1887 / 160 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Jul 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Formulare zu den Quittungen werden von den oben- bezeichneten Kassen unentgeltlih verabfolgt. Berlin, den 1. Juli 1887. Hauptverwaltung der Staatsschulden. Sydow.

Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Die Wahl des Kapellmeisters der Königlichen Akademie der Künste in Berlin, Professors Dr. réofeph Joachim, zum Vertreter des Präsidenten der Akademie für die Zeit vom 1. Oktober 1887 bis 30. September 1888 i} bestätigt worden. -

Der Erste ordentliche Lehrer am Gymnasium zu Burg- steinfurt, Titular-Oberlehrer Dr. Eschma.nn, ist zum etats- mäßigen Oberlehrer an derselben Anstalt befördert worden.

Die Beförderung des ordentlihen Lehrers am Real- gymnasium in_ Essen, Oberlehrers Dr. Felix Kremer, zum etatsmäßigen Oberlehrer an derselben Anstalt is genehmigt worden.

Ministerium des Jnnern.

Dem Landrath Bras ch ist das Landrathsamt im Kreise Prüm übertragen worden.

Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.

Der Forstmeister Leo zu Stettin ist auf die durch Ver- sezung des Forstmeisters Vollmer erledigte Forstneisterstelle Königsberg-Labiau verseßt worden. -

Der Forstmeister Vollmer zu Königsberg i. Pr. ist auf die durch Verseßzung des Forstmeisters Leo erledigte Forst- meisterstelle Stettin-Wollin verseßt worden.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Der Königliche Regierungs-Ba1neister Wagen schein in Schubin ist zum Königlichen Kreis-Bauinspektor ernannt und demselben die Kreis-Bauinspektorstelle daselbst verliehen worden.

Evangelischer Ober-Kirch?nrath.

Der in der üirhlichen Verwaltung disher kommissarish beschäftigte Gerichts-Assessor Karl Augu st Leipoldt ist zum Konsistorial-Assessor ernannt und dem Königlichen Kon-

sistoruum der Provinz Sachsen überwiesen worden.

Nichßlamtlices. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. Juli. Kaiser und König sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Nachmittags 4 Uhr mit Gefolge per Extrazug von Ems nach Koblenz abgereist. Auf dem Bahnkof hatten sich zur Ver- abschiedung der Prinz Nikolaus von Nassau, der Regierungs- Präsident von Wurmb und andere hervorragende Persön- lichkeiten eingefunden. Von der zahlreih erschienenen Menschenmenge wurden Sr. Majestät enthusiastishe Kund- gebungen dargebracht. -

Nachmittags 4 Uhr 30 Minuten trafen Se. Majestät in Koblenz ein, wo Allerhöchstdieselben von den Spißen der Behörden empfangen wurden. Vom Bahnhof aus begaben Sich Se. Majestät nach dem Schlosse, wo die Begrüßung dur Fhre Majestät die Kaiserin stattfand. -

Heute früh um 9 Uhr wurde Sr. Majestät dem Kaiser eine Morgenmusik von der Kapelle des 4. Garde-Grenadier- Neg ments gebracht.

Um 10 Uhr machten Beide Majestäten eine Spazier- fahrt nah den Rheinanlagen. : e i

Mittags nahmen Se. Majestät den Vortrag des Generals der Kavallerie, von Albedyll, entgegen. Zum Diner waren mehrere hervorragende Militär- und Civilpersonen geladen.

Der Reichskanzler und Präsident des Staats-Mini- steriums, Fürst von Bismarc ist auf der Durchreise nach Varzin zu kurzem Aufenthalt hier eingetroffen.

Jn der Feldmark Mahlits ch bei Dommißsch, Kreis Torgau, ist in den lezten Tagen der verflossenen Woche das Auftreten des Kartoffel käfers konstatirt worden Als in- fizirt ist einstweilen eine Fläche von 3 ha ermittelt. Die Vertilgungsinaßregeln sind sofort angeordnet, und ist die Lei- tung dieser Arbeiten denselben Personen übertragen worden, welche #. Zt. im Jahre 1877 bei dem Auftreten des Kartoffel- fäfers bei Schildau die gleichen Arbeiten geleitet und eine vollständige Tilgung der Fnfektion bewirkt haben.

Durch Allerhöchste Ordre vom 27. Juni d. J. ist dem Kreise Wohlau, welcher den Bau folgender Kreischausseen : 1) von Wohlau bis zum Maltscher Oderdeiche' mit einer Ab- zweigung von Prankau bis zur Oderfähre bei Städtel Leubus, 2) von Wohlau über Buschen bis zum Treffpunkt dex: Straßen nach Winzig und über Herrnmotschelnis nach Steinau, 3) von Krehlau nach Gunmel, 4) von Winzig in der Richtung nah Tragenberg zum Anschluß an die Sekundär - Eisenbahn Trachenberg—Herrnstadi bei dem Bahnhofe Pakuswiß in der Nähe von Wanglewe und 9) von Auras über Naafke bis zur Grenze mit dem Kreise Trebnitz in der Nichtung auf Kottwiß beschlossen hat, das Enteignungsrecht für die zu diesen Chausseen erforder- lien Grundstüccke verliehen worden. Zugleich ist genehmigt worden, daß die dem Chausseegeld-Tarif vom 29. Februa 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee- Polizeivergehen auf die gedachten Straßen zur Anwen- dung kommen.

_— (Schles. Ztg.) Folgende an den Magistrat zu Liegnitz gerichtete Allerhöchste Kabinetsordre Sr. Majestät des Kaisers und Königs ist in der Sißung der Stadt- verordneten - Versammlung zu Liegniß zur Mittheilung ge- fommen :

„Durch die Berichte, welche Mir über die am 6. d. M. bei Meinem Grenadier-Regiment stattgehabte Festfeier erstattet worden sind, ift zu Meiner Kenntniß gelangt, in wie hervorragender Weise

Se. Majestät ver.

der Magistrat und die Bewohner von Liegnitz cs sich haben angelegen sein lassen, au) ihrerseits diese Feier zu befördern und ihrer Antheilnahme an derselben durch Auss{chmückung von Straßen und Pläßen der Stadt und durch Vorbereitung einer glänzenden Illumination zu Meinem Empfange beredten Aus- druck zu geben. Es ist dies für Mich ein Grund mehr, zu be- dauern, daß es Mir versagt war, nah Liegniß zu kommen und an diesem Feste theilzunehmen, und es is Mir, nahdem Mein Befinden sich inzwischen einigermaßen gebessert, ein wahres Bedürfniß, der Stadt Liegniß Meine lebhafte Befriedigung und Meinen warmen Dank für die Bethätigung ihrer Anhänglichkeit an Mich und für die Theilnahme an der Feier Meines Regiments hierdurch zu erkennen zu geben. Ich ersuhe den Magistrat, dies in möglichster Verbreitung zur Kenntniß der Bewohner von Liegnitz zu bringen. Berlin, den 28, Juni 1887. Wilhelm.“

