1930 / 147 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Jun 1930 18:00:01 GMT) scan diff

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é E Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 147 vom 27. Juni 1930,

R ——— 2A Erste Beilage |

sihtiger Tendenz haben diese Stimmen der Weltöffentlichkeit zu erkennen geben wollet, daß Deutshland nach Erreichung dieses Zieles „seine wahren Absichten“ enthüllen und sich „in seiner eigenflihen Gestalt“ zeigen werde. (Lachen.) Es ist sehr leicht, hierauf eine Antwort zu geben. Die Ziele der deutschen Politik ergeben sich aus der Gesamtlage Deutschlands und der Gesamt- lage der internationalen Verhältnisse für jeden vernünftigen Be- urteiler ganz von selbst. Sie liegen so offen zutage, daß es weder möglich noh nötig ist, sie irgendwie zu vershleiern. So sehr die Befreiung des deutshen Gebietes von der Beseßung unsere nächste und dringendste Aufgabe war, so ist die deutshe Außenpolitik doch niemals in dem Sinne ausschließlich auf die Lösung dieser einen Aufgabe eingestellt gewesen, daß sie darum andere Ziele auch nur vorübergehend aus den Augen verloren oder gar preis- gegében hätte. Das Ziel der Rheinlandräumung war ein Teil einer Außenpolitik, die von vornherein auf eine breitere Grund- lage gestellt war, eine Grundlage, zu der Deutschland sih stets offen bekannt und die es auch in denjenigen Perioden nicht ver- lassen hat, wo die Räumungsfrage und in Verbindung damit dann die Reparationsfrage im Vordergrund aller unserer diplo- matischen Verhandlungen standen.

Diese Grundlage ist in der Regierungserklärung des jeßigen Kabinetts aufs neue in einer kurzen Formel zusammengefaßt worden. Wir werden unsere Anstrengungen weiter darauf zu rihten haben, die volle politishe Freiheit und Gleichberehtigung für Deutschland auch auf den Gebieten zu erreichen, wo wir sie heute noch nicht als wiedergewonnen bezeihnen können. Wir werden uns mit allen Kräften für eine Evolution der Dinge ein- seßen, die den natürlihen und unverzihtbaren deutschen Lebens- interessen Genüge verschafft. Bei alledem werden wir uns stets vor Augen halten, daß wir das höchste Fnteresse an der Sicherung des Friedens haben, in dessen Schuße wir unseren inneren und äußeren Wiederaufbau vollenden können.

Heute die einzelnen Mittel und Wege für die Verfolgung dieser selbstverständlihen Ziele angeben zu wollen, wäre unan- gebraht und unausführbar. Wir werden die Möglichkeiten und Kräfte, über die wir verfügen, in jeder Situation nüchtern abzu- schäßen und einzuseßen haben. Fn dem Willen aufrichtiger Zu- sammenarbeit mit allen anderen Staaten werden wir unsere auswärtigen Beziehungen überall da auszubauen und zu ver- tiefen suchen, wo wir für unsere Auffassung Verständnis und wo wir den Willen zur Bewährung voller Gegenseitigkeit finden. (Sehr richtig!) Die energishste Vertretung unserer eigenen Fnteressen wird uns nicht daran hindern, vorurteilslos ‘und auf- rihtig an die Lösung derjenigen wichtigen Fragen heranzutreten, die jeßt mehr als je über das einzelne Land hinaus durch die allgemeinen Fnteressen der Völker aufgeworfen werden.

Wenn diese Grundsäße die Kontinuität unserer Außenpolitik

verbürgen, so ist es andererseits doch selbstverständlich, daß diese Außenpolitik mit der Erledigung der Rheinlandfrage in eine neue Phase eingetreten ist. Die Entwicklung der internationalen Verhältnisse wird uns künftig ganz natürlich an neue Probleme heranführen. Jede vorherige Festlegung von Einzelheiten ver- bietet sih gegenüber dieser künftigen Entwicklung von selbst. Das Festhalten an unserer grundsäßlihen Linie und die loyale Beob- achtung derjenigen Vereinbarungen, die wir in der hinter uns liegenden Erpoche abgeschlossen haben, läßt uns nicht nur, son- dern gibt uns die Bewegungsfreiheit, die notwendig ist, um unsere künftigen Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg in Angriff zu nehmen. ___ Dabei können wir damit rechnen, daß die Durchführung der Räumung vor allem unsere Beziehungen zu den Besaßungs- mächten selbst wesentlich entlasten wird, weil nun endlich das shwerste Hemmnis schwindet, das der gedeihlihen Klärung und Entwicklung dieser Beziehungen im Wege stand. Deutschland hat bei der Vertretung seiner Räumungsforderung neben dem selbst- verständlichen rein nationalen Fnteresse stets auch auf diesen internationalen Gesichtspunkt hingewiesen und hat betont, daß eine normale und fruchtbare Gestaltung der Beziehungen nicht denkbar sei zwishen Staaten, die durch eine Barriere, wie die Be- seßung sie darstellte, voneinander getrennt waren. Nun fällt die Barriere. Gerade weil wir darin nicht ein Geschenk, sondern die endliche Vollzichung eines Aktes der Gerechtigkeit sehen, hoffen wir, daß das gute Früchte tragen wird, Dazu wird {hon die Tatsache beitragen, daß der laufende diplomatishe Verkehr von allen den Reibungen, Zwischenfällen und Meinungsverschieden- heiten befreit wird, die sich aus der Beseßung nur allzu häufig ergeben haben. Noch in leßter Stunde ist es ja, wie Fhnen be- kannt, zu einer höchst peinlihen Differenz wegen der Behandlung einer Reihe von Flugplayzanlagen im beseßten Gebiet gekommen. Wir haben es nit verhindern können, daß die Regierungen der Besaßungsmächte die strittigen Hallen auf Abbruch haben ver- steigern lassen, ohne auf unsere auf Verkehrsinteressen und Empfindungen der Bevölkerung gegründeten Vorschläge für eine andere Regelung der Sache einzugehen. Solche Dinge liegen nun, das hoffe ich auf das Bestimmteste, ein für allemal binter uns.

