Ich fand aber auch Fälle, wo ih ein weit strengerer Richter ge- wesen wäre. Das waren NRoheits- und Sittlichleitsverbrehen (leb- hafte allseitige Zustimmung), Kinder- und Frauenmißhandlungen (Bravo! rechts und links), Tierquälereien (erneute Zustimmung), Mißbrauch der Gewalt über abhängige Personen (sehr richtig!), Er- prefsungen und sonstige Frevel aus niedrigsten Motiven wie Hab- suht, Nachsucht oder gemeiner Bosheit. ;
In Uebereinstimmung mit dem Volksgefühl betrachte ih es auch als in hohem Grade verderblich und anstößig, im wahren Sinne unsittliß, wenn im Gerichts\saale ohne zwingende Not Fragen vor- gelegt werden, die in das Privatleben, in das Seelenleben des An- geklagten oder Zeugen eingreifen (allseitige lebhafte Zustimmung), wenn Fragen gestellt werden, deren Beantwortung für den Beteiligten s{chmerzlich oder peinlich sein muß. (Sehr richtig!) Das ist ein häßliher Nest aus den Zeiten unfreier Rechts- pflege, das ist eine Tortur — mit Recht hat eben der Abge- ordnete Wiemer davon gesprohen, daß der Gerichtssaal nicht eine Folterkammer werden darf —, das ist eine Tortur, die ärger sein kann als diejenige, die abgeschafft zu haben die Neuzeit mit Recht sich rühmt. (Allseitiges Sehr richtig!) Jst namentlich bei öffentlihen Herabwürdigungen von Personen wegen unglücklicher Umstände ihres Privatlebens der Napoleonishe Grundsaß: „la vie privée doit être murée“ — um das Privatleben muß \ich eine Mauer ziehen — (lebhaftes Sehr richtig), nicht im leyten Ende gerechter als die Zulassung des Wahrheitsbeweises? (Sehr ricktig ! rets, in der Mitte und links.)
Gehen wir, meine Herren, diesen Erscheinungen tiefer nah, fo ftoßen wir, wie so oft in Deutschland, auf die Ueberspannung eines Prinzips, eines an und für sich s{chönen und rihtigen Prinzips, nämlich auf die Ueberspannung des Prinzips Oeffentlichkeit. Erst kürzlich las ih irgendwo, die Oeffentlichkeit sei gewiß ein heilsamer Kultur- faktor, sie sei aber auh eine größere Macht geworden als Parlament, Fürsten und Obrigkeit. „Die Oeffentlichkeit“ — hieß es da — „kann verwunden, sie kann vergiften, ja fie kann töten.“ Wie viel Leid ist über einzelne, wie viel Jammer und Not über ganze Familien ge- kommen, die aus Furt vor Skandal sich niht an die Gerichte wenden und deshalb Erprefsern oder einer Presse in die Hände fallen, die vom Skandal lebt! (Sehr richtig! auf allen Seiten.) Namentlich in den Großftädten ist neuerdings eine Schmuyßpresse emporgekommen (lebhaftes Sehr richtig !), die vom Skandal lebt, und deren Verfasser Ah ohne jede fittlihe Berechtigung gleihfalls als Vertreter der Großmacht Oeffentlichkeit aufspielen. (Sehr richtig!) Gewiß mat fch gegen solhe Auswüchse in der übrigen Presse, die soztal- demokratische nicht ausgeshlofssen — ich finde die sozialdemokratische Prefse darin gerade so anständig wie die bürgerliche (sehr richtig ! links) — eine ehrenwerte Reaktion geltend. Es fragt sich aber, ob niht auch ein besserer geseßliher Schuß des Privatlebens und der persönlichen Ehre notwendig ist (sehr richtig !), ein Schuß, dem s\ich gerade dfiejenigen nicht versagen follten, die, wie der Herr Vorredner, das Duell verwerfen. (Sehr rihtig! rechts.) Und wenn oft rühmend hervorgehoben wird, daß es dem englischen Volke gelungen sei, das Duell aus seinen Sitten auszu- scheiden, so möge dabei niht übersehen werden, daß Verleumdungen
und Ghrabschneidereien nirgends prompter und \trenger bestraft werden als gerade in England. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationallib.)
Meine Herren, das sind Betrachtungen eines einfahen Laien, Beobachtungen, von denen ih aber glaube, daß jeder billig und natürli empfindende Mensch sie mit mir teilen wird. (Sehr richtig !) Als Reichskanzler habe ich dafür Sorge getragen, daß diese Gedanken von ‘der Justizverwaltung gründlih geprüft werden, und daß namentli festgesteli wird, ob der Fehler nur an der Anwendung des Gesetzes Liegt oder im Gesege selbft. Jch habe au dafür Sorge getragen, daß die von verschiedenen der Herren Vorredner gewünshte Be- schleunigung der Vorarbeiten für die Reform des Strafrechts und des Strafprozesses eintritt. Es wird sich hieran {ließen müssen eine grundlegende Reform des Strafvollzuges, in erster Linié ‘ eine anderweite Festsezung für die Vollziehung der Strafe an jugendlichen Personen. (Sehr gut! links.) Gerade hier wird, vtel- leiht nah amerikanischem Vorbild, das Besserungs\system mehr aus- gebildet werden müssen. Es ersheint mir dringend nötig, einen jugendlichen Verbrecher nicht durch unangemessene Strafen zum ge- wohnheitsmäßigen Verbreher auszubilden (sehr richtig !), sondern zu R S auf einen besseren Weg zu führen.
er Ihnen alsbald zugehende Entwurf, betreffend A des Gerichtsyerfassungsgeseßes, bezweckt in erster Ca das Berfubent vor den Amtsgerihten zu vereinfahen und zu beschleunigen und die fahliche Zuftändigkeit der Amtsgerichte zu erweitern.
