1865 / 232 p. 4 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Türkei. Aus Konstantinopel, 27. September, wird der »France« telegraphirt: »Die Pforte beschäftigt sich jeyt sehr ange- legentlih mit der Frage der Vakuf-Säcularisation (Fuad Pascha hat ganz bestimmte Anträge gestellt). Daud Pascha is im Begriffe, nach dem Libanon auf seinen Posten zurüzukebren.«

Nach der neuesten Levantepost darf in Konstantinopel der

niedergebrannte Stadttheil nicht mebr aus Holz, sondern muß aus

Stein aufgeführt werden. Die Sanitäts - Kommission wurde

aufgelöst. Eine neue Gesellschaft für Schleppschiffe im Bosporus |

at sich gebildet.

Î S etbitt Regierung will von Belgrad aus quer durchs Land südwärts das Morawathal hinauf eine Eisenbahn bis Alexinacz (unweit der türkischen Festung Nissa) anlegen. Bevor sie aber die Konzession dazu der englishen Compagnie, die si gemeldet, ertheilt, will sie die Ansicht eines Ingenieurs hören, den sie si, wie der »Moniteur« meldet, von der französischen Regierung erbeten hat. Die Bahn scheint dem »Moniteur« sehr wichtig zu sein, nicht nur

für Serbien selbs, sondern auch als Mittelglied für einen direkten |

Schienenweg zwischen Wien und Konstantinopel. :

Bucharest, 22. September. Der heutige »Monitorul« ver- öffentlicht die Konzession zu einer neuen Eisenbahn von Bucharest nach Giurgewo, welche Fürst Kusa der Gesellschaft Staniforth und Barclay verliehen hat. Die französische Regterung hat dem Fürsten Kusa eine Note zugehen lassen, welche die Einführung des Tabak- monopols als für die Regierung des Fürsten gefährlich und un- zwecmäßig darstellt. Wahrscheinlich wird der Fürst die Rathschläge befolgen und das Tabakmonopol wieder aufheben.

Nusland und Polen. St. Petersburg, 30. Septem- ber. Ueber den Unterricht im Russischen in den Ostseepro- vinzen bringt die »Russ. St. Petersb. Ztg.- nachfolgenden Artikel:

In den Ostseeprovinzen ist das Deutsche die offizielle Sprache, in welcher auch in den dortigen Schulen unterrichtet wird, und das Russische hat als eine neue Sprache für die baltischen Gymnasien dieselbe Bedeutung, welche das Deutsche und Französische für die russischen Gymnasien hat. Da aber das Russische zugleich die vaterländische Sprache ist, muß es natürlich eine höhere Bedeutung in den baltischen Gymnasien haben , als das Französische und Deutsche in den rusfischen. Und so ist es. Nach dem Schulreglement vom 19. November 41864 haben alle sieben Klassen der russischen Gymnasien 19 Lectionen wöchentlih, und da jede Lection 17 Stunde dauert, macht dies 25 Stunden wöchentlih. Jn den baltischen Gymnasien, die nuninehr auch 7 Klassen haben, sind dem Russischen 35 Stunden wöchentlich zuge- wiesen, so daß auf jede Klasse 5 Stunden kommen. Es is dies ein großer Unterschied! Schon beim Eintritt in die unterste Klasse muß der Zögling das Russische geläufig lesen und ohne zu grobe Fehler nach Diktat schreiben fönnen und eine Zahl Wörter und Redensarten kennen. In der d. (nach russi- scher Art, die Klassen zu benennen, in der 3.) wird bereits der ganze ety- mologische Theil der russischen Grammatik beschlossen, in der 3, 2. und 1. außer der Syntax auch noch die russishe Geschichte russish vorgetragen, und in der 1. Klasse kommt dazu noch ein Abriß der russischen Literatur- geschichte. Bei einer guten Methode des Vortrags kommen die Schüler der beiden obersten Klassen dahin, daß sie mit Leichtigkeit russische Bücher lesen fönnen, und um das Lesen dieser Bücher zu erleichtern, ist bei jedem Gym: nasium eine russische Bibliothek eingerichtet. Bei der Abiturienten-Prüfung muß der Examinand einen Aufsaß in russischer Sprache ohne alle Hilfsmittel schreiben Eine weitere Ausdehnung des Unterrichts im Russi schen in den baltischen Gymnasien würde nicht nur keinen Nugyzen bringen, sondern nur schaden , weil sie die anderen Unterrichtsgegenstände beeinträch- tigen müßte. Wenn aber für das Gedeihen des Studiums der russischen Sprache etwas geschehen müßte, so bestände dies darin, daß man russischer- seits für die Ausbildung guter russischer Lehrer Sorge trüge. Wie groß der Mangel an guten Lehrern des Russischen in_ den Osiseeprovinzen ist, geht daraus hervor, daß die Lokal - Schul- behörde solche Personen als Ober-Lehrer der russischen Sprache anstel- len muß, die geseßlich kein Recht zu solchen Stellen haben und welchen eine bestimmte, oft zweijährige Frist bewilligt wird, um sich zu dem erforderlichen Examen vorzubereiten. Der Korrespondent der »R. St. P. Q.« räth daher gewissen russischen Zeitungen, statt den Wunsch auszusprechen, daß der Um- fang des Unterrichts im Russischen in den Ostseeprovinzen erweitert werde, sih für Beschaffung solcher Lehrer zu bemühen, welche durch ihre Bildung befähigt werden, sih und ihrem Gegenstande die gebührende Achtung zu

