wohlaufblühende Stadt,“ sondern „) Wohl dieser aufblühenden Stadt.“

__ Vaden. Karlsruhe, 7. Mai. (W. T. B.) N14 hier eingetroffener Nachricht sind der Erbgroßherzog u die Erbgroßherzogin heute von Cannes nach Gries Tirol abgereist.

Mecklenburg-Schwerin. Schwerin, 7. Mai. (M. Ar; Nach Mittheilungen aus Cannes, vom 3. d. M., ist Gesundheit der Großherzoglihen Herrschaften wv trefflih, und kann man diejelben täglich in Gemeinschaft ù frau G in Cannes anwesenden hohen Verwandten,

1

¿rau Großfürstin Wladimir und des Großfürsten Micha ichailowitsh von Rußland, zu Wasser und zu Lande

fursionen in die Umgebung von Cannes machen sehen.

Sachsen-Coburg-Gotha. Gotha, 7. Mai. (W. T. Die Herzogin von Edinburg ist mit ihren Töchte von Malta zu längerem Aufenthalt hierher zurückgekehrt.

_ Oesterreich - Ungarn. Wien, 7. Mai. (W. T. Auf der Tagesordnung der heutigen Sizung des Herre! hauses stand die Berathung des Schmerling'’schen A trages, betreffend die Prazak'’\{he Sprachenveror nung. Unger wendete sich gegen die von dem Minist Präsidenten Grafen Taaffe bei der ersten Berathung è Schmerling'schen Antrages am 22. v. M. abgegebenen Erk rungen und wies zunächst die Behauptung zurück, daß sei politischen Freunde die Berathung absihtlich verzögert Die Verzögerung sei vielmehr durch die außerord: lihe Delegation und die Ausgleichsverhandlungen standen. Die Opposition sei eine patriotische , kämpfe mit offenem Visir. Die Regierung behaupte, Verordnung widersprehe niht dem Grundsaße, daß innere Amtssprahe in Prag und Brünn die deutsche | Dennoch wolle sie die Verordnung mit dem Hinweise ä andere Ausnahmen, Tirol, Dalmatien und Galizien, v theidigen. Redner suchte nahzuweisen, daß der von der N gierung aufgestellte Unterschied zwischen der inneren Die! sprache und der Gerichtssprahe nicht exisure. Regierung sei niht berechtigt gewesen, die deutsche A sprahe, deren Geltung auf dem Gewohnheitsrehte ruhe, durch eine bloße Ministerial - Verordnung abz; schaffen. Jn Böhmen speziell sei das Deutsche fogar ges lih Amtssprache, und zwar dur das Geseß vom Jahre 164 welches bestimme, relatio factorum müsse deutsch schehen. Die Berufung auf Artikel 19 der Staatsgrundgese sei irrelzvant, denn Urtheile würden nicht Namens des Land sondern Namens des Staates erlassen. Bestände die Vero nung zu Recht, so müßte man das oberste Gericht in so vi Senate theilen, als es Landessprachen gebe. Selbst di Oftoberdiplom spreche von dem authentischen Ge)eßestext, nä! lih dem deutschen; es gebe also eine deutshe Amtsspra@ Redner und seine Gesinnungsgenossen hätten zwar keine A sicht, durhzudringen, aber sie kämpften für die Einheit d Sprache, der Justiz, des Staates. Professor Maaße wollte die Verordnung, deren Geseßmäßigkeit außer Fra! sei, von ihrer politishen Seite betrahten. Durh d Krieg von 1866 sei ODesterreih aus Deutschland ausgeschlo}se eine Vereinigung der Deutschen Oesterreichs mit dem Deutsche Reiche sei politisch und moralisch unmöglich, es bleibe Deutschen Oesterreichs also nichts übrig, als diese Trennu Bals ein definitives, politishes Faktum anzusehen. Oesterrei sei fortan auf sid allein angewiesen und müsse trachten, sei Völker auf der Basis der Gleichberehtigung zu einem ha monischen Ganzen zu gestalten, um so mehr, als der nati nale Ehrgeiz in unserer Zeit besonders lebhaft sei. Privilegium der deutshen Sprache in Oesterreih existi niht. Die historishen Momente hätten durch die Umstän?