Nachdem das preußische Staatsministerium bereits im März d. I. zu den grundlegenden Fragen der Strafprozeßreform Stellung genommen hat, find vom Reichsjuftizamte mehrere Vorschläge für die Gestaltung des Prozeßverfahrens den Justizverwaltungen der größeren Bundes- staaten mitgeteilt und mit Vertretern dieser Staaten mündlich be- sprochen worden. Auf Grund dieser Besprehungen wird im NReichs- justizamt der Entwurf zu einer neuen Prozeßordnung aufgestellt, dessen Vollendung noch in diesem Jahre zu erwarten ift. Dann wird das Staatsministerium und später der Bundesrat zu der Reform — es handelt sih um ein Werk von mehr als 500 Paragraphen — Stellung nehmen. Auch die Arbeiten zur Reform des Strafrehts sind im Gange. Ich habe keine Gelegenheit versäumt, um auch meinerseits für eine Beschleunigung zu sorgen. Hier bietet fih ein weites Feld, auf dem die Vertreter aller Parteien ohne Unterschied der Fraktionen zusammenwirken können.
Was die den Mehrheitsparteien gestellten Aufgaben betrifft, fo erfordern dieselben gewiß auf beiden Seiten einen gewissen Grad von Gntsagung. Solche Entsagung hat aber jede Partei zu üben, die praktische Politik niht allein, sondern in Verbindung mit anderen zu betreiben hat. Die Blockpolitik verlangt von thren Teilnehmern Rückficht und Vertrauen, fie verlangt — ih wiederhole dies — keine beiderseitige Aufgabe von Prinzipien. Die Blockpolitik verlangt auf der einen Seite den Verzicht auf etwaige reaktionäre Anwandlungen, die mit konservativen Prinzipien nihts zu tun haben. Ste verlangt auf der anderen Seite das Abkappen jener Blüten des Asphalts- liberalismus, die in Strahlen der sozialdemokratishen Sonne ge- deihen (Heiterkeit), in dieser ungesunden Hitze aber bald verdorren. In der einen wie in der anderen Richtung bin ich ohne Sorge. Ich glaube, daß solhe Velleitäten gegenüber den praktischen Aufgaben des Tages nicht standhalten werden, es sei denn, daß alle Lehren der Geschichte
heiten wiederholen müssen, die die Väter begangèn haben. (Heiterkeit) Jch will Ihnen die Geschichte unserer eigenen Parteien niht vorführen. Sie kennen sie mindestens ebenso gut wie ich und haben die Beispiele bei der Hand. Aber blicken Sie über die Grenze nah Oesterreich, so sehen Sie, wohin eine große Partei kommen kann, wenn fie der uns Deutschen nun einmal innewohnenden Neigung zu Eigenbrödelei, zu Kritik und Rechthaberei zu sehr nahgibt, wenn sie versäumt, den reten Augenblick beim Schopfe zu ergreifen. Die traurige Geschichte jener von edelsinnigen Führern geleiteten und von einem hohen idealistishen Shwunge getragenen Partei der Deutschliberalen in Desterreih, der „Herbstzeitlosen“, wie Fürst Bismark sie mit grausamem Sypotte nannte, sollte jedem deutschen Liberalen als warnendes Beispiel vor Augen stehen. Ebenso beredt zeigt die Geschichte konservativer Parteien, namentlich in romanischen und slawishen Ländern, wohin konservative Fraktionen gelangen, die si den Forderungen der Zeit verschließen. Und in diesem Zusammenhange sei es mir gestattet, eine persönlihe Reminiszenz zu erwähnen. Fürst Bismarck sagte mir einmal’ in einem Gespräch über die konservative Partei, und indem er dem Wunsche Ausdruck gab, daß der Einfluß dieser Partei auf unsere Gesetzgebung ein kräftiger bleiben möge, das geniale Wort: Agrarisch müssen die Konservativen bleiben, den tellurischen Zug, so drückte sich Fürst Bismarck aus, dürfen die Konservativen nicht aufgeben; im übrigen müssen die Konservativen recht modern sein und weitherzig, wie fie es in England gewesen find, zum. eigenen Nußen und zum Nuten des Landes.
j Ich glaube, meine Herren, daß man auf beiden Seiten auch den eigenen Interessen dient, wenn der Parteiegoismus gezügelt wird. Die Bahn ist fri! Was von meiner Seite- geschehen konnte, um die Bahn frei zu machen, ift geschehen. ‘Ich glaube, daß selbst in Deutshland, wo man im all- gemeinen gewöhnt ist, alle Schuld auf die Regierung zu schieben und oft in beinahe naiver Weise alles von oben zu erwarten, do bei allen verständigen Leuten darüber Uebereinstimmung herrshen wird, daß die Regierung diesmal das Ihrige getan hat, damit mit dem Block regiert werden kann. Jeßt ist es an den Parteien, zu zeigen, was sie können. Wenn die Parteien verständig sind, wenn sie verträglich find; wenn sie, statt Sonderwege einzuschlagen, die in den Sumpf fübren, zum Ganzen streben, so wird uns in Deutschland eine Zeit rubiger Entwicklung und fruchtbarer Arbeit bevorstehen.
Gegenüber dem Spott, der vielfah an dem Worte von der kfonservativ-liberalen Paarung geübt worden ift, aber m8chte ih Fhnen ¿um Schluß ein Erlebnis erzählen, das zu den tiefften und dauerndsten Eindrücken meines Lebens gehört. Als ich im Sterbezimmer des Fürsten Bismarck stand, diesem einfahen und s{chmucklosen Zimmer im Sachsenwalde, fiel mein Blick auf ein Bild, das einzige Bild das an der Wand hing. Es war ein Holzschnitt, es war das Bild von Ludwig Uhland: der Sänger des alten guten Rechts, der Mann der in der Frankfurter Paulskirche gesagt hatte: es wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem reihlihen Tropfen demokratishen Dels gesalbt ist, haute hinüber nach dem Lager, wo der große Mann der Tat verschieden war, der dem deutshen Volke den Traum der Jahrhunderte erfüllt hatte. Die ganze deutsche Geschichte sprach aus diesem Gegenüber, und nur die Verbindung von altpreußisch - konservativer Tatkraft und Zucht mit deutshem weitlherzigem liberalen Geifte kann die Zukunft der Nation zu éttér glücklichen gestalten. (Lebhafter, anhaltender Beifall rechts und links.)
