1907 / 285 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Nov 1907 18:00:01 GMT) scan diff

eine sogenannte Versöhnungspolitik Herr Meinisterpräsident hat {hon diese Frage verneint,

Wünschen entgegenkommen und treiben? Meine Herren, der erwähnt, daß die Staatsregierung weil die Geshihte lehrt, daß alle Versuche nach dieser Richtung hin erfolglos gervesen sind. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, gestatten Sie mir, daß ih dies an einigen Beispielen erläutere, indem ich einen Rückblick auf die Vergangenheit werfe.

Als 1315 nach dem Wiener Kongreß Preußen die ihm zugefallenen polnischen Landesteile übernahm, machte es sich zur Aufgabe, den neu übernommenen Landesteilen die politischen Verhältnisse so angenehm wie möglich zu gestalten : neben einem ganz besonders fonzilianten Oberpräsidenten wurde dem Großherzogtum Posen so hieß es damals noch ein besonderer polnischer Statthalter in der Person des Fürsten Anton Radziwill gegeben, der in der loyalsten Weise sich bemühte, die ihm gestellte Aufgabe der Versöhnungspolitik durchzu- führen, aber, meine Herren, vollständig ohne Erfolg. Fe mehr damals nachgegeben wurde, - desto mehr. wuchsen die Ansprüche der Polen: voll- ständig polnishe Verwaltung, polnishe Räte im Ministerium, sogar eine polnishe Armee wurde \{ließlich gefordert. (Lachen bei | den Polen.) Dabei war die polnishe Agitation fieberhaft am Werke: eine politishe polnische Organisation, die sogenannten polnischen Freimaurerlogen, wurde gegründet, die in der rüdck- sihtsloseften Weise die Wiederherstellung des polnischen. Reichs auf ihre Fahne schrieben; sie haben sogar unter dem Grafen Mielzynski versucht, polnishe Freisharen zu organisieren. Troßdem blieb die Regierung bei threr Versöhnungspolitik; es wurden zahlreihe Polen zu Offizieren und Beamten ernannt, es wurden die Landräte aus dem polnischen ansässigen Adel entnommen, es wurde dem polnischen Adel die Polizeiverwaltung übergeben und \{ließlich wurde für die Provinz ein Provinziallandtag geschaffen, der natürlich hauptsächlih polnisch war und nun die polnischen Forderungen in offizieller Form yorbrahte und die Verwaltung zum Schaden des Deutschtums yolnisch

beeinflußte.

Und, meine Herren, was war nun der Erfolg all dieses Gnt- gegenkommens den Wünschen der Polen gegenüber? Daß im Fahre 1830 Preußen nur dadur das Uebergreifen der polnischen Bewegung von Rußland nah Preußen verhinderte, daß es \{leunigst mehrere Armeekorps an die Grenze \chickte. Schon damals hat außer dem polnishen Adel die polnishe Geistlichkeit in erster Linie die Führung in dem Kampf, in dieser großpolnischen Bewegung übernommen.

Meine Herren, nah diesem Mißerfolg kam die zielbewußte Ver- waltung von Flottwell, bis im Jahre 1840 Friedrich Wilhelm 1V. abermals den Versuch machte, die Polen durch Milde zu gewinnen, abermals den Versu einer Versöhnung machte. Der Erfolg war genau der gleihe wie vorher; die Forderungen der Polen steigerten fh in demselben Maße wie ihnen nachgegeben wurde. Es wurde ge- fordert, die Volkss{ulen, überhaupt sämtliche Shulen sollten polnisch werden; es wurde gefordert, die preußischen Offiziere polnischer Nationalität, die im polnischen Aufstande mitgefohten hatten, sollten das Ruhegehalt weiter bezahlt erhalten, und eine Masse anderer derartiger Forderungen. Leider, meine Herren, erfüllte damals die Regierung die haupt\sählichste dieser Forderungen. Im Sahre 1842 wurde in den Volksshulen und in den unteren Klassen der Gymnasien das Polnische als Unterrichts\prache eingeführt, und damit wurde den Polen die Schule ausgeliefert. Die Polen haben die Schule das möchte ih gerade den immer wieder auftretenden Klagen der Polen unserer Sqhulpolitik gegenüber betonen in der rüdsihtslosesten Weise zur Polonisierung der Deutschen ausgenußt; ih werde darauf noch später kommen. Gleichzeitig entwickelten die Polen eine intensive politische Propaganda ; ein ganzes Netz von polnischen Vereinen überspannte das Land, sodaß \{chließlich auch der Blindeste sehen mußte, daß alles zur Revolution drängte. Und so fam es denn au. Na einigen vergeblichen Putschen im Jahre 1846 kam die bekannte 1848 er Revolution. Meine Herren, das war die Quittung auf die preußische Versöhnungspolitik!

Meine Herren, die Zeit, die nah 1848 folgte, war eine Zeit der Unentschiedenheit der preußischen Verwaltung, während die Polen ganz untentwegt ihre Ziele weiter verfolgten. Die Polonisierung der Schulen hatte zur Folge, daß zahlreiche deutshe Kinder polnisch wurden. Ich erinnere an die sogenannten Bamberger. (Zurufe bei den Polen.) Meine Herren, die Bamberger waren deutshe Katholiken, die sich zu Anfang des 18. Jahrhunderts um Posen angesiedelt und ihr Deutshtum, ihre Sitten und Gewohnheiten, ihre Tracht treu bewahrt hatten. Im Jahre 1850 nahm diîe Polonisierung dieser Bamberger seitens der polnischen Schule und seitens der polnischen Geistlichkeit eine ganz besondere Intensität an. Die Bamberger haben damals wiederholt Eingaben an die Regterung ge- macht, sie dagegen zu \chügen. Die Regierung ließ sie im Stich. Die Folge davon ift, daß die Leute heute wohl noch ihre Kleidung, ihre Tracht \ih erhalten, ihr Deutshtum und ihre Sprache aber voll- \tändig verloren haben. (Hört, hört!)