Leider liegt das, was in den leßten Fahren im Verfolg der bekannten Genfer Vereinbarungen vom Herbst 1928 als „Liqui- dation des Krieges“ bezeihnet worden ist, heute noch nit voll- endet vor uns. Die Saarfrage ist noch niht gelöst. Entsprechend deutsh-französishen Vereinbarung, die gelegentlich der T. Haager Konferenz getroffen wurde, sind, wie Sie wissen, in Paris Delegationen Deutshlands und Frankreihs bereits im November vorigen Fahres zusammengetreten, um eine Lösung dieser Angelegenheit zu finden. Seit der Ratifikation des Young- Plans werden die Verhandlungen mit besonderer Fntensität ge- führt. Wenn die Oeffentlichkeit vielfah den Eindruck gehabt hat, daß der Gang der Verhandlungen recht s{chleppend sei, so darf doch nicht übersehen werden, daß mit der Grundfrage außer- ordentlih umfangreihe und verwickelte Einzelfragen zu regeln ind. Es würde niht den Gepflogenheiten entsprehen und einem cünstigen Fortgang der Verhandlungen niht dienen, wenn ih bier im einzelnen auf den augenblicklihen Stand der Dinge ein- g2hen wollte. All diese Monate der Verhandlungen sind gewiß für die davon in erster Linie betroffene Bevölkerung des Saar- gebiets eine harte Probe. Jch bin aber überzeugt, daß die Deut-

der

schen an der Saar, die unter allen Fährnisseu treu zu Deuts{h-

«land gehaltên haben, au diese Monate der Ungewißheit und des Harrens mit ruhiger Geduld und festen Nerven ertragen werden. Jh möchte unseren Lafidsleuten an der Saar erneut die Ver- siherung geben, daß wir bei den Verhandlungen fest im Auge behalten werden, daß nur eine solhe Einigung mit Frankrei möglih und erträglih ist, die dem Willen der Saarbevölkerung Rechnung trägt und nicht die Quellen ihrer Arbeit und ihres Wohlstandes verstopft. So siher wir des Ergebnisses der für das Jahr 1935 vom Versailler Vertrag vorgesehenen Volks- abstimmung sind und so wenig wir daher diese Volksabstimmung zu sheuen haben, würde ih es do als ein erfreuliches Ereignis betrahten, wenn die „Saarfrage im Wege freiwilliger Verein- barung. zwishen Deutshland und Frankreih geregelt wevden könnte. Der Nutzen, den das Verhältnis beider Länder zuein- ander hiervon haben würde, wäre kaum geringer zu veranschlagen als der Nuvten, der sich für dieses Verhältnis aus der Einigung über die Räumung des Rheinlandes ergeben wird.

Wenn sich unsere Haltung in der Behandlung der Fragen von der Art der Rheinlandfrage, der Reparationsfrage und der Saarfrage in erster Linie aus der Natur dieser Fragen selbst und aus unserem Verhältnis zu den uns dabei gegenüberstehenden einzelnen Mächten bestimmte, so werden für uns in Zukunft viel- leiht in höherem Grade als bisher Faktoren der allgemeinen weltpolitishen Entwicklung eine Rolle spielen, Faktoren, die nit von den uns unmittelbar berührenden Problemen ausgehen. Wenn man die gegenwärtige internationale Lage in ihrer Ge- samtheit zu überblicken sucht, kann man, vor allem hinsihtlih des mitteleuropäishen Raums, von einem Zustand, wenn nicht der Gärung, so doch innerer Bewegtheit sprehen. Wir sehen Tendenzen und Bewegungen, die in ihren leßten Zielen vielfach noch nit bestimmt zu erkennen sind; wir schen ein eigentümliches Gemish von neuen und alten Methoden; wir sehen ein Neben- einander von fortschrittlihen, auf das Allgemeine gerichteten Ab- sihten und von zähem Festhalten an Sonderinteressen, die mit allen den bekannten Mitteln der Vorkriegspolitik verteidigt werden, Deutschland hat niht das mindeste JFnteresse daran, daß sih eine Scheidung der Staaten in getrennte Lager vollzieht. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sofern sich aber gegensäßlihe Auf- fassungen zwischen den Regierungen über die prinzipiellen Grund- lagen der internationalen Politik herausbilden, wird man uns stets auf der Seite derjenigen finden, die sih für Gleichberehtigung und fortschrittlihe Gestaltung der Dinge einsegen. Fedenfalls glaube ih, sagen zu können, daß Deutschland in der glücklichen Lage ist, einen Widerstreit zwischen seinen eigenen Fnteressen und den wohlverstandenen Jnteressen der europäishen Gesamtheit nicht zu befürchten zu brauchen. (Zurufe rechts.) So groß und shwierig die besonderen Aufgaben au sind, die wir zur Her- stellung der vollen Gleichberehtigung Deutschlands und zur Be- friedigung unserer vitalen Fnteressen noh zu lösen haben werden, so sind sie doch alle derart, daß sie uns niht in einen Gegensaß zu den Grundsäßen eines wahren europäischen Fortschritts bringen und daß wir sie nicht, um ein neulih geprägtes Wort anzuwenden, dur eine Vershwörung der Diplomaten zu betreiben brauchen. Dieser Standpunkt gibt uns das Recht, bei allen Bemühungen um die Einführung neuer Formen des internationalen Lebens und um die Herstellung neuer Organisationen die deutsche Auffassung voll in die Waagschale zu werfen.