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich medlenburgische Ober-Zoll-Direktor Oldenburg, ist von hier abgereist.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren : Dr. Franz Oppenheimer, Heinr. Hirschberg und Friedr. Reuter, sämmtlih in Berlin, Dr. Weißblum in Messingwerk, Dr. Dos in Anklam, Dr. Eugen Sachs, Dr. Jadassohn, Karl Scholz und Max Scheyer, sämmtlih in Breslau, Dr. Strauch in Herrnstadt, Dr. Georg Hoffmann in Altheide, Tjark Tjarks in Wittmund, Dr. Wir in Mülheim a. Rh., Dr, Raaf in Sinzig.

Hessen. Darmstadt, 10. Juli. (Darmst. 2tg.) Der General der Kavallerie, Prinz Heinrich von Hessen und bei Nhein, Commandeur der Großherzoglich hessischen (25.) Division, ist auf sein Nachsuchen durch Allerhöchste Ent- schließung Sr. Majestät des Kaisers und Königs vom 7, d. M. mit der Bestimmung zur Disposition gestellt worden, daß derselbe in dem Verhältniß à la suite des Husaren- Regiments (1. Rheinischen) Nr. 7 zu verbleiben habe und auch in der Anciennetätsliste der Generale weiter zu führen sei. Das Allerhöchste Kabinetsschreiben, dur welches Sr. Groß- herzoglichen Hoheit diese Entschließung mitgetheilt wurde, ent- hält nachstehende Schlußworte :

„Bei dieser Veranlassung finde Id Mich im Hinblick auf die von Gw. Großherzoglichen Hoheit in drei Feldzügen vor dem Feinde ge- leisteten hervorragend braven Dienste bewogen. Ew. Großherzoglichen Hoheit nachträglich den Orden pour le mérice zu verleihen. Ich wünsche durh diese Auszeihnung Ew. Großherzoglichen Hoheit Meinen warmen Dank für die treue Pflichterfüllung und Hingebung zu bethätigen, mit we!chen Sie Mir und dec Armee sehr gute und erfolgreiche Dienste geleistet haben, deren Ich jederzeit in gnädiger Erinnerung eingedenk sein werde.

Elsaß-Lothringen. Met, 12. Zuli. König von Sachsen ist, unter dem Namen eines Grafen von Plauen reisend, auf der Reise von Brüssel nah Baden- Baden heute Nachmittag hier eingetroffen.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 11. Juli. (W. T. B.) Kronvrinz Nudolf hat seine Rundreise durch die Bufowina unter fortgeseßten sympathishen Kundgebungen der Bevölke- rung vollendet und heute früh die ungarishe Grenze passiri, wo er von dem Ober - Gespan Grafen Sonyay empfangen wurde.

Großbritannien und Jrland. London, 11. Zuli. (W. T. B.) Se. Kaiserliche uno Königliche Hoheit der Kron - prinz des Deutschen Reichs und von Preußen traf heute morgen von Windsor hier ein und machte dem deutschen Botschafter Grafen Haßfeldt einen längeren Besuh. Se. Katserlihe und Königlihe Hoheit begiebt Sich morgen von Norwood nach der Jnsel Wight.

Das Oberhaus nahm in dritter Lesung die Vill be- treffend den Bau des Manqchesterkanals, und die Bill, betreffend die Erleichterung dexr Uebertragung von Grundbefiß, sowie in erster Lesung die irische Strafrechtbill an. Die Opposition war gegen die An- beraumung der zweiten Lesung auf den folgenden Tag. Loc Salisbury seßte in Folge dessen die zweite Lesung auf Donnerstag fest.

Jm Unterhause erklärte der Unter-Staatssekretär des Auswärtigen, Fergusson, auf eine An'rage, der Aufent: halt Drummond Wolff's in Konstantinopel sei um zwei Tage verlängert. Der diesbezügliche Schriftwechsel sei cuf dea Tisch des Hauses niedergelegt worden. Ritchie kündigte für Montag eine Bill an, welche die Gewährung kleinenBodenbesizes an landwirthschaftliche Arbeiter bezweät. Der Generalsekretär für Jriand, Balfour, beantragte die zweite Lesung der irischen Landbill und kündigte Amendements an, durh welche die Käufer von Pachtgütern während des Gesetzes von 1870 und die Käufer von Kirchengut während des Gefeßes von 1869 auf gleichen Fuß mit den Käufern von Pachtgütern während des Gesetzes von 1885 gestellt werden. Campbell Bannerman bcingt den bereits am 5. Juli angemeldeten Unterantrag, ein, welcher die zweite Lesung der Bill bekämpft. Die Bill, betreffend die Gewerbeschbutmarke, sowie die Bill, betreffend die Ersaß mittel von Butter, welche nur unter der Bezeichnung „Butterine“ in den Handel gebrach: werden dürfen, wurden in dritter Lesung angenommen.

Frankreih. Paris, 11. Juli. (W. T. B.) Jun der beutigen Sizung der Deputirtenkammer warf Re- villon (äußerste Linke) dem Kabinet vor, daß es an- gesihts der durch den Grafen von Paris gebillig- ten Umtriebe der Rechten sih neutral verhalte. Dies sei aber unmöglich, die Regierung müsse entweder zur Demokratie und. Republik zucücckehren oder ih zurückziehen.