ihre Realität verloren; die . Deutschen gälten in Oesterrei

E prachenfrage gehöre der

nur soviel, als ihrer jeßigen Stellung entsprehe. Die ‘eariffene Verordnung beruhe auf dem richtigen Prinzip, * die Gerichte seien für das Volk da, niht umgekehrt. Redner, werde daher gegen den Theil des " missionsantrages stimmen, welher die Regierung cordere, den bisherigen Bestand der deutschen d als innere Dienstsprahe fortan unverändert rrechtzuerhalten. _ Minister von Prazak fkon- ‘irte vor Allem, daß die Auslegungen, welche Unger der rierungserflärung vom 22. April gegeben habe, unrichtig n. Die Regierungen hätten ih stets bestrebt, die Reichs- eit mit den verschiedenen Arten der Länder und der fer zu vereinigen, wodur sie auch dem Willen des Kaisers tsprocen hätten. Deshalb sei im Jahre 1867 die Gleich- rechtigung geseßlich fesigestellt worden und seien ferner des- y seit 1868 viele Verordnungen erschienen, welhe sih auf Gebrauch anderer Sprachen als der deutschen bezögen. ;: Verordnung vom 22. April 1872, welche von dem Mini- rium, dem Unger angehört habe, erlassen worden sei, habe die wendung der serbis:kroatischen Sprache in Dalmatien ge- elt. Das Recht der Regierungen, solche Verordnungen zu afen, sei niemals angezweifelt worden. Mitbestimmend r den Erlaß der angegriffenen Verordnung sei das Bestreben wesen, den Gang der Geschäfte in Prag zu vereinfachen. ¿s Unger über das Gewohnheitsreht gesagt habe, mme nicht mit der erwähnten Verordnung für A smatien überein, woselbsi italienish die gewohn- itemäßige Amtssprahe gewesen sei. Den Unter- hied zwischen der inneren Dienstsprahe und der Gerichts- ache (Verkehrssprache mit den Parteien) halte die Regierung timmt aufrecht. Die Regierung habe diesen Unterschied cht erfunden, sondern derselbe beruhe in den Thatsachen; : so entwideltes Volk, wie das czehische, könne niht immer mit Ueberseßungen abgefertigt werden. Der innere enst aber, wie der Verkehr mit den Oberbehörden fei deutsch, hst in den Zuschriften aus Galizien. Wenn die Opposition (f ihren patriotischen dynastishen Sinn hinweise, so mache e Regierung ihrerseits auch auf diesen Sinn Anspruch und innere daran, daß der Kaiser keine bevorzugten Natio- litäten kenne und mit gleicher Liebe alle Völker umfaße, 2s auch in der Thronrede ausgedrückt worden sei, in welcher esterreih als der Hort des Rechts seiner Länder und Völter ¿eihuet wurde. Der Minister {loß mit den Worten: zahrheit und Gerechtigkeit“. Nachdem noch Plener und anda gesprochen, wurde die Sißung bis zum Abend vertagt. In der Abendsizung des Herrenhauses erflärte ürst Carlos Auersperg, daß die Verordnung Beun- ihigung in die deutsche Bevölkerung getragen habe. Wenn hs Haus dem Antrage Falkenhayn zustimme, fo wäre dies ein reibrief für die Regierung, und wäre Gefahr vorhanden, daß ch weitere Opfer an den Partikularismus gebraht wüzuden. ürst Lobkowiß motivirte eingehend, warum er mit dem ntrage der Kommission nit einverstanden sei, obwohl er nselben geshäftsordnungsmäßig als Obmann unter- hrieben habe. Er bezweifelte nicht das Recht der Re- rung, die Verordnung zu erlassen, und führte aus, daß e Ordnung der Sprachenfrage nur länderweise geschehen nne. Immer müsse die Gleichbecehtigung bewahrt und dem aftishen Bedürfniß Rehnung getragen werden. Redner rief sich auf seine Erfahrungen als Vorsißender des Böh- ischen Landesausshufsses, wo der Geschäftëgang troß der Zwei- rachigkeit einfah und geregelt sei. Der Ruf nah Zweitheilung öhmens werde im Hause keinen Anhänger haben, weil er in inen äußersten Konsequenzen die Zertrümmerung Oesterreichs deute. Er und seine Gesinnungsgenossen würden timmen mäß ihrem warmen, aufrichtigen, von den Vätern ererbten erreihishen Patriotismus. Der Minister - Präsident Graf aaffe trat der Aeußerung des Fürsten Auersperg von dem reibrief entgegen; die Regierung eines konstitutionellen taates halte sich an Verfassung und Gesezen. Der terreihishe Staatsgedanke habe stets der Regierung rgeshwebt und werde ihr immer vorshweben; andern- lls wäre sie nicht würdig, auf diesem Plage zu sein. ie Regierung lege Verwahrung ein gegen den Antrag chmerling, da se shon in der Kommisston die Geseß- aßigkeit der Verordnung nachgewiesen habe. Der ommissionsantrag greife in die Erekutivgewalt der Regierung 1; deshalb sei sie gegen denselben. Der Antrag Falkenhayn tiprehe ganz der Rechtsüberzeugung der Regierung; dieselbe npfehle ihn daher zur Annahme. Der Referent Falken- ayn verzihhtete auf das Wort. Schmerling bemerkte, daß er diesem Hause nicht als Präsident des Obersten Gerichtshofes, ndern als Mitglied sprehe und Anträge stelle. Der Vorwurf, 5 sein Antrag eine Anklage gegen die Regierung enthalte, i ungerechtfertigt; die Konstatirung einer abweichenden einung sei keine Anklage. Die rehtlihe Seite der Frage i mindestens zweifelhaft; die Behauptung, die Regelung der Exekutive an, jet ein zweischneidiges wert; von einer Schädigung der Autorität der Regierung inne niht gesprochen werden; auch die jeßige Regierung wolle veifellos das Beste, aber Niemand sei unfehlbar. Redner 1d seine Genossen würden sich sehr freuen, wenn die Ereignisse ewiesen, daß sie zu {warz gesehen. Nach einem chlußwort des Referenten Conrad wurde auf Antrag alkenhayn’s über jeden Antrag abfaßgweise abgestimmt. Nach: em von dem Antrage der Majorität der erste Absas, r den sich nur 8 Stimmen erklärten, )owie der zweite Absaß it 72 gegen 47 Stimmen abgelehnt _ war, wurde von den nträgen der Minorität der Antrag Schm erli ing ebenfalls bgelehnt und alsdann von dem Antrag Falkenhayn er erste Absaß mit großer Majorität angenommen und hließlih quhh-der zweite Absatz genehmigt. 5 9, Mai. (W. T. B.) Dem Abgeordnetenhause von der Regierung ein Geseßentwurf vorgelegt wor- en, welcher die weitere Einstellung der Wirksamkeit der Ge- chworenengerihte im Kreisgerichtssprengel Cattaro uf ein Jahr betrifft. | Pes, 7. Mai. (W. T. B.) Die Brutto-Einnahmen er Staatskassen betrugen im ersten Quartal 1486 680 F[., d. i. um 596 526 Fl. weniger als im ersten uartal 1886. Die Ausgaben bezifferten sich m ersten uartal auf 8 162 804 Fl., d. h. um 2083 628 Fl. niedriger ls im ersten Quartal 1886. Die Bilanz für das erste uartal stellt sich um 1487 000 Fl. günjtiger als in dem leichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

