1930 / 158 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 10 Jul 1930 18:00:01 GMT) scan diff

Neichs- und Staatsanzeiger Nr. 158 vom 10, Juli 1930, S, D,

So haben wir nun auf der einen Sette eine ungemein ver- starkte Unsicherheit der Ausgabeseite und auf der anderen Seite eine wenn auch niht in demselben Maße, so doch immerhin nit ungefährlihe Unsicherheit auf der Einnahmeseite. Das große Problem ist nun: I\t es für die Zukunft möglich, den Reichs- haushalt unempfindlicher gegen die Einwirkungen wirtschaftlicher Schwankungen zu machen? Dazu ist erforderlich, daß die Ver- quickung der Reichsfinanzen mit den Finanz-u der Versicherungs- träger mit der Zeit von heute auf morgen ist es nicht mög- li, gelöst und außerdem wieder ein gewisser Beweglichkeits- fafktor in den Reichshaushalt eingeschältet wird in der Form eines Betriebsfonds, der leider in den vergangenen Jahren gänzlih aufgezehrt worden ist, und der ja den eigentlihen Puffer im Etat des Reichs hätte bilden können.

Bevor ih nun an die Frage herangehe, ob anzunehmen ift,

daß wir nah Annahme der von mir gemahten Deckungsvor- *

{läge endlich Ordnung und Nuhe im Etat haben werden, will ih furz einiges über die Deckungsvorschläge sagen. Der erste dieser Vorschläge ist, am Etat in einer Form zu sparen, wie Sie es im Nachtrag zu dem Haushalt sehen. Es wäre uns natürlih auch lieber, wir könnten diese Abstrihe im einzelnen mit dem Reichs- tag vereinbaren. Aber ih glaube, die Herren, die die Kämpfe um diese Fragen mitgemacht haben, werden mir recht geben, wenn ih sage: Es wird shon ungeheure Kämpfe innerhalb der Ressorts kosten, bis wir die 100 Millionen Mark weghaben. Wir haben natürlich einen Plan und ein Vexfahren, wie wir das machen wollen. (Zuruf von den Kommunisten.) Die Vorausseßung dafür, Herr Torgler, daß ih dieses Amt überhaupt übernommen habe, war der Beschluß des Kabinetts, die 100 Millionen einzu- Das ist au die Bedingung meines Verbleibens in diesem Amt. Fchch habe {hon vor dem Reichsrat darauf hingewiesen, daß diese Aufgabe nicht so leiht zu lösen ist. Jch hoffe, Sie werden mit uns den Weg gehen, den wir zu ihrer Lösung vorgeschlagen haben.

Zch kann aber nicht zugeben, daß im gegenwärtigen Augenblick wirkliche Abstriche, die tatsählihe Einsparungen im Etat bedeuten, über diese 100 Millionen hinaus möglih sind. (Hört, hört!) Jh glaube, die Meinungen über diese Dinge sind geklärt. Nie- mand, auch der Hansabund nicht (hört, hört! links), wird noch behaupten, daß mehr an Ersparnissen durch direkte Abstrihe zu erzielen wäre. Denn das, was als Mehrersparnisse in der Dis- kussion in der Oeffentlihhkeit, vielfah in leihtfertigster Weise, frisiert worden ist, das sind gar keine Ersparnisse, sondern im wesentlihen entweder tehnishe Finanzmaßnahmen, die eine Ver- shiebung von Zahlungen bedeuten, oder aber solche, die einen Eingriff in geseßlich begründete Rechte darstellen. Das ist die Situation.

Nun will ih mich kurz mit der Denkschrift des Hansabundes beschäftigen. Jh warte darauf, daß mir dann aus dem Hause die noch greifbaren Ersparnismöglichkeiten mitgeteilt werden. Jch werde für alle Anregungen auf diesem Gebiete niht nux empfäng- lich, sondern dankbar sein, und sie, wenn sie möglich sind, durch- führen. (Zuruf von den Kommunisten: Wehretat!)

In der Denkschrift des Hansabundes sind Ersparnisvorschläge in Höhe von 760 Millionen gemacht. Es sind Abstrihe am Sozial- etat von 340 Millionen vorgesehen, bei den Kriegsbeschädigten- renten 135 Millionen, die Beseitigung der Rentenbankscheintilgung und sonstige Kürzungen beim Etat der Reichsshuld 103 Millionen, Streihungen am Westprogramm und von Ausgaben nah dem Ostpreußengeseß, Besazungskosten und an inneren Kriegslasten 88 Millionen, Kürzungen am Wehretat 40 Millionen, Streichungen bei zahlreihen sonstigen Einzelposten 54 Millionen.

Nun zunächst zu den Streihungen am Sozialetat. Sie setzen sich wie _folgt zusammen: Der Zuschuß für die nvalidenversiche- rung 0 Millionen aus den Zollgeseßen soll von 40 auf 20 O ‘enf: werden, eine Sache, die shon lange genug spielt. Dieser Betrag soll zehn Jahre lang bezahlt werden. Der Reichs- zushuß zur Familienwochenhilfe von 32 Millionen Mark und die produftive Erwerbslosenfürsorge sollen gestrihen werden. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Das sind die Vorschläge des Hansabundes! (Heiterkeit.) Sie müssen da {hon etwas sorg- fältiger zuhören. (Abgeordneter Torgler: Aber. bei Fhrex großen Liebe und Anhänglichkeit zum Hansabund sind von Ihnen ähnliche Vorschläge vorauszuseßen!) Meine Liebe zum Hansabund hat darin bestanden, daß ich vor Fahren aus dem Präsidium aus- geschieden bin.

