1865 / 257 p. 3 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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schaft auf. Nur ein Viertel der hiesigen Gemeinde blieb dem Ober- Kirchenkollegium treu, hielt seine Gottesdienste in der früher von der sogenannten deutsch - katholischen Gemeinde erbauten Kapelie in der Prälatenstraße und wurde längere Zeit von dem [lutherischen Geist- lichen in Wernigerode mit pastorirt. Seit Ende vorigen Jahres ist wieder ein eigener Pastor, Lange, an der vielleicht 70 Seelen zählenden Gemeinde angestellt. An der Gemeinde in der St. Annen- Kapelle ist nach dem Tode des Pastors Wolf vor Kurzem der Pastor Hofmann neu angestellt und somit dürfte sich die in der Gemeinde geschehene Spaltung noch ferner erhalten. Mühlhausen, 29. Oktober. Jn allen katholischen Kirchen des Bisthums Paderborn und so auch hier hat heute, schreibt man dem »Magdeb. Corresp.«, der vom Papst Pius 1X. durch Rund- schreiben vom 8. Dezember 1864 bewilligte, vierwöchentliche, durch

den Bischof von Paderborn auf die Zeit vom 29. Oktober bis 26sten | l | Petersburg ernannt. Jn der Zwischenzeit erhielt Graf Buol den Auftrag,

(Köln. Bl.) Heute Morgen um 10 Uhr als zweiter Bevollmächtigter Oesterreichs zu den deutschen Konferenzen

November festgeseßte Jubiläumsablaß begonnen.

Köln, 30. Oktober. hat sih das hiesige Metropolitan-Domlkapitel zur Berathung 1wegen der Erzbishofswahl im Kapitel-Saale unseres Domes versammelt.

Mecklenburg. Schwerin, 30. Oktober. Se. Königliche Hoheit der Großherzog, meldet die »Mecklenb. Zig.«, is gestern Morgen mit dem Bahnzuge gegen 45 Uhr in erwünschtem Wohl- sein hier eingetroffen. e ck mit Fahnen und Flaggen geshmückte Häuser, wodurch sich die Freude über die nach längerer Abwesenheit glücklich erfolgte Rük- fehr des Landesherrn kund gab. Mittags nach beendigtem Gottes- dienste erschien Se. Königliche Hoheit auf der Parade am Alten- garten, nah welchem seit langer Zeit zum ersten Male die Gar- nifon wieder mit klingendem Spiel durch die volksbelebten Straßen gezogen war.

Anhalt. Heute vor aht Tagen, berichtet man dem »Magd. Corresp.« aus Aschersleben vom 29. c., is für die durch die Fabriken immer mehr wachsende katholische Gemeinde in Bernburg die neue Bonifaciuskirche in Gebrauch genommen. Diese Kirche, von gebrannten Steinen in gothischem Stile aufgeführt, gegen 20 Fuß lang und 40 Fuß breit, mit einem bei der an sich erhabenen Lage der Kirche weithin sichtbaren Thurme, is in der kurzen Zeit vom 12. Mai bis jeyt vollendet. Die gesammten Baukosten im Betrage von 13,000 Thalern sind durch Unterstügung des katholischen Mis- sions- und Bonifacius-Vereins aufgebraht. Der Bischof von Pader- born hatte die Absicht, die Kirche selbst einzuweihen. Da er jedoch mit dieser Reise zugleich die Einweihung der erst im nächsten Jahre

fertig zu stellenden katholischen Kirche in Eisleben verbinden will, so wurde auch die Bernburger Kirhe nur vorläufig geweiht und sieht der bishöflihen Consecrirung erst im nächsten Sommer ent-

egen.

T Bayern. München, 29. Oktober. (Bayer. Ztg.) Der seit zehn Jahren bei der K. württembergischen Gesandtschaft am hiesigen K. Hose als Attaché und Secretair beigegebene Freiberr v. Soden isst als Legations-Secretair zur K. württembergischen Gesandtschaft am K. preußischen Hofe versezt und gleichzeitig zum K. württembergischen Geschäftsträger bei der K. sächsischen Regierung ernannt worden.