Meine Herren, in jener Zeit fing auch die polnische Presse an, Einfluß zu gewinnen. Wieder war es die polnische Geistlichkeit, die Kch hier als die bitterste Feindin von Preußen zeigte. In einem von einem polnischen Geistlichen geleiteten führenden Blaite, dem „Katholischen Wohenblatte“, dem offiziellen Organ des erzbischöflichen Stuhles, heißt es ¿. B. im Jahre 1861,

daß die Priester vor allem die Verpflihtung hätten , für die

Wiedererlangung der äußeren und inneren Freiheit Polens zu

kämpfen und die im Glauben und in der Kirhe ruhende Macht der-

gestalt zu benußen, daß sie ein siherer Weg zum Sieg der nationalen

Freiheit wäre.

Wenn im Jahre 1863 dkese Zustände in Preußen niht genau ebenso wie in Rußland zum Aufstand führten, so war es nur dem energishen Eingreifen Bismarcks, der inzwischen Meinisterpräsident ge- worden war, zu verdanken, der vier mobile Armeekorps in die polni- sen Landesteile legte.

Fch will die Zeit bis zum Fahre 1886 übergehen und nur kurz bemerken, daß die polnische nationale Bewegung mit der Zunahme der allgemeinen Volksbildung immer weitere Sichten erfaßte und \sih in einer immer stärker werdenden Verdrängung des Deutschtums geltend machte, sodaß die preußishe Regierung {on damals zu der Uebers- zeugung kam, daß eingegriffen werden müsse. Die Thronrede vom Jahre 1886 bringt das in folgenden Worten zum Ausdruck:

Das Zurückdrängen des deutshen Elements durch das

Pflicht auf, Maßregeln zu treffen, Entwicklung der Deutschen Also hon damals, ehe die systematische Verdrängen der Deutschen dann das bekannte Geseg vom Jahre

nur noch einmal Caprivi versucht, den

Versöhnungspolitik Parjzellierungsbanken,

ihre polnischen Die Polen erlangten - ferner

wesens, indem den polnischen

zu zeigen, daß die Behauptungen wir den Frieden niht gewollt haben, die Polen zu gewinnen, in der Vorzeit handelt sch um einen Streitpunkt, bei Uebereinkommen auf beiden Seiten niht mögli ist. Selbständigkeit. Die Entwicklung besonderes Symytom

des

auch bei den Polen weitere Kreise ergreifen, Diejenigen, die da glauben, handlung ja einsehen, so gut geht, daß ihre materiellen müßten, das zweifelhafte Experiment zu machen, untershäßen die Kraft der sie untershäßen gerade

Steht nach allem, was ih aus

Frage zu erörtern: sind die Mittel, die

ich eben einen kurzen Rückblick warf, \öhnliher sowohl, wie auch strenger

Fragen wir uns nun: erreicht worden? so müssen wir darauf ohne Zutun des Staates erreicht, das wanderung von Deutschen, ‘die und die sich deshalb vollzog, weil

Bedingungen fanden.

herein das Prinzip aufstellte, das Land Erst im Jahre 1886 sind wir

Abnahme der Deutschen, die dauernde aufgehört hat, wenn wir sogar erreiht starke prozentuale Zunahme zeigen, \o flarer gar nit vor Augen treten kann genug einshäßen können.

immer von der polnischen Ueberle nun diese polnische dringen des Polentums und Ganz sicher nit. Allerdings , genügsam , deutschen Arbeiter. Landesteilen der Pole, als der Deutsche, Grund für das Vordringen der Polen der volnischen Kleinbefißer, beiter. Dieser polnische Kleinbesizer Wurzel der polnischen Kraft. Seine es, die in die Städte eindringt. Auf

daß wir diese Schicht schaffen.

bedingte Notwendigkeit, daß wir die segen, das Land, das wir Enteignung erwerben. Der Herr Ministerpräsident hat die Staatsregierung keineswegs

freihändig nicht

darauf hingewiesen, daß praktisch das es wäre eine Ungerechtigkeit, es wäre wir versuhen wollten, die polnische Hof zu vertreiben. Meine Herren, ni Enteignungsgeses erreihen wollen,

\{affung des zur Kolonisation

meine Herren, deshalb wird die den Großgrundbesiß zur Ausführung

bringen ift.

Der Herr Ministerpräsident hat wie ungern die Königliche entschlossen hat. Meine Herren, wohl niemand, der dieses Gefühl ni

polnishe in einigen östlichen Provinzen legt der Regierung die

irgend mit der Erreichung der Ziele,

siherzustellen geeignet find. Ansiedlungspolitik einsezte, das starke, |

\öhnungspolitik zu befolgen auch vollständig ohne Erfolg! Die hatte nur den Erfolg, die \sich mit Gutskäufen ziemli hatten, der Rentenbankkredit zur Verfügung gestellt wurde, und daß sie aus ihren Schwierigkeiten befreit wunden und nun ungehindert

Parzellierungsbestrebungen ein Entgegenkommen auf dem Gebiet

des Schulwesens, besonders aber auf dem Gebiet des Genossenschafts“ Genossenschaftsverbänden die Befugnis

gegeben wurde, die Genossenschaften durh eigne Revisoren und nicht durch Staatskommissare revidieren zu lassen.

Meine Herren, ih habe diesen kurzen Rückblick getan, um Ihnen des Herrn Abg. von Fazdzewski, daß fals sind, und daß alle Versuche,

werden und müssen aber auch in Zukunft erfolglos sein; denn es

einer mittleren Linie durch ein Nachgeben von Dieser Streitpunkt ist die nationale

unserer Zeit. Sie hängt eng zusammen mit der ganzen fkulturellen Entwicklung der Völker, und deshalb sehen wir den nationalen Gedanken wahsen und immer die bisher stumpf bei Seite standen.

die Polen müßten bei rihtiger Be- daß es ihnen in unserm geordneten Staatswesen Interessen es ihnen son verbieten

leitenden Ideen im Volksleben ; die Kraft des nationalen Gedankens.

der nationale Kampf ausgefochten werden muß, so haben wir die Ihnen vorschlägt, die richtigen ? Das vorige Fahrhundert, auf welches Zeichen der politischen Maßnahmen gegen die Polen, milder, ver-

des Schulwesens und auf dem Gebiete der was ist dur diese politishen Maßnahmen

Was erreiht wurde während dieser Zeit, das wurde im wesentlichen sich ohne

Polen auf wirtshaftlihem Gebiet die Deutschen günstige wirtschaftliche Nur Friedrich der Große hatte wirkliche Erfolge

mit seiner Polenpolitik, weil er sich nicht dem Wahn hingab, daß es möglich sei, aus Polen Deutsche zu machen, fondern weil er von vorn-

zu diesem System zurückgekehrt, und wenn wir heute jedenfalls den Erfolg erreicht haben, daß die dauernde

Daß aber auch in Zukunft nur die Mittel sein kann, welches durdschlagenden Sie mih Ihnen mit folgenden Erwägungen klarlegen.