Der Minister - Präsident Rouavier erinnerte daran, daß cer, als er die Bildung des Ministeriums übernommen, an die republikanishe Majorität ap-

pellirt habe; er habe eine abschlägige Antwort bekommen, weil in dem neuen Ministerium ein Name gefehlt habe. Er wolle niht das Benehmen Boulanger's als strafbar bezeichnen, er konstatire aber, daß Boulanger seit seiner Wahl zum Deputirten im Seine-Departement Gegenstand illegaler Kundgebungen gewesen sei. Da sei auch ver geeignete S e gekommen, ihn aus dem Mittel- punkt der Politik, in welchem er sih befunden, zu ent- fernen und ihn in die Armee wieder eintreten zu lassen. Hâtte die bürgerlihe Gewalt gezaudert, so wäre es um

sie geschehen gewesen. Das Kabinet wolle mit der republika- nischen Majorität regieren, und diese Majorität sei in der politischen Debatte gewonnen worden. Das Kabinet sei keine Regierung des Kampfes und wolle weder Jemand heraus-

fordern noch verfolgen, sondern wolle nur der repu- blikanishen Legalität Achtung verschaffen. Wenn Andere glaubten, daß die republikanishe Regierung eine

Regierung der Verfolgung sei, so möchten sie es nur frei heraussagen und eine Majorität bilden. Die Mit- glieder des Ministeriums seien Republikaner, und Niemand habe das Recht, ihre republikanishe Ergebenheit und Freiheit zu verdächtigen. Fm weiteren Verlauf der Sigzung griff dann Clémenceau die Regierung heftig an, weil sie mit der Rechten gemeinsame Sache mache; die republi- kanische Partei sei in vollständiger Verwirrung und bei dieser Verwirrung sei die Boulanger-Frage entstanden. Er tadele die jüngsten Kundgebungen, aber man könne sie doch mit der Thatsache erklären, daß man in Boulanger nit den Retter Frankreihs, wohl aber einzn Mann zu sehen glaube, welcher von der deutschen Presse und von der Rechten an- gegriffen worden sei. Seine Popularität sei eine solche, wie sie die Kammer haben würde, wenn sie ent- schlossen den Weg von Reformen eingeschlagen hätte. Die öffentliche Meinung sei irregeführt worden; man be- dürfe solher Führer, welhe für die Republik gegen die Monarchie einträten; er begreife nicht die Spaltung zwischen Anhängern und Gegnern Boulanger's. Boulanger habe eine Stellung in der Armee und müsse sie behalten. Der Conseil- Präsident Rouvier erwiderte, die Regierung verlange auch heute noch eine republikanische Majorität. Jn der Kammer befänden ih 400 Republikaner. Wenn von diesen 200 gegen das Ministerium stimmen sollten, werde leßteres seine Entlassung nehmen. Nach Clémenceau hatte Laisant unter großer Unruhe der Kammer die Tribüne bestiegen, um Boulanger zu ver- theidigen; er behauptete, das gegenwärtige Ministerium sei unter dem Drucke von außen her entstanden. Der Conseil- Präsident Nouvier protestirte heftig gegen diese Be- hauptungen und drohte, den Saal zu verlassen, falls Laisant nicht zur Ordnung gerufen würde. Letzteres geschah hierauf. Schließlich wurde die von der Negierung veriangte einfache Tagesordnung mit 38 gegen 120 Stimmen ange- nommen. 5

12. Juli. (W. T. B.) Der Präsident der Deputirten- kammer, Floquet, hat, dem Vernehmen nah, in Folge der tumultuarishen Vorgänge in der gestrigen Kammersißung, den Entschluß gefaßt, seinen Posten niederzulegen und dies dem Vize-Präsidenten Anatole de la Forge heute scrift- lih mitzutheilen.

(W. T. B.) Der |

Zeitungsstimmen.

Die „Po st“ schreibt:

Pfennig-Rentiers will Hr. Eugen Richter die Arbeiter genannt wissen, welche dermalecinst in den Besiy der ihnen durch die geplante Invallidenversorgung zuzubilligenden Pension gelangen werden, weil als Mindestbetrcag dieser Penfion neulih die Summe von 120 (6. pro Jahr genannt war. Herr Eugen Richter hat mit dem Hohn, mit welchem er einen in Aussicht genommenen bedeutungsvollen und schwierigen Schritt der durch die Kaiserlihe Botschaft in ihren Hauptzügen vorgezeichneten sozialen Reformpolitik zu diskredi- tiren suchte, fkeineswegs, wie anerkannt werden muß, in der eigenen Partei5oresse ein Echo gefunden. Es habea sid vielmehr gerade die größten Organe des deutschen Freisinns in Berlin in einem sehr energischen Protest gegen dies Auf- treten des, sonst so weitgehende Autorität beanspruchenden, Partei- führers vereinigt. Das eine kat erklärt, daß ih auf der bis jet erfinnbaren Basis für den erwähnten Plan schr wohl die wohl- me;nenden Leute aller Parteien zum gemeinsamen Weiterbau zusammen- finden könnten, das andere hat in berechtigter Entrüstung an Herrn Eugen Richter die Frage gerichtet, ob er vielleiht im Stande sei, j-dem Arbeiter, die Position cines wohlhabenden Rentiers zu vers- ‘chaffen, und das dritte hat auf die thatsächlich vorhanvene Nothlage bingewilesen und die vernünftige Bemerkung gemacht, daß für solche Dürstigkeit auch die kleine Gabe immer noch mehr hilft, als übel angebrachter Spott.

Wenn Hr. Richtec aber jeßt endlich cinmal a4us den eigenen Parteikreifen heraus in ernsten Worten darüber belehrt worden, daß es auh für... . ihn ein „Bis hierher und nit weiter!“ giebt, so wirft ein auch in seinem Blatt vielerörterter und mit den üblichen übelwollenden Bemerkungen begleiteter Vorgang ein noch grelleres Licht auf die Ziele setner Kritik.

Hr. Eugen Richter hat mit Recht auf das Verhältniß des

hoher Substriptions8courses der Reichsanleihe , welche in diesen Tagen aufgelegt worden, zu der damit gewährten Rente von nur 3509/0 aufmerksam gemaht. Aber diese Anleihe ift

erheblich wie bekannt, um das Siebenfache überzeihnet worden. In Geldfachen hört bekanntlich, um das geflügelte Wort eines viel- genannten Financiers zu gebrauchen, die Gemüthlichkeit auf, und so wird denn auch Hr. Richter nicht bestreiten wollen, daß es sehr praf- tishe Crwägungen waren, welhe den enormen Zulauf der Zeichner zu der Reichsanleihe bestimmten, und daß ins- besondere die Hauptrolle die Erkenntniß der Unmöglich- keit spielte, unter den gegenwärtigen Verhältnissen des Geldmarktes, welche wieder ihr Fundament in der allgemeinen Situa- tion und in dem derzeitigen Entwickelungsgang des Wirthschaftslebens finden, einen höheren Nußnießungspreis für Leihkapital unter gleich weitgehender Erfüllung der Bedingungen der Kapitals- und Zins- sicherheit zu erlangen. Hr. Richter möge si selbst ausrechnen, daß bei solcher Lage der Arbeiter, welcher einen Zinsgenuß von 120 46 pro Jahr sih verschaffen wollte, also um nach Richter’sher Benen- nung es au nur zu einem „Pfennig-Rentier* zu bringen, {hon recht sehr ordentlich, recht schr sparsam, recht sehr fleißig hätte sein und nebenbei au von jedem seine ökonomische Lage wesentlich alterirenden Ungemach hâtte verschont bleiben müssen.