chern. ; Y Odessa. Die Cholera ist, dem »Odessaer Bot. « zufolge, in Odessa am 13. September ausgebrochen, an welchem Tage 10 Per-

sonen erkrankten, von denen 4 starben,

Amerika. New-York, 16. September. Von den pro- visorishen Gouverneuren mehrerer Staaten is} bekannt gemacht wor- den, daß alle Personen, welcbe dem Präsidenten zur Amnestirung vorgeschlagen sind, bei den bevorstehenden Wahlen mitstimmen dür- fen, auf die Annahme hin, daß die Amnestirung jedenfalls erfolgen werde. Man schließt daraus, daß jene Beamten allen Grund haben, auf eine von dem Präsidenten zu erlassende allgemeine Am- nestie zu renen ; denn andernfalls würden die Wahlén ungesehlich und null und nichtig sein. --- Die erste Sizung des Kongresses wird auf die Lage der Dinge und die Verhältnisse der Parteien \chon ein Schlaglicht werfen; denn der standhafte Bekämpfer offener und versteckter Sklaverei, Senator Henry Wilson, wird gleih am ersten Tage einen Geseyvorschlag zur Amendirung der Constitution ein- bringen, kraft dessen »allgemeines Wahlrecht« zu einem integrirenden

Theile des Grundgeseyes erhoben werden soll: mit andern Worten, den Farbigen soll das Stimmrecht verliehen werden.

Einwanderungs-Gesellschaften bilden sih allerwärts im Süden, denn das Bedürfniß einer Vermehrung der Arbeitskräfte ist groß. Man rechnet auf Hünderttausend, die vor Ablauf dieses Jahres aus dem Norden in den Süden übersiedeln werden. Land is wohlfeil und verlockende Anerbietungen werden vorgehalten. Die Communicationen bessern sich von Tag zu Tage; die Ohio-Mobile- Bahn ist in ihrer ganzen Länge wieder eröffnet.

2. September. Eine amtliche Korrespondenz, welche im

| März und im August d. J. zwischen Herrn Seward und Herrn

Adams gewechselt wurde und sich auf die südstaatlihe Baumwoll- Anleihe sowie auf eine von dem englischen Vicekanzler Stuart be-