ankreich. Paris, 7. Mai. (W. T. B.) Bei der btiin Saa der maritimen Ausstellung in davre hielt der Minister-Präsident Goblet eine

lede, in welcher er hervorhob, daß namentlih unter der

Republik sich große Fortschritte vollzogen hätten; die dafür ge- maten Ausgaben hätten zu fruchtbaren Resultaten geführt. Die Ausstellung in Havre fei eine neue Manifestation der mahren Gesinnungen Frankreihs, welches den Wunsh hege, in gutem Einvernehmen mit den anderen Ländern zu leben und seine kommerzielle und industrielle Größe in Entwickelung zu bringen. Möchte diese Ausstellun den Weg bahnen für die Ausstellung von 1889. Ein Volk, welches von solhen Sorgen in Anspru genommen sei, könne niht in dem Verdacht stehen, als ob es Angriffspläne nähre. Ohne je die Sorgen für die Vertheidigung seiner Ehre und Würde außer Augen zu lassen, verfolge die Nation, indem fie sih jeßt an die anderen Völker wende, den Zweck, sie zu Kämpfen auf dem Gebiete der Arbeit zu veranlassen und ihnen eine loyale Gasifreundschaft zu bieten. Man möge die Hoffnung hegen, daß dieser Ruf Gehör finden werde.