Der Reichsbeitrag immer noch nah den Vorschlägen des Hansabundes, damit Sie ja scharf denken können (Abgeordneter Torgler: Sagen Sie uns, wann Sie Schluß machen!) Ja, ih werde es Jhnen sagen der Reichsbeitrag für Steigerungs- beiträge in der Fnvalidenversiherung von 186,5 Millionen soll immer noch nach dem Hansabund ganz gejtrihen werden; ebenso die Ueberweisung aus dem eine Milliarde 300 Millionen über- steigenden Lohnsteueraufkommen an die Reichsknappschaft und Fn- validenversiherung. Das gibt den Betrag von 340 Millionen Mark.

Nun hat die Reichsregierung einen Tei. dieser Vorschläge in dem vorliegenden Haushalt verwirklicht. (Zuruf von den Kom- munisten: Also jeßt niht mehr Hansabund!) Nein, jeßt bin ih's. (Heiterkeit.) Der Zushuß aus den Zollgesezen ist auf 20 Millionen gesenkt. Der Zuschuß zur Familienwochenhilfe wurde auf die Hälfte gekürzt. Weiter glaubt die Regierung, gerade mit Nüc[sicht auf die leistungsshwachen Landkvankenkassen, für die dieser Zushuß besonders in Frage kommt, niht herab- gehen zu können. (Zuruf von den Kommunisten.) Das ist nicht von mir, sondern {hon von meinem Vorgänger gemacht worden. Die produktive Erwerbslosenfürsorge soll auf eine andere Grund- lage gestellt werden, die den Etat entlastet und duxch Jnanspruch- nahme des Kapitalmarktes größere Beträge, als bisher im Etat vorgesehen, zur Verfügung stellen. So können im Ergänzungs- haushalt bereits für das laufende Etatjahr zehn Millionen Reichs- mark bei diesem Posten abgesezt werden. x

Es bleiben also der Reichsbeitrag an die JInvalidenversiche- rung und die Ucberweisungen aus der sogenannten Lex Brüning. Die EStreëchung dieser Zuwendungen is} nicht zu verantworten. Solange man die Lage der Invalidenversiherung nicht übersieht, sondern im Gegenteil befürchten muß, daß sie in einigen Jahren schwierig werden wird, möchte ih nit die Hand dazu bieten, an diesen Dingen zu rütteln, um so weniger, als die Juvaliden- und

sparen.

Altersversicherung derjenige Teil der Sozialversicherung ist, der |

am besten aufgebaut ist und die geringsten Mängel aufweist.

(Sehr richtig! bei den Deutshen Demokraten.) Wenn man aber die Zahlungen an die Jnvalidenversicherung inz Form von Schuld- vershreibungen des Reichs uiact, dann spart„.man eigentlih nit, sondern man stellt einen verzinslichen Schuldshein aus, der die Zukunft zugunsten der Gegenwart belastet. (Sehr wahr! in der Mitte.) Wie man bei den Renten der Kriegsbeschädigten 135 Mil- lionen einsparen will, entzieht sich meiner Kenntnis. Jch überlasse das Urteil hierüber der Oeffentlichkeit, ob man das kann. Not- wendig ist aber, daß die Bewilligung neuer Renten abgestoppt wird, und daß der Reichstag noch vor den, Ferien den Geseh- entwurf annimmt, der dieses Ziel erreihen will.

Zu den Ersparnisvorschlägen endlih, die der Hansabund das betone ih noch einmal bei der Reichsshuld gemacht hat, bin ih auf das entschiedenste dagegen, daß man die Tilgung der Rentenbankscheine, wofür bisher 65 Millionen Reichsmark und künftig 40 Millionen Reichsmark vorgesehen sind, noch weiter verringert und damit hinausschiebt. Jh halte das für eine Maß- nahme, die zwar nicht das Vertrauen in die deutshe Währung er- shüttern könnte denn die Währung ist besser denn je —, wohl aber zu unliebsamen und törihten Erörterungen Anlaß geben könnte.

Ebenso muß ih mich entschieden dagegen wenden, daß man die 450 Millionen Reichsmark, die auf Grund der Lex Schacht dieses Jahr und laufend abgetragen werden müssen, kürzt. Bis- her sind die Abshlagszahlungen pünktlich eingehalten worden, und das muß auch in der Zukunft geshehen. Jh darf darauf ver- weisen, daß diese Zahlungen eigentlich nur das Defizit der Jahre 1928/29 beseitigen, wie ich im Eingang meiner Rede ausgeführt habe. Wenn man s{chließlich dem Anleihetilgungsfonds die vor- gesehenen 44 Millionen nit zuführt, sondern diesem Anleihestücke überträgt, so bedeutet das, daß man eine Ausgabe von dem ordent- lihen in den außerordentlichen Etat überträgt, daß man die Zah- lungen selbst tatsählich nicht macht, sondern daß man die Zah- lungen auf Anleihe nimmt, die man vielleiht niht bekommt. Eine solhe Auflösung des bisher angesammelten Ablösungsfonds würde vorausseßen, daß man sogar das Anleiheablösungsgeseßz abändern müßte und damit größte Beunruhigung hervorrufen würde, und würde zweitens dazu führen, daß sih die Unsicherheit vermehrt und damit das Vertrauen der Anleihegläubiger erschüttert würde. Jh darf hier ganz allgemein bemerken, daß ih es für eine ungeheure Gefahr halte, wenn man alle Jahre oder alle zwei Jahre an den Dingen ändern will. Das. ist unser Krebsschaden, woran wix leiden, und eine Hauptuxrsache dafür, daß wir einen Beamten- und Behördenapparat haben aufziehen müssen, den wir niht von heut auf morgen vexkleinern können.