Ueberlegenheit , in dem Verdrängen der Deutschen

zeigt? Sind die Polen denn wirtschaftlich tüchtiger als die Deutschen ? die

sie verdrängen besonders Es ist auch anzuerkennen, der seit langem dort sißt, bodenständiger ist der mehr nah dem Westen strebt.

und die Quelle dieser Volksyermehrung bildet der zahlreihe Stand der zahlreihe Stand der

liche Schicht in den polnischen Landesteilen fast gänzlich. Wollen wir also Erfolge dem Polentum gegenüber haben, so ist die Vorbedingung, Mit der Erfüllung dieser Vor-

bedingung steht und fallt das Deutshtum. Daher ift es eine un-

und daher ist es ferner eine unbedingte Notwendigkeit, daß wir

die Absicht hat, die polnische Land- bevölkerung mit Hilfe der Enteignung zu verdrängen; er hat {hon

nôtigen Enteignung auch hauptsächlich gegen

des Areals mit den leider unvermeidlichen Härten in Einklang zu

Staatsregierung sih zu auch in diesem hohen Hause ist

Königliche Staatsregierung den Wunsch hat, die Gnteignung so s{chonend wie nur irgend möglich anzuwenden,

welche den Bestand und die

durch die Polen! Es folgte 1886. Seit dieser Zeit hat Polen gegenüber eine Ver-

daß den polnischen festgeritten

verfolgen konnten.

erfolglos gewesen sind. Sie

dem eine Verständigung, ein

nationalen Gedankens ist ein

eines polnishen Staatswesens

geführt habe, aber fest, daß die Königliche Staatsregierung stand bis 1886 unter dem

Maßnahmen auf dem Gebiete allgemeinen Verwaltung.

antworten: so gut wie nichts.

wurde erreiht durch die Ein- Mithilfe des Staates vollzog infolge der Rückständigkeit der

mit Deutschen zu durhseßen.

Abwanderung der Deutschen haben, daß die Deutschen eine ist das ein Erfolg, wie er uns , ein Erfolg, den wir nicht hoh

Ansiedlung das einzige Effekt erzielt, das ‘lassen Man spricht Worin besteht denn \ch in dem Vor-

genheit. die

polnischen Arbeiter find in der Landwirschaft den daß in den polnischen

Der wahre liegt in der Volksvermehrung,

polnischen Ar- « und Arbeiterstand bildet die zahlreiche Na@hkommenschaft ist deutscher Seite fehlt diese länds

Anstiedlung uneingeshränkt fort-

mehr bekommen können, dur

ferner darauf hingewiesen, daß

unmögli ist. Ich füge hinzu, eine politishe Unklugheit, wenn Landbevölkerung von Haus und cht das ist es, was wir dur das sondern aus\{chließlich die Be- Grund und Bodens. Und,

kommen, weil nur fo die Größe

es ferner zum Ausdruck gebracht, dieser Maßregel

t teilt, der niht ebenso wie die

einbar ist. Meine Herren, unsere Polenpolitik muß sh überhaupt von

jeder Drangsalierung der Polen fern halten. Wir müssen uns hüten,

die Polen dur polizeiliche Maßregelungen zu erbittern. Wir müssen

dem einzelnen Polen klar machen, daß seine Zugehörigkeit zum preu-

ßishen Staate ihm wirtschaftliche, materielle und ideelle Vorteile und

Annehmlichkeiten bringt, und wir müssen ihn an allen Vorteilen eines

geordneten Staatswesens teilnehmen lafsen. Aber wir müssen auch

die Maßregeln, die wir gegen die polnische Bewegung für notwendig halten, mit Kraft, Konsequenz und Energie durchführen, damit den

Härten, die nun einmal mit wirksamen Maßregeln leider verknüpft sind, au entsprechende Erfolge gegenüberstehen.

Nun is vielfa die Frage aufgeworfen worden: Wie können denn

die 4 Millionen Polen den 56 Millionen Deutschen gefährlih werden ? Meine Herren, gefährlih werden diese 4 Millionen Polen zunächst den Deutschen in den Ostmarken wie wohl von niemandem be- stritten werden wird und wie das ja auch die Zurükdrängung der Deutschen zeigt im höchsten Maße. Meine Herren, gefährlih können fie auch dem preußischen Staate werden, wenn einmal hrere und unglückliche Zeiten hereinbrehen sollten. Keine Regierung, die ih ihrer Pflicht bewußt ist, kann es verantworten, diese Gefahr un- beahtet zu lassen, bloß weil sie im Augenblick nicht aktuell ist. Sie muß vorbeugen, solange es Zeit ist.