Jn erster Linie kommt für unsere außenpolitische Tätigkeit in dieser Beziehung der Völkerbund in Betracht. (Lachen bei den Nationalsozialisten.) Wenn für uns bisher während der Genfer Ratstagungen und Bundesversammlungen vielfa die Sonder- besprehungen im Vordergrunde des Fnteresses standen, die der Lösung akuter politisher Fragen galten, so wird künftig in immer höherem Grade die Behandlung der eigentlihen Völkerbunds- aufgaben unsere Aufmerksamkeit erfordern. (Sehr richtig! bei den Deutshen Demokraten.) Der Völkerbund steht au heute mach mehr als zehnjähriger Aktivität noch im Anfang seiner Entwick- lung. Der Grundsay der Gleichberehtigung ist in ihm noch nicht in dem notwendigen Maße zur Geltung gelangt. Noch fehlt es auch an den Vorkehrungen zur Regelung aller internationalen Konflikte, an der Gewähr einer wirklich lebenden Rechtsentwick- lung. Darüber kann die Menge der alljährlich in Genf ver- rihteten Einzelarbeit nicht hinwegtäushen. Wenn man an den bisherigen Leistungen des Völkerbundes auf seinen nächstliegenden Arbeitsgebieten, wie dem der Abrüstung, des Minoritätenshußes oder auch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, denkt, so ist die hon oft geübte Kritik leider nur zu berechtigt. Noch immer sucht man den elementaren Grundsay anzufechten, daß Fortschritte auf diesen Gebieten, insbesondere auf dem Gebiete der Abrüstung, die internationale Sicherheit verstärken. Noch immer scheint die These vorherrschend zu sein, daß es richtiger sei, den Krieg gegen den Krieg zu organisieren, als vorbeugend Kriege zu verhindern. Aber mit Kritik allein und bloßer Negation ist es niht getan. Wir können es mit gutem Rechte gerade als unsere Sache hin- stellen, den Völkerbund in der Richtung seiner ‘eigentlihen Auf- gaben und Ziele zu stärken und die in ihm vereinigten Re- gierungen immer wieder auf die fundamentalen Verpflichtungen hinzuweisen, die sie bei der Konstituierung des Bundes auf sih genommen haben. Die Rechte, die Deutschland hieraus für sich ableiten kann, sind niht so, daß wix auch nur auf eins davon verzichten könnten. Wir können das um so weniger, als unsere Forderungen und Wünsche nicht nur einseitige deutsche Fnteressen in sih schließen. Fndem wir sie vertreten, sind wir, wie ih {hon sagte, zugleih der Anwalt einer vernünftigen und friedlichen Entwicklung, insbesondere unseres europäischen Kontinents.

Fch brauche niht zu betonen, daß in diesem ganzen Zu- sammenhang eine außerordentlihe Bedeutung dem Memorandum zukommt, in dem die französishe Regierung neuerdings ihre Vorschläge für die Organisation einer europäishen Bundes- ordnung bekanntgegeben hat. Die Vorarbeiten der beteiligten Ressorts für unsere Stellungnahme zu diesen Vorschlägen sind so weit gefördert, daß sich das Kabinet voraussihtlich {hon in den nächsten Tagen mit der bis zum 15. Fuli zu erteilenden deutschen Antwort wird befassen können. Solange das nicht geschehen ist, muß ih mir an dieser Stelle natürlich Zurückhaltung auferlegen. Jh darf das um so eher, als ich vor unserer end- gültigen Festlegung dem Auswärtigen Ausshuß Gelegenheit zur Stellungnahme geben werde. Wenn man aber die grundsäßliche

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Einstellung unserer Politik îns Auge faßt, wie ih sie soeben : großen Zügen zu kennzeihnen versucht habe, so ergibt sich daa wenigstens in on wfhtigsten Punkten, auch unsere grundsz us Einstellung zu den französishen Anregungen. Die Notwendigt,z einer stärkeren Solidarität der Länder der geographischen geshichtlihen Einheit „Europas“, um dem Ernste der wirtsGg lihen Notlage zu ‘begegnen, ist heute Gemeingut der Erkennti Aber schon ein flüchtiger Blick in das französische Memorandyy zeigt, welhe großen Schwierigkeiten sich auftürmen, wenn sid diese Erkenntnis in die Tat umseßen soll. Nur als Stichworks erwähne ih die Frage des Verhältnisses von Politik und Virt, schaft, die in dem französishen Memorandam einen breiten Raum einnimmt und ferner die Frage des Verhältnisses Ui geplanten neuen Organisation zum Völkerbund und zu den außer, halb des Völkerbundes stehenden Staaten. Gleihwohl muß de; Versuch unternommen werden, in allseitiger unvoreingenommeny, JFnangriffnahme des Problems, in wirklih offener und unpartzj, ischer Diskussion der in ihm liegenden erusten Fragen die Schwierigkeiten so weit zu überwinden, daß ein nüßliches Ergehyjz erzielt wird. Die deutshe Regierung wird jedenfalls nihts unte, lassen, um sich unter den von ihr für rihtig gehaltenen Gesichts, punkten an den bevorstehenden Beratungen des Problems Y beteiligen und es nah Kräften zu fördern, getreu dem Bekenntniz das Stresemann noh in seiner leyten großen Genfer Rede iu Herbst vorigen Jahres abgelegt hat.