Staatssekretär des Reichsmarineamts, Admiral von Tirpiß:
Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Wiemer über den Admiral von Ahblefeld kann ih nicht unwidersprochen lassen. Herr Dr. Wiemer hatgemeint, daß der Admiral von Ahlefeld sih geweigert habe, sich mit einem Schiffsbaumeister zu duellieren, und infolgedessen genötigt worden sei, seinen Abschied zu fordern. Meine Herren, das ist nicht rihtig. Der Herr Abg. Wiemer hat ferner gesagt, daß ein Ehrenrat zusammengetreten sei, der über das Verhalten des Admirals von Ahlefeld ein Urteil abgegeben hätte. Meine Herren, ein Ehrenrat ist in dieser Angelegenheit überhaupt niht zusammengetreten. Der Herr Abg. Wiemer hat {ließlih ausgesprochen, daß Admiral von Ablefeld infolge dieser Angelegenheit mit 6 Tagen Stubenarrest bestraft worden set. Auch das ift nicht rihtig. Die Ausführungen des Herrn Dr. Wiemer zeigen, daß er über diese Angelegenheit leider nit zutreffend informtert gewesen ift.
: Es ift zutreffend, meine Herren, daß der Admiral von Ahlefeld einen Konflikt mit einem Schiffsbaumeifter gehabt hat. Dieser Kon- flikt ist aber auf gütlihem Wege beigelegt worden. In einer Aller- höchsten Order an den Admiral von Ahlefeld — und ich bin von Seiner Majestät besonders ermächtigt worden, davon Gebrauch zu machen — ist ausgeführt worden :
Aus JIhker Meldung vom 9. Oktober d. J., betreffend den Konflikt zwishen Ihnen und dem Schiffsbaumeifter C., ersehe Jh mit Befriedigung, daß es gelungen ist, diesen Konflikt auf gütlihem Wege beizulegen.
Meine Herren, ich glaube, meinerseits noch hinzufügen zu können, daß es wohl direkt der Einwirkung Seiner Majestät
4 Eintritt der Ru
Vorgänge wird die Regierung geraume Zeit so wie so \{chweige teilt fie dann später etwas mit, so ist der Konflikt U a Sa will niht feststellen, ob wir in Algeciras die Sieger oder Besieaten Mare jedenfalls fühlen wir uns jeßt in unserer Haut wohler als die Franzosen. Wenn es der Regierung gelingt, die Ent- [Na ung für unsere Reichsangehörigen dort und unsere übrigen eutschen ees so vorzubereiten und wahrzunehmen, daß na e die nötigen Garantien vorhanden sind, dann | Q ihr alles gesehen, was man von ihr verlangen kann. In den G nthusiasmus des Kanzlers über die englische Freundschaft kann ih Ls niht ganz einstimmen. Jch glaube, wir find bisweilen dem s uslande gegenüber zuvorkommender als dieses gegen uns. Wir glauben, ab at glänzende und herzlihe Empfang unseres Kaiferpaares in ngland nur die \{huldige o für manches war, was die engee Presse und die englische Regierung uns angetan haben. In realen Fragen entscheidet \{chließlih immer das materielle Interesse. | Jedenfalls follle man nicht die Vorsicht hinter Rosen ver- stecken. Für den bekannten Ueberfall Deutscher in Tirol wird | s - Auswärtige Amt hoffentliß Genugtuung gefordert haben. | ¡benfo wird es wohl den Umtrieben russisher Studenten die ge- | bührende Aufmerksamkeit s{henken. Der Abg. Bebel \prah beinahe | warnend von revolutionären Stimmungen in Berlin. Eigentlich sollte F E doh darüber erfreut sein. Ich glaube, daß diese revolutionäre timmung in der Redaktion des „Vorwärts“ gemaht wird. Im Hause eines Genossen fand \sich ja auch das bekannte Schriften- und Waffenlager. e Konferenz kann uns nicht der Not- | wendigkeit überheben, für unsere Sicherheit zu Lande und zu Waffer | zu sorgen. Deshalb glaube ih nicht, daß es möglih sein ae Í nennenswerte Ersparnisse beim Militäretat zu machen. Mir scheint vielmehr, man is zu sparsam gewesen, namentlich in der Ver- f sorgung von Invaliden von Südwestafrikan. Dem Grafen Zeppelin | gens für seine idealen und auch praktishen Bestrebungen unfer | vollster Dank. Die Forderungen des Flottengeseßes hat der Staatssekretär ausreichend begründet. Wer die Studienreise nah O mitgemacht hat, wird zugeben müssen, daß das in den leßten 0 Jahren verwendete Geld für unsere Flotte gut verwendet worden ist, daß die Ausbildung des Marinepersonals, namentlich die der jungen Offiziere mit ihrer verantwortungsvollen Stellung die größte | Bewunderung verdient. Marinierter aber als der Marineminister | brauchen wir nicht zu sein. Dekorative Forderungen sind vom Uebel. # Der Schaffung eines Kolonialamtes haben wir zugestimmt in der F Zuversicht, daß es in den Kolonien besser werde als bisher; wir haben f keine Ursache, dieses Vertrauen [hon jeßt aufzugeben. Wir betrahten F unser Kolonialwesen nicht als kostspieligen Sport, sondern vom Stand- | punkt der Heimatspolitik. Diese Politik wird auch den Eingeborenen | zugute kommen, sie darf keine Ausbeutungspolitik sein. Wir wollen jo kolonisieren, wie im Mittelalter der Deutshe Orden in Preußen kolonisiert hat. Unsere Kolonialpolitik soll uns unabhängig machen vom Ausland undden wertvollsten Teil der deutshen Auswanderung aufnebmen. Heer, Flotte und Kolonien bilden auch das eigentliche Feld der Block- | politik. Wir wünschen dem nationalen Block eine größere Ausdehnung in der Schaffung der notwendigen Mittel für Heer, Flotte und Kolonien nach .der positiven und im Kampf gegen die Sozialdemokratie nah der negativen Seite. Man darf die nationale Gesinnung natür- lih niht als Handelsartikel verwenden. Meine Partei hat das nie F getan. So optimistisch wie der Kanzler bin ih in ‘bezug | auf die Zukunft des Blocks allerdings niht. Der Block hat eine \hwere Belastungsprobe namentlich in finanzieller Beziehung aus- oer Mit dem Schaßsekretär halten wir die finanzielle age für außerordentlich ernst. Die notwendigen Ausgaben für die befsere Besoldung der Beamten usw. müssen unter allen Umsfländen erfüllt werden. Worin liegt eigentlih unfere Finanz- misere? Darin, daß man das Geld nicht da nimmt, wo es genommen werden müßte. Der Minifter von Rheinbaben