1907 / 285 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Nov 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Die Oberför sterstelle Turoscheln im Regierungsbezirk Allenstein is zum 1. Januar 1908 zu beseßen; Bewerbungen müssen bis zum 10. Dezember nact.

Ministerium der geistlihen, Unterrihts- und Medizinalangelegenheiten.

Dem Gymnasialdirektor Niemann is die Direktion des Gymnasiums in Celle übertragen worden. , Am Sqcullehrerseminar in Pr. Eylau is der Seminar- lehrer S chreiner aus Frankenberg als Seminaroberlehrer und am Sullehrerseminar zu Kyriß der bisherige Rektor Hoppe aus Fehrbellin als ordentliher Seminarlehrer an-

gestellt worden.

Königliche Friedrih Wilhelms-Universität.

Bekanntmachung.

Zum 1. April 1908 kommt ein Stipendium der Beuth- Stiftung zum jährlichßen Betrage von 1200 « auf 5 Jahre zur Vergeburg. j

Die Bewerber müssen würdige und bedürftige Studierende sein und einer der vier Fakultäten der hiesigen Universität oder einer der Abteilungen I und I1 der Technishèn Hochschule Berlin angehören.

Nachkommen des Generalmajors von Willisen, des Geheimen Finanzrats und Provinzialsteuerdirektors August von Maasen, des Oberregierungsrats Hugo von Schierstädt oder des Geheimen Medizinalrats Dr. Quincke haben, ohne den Nahweis der Bedürftig- keit führen zu müssen, ein unbedingtes Vorzugsreht; nächst diesen steht den Eingeborenen der Stadt Kleve ein Vorzugsreht vor anderen Bewerbern zu. ,

Der Inhaber des Stipendiums ist verpflihtet, mindestens noch ein Jahr auf der hiesigen Universität zu studieren, die übrige Zeit kann er sich den Studien auf einer anderen deutschen Universität widmen, das Stipendium auch nach beendigten Studien in der Zeit fortbeztiehen, die er zu seiner weiteren Ausbildung verweadet, bevor er in eine selbständige mit einem Einkommen verbundene Berufstätigkeit eintritt.

Bewerbungen sind bis zum 15. Februar 1908 einschließlich an uns einzureihen.

Berlin, den 29. November 1907.

Nektor und Senat. Stumpf.

Königliche Technische Hochschule zu Berlin. Bekanntmachung.

Aus dem Fonds der Louis Boissonnet-Stiftung für Architekten und Bauingenieure ist für das Jahr 1908 ein Reisestipendium an einen Bauingentieur zu vergeben.

Nach der von dem Herrn Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten genehmigten Aufgabe foll Stipendiat das Eisenbahnversicherungswesen in England und tunlichst auch das in Frankrei auf Grund örtliher Ermittelungen und unter R e der Literatur mit dem deutschen vergleichen. Hierbei sollen die herr- schenden S canmaue dargestellt und die Mittel zu deren :Durchführung mehr nach ihrer Wirkungsweise als nah ihrer konstruktiven Durh- bildung behandelt werden. (Abzüge des Wortlauts der Ae werden vom Bureau der Technishen Hochschule auf Erfordern kosten- frei abgegeben.) _ j

Das Reisestipendium beträgt 3000 4 Die Reise ist im Jahre 1908 auszuführen und der Bericht darüber \pätestens 6 Monate nah deren Beendigung an das Nektorat der Technischen Hochshule ab-

uliefern. /

4 Die Bewerber müssen einen wesentlihén Tetï threr Ausbildung auf der ehemaligen Bauakademte oder der Technischen Hochschule zu Berlin erlangt haben. Die Gesuche ad an das Rektorat der Tech- nischen Hochschule zu Berlin in Charlottenburg unter Beifügung des Lebenslaufs, der Nachweise über den Studiengang und die praktische und literarische Tätigkeit sowie von Entwürfen des Bewerbers aus dem Ee des Bauingenteurwesens bis zum 10. Januar 1908 ein- zureichen.

Charlottenburg, den 25. November 1907.

Der Rektor der Königlichen Technishen Hochshule zu Berlin. Kammerer.

Beranntmacun(.

Nach Vorschrift des Geseßes vom 10. April 1872 (Geseßsamml. S. 357) sind bekannt gemacht : s

1) das am 21. Januar 1907 Allerhôöch\t vollzogene Statut für die Drainagegenossenshaft Hausen 11 zu Hausen im Kreise Worbis dur das Amtsblatt dèr Königlichen Regierung zu Erfurt Nr. 45 S. 268, ausgegeben am 9. November 1907;

2) die Allerhöchste Konzessionsurkunde vom 8. Juli 1907, betreffend den Bau und Betrieb einer vollspurigen Nebeneifenbahn von Oster- wieck über Hornburg nah ia innerhalb des preußischen Staats- gebiets dur die Osterwieck. Wasserlebener Eisenbahn-Aktiengesellschaft, durch die Amtsblätter j

der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 41 S. 470, ausgegeben am 11. Oktober 1907, und

der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr. 42 S. 419, auëgegeben am 19. Oktober 1907 ;

3) der Allerhöchste Erlaß vom 8. August 1907, betreffend die Verleihung des BRLInUnRS ree an die Stadtgemeinde Cassel zur Ausführung der geplanten Kanalisation der Stadt Cassel, durch das Amtsblatt der Königlihen Regierung zu Cassel Nr. 42 S. 313, aus- gegeben am 16. Oktober 1907; :

4) das am 1. September 1907 Allerhöch\ vollzogene Statut für die Deicbgemeinde Süderheverkoog durch das Amtsblatt der König- lihen MNegierung zu Schleswig Nr. 44 S. 481, ausgegeben am 26. Oktober 1907 ;

5) der Allerhöhste Erlaß vom 7. September 1907, betreffend die Beilegung der Rechte einer öffentlihen Körperschaft und die Ver- leihung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Chausseebau- und Unterhaltungsverband Plawniowiz-Rudziniß im Kreise Tost- Gleiwiß für die Chaussee von Plawniowiß nah Rudziniß, dur das Amtsblatt der Köntalichen Regierung zu Oppeln Nr. 43 S. 367, ausgegeben am 25. Oktober 1907;