Jm möchte nach diesen allgemeinen Ausführungen noh gy einige besondere Fragen eingehen, die das Auswärtige Amt j der leßten Zeit stark beschäftigt haben. An erster Stelle steh hier die Besprehungen mit der Sowjetunion. Wer die En wicklung der öffentlihen Meinung seit etwa einem halben Jah und länger verfolgt hat, konnte niht im Zweifel darüber se} daß sih gegenüber der deutsh-russishen Politik, wie sie durh du Vertrag von Rapallo, den Berliner Vertrag und die anshließe den Wirtschafts- und Rechtsverträge festgelegt worden ist, gegn über einer Politik, die wir stets in Uebereinstimmung mit al politishen Parteien als einen wichtigen Faktor unserer gesamt Außenpolitik angesehen haben, ein starker Stimmungsumschwun zu vollziehen drohte. Es war zu befürchten, daß die Rücwirkungy der Ausgestaltung des sowjetistishen Systems nicht ohne Einflj auf die politishen Beziehungen zwishen Deutschland und d Sowjetunion bleiben würden. Wir sahen als Folge des Kurs in Moskau niht nux Schädigungen des Deutschtums in Ru land, nicht nur starke Beunruhingung der ganzen Kulturws über gewisse Vorkommnisse auf religiösem Gebiet, sondern wi allem eine derartige Akzentuierung des revolutionären Wille des gesamten Kommunismus, daß wir daran nicht einfach vorbüi gehen konnten, wenn wir die Grundlage der ganzen deutsh-russ hen Beziehungen nicht gefährdet schen wollten.

Jedes gute Verhältnis zwishen zwei Ländern beruht a gegenseitiger Achtung und gegenseitiger Rücksichtnahme, N Erfordernisse, die an eine solhe Rücksihtnahme gestellt werd müssen, sind um so größer, wenn es sich um Länder mit | vershiedenen Staatssystemen handelt, wie sie in Deutschland ut der Sowjetunion bestehen. Da die Störungen, die das deut russishe Verhältnis in den leßten Monaten belasteten, nit n materieller oder techwischer, sondern auch grundsäßlicher Art ware hat die Reichsregierung es für notwendig gehalten, in ein freien und offenen Aussprache mit der Sowjetregierung f zustellen, inwieweit die Grundlage für gute und freundschaftliß Beziehungen, wie sie uns allen am Herzen liegen, noch best oder aber der Wiederherstellung bedurfte. Bei einer solchen Au sprache konnte es sich nicht darum handeln, neue juristis Klauseln zu suchen, sondern es kam vor allem darauf an, die v traglichen Beziehungen von innen heraus wieder zu beleben u! die Zweifel zu beseitigen, die sih der öffentlihen Meinung | immer höherem Grade bemächtigt hatten. Wir hatten zu vet suchen, die Quellen, aus denen das deutsh-russishe Verhältni seine Nahrung gefunden hat und auch in Zukunft allein find kann, wieder frei zu legen, um die Zusammenarbeit zu beide seitigem Nuben ungehindert fortseßen gu können.

Das . Ergebnis der politishen und wirtschaftlichen V sprehungen ist in der Presseverlautbarung kurz zusammengefaß die von beiden Regierungen gemeinsam bekanntgegeben wo? ist, Dieses Kommuniqué enthält nihts Sensationelles, es ° gründet keine neue Linie für unsere Politik, es ist nur die V stätigung der früheren Grundlagen und die Rückehr zu dem, 0d war. Sie finden in dem Kommuniqué auf der einen Seite ? Ausdruck des guten Willens, im Geiste der bestehenden Verttal das Verhältnis zwischen den beiden Staaten auch in Zukunft // zu entwideln. Sie finden auf der anderen Seite die dal Bezeichnung der Voraussezungen, von denen eine solche Pl notwendigerweise abhängen muß. Die Verschiedenheit der heidd Staatssysteme braucht dann kein Hindernis für die f? schaftlihe Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen z1 wenn alle Versuche einer aktiven Beeinflussung der inner! A gelegenheiten des anderen Landes unterbleiben. Aus den Vel handlungen, bei denen es auch zu einer befriedigenden Klärun einer Reihe von Einzelvorkommnissen aus der Vergang®! Î

s i E ehen gekommen ist, haben wir die Ueberzeugung gewonnen, daß, ¿ wie wir, auch die Sowjetregierung gewillt ist, das in ° Kommuniqués liegende Bekenntnis nicht zu einem toten Dm staben erstarcen, sondern zu lebendiger Auswirkung gelang zu lassen.

Für unsere Einstellung zur Sowjetunion sir bel politishen stets auch wirtschaftlihe Fnteressen maß gewesen. Fch hoffe deshalb, daß auch die Verhandlung® Schlichtungskommission, die jegt in Moskau stattfinden, zus

(Fortseßung in der Ersten Beilage.)

1d neben d

i Verantwortl. Schriftleiter: Direktor Dr. Tyrol, Charlottenb

Verantwortlich für den Anzeigenteil E Rechnungsdirektor Mengering in Berlin.

Verlag der Geschäftsstelle (Men gerin 9g) in Berl Druck der Preußischen Druckerei- und Verlags-AktienK" Berlin, Wilhelmstraße 32. Acht Beilagen (einshließl, Börsenbeilage und zwei Zentralhan

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rüdhaltung inm derartigen Fällen verpflichten.