Jn der Rede, welche der Minijter-Präsident bei dem ihm zu Ehren veranstalteten Banket in Havre hielt, sprach derselbe der öffentlihen Meinung, welche die Regierung bei den jüngsten Zwischenfällen durch Klugheit und patriotische Einigkeit unterstüßt habe, seine Anerkennung aus. Der Minister hob hervor, wie Frankreih unter dem Einfluß der Freiheit sich ein neues Temperament angeeignet habe, in welchem Kaltblütigkeit und Entschlossenheit jene Ner- vosität, jene etwas unstäte Hize ersezten, welche den Franzosen häufig vorgeworfen worden fei. „Befestigen wir uns in diesem neuen Charakter“, sagte er, „wir fönnen es nöthig haben; die Zeit der Prüfungen ist vielleiht noch nicht vor- über. Wenn solhe wieder über uns fommen jollten, jo werden nicht wir es sein, die sie heraufbeshworen haben. Habe ih es nöthig zu wiederholen, daß Frankreih den Frieden will? Wenn Völker überhaupt jemals den Krieg wünschen könnten, so würde das gewiß niht von einem Volke, wie das unsrige, gesehen, welches in voller Umbildung begriffen, den lebhaften Wunsch hegt, seine Kraft und Thätigkeit dafür ein- zusezen, um definitiv die Herrschaft der Demokratie zu begründen, indem es sich selbst in Frieden, Arbeit und Freiheit regiert. Aber wenn wir des Friedens bedürfen, wenn Niemand an unserm Willen zweifelt, ihn zu erhalten, fo kann auch Niemand daran zweifeln, daß wir fest entschlossen sind, ihn weder unserem Recht noch unserer Ehre zu opfern. Frankreich, das sih aus seinem Unglück erhoben, hat Vertrauen zu fich selbst ge- wonnen ; weit entfernt, irgend ein Volk zu bedrohen, ift es bereit, freudig und in herzlicher Gegenseitigkeit die Sympathien anderer Völker anzunehmen.“ Frankreih würde, fuhr Hr. Goblet fort, wenn es nöthig wäre, niht weniger bereit sein, ungerehten An- griffen die Stirn zu bieten. Dieje Haltung allein entspreche der Würde einer großen Nation und könne au allein die Wohl- thaten des Friedens verbürgen. „Weil wir annehmen konnten“, sagte der Redner, „daß diejes die einitimmge Meinung des Landes sei, und weil wir das Herz von ganz Frankreich in Wallung gerathen sahen, so können wir, wie ih hoffe, heute ohne Hintergedanken und ohne neue Sorge die Beschäftigung mit unseren inneren Angelegen- heiten wieder aufnehmen.“ Die Hauptschwierigkeit bestehe in der Spaltung der Republikaner. Es fei nothwendig, gute Ordnung in den Finanzen und ein wirkliches Gleichgewicht im Budget wieder herzustellen. Die legten Budgets jeten nicht befriedigend gewesen, aber es würde nicht möglich fein, ledig- lih durch Etsparungen im Budget das Gleichgewicht wieder- herzustellen, vielmehr erscheine eine Erhöhung gewi))er Steuern nothwendig. e /

9, Mai. (W. T. B.) Bei den gestrigen Gemeinde- rathswahlen wurden 24 Autonomisten, 10 Radikale, 10 Konservative und 6 Sozialisten gewählt; ferner haben noch 30 E stattzufinden. Unter den gewählten Kon- servativen befindet sich auch Ferdinand Duval, ehemaliger Präfekt des Seine-Departements.

Havre, 8. Mai, Nachmittags. (W. T. B.) Der Minister-Präsident Goblet und der Handels- Minister Lockroy, welcher den Minister-Präsidenten hierher begleitet hatte, bejihtigten im Laufe des Vormittags den Hafen und die Docks. Nachmittags 2!/2 Uhr werden dieselben na Paris zurückehren.

Spanien. Madrid, 7. Mai. (W. T. B.) Die Depu- tirtenkammer nahm heute mit 206 gegen 50 Stimmen die Einführung der Geshworenengerichte an. Die Republikaner und die Reformpartei stimmten für, die Konjer- vativen gegen die Vorlage.