Meine Herren, von anberer Seite ist der Einwand erhoben worden, wir würden die Polen nur noch mehr fanatisieren, politis fester zusammenshweißen und die ganze polnishe Bewegung noch ge- fährliher mahea als jeßt. Meine Herren, dieser Einwand enthält zweifellos Wahres. Es ist zweifellos, daß der Kampf \{härfer wird, wenn wir energishen Widerstand leisten, wenn wir energisch dagegen auftreten, und es ift ebenso zweifellos, daß er an Schärfe verlieren würde, wenn wir keinen Widerstand leisteten, wenn wir, wie wir das früher getan haben, vor der poluishen Bewegung zurückwichen. Aber, meine Herren, um diesen Preis, um den Preis der Aufgabe des Deutschtums in den Ostmarken, um den Preis der Sicherheit des preußishen Staates fann Preußen keinen derartigen Frieden \chließen, einen Frieden, der {ließli auch nur ein Sqheinfrieden sein würde, der unsere Nahkommen sicher vor \{chwerere Kalamitäten stellen würde, als die sind, vor denen wir heute stehen. Meine Herren, hätte der preußishe Staat die Taktik Friedrichs des Großen fortgesetzt, - so brauchten wir uns heute über etne polnishe Frage nicht den Kopf zu zerbrehen. Sollen wir nun die Fehler, die nah der Zeit des großen Königs begangen worden sind, fortsegen? sollen wir, blgeß um den Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, die der Kampf mit ih bringt, diese Politik des Zurückweihhens, des Zauderns, der Unschlüssig- keit fortseßen? Meine. Herren, das wäre eine Politik, die uns unsere Nachkommen nit danken würden! (Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, ih will im übrigen auf die Details der Vorlage nit eingehen, dazu ist ja Gelegenheit in der Kommission. Gegen- wärtig handelt es sh nur um die Beurteilung der großen Prinzipten- fragen, um die großen nationalen Geschtepunkte. Stimmen Sie, meine Herren, hier mit der Königlichen- Staatsregierung überein, dann werden wir uns auch über die Einzelheiten der Vorlage einigen.

(Bravo! rechts.)

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (frkons.): Alle Aus- führungen des Abg. von Fazdzewski zu widerlegen, hieße die Zeit des Hauses zu sehr in Anspru nehmen. Wir meinen, daß die Landpolitik auf Grund des Geseßes von 1886 absolut notwendig war, um der NVerdrängung der Veutschen aus den zweisprachigen Landesteilen einen tellen Damm entgegenzuseßen. Die O gewähren zu lassen, wäre gleihbedeutend mit dem Rückgang der deutschen Kultur. Wir wollen deshalb die Regierung mit voller Hand energisch unterstüßen und stärken. b alle die einzelnen jeßt vorgeschlagenen Mittel zweckmäßig sind, wollen wir prüfen. Wenn zunächst neue Mittel gefordert werden für die Fortseßung der Ansiedlungspolitik, fo kann darüber kein Zweifel Ln daß die Forde- rung beretigt ist. Wir find au damit einver tanden, daß Mittel verwendet werden zur Sicherung des Großgrundbesitzes, um die deut- schen Besißer im Osten festzuhalten. ir begrüßen deshalb au die Erfolge der Mittelstandsbank mit Freude und wünschen eine weitere segensreiche Tätigkeit derselben, damit der deutsche bäuerliche und Großgrundbesi ge\ihert wird. Namens meiner Freunde be- daure ih aber, daß die Ansiedlung von deutschen Arbeitern noch nit mehr in Aussicht genommen ift, wie es eine Resolution dieses Hauses gewünscht hat. Der deutshe Bauer ist heute vielfah auf polnis{he Arbeiter angewiesen. Unsere staatlihen Organe find aber {wer für neue Aufgaben zu gewinnen. Deshalb muß im Geseß selbst für Maßnahmen zur kräftigen Anfsezung von deutshen Arbeitern esorgt werden. Enteignung werde ein fon fervativer Mann nur mit sehr shwerem Herzen herangehen. ir begreifen vollkommen die stete Beunruhigung im Grundbesig dadur und man könnte der Enteignung nur zustimmen, wenn ohne dieselbe eine Fortführung der Ansiedlungspolitik nicht mehr gewährleistet werden kann. Die Ausführungen des Reichskanzlers haben uns über- zeugt, daß ohne die Enteignung eine gedethliche Fortführung dieser Politik einfa unmöglich ist. So glauben wir, daß in der Vorlage das Richtige gefunden ist. Aber wenn jeßt für diesen Ausnahmefa iht die legale Aut als ob diese! anwendbar

ist. Dur festzustellen,

diese einshränkende Interpretation ist daß für Provinzen die

die innere Kolonisation in anderen An wendung des Enteignungsgeseßes vollkommen ausgeschlossen ist, Der Schwecpunkt der ganzen Sache wird in der Königlichen Kabinett® order liegen, durch welche die Enteignung zugelassen werden foll. G muß eine Sicherheit gegen die zu weite Anwendung des Enteignung? rechtes gegeben werden; dazu muß der sachverständige Beirat eint bestimmte Mitwirkung dabei erhalten oder eventuell auch da Recht eines Vetos bekommen. Die Pläne der Ansiedluns® fommission für die Ansiedlung müssen diesem Nertrauensmänntl follegium zunächst vorgelegt werden. Am meisten zur Beruhigung der deutschen Besißer würde es beitragen können, wenn sofort im Geseh selbst das Ansiedlungsgebiet festgelegt werden könnte, für wel : das Enteignungsrecht Anwendung finden soll. Aber ich verkenne die Schwierigkeiten einer solhen geseßlichen Festlegung keinesweg?) wir können hier niht die Ansiedlungspläue im einzelnen prü und feststellen, aber für ein Ma Vorgehen if es l A daß ein bestimmter Plan aufgestellt wird, nah dem é ahren werden \oll, und diese Frage kann in einer Kommis eingehend geprüft werden. Der Preistreiberei im Güterver muß vorgebeugt werden, weil sonst unsere pante Ansiedlungstätigk versagt. Lediglih um eine Parzellierungstätigkeit ausüben zu fön find jeßt vielfach Güter weit über den Preis bezahlt worden. werden die Vorlage nah ihren Bunte eingehend in ei mission prüfen müssen, und wir {lagen eine K iff

98 Mitgliedern vor. Namens meiner Freunde sichere ih zu, d

in der Kommission tüchtig mitarbeiten werden, um a es zur haltung und Sicherung des Deutschtums zu tun.

(Schluß in der Dritten Beilage.)