6) der Allerhöchste Erlaß vom 14. September 1907, betreffend die Verleihung tes Gnteignungsrehts an die Gemeinde Bonn für die Anlegung eines Begräbnisplaßes in der Gemarkung Dottendorf, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Cöln Nr. 43 S. 299, ausgegeben am 23. Oktober 1907 ;

7) der Allerhöchbste Erlaß vom 14. September 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrehts an die Aktiengesellshaft Barmer Bergbahn für die Anlage einer Kleinbahn von Müngsten nah Krahen- böhe, dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung ¿u Düsseldorf Nr, 41 S. 539, ausgegeben am 12. Oktober 1907;

8) der Allerhöchste Erlaß vom 23. September 1907, betreffend

die Verleihung des Enteignungsrehts an die Stadtgemeinde Berlin |

zur bebauungsplanmäßigen Freilegung der Gormannstraße auf der Strecke zwischen der Mulackstraße und der Steinstraße, durh das Amtsblatt der Königlihen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 43 S. 490, ausgegeben am 29. Oktober 1907;

die Verleihung des Rechts zur Chausseegelderhebung usw. an den Kreis Gardelegen für die Chaussee von Klôge über Lockstedt bis zur Kreis- grenze in der Richtung nah Neuendorf, durch das Amtsblatt der

î |

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9) der Allerhöchste Erlaß vom 23. September 1907, betreffend | handlung über den Marineetat fortgeseßt.

Königlichen Negierung zu Magdeburg Nr. 43 S. 423, ausgegeben am 26. Oktober 1907; t

10) der Allerhöhste Erlaß vom 7. Oktober 1907, betreffend die

- Verleihung des Enteignungsre(hts an den Kreis Osthavelland für die

Anlage einer Kleinbahn von Böyow nach Spandau, dur das Amts- blatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 46 S. 509, ausgegeben am“ 15. November 1907; ;

11) der Allerböchste Erlaß vom 15. Oktober 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrech1s an die Gemeinde Wettringen im Regierungsbezirke Münster für den Ausbau des öffentli@en Weges von Haddorf nah Bilk, dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 45 S. 442, ausgegeben am 7. November 1907 ;

12) der Allerhöchste Erlaß vom 15. Oktober 1907, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an den Landkreis Reling- hausen, zusammen mit den Gemeinden Herten und Buer, für die An- lage einer Kleinbahn von Lee n nach Buer (Erle-Middelih), durh das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster Nr. 45 S. 442, ausgegeben am 7. November 1907.

Nichtamlliches. D eutsches Ne i ch.

Preuszen. Bs n . Die vereinigten Auss{üé"des Bu bahnen, Post und Telegräphen und L Festungen, die vereinigt Ausschüsse wesen und für JustizmSGéx | Zoll- und Steuerwesen (215 für Nechnungswesen, die ver- einigten Ausschüsse für (u. Find Steuertvesen und für Eisen- bahnen, Post und Telegraphen sowie die On Le Cn für Zoll: und Steuerwesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sißungen. |

ember. wundesrats für Eisen- das Landheer und die ür Zoll- und Steuer-

Laut Meldung des „W. T. B.“* geht S. M. S. „Panther“ am 3. Dezember von Alt-Calabar nah Duala in See.

S. M. S. „Fürst Bismarck“ geht heute von Schanghai nah Amoy in See. h

Der ausreisende Ablösungstransport für S. M. S. „Planet“ ist mit dem Reichspostdampfer „Yorck“ gestern in Singapore eingetroffen und seßt heute die Reise nah Hongkong fort.

Oesterreich-Ungarn.

Der Ausgleichsauschuß des österreichishen Abge- ordnetenhauses erte gestern den Artikel 25 sowie das Mantelgeseyß des Ausgleihs, womit das gesamte Aus- gleihsoperat unverändert angenommen ist. Auf verschiedene cln, erklärte, wie das „W. T. B.“ meldet, der Minister- räsident:

N Zwischen den be dec T Regierungen bestehen keine Verein- barungen für den Fall, daß der Ausgleich am 1. Januar nit in Kraft trete. In diesem Falle ¿Sünden wir allerdings vor einem, yoll- ständigen Vacuum mit allen £2 jen Konsequenzen. Die beiden “Re- gierungen waren darüber ‘etz, daß vollständianee Ruhe und Ordnung den beidersektigen “wirtschaftliGen Verhältnissen nür eintreten könnten, wenn der Ausgleich in vollständig konstitkü- tioneller Art und Weise ecledigt würde. Der Ministerp:äsident wiederholte, daß durch die Verabschiedung des ungarishen Er- mächttizungsgeseßes und Inkraftsetzung der Ausgleihsbestimmungen der Ausgleich în Ungarn vollständig geseßlich wi:ksam werde. Außer den in den vorgelegten Schriftstücken enthaltenen slaatsrechtlichen MONIENoNen seien Ungarn keinerlei andere Zugeständnisse gemacht worden.

Hierauf wurde die Aus\hußsizung geschlossen.

Der Práäsident des Abgeordnetenhauses Weißkirchner hatte gestern eine Unterredung mit dem Obmann des deutsch- nationalen Verbandes Dr. Chiari, in der er seinem lebhaften Erstaunen darüber Ausdruck gab, daß seine vorgestrige Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Glom- binsfki vielfah eine ganz unricht ge Auffassung Pag 2

a eine

erklärte

i Nah dem Beriht des „W. T. B.“ ; Aeußerungen weder gegen das Deu!sche Reih noch gegen das Bündnis

er,

mit diesem gerichtet gewesen seien. Die christlich - soziale Partei lege vielmehr gerade auf das Bündnis allergrößten Wert, da sie in ihm die wichtigste Friedensbürgschaft erblide. Ebensowentg sei aus seinen Aeußerungen ejne Tendenz gegen das Deutschtum in Oesterreich herauszulesen. Er habe ledigli aus\prehen wollen, daß die berührte Angelegenheit, bei der ja unter Umständen auch Interessen von öster- ceihishen Staatébürgern in Frage kommen könnten, im öôsterreihishen Abgeordnetenhause einzig und allein im Wege einer Interpellation an den Ministerpräsidenten zur Sprache gebraht werden könne.