(N. C.) Gestern hat der Geseygebungs-Ausschuß der Kammer der Abgeordneten mit der Berathung der von der Staatsregierung neuformulirten Artikel über das mündliche Ver- fahren fortgefahren und dieselbe vollends erledigt. Die Artikel 227 und 28, dann 236 und 37, welche lehteren die Art. 227 und 28 des ursprünglichen Entwurfes reproduziren , fanden im Wesentlichen Annahme, wobei aber durch Stimmenmehrheit der Say angenom- men wurde, daß, wenn die Schlußanträge kontradiktorish hinterlegt sind, das hierauf ergehende Urtheil auch in dem Falle, daß hei der mündlichen Verhandlung nur ein Anwalt erschienen is, ein fontradiktorisches sei. Als neuer Artikel 233a. wurde die Bestim- mung eingeseßt, daß die Beurkundung von Zugeständnissen, Aner- fenntnissen, Zurücknahme von Klagegründen oder Einreden, welche hei der Verhandlung abgegeben werden, durh das Gericht verlangt werden könne. Der Artikel 219, welcher Bestimmungen über die Aufsicht der Gerichte über den Betrieb der Prozesse enthält , wurde als unnsöthige Bevormundung gestrichen. Die hierauf noch eröffnete Debatte über das neunte Hauptstük beschleunigtes Verfahren wurde nicht mehr zum Abschluß gebracht.

Hefterreih{h. Wien, 30. Oktober. Se. Majestät der Kaiser hat den Joseph Fürsten Colloredo-Mannsfeld als Vorsigenden, den Hofrath Dr. Franz Taschek als dessen Stellver- treter, dann den Feldmarschall Heinrih Freiberrn von Heß, den Anselm Freiherrn von Rothschild, den Michael Freiherrn von Rueskefer, den Professor Dr. Eduard Herbst und den Böôrse- rath Simon Winterstein als Mitglieder der Kommission zur Controle der Staatsschuld zu berufen geruht.

Die Leichen-Einsegnung des Grafen Buol - Schauenstein fand gestern Nachmittags in der Kirche der PP. Schotten in feierlicher Weise statt. Der gewesene Minister, schreibt die »Ostd. Post«, hatte eine stille; prunklose Leichenfeier. Abends wurde die Leiche mittelst Separatzuges, von der Dienerschaft begleitet, nach Mariazell zur

| Eigenschaft nah Frankfurt am Main.

Schon früh erblickte man in allen Straßen

Beisezung in der Familiengruft gebracht. Karl Ferdinand Buo l- Schauenstein war am 17. Mai 1797 geboren und wurde von seinem Vater Karl Rudolph , welcher Präsident des deutshen Bun- destages war, nah vollendeten Studien {hon mit 19 Jahren in die diplomatische Laufbahn eingeführt; er betrat dieselbe als Attahé bei den Kaiserlihen“ Gesandtschaften in Flo- renz, Hannover und Kassel, und kam später in gleicher Im Jahre 1819 wurde er zum Legations - Rath im Haag ernannt, im Jahre 1822 als Ge- sandtschafts-Secretair nah Paris geschickt, von wo er 1824 in gleicher Eigenschaft nah London ging und vier Jahre blieb. Nachdem er Gesandter in Karlsruhe (1825), Darmstadt (1831) und Stuttgart (1838) gewesen, wurde er als Gesandter beim Turiner Hofe beglau- bigt, wo er bis zum Jahre 1848 in dieser Eigenschaft blieb. Jn diesem Jahre verließ Buol Turin und wurde einige Zeit darauf zum Gesandten in

nach Dresden zu gehen. Jm Jahre 1851 übernahm er den Gesandt-

| schaftösposten in London und wurde nach dem Tode des Fürsten

Felix Schwarzenberg am 12. April 1852 zum Minister der aus-

| wärtigen Angelegenheiten ernannt, welche Stellung er bis zum

17, Mai 1859 innehatte; am 18. früh erschien die Ernennung des Grafen Rechberg in der Wiener Zeitung und wurde zugleih bekannt gegeben, daß Graf Buol »auf sein Ansuchen in Gnaden entlassen sei.« Graf Buol verlebte den größten Theil des lehten Sommers in Enzersdorf nächst Brunn und war mit jener Rührigkeit und förperlichen Frische gesegnet, welche ein eigenthümlicher Vorzug der in der Diplomatie ergrauten Männer sind.

Verona, 26. Oktober. (Pr.) Nach dreijährigem Provisorium hat endlich der Ausnahmezustand, in welchem sich unsere Munizipal- vertretung befand, geendet, und wir haben wieder ein kompletes, aus freier Wahl der Mitbürger hervorgegangenes Munizipium. Die Bestätigung der Wahl des Cavaliere di Betta zum Podesta hat în allen Kreisen lebhafte Befriedigung erregt, da der Cavaliere eine be- liebte Persönlichkeit ist.