| treffs einer nach England geschickten Quantität südstaatlicher Baum-

wolle bezog, is veröffentlicht worden. Herr Adams wird in dersel- ben ermächtigt, der britischen Regierung in freundschaftlicher und höfliher Weise vorzustellen, daß die Vereinigten Staaten die Combination von Rebellen niemals als eine Regierung de lacto anerkannt oder angeschen hätten, daß sie für die von den Re- bellen fontrahirten Schulden nicht verantwortlich sein könnten, daß sie auf die Rüerftattung der Baumwolle in dem vorliegenden Falle bestehen müßten. Während die Regierung der Vereinigten Staaten sich damit begnügen werde, die Baumwolle Kraft cines Beschlusses der britischen Gerichte zurü zu erhalten, könne sie, was den Rechtspunkt betreffe, nicht daooön abgehen, daß die britische Regierung selbst verpflichtet sei, die Auslieferung zu veranlassen. Die Vereinigten Staaten würden es durchaus nicht als ihre Pflicht ansehen, sich den Bedingungen, welche ein britischer Kanzleigerichts- hof oder irgend ein Munizipalgeriht vorschreibe, in dem gegen- wärtigen Fälle anzubequemen. Der zwischen Hrn. Seward und Hrn. Adams geführten Korrespondenz liegen folgende Thatsachen zu Grunde. Hr. Prioleau erhielt gegen Ende Mai ein Cargo Baumwolle, welches im Anfang Mai, vor der Uebergabe des Generals Kirby Smith, aus Galveston in Texas ausgelaufen war. Jm Namen der Vereinigten Staaten wurde in London von dem Vice-Kanzler Sir W. P. Wood eine richterliche Entscheidung verlangt, daß Hr. Prioleau kein Recht habe, über jene Baumwolle zu verfügen. Es kam zum Pro- zesse und der Entscheid lautete: Die Vereinigten Staaten seien nach dem Zusammensturz der Konföderation unzweifelhaft die Eigen- thümer der Baumwolle geworden, zugleih aber seien sie auf eine de facto Regierung gefolgt und hätten daher auch deren Ver- bindlichkeiten zu Übernehmen, die auf der Baumwolle haftenden 20,000 Pfd. St. seien daher dem Beklagten (Prioleau) zuzuerkennen. Ou. Convention. von Ulabama ino Resolutionen vorgelegt worden, welche den Widerruf der Secessions - Er-

‘flärung, die Abschaffung der Sklaverei und das Verbot ihrer

Wiederherstellung, die Verwerfung der Conföderations\{uld, die Bestätigung der während der leßten Jahre erlassenen und mit den Anordnungen der Unions-Regierung nicht im Widerspruche stehenden Verfügungen und gerichtlichen Entscheidungen befürworten j sie sprechen ferner die Verpflichtung des Staates aus, sih der Neger fürsorgend anzunehmen j die Revision der Staatsverfassung soll einer späteren Session vorbehalten bleiben. General Swayne, einer der Kommissarien des Emancipirtenbüreaus für Alabama, hat im Ein- verständniß mit dem Gouverneur Parsons angeordnet, daß alle Arbeitscontracte zwischen Pflanzern und Negern s\chriftlich abgefaßt werden müssen. Zum Schutze der Neger sollen die Ernte-Erträge nöthigen Falls für die Zablung der Löhne haftbar sein, zum Schuße der Pflanzer sollen diejenigen Neger, welche sih weigern, den festge- seßten Bedingungen nachzukommen , als Landstreicher arretirt, zur Arbeit gezwungen werden. Das Zeugniß der Neger wird von jeßt ab vor Gericht zugelassen. Die Convention von Südcaro- lina hat die Secessionserklärung annullirt j drei Stimmen stimmten gegen den Beschluß. Jn St. Louis geht ein Prozeß gegen eine Anzahl von Leuten vor sich, die angeklagt sind, während des Krie- ges auf den Flüssen des Westens Dampfschiffe verbrannt zu haben. Der Vertheidiger erklärte, daß er Jefferson Davis und andere Mitglieder der weiland südstaatlihen Regierung als Zeugen citiren werde. Die canadishen Behörden haben den Banken von St. Albans in Vermont die von den berüchtigten Streifzüglern geraub- ten Gelder zurükerstattet. Die brasilianische Regierung hat die von der Regierung der Vereinigten Staaten gegebene Erklärung und Genugthuung betreffs der Wegnahme des conföderirten Kreuzers »Flo- rida« durch den Unionsdampfer »Wachusett« in dem Hasen von Bahia als vollständig befriedigend bezeichnet.