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[8 Wz H j, nd Südostens noch sehr unbefriedigend. Nur mit Fugo-

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(Le 147. S

(Fortsegung aus dem Hauptblatt.)

zien Ergebissen führen werden. Es sind ja niht nur die „7 Richtlinien der Politik, die wihtig sind. Sie nuten nichts, e keine praktishen Auswirkungen zeitigen, wenn sie nicht sleberzeugung wachrufen, daß sie zum beiderseitigen Nußen shtbare Früchte tragen. a möchte hiernah der Erwartung Ausdruck. geben, daß zue Phase einer alten Politik mit der Sowjetunion nah Art von Fnventur, die teils stattgefunden hat und teils ¡m Gange ist, wiederum die Billigung dieses hohen Hauses Pir alle wissen, daß ein großer Teil unserer künftigen zishen Aufgaben im Osten zu suchen ist. Wir müssen uns enschaft davon geben, daß es für diese Aufgaben wesent- auf die sorgsame Pflege der Beziehungen zu unseren Ost- arn, namenilich aber zu dem größten unter ihnen, der jetunion, ankommt. Von dieser Auffassung haben wir uns unserer Auseinandersezung mit Rußland leiten lassen. Wir ins dabei aber auch bewußt, daß unsere Zusammenarbeit Kußland nicht allein für Deutschland, sondern für ganz ja wichtig ist. Wir wollen die Brücken zu unserem größten ¿harn im Osten niht abbrechen lassen und glauben, daß wir { auch dem Weltfrieden einen wesentlihen Dienst leisten. 54 möchte in diesem Zusammenhang mit einigen Worten die deutsch-polnishen Grenzzwischenfälle eingehen, die in lezten Zeit vorgekommen sind und in unserer Oeffentlichkeit ilihe Unruhen hervorgerufen haben. (Zurufe rechts: Und Ret!) Dabei liegt mir vor allem daran, mit aller Ent- (nheit gewisse Pressestimmen des Auslandes zurück- jen, die die Welt glauben machen möchten, daß solche jhenfälle von deutsher Seite systematisch provoziert würden, auf diese Weise immer wieder die Aufmerksamkeit auf die verhältnisse im Osten hinzulenken. Wie unsinnig ein hs Gerede ist, kann jeder, der sehen will, {hon aus dem in Zeitungen ja ausführlih bekanntgegebenen Sachverhalt in einzelnen Fällen erkennen, die doch wirklich alles andere als Charakter eines provokatorischen Vorgehens von deutscher j haben. (Sehr richtig!) Aber davon ganz abgesehen: enpolitik mit dem Mittel der Grenzzwischenfälle zu machen, : eine Methode, die man uns wirklich nit zutrauen sollte. hr richtig!) Wir haben es nicht nötig, solhe Mittel anzu- den, um Grenzverhältnisse zu beleuchten, über die sih jeder ändige längst im klaren sein muß. (Sehr gut! in der Mitte rechts.) Die diplomatishe Auseinandersezung mit der ischen Regierung über die einzelnen Fälle ist noch im Gange.

sere Beamten an der Grenze sind im Besiß genauer, noch

hin erneuerter Weisungen, die sie zu besonderer Vorsicht und Wir können

uf vertrauen, daß sie wie bisher diese Vorschriften befolgen

dauh in den Fällen nicht die Nerven verlieren, wo sie sih

hdenklicher Lage befinden. Das berechtigt uns zu der Forde- j eines gleichen Verhaltens auf der Gegenseite, da sonst ernst- die Gefahr einer Störung der nachbarlihen Beziehungen sehen müßte. Go bedauerlih derartige Zwischenfälle auch sind, so wäre es falsch, wie das schon in der Presse geschehen ist, sie mit der ye der Verwirklichung des deutsh-polnishen Handelsvertrags krbindung zu bringen, der, wie Sie wissen, nah jahrelangen ibliden Bemühungen in diesem Frühjahr endlich zustande men ist, der dem Reichstag vorliegt, nahdem er vorher im erat mit starker Mehrheit angenommen worden ist. vor ih auf die von dem Reichstag in den nähsten Wochen tledigenden Handelsverträge im einzelnen komme, möchte ih t unsere Handelsvertragspolitik der leßten Fahre eine all- tine Bemerkung vorausshickden. Jh möchte diese Aus=- ingen sowie kurzen Bemerkungen zu den einzelnen Handels- ten im Zusammenhang meiner Etatsrede machen, obwohl # alle noh zu ratifizierenden Handels8abkommen schon mit l Etat des Auswärtigen Amts verbunden werden konnten. n heutigen Ausführungen dürften für diese Vorlagen Ein- / Fyorie in der demnächst stattfindenden ersten Lesung er- 4 wir im Jahre 1925 durch den Wegfall der einengenden nmungen des Vertrags von Versailles unsere handels- ie Freiheit wiedererlangten, war es die Aufgabe und das der Reichsregierung, möglichst rasch das System der Handels- age iederherzustellen, um auf diesem Wege den Wiederauf- 1 der deutschen Wirtschaft zu erleihtern. Wir haben damals Wi ersten Etappe der Handel8vertragsverhandlungen die Ver- * mit den zwei größten Wirtschaftsmächten, mit den Ver-

fen Etaaten und England, abgeschlossen; in der zweiten e dann die mehr oder weniger langfristigen Handel8-

men mit den europäischen kontinentalen Gebieten, nämli i er mit Belgien, Spanien, der Schweiz, Ftalien, Hol- r Tschechoslowakei, den skandinavischen und Ostseegebieten

qu Frankreich, ferner mit Rußland und Japan und einer Mnderer überseeisher Länder. Diese Verhandlungen sind,

L im einzelnen auch oft schwierig waren, doch verhältnis- F rash zum Abschluß gekommen. Rückblickend können wir

daß, wenn manchmal auch schmerzlich Opfer gebracht

„„" mußten, im ganzen diese Politik erfolgreih war. (Sehr

1 . ß. bei den Sozialdemokraten.) Die Entwicklung unserer ay insbesondere der Fertigwarenausfuhr seit 1925 be-

N das.