Schweiz. Bern, 28. Oktober. Der Nationalrath be- handelte in der Bundesrevisionsfrage bis jet bekanntlich das Niederlassungswesen und die Glaubensfreiheit. Jn Bezug auf den ersten Punkt wourde nach langen Debatten und vielen An- trägen \chließlich der Antrag der Kommissionsmehrheit , also folgende Abänderungen der bisherigen Bestimmungen angenommen: die Be- \hränkung der Niederlassungs§freiheit auf Angehörige der christlichen Konfessionen sollte aufgehoben werden , ebenso die Bestimmung, daß naturalisirte Schweizerbürger die Bescheinigung beibringen müssen, daß sie wenigstens fünf Jahre im Besize eines Kantonsbürgerrechtes sich befinden; der Niedergelassene soll in Betreff des Stimmrechts in Gemeinde - Angelegenheiten den niedergelassenen Kantonsbürgern gleihgehalten werden. Ferner soll der Bundesgeseygebung vorbe- halten werden, zu bestimmen, ob die HGesege des Heiraths- oder des Niederlassungskantons bei der Besteuerung, so wie bei der Regelung der civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen maßgebend sein sollen, und ob und unter welchen Bedingungen für die Ausübung der wissenschaftlichen patentirten Berufsarten die Freizügigkeit von Kanton zu Kanton möglich zu machen sei.

Frankreich. Paris, 29. Oktober. Der Ausschuß für die 93. Klasse der Ausstellung von 15867 macht heute bekannt, daß in dem großen, das Ausstellungsgebäude umgebenden Parke ein entsprehender Flächenraum für die Errichtung von städtischen und ländlichen Arbeiterwohnungen reservirt werden wird. Es sollen aber diese Gebäulichkeiten wo möglih in ihrer natürlichen Größe aufge- baut werden. Da, wo die Dimensionen zu bedeutend sind, genügt auch ein einzelner Theil, der eine befriedigende Vorstellung von dem Ganzen giebt. Außerdem sollen sie in wirklichem Baumaterial und niht zum äußeren Scheine ausgeführt, und mit allen Vorrich- tungen für Ventilation, Heizung und Wasserleitung, wie sie bereits an verschiedenen Orten vorhanden sind, versehen werden. Die Kom- mission spricht sogar den lebhaften Wunsch aus, daß aus den Ge- genden, in denen sich bereits solhe Arbeiterwohnungen befinden und praftisch bewährt haben, je eine Familie herangezogen werden soll, welche während der Dauer der Ausstellung das betreffende Muster- gebäude bewohnt. Auch sollen der Kauf- oder der Miethpreis solcher Wohnungen, so wie die Abzahlungs-Bedingungen jedesmal angege- ben werden, Auf diese Weise hofft man, dem europäischen Publi- fum ein Material, wie es vollständiger noch nicht auf Einem Punkt vereinigt war, für die fernere Behandlung dieser wichtigen Tages- frage bieten zu können. Der Ausschuß wird nach den ihm vorzu- legenden Plänen diejenigen Musterwohnungen ausfuchen, welche in dem Ausstellungspark aufgeführt werden können. Gleichzeitig wird man sich zur Einrichtung dieser Häuser an die Aussteller wohlfeiler Hausgeräthe und Heizapparate wenden, so daß auch diesen die beste Gelegenheit geboten wird, das Publikum von dem praktischen Werthe ihrer Fabrikate zu überzeugen. Sowohl für die Häuser als für die

Hauseinrihtungen wird eine Anzahl Belohnungen ausgeseyt werden.

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Selbstverständlih sind einfache Modelle und Zeichnungen derartiger | Ausführung der Erkenntnisse, durch welche eine Geldstrafe oder sonstige Zah-

Wohnungen hierdurch von der Ausstellung niht ausgeschlossen.