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so \{onend, wie es die wir uns gestéckt haben, ver-

A

Dritte Beilage

| zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1907.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

s" Abg. Dr. Por s ch (Zentr.): Unsere Stellung gegen Ansiedlungsgeseß von 1886 hat seinerzeit iee U e sprochen vnd ebenso der Freiherr von Schorlemer-Alst. Ich lege Wert darauf, festzustellen, daß wir heute noch denselben Standpunkt wie damals einnehmen, nahdem der Reichskanzler erklärt hat, daß er mehr als je überzeugt fei, daß diese Politik tes Fürsten Bismarck fortgeseßt werden müsse. Wir haben damals {hon die Folgen der Politik, wie sie si heute zeigen, vorausgesagt. Freiherr von Huene hat damals das Gese dahin fcitifiert, daß es nicht ein Gese des Friedens, rae ein Geseh des Kampfes auf Leben und Tit Diese Voraus\agen sind alle eingetroffen. Die Folgen resultieren lediglich aus den Fehlern dieser Gesey ebung selbst. Es ist kein Erfolg, daß die Zurückd: ängung des Deutshtums zum Stillstand ge- kommen ist, sondern das ist nur ein Brosamen. Dafür hat durch die polnishen Ankäufe der deutshe Großgrundbesiß in Posen, West- preußen und Schlesien 100 000 ha verloren, und die Güterpreise sind von 1886 bis jeßt von 586 #4 pro Hektar auf 1383 M. ge- stiegen. Als Fürst Bismarck das erste Ansiedlungsgeseß 1886 vorlegte, befanden fich in Posen im privaten Grundbesitz 1380000 ha, davon in deutshem Besiß 723 000, in polnischem 646 000 ba. In den 25 Jahren vor 1886 hatte sich der pol- nishe Besiy um 195 000 ha vermindert; nachdem die Ansiedlungs- politik eingesezr hatte, verlor das Deutshtum aber wieder wie hon gesagt, 100 000 ha. Da kann man doch nicht die Frage auf- werfen, was aus den Ostmarken geworden wäre ohne die Anfiedlungs- polinik, wenn durch diese Zahlen nachgewiesen ist, daß die Ansiedlungs- politik das Vordringen des Teutshtums zum Stillstand gebracht hat. Und was ist aus den hineingesteckten 350 Millionen geworden ? Bismark hat 1886 gemeint, darum brauche man sich niht zu sorgen, d'e Polen würden das Geld aus ihren Grundstückverkäufen in Galizien, Monaco, Paris anlegen. Auch das is nicht eingetreten, sondern diese Gelder find zur Verdrängung des Deutschtums und zur Kräftigung eines polnischen Mittelstandes in den Städten verwandt worden. Die Anforderungen sind au i: imer gestiegen, jeßt sogar auf einmal 400 Millionen. Als 1898 wieder einmal die MrüUas des Ansiedlungsfonds verlangt wurde, hat der konservative Vertreter eine aggrefsive Tendenz der Ansiedlungspolitik noch nicht zugegeben „expropriiert wird niemand“. Das ist jegt anders geworden. Ein großes Blatt im Osten sagt, die Expropiiationsidee der jeßigen Vor- lage bedeutet die Errettung der preußishen Politik vor einer morali- {hen Niederlage; in einem anderen Blatt wird gesagt, die Regierung habe sih durch die Vorlage einen Weg aus der ackgasse geöffnet. Expropriation wird also als das einzige Mittel angesehen, um aus dieser Sackgafse herau?zukommen. Der Ministerpräsident beruft \i{ch darauf, daß Fürst Bismarck schon 1886 die Expropriation des polnischen Adels in Auésicht- gestellt habe. Aber unser verewigtes Mitglted Windthorst bat danach sofort dagegen protestiert, weil nah der Verfassung jeder Preuße vor dem Geseß glei sei, und diese Maß- regel ein Ausnahmegesey sei, vor der \chließlich kein Staatsbürger mehr sicher sein könne, wenn man se zuließe; wo bleibe da die Rechtsgleichheit in Preußen ! Das Wort Expropriation soll jet zur Wahrheit werden, es soll, wie Fürst Bülow sagte, ein Kampf um den Boden werden. Nach „der Verfässung ist das Eigentum unverleglich und fann nur aus Gründen des dffenilihen Wohls gegen Entschädigung nah Maßgabe des Ges seßes entzogen werden. Der erste Grundsaß ist also die Unverletlich- feit des Gigentums, und es müssen besondere Gründe vorliegen, wenn es verleßt werden sol. Man fagt jeßt, der Begriff des öffentlihen Wohls lasse {ch niht genau definieren. Der frühere nationallibera!e Abg. Bergaer-Witten beschwerte sh s{chon 1882 über die laxe Auslegung des Expropriationsgeseßes namentli durch die Eisenbahnverwaltung; seine damaligen Austührungen fallen einem wieder ein, wenn man die Auslegung des öffentlihen Wohls in dieser Vorlage sieht. Unter „öffentlihem Wohl“ bei Expropriationen hat man bisher die bloße Staatsraison niht verstanden. Es handelte h vielmehr immer darum, daß ein Grundstü für einen bestimmten Zweck im allgemeinen Interesse gebraucht wurde und seinen landwirtschaftlichen Zwecken deshalb entzogen werden mußte, und das geschah immer ohne Rücksicht auf die Person des Grundbesitzers. Jeßt will man das Grundstück selbst eo landwirtschaftlihen Zwecken er- halten, niht mehr das Objekt, sondern die Person des Grundbesitzers rone, und das halte ich nach der Verfassung nicht für zulässig. ad das Gesetz richtet sih niht einmal gegen bôswillige Leute, sondern man wird au die ruhigen Polen damit treffen, fogar einen Mann, der eine soldie Broschüre geshrieben hat, wie fie Fürst Bülow neulich erwähnte. Bisher hat es sich niemals um eine Expropriation eines ganzen Güterkomplexes gehandelt, aber hier will man ganze Gebiete expropriieren. Und bisher konnte der Ex- propriierte in der Nähe sih ein anderes Grundstück kaufen, hier ist das ausgeschlossen, weil die ganzen Provinzen unter dieses Gesetz gestellt werden. Was follen die polnishen Gutsbesißer denn mit dem Gelde der Entschädigung mahen? Sie werden es wohl nicht in Paris und Monaco ausgeben, sondern vielleiht in anderen Provinzen ih Grundstücke kaufen. Es scheint mir shlechte Staatspolitik zu sein, wenn man Leute, die an ihrer Scholle fleben, von der Scholle vertreibt; denn die Leute, die auf der Scholle sigen, sind immer ein konservatives Element im Staatsleben. Man will um die Städte einen Ring von deutshen An- siedlungen legen, um die städtishen deutshen Erwerbszweige zu stärken. Wenn ih die ganzen Folgen übersehe, so widerspricht das Gesetz, wenn niht dem Wortlaute, so doh dem Geiste des Artikels 1V der Verfassung. Schließlich kann man Bergwerke, Warenhäuser, Fabriken usw zum öffentlichen Wohl expropriteren, ja sogar {ließlich auch den Großgrundbesiß! Vielleicht denkt man dann zunächst an den fatholishen Großgrundbesiß. Die erste Duma forderte die Aufteilung des Großgrundbesizes zur Vergebung an die Bauern im Interesse des „öffentlichen Wohles*“. Herr von Zedliß hat mit R.ht eine Reihe von Bedenken gegen die Enteiguung er- hoben ; das bedenklihste liegt darin, daß dur Königliche Verordnung das Gebiet festgelegt weden soll, innerhalb dessen enteignet werden kann. Is} das Gebiet einmal festgestellt, so gibt es keinen Widerspruch mehr dagegen; ein Einspruch ist zwar zugelassen, aber er wird niemals wirksam erhoben werden können. Nun jo ein Beirat zur Begutachtung Was will der ganze Beirat sagen? Er kann weiter nihts. Sie müssen ihm also wenigstens Bei den gespannten nationalen Verhält- Landesteilen ist mir zweifelhaft, wie k diesen Beirat finden soll. Wir aben urs ferner gefragt: welchen weck kann denn ein solcher Geseßentwurf haben? In der Presse ist gesagt worden, nah diesem Geseße werden die Polen boffentl:ch ihren Frieden mit dem preußischen taate machen, und auch der Ministerpräsident hat dieje Hoffnung ausgesprohen. Wir meinen, daß dieses Gesey nicht zum Frieden, sondern erst recht zum Kriege führen wird. Die besonnenen Glemente unter den Polen werden in den Hintergrund gedrängt und zum Schweigen gebracht werden. Der Ministerpräsident meinte, daß auch unsere deutschen Wähler \{ließlich die polnishe Gefahr erkennen würden, namentlich in Oberschlesien. B die obe: hlesishen Ver-