Shwieriger und weniger erfolgreich gestalteten sih die Ver-

„_ngen mit den Ländern im Osten und Südosten Europas.

erst von Oesterreich zunächst absehe, das ja für uns eine j s einnimmt, so sind unsere wirtshaftlihen und tischen Beziehungen nah den meisten Gebieten des “n und Griechenland bestehen seit einigen Fahren Handels-* Nit der Tschechoslowakei und Ungarn kam es zwar

- Berlin, Freitag, den 27. Juni

au shon früher zu kurzen allgemein gehaltenen Regelungen; die damals in Ausficht genommene intensivere Regelung des Wirtschaftsverkehrs mit der Tschehoslowakei und Ungarn hat bisher aber noch nit gefunden werden können. Mit Rumänien stehen wir heute noch in einem vertragslosen Zustand und mit Polen tatsählich immer noch im WVirtschaftskrieg.

j Der einheitlihe Grund für diesen unbefriedigenden Zustand liegt in der landwirtshaftlihen Situation. Alle diese Länder wollen die Erzeugnisse ihrer Landwirtschaft nah Deutschland abseßen, während in Deutschland selbst die Verwertung der eigenen landwirtshaftlihen Erzeugnisse zu erträglihen Be- dingungen von Fahr zu Fahr auf größere Schwierigkeiten ge- stoßen ist und schließlich die gegenwärtige s{chwere landwirtschaft- liche Krise eingetreten ist. Die Reichsregierung hat daher bei Verhandlungen mit diesen Ländern ganz besondere Rücksicht auf unsere heimische Landwirtschaft nehmen müssen.

Beim Abschluß des Handelsvertrags mit Polen mußte es daher in erster Linie unsere Aufgabe sein, Zollbindungen oder gar Zollherabseßzungen zu vermeiden. Dies ist gelungen. Sie finden in dem Jhnen vorliegenden und mit dem Etat ver- bundenen Handelsvertrag mit Polen keine einzige Zolkverein- barung. Polen ist nur die Gleihbehandlung mit anderen Ländern selbstverständlich auf dem Fuße der Gegenseitigkeit zugesagt worden. Wir haben volle Freiheit, unsere Zölle, ins- besondere die landwictshaftlihen Zölle, nah dem eigenen Be- dürfnis zu gestalten. Gleihwohl wird der Vertrag, wie wir alle wissen, von landwirtschaftliher Seite beanstandet wegen des Kontingents, das Polen in veterinärpolizciliher Beziehung für Schweine gegeben worden ist. Jch glaube jedoeh darüber können wir uns aber in den Ausschüssen ja im einzelnen noch unterhalten —, daß dieses Kontingent mit ausreichenden veterinärpolizeilihen Sicherungen umgeben is}, so daß wirkliche Gefahren nit bestehen. Außerdem sind Abmachungen über die Absaß- und Preisregelung des Schweinekontingents getroffen worden, die bei einem Vergleich mit den Zahlen der deutschen eigenen Schweineproduktion die Besorgnis zerstreuen dürften, daß von dieser verhältnismäßig nicht großen Menge ein fühl- barer Preisdruck auf den deutshen Markt ausgehen wird. Ueber- dies bietet dagegen die leßte Erhöhung des Zolles für Schweine und Schweinefleisch einen weiteren Schuß.

Der ¿weite Punkt, der in den Ausshußverhandlungen vor- aussihtlich eingehend erörtert werden wird, ist die Gewährung eines Kohleneinfuhrkontingents. Die Reichsregierung ist auch an die Gewährung dieser Konzession mit sehr großer Besorgnis ge- gangen und hat sich dazu erst danw verstanden, als offenbar war, daß eine Beendigung des Wirtschaftskrieges ohne eine solche Kon- zession nicht möglich war. Durh Abmachungen über die Regelung des Kohlenabsaßes und des Kohlenpreises ist Vorsorge getroffen worden, um einen übermäßigen Preisdruck auf den deutschen Kohlenmarkt zu verhüten. Es ist zu bedauern, daß wach der jahre- langen Dauer der Verhandlungen die Gewährung dieses Kohlen- fontingents voraussichtlich zu einem Zeitpunkt effektiv werden wird, wo die durh die allgemeine deutsche Wirtschaftslage ver- ursachte besonders shwere Kohlenkrise noch niht behoben sein wird. Hoffentlich erwächst der Kohlenwirtschaft indirekt eine Kompensation durch die Beendigung des Wirtschaftskrieges mit Polen. Volkswirtschaftlich ist zu betonen, daß die allgemeine Wirt- schaftskrise es uns gur Pflicht macht, nah neuen Absaßgebieten für unsere Ausfuhr zu suchen. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Die Beendigung des Wirtschaftskrieges mit Polen liegt in dieser Richtung.