Das Eisenbahnministerium hat an die Ver- waltungen der Oesterreichisch-Ungarishen Staatseisenbahn- esellshaft, der Südnorddeutshen Verbindungsbahn und der Böhmi)chen Nordbahn eine Einladung gerichtet, wegen even- tueller Verstaatlihung der gesellschaftlichen Bahnlinien De- legierte namhaft zu machen, die sich wegen des Zeitpunktes der Verhandlungen mit dem Eisenbahnministeriuum ins Ein- vernehmen zu seßen hätten.

Frankreich.

Der Ministerpräsident Clemenceau, der Minister des Aeußern Pichon und Kriegsminister Picquart hatten, wie das „W. T. B.“ meldet, gestern eine Besprechung über die Vorgänge an der algerish-marokkanischen Grenze. Picquart teilte mit, daß er an den Kommandeur des XIX. Armee- forps telegraphiert habe, er überlasse ihm die vollste Frei- heit, ohne daß er über die notwendig werdenden Truppen- bewegungen nach. Paris zu berichten brauche, und daß er be- stimmt habe, daß in Oran wieder eine starke Reserve gebildet werde, die geeignet sei, allen Eventualitäten zu begegnen. Die Maßregel wurde von Clemenceau und Pichon gebilligt.

Der Senat verhandelte in seiner gestrigen Sihung über die Ergänzungs3fkredite. :

In Erwiderung auf eine Anfrage erklärte, obiger Quelle zufolge, der Kriegsminister Picquart, daß die niht im Etat vorgesehenen Ausgaben für die Unterhaltung der Landtruppen in Maro!ko bis zum 10. Oktober für Casablanca 1411313 Francs und für Udschda 516 460 Francs betragen. Sie werden bis Ende des Jahres den Betrag von ungefähr 3 Millionen erreihen, wozu noch 3 Millionen

| für Materialausgaben kommen.

Die Ergänzungskredite wurden darauf bewilligt. Jn der Deputiertenkammer wurde gestern die Ver-

Der Marineminister Thomson syrah, laut Bericht des „W. T. B.“, in Beantwortung der Ausführungen einiger Vorredner seine Ansicht dahin aus, daß in erster Linie für Toulon und Brest

‘die vereinigten Ausschüsse für

Bii elenio chne Privatindustrie. Er set kein Freund von langfristigen Flottenprogrammen

En M dauernd und mache sehr bedeutende Anstrengungen, um mit sei

j j

nanzielle Aufwendungen zu machen seten; troßdem verlören Cher-. ourg, Lorient und Rochefort nihts von threr militärischen Bedeutung.

Bespre ung der Arsenale erklärte der Minister, daß die Arbeit dort und mindestens ebenso gut Ce werde, wie von der

und glaube, daß auch die anderen Mächte bet threm Flottenbau nah. einigen Jahren von threm Programm werden zurückommen müssen, gans set bestrebt, stets zum Kampf gegen die Flotten zweier dte gerüstet zu scin. Deutshland ändere sein Programm an- ner sotte gegen die stärkste See:inaht auftreten zu können. Wie in eutshland, so sei au in Frankrei der oberste VMarinerat um den Bau von Panzerschiffen bemüht. Alle anderen Marinen handelten

ebenso. Es sei für Frankreih wichtig, keine E zu verlieren, da eine j

Versäumnis hernah nit wieder einzuholen stk.

Nach P ani ette A Bemerkungen verschiedener Redner wurde die Generaldebate E, Die Kammer nahm eine Resolution an, durch die die Regierung aufgefordert wird, so S wie möglich einen Geseßentwurf über die Organisation

er Kriegsmarine vorzulegen.

Der Abg. Bu ssar verlangte darauf die Aufhebung der Posten der Marineattahós. Der Marineminister Thomson wies die yer- langte Verminderung seines Etats zurück und erklärte, daß die be- fonderen. Missionen, durch welche die Marineattahés erseyt werden müßten, teurer sein würden als sie selbst.

Der Zusaßantrag wurde darauf verworfen, die Fort- legun s Debatte auf Nachmittag angeseßt und die Sihung aufgehoben. l

Jn der Nachmittagssißung wurden die leßten Kapitel des Marinebudgets angenommen und darauf die Beratung des Armeebudgets begonnen. i

Der Abg. Varenne (Sozialist) ságte, die Zwischenfälle beim 17. Regiment zu Agde seten nicht vers{chuldet dur die Art der Re- - krutierung der Armee. Bei inneren Unruhen sei es Grundsaß der modernen Armee, daß jeder Mann Soldat sei, nit aber Gendarm. Varenne und mehrere andere Redner traten für das System der- örtlihen Rekrutierung ein. T S tlegam mister Picquart be- kämpfte dieses System mit F Hinweis, daß die Soldaten,, wenn sie bei ihren Familien bliebên, der Gefahr ausgeseßt seien, über ihren persön]ihen Interessen die höheren Pflichten gegen das Vaterland zu vergessen. Er erklärte ‘sih aber mit einem System ein- verstanden, welches dem Soldaten ermöglicht, von Zeit zu Zeit seine Rate zu besuhen. ‘Der Minister erklärte sich für die regtonale Nekrutierung, und versicherte, daß er nur die Verteidigung des Landes

im Auge habe. _ Das Haus nahm sodann mit 345 gegen 131 Stimmen: die einfahe Tagesordnung an, worauf die Sißung geschlossen

wurde. Ftalien.

Die Deputiertenkammer verhandelte ‘gestern über die Vorlage, betreffend den Heeresersaß. Nach dem Bericht des ,W. T. B.* beantragte der Abg. Bissolati o Aufschub der ganzen Vorlage, da er die Aenderungen beim eerecersaß mit einer Verkürzung der Dienstzeit auf zwei Jahre ver- bunden wissen wolle. Dagegen wünscht die Regierung die Frage über ‘die Dauer der Dienstzeit aufzus@leben, b!s der Bericht der mit Er- hebungen über die Verwaltung der Armee beauftragten Kommission vor- liegt. Da die Ein)chränkung von Befreiungen vom aktiven Dienst eine dringende Lebensfrage für die Armee sei, um diese auf dem not- wendigen Effektivbestand zu erhalten, forderte der Ministerpräsident Giolitti eine Ablehnung des Antrags Bissolati „und versicherte zuglei, daß die Regierung selbst den Wunsh habe, die Frage der zweijährigen Dienstzeit auf das eingehendste zu prüfen, und sobald es möglich, sei, zu Iôsen. : oßdem behärrte Bissolati auf seiner Forderung, und da ihm mehrere Abgeordnete, die einen Beschluß in dieser Frage ebenfalls als unaufshiebbar ansehen, ihr Votum zu- sagten, kam es zur namentlichen Abstimmung. Zwar war die Abstimmung resultatlos, da das Haus nicht beshlußfähig war, doch hat die Regierung eine sehr große Mehrheit.