Die im Pariser »Möniteur« vom 30, September veröffentlichten neuesten Nachrichten aus Mexico vom 27sten und Vera-Cruz vom 31. August lassen die Lage der Dinge in angenehmem Lichte erschei- nen. Die indianishen Stämme in der Sonora fuhren fort, sich dem Kaiserreiche zu unterwerfen. Jm Junern des Reiches war Alles ruhig. Der Kaiser Maximilian hatte sich am 25, August von der Hauptstadt nah dem 15 Stunden entfernten Pachuca und nah den Bergwerken von Real del Monte begeben, wo 6000 Arbeiter beschäftigt sind. Tehuacan, wo der Juaristenführer Figueroa 100

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Mann österreichisch - mexikanisher Besayung am 15. August über- rumpelt und niedergemacht hatte, war Tags darauf von Kaiserlichen Truppen wieder beseßt worden, aber des Figueroa hat man, troß zweitägiger Verfolgung, nicht habhaft werden können. Ja, diesem fühnen Bandenführer glüte es sogar noch, in der Nähe von Oajaca eine vom österreichishen Major Klein geführte Kolonne mit empfind- lihem Verluste zurückgeschlagen. General Graf Thun ist daher nach der Stadt Oajaca kommandirt worden, während Oberst-Lieutenant d’Ornano von Tehuacan, wo er nicht mehr nöthig war, am 28sten August nah Mexico abmarschirte.

Nach den jüngsten Berichten aus und über Haiti wäre die Lage des Präsidenten Geffrard und seiner Regierung eine sehr ge- sährdete. Der Geschäftsträger der Republik in London hat dagegen Nachrichten empfangen , denen zufolge Präsident Geffrard am 8. September in Gonaives war, wäbrend eine Division Jnfanterie hon gegen Cape-Haitien , die von den Jnsurgenten besezte Stadt, vorgerückt war; andere Truppen zog die Regierung nah demselben Punfte hin zusammen. Die Aufrührer wurden enger und enger eingeschlossen und ihre Schaaren lichteten sich Tag für Tag durch Desertion, Krieg und Hungersnoth.

Berichte aus Rio de Janeiro vom 9. September geben den Verlust, welchen die Paraguiten in der neulichen Schlacht erlitten, auf 2400 Mann an. Einen Parlamentair, welhen General Flores nah dem Kampfe zu den Paraguiten \chickte, sollen dieselben er- schossen haben.

Asien. Die neueste Ueberlandpost mit Nachrichten aus Cal- cutta, 23, Singapore, 19, und Hongkong, 12. August, meldet, daß in Bhutan friedliche Aussichten sind. Anstatt San- koliusin, welcher gestorben is, wurde Tseng Kirofan Generalissimus der Kaiserlich chinesischen Truppen, dessen Gesinnung den Fremden feindlich is, auch Prinz King, welcher das auswärtige Amt leitet, ist ein Feind der Fremden. Burgevine soll ertrunken sein. y

Nustralien. Aus Neusceland sind Telegramme einge- troffen, nach denen die Truppen der Kolonie unter Gouverneur Grey die Warheo-Verschanzung genommen und 57 Gefangene ge- macht haben j ein Angriff, den die Eingeborenen auf Hau-hau ver- suchten, wurde von den Truppen abgeschlagen. Das Ministerium Weld brachte die Adresse im Unterhause ohne Einwurf, im Ober- hause mit 18 gegen 2 Stimmen durch. Fünf Regimenter kehren sofort nach England zurück. Bei Orara sind zwischen den Maories und regulairen Truppen mehrere Gefechte für lehtere günstig ausgegangen.

Telegraphishe Depeschen aus dem Wolff'schen Telegraphen - Büreau.

Hamburg, Sonntag, 1. Oktober, Nachmittags. Nach den neuesten aus Nords\chles8wig bier eingetroffenen Zeitungen sind in Hadersleben mehr als 30 der arbeitenden Klasse angehörige Ein- wohner beiderlei Geschlehts wegen des Tragens ‘von Danebrog- \chleifen, so wie wegen des Absingens dänischer Kriegslieder in Strafe genommen worden. Es wird ferner gemeldet, daß an der südlihen Grenze Jütlands die Errichtung dänischer Unterrichts- Unstalten, einer landwirthschaftlichen Hochschule, so wie einer Vor- bereitungsanstalt für Gymnasiasten, bevorsteht, um Propaganda für das Eiderdänenthum in Nordschleswig zu machen.

Hamburg, Montag, 2. Oktober, Morgens. Die »Hambur- ger Nachrichten« theilen mit, daß der Herzog von Oldenburg auf Schloß Güldenstein einen Adjutanten des Feldmarschall-Lieutenants von Gablenz empfangen babe, welcher einen bevorstehenden Besuch des Statthalters am Hofe zu Oldenburg anzumelden hatte.