Wenn man dann von den Vorschlägen, die Grenzfonds zu kürzen und die Besaßungskosten zu verringern, die ohnehin nächstes Fahr vershwinden, absieht, so bleiben auch in den Vor- shlägen des Hansäbundes schließlich noch 100 Millionen wirkliche Ersparnisse, die wir selbst zu mathen entschlossen sind. Auch im Reichsrat hat niemand vermocht, positive Anregungen zu weiteren Ersparnissen zu geben. Selbstverständlih sind sie mögli, aber nur auf lange Sicht. Man kann den Aufgabenkreis des Reichs einshränken, man kann die Gesehe vereinfahen und man kann so den Apparat des Reichs verringern. (Zuruf von den Kommu- nisten: Reichswehr!) Man kann auch das Reichsheer abschaffen, Herr Torgler, aber ih glaube, wir werden Jhnen den Gefallen niht tun. (Heiterkeit.)

Nun, meine Damen und Herren, komme ih zu den Deckungs- vorlagen im einzelnen. Jch darf hier zunächst bemerken: es ist nicht so, daß man den Konsum im Laufe dieses Jahres noch nicht herangezogen hätte. Wir haben innerhalb der leßten acht Monate bekanntlich die indirekten Steuern mehrfah erhöht. Jch darf hier die Zahlen angeben. Wir haben durch die Tabaksteuererhöhung im Dezember 220 Millionen hereingebraht oder wollen sie herein- bringen, später durch Kaffee- und Teezollerhöhung 50 Millionen, durch Mineralölzölle 65 Millionen, durch innere Ausgleichsteuer für im Fnland erzeugte Mineralöle 12 Millionen, Erhöhung der Biersteuer 150 Millionen, Erhöhung der Mineralwassersteuer 40 Millionen, durch Kürzung der Fristen bei Tabak- und Zucker- steuer 20 Millionen und endlich dur Erhöhung der Umsaßsteuer 137 Millionen. Jm ganzen sind hier also an indirekten Be- lastungen ohne die Tabaksteuererhöhung im Dezember bereits 474 Millionen Reichsmark vom Reichstag bewilligt worden. Das ist die geshäßte Summe. So is also eine neue Belastung von rund 500 Millionen Reichsmark entstanden. Ih will aber zu- geben, daß auf diesem Gebiete noh Möglichkeiten bestehen. Wenn es nah meinem Kopf gegangen wäre, hätte man, wie die Herren ja wissen, die Biersteuer etwas anders gemacht, als es geschehen ist. Man wird noch eine Weile abzuwarten haben, um zu sehen, ob die Dinge sih niht tatsächlih so entwickelt haben, daß der Konsument eine sehr viel höhere Belastung bekommen hat, als die Belastung, die dur die Besteuerung entstanden ist (sehr rihtig!), daß also das Reich nur einen Bruthteil der Konsumbelastung in seine Kassen gebracht hat. (Zustimmung links.) Das is eine Sache, die ih fortgeseßt vorausgesagt habe, die mir aber niemand geglaubt hat. Sowohl in der alten Regierung als auch in der gegenwärtigen habe ih, glaube ih sagen zu dürfen, am zähesten um diese Sache gekämpft, leider ohne Erfolg. Die Folgen dieser Vorgänge müssen eben nun diejenigen tragen, die damals nit geneigt waren, diesen Weg mitzugehen.

Die Folgen sind zum Teil die Vorlagen, die wir Jhnen jeßt machen. Fh brauche auf die Einzelheiten niht einzugehen. Das Gese oder die Geseße, wenn Sie so wollen, enthalten manche Härten, vor allen Dingen Härten deswegen, weil man bei diesem Gesetz, das s{hnell in Kraft geseßt und das ohne Vergrößerung des Apparats sowie ohne große Kosten durhgeführt werden soll, nicht alle die Bestimmungen treffen konnte, die Härten und Unbillig- keiten ausgleihen. Fn dem Augenblick, in dem man das macht, hat man erneute Kosten und erneute Schwierigkeiten. Jch bitte Sie, bei den Beratungen im Aus\{uß diesem Umstande Rechnung zu tragen.

Wir haben die Beamten im Gegensatz zu der ursprünglichen Vorlage stärker geschont, und wir sind von einer Belastung von 4 %, die vorgesehen war, auf 2,5 9% zurückgegangen. Wir shlagen Jhnen auch vor, die höheren Einkommen bescheiden zur Deeckung heranzuziehen.

i Die Ledigensteuer is in vielen Fällen eine harte Steuer. Sie ist allerdings ein Kernstück der Vorschläge, die wir machen, und sie wird das meiste Geld einbringen. Wir haben uns im

ReichZxat bemüht, noch einige Härten aus diefer zubringen. N

Aber tragbar sind alle diese Dinge nur unter dem Geß punkt, daß sie einen Notbehelf darstellen, der die Aufggz, uns über das shwierige „Fahr 1930 hinwegzuhelfen und Zeit zu schaffen, um zu sehen, wie wir die Shwierigkeitey | noh vor uns stehen, mit größeren Mitteln zu bewältigen veri, können. Das Geset zerfällt in drei Teile, in die Reich, Personen des öffentlichen Dienstes, in den Zuschlag zur F kommensteuer für die Einkommen von mehr als 8009 May in die Ledigensteuer. Es ist auch eine Bestimmung in dem 6, enthalten, die den Zweck hat, die veränderte Abrenung zyjg Reih, Ländern und Gemeinden, die sich aus diesem G ergeben wird, so zu gestalten, daß weder das Reih auf Koi, Länder noch die Länder auf Kosten des Reichs irgende nennenswerten Vorteil haben. Dies is} einer -der Umstritteyz Punkte im Reichsrat gewesen; er ist aber zum Shluß, wj, ja auch aus dem Abstimmungsergebnis ersehen haben, mit arif Mehrheit angenommen worden. :

Jh habe im übrigen die Arbeit, die wir hier maden, iny nur als eine Aufräumungsarbeit bezeihnet, und niemand T ihrer Mängel und Shwächen stärker bewußt als ich. Jh ti auch, daß die Heranziehung der Beamten für sie ein sehr sul Opfer bedeutet, bin jedoch überzeugt, daß sie es tragen werden Bewußtsein ihrer engen Verbundenheit mit dem Staat, d Organe sie sind und von dessen Wohl und Wehe ihre Existen¡ d hängt. Es wäre aber verwegen, zu sagen, daß wir mit did Vorlage endgültig über dem Berg wären. Jeder, der die 0, junkturempfindlichkeit des Etats kennt, wird zur Zeit bin Versprechungen für die Zukunft niht machen, besonders in ting Augenblick wie dem gegenwärtigen, in welchem die Wirts lage der ganzen Welt ungewöhnlih gestört und verworrey (Zustimmung.)