Wie Sie gelesen haben werden, ist es vor wenigen. Tagen gelungen, mit Rumänien zu einer vorläufigen vertraglichen Regelung der Wirtschaftsbeziehungen zu kommen. Es ist dadurch die Gefahr vermieden, daß zu dem Wirtschaftskrieg mit Polen auch noch einer mit Rumänien gekommen wäre, das für Deutsch- land einen ähnlih zukunftsreihen Markt darstellt wie Polen. Das vorläufige Handelsabkommen mit Rumänien wird dem Reichstag in diesen Tagen zugehen, sobald es vom Reichsrat ver- abschiedet ist. Es is notwendig, dieses Abkommen noch während der gegenwärtigen Tagung des Reichstags zu verabschieden, da andernfalls gemäß der rumänischen Geseßgebung die vumänischen Maximalzölle geFenüber Deutschland in Kraft treten können, die eine sehr starke Benachteiligung Deutschlands gegenüber seinen Konkurrenten auf dem rumänischen Markt bedeuten würden. Auch bei den Verhandlungen mit Rumänien konnte jede Zollbindung, also insbesondere auch jede Bindung von landwirtschaftlichen Zöllen, vermieden wevden.

Wenn es mögli ist, die formellen Voraussezungen noch rehigeitig zu erledigen, wäre es der Reichsregierung sehr er- wünscht, daß der neue Handelsvertrag mit der Türkei noch in dieser Tagung erledigt werden könnte und dadurch die politischen und wirtschaftlihen Beziehungen zur befreundeten Türkei weiter gefestigt würden.

Der Handelsvertrag mit Oesterreich shließlich verdient eine besondere Beurteilung. Die Reichsregierung hat in den leßten Jahren aufrichtig bedauert, daß, während es mit fast allen anderen europäischen Ländern zu vertvaglichen Regelungen gekommen ift, gerade mit dem uns so nah stehenden Oesterrei die mittlere Linie nicht gefunden werden konnte, die den Abschluß eines um- fassenden Vertrages ermöglichte. Glüdlicherweise ist es bei dem Besuch des Herrn österreihishen Bundeskanzlers Schober im Frühjahr dieses Jahres gelungen, im Rahmen der besonders herz- lichen und vertrauensvollen Aussprache diese mittlere Linie dur ein Entgegenkommen von beiden Seiten zu finden und kurze Zeit darauf den Handelsvertrag mit Oesterreich zu unterzeihnen. Troßdem es einige Punkte gibt, die bei der Behandlung in den Ausschüssen der Kritik ausgeseßt sein werden, vertraue ih darauf, daß sih die Parteien zusammenfinden werden, um diesen Vertrag zu ratifizieren und dadurch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Oesterreih und Deutschland noch inniger zu verbinden.

tizeiger und Preußischen Staatsanzeiger

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Meine Damen und Herren! - Gestatten Sie mir noch einige kurze Schlußbemerkungen. Bekannt und in der lebten Zeit afktuell ist die Fragestellung, ob Außen- oder Fnnenpolitik den Primat, den Vorrang habe. Es mag Zeiten geben, in denen das Schwer- gewicht der staatlichen Tätigkeit in der Betonung der “Außen- politik, andere Zeiten, in denen die stärkste «Fntensität des Staates auf dem Gebiete der Fnnenpolitik liegt. Außen- und Fnnenpolitik bedingen und durchdringen \ih gegenseitig. Jmmer aber besteht eine unauflöslihe Verbindung, und jedenfalls gilt es für die Gegenwart, daß erfolgreihe Außenpolitik mur möglih ist auf gesicherter FFnnenbasis, und daß wir daher auch vom Standpunkt der Außenpolitik mit allen Kräften für eine Konsolidierung unseres innerstaatlichen Lebens zu sorgen habem.

184. Sißung vom 26. Juni 1930.

Präsident L ö b e eröffnet die Sißung um 11 Uhr.

Die von den Regierungsparteien beantragte Verlän - gerungdes Nothaushalts bis Ende Fuli wird in erster und zweiter Lesung genehmigt.

Das Haus seßt dann die zweite Beratung des Haus- halts des Auswärtigen Amtes fort.