hat gestern in M \chafer Weise sih gegen direkte Reichssteuern erklärt. as ift von seinem preußischen Standpunkte aus begreiflih, aber ih meine, was Deutshland nüßt, wird auh Preußen nüßen. Preußen wird sih damit abfinden müssen, daß das Reich finanziell reorganisiert wird. Ohne Opfer für Preußen wird es dabei nicht abgehen. Das eine verstehe ih aber niht, wie der Finanzminister fih gegen die Wehr- | steuer aussprechen konnte. Diese Steuer is vielleiht die einzige F populäre in Deutschland. Von den Steuerplänen der Regierung ißt E e bekannt, daß si: das NRohspiritusmonopol und die Zigarren- D Banderollefteuer vorschlagen will. Ueber die erste läßt ih reden H auch über die Entshädigungöfrage wird man \ich einigen können. Weniger aus\ihtsvoll ift die Zigarrenbanderollesteuer. Die Arbeiter- 2 saft soll doch niht immer bloß Leistungen vom Staat verlangen, | sondern auch das ihr Mögliche tun, um ihn in den Stand zu seyen, 5 diesen Leistungen zu entsprehen. Aber es sind andere Umstände, 5 welhe die Chancen einer solhen Steuer verringern. Der richt e f Zeitpunkt ist verpaßt. Seit Fürst Bismarck mit dem Tobale 4 monopol nicht durhdrang, ist ein so großes Kapital in der Tabak- f industrie investiert, find \o viele Interefsen breiter Massen | des Volkes mit ihr verknüpft worden, daß es sehr shwierig, wo 2 niht unmöglih erscheint, über diese Rücksichten hinweg zu einer | folhen neuen Steuer zu kommen. Will denn nun aber der preußische F Finanzminister lieber die Matrikularbeiträge ins Ungemessene steigern F und die {weren Belastungen der Einzelstaaten beftehen lafsen, 9 da er fih so scharf gegen direkte Steuern aussprah ? Der Reichs- kanzler deutete allerlei an von einem Umfrisieren von Steuern aus direkten 9 in indirekte an. Man brauchte z. B. bloß die großen Vermögen E beim Erbgang stempelpflihtig zu mahen. Die Freisinnigen wollen jeßt für die Vermögenssteuer eintreten. In dieser Beziehung Ÿ haben sie uns im Wahlkampf mit Unreht sehr \{lecht be- 2 handelt; hoffentlich werden fie uns jezt mehr Gerechtigkeit F widerfahren lassen. Im Anschluß an die Tantiemesteuer find Ÿ wir für eine Dividendensteuer. Man brauht nicht an die F 500 0/9 Dividende der internationalen Bohrgesellshaft in Erkelenz F zu denfen, um diese Steuer recht einträglich zu finden. E Gewisse Zweige des privaten Ve1sicherungswesens müßten verstaatlicht A werden; dabet würden für die Allgemeinheit große Vorteile, und nicht À bloß finanzielle, zu erwarten sein. Auch das L Gebiet der Umsatz- * steuern ift noch lange niht genügend ersoeise. Wir wollen nit etwa alle Großbetriebe durh Steuern strafen; es gibt aber eine *
des Kaisers zu danken ift, daß diese Angelegenheit nit zu einem Duell geführt hat. Von einem Duell kann also keine Rede sein. (Zuruf links.) Meine Herren, der Herr Admiral | von Ahlefeld hat geglaubt, seine Stellung zur Disposition erbitten zu ! müssen, weil auf eine Beshwerde über das Verhalten des Admirals von Ahlefeld gegenüber dem Schiffsbaumeister gegen den ersteren entschieden worden ift. Es liegt aber niht der mindeste Grund vor — wie das auh von zuständiger Stelle in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" | erklärt worden ift —- es liegt niht der mindefte Grund vor, daß dem : Admiral von Ahlefeld, einem allgemein hohgeshäßten Offizier, die Stellung zur Disposition niht mit allen Ehren genährt werden sollte. Welches die inneren Gründe und Erwägungen des Admirals von Ahlefeld gewesen sind, welhe ihn zu dem Entschluß gebracht haben, von Seinsr Majestät seine Stellung zur Disposition zu erbitten, das, meine Herren, unterliegt nicht meiner Beurteilung von dieser Stelle aus. | Abg. Liebermann von Sonnenberg (wirth. Vag.):
keine angenehme Aufgabe, nah der Rede des cid anz a B E ein so umfassendes Programm entwickelt war, unvorbereitet zu sprehen. Der erste Redner mahte auf mich den Eindruck des Sünders im Gyangelium, über den mehr Freude ist als über 99 Gerehte. Ich bra je nicht zu betonen, daß wir immer | a ear eundl ch gewesen find. Daß der Reichskanzler uns wieder Weißbücher vorlegen will, ist gar nicht so erfreulich, wie es den
vergebens sind, daß die Söhne immer wieder die Fehler und Dumm-
Anschein hat. Will man etne geseßliche Vorl wird der Inhalt der Weißbücher au danach sein, ‘fieber iges e |
| der Spekulation
Neihe davon, die nur durch ganz brutale Kapitalsmact d E Betriebe unterdrücken, o die renhäuser, ReeR iaavftever solle À stark erhöht werden könnte, oder die Großmühlen. Die Ausfuhr- i ausnahmebestimmungen für Kohle müßten aufgehoben wecden, wäre ; auch bloß die Erhaltung der Bodenshäße im FJnlande die F Folge. Eine E auf Aae Kohlenfelder würde nur , aber vielen anderen nützen. f gieren heißt voraussehen, kommende Bedürfnisse sowob n t Le À Befriedigung derselben. Die Wage steht jeßt für die Reichsregierung : |* Einführung direkter Steuern, daneben Ausbau indirekter, oder Beibehaltung und Steigerung der Matrikularbeiträge ; die Re- err mag wählen! Die angekündigten Blockgeseze hat der * anzler beute empfohlen; das Reichsvereinsgeseßz i er sehr * optimitis@ auf. Es ist gewiß ein Fortschritt, den wir selbft | oft gefordert haben ; aber es find so viele Klippen in dem Entwurfe, an Ton er scheitern könnte, daß ih die Zustimmung meiner Freunde fu chsst nicht in Ausficht stellen kann. Viel klarer für uns | iegt es mit dem Börsengeseßentwurf ; ih sche mih nicht als den ge- gun Piloten an, mi zwischen den Klippen, die dieser birgt, hin- dur zufinden. Was hier angestrebt wird, scheint uns weniger etne Sue ütung von Ausschreitungen der Börse, als ein Anrelz dazu. ane wollen verhindert sehen, daß die Börsenspekulation an der rse ganz unbeteiligte Kreise hineinzieht und ihnen ihr Geld nimmt.