Ih halte es für meine Pflicht, auf die Gefahrenpunkt: zuweisen. (Hört, hört! rechts.) Es wird uns zunächst gesagt, | wir unsere BVlicke nur auf die eigenen Finanzen des Fg rihteten und dabei übersähen, daß zwei weitere große Eq finder vorhanden seien, die Gemeinden und die Reichsbahn, richtig!)

Was nun die Reichsbahn angeht, so verfolgen wir ihre mit der Sorgfalt, die ein so bedeutsames Unternehmen, das gr der deutschen Volkswirtschaft, erfordert. Wir wissen, daß j Bahn ganz besonders konjunkturempfindlih ist, und wir redi au mit größeren Ausfällen. Fmmerhin sind sie nit so hoh; häßt, wie sie in der Oeffentlichkeit angegeben werden. Eine 8 sprehung mit den Herren der Reichsbahn hat ergeben, daß | für 1930 zu erwartende Defizit, dessen Höhe niemand mit Sid heit voraussagen kann, im diesjährigen Etat auf eine Weise til abgedeckt werden können, daß die Reihsbahnbilanz auß schärfsten kaufmännishen Ansprüchen genügen wird. Es ist 1 nur ein erheblicher Vortrag und es sind außerdem nicht nur sul Reserven bei der Reihsbahn im Ausgleichsfonds vorhan) sondern das Reich ist auch seinerseits in der Lage, in einem sheidenen Umfange zu helfen, ohne selbst seine Finanzen dai zu belasten. (Zuruf von den Kommunisten: Weg mit dem Ka ruptionsfonds!) Es ist kein Korruptionsfonds da. Es alles im Etat; Sie brauchen ihn nur zu studieren! Bei cin Verkehrsinstrument wie der Deutshen Reichsbahn, das Monopolstellung besißt, kann man im übrigen nit nur lu männishe Maßstäbe anwenden. Wir wollen es aber troßdem t1 damit auch die geringste Veranlassung zur Beunruhigung bi mieden wird. (Sehr richtig!)

Was nun aber die Gemeinden angeht, so sehen wir ihre § als durchaus s{lecht an. Gewiß ist bei ihnen vielfa schlecht ul unverantiwortlich gewirtshaftet worden (lebhafte Zustimmung i der Mitte und rets), aber ein großer Teil der Not komnt 10 der Arbeitslosigkeit, deren Anhalten mehr und mehr große Mass ausgesteuerter Unterstüßungsberechtigter schafft, die den 0 meinden zur Last fallen. (Sehr wahr! bei den Deutschen Zu kraten.)

Bevor wir aber diese Frage der Gemeinden anrühren, nh zunähst noch einmal vom Reich die Rede sein. Es erhebt auch hier die Frage: wird die Arbeitslosigkeit, die den Gemein so gefährlich ist, niht au erneut den Etat des Reichs gefährdal (Sehr richtig!) Die Reichsregierung sieht diese Gefahr mit alt Schärfe. An sich dürfte man mit einer Durchschnittszahl 1 1,6 Millionen Unterstüßungsberehtigten von den Krisenunlt stüßungsberehtigten sche ih ab niht rechnen. Es ist wh! scheinlich, daß, wenn überhaupt nihts geschähe, diese Zahl wet lih überschritten werden würde. (Sehr rihtig! bei den Soj demokraten.) Wir haben Aussicht, mit den Ausgaben für | Arbeitslosenversiherung so, wie sie vorgesehen sind, auszukonnt nur dann, wenn das Arbeitsbeschaffungsprogramm restlos tudh geführt wird, und zwar bei der Eisenbahn, bei der Post it Wohnungs- und Straßenbau und in der wertshaffenden Ai losenfürsorge. Jch darf hier sagen, was ich im Reichsrat gi habe, daß, soweit die Reichsbahn in Frage kommt, die- Verw lungen, die wir mit ihr hon längere Zeit führen, Erfolg sprehen. Man wird sagen dürfen, daß die Aussichten, für eine Milliarde Arbeit zu schaffen und im Laufe des nä! halben Jahres in Gang zu bringen, Hunderttausenden von Mt hen Lohn und Brot geben wird. Nur wenn das gelingt, l es verantwortet werden, die Rechnung über die Kosten Arbeitslosigkeit so aufzumachen, wie sie der Etat vorsieht. |

Wir sind uns auch klar darüber, daß bei der Vergebung Arbeiten darauf geachtet werden muß, daß sie nit die Fn erhöhen. Es kommt darauf an, allen Unternehmern, dit diesem großen Objekt teilnehmen wollen, zu sagen, daß sie z billigere Preise als bisher liefern müßten. (Sehr richtig! be! j Sozialdemokraten.) Jch bin auch überzeugt, daß sie es J werden (Zuruf von den Kommunisten: Sie warten is darauf!); denn shließlich zahlen sie und ihre Betriebe in in} einer Form doch die Kosten der Arbeitslosigkeit. Fhr ureige Interesse erfordert also hier eine Verminderung. fe B