Portugal.

Amtlih wird ein Dekret des Königs veröffentlicht, demzufolge es den Friedensrichtern obliegt, die Uebertretungen der städtishen Verordnungen und der polizeilihen Vorschriften abzuurteilen.

Belgien.

Die in Brüssel tagende Kolonialkonferenz hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, die Beratungen des Kolonial- gesezes mit der Annahme zweier Amendements beendet, von denen dasjenige des Sozialisten Vandervelde die Ein- seßung einer Leachaliédriat Kommission verlangt, die mit dem Schuß und der Besserung der moralischen und materiellen Lage der Eingeborenen sih zu befassen hat. Das zweite Amendement des Ramtmérpedidèlten Schollaert regelt die Lage der Belgier, der Eingeborenen und der Ausländer in Belgish - Congo. Nah dem Amendement Schollaert genießen Belgier und Ausländer die von der belgishen Verfassung und den Kolonialgejeßen anerkannten Rechte, die Eingeborenen diejenigen Rechte, die durch die Kolonialgeseze anerkannt oder durch Sitten, die der öffent- lihen Ordnung nicht zuwider laufen, geheiligt sind. Bis zur Einbringung des Geseßentwurfs, betreffend Angliederung des Congostaates, hat sih die Kolonialkonferenz vertagt.

Türkei.

- Nach einer Meldung des „K. K. Telegraphen-Korrespondenz- Bureaus“ überfiel eine auf dem Seewege gekommene, 40 Mann starke griehische Bande vorgestern bei Vrasta am Golf von Orfano 125 bulgarishe Tagelöhner aus Nevrokop und Razlog, die, von 2 Gendarmen begleitet, nah dem Berg Athos gingen, Während Mon enen melden, daß sih 75 Mann gerettet haben, 2 verwundet sind und der Rest vermißt wird, gibt die Pforte an, daß nur 25 vermißt werden. Türkische Truppen haben die Verfolgung der Bande aufgenommen.

Bulgarien.

Der Minister des Aeußern hat als Antwort auf die legten Schritte der Mächte wegen Zunahme der Bandentätigkeit in Mazedonien ein Memorandum auzsarbeiten lassen, in dem er, „W. T. B.“ zufolge, die Verantwortung für die Tätigkeit der bulgarishen Banden ablehnt und auf die zu- nehmende Tätigkeit der griechischen und serbischen Banden hin- weist. Wenn leßtere t eingedämmt werde, könne die bul- garishe Regierung sür die Folgen dieser Unterlassung keine Verantwortung übernehmen. !

Montenegro.

Die S kupschtina ist gestern von dem Fürsten Nikolaus

mit einer Thronre de eröffnet worden, in der er nah dem

Bericht des „W. T. B.“ sagte:

Gr habe die Konstitution gegeben, damit in der Volksvertretung die Stimme eines jeten gehört werden könnte und die für die Allge- meinbeit beste Arsicht durhdringe. Die frühere Sklupschlina habe m von \störenden Elementen fortreißen lassen und fei deshalb aufgel ös

worden.

Die Throntrede kennzeihnet alsdann kurz das Programm es Kabinetts Tomanowitsh, betont mit Befriedi ung die Ordnung der Finanzen, die Ausführung neuer Straßenbauten und großer Arbeiten in Antivari und den Abschluß des handelsvertrags mit Deutschland und erwähnt {ließli die Aufdeckung des Anschlags gegen den Fürsten und die Dynastie.

Afrika.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ haben marokkanische Handen, die den Stämmen der Ulad Mansur und Homnas angehören, bei Adsheru am Kißflusse die algerishe Grenze jbershritten und Plünderungen begangen. Gestern früh drangen die Marokkaner in großer Menge gegen Port- 6ay vor. Geschüße, die auf den Höhenzügen aufgestellt paren, rihteten ihr Feuer auf die Angreifer, die unter Mit- jahme ihrer Toten über den Kiß zurückgingen und ihre früheren Stellungen wieder einnahmen.

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Parlamentarische Nachrichten.

_Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Reihstags Und des Hauses der Abgeordneten befinden ch in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.

Jn der heutigen 62. Sißung des Neichstags, welcher jer Staatssekretär des Jnnern Dr. von Bethmann Hol lweg, jer Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staats- setretär des Reichsshaßamts Freiherr von Stengel, der Staatssekretär des Kolonialamts Dernburg und der Staats- sekretär des Auswärtigen Amts von Schoen beiwohnten, purde in dritter Lesung der Vertrag mit den Nieder- landen über Unfallversicherung endgültig ohne Debatte genehmigt.

Das Haus seßte darauf die ¿Generaldiskussion des Etats für 1908 und der Flottenvorlage E