Ftalien. Rom, 7. Mai. : : Telegramm des „Popolo Romano“ aus Chieti wurde der zum Nuntius in München ernannte Erzbischof Ruffo Scilla dur eine imvosante Kundgebung der Bevölkerung an der Abreise verhindert, indem die Pferde des Wagens ausgespannt und der Bischof in das Palais zurückgeleitet wurde. Gleichzeitig erfolgte die Absendung einer Depesche an den Papst, in welcher derselbe ersucht wird, Ruffo Scilla als Erzbischof in Chicti zu belassen.

(W. T. B.) Nasch einem

Zeitungsftimmen.

Die „Berliner Börsen-Zeitung“ schreibt:

Am Dienstag wird voraussitlih bereits die erste Lesung der Branntweinsteuervorlage auf die Tagesordnung des Reichstages ge- setzt werden. Die meisten Fraktionen baben den sißungsfreien Sonn- abend zur Berathung des Gegenstandes benußt. Sowohl die National- liberalen ais das Centrum dürften, fowett in dem jezigen Stadium der Angelegenheit bereits von einer Stellungnahme die Rede fein fann, anerkennen, daß der Geseßentwurf geeignete Grundlagen zu einer Verständigung bietet, womit freilich noch fkeines- wegs die Zustimmung zu allen Einzelheiten ausgefproben ift. Die Ueberzeugung, daß die Beshafung neuer Einnahmen für das Reich eine vollkommen unaufschiebbare Nothwendigkeit ist und daß unter den bestehenden Verhältnissen Branntwein und Zucker allein die nöthigen Mittel liefern können, hat sich nachgerade in den weitesten Kreisen verbreitet. Es ist zu hoffen, daß diese Ueberzeugung die noch bestehenden erbeblichen Schwierigkeiten überwinden und auf allen Seiten ein Entgegenkommen und eine Opferbereitshaft hervor- bringen wird, ohne welche der erstrebte Erfolg niht er- reiht werden kann. Wenn auf liberaler Seite den land- wirthshaftlihen Interessen auch in dieser Frage eine weit- gehende Berücksichtigung zugestanden wird, - fo muß doch andererseits auch verlangt werden, daß diese Interessen nit stärker in den Vordergrund treten, als es das Gesammtwohl und das haupt- säclichste Ziel, die Vermehrung der Reichseinnahmen, gestatten. Es gilt, hier einen billigen Ausgleih wichtiger und berechtigter Interessen zu finden, was nur bei allseitigem guten Willen und mancher Ent- sagung möglich sein wird. Wir haben das Vertrauen, daß der Reichstag, der unsere militärishe Sicherheit fesigestellt hat, auch die andere große Aufgabe, die finanzielle Befestigung des Reichs, zu lösen im Stande ist.

Die „Deutsche volkswirthshaftlihe Corre- spondenz“ äußert über den Jnnungs-Gefegentwurf:

Der Gesetzentwurf, betreffend die weitere Förderung des Innungé- wesens ift nun son feit einer geraumen Weile bekannt, Jedermann bat binlänglib Zeit gehabt, sid mit ihm zu beschäftigen und ibn zu prüfen. Troßdem ift bisher cine lebbaftere Diékussion über den Gesetzentwurf nit entbrannt, wie man nach dem vorbergebenden Ver- balten der freisinnigen Presse eigentli bätte erwarten sollen, denn bekanntlih pie dieselbe nab der Ankündigung des Entwur7s in der Thronrede gleihsam Feuer und Flammen ob der reaftionâren zunftk» lerishen Bestrebungen der Regieruna. .… Es läßt si aub nicht gut annebmen, daß diese Presse, die beinahe das Gras wadsen bôrt und die beifpielêweise aus den dürftigen Mittheilungen, die Anfangs diejer Woche über den Branntweinfteuergeseßentwurf bekannt waren, ein Verdammungsurtheil über denselben ableitete, von einer Bekämpfung des Innungêgesctzes absehen würde, wenn die Bestimmungen desselben einen einigermaßen vernünftigen Anlaß zur Bekämpfung geben würden. Ja, damit noch nit genug, ein Tbeil der Freisinnigen scheint den Entwurf nit nur nicht für verwecfklih, sondecn für gut zu balten, bat doch sogar die demefratishe „Frankfurter Zeitung“ ih ofen dafür ausgesprocben.