Auf die Gedankengänge derjenigen, die glauben, diese der Not benugzen zu können, um allerhand unmögliche POES shmieden, versage ih mir einzugehen. Es besteht aber not 4 weitere Sorge für die Reichsfinanzen, nämlich die, daß die Etat vorgesehenen Einnahmeausfälle zu niedrig geschäßt sind: fi glaube aber, daß es sih hier um Summen, die den Etat gäni

Steuer bet

hendrein bei

Reichs: und Staatsanzeiger Nr. 158 vom 10, Juli 1930. S, 3,

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ringen könnten, also «m Ausfälle von Hunderten niht handeln wird. Die Hauptausfälle werden den direkten Steuern erst im nähsten Fahre und an diesen Ausfällen hat das Reih nur zum Teil, wohl aber die Länder zum größeren Teil zu par-

Hier wird eine Entwicklung Play greifen, die den dern im nähsten Jahre unter Umständen das Leben ganz i ch sauer machen und erschweren wird. (Abg. Torglér: tot darauf an, welhe Steuergeshenke Sie vom Reihs- anzministerium an große Kongerne usw. machen. Vielleicht - umern Sie sich auch einmal darum, Herr Finanzminister!)

, Man kann im übrigen niht alle Monate die Einnahmen eines taates wie des Deutschen Reichs neu berechnen oder neu schäßen. ch hoffe, daß gerade auf diesem Gebiete die Entwicklung immerhin sein wird, daß, selbst wenn Ausfälle eintreten, sie sich in einem y hmen halten, daß von dieser Seite her neue Vorlagen an den vid8tag niht notwendig fallen werden. Darüber nun, wie sih in Hand dieser vorläufigen Annahmen der nächstjährige Etat des Reis gestalten wird, will ich am Schluß meiner Ausführungen och zurückfommen, y :

Jch kehre nunmehr zu der Frage, die Lage der Gemeinden, urück. Jh komme damit zu einem Kernproblem der künftigen fgaben. Die Ordnung der Gemeinden kann nicht für si, los- elöst von Reih und Ländern, betrahtet werden, vielmehr steht sie k: Zusammenhang mit der Frage des Ausgleichs zwischen Rei, ¿ndern und Gemeinden; dieser hinwiederum hängt zusammen mit ¿x Trennung, oder man würde vielleicht besser sagen: mit der Ver- vuidung der Aufgaben aller drei Fnstanzen. Wenn man die Ge- mtaufgabe theoretisch shön lösen wollte, müßte man im Rahmen ber Reichsreform zuerst die Teilung der Aufgaben vornehmen und ann wiederum an die Verteilung der Steuern herangehen. So ist z theoretisch rihtig und shön. (Heiterkeit und Zurufe von der Deutschen Volkspartei.) Praktish wird es aber shwerlih so gehen. Sehr richtig!) JFmmerhin wäre es erwünscht, wenn die Be- jungen, die zur Zeit über die Reichsreform stattfinden, wenigstens q weit gedeihen würden, daß man Richtung und Weg sehen vürde, damit man nicht völlig im Dunkeln tappt.

Die vor uns liegende Aufgabe in ihrer Gänze zerfällt in rei Gruppen:

1. die Ordnung der Gemeindefinanzen,

2, den Umbau der Steuern unter Senkung der Einkommen- steuer auch der Lohnsteuer, die ja ein Teil der Ein- fommensteuer ist und der Realsteuern,

3, die Verteilung der Steuerquellen und die Verteilung des Steueraufkommens zwishen Reich, Ländern und Gemeinden.

Jh habe die Ordnung der Gemeindefinanzen an die Spiße estellt deswegen, weil sie am vordringlihsten ist und weil ih laube, daß sie sich ohne Störung der beiden anderen Gruppen urchsühren läßt. Jch gehe davon aus, daß es niht möglich sein pird, die Gemeinden von Obrigkeit wegen in Ordnung zu ringen, sondern daß diese Selbstverwaltungskörper aus sih raus gesunden müssen. JFch nehme hiex vielleiht einen grund- aglih anderen Standpunkt ein als manche Herren in diesem ohen Hause. Man kann den Gemeinden also nicht etwa in der Peise helfen, daß das Reich neue Mittel aufbringt und sie ihnen jiwendet. Es kommt vielmehr darauf an, sie selbst für die Ver- sgabung und für die Bewilligung der Steuern verantwortlih

machen. (Lebhafte Zustimmung bei den. Deutschen Demo- taten, bei der Deutschen Volkspartei und der Wirtschaftspartei.)

Es werden zwei Möglichkeiten in Betracht kommen, ihnen zu (fen: erstens der Verwaltungskostenbeitrag, auch Bürgersteuer der Kopfsteuer genannt (hört, hört! bei den Kommunisten), und eitens die Gemeindegetränkesteuer. Aber sofort erhebt sih eine \eihe von Fragen: Sollen die Gemeinden ermächtigt sein, die ine oder andere einzuführen odex beide? Sollen sie berechtigt in, sie einzuführen, oder sollen sie dazu verpflichtet sein? Soll 0s Reich die Steuern bis in die Einzelheiten hinein ordnen Zurufe: Selbstverständlich!), oder soll es diese Ordnung den emeinden überlassen? (Zuruf von der Deutschen Volkspartei: in Gottes willen nit!) Sehen Sie, meine sehr verehrten umen und Herren, hier fängt es s{chon an, recht brenzlich zu verden! Man muß eben einen grundsäßlihen Standpunkt haben, enn man mit der Sache fertig werden will. Wenn man ver- ÿt, es im Kompromißwege auszuhandeln, wird jeder Versuch heitern,

Jd weiß, daß vielfah die Meinung verbreitet ist, die so- irtige Einführung der Bürgersteuer könnte die zur Beratung chenden Vorlagen ganz oder zum Teil überflüssig machen, in- n man nach Einführung der Bürgersteuer dazu übergeht, die fberweisungen an die Länder und Gemeinden zu kürzen. Jh (lte ein solhes Vorgehen für gänzlich unmöglih; denn das Urde bedeuten, daß die BVürgersteuer zur Sanierung der Reichs- "anzen herangezogen wird. Sie muß aber den Gemeinden für je Zwecke bleiben.