Der »Moniteur Algerien« meldet , daß gegen den neuen Auf- stand der Uled-Sidi-Scheik fünf mobile Kolonnen aufgeboten wurden. General Lacretelle stüßt sih auf Daya, General Pechot operirt vor Saida, General Martineau vor Frendah, General Liepert wurde am 24. Oktober in Tiaret erwartet, und Oberst Colomb soll von Geryville her die Jnsurgenten von der Südseite aus fassen. Der »Opinion Nationale« wird aus Tlemsen vom 18. Oktober geschrieben, daß eine sechste und fiebente Kolonne in Tlemsen gebildet worden, um Si Hamed ben Hemza entgegen zu rücken. Si Hamed's Hauptmacht befindet sich in dem Landstriche von den Engpässen von Sebdu bis El Gor an den Quellen des Ifsser. Am 17ten griff er die Beni-Smiel an und nahm ihr sämmtiliches Vieh mit, am 18ten kam es mit diesem Stamme zu neuen Kämpfen; von Tlemsen war, was an Truppen verfügbar, nach den Uled-Mimun geeilt , so daß die Miliz den Dienst in der Stadt thun mußte. Si Hamed soll an 16,000 Mann, zur Hälfte Neiter, zur Hälfte Jnfanterie, organisirt und auch die sämmtlichen Streitkräfte vom großen Marabut Muley - Kerzas, der nicht zu Al- gerien gehört, zur Verfügung haben. Auch von Oran is neuesten Berichten zufolge die ganze Besazung im Felde. Am 20. wurden 2 Compagnieen nah St. Denis am Sig, bald darauf 200 Zuaven auf requirirten Maulthieren nach dem Posten Ain-Temuschet gewor- fen. Mac-Mahon, der sih nah Frankreih einschiffen wollte, fieht sih genöthigt, auf seinem Posten zu bleiben, und hat seinen Adjutanten , Obersten Faure, am 21. mit Berichten an den Kaiser abgefertigt.

Spanien. Aus Madrid vom 29. Oktober wird telegra- phirt: Die Cholera is hier und zu Sevilla im Abnehmen begriffen. Die spanische Regierung hat der englischen in einer Note die Ver- POEAs ertheilt, daß sie dem Sklavenhandel energisch entgegentreten werde.

Italien. Am Sonntag, 29. Oktober, wurden diejenigen Parlamentswahlen, welche am 22sten kein gültiges Ergebniß hatten, durch Ballotage entschieden. So viel bis jeyt bekannt, hat das liberale Centrum in den meisten Kollegien gesiegt, doch sind auch die Hauptnamen der rechten, wie der linken Seite shließlich aus der Wabhlurne hervorgegangen j die Klerikalen haben Cantu und D'Ondes Reggio, die schroffsten Gegner des Klerikalismus haben Garibaldi und Boggio durchgesezt. Boggio's Flugschrift Über seine Römer- fahrt und seine Gespräche mit Pius IX. ist am 26sten in der »Opinione« vollständig erschienen.

Die Stadt Turin hat den Besuh des Königs und der König- lichen Töchter und Schwiegersöhne zur Feier eines großen Festes benußt.

König Victor Emanuel hat den Arbeitervereinen in Turin 50,000 Frs. géshenkt. Am 30. Oktober reist der König von Turin

nach Florenz ab.

Nufßland und Polen. St. Petersburg, 27. Oktober. Die gestern erwähnten, durch Kaiserliche Ordre vom 23sten festgeseh- ten Veränderungen im Gerichtsverfahren sind der Hauptsache nach folgende :

I. BeimKriminalgerichtsverfahren. 1) Die Kreisgerichte und die mit diesen auf gleicher Stufe stehenden Gerichtsstellen erster Instanz führen und entscheiden von den Kriminalprozessen, die bisher zu ihrer Kompetenz gehör- ten, nur diejenigen, in Folge deren keiner der Angeklagten zum Verlust des Bürgerrechtes, oder auch nur eines Standes- oder persönlichen Rechtes ver- urtheilt wird. Wenn letzteres der Fall ist, sollen diese Prozesse fortan von den Untersuchungsrichtern direkt dem Kriminalgerichtshof eingesandt werden. Die Feststelung des Thatbestandes bei den Ereignissen geht nur in dem Falle von den Polizei - Aemtern an die Untersuchungsrichter über , daß bei denselben \sich die Anzeichen eines Verbrechens kundgeben, oder daß der Staatsprofkurator mit dec Resolution, daß der Pro- zeß geschlossen, nicht einverstanden ist. Eine Ankündigung der zur Verhand- lung kommenden Prozesse wird stets eine Woche vorher an die Thür des Gerichts geschlagen. Schriftliche Berichterstattungen werden nur in solchen Prozessen abgefaßt, in welchen dies von dem Gericht für beson- ders nothwendig erachtet wird; diese Berichte dürfen nur eine kurze Darlegung des Thatbestandes enthalten. Der Bericht wird gewöhnlih von einem Mitgliede des Gerichts mündlich abgestattet; die wichtigeren Aktenstücke werden im Original verlesen. Der Angeklagte, die anderen bei dem Prozesse Betheiligten oder deren Bevoll- mächtigte haben das Recht, dieser Berichterstattung beizuwohnen und das Gericht auf die Umstände aufmerksam zu machen, welche zu ihren Gunsten sprechen. Diesem Berichte kênnen , mit Ausnahme der in dem Justiz-Regl. von 1864 reservirten Fälle auch fremde Personen beiwohnen, soweit dieses die Räumlichkeit des Gerichtslokals gestattet. Jedes Erkenntniß muß ‘das betreffende Datum , eine kurze Darlegung des Thatbestandes, das Gutachten des Gerichts und das Urtheil enthalten. Die Entscheidungen der Gerichte erster Jnstanz werden nur in dem Falle der Revision durch den Kriminalhof unterworfen, daß der Kreisanwalt gegen dieselben protestirt, oder die Be- theiligten selbst appelliren. Die Gerichte erster Jnstanz haben den Lokal - Verwaltungsbehörden die Originalakten und die Erkenntnisse über Verleßung der Reglements dieser Behörden im Laufe einer Woche nach der Publication des Erkenntnisses an den Verurtheilten mitzutheilen. Die