Daß der glänzende Erfolg der Auflegung der 33 prozentigen NReichsanleihe zur Subskription aber auch ein unwiderleglihes Ber- trauensvotum gerade für die Leitung und Verwaltung der Geschäfte des die Anleihe kontrahirenden Staatswesens, also für die Art der Leitung und Verwaltung der Geschäfte bedeutet, welhe Hr. Richter mit der allerdings immer kleiner und {chwächcher werdenden Zahl seiner Gesinnungsgenossen auf das Gehässigste anzugreifen niht müde wird, liegt auf der Hand. :

Aber eine weit bedeutsamere Erscheinung . . . ist die Thatsache, daß gerade in der Zeit des Nückgangs der Kapitalrente der Gedanke, dem erwerbsunfähig gewordenen Arbeiter eine nachträgliche Arbeits- rente zu gewähren, feiner praktischen Verwirklihung sich nähert, und daß, abgesehen von den Schattenseiten, die der NüÏgang des Kapital - zinses für viele Interessenkreise aufweist, do diese Bewegung im All- gemeinen den Charakter einer Ausgleichung eines seit einiger Zeit mit besonderer Schroffheit betonten und agitatorish verwertheten Gegen- saßes trägt, des Gegensayes zwischen der aktiven Arbeitskraft und den „Ansammlungen der Vergangenheit“, des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, oder, wie eine neuerdings durch das geistvolle aber tendenziöse Werk Henry George's aufgekommene Phrase lautet, des Gegensatzes zwischen Fortschritt und Armuth.

Die Kraft des Kapitals nimmt ab, die Kraft der Arbeit nimmt zu. Wie ehemals mit steigender Kultur die Werthshäßzung der mens\h- lihen Dienstleistung eipen Rückgang erfuhr, so nimmt jeßt unter stetem ass der Macht des Menschen über den Stoff die Macht des

enschen über den Nebenmenschen, welche si allein auf das Ueber- gewicht angesammelten Kapitals stüßte, ab.

Hr. Dr. Werner Siemens hat in seinem gedankenreihen Vortrage in der im vorigen Jahre hier stattgehabten Naturforscher-Versamm- lung si gewiß bezügli der Zukunft, welche das „naturwissenschaft- lihe Zeitalter“ verheißt, einem Optimismus hingegeben, gegen den sh mancher gewichtige Einwand erheben läßt, aber {werlich läßt sich die Berechtigung der Bemerkungen bestreiten, die er dabei über das Sinken des Kapitalzinses machte, wenn er sich darüber dahin aus- spra: „Die Einnahmen der Kapitalisten sinken und zwar zum großen Theile in einem Maße, welches die Erleichterung des Lebensunter- haltes durch den Preisrückgang weit übersteigt. Zahlreiche Familien müssen in Folge dessen ihren Standard of life auf ein niedrigeres Niveau herabseten, während umgekehrt zahlreihe Arbeiter in der Lage sind, ihre Lebenshaltung selbst zu verbessern. Durch dieses stetige Sinken des bisher auf einem sozial weit höheren Niveau stehenden Theils der Bevölkerung auf der einen, die Hebung eines anderen, bisher s{chlechter stehenden Theils auf der anderen Seite, werden zwar die sozialen Unterschiede keineswegs noch aufgehoben, aber sehr erheblich ausgeglichen.“

Der „Hamburgische Correspondent“ bespricht die verschiedenen maritimen Bauten, welche im Deutschen Neich vorbereitet oder geplant werden, und sagt dann:

Von den in der Ausführung begriffenen Bauten nahen dicjenigen, welche durch den Zollanschluß von Hamburg, Bremen, Altona und Geestemünde bedingt sind, überall der Vollendung. Die Beleuchtung der Emêeinfahrt, welche Preußen im Verein mit Holland durch{führt, ist in Angriff genommen; an ihrer planmäßigen Ausführung inner- halb zweier Jahre ist nicht zu zweifeln. Auch die mit dem Ems- Jade- Kanal zusammenhängende Umgestaltung des Hafens in Emden sieht in naher Zeit dem Abschluß entgegen. Mit demselben wird der Hafen von der Stadt auf den Staat übergehen.

So entrollt sih, auch abgesehen von dem großen nationalen Unternehmen des Nord-Osftsee-Kanals, das Bild lebendiger Thätigkeit zur Förderung und Entwickelung des Verkehrs an allen deutschen Küsten. Nirgends zeigt sich Stillstand oder Erschlaffung, auf der ganzen Linie wird vielmehr energisch fortgeschritten. Hier, wie auf anderen Gebieten zeigt das geeinte Deutschland, daß es noch in dem aufsteigenden Aste dec Entwickelung si befindet.

__— Wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mittheilt, enthält der Jahresbericht der Handels- und Gewerbe- kammer von Niederbayern für 1886 folgende Aeußerung über die Wirkungen der Holzzölle:

Eine Parquctfabrik berichtet: „Die Ausdehnung unseres Fabrik- betriebes war nur mögli dur die mit Einführung der neuen Zoll- geseßgebung in Kraft getretene Zollerhößhung auf Parquetfabritate, und hat seitdem die ganze Parquetfabrikation in Deutschland überall an Ausdehnung und Umfang bedeutend zugenommen, so daß hcute be- reits fast auf jedem fleineren Plaß cine Fabrik und in allen größeren Städten zahlreiche Fabriken sich mit diesem Industriezweige bes chäf- tigen. Die Aufrechterhaltung der dermaligen Zollsätze is für den Fortbestand dieser Industrie cine Lebensbedingung, und mit Ermäßi- gung des Zollfaßes auf das Fabrikat würde sofort unsere Veredlungs- industrie gegenüber dem Ausland wieder konkurrenzunfähig werden ; aber auch cine Ermäßigung des Zollsaßes auf rauhe Eichenschnitt- waare erachten wir durchaus nicht für erforderlich.“

—- Jn einem im „Deutschen Handels-Archiv“ C Bericht über den Handel Bremens 1886 eißt 28s:

Wenn somit ein Rückblick auf die geschäftliche Lage Bre- mens im Jahre 1886 im Allgemeinen kein erfreulicher ist, so wird doch die in diesem Jahre erfolgte Eröffnung der vom Reich subven- tionirten Postdampferlinien nach Ost-Asien und Australien sehr zur Hebung des Bremer Handels beitragen. Die neuen Linien haben nch bereits vielfahe Anerkennung erworben, und es wird hoffentlich dur sie erreiht werden, was man durch ihre Einrichtung bezweckte, die Hebung des deutschen Erports und eine Belebung der gescäftlihen Beziehungen Deutschlants zu Asien und Australien. Bremen kann sowohl in der Segel- als Dampfschiffahrt nah den weitaus meisten transatlantischen Hâfen die Konkurrenz mit seinen Nachbarn schr wohl aufnehmen. Im Jahre 1886 jedo waren die Dampferfrachten nah New-York, diesem ‘ür Bremen wichtigsten Plaß, theurer, als die der Nachbarhäfen; Bremen bot zwar sehr häufige und unzweifelhaft die \chnellste Ver- ladung8gelegenheit nah New- Vork, aber nicht die billigte; indessen ist es wohl zweifellos, daß in Kurzem auch billig fahrende Frachtdampfer neben den ausgezeichneten Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyd in die Fahrt nah New-York werden eingestellt werden und dann Bremen au in diesem Punkte wieder als vollständig konkurrenzfähig dastehen wird. Das Projekt der Gründung ciner „Ueberseeishen Bank“ unter staatliher Beaufsichtigung und Mitwirkung findet großen Beifall. Die Bank wird als eine threr Hauptaufgaben unter anderen die Ein- führung eines direkten Wechselverkehrs zwischen Deutschland und dem Auslande zu betrahten haben ; ein solcher (d. h. die Möglichkeit, regelmäßig Wechsel in deutsher Währung auf deutsche Bankpläte verkaufen za können) besteht bis jeßt, außer mit den nordamerikanishen Staaten, von allen transatlantischen Löndern eigentlich nur mit den Laplata-Staaten, bezw. in deren Haupthandelspläßen Buenos Ayres and Montevideo.

Statistische Nachrichten.

Bom Kaiserlichen Statistischen Amt ist soeben die erste Abtheilung des Bandes 27 ver Statistik des Deutschen Reichs (Neue Folge) veröffentlicht worden, welche enthält: 1) Das Verzeichniß der Schiffsunfälle an der deutschen Küste im Jahre 1886, 2) den Nach- weis der im Jahre 1886 als verunglückt angezeigten deutshen See- chiffe, Und 3) den Bestand der deutschen Seeschiffe (Kauffahrteischiffe) am 1. Januar 1887, sowie die Bes:andesveränderungen während des Jahres 1886. Das erstgedachte Verzeichniß führt 162 Unfälle au

„der deutichen Küste auf, welche (bei 64 Kollisionen) 226 Schiffe

betrafen. Die Erhebungen der vorhergehenden Jahre batten ergeben, für 1885 : 170 Unfälle und 220 betroffene Schiffe, für 1884 : 230 bezw. 299, für 1883 : 218 bezw. 273, für 1882: 225 Unfälle und 272 betroffene Schiffe. Die Abnahme der Sciffsunfälle in den Jahren 1885 und 1886 im Vergleich „mit den Ergebnissen der 3 Vorjahrc darf haupt- \ählich als eine Folge der besseren Witterung betrachtet werden, welche in diesen Jahren in den deutschen Küstengewässern herrschte. Total verloren gingen in Folge der Unfälle im Jahre 1886 36 Schiffe (15,9 "/o aller betroffenen Schiffe), gegenüber 39 Schiffen (17,7 9/0) im Vorjahre, 56 Schiffen (18,7 9%) im Jahre 1884, 60 Schiffen (22,0 9/0) im Jahre 1853 und 83 Swiffen (30,5 9%) im Jahre 1882. Der Menschenverlust bei diesen Unfällen bezifferte sih soweit fest- gestellt im Jahre 1886 auf 13 Personen, während im Vorjahre 27, im Jahre 1884 58, 1883 47 und im Jahre 1882 18 Personen bei den Schiffsunfällen an der deutschen Küste ihr Leben verloren. Unterscheidet man die Unfälle während des Jahres 1886 nah ihrer Art, so zer- fallen sie in 48 Strandungen, 3 Fälle von Kentern, 24 von Sinken, 64 Kollisionen und 23 Unfälle anderer Art. Von den betroffenen Schiffen (226) gehörten 151 (66,8 9/0) der deutschen &lagge und 73 (32,3 0/0) fremden Flaggen an; von 2 Schiffen (0,9 9/0) blieb die Nationalität unbekannt. Nach dem unter 2 genannten Na(weise sind im Jahre 1886 die Verunglückungen (Totalverluste) von 132 registrirten deutshen Seeschiffen mit einem Gesammtraumgehalt von 43454 Reg.-Tons zur amtlichen Kenrtniß gelangt. Von diefen Verunglückungen entfallen 10 auf das Jahr 1885, es beträgt mithin die Zahl der bis jeßt zur Anzeige gelangten, im Jahre 1886 ver-

unglückten deutschen Seeschiffe 122 mit einem Netto-Raumgchalt von 39 929 Reg.-Tons, während der Verlust-Nahweis für das Jahr 1885, welcher nunmehr als vollständig betrachtet werden darf, ih auf 148 Schiffe mit 37502 Reg -Tons beziffert. 3) Der Bestand der deutschen Kauffahrteiflotte belief sich am 1. Januar 1887 auf 4021 Seeschiffe mit einem Gesammtraumgebalt von 1 284 703 Reg.-Tons und 39021 Mann regelmäßiger Besatzung. Darunter waren Segelschiffe 3327 mit 830 789 Reg.-Tons und Dampfschiffe 694 mit 453914 Reg -Tons, wogegen am 1. Januar 1886 vorhanden gewesen waren 3471 Segelschiffe mit 861 844 Reg.-Tons und 664 Dampfer mit 420605 Reg.-Tons. Nach ihrer Bauart und Takelung bestanden die am 1. Januar 1887 vorhandenen Segelschiffe aus 4 viermastigen Schiffen, 992 dreimastigen, und zwar: 146 Voll- schiffen, 723 Barken, 14 Schoonerbarken, 108 dreimastigen Schoonern und 1 anderen dreimastigen Schiff; ferner aus 1677 zweimastigen Schiffen, und zwar: 265 Briggen, 134 Schoonerbriggen und Brigan- tinen, 275 Schoonern, 261 S{hoonergalioten, Galeassen und Ga- lioten, 68 Gaffelshoonern und Schmacken und 674 anderen zwei-

mastigen Schiffen; sowie aus 654 einmastigen Schiffen. Da- gegen bezifferte ih am 1. Januar 1886 der Bestand an viermastigen Segelschiffen auf 2, an dreimastigen auf