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.): Der Reichskanzler hat gestern h der Nede gegen Bebel die Gründe der Reicbstagsauflöfung ers cinmal erwähnt. Ich freue mi, daß er so eatshieden dem Versuche der Legendenbildung entgegengetreten ist. Die am 13. Dezember zu- sammengestanden haben, haben die Pflicht, solche Ges&t&tsklitterung nicht aufkommen zu lassen. Wir waren auf seiten der Regierung, weil es sch um die nationale Ehre handelte, weil die damalige Mehrheit eine Abstimmung erzwingen wollte, die jen Wünshen des Volks widersprach. as Volk hat hei den Wahlen entshieden. Der Abg. Bebel appellieri sonst immer an das Volk, wenn aber das Volk gegen ihn und seine Freunde ent- sheidet, dann spriht er von Dummköpfen oder Verrätern. Er be- häftigte sich auch mit der Frage des Blocks. Es is ein undank- bares Geschäft, sich den Kopf anderer Leute zu zerbrechen. Auf seine Prophezetungen ist nach den bisherigen Erfahrungen, nament- lh nach scinen Erfahrungen bei den Wahlen von 1907, nichts zu geben. Er meinte, Zentrum und Konservative würden ih wieder zusammenfinden, die paßten am besten zu einander. ei den legten Wahlen haben wir gesehen, daß Zentrum und Sozial- demokratie sich zusammengefunden haben. Spahns Rede machte den Cindruck, als sollte es nah der Regierung hin klingen : Kein Engelein it so rein, laßl’s eurer Huld empfohlen sein. Das Zentrum trägt die Verantwortung für die ungünstige Entwicklung der Neichsfinanzen. Wir unsererseits haben seit den leßten Jahren doch nicht etwa vier Milliarden Schulden gemacht, das ist unter der Herrschaft des Zen- trums bder Fall gewesen. Man könnte von der papiernen Finanzpolitik des Zentrums sprechen, wie von seiner papiernen Sozialpolitik. Die jegige Finanzmisere ist eine Erbschaft der Zentrumsherrs{haft. Die lex Trimborn ift insofern au ein Fehler, als dadurch unsere Finanzen sh vershlehtert haben. Wir haben deswegen gegen diese lex Trim- born gestimmt, und weil wir nicht wollten, daß dur eine solche Politik die Verteuerung der Lebensmittel stabiliert würde. Da aber nun das Geseg geschaffen, werden wir die Konsequenzen jechen und wün|chen, daß mözlichs bald die Witwen- und Vaisenversorgung der Arbeiter durchgeführt wird. Ueber den finanziellen Abs{luß sind wir überrasht, umsomehr, als noch im Sommer Freiherr von Stengel eine günstige Entwickluxg der Finanzwirtshaft in Aussicht gestellt hatte. Man sollte nit über- treiben. Hätten wir nit neue- Ausgaben gehabt, so hätten wir nicht das Defizit; das chronische Defizit {eint uns eine Fiktion. Die neuen Steuern find auch noch niht voll zur Erscheinung gekommen; namentli ift die Erbshhaftssteuer nod nit voll in ihren Wirkungen hervorgetreten. Die Budgetkommission wird prüfen müssen, ob iberhaupt eine Erhöhung der Steuern notwendig ist, Die Fahrkartensteuer und die Automobilsteuer sind weit binter den gehegten Erwartungen zurückgeblieben, und au die Brausteuer hat nit das gebracht, was man erwartet hat. Das unerfreulihste Produkt der neuen Steuern ist unzweifelhaft die fahrkartensteuer, die den Einzelstaaten mehr entzogen hat, als sie dem Reiche zugeführt hat, und die dem Publikum unendlihe Scherereten bereitet. Die Fahrkartensteuer sollte ganz aufgehoben werden; den Gedanken, die vierte Klasse heranzuziehen, würden wir nicht interstüßen können. Der Staatssekretär hat, wenn sie fallen \llte, Ersay verlangt; und auch ih meine, wenn neue Steuern tingeführt werden müssen, dann muß auch für. diese verfehlte Steuer Ersaß geschaffen werden. Der neue Etatsentwurf bringt ins nicht wentger als 146 Millionen neue Ausgaben im Ordinarium; das muß natürlich das Bild des Etats sehr znalnstia beeinflussen. Diese Mehrausgaben kommen zum großen Teil auf Rechnung der teuen Zollpolitik; die Naturalienverpflegung für Heer ‘und Marine fordert infolge der Steigerung aller Preise. ganz bedeutende Mehr- keträge. Dazu kommt die notwendige Erhöhung der Beamtengehälter, lie der Staat durch seine Verteuerungspolitik heraufbeschworen hat. Ver Abg. Bebel \{chien zu zweifeln, ob wir dieser Politik egenüber unsere frühere Haltung beibehalten würden. kann lie Herren darüber beruhigen; wir werden unsere Auffassung von der eutigen Agrar- und Wirts .ftspolitik in ketnem Punkte korrigieren, enn die Erfahrung hat uns Recht gegeben. Es De eine euerung aller Lebensmittel, die wir niht auf die leichte 1hsel nehmen dürfen. Der wirtshaftlihe Nückgang ist niht mehr i verkennen. Das beste Mittel gegen das beklagte Anwachsen der atrikularbeiträge ist die Einschränkung der Ausgaben. Ein anderes Nittel aber muß jeßt endlich scharf ins Auge gefaßt berden: der anderweitige Verteilungs8maßstab für die Umlegung. Îroz aller Schwierigkeiten muß diele Frage gelöst werden. Die Fcbschaftsfteuer muß fich erst einleben; fo lange, bis sie einen Aus- deg aus diesen Schwierigkeiten finden hilft, können wir nicht warten. (8 fann nicht Aufgabe des Reichstags sein, neue Steuervorschläge ll machen, denn ihm fehlt das steuertehnische Material. Es f Spiritusvertriebsmonopol vorgeschlagen worden, für ein hes Monopol könnten wir uns niht erwärmen. Anders liegt 8 aber mit der Reform der Branntweinbesteuerung ohne Monopol; es könnte dann endlih die Liebesgabe beseitigt werden. Der Abg. von Richthofen hat die Mitwirkung feiner Freunde an iner solGen Reformarbeit nicht ohne weiteres abgelehnt. Wir sind sern bereit, daran teilzunehmen, damit die Liebesgabe und die Naischraumsleuer Pee int oder leßtere wenigstens gründlih tformiert wird. Die Zigarrenbanderolesteuer ist auch gerüchtweise gekündigt; wir wissen nicht, ob sie kommt, aber der gestrige fer des Ministers pon Rheinbaben in diefer Hinsicht erscheint mir ächtig. Jh {ließe mich in der Beurteilung des Vorschlages dem pp: Bassermann an. Auch die Erzielung höherer Erträge aus dem Kabak ist wenig Ia, Wir sind und bleiben Gegner einer beiteren Erhöhung der indirekten Steuern. Bleiben also die