erangezogen werden. gulachili gehört werden, estimmte Befugnisse geben. nissen in den polnischen man objektive Männer für

Berlin, Sonnabend, den 30. November

I E N

da der, Ministerpräsident noch besondere Maßnahmen für \ch{lesien zum Schuße des Deutshtums in Aosibt ctt bel Das t Zentrum hat kürzli einen Parteitag in Gleiwiß in Oberschlesien abgehalten und sich dort scharf über die Polen- vorlage geäußert, ich selbst habe bei dieser Gelegenheit betont, daß sih unsere Stellung zur Polenfrage lediglich nah dem Wahl- programm von 1903 richten wird, daß unsere Politik in keiner Weise von Dankbarkeit geleitet ist. Es ist ganz richtig, daß ein Teil der deutshkatholischen Männer auf Grund der Erfahrungen mit der nationalpolnishen Bewegung geäußert hat, innerhalb der geseßlichen Schranken dieser Bewegung entgegentreten zu wollen, aber ih habe au von diesen Herren noch keinen getroffen, der die Enteignungs- vorlage nur im mindesten gebilligt hätte, sondern diese ist im Gegen- teil als unmöglich auch von diesen Herren erklärt worden. Meine raktionsfreunde sind einmütig zu dem Entshluß gekommen, die orlage abzulehnen, ih will aber der Ueberweisung an eine Kom- mission von 28 Mitgliedern nit widersprehen. Wie ih begann, so \chließe ih mit den Worten, dié" 1886 der Abg. von Huene der dama- ligen Ostmarkenvorlage entgegenhielt, daß der Friede des Vaterlandes ut E O A müsse, und daß wir dem Vater- \ nen glauben, wenn wi v

Dn, d wir gegen eine folche Vor

Justizminister Dr. Beseler:

Meine Herren! Als meine Aufgabe bei der heutigen Verhandlung betrachte ih es ledigli, die Rechtsgrundlagen darzulegen, auf welche die Staatsregierung die Vorlage überhaupt und in ihrer näheren Aus- führung stüßt. Der Herr Abg. von Jazdzewtky hat bereits erwähnt, daß diese Rechtsfragen schon bet den früheren Verhandlungen über das Ansiedlungswesen eingehend erörtert worden sind, und daß er Neues niht hinzuzufügen habe. Das is durchaus zutreffend. Die Geseß- gebung hat sih auf den Gebieten, die in Frage kommen, seitdem nit geändert, und ih habe infolgedefsen auch niht viel Neues vor- ¿utragen. Die jeßige Vorlage hat aber allerdings dadur eine andere Gestalt erhalten, daß die Frage der Enteignung hineingezogen worden ist, und daraus ergibt \ich, daß dieser Teil einer besonderen rehtlihen Prüfung bedurfte.