1057, an zweimastigen auf 1757 und an einmastigen auf 655. Die am 1. Januar 1887 vorhandenen 694 Dampfschiffe bestanden aus 50 Râder- und 644 Schraubendampfern, gegenüber 46 Räder- und 618 Schraubendampfern am Anfang des Vorjahres. Von der Ge- fammtzahl der am 1. Januar 1887 vorhandencn Schiffe hatten 1839 (1861 am 1. Januar des Vorjahres) einen Netto-Naumgehalt von weniger als 100 Reg.-Tons, 1369 (1473 im Vorjahr) einen folchen von 100 bis unter 500 Reg.-Tons, 456 (469 im Vorjahr) von 500 bis unter 1000 Reg.-Tons, 322 (301 im Vorjahr) von 1000 bis unter 2000 Reg.-Tons und 35 (31 im Vorjahr) vcn 2000 Reg.-Tons und darüber.

Gemäß den Veröffentlihungen des Kaiserlichen Ges und- heits8amts sind in der Zeit vom 26. Juri bis 2. Iuli cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 22,7, ir Breslau 37,0, in Königsberg 30,6, in Köln 27,9, in Frankfurt a. M. 18,8, in Wiesbaden 20,9, in Hannover 17,6, in Kassel 13,4, in Magdeburg 312, in Stettin 21,9, in Altona 16,6, in Straßburg 25,0, in Met; 22,0, in München 34,4, in Nürnberg 20,0, in Augsburg 31,7, in Dresden 17,4, in Leipzig 13,8, in Stuttgart 15,2, in Karlsruhe 22,5, in Braunschweig 18,3, in Hamburg 20,7, in Wien —, in Pest 31,2, in Prag 25,6, in Triest 24,6, in Krakau 30,6, in Basel —, in Brüssel 19,3, in Amsterdam 21,4, in Paris 19,2, in London 16,6, in Glasgon. 19,9, in Liverpool 21,4, in Dublin 29,4, in Edinburg 16,9, in Kopenhagen 22,8, in Stockholm 26,6, in Christiania 22,9, in St. Petersburg 26,4, in Warschau 26,6, in Odessa 33,3, in Rom 21,0, in Turin 26,9, in Venedig 16,2, in Alexandria 36,5. Ferner in der Zeit vom 5, bis 11. Juni cr.: in New - York 22,2, in Philadelphia 20,9, in Baltimore 16,6, in Kalkutta —, in Bombay 23,1, in Madras 31,7.

Die Sterblichkeit blieb auch in dieser Berichtswoche in den meisten Großstädten Europas eine günstige, wenn auch cin großer Theil derselben ein wenig höhere Sterblichkeitsziffern mittheilt als in der Borwoche. Sehr günstig (noch niht 20,0 Gestorbene pro Mille und Jahr berechnet) war die Sterblichkeit in einer größeren Zahl von Städten, wie tin Bochum, Freiburg i. B., Kassel, Leipya, Dresven, Stuttgart, Elberfeld, Altona, Bremen, Hannover, Mainz, Frankfurt a, M., Frankfurt a. O. Barmen, Braunschweig, Brüssel, Paris, London, Glasgow, Edinburg. Mäßig hoch (20,0 und etwas dar- über) blieb fie in Wiesbaden, Berlin, Meg, Mannheim, Nürnberg, Hamburg, Stettin, Amsterdam, Liverpool u. a. hohe Sterblichkei*sziffern (über 30,0 vro Mille und Jahr) melden von den deutschen Städten Breslau, Königëberg, Magdeburg, München, Augs- burg, Chemnitz, Mülhausen i. (8, Würzburg Diese im Allge- meinen für die Jahreszeit selten günitigen Sterblichkeitsverhältniise sind durch die kühle Witterung, welce in der Berichts8woche in fast ganz Mittel-Curopa vorkerrshte, bedingt worden, in Folge deren die Zahl der an Darmkatarrhen und Brehdurchfällen zu Grunde gegangenen Kinder eine sehr beshränk1?2 blieb, selbst in den Orten, wo sie, wie in Berlin Breslau, München, Köln, Fönigsberg, Magdeburg, Elberfeld, Stettin, Kopenhagen, Pest, Warschau, Odessa u a., erfahrungsgemäß recht zahlreich aufzutreten pflegen. In Hamburg, Augsburg, Danzia, Paris, London, St. Petersburg kamen sie, im Vergleich zur Vorwoche, noch seltener zum Vorschein. Die Theilncihme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war im Allgemeinen eine nur müßig gesteigerte. Von 10 000 Leben- den starben, auf’'s Jahr berechnet, in Berlin 105, in München 124

Säuglinge. Akute Entzündungen ter Athmungsorgane führt-n all- gemein feltener zum Tode. Von den Infektionékrankheiten waren

Sterbefälle an Masern in größerer, an Scharlach, Divhtherie, Unter- leibstyphen, Keuchbusten und Pocken in geringerer Zahl gemeldet. Die Zahl der Todesfälle an Masern war in Berlin, München, Chemnitz, Magdeburg, Breslau, Rom, Dublin, Stockholin und Wars chau eine größere als in der Vorwoche, in Paris blieb sie die gleiche, in Köln, Prag, London,St. Petersburg nalzm sie ab. Neue Erkrankungen kamen aus Breslau, den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf, Königsberg, aus Pest, Kopenhagen, Stockholm, recht zablreih zur Mittheilung. Das Scharlach ieber hat in Berlin, Dcnzig weniger, dagegen in Warschau mehr Opfer gefordert. In Hamburg, Nürnberg, Editn- burg, Kopenhagen, Christiania waren Er*rankungen an Scharlach häufig. Die Sterblichkeit an Diphtberie und Croup war in Berlin, Dresden, Leipzig, London eine kleinere, in Breslciu, Hamburg, Frankfurt a. M. die gleiche, in Magdeburg, Chemnitz, Paris, Christiania eine größere als in der Vorwoche. Er- frankungen wurden aus Hamburg und Kopenhagen in geringerer, avs BVerlir, Breslau, Nürnberg..in fast gleicher, aus dem Regierungs- bezirk Sch1eswig, Christiania und St. Petersburg in größerer Zahl gemeldet. Typhöse Fieber bedingten in St. Petersburg etwas weniger Sterbefälle aber mehr Erkrankungen als in der Vorwoche, auch 1 Todesfall von Rück fallsfieber wird von da gemeldet. Vereinzelte Erkrankungen an Flecktyphus gelangten aus den Re- gierungsbezirken Marienwerder 1, Königsberg 2, ferner aus Edin- burg 1, und St. Petersburg 2 zur Berichterstattung. An epide-