Soweit also bis jet cin Urtbeil gestattet ift, kann man man-

gels eines regen Wideriprucbes nur sagen, daß die Regierung mit dem Innungsgesete einen unbestrittenen Erfolg erzielt bat. Das Ge- beimniß dieses Erfolges liegt zum größten Theile in der Mäßigung, die f in allen Theilen des Entwurfes kundgiebt, die sih von den Wünschen der eigentlichen Zünftler ebenso fern bält, wie sie den Wünschen des selbständigen Handwerfkerthums Rechnung trägt. Die Tendenz des Entwurfs bält bekanntlich den fafultativen Charafter der Innungen durh- aus aufrecht, und in den Mctiven wird ausdrückli erklärt, daß die Regierung die Einführung eines Innungëzwanges nit für angeme}en erabtet. Dagegen beabsichtigt die Regierung dur das neue Ge?eß das Mißr-erbältniß, das biéher zwischen den vielen Pflichten und den geringeren Rechten der Innungen bestand, durch Vermehrung der leßteren auszugleiten. Die den Innungen dur das Geseg zugewiesenen Aufgaben, insbesondere die Förderung eines gedeiblihen Verhältnisfes zwischen Meister und Ge- sellen, die Fürsorge für das Herberg#wesen der Ge/ellen und für die Nabweisung von Gefellenarbeit, fowie die Regelung des Lebrlingêwesens, sind für das gesammte Handwerk von weitgreifenditer Bedeutung und lafsca si, wie die Motive richtig ausführen, in be- friedigender Weise nur lösen, wenn sie für die Gesammtbeit der Berufsgenossen in Angriff genommen werden. Die Möglichkeit eines entsprechenden Einflutes über den Kreis ibrer Mitglieder hinaus gewährt aber das Ge!eß den Innungen bisher nur auf dem Gebiete des Lebrlingêwesens. Eine Erweiterung dieses Einflusses ersceint daher im Hinblick auf die den Innungen obliegenden, dem Interesse des ge- fammten Handwerks dienenden Pflichten wünshenêwerth und entspricht überdies den Grundsägen der Billigkeit. Denn es läßt sid nämli niht verkennen, daß die tezeichneten Einri&tungen der Innungen unmittelbar oder mittelbar au folhen Berufëgenofsenscaften zum Vortheil gereichen, welche es vorziehen, der Innung nicht beizutreten. Der in der Innungs-Fach- oder Fortbildungë!&ule ausgebildete Lehrs- ling ist nit bebindert, feine Kenntnisse demnächst auch bei Nicht- Innungêmeistern zu verwerthen, welchen alsdann etne durch die Fürsorge der Innung erworbene Tüchtigkeit zu Gute fommt. Eine erfolgreide Wirksamkeit der Innungen Ur die Schaffung eines gedeibliGen Verhältniffes zwischen Meistern und Gesellen oder für die sonstige Hebung Gewerbes núut indirekt Allen, welche dieses Gewerbe betreiben, mögen fie der Innung angehören oder nit. Nichtsdestoweniger sind nach Lage der derzeitigen geseßliden Bestimmungen die Mittel zu Unternehmungen, wele jenen Zwecken dienen und naturgemäß nur von einer Vrgant?alton von Fachgenofsen, d. b. von einer Innung ausgeben können, auêscließlich von den jeweiligen Mitgliedern der Innung aufzubringen. Dieses Ver- hältniß wird in den betheiligten Kreisen nit chne Grund als eine Unbilligkeit empfunden und bat in Verbindung mit dem Umstande, daß die Betbeiligung an der Innung auf freier Entsliezung berubt, die Folge, daß vielen Innungen bei der obnebin gedrückten wirthschast- lichen Lage der Handwerker die Mittel fehlen, um die fraglichen Ein- ridbtunaen in einer dem Zweck entsprewenden Weise herstellen zu fönnen, und daß da, wo dies gesheben, die daraus er- wabsende Belastung ¿u einer Gefahr für den Bestand der Innung wird, indem die Mitglieder derselben dadur veranlaßt wer« den, sich den ih nenen Ovfern durch Austritt aus der Innung zu entziehen. Uebelstande wird durch das neue Gesetz abgebolfen, indem befanntlih §. 100 f beitimmt, daß au die Richt-Innungsmitglieder vervfliétet sind, an den Kotten der gemetn- nütigen Einrichtungen Tbeil zu nehmen. Damit werden nur gleiche Pflichten für Alle festgeeßt, obne daß eine direkte Bevorzugung der Innungêmitglieder eintritt. Troßdem ift zu bofen, daß na Wegfall der Möglichkeit, si den Kosten des Innungêwe?ens zu entziehen, das Bestreben zunehmen wird, nun auch tbätig an dem Wirken der íInnung Theil zu nehmen.