lung auferlegt wird, hat diejenige Behörde zu überwachen, an welche diese Zahlung zu entrichten ist. Jede Appellation wird bei der Gerichtsbehörde eingereiht, zu deren Wirkungskreis der Prozeß gehört, und spätestens zwei Wochen “nah Empfang mit den betreffenden Erläuterungen derjenigen Ge- richtösbehörde ausgehändigt, welche die Appellation zu prüfen hat. Dem Appellirenden wird auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zeit der Abgabe der Appellation ausgestellt, welche derselbe bei der Berufung an die höhere Jnstanz mit beizulegen hat. Die Erkenntnisse der Gerichts- Behörden in Kriminalsachen werden nicht mehr dem Gouverneur zur Be- stätigung unterlegt; ausgenommen find nur die Fälle, in welchen es si um Austritt aus der orthodoxen Kirche und um Mißbrauch der Amtsgewalt handelt. Die Kriminalhöfe senden bei Einreichung der Prozesse an den Se- nat die Original-Erkfenntnisse ein. Eine Appellation gegen die Erkenntnisse der Kriminalhöfe in Prozessen, welche bereits durch die niedere Jnstanz ge- gangen sind, ist nicht zulässig. Der Durchsicht des dirigirenden Senats im Cassationswege unterliegen: die Erkenntnisse gegen Edelleute und Beamte, welche zum Verlust der Standes- oder Bürgerrechte, und gegen Minder- jährige von mindestens 14, aber weniger als 17 Jahren, welche zum Ver- lusi der Bürgerrechte verurtheilt worden, wenn sie auch zu einer unteren Klasse gehören ; gegen minderjährige Edelleute, die in den Militairdienst eingestellt werden sollen ; ferner die Prozesse, welche von den die Gouvernements revidiren- den Senatoren zur Revision durch den Senat besonders bestimmt werden, oder sich auf Beamte beziehen, welche durch sie zu gerichtlichen Untersuchun- gen gezogen werden, und endlich die auf Allerhöchsten Befehl anhängig ge- machten Prozesse. Von den Prozessen, welche die Kriminalhöfe in erster Instanz entschieden haben und gegen welche die Prokuratoren Protest oder die Betheiligten Appellation eingelegt haben, kommen folgende ohne Wei- teres zur Durchsicht des Senats als einer höheren Jnstanz: a) gegen Edel-

| leute oder Beamte, welche wegen Mordes angeklagt sind; b) gegen Geist- | liche, erbliche Ehrenbürger und Kanzleibeamte aus dem Stande der Geist-

lichen, Kaufleute und Bürger, welche zum Verlust der Standes- oder Büsär- rechte verurtheilt worden sind/ c) gegen Beamte, welche aus dem DifMste auz3geschlossen oder entlassen werden sollen, und d) über die Strafen für Ueberschreitung der Amtspflicht. Die Personen, gegen welche die Kriminal- hôfe in erster Jnstanz auf Verlust der Bürgerrechte oder auch auf Verlust der Standesrechte und Verschikung nah Sibirien oder Einstellung in eine Arrestanten-Compagnie erkannt haben , können , auch wenn diese Urtheile nicht ohne Weiteres der Durchsicht des Senats im Cassations- oder Appel- lationswege unterliegen, an den Senat als höhere Jnstanz appelliren, ohne daß jedoch die Vollstreckung des Urtheils dadurch aufgehoben würde. Diese Appellationen werden dem Kriminalhofe eingereicht, welcher das Urtheil ge- fällt hat, und von diesem spätestens eine Woche nach dem Empfange mit den Original-Akten dem Senate eingesandt. Nicht zulässige Beschwerden werden unter Angabe der Gründe für ihre Nichtzulassung dem Bittsteller zurückgegeben. Wenn eine Appellation vom Senate als unbegründet an- erkannt wird, unterliegt der Appellirende der geseßlichen Stempelstrafe.