.misher Genickstarre wurden aus Dortmund und Kopenhagen

je 1 Todesfall, aus Berlin 2, aus Kopenhagen 3 Erkrankungen mitgetheilt. WMRosenartige Entzündungen des Zellge- webes der Haut waren in London und St, Petersburg niht felten Todesveranlassung. Der Keuchhusten verlief in Berlin, London, Edinburg ein wenig milder, in Liverpool und St, Petersburg itiecg die Zahl der Sterbefälle. Todesfälle an Pocken wurden aus dem Regierungsbezirk Königsberg 1, aus Prag, Pest und Rom je 4, aus Paris, Triest und St. Petersburg je 7, aus Warschau 14; Er- krankungen aus Berlin und Breslau je 1, aus dem Regierungsbezick E 2, aus Pest 13, aus St. Petersburg 15 zur Anzeige gebracht.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Im Verlage von J. Guttentag (D. Collin), Berlin und Leipzig, hat der Amtsrichter Dr. P. F. Aschrott, welcher dur werthvolle und an dieser Stelle früher besprohene Arbeiten auf dem Gebiet des englischen Verwaltungs- und Verfassungsrechts, des Armen- und Universitätswesens bereits vortheilhaft bekannt geworden ist, ein

Grund legendes Werk unter dem Titel „Strafensystem und |

Gefängnißwesen in England erscheinen lassen. Der Ver- fasser weist in der Vorrede darauf hin, daß eine Neform des GBefängniß- wesens in Deutschland in allen maßgebenden Kreisen für nothwendig gelte, und daß zu diesem Zweck das Studium der einschlägigen Einrichtungen des Auslandes unerläßlich sei; niht als ob wir die fremden Einrich- tungen einfach übernehmen könnten, sondern um aus der Entwickelung der bezüglihen Verhältnisse im Auslande zu lernen und für uns Nußen zu zichen. Das Vorwort weist nun weiter darauf hin, daß, während tüchtige Arbeiten über das belgishe Gefängnißwesen, auch über die Verhältnisse in Frankreih und andern Ländern vorhanden seien, die Literatur über England în dieser Richtung eine sehr dürftige sei. Eine deutsche Bearbeitung des gesammten Strafsystems in England

Strafmittel wurden in Nachrichten über das

fehlte bisher überhaupt, nur einzelne Spezialarbeiten behandelt. Ausführlichere Gefängnißwesen in England sind seit Jahrzehnten nicht mehr erschienen, Selbst in englis her Sprache sind für den Ausländer verständlihe und brauchbare Bücher über die in Rede stehenden Materien erst in den letzten Jahren veröffentlicht worden. Es kommen dabei namentlih die ausgezeihneten Schriften von Sir Edmund Dv. Cane und Sir James Stephen in Betracht, welche der Autor, soweit sie in den Rahmen seines Buches hinein- paßten, als faft einzige literarishe Hülfsmittel benutzt hat; außerdem liegt der Darstellung das Studium der englishen Blaubücher zu Grunde, welche in den Jahresberihten der Gefängnißbehörden und in den Berichten der zahlreihen in diesem Jahrhundert niedergeseßten Kom- missionen zur Untersuchung der Gefängnißzustände ein großes Material enthalten, welches bis jeßt noch nicht wissenshaftlich verwerthet war. Der Verfasser weist s{ließlich in seinem Vorwort darauf hin, daß hier zum ersten Mal der Versu gemacht wird, das Strafensystem und Gefängnißwesen im Zusammenhange und einheitlich zu behandeln, ein Versuch, der gemaht werden mußte, da ein richtiges Urtheil über die Art und Weise des Vollzuges von Strafen unmögli ist ohne die Kenntn1ß des zu Grunde liegenden Strafensystems.

Der erste Abschuitt des Buches behandelt, nah einer umfassenden Einleitung, die Strafmittel des englishen Rechts. Bei jedem einzelnen Strafmittel ist die historishe Entwickelung bis zur Gegenwart ver- folgt. Der zweite Abschnitt giebt eine Darstellung des heutigen englischen Gefängnißwesens, insbesondere die Organifation desselben, die Einrichtungen, die Behandlung der Gefangenen. Jm leßten Ab- \hnitt wird das irische Gefängnißwesen ciner eingehenden Erörterung unterzogen. Der Verfasser hat sich in der Darstellung einer strengen Objektivität befleißigt und es namentlich unterlassen, in seinem Buche selbst Schlußfolgerungen zu geben, in wie weit die eine oder die andere Einrichtung ein Muster für Deutschland abgeben könnte; aber er stellt in dieser Beziehung eine besondere Arbeit in nabe Ausficht.

Joseph Baer u. Co., Buchhändlcr und Antiquare in Frankfurt a. M. und Paris, haben 2 Kataloge. Lager-Katalog 202 und Antigquarischer Anzeiger 372, ausgegeben. Katalog 202 (Medi- zin T) enthält ein Verzeichniß von 976 Schriften über Pathologie und Therapie (Lehr- und Handbücher und vermischte Schriften ; Krankheiten der MRespirations- und Cirfkulationsorgane, Perkussion und Auskultation; Krankheiten der Digestionsorganez; Krankheiten der Harn- und Geschlehtsorgane; Syphilis, Hautkrankheiten: Krank- heiten des Nervensystems, Psychiatrie; Epidemiologie). Katalog 372 stellt unter dem Titel „Miscellanea“ 280 Schriften (42833—4563) des verschiedensten Jnhalts zusammen.

Gewéerve und Handel,

Zuverlässigen Nachrichten zufolge ist die zwischen Oester- reih-Ungarn und Griechenland am 11. April d. F. zu Athen abgeschlossene provisorische Handelskonvention, welche fich im Wesentlichen auf das gegenseitige Zugeständniß der Meistbegün- stigung beschränkt. nunmehr ratifizirt worden, und hat der Austau!ch der Natifikations-Urkunden am 28. v, M. zu Athen stattgefunden.