Die „Mecklenburgishen Landesnachrichten“ schreiben über Freihandel und Landwirthschast in England:

Im englischen Oberbause bat Lord Salisbury neulih bet Etn? bringung eines Gesetzentwurfs, welcher bezweckt, die Last der Zehnten- abgabe von den Pähtern auf die Grundbesitzer zu übertragen, eine Rede gehalten, worin er ofen bekannte, daz die Landwirthschaft sich in einer Nothlage befinde und daß es gerade der Freihandel, der andere Interessen so sehr begünstigt habe, gewesen ist, welcher der Landwirthschaft s{chwere Nachtheile zugefügt habe; er folgerte daraus, daß man der Landwirthschaft nicht dur einzelne geseßlie Bestim- mungen zu Hülfe kommen muüNe, tondern durch Herbeiführung größerer Reformen.

In der That befindet

ck55 LcV

A752 dtes

sich die Landwirth\chaft in England in einer dermaßen rückläufigen Bewegung, d1ß auf allen Seiten die Noth- wendigkeit durchgreifender Maßregeln emrfunden wird, um ihrem gänzlichen Verfall vorzubeugen. Man berechnet die Verluste, die den englishen Landwirthen insgesammt fett dem Jahre 1875 erwafen sind, auf jährlich 40 Mill. Pfd. Sterl. (800 Mill. Mark). Der Weizentau erhält immer mehr Einschränkung: in England und Wales ist vom Jahre 1872 bis 1883 die mit Weizen bestellte Flähe von 3463255 Acres auf 2544999 zurücegangen; dabei bat sich die Produktion selbst in Folge einer Reihe \{lechter Ernten wesentli verringert: die Weizenproduktion hat für den Acre in den Jahren 1857 bis 1862 im Durchschnitt jährlich 98,4, Bushels in den Jahren 1875 bis 1880 jährlich 22,6 betragen. Ebenso sind die Preise erheblich zurückgegangen, in den genannten Zeitabschnitten von 50 auf 47 Sctilling. Hierzu hat vor Allem das starke Anwachsen der amerikanischen Kcnkurrenz beigetragen: die Ein- fubr von Weizen hat von 27 386 562 Ctr. im Durchschnitt der Jahre 1863 bis 1865 auf 70 541 567 Ctr.fim Durchschnitt der Jahre 1880 bis 1882 zugenommen. Selbst die Viehwirtbschaft hat unter dem Einfluß der amerifanischen Konkurrenz großen Schaden erlitten: der Biehstazd hat i von 1868 auf 1881 um 7,49 9/6 verringert, obwohl die mit Gras- und Futterkräutern bestellte Flähe um 15,3 %/o auf Kosten des Ge- treidebaues zugenommen hat. In Folge des landwirthschaftlichen Notbstandes sind in den meisten Landestheilen nit unerhebliche Flächen Fkulturfähigen und früher bebauten Aerlandes gänzlih un- bestellt geblieben: allein im Jahre 1881 wurden 41 998 Acres, etwa 3 deuische Meilen wüsten, aber fulturfähigen Ackerlandes konstatirt. Am besten geht es auch in Großbritannien den landwirtbschaftlichen Arbeitern : ihre Zahl vermindert si, weil immer mehr Leute Beschäf- tigung in den städtishen Industrien suchen; der Arbeitslohn aber ist gestiegen. Dazu kommt, daß die Landwirthe unter der Last großer lokaler Steuern seufzen: die fommunalen Abgaben ruben in England, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, aus\chließlich auf dem un- beweglichen Vermögen, und zwar werden dieselben von dem Pächter und Miether nach dem jährlihen Reinertrage des Gründstücks ent- rihtet. Die ganze Ungunst der eiten haben în olge dessen vor Allem die Pächter zu tragen gehabt; der jeßt im Dberhause einge- brachte Entwurf will daher der Landwirthschaft zunächst dadur zu