-
(S&hlnß in der Zweiten Beilage.)
zum Deutschen Neichsan
M 286.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Auch die Spekulation in Goldshares möchte ih der Börse entzogen sehen. Was die inweise auf die Funktionen der Börse im Falle eines Krieges betrisst, so brauchen wir, wenn ter Krieg erst da ift, dite Börse niht mehr. Nach den ersten Siegen kommt fie und bietet uns Geld an; find Niederlagen erfolgt, so hungert man si dann durch und hilft fich auch son weiter. Auf sozialpolitishem Gebiet wünschen wir den Befähigungsnachweis au auf weitere Berufsarten ausgedehnt, das Fortbildungs\shulwesen muß au dur das Reich gefördert werden und die Handwerker-Kredit- und Rohbstoffgenossenschasten sollten För- derung durch die Reichsbank erfahren. Eine Reform der Reichsbank an Haupt und Gliedern ist überhaupt unabweisbar. Jhr ist eine große Schuld an der Misere unseres Finanzwesens zuzuschieben. Ein ganz anderes aupt mit ganz anderen Gedanken muß an die Spitze dieses In- stituts treten Wann werden wir das Weingeseß erhalten ? Die hristli-nationalen Gewerkschaften haben ihre Forderungen auf dem Kongreß, den sie im Sommer in Berlin veranstaltet haben, deutlich zum Ausdruck gebracht, fie haben ein erfreuliches Entgegenkommen bei der Staatsregierung gefunden, die au Vertreter zu dem Kongreß entsandt hat. Die Stadt Berlin freilih, in deren Mauern er tagte, scheint Vertreter nur zum Banktertag zu entsenden. Gefreut hat mich die Anerkennung, die der Abg. Bassermann gestern dem christlih- nationalen Arbeiterkongreß zollte. Ich wünschte, seine goldenen Worte würden in allen Kontoren und Fabriken seiner Fraktionsgenossen mit der Unterschrift ausgehängt: „Richtet Euch nah Bassermanns Worten in Guren Taten.“ Wir hoffen, daß das Haus sih gegen den neuen § 63 des Handelsgesezbuches erklärt ; dieser würde die Lage der Handlungsgehilfen nicht verbessern, sondern nur vershle{chtern. Ueber die Worte des Kriegsministers habe ih mi gefreut, wie ein Kind über ein Weihnachtsgeschenk. Wie ein frischer Wind haben seine Aufklärungen die Fäulnisgase hinweggeweht, die übec unserem Volke lagen. Möchten die Worte des Kriegsministers dem shadenfrohen Ausland in die Ohren gellen, das {hon große Hoffnungen auf die angebliche Korruption bei uns geseßt hatte. Auf die widernatürlichen Scheußlichkeiten an sich will ich nicht eingehen. Der Abg. Bebel ver- dammte diese Vorgänge mit Ecnst, aber er hat si anderseits gegen 175 exklärt, und damit sanktionierte er doch gewissermaßen folche Vorkommnisse. Unter einer Bedingung wäre ih auch für die Auf- hebung dieses Paragraphen, wenn nämlih ein anderer geschaffen würde, der Verfehlungen dieser Art mit Verschickung in eine Kolonie bestraft, die în der Südsee läge und von anderen Personen frei wäre. Harden will ih feine Gutgläubig- keit nit bestreiten ; ih will annehmen, daß er das Rechte gewollt hat. Wie es für ihn ausshlagen wird, steht noch dahin, aber warum spriht man denn immer von Harden und nicht von Wittkowski? - Der Name Moltke ist jeyt überall dur den Schmuyh der Gassen gezogen worden. Ich kann nicht begreifen, warum man in Deutschland Jaden nicht mehr bei ihrem richtigen Namen nennen kann. Wenn Harden verurteilt wird, haben vielleiht Witting und MWittkowski nichts damit zu tun. Es ist zweifellos, daß gerade unsere jüdischen Mitbürger eine Vorliebe für die Aenderung ihres Namens hae Das Benehmen des Advokaten Hardens in diesem Prozeß war geradezu unerhört. Es ist ein dringendes Erfordernis, daß die Persôn- lichkeit mehr geshügt wird. Auf starken Persönlichkeiten, bie dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, und dem Volke, was des Volkes ist, beruht die Abwehr gegen den Umsturz, und die möchte fich der Block ganz besonders angelegen sein lassen. /
Abg. Dr. von Skarzynski (Pole) kommt auf die dem preußischen Abgeordnetenhause vorliegende Gnteignunge vorlage zu sprechen und zitiert Aeußerungen des Professors Delbrü, der in den Preußi- hen Jahrbüchern diese neue preußische Aktion gegen die Polen ab- fällig fritisiert habe. Die Rechte, die die Wiener Kongrefakte von 1815 den Polen ausdrüdlih garantiert habe, shienen bom neuen Deutschen Reiche einfah ad acta gelegt worden zu sein, während das Deutsche Reih doh gerade dazu da sei, die N-chte jedes einzelnen seiner Bestandteile zu hüten. Die gewaltsame Gntnationalisierung, die Preußen im Laufe des lezten Menschenalters verübt habe, ohne vom Reich daran gehindert zu werden, hâtte die Früchte einer solhen Politik nit ausbleiben lassen. Die Polen hätten sogar jeßt Oberschlesien , sie früher kein Mandat besaßen , deren fünf erobert. Diese Mißachtung nationaler Rechte durch Preußen müsse natürli auf der \chiefen Ebene immer weiter gehen, #0 sei man denn auch jeßt {on zu dem unrglüdseligen § 7 der neuesten Vorlage gelangt, wo der Bankrott des bisherigen Systems in der Forderung der gewaltsamen Enteignung ausgesprochen liege. Die teueren Erinnerungen an eine tausendjährige Geschichte müßten die Polen hoch halten. In Oesterreich sei ihnen das