Die „Rhein, - Westf. Ztg.“ berihtet vom rheinisch-west- fälishen Metallmarkt: Die Haltung des rheinisch-weitfälisc{en Cisengeshäfts ist namentlich für Walzeisenfabrikate im All- gemeinen fester geworden und es scheint, als o) auch für Roheisen eine Besserung in nächster Zeit bevorstehe, wenigstens \cheinen einige der uns zugehenden Berichte darauf \{ließen zu lassen. Aus Schlesien lauten die Nachrichten im Ganzen befriediggnd, wenn auch in letzter Zeit der Absatz namentlich an Roheisen geringer gewese: ist. In England hat die rückgängige Konjunktur einer besseren Stimmung Platz gemacht und der Noheisenmarkt, welcher am meisten getroffen war, hat wiedec eine festere Haltung angenommen, wenn au die Preise vorläufig noch nicht weiter angezogen habea. Desgleichen ist auch der \hottis he Markt stetiger gewesen als bisher. Andauernd fest ist das belgische Eisen- geschäft im Gegensaß zum französischen, wo die rückgängige Bewegung noch nicht ihr Ende erreicht hat. Auf dem amerikanischen Eisenmarkt find die Preise sehr fest geblieben. Was speziell die Lage des rheinisch- westfälishen Eisengeschäfts anbelangt, so int über Erze dem vorigen Bericht nihts hinzuzufügen Schon damals fonnte in Cisenerzen cine leichte Besserung konstatirt werden, und diese hat au für die ab- gelaufene Geschäftéswoche angehalten. Für Roheisen ist die Geschäfts- lage noch immer die relativ ungünstigste. Die Preise wollen noch immer nicht anziehen, was angesichts des Mißverhältnisses, welches zwischen Lagervorräthen und Produktion einerseit# und dem Bedarf andererseits herrscht, nicht zu verwundern ist. Trotzdem sind die Preise in leßter Zeit nit weiter gewichen und die Marktlage if\t sogar, wenn auch noch nit ganz allgemein, eine etwas bessere ge- worden. So lauten namentli die unë aus dem Siegerlande zugehenden Nachrichten für die legte Woche etwas günstiger, Die Preise sind daselbst zum Stehen gekommen und es sind in leßter Zeit größere Abschlüsse gethätigt worden. Die Lage wird sich noch weiter festigen, wenn die daselbst geplante Errichtung einer gemeinsamen Verkaufsstelle für Puddel- roheisen ins Leben tritt. In Spiegeleisen ist die Nachfrage noch flau, da namentli noch immer die Aufträge vom Auslande vermißt wer- den, Ueber Bessemereisen, Thomasecisen owie Gießerciroheisen ist nichts weseatlich Neues zu berichten, die Preise sind dieselben, vom rheinisch-wcstfälis{chen Robeisen-Verband festgesetzten verblieben. A: f die Lage des Stabeisengeschäfts hat, wie leiht erwartet werden konnte, die Bildung des Syndikats einen sehr günstigen Einfluß aus- geübt, Die Händler aben bislang die Konvention noch immer nicht ernst genommen und beobachteten eine abwartende Zurückhaltung, jett sind dieselben indessen aus ihrer Reserve herausgetreten und és sind größere Abschlüsse zu den bisherigen Preisen erfolgt. Die Werke sind vollauf beshä*tigt, einzelne bereits für 5 bis 6 Monate, und verlcingen meistens längere Lieferfristen. Durch die Konstituirung des Synoikats und der damit Hand in Hand gegangenen Erhöhung des Grundpreiscs find nun die Preise auch auf einein Niveau angelangt, welches den Walzwerken cinen mäßigen Gewinn läßt. Was noch zu n:ünschen übrig bleibt, is im gemeinen die ausländische Nathfrage. Erfreulich ist auc die erfolgte Verständigung der mitteldeutshen Grupve dcr Stabeisenwalzwerke, und wird wohl hoffentlich die definitive Bil- dung einer gemeinsanen Verkaufsstelle nit mehr lange auf fich warten lassen. Unbedingte Nothwendigkeit würde jevoch in diesem Falle sein, daß die cinzelucn Gruppen genaue Fühlung miteinander halten, damit nicht die Konkurrenz der Gruppen an Stelle der Konkurrenz der Einzel- werke tritt. Auch die Façoneifenwalzwerke sind vollauf beschäftigt, sodaß dieselben für Träger beispielsweise in der jetzigen Bausaison kaum der Nachfrage genügen können. Die Preise sind daher für leßteren Artikel ungemein fest und in leßter Zeit noch weiter in die Höhe gegangen. In Grobblechen ist das Geschäft in leßter Zeit ebenfalls leövhafter ge- worden, dec durh Konvention festgeseßte Preis konnte bisher fest behauptet werden. Für Kesselbleche ist derselbe vom Verbande der westdeutshen Blechfabrikanten von 145 auf 150 4 erhöht worden. Die Lage des Feinblehg?e\chäfts ist im C c:nzen, troßdem der Absag si stellenweise gehoben hat, keine günstige zu nennen die Preise waren feit einigen Wochen in stetem Sinken begriffen und sind erst in den leßten 8 bis 14 Tagen zum Stillstand gekommen. Zur Besserung der Lage dieses Artikels haben in Köln zwischen den Vertretern de: Fein- blechwalzwerke aus Rheinland-Westfalen und dem Siegerlande Varbodbe lungen wegen Vereinbarung eines gemeinsamen Minimalgrundyreises stattgefunden, derselbe ist im Prinzip genehmigt worden und sell im Laufe dieses Monats in Siegen definitiv festgestellt werden. Was den Walzdraht anbelangt, fo hat der bis vor kurzem fortdauernde Rü- ang der Roheifenpreise namentlih auf Schweißeisendra}t nacbtheilige Rückwirkungen gehabt und den Preis desselben um einige Mark per Tonne herabgedrükt Allerdings drängte hierzu auch der niedrige Preis des Flußeisenwalzdrahtes, welcher sich durch die vorläufig noch geringe Kauflust des amerikanischen Marktes beeinflussen ließ, obglei die Preise für Knüppel hohgehalten wurden. Auf gezogenen Draht und Stifte hat der Nückgang natürlih entmuthigend eingewirkt. Ucber den Stahlmarkt haben. wir unserem letzten Bericht nts wesent- lih Neues hinzuzufügen, bemerken aber, daß wir unsere Behauptung betreffs der angeblichen freihändigen Vergebungen von Seiten des