Der Herr Abgeordnete Porsch hat auf den Artikel 9 der Ver- fassung hingewiesen, und dieser is in der Tat maßgebend für die Regelung des Eateignungswesens. Die ersten Worte, daß das Eigen- tum unverleßlih sei, bedeuten selbstverständlich die feste Regel. Aber derselbe Artikel gibt au gleih eine Ausnahme von der Regel und bestimmt, unter welhen Bedingungen sie eintreten könne. Ob eine Enteignung überhaupt durch ein Gese ins Leben gerufen werden kann, hängt davon ab, daß das öffentliche Wohl dies fordert. Meine Herren, diese Frage liegt nicht auf rechtlichem Gebiete, es ist un- mögli, mit Rehtssäßen zu deduzieren, was öffentliches Wohl sei. Das ift eine Frage wirtshaftlihen und politischen Charakters, und die Faktoren der Gesezgebung werden darüber im vorliegenden Falle zu entsheiden haben. Die Staatsregierung nimmt an, daß das öffent- lihe Wohl die Einräumung der Enteignungsbefugnis fordere. Ich nehme Bezug auf die Denkschrift, auf die eingehenden Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten und auf die heutigen Worte des Herrn Landwirtschaftsministers. Auf dieser Grundláge fußend, hatte \sich die Staatsregierung zu fragen, wie das von ihr für ge- boten erahtete Gesey gestaltet werden müsse. Einen Vorgang hierfür bietet das Enteignungsgeseßp vom Jahre 1874. Die Regierung konnte si aber nicht verhehlen, daß es zweifelhaft sei, ob es angängig sein würde, dieses Geseß ohne weiteres anzuwenden. Zweifel dagegen sind jedenfalls von verschiedenen Seiten nachdrüdcklich geltend gemacht, und es ist nicht zu verkennen, daß jenes Geseg an einen Fall, wie er jeßt vorliegt, nit gedaht hat. Seine Entstehungs- geschichte zeigt, daß man damals vornehmlih die ordnungsmäßige Regelung des öffentlichen Verkehrs beabsichtigt hat, nicht aus\chließ- li, aber in der Hauptsache. Und da schien es angezeigt, jeyt be- stimmt Stellung zu nehmen dabin, daß die Enteignung auf dem Ge- biete, welches gegenwärtig in Frage steht, dur besondere Bestim- mungen zu regeln sei tunlihs| im Anschluß an das geltende Recht, aber mit den dur die Verhältnisse gebotenen Modifikationen.

Ich nehme an, und der Herr Abg. Dr. Porsch hat darauf bereits

hingewiesen, daß die Vorlage einer Kommission zugehen wird, dort wird über ihre Ausgestaltung die nähere Prüfung vorzunehmen sein. Es wird \ich dann darum handeln, festzustellen, ob die Vorschriften des Art. 9 Sat 2 in dem Entwurf vollkommen und sachgemäß berück- sichtigt worden sind, und ob man die richtige Form gefunden hat, um den gesezgeberischen Gedanken klar und sahgemäß durch- zuführen. Fh will nur der Vollständigkeit wegen, obglei die bisherigen Herren Redner auf diese Frage nur beiläufig eingegangen sind, erwähnen, daß bei den früheren Verhandlungen hervorgehoben worden ist, selbst die Reichsgesezgebung stände dem Ansiedlungsunternehmen entgegen und daneben auch die preußishe Verfassung dur die Be- stimmungen thres Art. 4.

Es ift zunächst auf Art. 3 der Reichsverfassung verwiesen worden. Dort is gesagt, daß der Angehörige eines Bundesstaats überall im Deutschen Reihe als ein Inländer behandelt werden muß. In dem jeßigen Entwurf is aber davon gar keine Rede, daß ein Nichtpreuße anders gestellt werden folle wie ein Preuße, und ih glaube, daß deshalb auf diesen Artikel der Reichsverfafsung nicht weiter zurückzukommen sein wird.

Ferner ist auf das Freizügigkeitsgeseß verwiesen worden, wonach jeder Deutshe überall im Deutschen Reihe Wohnung nehmen und Grundeigentum aller Art erwerben darf. Selbstverständlih ift damit nit gesagt, daß er das Recht habe, jedes Eigentum zu erwerben, welches er wünscht, sondern nur das Eigentum, welches für thn er- werbbar ist, jedenfalls also nicht das Eigentum, auf dessen Erwerb ein anderer ein besseres Ret hat. Also aus dem Freizügigkeits« gesetz ist hinsichtlih des vorliegenden Gegenstandes gar nichts zu folgern, Großer Nachdruck is auf Art. 4 der preußischen Verfafsung gelegt worden :

Alle P:eußen sind vor dem Gesehe gleich. Standesvorrechte

bilinisse will ich nach den früheren Debatten darüber heute nicht ngeten, und wir werden uns später noch darüber unterhalten,

Nach der ge\{chihchtlichen Entwicklung dieses Artikels ist es aber ganz unzweifelhaft, daß die Absicht der Bestimmung gewesen ist, alle politischen Standesvorrehte aufzuheben. Es sollte verordnet werden, daß die Vorrechte, welche gewisse Stände oder einzelne ihrer Mit- glieder im Staate hatten, aufgehoben und ausgeschlossen seten. Das ist der Sinn; das ergibt sich aus den Vorgängen, die zu dieser Bes stimmung geführt haben, welhe im wesentlihen nihts anderes enthält als dasjenige, was hon durch das KRulturcdikt von 1807 für Preußen festgestellt worden war. Die belgishe Verfassung, deren Wortlaut denen des Artikel 4 entspricht, wird in der Theorie ebenso aufgefaßt. Da es nun aber heißt: „alle Preußen sind vor dem Gesetze gleih“, und da dies in einem besonderen Say ausgesprochen ist, so liegt nahe, daß man au nah einem besonderen Sinn dieses besonderen Saßes fragt. Und der, meine Herren, kann das nah der Auffafsung, die sich darüber gebildet hat, nur der sein, daß preußishe Gesege gegen jeden Preußen gleihmäßig gelten sollen, sofern er überhaupt von ihnen be- troffen wird. (Sehr rihtig!) Es kann also ein Geseß, wenn es An- wendung findet, nur gegen jeden gleich angewendet werden, sei er hoh oder niedrig, arm oder reich. Freilih ist es niht ausgeshlofsen, daß ein Gesezß und au bei dem jeßt zu erlassenden wird dies zu- treffen vornehmlih gegen bestimmte Personen wirkt. Das liegt in den tatsählihen Verhältnissen (Lahen bei den Polen); das läßt E nicht ändern und hat mit dem Rechte der Geseßgebung nichts u tun.