Recht, ihre Nationalität zu wahren und weiter zu entwickeln, er- halten. In Rußland hätte während der ganzen Zeit der großen Krisis kein Pole auch nur einen Augenblick daran gedacht, und auch fkeine Stimme sei in der Presse laut. geworden, die polnischen Landesteile vom russishen Reiche abzutrennen. Wenn die russishe Regierung dieses loyale Verhalten der Polen durch eine schnöde Absprehung ihrer nationalen Rechte beantworte, so könne man das nur auf fremdländische Einflüsse zurückführen. Zweifellos würde sich der Reichskanzler durh eine wohlwollende Be- handlung der Polen die Sympathien aller Slawen erwerben, und folche Sympathien wären für Deutschland von dem größten Wert. Die preußische Polenpolitik dagegen, _insbefondere die Enteignungs- vorlage, sei dazu geeignet, Rachegefühle in allen Slawen hervor- zurufen, und das sei von der größten Bedeutung für einen künftigen blutigen Zusammenstoß in Europa. Warum sollten beide Nassen ih nicht vertragen? Die preußische Politik sei der auswärtigen Politik gefährlich und im höchsten Grade ungerecht. Der Redner schließt: Wir appellieren an das deutsche Volk: halte es seinen Schild rein und made einen Rassenkampf nicht mit, der ihm selbst niht zum Vorteil
kann. N erau wird um 31/4 Uhr die Fortseßung der General-
debatte des Etats auf Montag 1 Uhr vertagt.
in wo
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 3. Sigzung vom 30. November 1907, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sißung, in der die erste Beratung des Entwurfs eines Gesepes über Maßnahmen zur Stärkung des Deutschtums in den Provinzen West- preußen und Posen fortgeseßt wird, ist in der vorgestrigen
N d. Bl. berichtet worden. Mad D (freis. Vgg.) und Lusensky
( 1) 2 n Ab g. Wolskbisa nl.) erhält das Zor Aia De, vok Dziembowski-Pomian (Pole): Nach dem Ein- eratung kann man sagen: edrücckte Stimmungen jest fich so, als ob sie vor
eine ganz besondere Begründung erwartet. Die Erfolge der Ansiedlungs-
kommission werden übershäßt. durch die Budgetkommission und durch die Minister stattgefunden, aber diese haben doch Parade gehabt. immer die gro vor mehreren
gesprochen hat. | es nun für eine sonderbare Logik, wenn man jeßt, wo nah
würde es eher verstehen, Storchnester in der hält Westfalen vor. Nationalität am meisten betonen, mit Verheißung hoher eines Krieges haben. und anhängliche 1866 war der preußishe Staat in Gefahr. 18. März 1867 Gefühle der Anhänglichkeit auf den Schlachtfeldern betätigt haben wie die deutshen und ihre Treu zum Könige mit ihrem Blute besiegelt
Zweite Beilage zeiger und Königlih Preußi)
Berlin, Montag, den 2. Dezember
Gewiß, es haben Besichtigungen
d
immer bloß den Charakter der Abnahme einer d
Rolle in der Polenpolitik der Regierung hat e Vermehrungsfähigkeit der en gespielt, nachdem ahren Fürst Bülow das Wort von den Kaninchen Damals hieß es: orgo ein scharfes Geseß. E N en ahlen des Ministerpräsidenten der Rückgang des Deutschtums zum tillstand gekommen ist, ein noch \chärferes Geseg fordert? _ wenn man ein Wegschießen sämtlicher Provinz Posen anordnen würde. an Polen immer ihr angeblihes Vordringen nach Fa, sind es nicht gerade Me Deutschen, die ihre welche die Löhne dorthin locken? Für den Fall im Osten eine zuverlässige Bevölkerung Eine sonderbare Politik, wenn man glaubt, eine treue Bevölkerung durch Ausnahmegeseßze zu schaffen. Fürst Bismarck hat am
Eine
den will man
wörtlih gesagt, daß die polnishen Soldaten dieselben
haben. Jett aber sind die Polen eine große Gefahr. — Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Vorlage eine Verfassungsverleßung bedeutet, und der Herr Justizminister hat uns gestern au keine andere Aufklärung geben können. Man muß hier unterscheiden zwischen dem öffentlihen Wohl und dem \staat?politishen Interesse. Auch den Artikel über die Gleichberehtigung aller Staatsbürger hat der íSustiz- minister falsch ausgelegt. Der Minister sagt, dieser Artikel beziehe ih bloß auf die früheren Standesvorrechte, aber der Abg. Cassel hat frühcr einmal aus der Entstehungsgeshite des Artikels 4 \chlagend das Gegenteil nachgewiesen. Sie be- finden sich hier auf dem gefährlihen Wege der Untergrabung der Rechtssicherheit und des Rechtsgefühls. Herr von Tiedemann- Seeheim hat einmal gesagt : wir dürfen uns nicht zurück- \{recken lassen, wenn irgend einer in zu großer Gewissenhaftig- keit sagt, es wider|prehe der Verfassung. Macht geht vor Ret, und es scheint, als ob gewisse autoritative Personen nur noch ein Portiönchen von Gewissen haben. Die Kommission muß ganz gehörig die Rechtsfragen prüfen. Die Vorlage bedeutet Nevolutionen, denn die Expropriation ist der erste Schritt zur Ver- \taatlihung des Grundbefißes, und das ist eine kommunistische Forderung. Die Sozialdemokraten können ih darauf berufen, daß der Staat selbst zur Expropriation geschritten sei. Wir wollen die Gegensäße nicht vershärfen, aber ih muß sagen: die Vorlage ist diktiert von dem Hasse gegen alles, was polnisch ist. Der Haß aber ist unchristlih. WVerwersfen Sie dieses unchristliche Werk!