direkten Steuern. Diese werden von den Einzelregierungen per- horreszieit. Ihre Berufung auf die Verfassung ist zunächst hinfällig, denn der Antrag, die Einnahme des Reichs auf direkte Steuern zu beschränken, is seinerzeit ausdrückliÞh abgelehnt worden. Der inanzwinister warnte vor etner Zerbröckelung der Selbständigkeit der Einzelstaaten dur eine direkte Retchssteuer. Dasselbe Bedenken dußerte er hon bei der Reichserbschaftssteuer, die Einzelstaaten, wie Preußen könnten u eine folhe Einnahme . niemals verzick&ten. Man sollte von einem solchen „Niemals" niemals sprehen. Ob die Neichs- einkommensteuer eine direkte Steuer ist oder nit, will ih nit unter- suchen. Die Tanttemesteuer is nah einer Enlsheidung des Reichsgerichts ee eine direkte Reichseinkommensteuer. Der erste Schritt st also getan. Die Rechte hat dem preußischen Finanzminister darin zugestimmt, daß die direkte Reichssteuer die Axt an die politische und wirtschaftlihe Selbständigkeit der Einzelstaaten lege. Das- selbe partikularistische Argument hätte ch auch gegen die NReichs- post anführen lassen. Der Abg. Müller-Meiningen sagte \. Z., 2aß nur zur Zeit die Einführung einer Reichseinkommensteuer undurhführbar sei. Die Neichsvermögenssteuer ist jedenfalls leichter einzuführen. Ob sie eine Ergänzungssteuer ist, ist gleih- gültig, wenn sie nur eingeführt wird; wie sie durhgeführt wird, ist etne sekundâre Frage; sie könnte ja auch für das Reich von den Einzelstaaten erhoben werden. Wie steht es denn mit einer Erweiterung der Neichserbschaftssteuer? Meine Freunde sind bereit, die Ausdehnung der Erbschafts\steuer ernsthaft zu erwägen. Wir wollten im vorigen Jahre nicht auf Vorrat Steuern bewilligen, heute ist zu erwägen, ob wir jeßt niht die Steuer ausdehnen wollen auf die Deszendenten und Ehegatten. Es ist nicht unsere Aufgabe, ein E aufzustellen; das Notwendige babe ih Min gesagt. Jedenfalls muß durch direkte Steuern ein Teil der Lasten auf die Schultern der Reichen gelegt werden, die Steuern müssen gerecht und nach der Leistungsfähigkeit verteilt werden. (Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen N Sigung, welcher der Finanzminister Freiherr von

einbaben, der Justizminister Dr. Beseler, der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten von Arnim und der Minister des Jnnern von Moltke beiwohnten, zunächst den Antrag der Abgg. von Pappenheim S und Ge- nossen, die Regierung zu ersuchen, zu veranlassen, daß das gegen den Abg. Boehmer beim Amtsgeriht zu Stargard i. P. s{hwebende Privatklageverfahren wegen Beleidigung für die Dauer der laufenden Session eingestellt werde, ohne Debatte an und seßte dann die erste Beratung des Entwurfs eines Gesehes über Maßnahmen zur Stärkung des Deutsch- tums in den Provinzen Westpreußen und Posen fort.

Abg. Wol ff - Lissa (fr. Vzg.): Anläßlich der Vorkommnisse im osterreihishen Abgeordnetenhause habe ih zu erklären, daß auch wir der Meinung find: wir müssen uns derartige Etnmischungen in unsere inneren Angelegenheiten auf das entschiedenste verbitten. Für die hier zur Beratung stchende Vorlage ist für meine Fraktion das Staattinteresse die Hauptsahe. Wir werden die Vorlage leiden- \schaftslos prüfen. Anzuerkennen ist, daß die Ansiedelungskommission mit der Gründung von Musterwirtshaften für 100 000 deutsche Ansiedler im Osten eine segensreihe Tätigkeit entwickelt hat; für die Städte kann man allerdings die Tätigkeit der Ansiedelungskommission niht als so segensreih betrachten. Tausende aus den \tädtishen Er- werbskreisen haben abwandern müssen. Den Ansiedlern muß man einen gewissen Spielraum in witschaftliher Beziehung geben; sie sind keine Kinder, denen man durch die Genossenschaften einen Zwang auferlegen muß. Ich halte es für unberehtigt, daß man in einem preußischen Parlament die Tonart ans{lägt, wie Herr von Oldenburg. Die preußischen Polen sind nah der Verfassung gleichs berehtigte Staat8bürger. Rechte: und f gten der Staatsbürger {find nit so eng miteinander verbunden, daß man sagen dürfte: wer die Pflichten gegen den Staat nicht erfüllt, hat auch keine Rechte. Die staatsbürgerlihen Rechte hat auch ein zu Zuchthaus Werurteilter. Ich gebe zu, daß der Wortlaut der Verfassung diese Vorlage zuläßt, aber wir machen eine laxe Auslegung der Verfassung niht mit. Wo irgend Zweifel bestehen, werden wir vor dem ,Grundgeseß des Staates Halt mahen müssen; die Majorität allein kann darüber nit entscheiden, sons könnte jede Majorität gegen die Verfassung verstoßen. Grundgeseze können selbstverständlih nicht alle einzelnen ae regeln, aber wo Zweifel bestehen, darf man nicht durch eine falsche