London, Sonntag, 1. Oktober, Morgens. Gestern hat der Prozeß gegen die Fenier begonnen. Die Anklage lautet auf Hoch- verrath. Die Verschworenen sollen die Absicht gehabt haben, die Aristokraten zu ermorden und eine Republik zu proklamiren und sollen zu diesem Zwecke Waffen und Gelder gesammelt haben.

Kopenhagen, Sonntag, 1. Oktober, Nachmittags. Der morgen zusammentretende Reichstag wird bis zum 20. November vertagt werden.

Kunst- und wissenschaftliche Nachrichten.

__ Berlin. Ueber Stettin kam dieser Tage, der »N. Pr. Ztg. « zufolge, eine merkwürdige, für das Museum bestimmte Antiquität hier an, eine aus Eichenholz geschnißzte 10 Fuß lange Säule. Dieselbe ist 800 Jahre alt und trug vor Jahrhunderten in einer mit Thüre und Gitterwerk verschlosse- nen Nische das goldene Standbild des Göten Triglaff. Als vor 600 Jah- ren der Bischof Otto von Bamberg nach der Jnsel Wollin kam, um das Christenthum zu verbreiten, wurde dieses Gözenbild gleich vielen anderen eingeschmolzen und von dem daraus gemünzten Gelde die erste Kirche auf der c nsel Wollin erbaut. Die Säule wurde indeß bis auf unsere Tage in dortiger Gegend aufbewahrt.

_— Jm Laufe des Sommers sind in dem Berliner Königs\ch{loß unter Leitung des Ober-Hof- und Hausmarschalls Grafen von Pücler wieder bedeutsame und bemerkenswertbe Renovationen ausgeführt, in Betreff deren Berliner Blätter Nachfolgendes berichten: Die Renovationen betreffen dies- mal eine Reihe von Gemächern vom Portal Nr. 2 bis zur Ecke, der Stech- bahn gegenüber im ersten Stocfwerke, die sogenannten »Kammern der Königin Mutter«. Diese Wohnung war in dem leßten Decennium des vorigen Jahrhunders mit allem Luxus des damaligen Geschmackes ausge- stattet. Künstler wie Carstens hatten ihr Bestes in Deckenmalerei bei- getragen. Das Material wurde ebenfalls nicht gespart. Marmor- panäle und Fensterfüllungen, wie Thüreinfassungen aus fkostbarem Marmor find noch wohlerhalten aus jener Zeit vorhanden. Es fam also darauf an, das vorhandene Werthvolle zu erhal- ten oder wieder herzustellen, dabei jedoch den Anforderungen des heutigen Geschmackes zu genügen. Die Aufgabe is vollkommen gelun- gen. Steigt man die im vorigen Jahr aus schlesischem Marmor vollendete neue Marmortreppe hinauf, so gelangt man durch ein einfaches , aber sehr ansprechendes Entree, durch einige geshmackvoll eingerichtete Vorkammern in einen Salon mit blauer Damastitapete. Den alten Superporten, »die Erziehung des Achilles« darstellend, von Cuningham, schließen sich als Uebergang zu einer neuen Kunstepoche einige in diese Zimmer placirte Bilder aus der ersten Zeit der Düsseldorfer Schule, wie yder Raub des Hylas« von Sohn, »der Fischer nah Göthe« von Hübner in un- gezwungener Weise an. Folgt man der Richtung in der Front nach dem Hofe , so tritt man in ein Empfangszimmer von grüner Seide. Dieses Gemach is fast ganz in seiner früheren Gestalt wieder hergestellt, auch die hier placirten Familienportraits sind geblieben. Das nächste Zimmer is} zu einem prächtigen (rothseiden Damast mit vergoldeten reich verzierten Tape- tenleisten und einen eben solchen Bettbaldachin) mit heitecen Landschaften von Eichhorn und Scheuren geshmücckten Schlafgemah umgestaltet. Beide genannte Zimmer sind mit dem double appartement nah dem Scloßplaze hinaus durch Tapetenthüren in Verbindung. Verfolgt man die gerade Richtung, gelangt man am Ende bis zur Ecke des Hofes in ein reizendes Kammerdamenzimmer. Neben diesem liegt ein mit 3 Gaskronen erleuchteter Korridor, der den Eingang von der Ecftreppe bildet. Von hier aus gelangt man in einen äußerst geschmackvoll, in seiner ursprünglihen Schön- heit wiederhergestellten ovalen Salon mit Wänden von Stuckmarmor mit einem aus imitirtem Onyx ausgeführten umlaufenden Fries. Neben diesem Damenjalon liegt gleichfalls ein prächtiges Schlafgemach , während in der Richtung nach dex Kurfürstenbrücke hin zwei Prachtsalons in gelber und rother Seide zum großen Speisesaal führen. Derselbe liegt über Portal Nr. 2. Wände und Säulen sind von Stuckmarmor. Die Spiegeiwand ver- dient hier ganz besonders Beachtung und drei lebensgroße Gruppen aus carrarischem Marmor, von E. Wolff in Rom: »Eine trauernde Psyche «, von Voß in Rom: »Bachantin mit einem jungen BVachus« und von Cauer in Kreuznah: »yBlumen spendender Genius« geben dem ganzen Raum , der auch für Allerhöchste Herrschaften als Empfangssaal geeignet scheint, ein festliches Ansehen.