Zum Schluß möchte ich nur noch eins sagen. Es ist au von dem Herrn Abg. Porsh darauf hingewiesen E daß A ad liegende Gese gegen den Geist der Verfaffung verstoße. Gegen die Artikel, wie wir sie haben, nach ihrem Wortlaute und Sinne kann es nicht verstoßen; es soll aber doch gegen den Geist der Verfassung sein. Die Regel, man solle ein Geseß nah seinem Geist auslegen ist meines Wissens zuerst bei dem ersten Entwurfe des Bürgerlithen Geseßbuhs aufgestellt worden. Es kann damit aber nichts Anderes gemeint sein, als daß in allen den Fällen, wo nicht bestimmte Vor- schriften für den einzelnen Fall im Gese gegeben sind, weil dieser Fall eben nit vorgesehen worden ist, oder weil sich die Verhältnisse geändert haben und das Gesetz fortgebildet werden muß, eine finn- gemäße Auslegung auf Grund der Ansicht eintreten soll, die si über das Gesey im allgemeinen gebildet hat. Eine derartige Auslegung einer Verfafsungsurkunde wird aber stets nur mit der größten Vorsicht zu machen sein und immer großen Zweifeln Raum lassen, denn eine Verfassung wird auf die vershiedenste Weise ausgelegt je E M Standpunkt, welhen der Einzelne im öffentlichen Leben einnimmt.

SIch möchte nur noh das Eine hervorheben : diejenigen, welche dur die Störung des Friedens in den zweisprahigen Provinzen vers anlaßt haben, daß der vorliegende Entwurf des Geseßes eingebraht werden mußte, haben es zu verantworten, wenn es in den Fällen, in denen es angewendet wird, empfindlih trifft. Aber sie gerade werden

sich nah meiner Ansicht do auf die preußishe V nit berufen können. (Sehr richtig!) reußishe Verfaffung sicherlih

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Regierung verdient di - erkennung, daß fie der Tendenz der Mehrheit bas Hauses cet i daß planmäßig die Ansiedlungspolitik fortgeseßt werden foll. Wir sind nun bereit, der Regierung die Mittel dafür zu bewilligen. Ueber die Mittel, welhe die Vorlage dazu vorschlägt, kann man verschiedener Meinung fein. Meine Freunde haben stets in den Vordergrund gestellt die Sicherstellung unseres Staates. Wir können die deutshen Ansiedlungen îin den polnischen Landes- teilen niht entbehren. Wenn wir die Lage unserer Hauptstadt ansehen, so müssen wir daran denken, daß wir mit allen militärishen Kräften die Ostmarken festhalten müssen. Niemand in diesem Hause wird bedauern, daß wir einen Teil der polnischen Landesteile nicht mehr haben; was wir noch davon haben genügt uns, und wir wollen uns nicht an weiterem polnischen Besitz bereichern. Aber die großpolrischen Bestrebungen find eine Gefahr für unser Vaterland. Im Rücken Volkselemente zu haben, die im geeigneten Moment \sich gegen uns wenden, das ist eine unerträglihe Lage. Daß von polnisher Seite diese Gefahr geleugnet wird, ift erklärlich, und wenn man auf die friedlihen polnishen Bauern verweist, so geben doch im entscheidenden Moment immer die re- volutionären Elemente den Ausshlag. Die Polen sehen natürli die Dinge anders an, als wir, aber bedauerlich ift es, wenn au deutshe Männer die pot Gefahr nur als ein Gespenst an- sehen. Wenn ein großer Mann, dessen Patriotismus ih nicht be- zweifle, es Feigheit nennt, daß wir uns vor 4 Millionen Polen fürchten, so hat, wer so oberflählih die Sache ansieht, jede politische Autorität verloren. Oberschlesien ist durch mehrhundertjährige Ent- wicklung von dem alten polnischen Reich vollkommen getrennt gewesen, und doch hat auvch dort eine großpolnishe Bewegung eingeseßt. Pflicht der Regierung und des deutshen Volkes im S uteretta der A ist es, dieses Land mit deutschen Elementen zu durh- seßen, um ein starkes Senger gegen die revolutionären Elemente zu haben, deren nationale Aspirationen ihre Sive gegen das deutsche Vaterland rihten. Herr Porsch sagt, vor der nsiedlungêpolitik von 1886 sei mehr polnishes Land in deutsche Hände übergegangen als umgekehrt ; entscheidend ift aber niht das Land, sondern die Menschen, und wenn die Ansiedlungspolitik {hon 100 000 Deutshe mehr in diese Provinzen gebracht hat, so ist das ein glänzendes politishes und kulturelles Resultat. Deshalb muß die Ansiedlungspolitik mit allen Kräften fortgeseßt werden. Wir bedauern, daß die An- fiedlungspolitik auf einem toten Punkt an elangt ist, die ents gegentchenten Hindernisse müssen aber aus dem We e geräumt werden. e polnischen Kampfesorganisationen, Genossenschaften, Bauernvereine usw. wenden alle Mittel zur Festhaltung des polnischen Besißes an, und vielfa ist der deutsche Besiy dur polnischen eingeschnürt. Jch bin nicht so einseitig, den Polen dies zu verargen, aber wenn dier so große Töne über Ungerechtigkeit anschlagen, so müssen sie sih doch die Konsequenzen gefallen lassen, wenn wir nicht die Besiegten e wollen, sondern unsere Maßregeln troy ihres Widerspruchs durh- eßen. Da unsere Ansiedlungstätigkeit nun aber auf einem toten Punkt angelangt ist, find weitere Mittel erforderliGh Die Ent- eignung wird ein wirksames Mittel sein, um die Hemmnisse der Ansiedlungspolitik zu beseitigen. Jedoch müssen wir dieje Frage in der Kommission eingehend prüfen, ehe wir den Vorschlägen der N ierung zustimmen. Eine gewisse Härte ist mit der Enteignung verbunden, die die eingesessene Bevölkerung von der Scholle vertreibt. Aber die t und auch Herr Pes übertreiben die Sache maßlos. Jn der

finden nicht statt.

eshihte ift es kein uner hôörter Vorgang, da für die Kolonisation expropriiert wird. Im Musterland Crgland e in Zukunft ia