uslegung Nechte verkürzen. Die Verfassung muß nach ihrem Sinne, nach ihrer Bedeutung - ausgelegt werden. Wenn Art. 9 der Verfassung das Eigentum nur aus Gründen des öffentlichen Wohles beschränken läßt, so zeigt uns die Entstehunasgescbichte des Entelgnungsgeseßes von 1874 deutlih, was unter öffentlihem Wohl in dieser Beziehung zu verstehen ist. Danach kann es f nur um das öffentlihe Wohl in wirtschaftlihen Beziehungen, nicht in politishen Fragen handeln. Noch niemals if das Enteignungsrecht aus politishen Gründen erteilt worden. Wir können keine Gesetz- gebung mitmachen, die der Sozialdemokratie in gewisser Beziehung recht gibt. Für uns ist entscheidend, daß es fh hier um ein Ausnahmegeseß, und zwar um ein Ausnahmegeseß \{limmster Art handelt. Herr von Oldenburg sagt: ich will das Gesetz nur, weil es ein Ausnahmegeseß ist. Das i ein charakteristischer Standpunkt. Man zitiert den Fürsten Bismarck, aber dieser hat die Me Mleggedung und das Soztialistengeseß wieder aufgegeben, er hat also mit Ausnahmegeseßen keine guten Erfahrungen gemacht. Das Ansiedlungsgeseß von 1886 hat die Polen gestärkt, den Deutschen aber ketnen Nußen gebracht, denn der Grund und Boden in deutschem Besitz ist im ganzen zurückgegangen. Die konservativen Parteien und die Nationalliberalen wollen ein Ausnahmegeseß gegen die Polen, der deutsche Grundbesiß soll niht von der Enteignung betroffen werden können. Dann ist das Geseh überhaupt unmöglih; denn wenn nur Polen enteignet werden sollen, so verleßt die Vorlage den Artikel 4 der Verfassung, wonach alle Preußen vor dem Gesetze gleih sind. Die: wirtschaftlichen Erfolge der Ansiedlungspolitik zeigen \ich in der Steigerung der Güterpreift . Wir sind bereit, die Anfiedlungspolitik mitzumachen, soweit sie die wirts{aftlihen Zustände des Landes ver- bessert. Wenn aber nah diesen Geseßen bestimmte Gebiete abgegrenzt werden, in denen die enr jeden Augenblick die Enteignung zu be- fürhten haben, (la ie, daß dann noch ein gedeihliher Wirt- \chaftsbetrieb in diesen. Gebieten möglich ist ? Wir lehnen die Vorlage ab, weil sie ein Ausnahmegesehß ist, und wir handeln in patriotishem Sinne, wenn wir Sie bitten, die Vorlage niht anzunehmen.

Abg. Lusensky (nl.): Herr von Oldenburg hat gestern die Organisation der Ansiedelungskommission s{charf angegriffen. Es ist niht zu verkennen, daß das Verfahren derselben in mancher Hinsicht ein sehr langsames iff; wir werden in der Kom- mission eventuelle Verbesserungen vorzushlagen haben. Im übrigen werden wir uns aber dadurch die Fre1de am Ansiedlungs- werk nicht \tôren lassen. Die Ansiedelungskommission hat zunächst eine Verschiebung im günstigen Sinne in der Verteilung des kletn- bäuerlihen Be L der Ofimarken herbeigeführt. Auch in den Städten des Ansiedlung8gebiets ist eine Zunahme der Bevölkerungs- ziffer um 47 9/9 zu Fousfatieren in den Städten außerhalb dieses Ge- bietes nur um 89/. Die Handwerker, die überwiegend deutsche Meister sind, haben sich in den Städten des Ansiedlungsgebiets in demselben Zeitraum von 20 Jahren um 29,6 9% gehoben, während in den anderen Städten die deutschen Handwerker abgenommen und nur die polnishen fich vermehrt : haben. Auch dafüc können wtr vielleiht Verbesserungsvorshläge machen, Die Gegner haben nun die. Mas als eine gänzlich verfehlte hingestellt. Das ist {hon gestern widerlegt worden, und ih. weise auch auf die Broschüre des Polen von Turno darüber hin. Dieser nimmt allerdings darin die Legalität sür die Polen in Anspru; aber diese Legalität üben die Polen sicherlich nit dem Gesetze zultebe, ande weil fe unter dem Zwange der Gesetze stehen. Vie Ziele unserer Polenpolitik von 1886 dürfen wir nicht preisgeben. Die Vorlage verlangt ins-

gesamt 400 Millionen Mark; der Kommission wird es {wer sein, über die Höhe der Summe zu entscheiden, wir werden die Summe wohl bewilligen können, auch die 50 Millionen, die für die Sicherung des deutschen Besiyes durch Bildung von Rentengütern gefordert werden, weil hiermit ein Risiko des Staates niht verbunden ist. Daher kommt jeyt die Enteignung in Frage. Die Enteignung soll nicht allgemein gelten, sondern lediglih für die Erwerbungen im Rahmen der 300 Millionen Mark, welche diese Vorlage für Ankäufe vor- var Auf die Verfassungsfrage werde ih niht eingehen, e wird in der Kommission erörtert werden. Wir sind heute noch nicht in der Lage, uns für die Enteignung zu erklären. Nur unter gewissen Vorausseßungen werden wir uns damit befreunden fônnen. In bezug auf die Einwirkung der Enteignung auf die Preisbewegung gehen die Ansichten auseinander. Man wird Mittel finden müssen, der Spekulation vorzubeugen. Was machen wir aber mit den enteigneten Polen? Der Minister sagte, daß nur der dritte Teil der ausgekauften Polen ih wieder anderswo angestiedelt habe. Daraus kann niht unbedingt auf die Zukunft geschlossen werden. Wenn die Polen in die Städte drängen, so werden wir auf weitere Mittel gegen die polnishe Gefahr in den Städten sinnen müssen. Jn dem Augenblick, in dem“ wir dieses Gese verabschiedet haben werden, entzieht es sich eigentlich unserer Mitwirkung. Eine derartige Macht, wie dieses Enteignungsrecht, ist bisher noch nie einer Cuno verliehen worden; wir fühlen uns daher verpflichtet, die Vorlage in allen Teilen eingehend zu prüfen. Wir sind bereit, an diese Prüfung in der Kommission heranzutreten, und wir hoffen, daß entsprehend der Bedeutung des Ansiedlungswerkes diese Prüfung zu einem gedeihlihen Ergebnis führen möte. Die große Kolonisierungsarbeit Friedrihs des Großen wurde von seinen Zeitgenossen nas beurteilt, und noch viele Jahre nah seinem Tode hat man sein Werk nicht gebilligt; erst in \päterer Zeit, als man es objektiy beurteilen konnte, hat man es gewürdigt. Hoffen wir, daß die jeßige Kolonisierungsarbeit zum Wohle des Vaterlandes ausfällt, daß au dieses Werk ebenso günstig beurteilt wird, wie das Friedrihs des Großen.

(Schluß des Blattes.)