Sodann aber kann man unmöglich etwa alle Gemeinden in ‘lŸland verpflichten, vom 1. August oder vom 1. September , ne solhe Kopfsteuer zu erheben. Man würde eine Unmenge ttneinden zivingen, Steuern zu erheben, die sie gax nicht Uen, Denken Sie nur an die kleinen Städte und an die \ndgemeinden! Wenn man aber davon ausgeht, daß die Steuer [t haben solle, ein weiteres Anwachsen der Realsteuern lge dern oder diese angemessen zu senken, so wäre an sich die i: Bn des Steuervereinheitlihungsgesetes notwendig, das is „nmehr zwei Dreivierteljahren im Reichsrat beziehungs- b au Reichstag liegt und immer noch nit verabschiedet ist. R lange, bis dieses Geseg wirkt, wird man nit warten k Re E man also die Bürgersteuer da einführen will, wo g etl eine gewisse Höhe erreicht haben oder wo die seht ads hohen Realsteuern auf eine bestimmte Höhe herab- elde “Gin sollen, müßte man die Länder bestimmen lassen, h unm, p euerbelastung maßgebend ist; denn das Reich kann iem N machen, weil jeder der Staaten ein anderes Steuer- Nan Vir tine einheitliche Formel also gar nicht möglich ist. dirgerste ¡le au die Länder bestimmen lassen, welche Höhe die S dea haben soll. Es war bekanntlich vorgesehen,“ daß sie er 9 'irag nit über 6 Reichsmark und für Ehepaare nit tafeln veichSmark gehen soll, und daß dann vielleiht noch zwei chts. GN 9 und 12 Reichsmark zugeseßt werden. (Zuruf

U sprihst vergebens viel, um zu versagen!) Nein,

Unordnung b

gmmen, izipieren.

- dem Auseinandergehen des Reichstags verabschiedet wird.

Sie brauchen gar keine Angst zu haben, Herr Hergt. Ich werde ; Sie alle vor die Entscheidungen stellen, die notwendig sind. Jch will nur zunächst einmal abwarten, welche klugen Ratschläge ih von Jhnen und anderen Herren aus diesem Hause bekomme, und ih gebe Jhnen jeßt hon einige Unterlagen zum Nachdenken.

Was nun die Höhe des Aufkommens angeht, so würde sie im ganzen Reichsgebiet theoretisch 210 Millionen Reichsmark bringen, wenn alle über 20 Jahre alten Personen mit einem Grundbetrag von 6 Reichsmark und die Ehepaare mit 9 Reichs- mark belastet würden. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Jch habe aber große Sorgen, meine Damen und Herren, ob diese Steuern eingehen werden (sehr ritig!), und ih rede ja hier nit als ein Mann, der erst heute oder seit gestern mit diesen Dingen beschäftigt ist, sondern ih habe diese Sahen in den langen Jahren, in denen ih im praktischen Dienst gestanden bin, be- handelt. Wir haben bei uns eine Kopfsteuer von einem Gulden für diejenigen gehabt, die nicht zur Einkommensteuer veranlagt waren, das waren 1,71 Mark (Zuruf von der Deutschen Volks- partei: Das war wohl nach den Freiheitskriegen?), und ih habe in den Gemeinden, in denen ih tätig war, das Vergnügen ge- habt, einen großen Teil dieser Kopfsteuer jeweils am Ende des Jahres wegen Unbeibringlichkeit und wegen zu hoher Bei- bringungskosten in Abgang zu stellen. (Hört, hört!) Wenn ih vollends dazu- übergehen wollte, etwa eine Kopfsteuer zu machen, die sih von 6 bis 36 Reichsmark hinauf staffelt, so kann ih Ihnen mit tödlicher Sicherheit versprechen, daß das, was sie dann machen, lediglih eine Belastung der mittleren Einkommen sein wird. Der gehobene Arbeiter wird sie wohl bezahlen, aber eine Menge der kleinsten Leute würde diese Kopfsteuer nicht ent- rihten, und beitreiben wird man sie nicht können. Dann aber wird sie in den Stufen wirken, in denen die Betroffenen jeßt auch hon Einkommensteuer bezahlen. Jch habe nichts dagegen, daß diese Gedanken weiterverfolgt werden; ih habe sogar nichts dagegen, daß die Gemeinden diese Kopfsteuer mahen. Meinet- wegen wollen wir ihnen ich komme darauf zurück die Unterlagen dazu schaffen. Aber es is meine Pflicht, von dieser Sielle darauf hinzuweisen, was hier passieren wird, wenn man die Kopfsteuer überspannt, und überlasse es dann den Gemein- den, ob sie sich in dieses Abenteuer hineinbegeben wollen. (Zu- ruf rechts: Abenteuer?) Ja, es kann zu einem Abenteuer werden.

Was aber die. Getränkesteuer angeht, so kann sie allerdings recht erheblihe Beträge bringen. Sie wird zur Zeit in der Oeffentlichkeit bekanntlich außerordentlich stark empfohlen, aber auch umstritten, und es geht die Meinung um, daß, wenn man sie erst rihtig machen würde, man damit niht nur die Gemeinden in Ordnung bringen würde, sondern daß man ihnen solch Hohe Einnahmen damit zu verschaffen vermöchte, daß man die Zu- shüsse des Reichs aus Ueberweisungen an die Länder und damit auch an die Gemeinden kürzen könnte. Meine Damen und Herren, ih halte das leßtere für eine absolute Unmöglichkeit, und ih will Sie hiex gleih einmal auf einige Dinge hinweisen. (Zuruf von den Kommunisten: Der Finanzminister der bedingten Empfehlung!)