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat seine Ausführungen damit begonnen, daß die Königliche Staatsregierung ihre Informationen lediglih von Berichten des Ostmarkenvereins bezöge, und daß die Be- sichtigung, die die Vertreter der Staatsregierung im Osten vornehme, lediglich den Charakter einer Parade besäße. Das eine ist so unrichtig wie das andere, und ich glaube, nicht nur die Mitglieder der Staats- regierung, sondern auch die Mitglieder der Budgetkommission gegen den Vorwurf in Schuß nehmen zu müssen, daß ihre mehrtägige Reise in den Ansiedlungsprovinzen ledigli eine Parade gewesen sei. Die Vertreter der Regierung wie die Mitglieder der Budgetkommission haben Hunderte von einzelnen Bauern gesprochen, sie sind milten in die Bevölkerungskreise eingetreten und haben von ihnen ihre Infor- mationen bezogen und nicht lediglih aus Berichten des Ostmarken- vereins. Wenn der Herr Vorredner ferner sagt, wollte man jeßt eine Volksabstimmung in Posen und Westpreußen veranstalten, so würden die Bürger sich dafür aus\prehen, daß sie gern mit ihren polnischen Mitbürgern so gut stehen möchten wie früher; so zweifle ih gar niht, daß auf deutsher Seite der Wunsch besteht, mit den polnischen Mitbürgern so gut zu stehen, wie das früher der Fall war. Wenn das nicht möglich ist, so liegt die Schuld ledigli auf polnisher Seite, die ein gutes Einvernehmen mit den Deutschen nicht möglich macht. (Widerspru bei den Polen. Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Ich werde auf diesen Punkt nachher noch näher eingehen. Auf die, ih kann nur \agen, Stherze mit der Kindervermehrung, die der Herr Vorredner gemacht hat, einzugehen, erübrigt \sich für mich. Wenn er aber endlich gar den Fürsten Bismarck als Kron- zeugen für die polnische Sache aufgerufen hat, so ift das ein etwas starkes Stück. Fürst Bismarck ist es gewesen, der in der Erkenntnis der dringenden staatlichen Notwendigkeit, der Gefährdung der großen nationalen Interessen im Osten, die hier in Frage kamen, mit dem Geseß von 1886 den ersten Schritt getan hat. In den Bahnen des Fürsten Bismarck wandeln wir heute weiter. Dann hat der Herr Vorredner erklärt, daß einzelne autoritative Persönlichkeiten nur noch eine ganz geringe Portion Gewissen hätten, wenn ich ihn richtig verstanden habe (Zuruf bei den Polen: Nechts- gefühl!) — oder Recht3gefühl. Ich überlasse es dem Taktgefühl des Herrn Vorredners, eine Anzahl mit Namen genannter Personen an- zugreifen, die niht in der Lage sind, \ich hier gegen derartige Angriffe zu verteidigen. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Fh halte es für meine Pflicht, die Herren, welche die nationale Seite vertreten, gegen derartige Angriffe in Schuß zu nehmen. Herr von Dziembowski hat gesagt, diese Vorlage wäre lediglih ein erster Schritt und könnte den Anreiz bieten zu jeder kommunistishen Enteignung. Wir haben uns zu diesem Schritt nur entschlossen nach sehr reiflicher Erwägung und in der Erkenntnis, daß uns kein anderer Weg übrig blieb, wenn anders wir niht die wichtigsten, ih möchte sagen, die heiligsten Interessen unserer Nation im Often gefährden wollten. Wie man aus solchen, durch dringende nationale Rücksichten gebotenen Maß- nahmen eine allgemeine kommunistishe Enteignung herleiten will, ist mir in der Tat nicht verständlich. Jedenfalls kann ih erklären, daß die Staatsregierung einem folhen Gedanken nicht im entferntesten
Raum gegeben hat oder wird. Schließlich {loß der Herr Vorredner damit, daß die ganze Vor-
schüßen. pflichtet gehalten, weil mir die Aeußerungen des Herrn Vorredners geboten haben. Nach Auffassung der Staatsregierung handelt es sich einfah darum, ob wir mit vershränkten Armen zusehen wollen, daß alles das, was in hundertjähriger Arbeit an deutscher Kultur im Osten ges polnishen Arbeiter | {hafen ist, dur eine \chlägt, wieder weggewisht werde deutscherseits, auf seiten der preu
nehmen.
ie Staatsregierung dazu kommen \ ie polnishe Bevölkerung zu hegen.
nohmals das Wort zu
slawishe Welle, die
harrlih nit vorwärts, sondern sie tritt Fluß, dessen Quellen versiegt sind; doch
— ich bitte, wieder breit gemacht hat.
in Mecklenburg und bis hinter der Elbe
Korfanty (Pole): Wo steht das?) Bn (Abg. Korfanty (Pole):
Vordringen begriffen der Polen zurückzuweichen sich genötigt sehen nit, wie die beiden Herren diefe Tatsache
lungskommission, troßdem die Ansiedelungsk als 326 000 ha angekauft hat, Hand übergegangen
welcher Hingabe, mit welcher Gewandtheit Deutschen nicht nur auszugleichen, der polnischen Seite zu verwandeln. ganze Uebershuß des deutschen
Im
Hand an die loren, sodaß der Moment
hinter dem pclnischen zurückbleiben wird.
wesentliche Aenderung nach der würde; und einer solhen weiteren beiden Provinzen, einer solchen Aenderung
Seite hinweisen, die — von
Verkehr hinweisen.
des Polentums im Jahre 1890/91 56 9/6, 66 09/0. Also in dieser kurzen einem polnischen Blatte fand ih
polnish gewesen wie gegenwärtig. Dann, meine Herren, wie haben ih die
entwidelt! Im Jahre 1873
keiner Weise in Abrede gestellt werden. Meine Herren,
Staat8gedanken, zur preußischen Meine Herren, gestern am Ende Herr von Jazdzewski eine Art
Seite formuliert würde, er sagte: Wir Polen wollen die Rechte der Weise antasten, wir verlangen aber,
drue Ier Mo n ler Vorládé
: er Vorla
übera e Begründung L H um einen Eingriff in das hätte man doch
90 Jahren gemaht wäre. Hier, wo es si Pridateigentum; die Grundlage des Staates handelt,
lage vom Gefühl des Hasses gegen die Polen diktiert sei. (Sehr
respekiert werden.