Wie Berliner Blätter mittheilen, hat der Bildhauer Begas das Modell zum Denkmal für Schiller den kontraktlihen Bestimmungen gemäß der zur Prüfung des Entwurfs niedergeseßten Kontroll-Kommission vorgelegt. Dieselbe hat das Modell als ein solches erkannt, nach welhem die Ausfüh- rung erfolgen soll, und tritt damit der Kontrakt in Gültigkeit, nach welchem das Denkmal am 10. November 1869 in Marmor nicht nur vollendet, son- dern auch aufgestellt sein muß.

Jn der hiesigen medizinischen Gesellschaft hat, den »Berl. N.« zu- folge, Professor Hertwig an der hiesigen Thierarzneischule, welcher von der Regierung den Auftrag hatte, die in Rußland, England, Holland unter dem Rindvich herrschenden Seuchen zu untersuchen, einen Vortrag ge- halten, welcher bestätigt, daß die in England und Holland herrschende Epidemie die von Rußland aus verbreitete Rinderpest ist. Sie ist durch das russische Steppenvieh, das die Engländer bezogen haben, eingeschleppt wor- den, Nach Holland is} die Epidemie dadurh gekommen, daß ein hollän- dischex Viehhändler sein nah England ausgeführtes Schlachtvieh, welches er nicht hoh genug dort verwerthen konnte, wieder zurückzog, und dasselbe war mit franken Thieren in England in Berührung gekommnn. Jn unseren östlichen Landestheilen (namentlich in Schlesien) bestehen nicht erst aus neuerer Zeit, sondern von jeher die strengsten Vorsichtsmaßregeln gegen die Ein- \hleppung der russishen Rinderpest durch Steppenvieh, Häute, Hörner und dergleichen.

Dr. Lübbert, Dozent der klassischen Philologie an der Breslauer Universität, hat, der yProv. Ztg. f. Schles.« zufolge, einen Ruf als Pro- fessor der Philologie an die Universität Gießen erhalten. Dr. Lübbert, der

sih jeyt während eines Jahres in Rom aufgehalten hat, wird diese Pro- fessur \hon zu Anfang des bevorstehenden Wintersemesters antreten.

Die »Schlesische Zeitung« schreibt : Der fkrainische Historiograph Herr P. v. Radics in Laibach hat bei der von ihm vorgenommenen Ordnun der dortigen Fürst Carlos Auersperg schen Hausbibliothek eine äußerst interessante hand\criftliche Chronik der von 1654 bis 1791 Fürstlich Auerspergschen Stadt Frankenstein in Schlesien aufgefunden. Die Chro- nif wurde von dem Frankensteiner Rathssenior Martin Kobliß 1655 für den Fürsten Johann Weikhart von Auersperg zusammengestellt und mit Abbildungen der Stadt (zum Auseinanderfalten) ges{hmückt; sie führt den

Titel: »Frankensteinische Jahreszeitungen« und umfaßt 761 Seiten Kleinfolio.