Bei der Reichstagsersaß wahl s den verstorbenen Abgeordneten Dasba ch im ersten Wahlkreise des Negierungs- bezirks Trier (Daun-Prüm-Bitburg) wurden nah den bis- herigen Ergebnissen, „W. T. B.“ zufolge, für den Erbprinzen zu Löwenstein (Zentr.) 18317 Stimmen, für Berlage (Block) 801 Stimmen abgegeben. Ersterer ist somit gewählt.

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Jagd.

___ Dienstag, den 3. Dezember, findet Königliche Parforce- Mae statt. Stelldihein : Mittags 12 Uhr 30 Minuten am Restaurant „Gardestern“.

Verkehrsanstalten.

Breslau, 29. November. (W. T. B) Die Königliche Wasserbauinspektton matt bekannt: Im Breslauer Hafen- gebiet befinden sich so viele Schiffe, daß bereits jeßt seitens dec Oderstrombauverwaltung Liegestellen nicht mehr an- gewiesen werden können. Weiterhin eintreffende Schiffe werden gezwungen sein, auf freicm Strome zu überwintern, wodur sie sich unter Umständen großer Gefahr ausfeßzen. Im Auftrage des Ober- präsidenten wird daher vor der Bergfahrt nah Breslau gewarnt.

Theater und Musik.

Im Königlihen Opernhause wird morgen, Sonntag, „Madama Butterfly“ wkederholt. Fräulein Grete Forst von der Kaiserlichen Hofoper in Wien singt die Titelpartie. Von den einheimi|chen Käften find die Damen NRothauser, Lindemann, die Herren Maclennan, Hoffmann, Lieban, Philipp, Griss- wold in größeren Aufgaben beschäftigt. Am Monta werden „Die Meistersinger von Nürnberg®“ (Anfang 7 Uhr) in folgender Beseßung gegeben: Sas: Herr Bachmann; Eva: L Destinn; Walter Stolzing: Herr Grüning: Beckmesser :

err Krasa; David: Herr Lieban; Magdalene: Frau von Sheele- Müller; Pogner: Herr Griswold; Kothner: Herr Berger. Dirigent ist der Kapellmeister Dr. Strauß.

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, bundertsten Male, Shakespeares „Julius Caesar“ in Szene. Den Caesar spielt Herr Zimmerer, den Octavius Herr Staegemann, den Marcus Antonius Herr Matkowsky, den Marcus Brutus Herr Kraußneck, den Cassius Herr Sommerstorff, den Casca Herr Pohl, den Dectus Brutus Herr Geisendörfer, die Calpurnia Fräulein von Arnauld, die Portia Frau Poppe. Am Montag wird Ernst von Wildenbruchs Schauspiel „Die Nabensteinerin“ in der bekannten Be- seßung wiederholt.

Im Neuen Königlichen Operntheater wird morgen, Sonntag, „Figaros Hochzeit" in der bekannten Beseßung der Haupt- rollen durch die Damen Herzog, Hempel, Martick, von Scheele- Müller, Darch, die Herren Berger, Knüpfer, Sommer, Nebe, Krasa und Alma aufgeführt. Dirigent is der Kapellmeister von Strauß.

Im Deutschen Th eater wird am morgigen Sonntag sowie an allen Tagen der kommenden Woche Shakespeares Lustspiel „Was ihr wollt“ aufgeführt, mit Ausnahme von Dienstag und Freitag, an welchen beiden Abenden Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ in Szene geht. Jn den Kammerspielen des Deutschen Theaters wird morgen sowie am Mittwoch, Donnerstag und nächsten Sonntag Wedekinds Kindertragödie „Frühlings Erwachen*“ aufgesührt. Am Montag wird „Der Marquis von Keith“ von Frank Wedekind, am Dienstag und Freitag Schnißlers „Liebelei" und am Sonnabend „Gyges und sein Ring" von Hebbel gegeben.

Im Neuen Schauspielhause wird morgen abend sowie am Dienstag, Freitag, Sonnabend und nächsten Sonntagabend „Zar Peter“ aufgeführt. (Anfang 74 Uhr.) Montag wird „Judith“, Mittwoch (7F Uhr) „Alt-Heidelberg®", Donnerstag „Die große Ge- meinde“ gegeben. Am Mittwoch, Nachmittags 3 Uhr, wird das Fest- spiel „Stein“, am Sonnabend, Nahmittags 3 Uhr, zum ersten Male das Weihnach's#märchen „Frau Holle“ dargestellt.

Das Lessingtheater hat für nähste Woche folgenden Spiel- plan aufgestellt: Morgen abend, Mittwoh und Sonnabend: „Vom andern Ufer“; Montag: „Rosmersholm*“ ; Dienstag: „Kollege Crampton“* ; Donnerêtag: „Nora“; Freitag: „Der Biberpelz* ; nächst- folgenden Sonntagabend : «Die Stüßen der Gesell]shaft“. Als Nachmittagsvorstellung ist für morgen „Der Bund der Jugend“, sür nächstfolgenden Sonntag „Die versunkene Glocke“ angeseßt.

Im Schillertheater 0. (Wallnertheater) wird maus nach- mittag „Das vierte Gebot“, morgen abend sowie am Mittwoch „Reiterattacke* gegeben. Montag und Donnerstag geht das Volks- stück „Gebildete Menschen", Dienstag und Sonnabend „Das vierte Gebot“, Freitag „Monna Vanna“ in Szene. Für nächsten Sonntag ist Nachmittags „Traumulus*, Abends „Heimat“ angesebt.

Das Schillertheater Charlottenburg br ngt uts urm mittag „Maria Stuart“, Abends „Wilhelm Tell“. ntag, Freitag und Sonnabend wind „Maria Stuart“, Dienstag „Reiter- attackde*, Mittwoch das Lustspiel „Gebildete Menschen“ ge- spielt, am Donnerstag geht „Rosmersholm“ in Szene, nätsten Sonntagnachmittag „Der Richter von Zalamea“, Abends (zur Feier von Biörnsons 75. Geburtstag) „Ein Fallissement*“. Morgen, Mittags 12 Uhr findet im Schillertheater Charlottenburg das-leyte diesjährige Sonntagskonzert statt; im Bürgersaal des es Rathauses wird morgen ein „Mozart-Abend*" yer- anstaltet.

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