Abg. Frhr. von Rheinbaben (D. Vp.) erklärt, es sei mit Recht die Frage aufgeworfen worden, in welchem Maße man im Auswärtigen Amt Ersparnisse durchführen könne. Das Auf- treten des neuen deutshnationalen Berichterstatters sei in dieser Hinsicht in der Oeffentlichkeit außerordentlich beachtet worden. Er müsse aber bezweifeln, ob der von ihm gegebene Bericht in allen Punkten objektiv gewesen sei. Man dürfe nicht vergessen, daß das Auswärtige Amt nah 1918 ein Experimentierfeld für alle möglihen Dinge gewesen wäre. Die Lage Deutschlands sei au of 7 verschieden gegenüber der anderer Lander. Die anderen besäßen, während wir aufbauen wollten. Deshalb Hinke jeder Vergleich, wenn man nur die nackten Zahlen nenne. Wenn man sähe, daß es in Frankreich möglich wäre, Milliarden im Etat verschwinden zu lassen, dann erkenne man, 2 man nicht zu großes Vertrauen zu den Zahlen des Auslandes haben dürfe. 75n der Schweiz lebten viele Tausende von Deutschen, die dort ihrem Beruf nachgingen und vom Auswärtigen Amt zu betreuen seien. Da könne man feinen Vergleih mit den englishen Aus- gaben für denselben Zweck ziehen. Der Etat des Auswärtigen Amtes sei eben ein Spiegelbild unserer Gesamtlage. Auch die Deutsche Volkspartei sei der Auffassung, daß im Aus- wärtigen Amt gespart werden könne und müsse. Das Aus- wärtige Amt hätte in den leßten Jahren schon von sich aus der öffentlihen Meinung in dieser Rihtung mehr entgegen- fommen müssen. Der Redner bedauert die Ablehnung der Mittel für die Gesandtschaften in Südamerika, da dieje im deutschen Junteresse liegen würden. Deutschland hat, fuhr Redner fort, ein großes Ee daran, qualifigierte Persönlich- keiten als Beamte zum Völkerbund auch für einige Jahre nah Genf zu entsenden, aber sie müssen nah ihrer Rückehr wieder in den diplomatischen Dienst übernommen werden. Die Repräsen- tation darf bei den deutschen Missionen im Auslande natürlich nicht übertrieben werden. Aus der Geste, mit der die anten Offiziere das Rheinland verlassen, ziehen wir die Shlußfolgerung, wie s{hwierig das Problem der Auseinandersezung mit Frank- reih gewesen ist. Herr Breitsheid verlangt eine nüchterne Politik; man darf die Politik unseres Führers Stresemann, dessen wir dankbar gedenken, niht schmähen. Wir lassen uns die Freude an der Befreiung am 30. Juni nicht trüben. Die Locarno-Ver- träge bilden keinen Abschluß, sondern Meilensteine auf unserem politischen Wege. Unsere Außenpolitik ist nicht {huld an unserer inneren wirtshaftlihen Not und niht daran, daß noch immer _kein Zusammenhalt in unserem Volke besteht. Wir kommen erst in diesen Tagen und Wochen zu einer inneren Liquidierung des Weltkriegs. Mit den Ausführungen über das Paneuropaproblem widerspricht sich Herr von Freytagh-Loringhoven, denn er hat früher selbst auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß Deutschland dazu Stellung nehme. Das französische Memorandum läuft auf die Sicherung Frankreihs hinaus und da die Kontrollierung der Wirtschaft Europas mit Hilfe der Politik im Völkerbund Briand niht {nell geuug geht, will dieser cinen europäishen Auss{huß zur dauernden Kontrolle schaffen. Es wäre ein Verbrechen, wenn wir auf solhe Pläne eingehen, immerhin müßten wir das Pan- europaproblem ernst studieren. Wir müssen den guten Willen zur Lösung der Wirtschaftsfragen zeigen, 1m ganzen aber eine ab- wartende Stellung einnehmen. Das deutshe Problem ist un- geheuer wihtig. Bei dem deutsch-polnischen Liquidations- abfommen haben wir schwere Opfer gebraht. Hat es Polen übrigens schon ratifiziert? Das deutsch-polnishe Wirtschafts- abkommen kann einige Schäden heilen, aber wir müssen es erst im Ausshuß prüfen. Die polnishen Grenzzwischenfälle dürfen uns nicht unberührt lassen. Der polnische Staat 1st gewaltig er- starkt. Systematisch geht Polen darauf hinaus, Danzig ganz polnisch zu machen. Damit ält aber eine Vorausseßun( des Versailler Vertrages. Das Ver ältnis zu Polen ist der Sch g für unsere Ostpolitik. Mit Raffinement macht Polen in der ganzeu Welt, auch in den amerikanischen Zeitungen Propaganda für seine Polonisierungsbestrebungen. Jh bearant die Handels- abkommen mit Rumänien und Oesterreich, aber das sind Dinge, die weit zurückstehen e der Notwendigkeit der Lösung der Minderheitenfrage, in denen Genf noch niht weit gefommen ist. Freundliche wirtschaftliche Beziehungen zu Rußland sind er- wünscht, aber wir dürfen die gegenwärtigen Verhältnisse doch mit Skepsis betrachten. De E den Völkern sind nur nüßlih, wenn sie im Herzen der Völker verankert sind. Wir ver- bitten uns die russishen Quertreibereien im Fnnern unseres Landes. Wir werden aber niemals eine erfolgreiche Außenpolitik treiben können, wenn wir nicht unsere Wirtschaft im Jnnern konsolidieren. (Beifall bei der Deutschen Volkspartei.)

Abg. Schneller (Komm.) erklärt, die gestrigen Aus- führungen des Reichsaußenministers hätten die wichtigen Pro- bleme nur in sehr allgemeinen Redewendungen behandelt; nur auf die Summen seines Etats sei Lr sehr eingehend eingegangen. Dabei habe die deutsche Außenpolitik gar kein rechtes Betätigungs- feld. Die deutshen Steuerzahler würden durch die hohen Gehälter der oberen Beamten im Auswärtigen Amt geradezu parasitär ausgenußt. Von einer „neuen Etappe“ der deutschen ußenpolitik sei nihts zu entdecken. Die kommunistishen Streichungsanträge seien daher voll gerechtfertigt. Die deutsche Außenpolitik fahre weiter darin fort, Deutshland in die antirussishe Front einzu- gliedern. Diesem Zweck diene auch Briands Vor chlag eines außereuropäishen Völkerbundes e und gegen Sowjetrußland. Die Lösung der deutshpolnischen Probleme sei eng verknüpft mit dem Verhältnis zu Rußland. Bezeihnend sei auch in diesem Zu- ammenhang das verstärkte Rüsten der Randstaaten. Troß aller trovokationen werde die Sowjetunion aber die Friedenspolitik im Fnteresse des sozialen Aufbaues fortführen. Die Ausführungen des Abgeordnet@a Mumm über Greueltaten an R en Geist- lihen in Rußland seien aus der Luft gegriffen. Die Kirche sei in Rußland nur der Deckmantel für die Konterrevolution. Weiß- gardistishe Offiziere hätten sogar Popenkittel angezogen. Ul die Sozialdemokratie wolle den Bolshewismus beseitigen. Die