Wir haben beim Branntweinmonopol festgestellt, wie die Einnahmen in letzter Zeit gewesen sind, und da hat sih ergeben, daß wir im Rechnungsjahre 1928 296 Millionen Einnahmen hatten und daß 1929, wo wir die Erhöhung der Abgabe durh- geführt haben, wir noch 271 Millionen eingenommen haben. (Hört, hört!) Wir haben im April 1930 18 Millionen Ein- nahmen gegenüber 30 Millionen im April 1929 gehabt und im Mai 1930 17,5 Millionen gegenüber 33,2 Millionen im Fahre 1929. (Zuruf in der Mitte: Das wird noch \{chlechter!) Sie sehen also, wie recht ich mit meiner Behauptung gehabt habe, die ih zehn Jahre in diesem Hohen Hause vertreten habe, daß man aus dem Schnaps nicht allzuviel herausholen kann (schr richtig! links), und ich kann für mich in Anspruch nehmen, daß ih alle meine Amtsvorgänger gewarnt habe, hier übertriebene Hoffnungen zu haben. (Jronischer Zuruf von den Kommunisten: Aber aus dem Bier!) Man muß es eben nehmen, wo man es herkriegt, Herr Torgler. (Heiterkeit und Zurufe.)

Nun kommt s{chließlich auch die Frage der Besteuerung der Betriebe der öffentlihen Hand. Jch habe auch gegen dieses Gesey Bedenken. Aber es liegt dem hohen Hause ein vor- bereitendes Geseß vor, und ih habe die Bitte, daß es noch vor Wir werden dann auf Grund dieses Geseßes, das uns dazu ermächtigt, die nötigen Erhebungen machen und die Frage abshließend prüfen.

Nun ist schon im Reichsrat darauf hingewiesen worden, daß neue Einnahmequellen für die Gemeinden unverzüglih beschafft werden müssen. Fch habe deswegen die Geseßentwürfe vor- bereiten lassen, und sie können jederzeit vorgelegt werden. (Zuruf des Abgeordneten Torgler.) Wenn ich die gegenwärtige Vor- lage, Herr Kollege Torgler, damit nicht bepackt habe, so des- wegen, weil erstens diese Vorlage im Hinblick auf die Finanzen des Reiches einen Aufschub auch von kürzester Frist nicht ertrug und weil ich zweitens befürchte, nachdem sich in diesem Hohen Hause schon bezüglih der zur Beratung stehenden Vorlage eine „0 ungemein einheitlihe Auffassung der Dinge“ herausgestellt hat (Heiterkeit), daß deren Verabschiedung durch weitere Vorlagen niht gerade erleihtert würde. (Zurufe.) Es gibt auch Stimmen, die verlangen, daß die anderen Vorlagen schon jeßt mit verhandelt werden. Wix sind dazu bereit, ih habe das auch im Reichsrat schon erklärt. Wir sind durchaus bereit, die Vor- lagen shon jeßt einzubringen und au sofort zu verhandeln; es kommt nur darauf ‘an, ob die geseßgebenden Körperschaften mit- machen wollen. (Erneute Zurufe.) Andere Stimmen wieder sagen, die Gemeinden könnten noch ein paar Monate warten und diese Zeit dazu benußen, um zunächst einmal über Erspar- nisse nahzudenken, bevor sie neue Steuern machten. (Sehr gut! bei der Wirtschaftspartei.)

Was den zweiten Punkt angeht, den Umbau des Steuer- wesens des Reiches, so kann das Ziel nur eine Senkung der Ein- kommensteuer, dex Lohnsteuer und der Realsteuern sein. Fh halte von diesen die Senkung dex Realsteuern für das Vordring- lihste. Jn welchem - Zeitpunkt aber solhe Senkungen bewerk- stelligt werden können, kann ih heute nicht versprechen. Die fort- gesezte Aenderung an den Steuern hat den Ueberblick darüber,

wus die einzelney Steuern erbringen werden, sehr erschwert. Wir wissen heute noch nicht, wie sih die erhöhte Biersteuer aus- wirkt. (Hört, hört! rets.) Die Entwicklung des Branntweins monopols habe ich bereits geschildert. (Zurufe rechts.) Aber so gèwaltig, wie es in den Zeitungen steht, ist des Rüdgang niht. (Bezieht sich auf Bier.) Die Zollerträge richten si nach den Ergebnissen der deutshen Ernte.

Auf der Ausgabenseite kann man zwar den Reichsbedarf übersehen. Man kann ferner bei den Einnahmen und Aus- gaben einen Sicherheitsfaktor anbringen. Aber was man nicht übersehen kann, das ist die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und damit der Zuschußbedarf, den das Reich zu leisten hat. Endlich weiß man noch nit einmal, ob die Reformvorschläge, die Jhnen vorliegen, genehmigt werden und ob die Beitragserhöhung um 1 vH bewilligt wird. FJnfolgedessen kann man noch keine be- stimmten Zusagen machen und Erklärungen abgeben. Bei diesen Reformen handelt es si bekanntlich um rund 300 Millionen Mark. Soll ich nun in einem Augenblick, in dem dex. Neichs- tag noch nicht einmal die Frage entshieden hat, ob diese 300 Millionen durch die Reformen und die Erhöhung der Bei- träge bewilligt werden, die Frage aufwerfen, wie weit BVizr, Tabak und andere Dinge noch eine weitere Belastung »'r- tragen können? Jch glaube, an diese Frage kann man erst herangehen, wenn wir zunächst einmal diese Etappe, die eben roh vor uns liegt, zurückgelegt haben. Dann erst wird man an eine endgültige Lösung herankommen können.