Namen nennen!) Gdanska*, einem in einer deutshen Stadt (Danzig) erscheinenden polnishen Blatte — damit Sie es ganz genau wissen.
Nun hat Herr von Jazdzewski wie Herr von Dziembowski die Behauptung des Herrn Reichskanzlers bestritten, daß die Polen im seien und die Deutschen vor dem Vordringen
Tätigkeit der Ansiedlungskommission nicht dazwischengetreten, der Verlust der deutschen Hand schon jeßt ein so großer gewesen, der Charaktor der Provinzen Posen und Westpreußen \{on jet eine polnishen Seite erfahren haben Aenderung des Charakters dieser
hen Staatsanzeiger.
1907.
richtig! bei den Polen.) Ich muß die Staatsregierung gegen einen \olchen Vorwurf durchaus in Schuß
Ich wüßte nicht, wie
ollte, Gefühle des Hafses gegen Wenn fie die Vorlage gema@t hat, so hat sie das getan, um die wichtigsten Interessen im Osten zu Bei der Wichtigkeit dieser Sache habe ih mich für ver-
nehmen, nit eigentli, einen direkten Anlaß
von Osten nach Westen
n foll (Lachen bei den Polen), ob wir Fischen Staatsregierung uns in dieser Beziehung auf die Seite des gefährdeten Deutshtums stellen wollen oder niht. Sie lachen, und doch wird das von Ihren Blättern ganz ofen zugestanden, daß in der Tat jeßt eine l hereinbriht, nicht nur nach Posen und Westpreußen,
nah den angrenzenden urdeutshen Bezirken : Gegenwärtig \{reitet diese germanishe Ho&flut nicht nur be-
awische Welle vom Osten sondern auch
sogar zurück, wie ein umgekeht überschwemmt
jeßt die \lawishe Hochflut die Länder, wo sich auf den Gräbern des früheren Slaventums eine fremde Kultur
das Wort fremd zu unterstreichen —
Auf diese Weise muß nah unserer Meinung die Erscheinung gedeutet werden, daß in den heutigen preußishen Provinzen Brandenburg, Sachsen, Pommern und ferner
die polnishe Hand den
Boden bearbeitet, dessen nomineller Herr der Deutsche ist. Ich bitte wiederum, auf das Wort „nominell“ zu achten. (Abg.
einem polnishen Blatt. In der „Gazeta
. Meine Herren, ih weiß haben bestreiten können.
Es steht doch unzweifelhaft fest, daß troß der Tätigkeit der Ansiede-
ommission nicht weniger
noch 100 000 ha mehr in polnische find. Das bedeutet einen Verlust von nicht weniger als 18 Quadratmeilen. In dem Bude, defsen mehrfach Erwähnung geschehen ist, des Professor Bernhard ist ja eingehend dargelegt, mit
Dutende von polnischen
Ansiedelungsgesellshaften an der Arbeit sind, um jeden Vorsprung der sondern wiederum in einen Gewinn
Fahre 1906 betruç der
Großgrundbesißes gegenüber dem
polnishen nur noch 19 000 ha und im Zahre 1907 hat die deutsche polnis@he abermals niht weniger als 13 000 ha ver- ganz nahe ist, wo der deutshe Besiß den polnischen nicht mehr überragen, sondern der deutsche Großgrundbesißz
Meine Herren, wäre die so wäre
daß
der Grundbesißverteilung
entgegenzutreten, halten wir für eine dringende staatliche Aufgabe.
Der Herr Abg. von Jazdzewski sagte : die Erwerbsfähigkeit der Polen unterbunden worden. hier darf ih doch abermals nur auf die Zeugnisse von der polnischen ihrem Standpunkt ganz mit Recht — auf die Fortschritte des Polentums in Handel und Gewerbe, im städtischen Jh darf darauf hinweisen, der Stadt Posen im Jahre 1890 die Polen nur 50,8 9/0 der Be- völkerung ausmächten, daß dagegen ihr Anteil auf 57 °/6 gestiegen und der der Deutschen von 49 9/6 auf 42,7 °/o gesunken ist. Volks\hulen der Stadt Posen betrug das
auch in den Städten sei Meine Herren,
daß beispiel8weise in
Und in den
zahlenmäßige Ueberwiegen im Jahre 1903/04 aber
Zeit eine Zunahme von 10 9%! Und in die Bemerkung : Was Posen betrifft, \o ist es selbs in polnischer Zeit nicht so
polnischen Genossenschaften
hatten wir 43 polnische Genossenschaften, im Jahre 1906 175, und während die Spareinlagen im Jahre 1873
9 Millionen betrugen, sind sie im Jahre 1906 auf stiegen. — Also das Vordringen des Polentums kann,
107 Millionen ge- glaube ich, in
kein Mens würde sich über dieses Etstarken auf der polnischen Seite beschweren, au von der deutschen Seite nit, wenn dieses Erstarken der wirts{aftlihen Seite bei den Polen mit einem Einlenken in unsere inneren preußischen Verhältnisse Hand in Hand ginge mit einem offfnen freudigen Bekenntnis zum preußischen Staatsidee. seiner Ausführungen hat {ließli Glaubensbekenntnis abgegeben. Ih war sehr begierig, wohin das Glaubensbekenntnis von polnischer
(Sehr richtig! rets.)
deutshen Nation in keiner daß auch unsere Rechte