1]. Fm Civil-Gerichtsverfahren. A, Veber die nicht strei- tigen Schuldforderungen auf Schuldscheine, welche nicht durch Unterpfand sicher gestellt sind. Bis zur Einführung der Gerichts- Ordnung nach den Reglements vom 20. November 1864 werden alle Schuld- forderungen auf Scheine, welche niht durch Unterpfand sicher gestellt find, wenn die Summe nicht 30 Rbl. übersteigt, dem Lokal-Polizeivorsteher und wenn sie sih auf eine größere, aber nicht 500 Rbl. übersteigende Summe beziehen, dem Kreisrichter oder Polizeimeister eingereiht. Die Schuldforde- rungen werden aus eigener Machtvollklommenheit von der Polizeibehörde sicher gestellt, indem sie je nah Angabe des Klägers entweder auf das unbewegliche oder das beweglihe Vermögen des Angeklagten Beschlag legt. Wenn die Sicherstellung auf Grund eines Schuld- scheins verlangt wird, der im Wege der Corroboration oder sonst gerichtlih bescheinigt is , darf die Polizei - Verwaltung eine solche Forderung nicht abweisen. Bei Schuldscheinen, die ohne Beobachtung der geseßlichen Formalitäten ausgestellt sind, wird der Forderung zur Sicher- stellung der Schuld von der Polizeiverwaltung erst nach dem Eingehen einer Erklärung von Seiten des Schuldners Folge gegeben, aus der si ergiebt, daß die Angelegenheit in keiner Weise den Charakter einer streitigen an sich trägt, und der Schuldner im Laufe von drei Tagen nicht vor Ge- richt erschienen oder Zahlung geleistet oder sih, ohne die Lokalpolizeibehörde davon zu benachrichtigen, in nicht dienstlicher Angelegenheit aus dem Orte entfernt hat. Eine allgemeine Beschlaglegung auf das Vermögen des Angeklagten im Betrage einer bestimmten Summe wird nur bei Geldforderungen auf fsolhe Scheine gestattet, die auf gesehlichem Wege ausgestellt sind; in allen übrigen Fällen is “der Kläger ver- pflichtet, dasjenige Besißthum des Angeklagten zu bezeichnen, welches mit Beschlag belegt werden kann. Der Angeklagte kann darauf antragen, daß, an die Stelle der allgemeinen Beschlagnahme, die Beschlagnahme auf ein von ihm bezeichnetes Besigthum trete, er muß alsdann aber auf Verlangen des Klägers nachweisen, daß dieses Besizthum zur Sicherstellung der Schuld ausreichend is. Wenn die Polizei eine Schuldforderung als streitig aner- fannt und es dem Kläger anheimgestellt hat, den Prozeß in einer Gerichts- behörde zu beginnen, kann der Kläger innerhalb einer vierwöchentlichen Frist seine Berufung vor Gericht einreichen, welches über dieselbe im Laufe von höchstens zwei Wochen nach dem Eingehen zu entscheiden hat. Falls die Verfügung der Polizei aufgehoben wird, verordnet das Gericht die Be- s{lagnahme, oder stellt dieselbe wieder her und [äßt die Forderung durch die Polizei im Exekutivwege eintreiben. Wird die Verfügung der Polizei als richtig anerkannt, so weist das Gericht die Berufung zurück und läßt sich nicht auf eine weitere Untersuchung ein, wenn die Klage nicht der Ge- richt8ordnung gemäß eingereiht wird. Erkennt dagegen die Polizei die Schuldforderung als nicht streitig an, so kann der Angeklagte innerhalb einer vierwöchentlihhen Frist entweder eine A rung einbringen, oder seine Forderung exhibiren. Auf die Jncidentberufung prüft das Ge- richt die Verfügung der Polizei und - entscheidet die Sache im Laufe von zwei Wochen; im Falle der Exhibition verfährt das Gericht näch den für Schuldklagen bestehenden Verfahren. Proteste gegen die Verfügungen