Im übrigen haben wir uns um die Arbeit niht gedrückt. Schon unter meinem Herrn Amtsvorgänger von mix kann ja niht die Rede sein, denn ih bin erst 11 Tage im Dienst sind hon eine Anzahl Entwürfe ausgearbeitet worden, die eine endgültige Regelung vorbereiten.

Was nun vollends den dritten und leßten Punkt angeht, die Fragen der Verteilung von Steuerquellen und ESteuerauf- kommen zwischen Reich, Ländern und Gemeinden in endgültiger Weise zu regeln, so ist dazu Vorausseßung wiederum die Verab- shiedung des Steuervereinheitlichungsgeseßes und sodann die Klärung der Frage: was geschieht mit dex Hauszinssteuer? Diese &rage wiederum hängt davon ab, wie lange wir noch aus öffent lihen Mitteln bauen müssen und in welhem Umfang, und shließlich davon, ob es andere Mittel und Wege gibt, den Häuserbau zu finanzieren, Jn dem Augenblick, in dem wir die Hauszinssteuer für den Wohnungsbau ganz oder teilweise nicht utehr brauchen, wird die Auseinanderseßung zwischen Reich, Ländern und Gemeinden ungeheuer erleihtert, weil dann eine Entlastung der Realsteuern im ganzen oder eine Umgestaltung derselben möglih sein wird. Diese Umgestaltung ist besonders vordringlih bei der Gewerbesteuer, die auch ih als die ungerech= teste Steuer erachte und deren Verschwinden mir besonders er=- wünscht wäre. Jm gegenwärtigen Augenblick s{cheint urix voll- kommen müßig die Frage, ob man im Endeffekt bei der Ausein- andersezung zwischen Reich, Ländern und Gemeinden zu einer weitgehenden Verteilung der Steuerquellen kommt oder ob man es bei einer Verteilung des Steueraufkommens in der Art, in dem es jeßt der Fall ist, bewenden läßt.

Jch habe diese Gedankengänge entwidelt, weil sie die Grund- ideen der Arbeit angeben, die im Laufe der nähsten drei Monate in Angriff genommen und zu einem erheblichen Teil ausgeführt werden muß. Was nun aber sehr viel näher liegt und einer viel intensiveren Betrachtung bedarf, ist die Frage des Etats 19317 denn mit der Aufstellung dieses Etats müssen wir in den nächsten Wochen beginnen. Dabei wird entscheidend sein, ob man glaubt, daß die wirtschaftlihe Entwicklung noch weiter absteigend sein wird oder niht, und außerdem davon, wieweit man Grundlagen legen kann zu Reformen der öffentlihen Verwaltung, die nah und nach eine Ausgabensenkung auf der ganzen Linie zur Folge haben. Solange die Wirtshaftslage schlecht und die Arbeits- losigkeit groß ist, wird es darauf ankommen, ob und wieweit es gelingt, an Stelle der Versiherung gegen Arbeitslosigkeit die Möglichkeit der Arbeit zu seßen. Auf die Dauer können wir neben den enormen inneren und äußeren Kriegslasten einen Zu- stand nit ertragen, bei dem wir anderthalb oder mehr Mils liarden für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ohne Gegen- leistung aufwenden. Man wird sih den gegenwärtigen Fall für die Zukunft merken und daran denken müssen, für Zeiten ab- steigender Konjunktur das ist aber natürlich momentan ein s{lechter Trost Aushilfsmittel rechtzeitig bereitzustellen. Jch meine das so, daß man, sobald die Arbeitslosigkeit zurückgeht, einen Plan macht, welche Arbeiten der öffentlihen Hand das sind im ganzen wohl 8 Milliarden Mark für kommende Arbeitslosigkeit vorbereitet und dann bei steigender Arbeits» losigkeit in Gang gesezt werden können. Man muß also eine Art Manövriermasse an Arbeit bilden, und man wird außer- dem daran denken müssen, in guten Zeiten Reserven für der=- artige Zeiten anzusammeln wie die gegenwärtige, in die wir ohne alle Reserven im Reicy8etat und in der Arbeitslosenversiche- rung hineingegangen sind.

Wie bei der Beurteilung des laufenden Jahres, so hüte ih mich auch bei der Beurteilung des kommenden Etatjahres vor jedem billigen Optimismus. Fn der Vollsibung des Reichsrats am 3. Fuli hat der Generalberichterstatter, Ministerialdirektor Dr. Brecht, für 1931 ein Minussaldo von rund 270 bis 300 Mil- lionen Mark errehnet, unter der Vorausseßung, daß die Wirt shaftslage gleichbleibt und daß die jeßt vovgeshlagenen Steuern am 1. April ersaylos wegfallen. Er kommt zu dieser Berechnung auf Grund folgender Erwägungen.

Auf der Einnahmeseite fallen verschiedene, nur für dieses Jahr in den Haushalt eingesezte Einnahmen fort. Zunächst der Erlös aus dem Verkauf von Vorzugsaktien und die Dividende der verkauften Vorzugsaktien mit 320 Millionen Reichsmark, ferner die Vorverlegung von Fälligkeitsterminen bei Steuern mit 75 Millionen Reichsmark, verschiedene Einnahmen des Außerordentlichen Haushalis mit 115 Millionen Reichsmark, die neuen Steuern, Reichsbeihilfe, Ledigensteuer und Einkommen- steuerzushlag mit 302 Millionen Reichsmark. Außerdem ver- mindert sih die Fndustrieumlage nah dem Aufbringungs- und dem Osthilfegeseß um mindestens 170 Millionen Reichsmark. Es fallen also an Einnahmen niht weniger als 982 Millionen Reichsmark automatisch am 1. April weg.